STADT GEMEINDE - ENERGIE- + VERKEHRSWENDE - UND - DSTGB
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Agri-PV: Rahmenbedingungen und Gestaltungsmög- lichkeiten der Kommunen 22.09.2022 | 10:00 Uhr Solarzaun: Bau- und planungs- rechtliche Einordnung innovativer PV-Anlagen 29.09.2022 | 10:00 Uhr Die Next2Sun Online-Seminare im September: die sollten Sie nicht verpassen! Agri-PV: Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen Die Energiewende macht den Zubau von Photovoltaik auch auf der Freifläche unumgänglich. Dass dieser Zubau Freiflächen nicht zwingend versiegeln muss, zeigen innovative Agri-Photovoltaik Konzepte. Beim Next2Sun Agri-Photovoltaik Konzept wird lediglich ca. 1% der Fläche versiegelt, die Flächen bleiben weiter- hin landwirtschaftlich nutzbar und werden ökologisch sogar aufgewertet. Welche Rahmenbedingungen bestehen und welche Gestaltungsmöglichkeiten Kommunen haben, stellen wir Ihnen in unserem Online-Seminar vor. Der Solarzaun: Bau- und planungsrechtliche Einordnung innovativer PV-Anlagen Innovative Photovoltaik-Lösungen können die Energiewende beflügeln. Der Next2Sun Solarzaun bietet Kommunen die Möglichkeit des Zubaus erneuerba- rer Energien ohne zusätzliche Flächen zu versiegeln. Eigenheimbesitzer, Unterneh- men, kommunale Einrichtungen und Landwirte investieren in einen Zaun, der sich am Ende selbst bezahlt. Doch wie ist der Next2Sun Solarzaun bau- und planungs- rechtlich einzuordnen? Das erklären wir Ihnen in unserem Online-Seminar. Anmeldung unter: events@next2sun.de oder einfach den für Sie passenden QR-Code abscannen! Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme! Ihr Team der Next2Sun! Agri-PV: Rahmenbedin- Der Solarzaun: Bau- und gungen und Gestaltungs- planungsrechtliche Ein- möglichkeiten der ordnung innovativer PV- Kommunen Anlagen Datum: 22.09.2022 Datum: 29.09.2022 Uhrzeit: 10:00 Uhr Uhrzeit: 10:00 Uhr Next2Sun AG| Franz-Meguin-Str. 10a | 66763 Dillingen | info@next2sun.de | next2sun.com
KRISENMANAGEMENT UND ZUKUNFTSGESTALTUNG NUR MIT STARKEN KOMMUNEN Wenn Krisen und unerwartete He- fähigkeit der Städte und Gemeinden rausforderungen zu meistern sind, auch finanziell dauerhaft abzusi- kommt es regelmäßig entscheidend chern. Unverzichtbar ist in diesem auf die Handlungsfähigkeit und den Zusammenhang das politische Ziel Handlungswillen der Kommunen gleichwertige Lebensverhältnisse in an. Das zeigt sich auch aktuell, wenn ganz Deutschland konsequent vor- es um die Unterbringung, Versor- anzubringen. Die Lebens- und Bil- gung, Integration der Kriegsvertrie- dungschancen eines Kindes dürfen benen, die Schaffung der notwendi- nicht davon abhängen, ob es in ei- gen Kita- und Schulplätze geht. ner armen oder reichen Region groß wird. Die Menschen erwarten zu Nicht anders verhält es sich, wenn Recht akzeptable Lebensbedingun- durch den Klimawandel verursachte gen vor Ort. Nur wenn das gelingt, Hitze, Dürre und Brände oder Über- werden wir den Zusammenhalt der schwemmungen das Leben vor Ort Gesellschaft stärken und Extremis- gefährden. Die Corona-Pandemie mus die Stirn bieten können. hat die Systemrelevanz der Kom- munen im Krisenmanagement über- All das zeigt: Ohne die Kommunen deutlich demonstriert. ist im wahrsten Sinne des Wortes kein Staat zu machen. Auch die entscheidenden Zukunfts- fragen rund um Verkehrswende, Ihr Ausbau der alternativen Energien, Elektromobilität, Wasserstoffstruk- tur, Digitalisierung, Bildungsoffen- sive und mehr Miteinander in der Dr. Gerd Landsberg Gesellschaft entscheiden sich vor Ort. Unsere Stadtwerke sind Treiber des ökologischen Umbaus, schaffen und erhalten Arbeitsplätze und sor- gen für Wertschöpfung in den Re- gionen. Deshalb ist die Politik gut beraten, die notwendige Handlungs- Stadt und Gemeinde 03/22 3
INHALT 03|2022 DER BESCHLEUNIGTE NETZAUSBAU IST EIN GEMEINSCHAFTSPROJEKT von Klaus Müller Seite 05 S C H W E R P U N K T WIR MÜSSEN DIE KURVE KRIEGEN BEI DER WÄRMEWENDE von Ingbert Liebing Seite 08 BREITES BÜNDNIS: ENERGIESPAREN FÜR MEHR UNABHÄNGIGKEIT UND KLIMASCHUTZ Seite 10 STROMNETZAUSBAU VOR ORT - KOMMUNEN ALS DIALOGBRÜCKEN von Stephanie Bock, Maik Bohne, Franciska Frölich von Bodelschwingh, Bettina Reimann und Esther Trost Seite 12 WARUM WIR EINE MODERNISIERUNG DES VERKEHRSRECHTS BRAUCHEN von Timm Fuchs Seite 15 LADEINFRASTRUKTUR VOR ORT von Johannes Pallasch Seite 18 KOMMUNEN SIND DER SCHLÜSSEL ZUR FÖRDERUNG DER NAHMOBILITÄT von Christine Fuchs Seite 22 AUTOREDUZIERTEN INNENSTÄDTEN GEHÖRT DIE ZUKUNFT von Anne Klein-Hitpaß Seite 25 INNENSTÄDTE MÜSSEN GUT ERREICHBAR BLEIBEN von Michael Reink Seite 27 FAHRRADDIEBSTAHL DARF NICHT ZUM STOLPERSTEIN BEI DER VERKEHRSWENDE WERDEN von Dr. Gerd Landsberg Seite 30 RÜCKBLICK DEUTSCHER KOMMUNALKONGRESS DES DStGB 2022 Seite 32 BEI DER DIGITALISIERUNG TEMPO AUFNEHMEN von Srini Gopalan Seite 38 TROTZ PANDEMIE-SCHUBS BLEIBT DIGITALISIERUNG EINE DAUERBAUSTELLE Seite 41 OZG: PROZESSE ERST HARMONISIEREN, DANN DIGITALISIEREN Interview mit Thomas Przybylla Seite 43 DIGITALE BILDUNG – SCHULE ALS STANDORTFAKTOR von Dr. Sarah Henkelmann Seite 46 DER DEUTSCHE SCHULTRÄGERKONGRESS Seite 48 DAS DEUTSCH-FRANZÖSISCHE ZUKUNFTSWERK von Frank Baasner Seite 50 CHINA, DIE EU UND DEUTSCHE STÄDTE- UND GEMEINDEN von Simone Bresser Seite 53 MELDUNGEN Seiten 29 | 60 Weitere BRÜSSELER GERÜCHTE – FOLGE 45 aktuelle Infos Seite 56 BUCHBESPRECHUNGEN jederzeit unter Seite 58 IMPRESSUM & INHALT www.dstgb.de Seite 04 IMPRESSUM ZEITSCHRIFT DES DEUTSCHEN STÄDTE- UND GEMEINDEBUNDES, BERLIN |BONN | BRÜSSEL Redaktionsanschrift: Herausgeber: DStGB Redaktionsteam: Stadt und Gemeinde Digital Dienstleistungs-GmbH Alexander Handschuh Marienstraße 6, 12207 Berlin Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Janina Salden Telefon: 030/773 07-201 Dr. Gerd Landsberg Kristine Stüvecke Fax: 030/773 07-222 Uwe Zimmermann Birgit Pointinger Email: birgit.pointinger@dstgb.de Internetpräsenz: www.dstgb.de Anzeigenredaktion: Grafik & Satz: DStGB kristine.stuevecke@dstgb.de Dienstleistungs-GmbH alexander.handschuh@dstgb.de Titelbild: Groß: © ludariimago - stock.adobe.com | Klein v. l.: © aapsky - stock.adobe.com | Markus Mainka-Fotolia.de | Oliver Boehmer - bluedesign® - adobe.stock.com Diese Seite v. l.: © AdobeStock_miss_mafalda | Michael Flippo- Fotolia.com | fineart-collection - Fotolia.com | gekaskr - Fotolia.com 4 Stadt und Gemeinde 03/22
SCHWERPUNKT ENERGIE- + VERKEHRSWENDE POLITISCHE BESCHLÜSSE UND IHRE PRAKTISCHEN FOLGEN DER BESCHLEUNIGTE NETZAUSBAU IST EIN GEMEINSCHAFTSPROJEKT Von Klaus Müller Präsident der Bundesnetzagentur © TARA Ingenieurbüro NordWest GmbH Co. KG Foto: © Stihl024 - Fotolia.com W ir brauchen und wollen Die Energiewende lässt sich nicht braucher aus der Industrie. Der Süd- die Energiewende. Das ist ohne einen Netzausbau denken. Der westen ist deshalb wirtschaftlich so weitestgehend Konsens. muss nun deutlich schneller voran- stark, weil er viele Automobilherstel- Mit dem russischen Angriffskrieg in kommen. Die politischen Weichen ler und deren Zulieferer beherbergt, der Ukraine und der Notwendigkeit, dafür sind gestellt. eine starke Chemie-Industrie, aber unabhängig von russischen Energie- auch mit einem eindrucksvollen Mit- trägern zu werden, hat diese Erkennt- Sprechen wir zunächst von Windkraft. telstand aufwarten kann. Der Ausbau nis eine noch höhere Dringlichkeit Diese „heimische“ Energie müssen wir der Photovoltaikanlagen läuft gut, bekommen. Aber selbst ohne die au- vom windreichen Norden vor allem wird aber allein nicht ausreichen. Die ßenpolitische Dimension machen die in den Süden und Westen des Landes Idee, kleinere und dezentrale Anlagen Klimakrise und ihre verheerenden transportieren. Dort ist die Abschal- zu errichten, ist richtig und förde- Folgen den Umstieg auf Erneuerbare tung der Kohle- und Kernkraftwerke rungswürdig. Doch kann sie nicht an Energien zu einer Frage des Eigenin- weit fortgeschritten, gleichzeitig gibt die Stelle des bundesweiten Netzaus- teresses. es in den Regionen viele große Ver- baus treten. Stadt und Gemeinde 03/22 5
SCHWERPUNKT ENERGIE- + VERKEHRSWENDE KONSTRUKTIVE sen. Zwar hört man viel über Proteste Ziel hinsteuern. Das Osterpaket, das ZUSAMMENARBEIT von Bürgerinnen und Bürgern, die sich das Kabinett Anfang April verabschie- BEIM NETZAUSBAU gegen Leitungen über ihren Köpfen det hat, ist eine der größten energiepo- und Grundstücken wehren. Aber Viele litischen Novellen seit Jahrzehnten. Im Bundesbedarfsplangesetz sind die sehen auch die Notwendigkeit und bie- Hier ist nicht der Platz, alle Maßnah- Anfangs- und Endpunkte für die drin- ten eine konstruktive Zusammenarbeit men zu erläutern. Klar ist jedoch, der gend benötigten Stromleitungen festge- an. Und die brauchen wir. Ausbau der Erneuerbaren Energien schrieben. Und damit bin ich an dem und der Netze wird beschleunigt, in- Punkt, der die Städte und Gemeinden Der Netzausbau und damit die Ener- dem Hemmnisse abgebaut und Pla- direkt betrifft. Zwischen Anfang und giewende gelingen nur gemeinsam. nungs- und Genehmigungsverfahren Ende liegt ein Weg. Eine Strecke aus Gesetzgebung, Netzbetreiber und verschlankt werden. Stromleitungen, die irgendwo hinmüs- Kommunen müssen auf das gleiche TURBO FÜR DEN AUSBAU Baufortschritt seit 2013 DER ÜBERTRAGUNGSNETZE Der Bundesbedarfsplan für den Aus- Baufortschritt gesamt in km bau der Übertragungsnetze wird aktu- 1600 alisiert und es werden neue Projekte 1400 aufgenommen, damit die Netze mit 1200 dem Ausbau der Erneuerbaren Ener- 1000 gien Schritt halten können. Kurz ge- sagt: Es wird schnell gehen. Auch die 800 Kommunen werden rascher reagieren 600 müssen. Bis 2030 sollen mindestens 400 80 Prozent des deutschen Brutto- 200 stromverbrauchs aus Erneuerbaren 0 bezogen werden. 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 EnLAG BBPlG Die großen Hochspannungs-Gleich- 1 strom-Übertragungsleitungen (HGÜ) wie zum Beispiel SuedLink und Sue- Fortschritt BBPlG-Vorhaben dOstLink werden seit 2015 als Erdka- bel geplant. Wechselstromleitungen Genehmigungsfortschritt BBPlG-Vorhaben ebenfalls unter der Erde zu verlegen, 7000 erscheint vielen attraktiv. Das ist 6000 nachvollziehbar. Kabel, die unter der Erde liegen, sieht man nicht. Hierzu 5000 sei allerdings gesagt, dass das in der 4000 Praxis schwer umzusetzen ist. Aus 3000 gutem Grund ist die Erdverkabelung gesetzlich geregelt. Ob Leitungen an 2000 Strommasten hängen oder unter der 1000 Erde liegen, obliegt also weder den 0 Behörden noch den Netzbetreibern. Q4 2017 Q4 2019 Q4 2021 noch nicht beantragt Bundesfachplanung Planfeststellung genehmigt bzw. im Bau Realisiert NEUE TECHNIKEN FÜR 2 VERKABELUNG Grafiken: © BNetzA Die Vorteile von Freileitungen liegen 6 Stadt und Gemeinde 03/22
auf der Hand: Die Kosten und die Energieversorgung ins Spiel gebracht. TRANSPARENTE Bodeneingriffe sind deutlich gerin- Theoretisch ist es möglich, Strom in KOMMUNIKATION – ger. Der zweite Punkt ist vor allem für Form von Wasserstoff oder Methan TRANSPARENTES HANDELN Landwirte von Bedeutung. Außerdem in das Erdgasnetz einzuspeisen. Der sind Freileitungen leichter zu warten Wirkungsgrad von Power to Gas mit Während die Energiewende vorange- und somit im Betrieb günstiger. Im Rückverstromung hat allerdings nur trieben wird, läuft die Forschung an Wechselstrom-Bereich ist die Freilei- einen Wirkungsgrad von 30 bis 50 neuen Technologien, die uns schneller tung eine über Jahre bewährte Tech- Prozent, es gehen also 50 bis 70 Pro- in die Klimaneutralität bringen. Der nik. zent der Energie verloren. Im Ver- Netzausbau fordert uns heraus. Alle gleich dazu verfügt ein Pumpspeicher Beteiligten müssen bereit sein, für das Eine Erdverkabelung hingegen ist über einen Wirkungsgrad von 75 bis große gemeinsame Ziel Zugeständnis- nicht nur technisch sehr anspruchs- 85 Prozent. Wird Strom direkt über- se zu machen. Der Bundesnetzagentur voll, sondern kostet ein Vielfaches der tragen, liegen die Verluste nur bei un- kommt dabei eine besondere Rolle zu, herkömmlichen Leitungen. Einen ge- ter 10 Prozent. Bei Gleichstrom sind die das Osterpaket explizit erwähnt: setzlich verankerten Anspruch für alle sie sogar noch geringer. Auch die Kos- Ausbaumaßnahmen halte ich nicht Unsere Aufsichtsmöglichkeiten über ten und die Leistung der bisherigen für realistisch. Was es aber gibt, sind Energielieferanten werden ausgewei- Anlagen liegen noch nicht in einem Pilotprojekte zur Erdverkabelung im tet. Das wiederum stärkt die Rechte Bereich, der für den flächendecken- Drehstrom-Bereich. Hierbei haben der Endkundinnen und Kunden und den Einsatz, also als Alternative zum die Vorhabenträger bei entsprechend schützt sie noch besser. Netzausbau, geeignet und wirtschaft- gekennzeichneten Vorhaben die Mög- lich wäre. Daher ist die direkte Über- lichkeit, eine Teil-Erdverkabelung zu tragung über das Stromnetz vorzuzie- Noch etwas ist mir wichtig: Wir wol- beantragen. Aus diesen Piloten wollen hen. len die Öffentlichkeit an unseren Ent- wir lernen. Die Erfahrungen können scheidungen und Plänen beteiligen. uns bei weiteren Ausbauvorhaben hel- Die Bundesnetzagentur beobachtet Wir wollen die Stimmen derjenigen fen, neue Techniken und Lösungen allerdings die aktuellen Entwicklun- hören, die zweifeln. Ja, beim Netz- anzuwenden. gen bei Power to Gas und tauscht sich ausbau wird der Turbo eingeschaltet. fortwährend mit Unternehmen und Das darf aber nicht heißen, dass die Die Bundesnetzagentur ist eine un- Wissenschaftlern darüber aus. Darü- Menschen übergangen werden. Mei- abhängige und neutrale Behörde. Sie ber hinaus gibt es zahlreiche Pilotan- ne Erfahrung ist: Je besser wir unser setzt politische Vorhaben und Gesetze lagen, die der Bund fördert, um die Handeln erklären, desto mehr sind um. Weil es aber in diesem Haus sehr Technologie weiterzuentwickeln. bereit, uns zu folgen. viel Kompetenz und Erfahrung gibt, geben wir natürlich der Politik Emp- Foto: © BNetzA fehlungen. Klar ist jedoch, dass die Entscheidungen auf politischer Ebene getroffen werden. Wir begleiten das Thema Erdverkabelung intensiv und haben die Interessen der Kommunen, auch der Verbraucherinnen und Ver- braucher im Auge. ZUKUNFTSTHEMA WASSERSTOFF?! Klaus Müller, Präsident BNetzA Ein zentrales Thema der Zukunft ist der Wasserstoff. Immer öfter wird er als Lösung für Probleme bei der Stadt und Gemeinde 03/22 7
SCHWERPUNKT ENERGIE- + VERKEHRSWENDE WIR MÜSSEN DIE RV E KRIEGEN BEI DER WÄRMEWENDE KU Von Ingbert Liebing Hauptgeschäftsführer VKU e. V. © TARA Ingenieurbüro NordWest GmbH Co. KG Foto: © AdobeStock_Nelia2 D WAS BEACHTEN? er russische Angriffskrieg auf Deshalb ist die flächendeckende und die Ukraine hat eine Zeiten- verbindliche kommunalen Wärme- BESONDERHEITEN wende eingeleitet – gerade für planung gerade jetzt so zentral. DES WÄRMEMARKTES die Energiewirtschaft, die in Deutsch- land die drastischsten Auswirkungen PROBLEM: 85 PROZENT Wärme ist ein lokales Produkt: Po- ganz direkt spürt. Das hat Auswirkun- FOSSILE ENERGIE tenziale (z. B. Geothermie, Abwär- gen auf alle Lebensbereiche. Oberstes me aus Industrie oder Kläranlagen), Ziel muss es jetzt sein, die Gasver- Die Wärmeversorgung speist sich Infrastrukturen und Versorgungs- bräuche zu senken, um unabhängig noch immer zu etwa 85 Prozent formen (Wärmepumpen, Nah- und zu werden von fossilem russischen aus fossilen Energien. Trotz ambi- Fernwärme) unterscheiden sich von Gas. Das gilt ganz besonders für die tionierter Klimaziele für 2030 und Ort zu Ort. Auch kann man sie nicht Wärmeversorgung. Zugleich ist der 2045 stagniert die Emissionslast im über lange Distanzen transportieren. Wärmesektor ein schlafender Riese, Gebäudesektor seit Jahren bei rund Darum gibt es – im Gegensatz zum wenn es um Potenzial für CO2-Ein- 120 Millionen Tonnen. Knackpunkt Strom- und Gasnetz – keine bundes- sparungen geht. Es ist an der Zeit, ihn bleibt der Gebäudebestand. Ziel der weit engmaschig ausgebauten Wär- aufzuwecken, den die Transformati- Bundesregierung ist es, den Anteil der menetze. Viele lokale Märkte mit onsziele hin zur Klimaneutralität wer- klimaneutral erzeugten Wärme auf unterschiedlichen Akteuren – zum den durch die russische Aggression ja mindestens 50 Prozent bis 2030 anzu- Beispiel Gebäudeeigentümer, Woh- nicht weniger wichtig, im Gegenteil! heben. nungsunternehmen, Energieversor- 8 Stadt und Gemeinde 03/22
ger und so weiter – prägen den Wär- die Chance, die Wärmeversorgung Transformation für die Gasversor- memarkt. passend zur Situation vor Ort zu gung und zur Rolle von Konzessi- planen und die Netze gebietsscharf onsverträgen für die Wärmewende LÖSUNG: KOMMUNALE weiterzuentwickeln. Die kommuna- erarbeitet der VKU ein Gutachten. WÄRMEPLANUNG le Wärmeplanung stellt somit den Foto: © VKU/Chaperon Gegenentwurf zu einem starren, Deswegen sind Planungsinstrumente ordnungsrechtlichen Rahmen dar, wie die kommunale Wärmeplanung der – wie zum Beispiel im Zuge der gut geeignet. Statt jedes Gebäude geplanten „65 Prozent Erneuerba- einzeln zu sanieren, nimmt sie alle ren Energien“-Anforderung für neue Quellen, Infrastrukturen und ge- Heizungen ab 2024 auf einzelne Ingbert Liebing, meinschaftliche Versorgungslösun- Technologien fixiert und unflexibel Hauptgeschäftsführer VKU e. V. gen im Quartier in den Blick. Städ- ist. Eine zentrale Rolle spielen hier te und Gemeinden bekommen so die kommunalen Gasnetze. Zu deren WAS DER BUND VON DEN LÄNDERN LERNEN KANN Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein haben werden. Technologieoffenheit und Learning by doing die kommunale Wärmeplanung bereits eingeführt, sorgen für Tempo. Der Bund sollte allenfalls Min- Niedersachen und Hessen planen sie. Daraus kann destanforderungen zu Inhalt und Zielen vorgegeben. der Bund fünf Lehren ziehen: 4. Datenbasis schaffen: Jeder Plan ist nur so gut wie seine Datenbasis. Es gibt viele Datenquellen, aber 1. Konnexitätsprinzip anwenden: Bund und Länder auch Hürden bei der Nutzung wie z. B. Datenlücken, müssen die Kommunen unterstützen und die Kosten Aktualität, Netzverläufe bei kritischen Infrastruktu- vollumfänglich finanzieren. ren, Betriebsgeheimnisse). Kommunen sollten einen gesetzlichen Anspruch auf Abruf und Verarbeitung 2. Beteiligung und Zusammenspiel mit anderen Instru- von Daten bekommen, die sie für die Wärme- menten ermöglichen: Kommunale Wärmeplanung planung brauchen. Dabei sollte der Datenschutz ermöglicht, Strategien und Maßnahmen verschiede- gewahrt und Nutzungsrechte vertraglich festgehalten ner Akteure aufeinander abzustimmen. Bestehende werden. Pläne sollten berücksichtigt, betroffene Akteure beteiligt werden. Öffentlich-rechtliche Stellen sollten 5. Verbindlichkeit schaffen und im Förderrecht be- zum Mitmachen verpflichtet werden. rücksichtigen: Kommunale Wärmeplanung sollte für Kommunen und Dritte (etwa Gebäudeeigentü- 3. Unterstützung leisten: Wie können kleine und mitt- mer) verbindlich sein. Offen ist, wie die kommunale lere Kommunen die kommunale Wärmeplanung Wärmeplanung mit der verbindlichen Bauleitpla- zügig anstoßen und umsetzen? Indem Bund und nung im Baugesetzbuch sowie im Gebäudeener- Länder passende Beratungs- und Unterstützungs- gierecht verknüpft wird oder ob sie durch andere leistungen schaffen. Bewährte Tools und Kennzahlen Mechanismen Verbindlichkeit erhält. Für Akzeptanz (zum Beispiel Erhebungsplattformen für Muster- sollte Politik die kommunale Wärmeplanung fest in verträge, Technologiekataloge inklusive CO2-Fakto- den Förderprogrammen verankern und dies bei der ren, Technologie- und Erschließungskosten und so anvisierten Überarbeitung der Förderprogramme im weiter) sowie Best-Practice-Austausch sollten genutzt Bereich Wärme und Effizienz berücksichtigen. Stadt und Gemeinde 03/22 9
SCHWERPUNKT ENERGIE- + VERKEHRSWENDE 80 MILLIONEN GEMEINSAM FÜR ENERGIEWECHSEL BREITES BÜNDNIS: ENERGIESPAREN FÜR MEHR UNABHÄNGIGKEIT UND KLIMASCHUTZ Foto: © DStGB © TARA Ingenieurbüro NordWest GmbH Co. KG Foto v. l. n. r.: Bernd Düsterdiek (DStGB), Ingbert Liebing (VKU), Robert Habeck (BMWK), Dr. Kay Ruge (DLT), Ulf Kämpfer, Oberbürgermeister Kiel B ei einem Energieeffizienz-Gip- Dr. Robert Habeck hierzu: „Der rus- Energie sind derzeit enorm hoch und fel in Berlin verabschiedeten das sische Angriffskrieg auf die Ukraine belasten Verbraucherinnen und Ver- Bundeswirtschaftsministerium, macht es uns jeden Tag auf schmerz- braucher genauso wie Unternehmen. Sozialpartner, Wirtschafts-, Umwelt- liche Weise deutlich: Wir müssen weg Gerade im Herbst werden viele Men- und Verbraucherschutzverbände so- von fossilen Energieträgern und weg schen deutlich höhere Heizrechnun- wie die kommunalen Spitzenverbände von der Abhängigkeit und Erpress- gen bekommen als sonst. Allein schon eine Erklärung, in der Energiesparen barkeit von russischen Importen. Nur deshalb ist Energiesparen dringend und Energieeffizienz von den Akteu- mit mehr erneuerbaren Energien und notwendig, und ich weiß, dass viele ren als gesamtgesellschaftliches Pro- mehr Energieeffizienz werden wir schon schauen, wo sie etwas einsparen jekt gesehen wird, das alle braucht. unsere Unabhängigkeit stärken. Nur können, gerade, wenn sie ohnehin auf Die Beteiligten wollen Energiespa- zusammen schaffen wir den Energie- jeden Cent achten müssen. Aber gerade ren in ihrem Wirkungsbereich mit wechsel – einen schnellen Wechsel von deshalb wollen wir die Aufmerksamkeit eigenen Initiativen unterstützen, ob fossilen Energieträgern hin zu den für das Thema noch mal erhöhen und über den Einsatz von Energie-Scouts Erneuerbaren. Weg vom Kohlekraft- mit Tipps, Hinweisen und Beispielen in Unternehmen, Energieeffizienz- werk, hin zu Wind- und Sonnenkraft. Energiesparen so leicht wie möglich ma- maßnahmen in den Betrieben bei Das heißt aber auch: weg vom Inten- chen – und zwar für alle Bereiche - in Beleuchtung und Wärmerückgewin- siv-Verbrauch, hin zu Energieeinspa- den Unternehmen genauso wie in den nung oder Wärmeschutzverglasung rung und Energieeffizienz. ‚80 Millio- privaten Haushalten. Regelmäßig das großer Schaufenster. Im Anschluss an nen gemeinsam für Energiewechsel' ist Eisfach abtauen, Duschkopf wechseln das Verbändetreffen startete Bundes- daher unser Aufruf, mitzumachen und oder in Büros die Beleuchtung auf LED wirtschaftsminister Habeck die Kam- Energie zu sparen.“ umstellen – das senkt den Verbrauch. pagne „80 Millionen gemeinsam für Und wenn viele das machen, bringt das Energiewechsel“. Habeck betonte: „Die Preise für fossile in der Summe wirklich was. Ich freue 10 Stadt und Gemeinde 03/22
Gemeinsame Erklärung de s BMWK und de r Spitzenverbän de H IE R Wir als kommunale Akteure unterstützen die Energiespar- Kampagne. Jede eingesparte mich deshalb, dass Verbände aus allen die Menschen aufhalten: Auf digita- Kilowattstunde ist ein echter Beitrag Bereichen heute dabei sind und mit uns len Screens in Städten, zum Beispiel zum Klimaschutz. Städten, Land- das Signal zum Energiesparen senden an Hauptbahnhöfen. Auf Online-Por- kreisen und Gemeinden kommt eine und weitertragen. Machen Sie mit! Wer talen im Internet mit hohen Reichwei- Schlüsselrolle zu. Sie sind Vorbild Energie spart, hilft, dass Deutschland ten und den sozialen Netzwerken. Als und beraten Bürgerinnen und Bür- unabhängiger von russischen Importen zentrale Plattform steht www.energie- ger und die Wirtschaft. Sie steigern wird und tut was fürs Klima.“ wechsel.de mit vielen konkreten Tipps, aktiv die Energieeffizienz durch interaktiven Ratgebern, Erklärfilmen vielfältige Maßnahmen. Die großen Mit der Kampagne appelliert das und Praxisbeispielen bereit. Begleitet Potenziale, etwa bei über 180.000 BMWK an die Gesamtheit der mehr wird sie von Dialog und Beratungs- kommunalen Gebäuden, über 2 Mil- als 80 Millionen Bundesbürgerinnen möglichkeiten (Telefon-Hotline, Ver- lionen kommunalen Wohnungen, bei und -bürger, gemeinschaftlich mehr anstaltungsreihen, Stakeholder-Dialo- der Straßenbeleuchtung oder auch Tempo zu machen und zu schauen, ge), Förderprogrammen. im Verkehr müssen weiter gehoben wo jede und jeder Einzelne einen werden. Wir werden für das Ener- kleinen Beitrag zum Energiesparen Die Energiewechsel-Kampagne ist giesparen werben, Informationen leisten kann. dabei mehr als eine Informations- bereitstellen sowie „gute Beispiele“ kampagne – sie trägt auch den Wett- präsentieren und so auch in Zukunft Die Kampagne spricht ganz unter- bewerbsgedanken ins Land, wer den wichtige Impulse geben.“ schiedliche Bevölkerungsgruppen mit Energiewechsel jetzt am schnellsten, praktischen Energiespartipps für nachhaltigsten und damit am vorbild- Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreis- den Alltag an. Immer dort, wo sich lichsten voranbringt. tag, Deutscher Städte- und Gemeindebund DIGITALE INFORMATIONSANGEBOTE DES DStGB Die aktuelle Energiekrise und auch der fortschrei- bei Energieeinsparkonzepten und in der Abfallwirt- tende Klimawandel machen das Energiesparen zu schaft. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude einer absoluten Notwendigkeit. Es handelt sich um unterstützt gezielt bei der energetischen Sanierung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe; jeder kann privater und auch kommunaler Gebäude. Und auch einen wichtigen Beitrag leisten, denn jede eingespar- die Städtebauförderung unterstützt insbesondere auch te Kilowattstunde zählt. Die Energiesparkampagne die (Neu-)Entwicklung von Zentren und Quartieren des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima- aus energetischen und Klimaschutz-Gesichtspunkten. schutz gibt viele wichtige Tipps zum Mitmachen für Viele Praxisbeispiele vor Ort zeigen: Energieeinsparen Bürger:innen, Unternehmen, Industrie sowie Städte schont nachhaltig kommunale Haushalte und schützt und Gemeinden. Als Bündnispartner unterstützt der das Klima. Deutsche Städte- und Gemeindebund die Energie- Unter der Adresse www.dstgb.de/energiekrise finden sparkampagne und setzt sich aktiv für die Umsetzung sich aktuelle Informationen rund um die Ereig- auf kommunaler Ebene ein. nisse und Auswirkungen der Energiekrise auf die Kommunen. Politische Statements, Interviews und Bereits heute sind viele Kommunen im Bereich des Publikationen des DStGB, neueste Nachrichten sowie Energiesparens aktiv. So werden durch die Kommu- weiterführende Links zu relevanten Gesetzen und nalrichtlinie seit 2008 eine Vielzahl von Vorhaben Verordnungen sind hier zusammengestellt. Darüber unterstützt, die über Beratungs- und Förderangebote hinaus zeigen Berichte über erfolgreiche Praxisbei- Energieeinsparpotentiale in Kommunen steigern; spiele vor Ort wie Energieeffizienz, autarke Energie- so etwa im Bereich der Beleuchtung, der Mobilität, und Nahwärmeversorgung funktionieren Stadt können. und Gemeinde 03/22 11
SCHWERPUNKT ENERGIE- + VERKEHRSWENDE STROMNETZAUSBAU VOR ORT KOMMUNEN ALS DIALOGBRÜCKEN ZWISCHEN NATIONALER PLANUNG UND LOKALEM PROTEST Von Stephanie Bock, Maik Bohne, Franciska Frölich von Bodelschwingh, Bettina Reimann und Esther Trost Foto: © cardephotography - Fotolia.com © TARA Ingenieurbüro NordWest GmbH Co. KG D as Gelingen der Energiewende ein Spannungsfeld widersprüchlicher schungsvorhaben befassten sich das hängt maßgeblich vom Aus- Anforderungen: der Beitrag zu einer Deutsche Institut für Urbanistik und bau der Übertragungsnetze ab. nationalen Planung, die Umsetzung die Ruhr-Universität Bochum mit Dieser bleibt nicht ohne Folgen für kommunaler Interessen und der Um- einem bislang „blinden Fleck“ – den die betroffenen Kommunen: Der Aus- gang mit Protesten vor Ort. Eine er- Aufgaben und Rollen von Kommu- bau greift unmittelbar in kommunale folgreiche Energiewende wird deshalb nen im Rahmen des Ausbaus von Räume ein – sei es als Veränderung maßgeblich davon abhängen, inwie- Höchstspannungsleitungen. Sie iden- der Landschaft, als Begrenzung der weit sich Städte und Gemeinden da- tifizierten fördernde und hemmen- räumlichen Entwicklung, beispiels- ran beteiligen, Dialogbrücken vor Ort de Faktoren für das Handeln der weise von Gewerbe- oder Wohnge- aufzubauen und tragfähige Lösungen Kommunen in der Öffentlichkeits- bieten, oder als potenzielles Risiko für zwischen nationaler Planung und lo- beteiligung. Unterstützt von einem Anwohner*innen, die negative öko- kalen Bedarfen auszutarieren. Begleitkreis aus Übertragungsnetzbe- nomische oder gesundheitliche Aus- treibern, kommunalen Interessenver- wirkungen befürchten. Häufig kommt KOMMUNEN ALS AKTEURE treter*innen und weiteren Multiplika- es vor Ort zu Protesten und Wider- SICHTBAR MACHEN tor*innen wurden Lösungskonzepte stand, die den Ausbau verzögern. zur Stärkung der Städte, Gemeinden Viele Städte und Gemeinden geraten In einem zweijährigen vom Bun- und Landkreise als konkrete Räume deshalb im Rahmen der Öffentlich- desministerium für Wirtschaft des Netzausbaus erarbeitet. keitsbeteiligung zum Netzausbau in und Klimaschutz geförderten For- 12 Stadt und Gemeinde 03/22
BETROFFENEN STÄDTEN gen des Netzausbaus aber als hoch ein (Westküstenleitung/Schleswig-Hol- UND GEMEINDEN FEHLEN (Grafik 1), über die Hälfte unterstützt stein und Wahle-Mecklar/Nieder- RESSOURCEN + die Öffentlichkeitsbeteiligung vor Ort sachsen) zeigen im Ergebnis, dass eine QUALIFIKATIONEN (Grafik 2). Den zumeist sehr kleinen konsequente und frühzeitige Kommu- Verwaltungen und ehrenamtlichen nikations- und Beteiligungsstrategie Eine repräsentative Kommunalbefra- Bürgermeister*innen fehlen jedoch nachhaltig Vertrauen in die Planung gung zeigt, dass vor allem kleine Städ- häufig die notwendigen Ressourcen schafft. Im Fall der Westküstenleitung te und Gemeinden in ländlichen Regi- und Qualifikationen, um die komple- waren die aktive Rolle des Landes onen vom Stromnetzausbau betroffen xen Planungsprozesse fachlich tiefer- und der Kreise, eine rahmengebende sind: Über die Hälfte haben weniger gehend zu bearbeiten, sich aktiv in die Realisierungsvereinbarung mit der als 5.000, mehr als zwei Drittel weni- Öffentlichkeitsbeteiligung einzubrin- Vorhabenträgerin TenneT sowie ein ger als 10.000 Einwohner*innen. Ein gen und diese zu unterstützen (Grafik intensiver Bürgerdialog zu einem sehr Drittel der Städte und Gemeinden 3). frühen Zeitpunkt wesentliche Erfolgs- und drei Viertel der Landkreise ist da- strategien für eine konfliktarme Um- bei von mehr als einem Vorhaben be- KOMMUNIKATION + setzung. Allerdings steht zur Debatte, troffen. Ein knappes Drittel der Städte BETEILIGUNG – ob ein solches Verfahren, in das alle und Gemeinden steht dem Stromnet- KONSEQUENT + FRÜHZEITIG Beteiligten sehr viel Arbeit und Auf- zausbau eher kritisch gegenübersteht. merksamkeit investierten, mit einem Unabhängig davon schätzen die Kom- Fallstudienanalysen von zwei kon- vergleichbaren Ressourceneinsatz un- munen ihre Bedeutung für das Gelin- trastierenden Netzausbauprojekten ter heutigen Bedingungen – insbeson- (Grafik 1) Grafik 1 (Grafik 2) Grafik 2 Stadt und Gemeinde 03/22 13
SCHWERPUNKT ENERGIE- + VERKEHRSWENDE (Grafik 3) k3 dere der großen Zahl von gleichzeitig und sie den Ausbauprozess trans- des Landes und der Kreise flankiert stattfindenden Ausbauprojekten – re- parent und fair erleben, agieren sie werden. Stromnetzausbau vor Ort ge- produzierbar ist. konstruktiv und dialogorientiert und lingt nur als Gemeinschaftswerk. unterstützen die Öffentlichkeitsbe- Demgegenüber verdeutlicht der Fall teiligung. Um das dafür erforderliche Zu den Autor*innen: Wahle-Mecklar, wie ein später Beginn Vertrauen zu erlangen, ist es wichtig, Dr. Stephanie Bock: Team- und Pro- der Beteiligung sowie eine Reihe von frühzeitig einen schlüssigen Prozess jektleiterin am Difu mit den Arbeits- ungünstigen Einflussfaktoren – etwa der Öffentlichkeitsbeteiligung vor Ort schwerpunkten Governance und Bür- eine Verwaltungsreform, Verfahrens- zu konzipieren und zu verankern. Ins- gerbeteiligung, Gender Mainstreaming, fehler oder eine sich ändernde Geset- besondere kleinere Kommunen soll- Evaluation und Begleitforschung. zeslage – zu widersprüchlichen Er- ten von Beginn der Planung an noch Dr. Maik Bohne: Mitarbeiter am wartungen und Vertrauensverlusten stärker in ein Netz der Kommunikati- Centum für Umweltmanagement, führen können. Kommunale Akteure on eingebunden werden. Um ihre Be- Energie und Ressourcen (CURE) der fühlten sich angesichts von Mehrfach- troffenheit zu erkennen, muss ihnen Ruhr-Universität Bochum und Berater. belastung, komplexen Planungen, immer wieder aufgezeigt werden, wie Franciska Frölich v. Bodelschwingh: knappen Ressourcen und ihrer Sand- der Stand der Planung, der Grad ihrer Projektleiterin am Difu mit den Ar- wich-Position zwischen widersprüch- Betroffenheit und die Möglichkeiten beitsschwerpunkten Stadtentwicklung, lichen Anforderungen oft überfordert. der Einflussnahme in unterschiedli- Wohnen und Planungsrecht. chen Phasen sind. Dabei muss auch Dr. Bettina Reimann: Team- und BAUSTEINE ZUR STÄRKUNG die Verteilung unterschiedlicher Las- Projektleiterin am Difu mit den Ar- DER ROLLE VON ten zur Sprache kommen. Nur wenn beitsschwerpunkten Bürgerbeteiligung, STÄDTEN + GEMEINDEN der Ausbauprozess als fair und nach- Integration, Evaluation und Begleitfor- vollziehbar empfunden wird, erfährt schung. Die empirischen Befunde zeigen, dass er auch von mehrfachbetroffenen Esther Trost: Mitarbeiterin am sich Städte und Gemeinden in erster Kommunen Unterstützung. Dies kann Centrum für Umweltmanagement, Linie als Vertreterinnen lokaler Inte- und sollte nicht allein Aufgabe der Ressourcen und Energie (CURE) der ressen verstehen. Sofern es ihre Res- Vorhabenträgerin sein, sondern muss Ruhr Universität Bochum mit For- sourcen und Qualifikationen zulassen mit Expertise von Seiten des Bundes, schungsschwerpunkt Energiewende. 14 Stadt und Gemeinde 03/22
SCHWERPUNKT ENERGIE- + VERKEHRSWENDE WARUM WIR EINE MODERNISIERUNG DES VERKEHRSRECHTS BRAUCHEN Von Timm Fuchs Beigeordneter Deutscher Städte- und Gemeindebund Foto: © finecki - Fotolia.com E SICHERER RADVERKEHR in Ergebnis des 60. Deutschen ändert werden müssen, um präventive Verkehrsgerichtstags in Goslar sowie proaktive Maßnahmen leichter war: Deutschland braucht ein Eine sichere Nahmobilität spielt eine zu ermöglichen“. Das klingt sehr ab- modernes Verkehrsrecht. Allen voran zentrale Rolle für lebenswerte Städten strakt. Ein Anwendungsfall hierfür benötigen die Kommunen deutlich und Gemeinden. Um den Radverkehr ist beispielsweise, dass es dort, wo es mehr Entscheidungsbefugnisse, um sicherer zu machen, bedarf es eines noch keinen baulich getrennten Rad- den Verkehr in der Stadt und auf dem Bündels von Maßnahmen. Dies be- weg gibt, künftig leichter sein muss, Land sicherer zu machen und zugleich trifft nicht allein die Städte. Etwa 40 geringere Geschwindigkeiten für den die Mobilitätswende zu beschleuni- Prozent aller tödlichen Unfälle von Autoverkehr anzuordnen. Durch eine gen. Konkret müssen Radfahrende Radfahrenden passieren in ländlichen Verringerung der sogenannten Dif- und zu Fuß Gehende besser geschützt Räumen. Zu wenig sichere und gut ferenzgeschwindigkeiten zum Auto und die Anordnung von Tempo 30 auf ausgebaute Radwege sind hierfür un- können Radfahrende besser geschützt Hauptverkehrsstraßen erleichtert wer- ter anderem ursächlich. Allen voran werden. Bislang ist hierfür der Nach- den. Dazu müssen die im Koalitions- das Verkehrsrecht sollte einen besse- weis einer „örtliche Gefahrenlage“ er- vertrag vorgesehene Anpassung des ren Schutz der Radfahrenden ermög- forderlich, was viel unnötige Bürokra- Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und lichen. Der Verkehrsgerichtstag sagt in tie erzeugt, weil etwa Unfallstatistiken der Straßenverkehrsordnung (StVO) seiner aktuellen Beschlussfassung zu für konkrete Straßenabschnitte vorge- schnellstmöglich umgesetzt werden. Recht, dass „die Ziele des StVG so ver- legt werden müssen. Stadt und Gemeinde 03/22 15
SCHWERPUNKT ENERGIE- + VERKEHRSWENDE ORTSANGEPASSTE ckenlänge von 300 Metern möglich. der Nahmobilität sowie der Verkehrssi- GESCHWINDIGKEIT STATT Auf stark frequentierten Schulwe- cherheit sind etwa zusätzliche Aspekte, FLICKENTEPPICH gen ist die Anordnung von Tempo die den Bedürfnissen der Kommunen 30 mit dieser Begründung dagegen entsprechen. So wird vor Ort eine Fest- Überhaupt ist die Anordnung von nicht erlaubt. Das ist schwer nachzu- setzung von Höchstgeschwindigkeiten geringeren Geschwindigkeiten wie vollziehen, vor allem aber gefährlich. mit Augenmaß möglich. Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen Die gefahrene Geschwindigkeit von bislang sehr kompliziert und büro- Kraftfahrzeugen ist ausschlaggebend MODELLVERSUCHE kratisch. Sichtbar wird das in vielen für Anzahl und Schwere von Sach- ZU TEMPO 30 Gemeinden in Form eines Flicken- und Personenschäden. Zudem leidet teppichs von Einzelanordnungen das Sicherheitsempfinden und damit Eng damit zusammen hängt die Dis- und Beschilderungen, was zu Irrita- die Lebensqualität von Radfahrenden kussion um ein flächendeckendes Tem- tionen und mangelnder Akzeptanz und zu Fußgehenden. Erforderlich ist po 30 innerorts. Dies zu verwirklichen, führt. Vor allem entspricht das nicht ein Verkehrsrecht, das entsprechende verfolgt seit einiger Zeit die Initiative den Bedürfnissen von Kommunen Anordnungen der Kommunen nicht lebenswerte Städte durch angemesse- und Verkehrsteilnehmern. So ist bei- an Einzelnachweise knüpft, sondern ne Geschwindigkeiten. Der Deutsche spielsweise Tempo 30 vor bestimm- auch bei der Begründung deutlich Städte- und Gemeindebund hat sich ten Einrichtungen wie Schulen oder mehr Flexibilität erlaubt. Die Förde- dem nicht angeschlossen, weil die In- Krankenhäusern nur auf einer Stre- rung des Klimaschutzes, die Stärkung itiative explizit eine Regelumkehr zu- EIN MODERNES VERKEHRSRECHT FÜR DIE MOBILITÄTSWENDE 8 Gründe für mehr kommunale Entscheidungsbefugnisse im Verkehrsrecht Mehr Klimaschutz Alterna�ve im Verkehrssektor Stärkung des Fußverkehrs Antriebe Höhere Aufenthaltsqualität / Stärkung des Radverkehrs A�rak�vierung der Innenstädte Steigerung der Regulierung + klare Vorgaben Verkehrssicherheit für Sharing-Angebote Einfachere Regelungen / Integrierte + konsistente Abbau des Schilderwaldes Verkehrsnetzplanung Quelle & Grafik: DStGB 2022 16 Stadt und Gemeinde 03/22
gunsten von Tempo 30 fordert. Was te, aber auch auf das Umland und die vorgesehenen Entwicklung einer Fuß- jeweils sinnvoll ist, kann sachgerecht Pendlerverflechtungen evaluiert wer- verkehrsstrategie, den erforderlichen jedoch nur vor dem Hintergrund der den. Rechts- und Förderrahmen hierfür Situation im örtlichen Straßennetz schaffen. beurteilt werden. So müssen Verlage- LEICHTERE EINRICHTUNG rungseffekte in untergeordnete Stra- VON FUSSGÄNGERÜBER- SICHERER VERKEHR – ßen, der Betrieb des ÖPNV und Mög- WEGEN LEBENSWERTE KOMMUNEN lichkeiten des Verkehrsmanagements – auch jenseits der Geschwindigkeits- Neben Radfahrenden sind zu Fuß Wir brauchen ein modernes Ver- regulierung – in die Betrachtung ein- Gehende im Straßenverkehr beson- kehrsrecht, das mehr als bisher allen bezogen werden. Daher erscheint eine ders gefährdet. Immer wieder auf Verkehrsteilnehmenden gerecht wird. bundesweit einheitliche Festsetzung Unverständnis stößt die mangelnde Neben den bereits genannten Grup- der Regelumkehr zugunsten von Tem- Flexibilität im Verkehrsrecht bei der pen müssen besonders die Bedürf- po 30 nicht zweckmäßig. Das ist keine Einrichtung von Fußgängerüberwe- nisse von Kindern, älteren Menschen Absage an weitergehende Regelungen gen. So gibt es Fälle, in denen die si- und Menschen mit Mobilitätsein- zu Tempo 30, sondern ein Votum chere Erreichbarkeit eines Spielplat- schränkungen stärker in den Fokus für ein Vorgehen entsprechend dem zes nicht durch die Einrichtung eines kommen. Ein sicherer Verkehrsraum Motto „Gründlichkeit vor Schnellig- Fußgängerüberwegs unterstützt wird. ist zentral für eine lebenswerte Kom- keit“: Anstelle einer gesetzlichen Re- Hier verhindern ähnlich wie beim mune. Die Steigerung der Verkehrssi- gelung zu einem Tempo 30 als Regel- Radverkehr sehr bürokratische Be- cherheit sowie des subjektiven Sicher- geschwindigkeit sollte dies zunächst gründungszwänge bislang, dass Fuß- heitsgefühls sind zentrale Bausteine in Modellversuchen erprobt werden. gängerüberwege eingerichtet werden hierfür. Die Mobilitätsplanung in den Dabei kann beispielsweis auch die können. Die Lösung liegt auch hier Kommunen kann und muss sich das Wirkung eines generellen Tempo 30 in einer Erweiterung des Rechtsrah- zum Ziel machen, braucht dabei aber mit vereinzelten Ausnahmebeschil- mens. Die Anordnung von Fußgän- zusätzliche Handlungsmöglichkeiten derungen auf Hauptverkehrsstraßen gerüberwegen sollte unabhängig von durch eine Modernisierung des Ver- untersucht werden. Da Verkehr nicht Gefahrensituationen erfolgen kön- kehrsrechts. an Stadtgrenzen Halt macht und die nen. Generell muss der Sicherheit des Bedürfnisse der Verkehrsteilnehmer Fußverkehrs zukünftig eine größere unterschiedlich sind, sollten dabei so- Bedeutung zukommen. Der Bund wohl die Auswirkungen auf die Städ- kann, neben der im Koalitionsvertrag 11.03.2022 www.dstgb.de Verkehrspolit ik Herausgeber Ein moderne s Ve Deutscher Städt e- für die Mobilit rkehrsrecht ätswende und Gemeinde bund Dr. Gerd Land sberg Marienstraße 6 12207 Berlin Kommunale Ents Telefon 030 7730 räume erweitern cheidungsspiel- Schwere von 7-0 Sach- dstgb@dstgb.de den, für das Siche und Personenschä- Um die Klima rheitsempfinde facebook.com/d schutzziele im besondere von n ins- stgb sektor zu errei Verkehrs- Radfahrenden Download twitter.com/Ge chen, die Lebe Fuß Gehenden und meindebund und Attraktivit nsqualität und sie hat Ausw zu instagram.com ät der Städte gen auf Umw irkun- /gemeindebund meinden zu erhal und Ge- elt und Klima fahrene Straß . Schn kehrssicherheit ten und die Ver- en können zude ell be- für alle Verke Verknüpfung m die hrsteil- zwisc des nehmenden zu steigern, brauc Quartieren ersch hen angrenzenden Deutschland ht weren. Der DStGB: jetzt ein mode kehrsrecht. Die rnes Ver- Eine starke Stimm Kommunen benö Die Anordnun Poitionspapiers darin deutlich gsbefugnisse e mehr Entscheidu tigen schwindigkeits zu Ge- fugnisse, dami ngsbe- beschränkungen Der Deutsche t sie vor Ort geeig Gründen der Städte- und Gem Maßnahmen nete Verkehrssicherh aus debund vertritt ein- schneller umse zum Schutz der eit und die die benötigte tzen und Umwelt sind deutschen Städt Interessen der Mob sehr kleinteilig bislang unter e Auf Landes-, Bundund Gemeinden. schleunigen könn ilitätwende be- zu begründen und un- en. Die im Koali tereinander unab gibt er Komm es- und EU-Ebene vertrag vorge tions- gestimmt. Das unen sehene Anpa zu einem Flicke führt ssung des Stimme und greift eine starke Straßenverkehr sgesetzes (StVG ordn nteppich von Einze DStG B.DE die Themen auf, ungen und Besch lan- die Bürger:inn der Straßenve ) und ilderungen, was rkehr bei den Verke en vor Ort bewe sowie flankieren sordnung (StVO) hrste gen. de Irritationen und ilnehmenden zu Durch seine 17 rische Maßnahme rechtlich-regulato- mangelnder Akze Mitg n müssen schne tanz führt. Integ p- sind 11 000 groß liedsverbände möglich und im Sinne einer hohe llst- bilitätskonzepte rierte kommunale Mo- e, mittlere und kommunalen n mit einer Netzp kleinere Komm Entsc für alle Verke lanung und vernetzt. unen organisiert umgesetzt werd heidungsbefugnis hrsarten werd en damit Die en. erschwert. erfolgt parteiunabVerbandsarbeit staatliche Zusch hängig und ohne Erforderlich ist ein Rechtsrah Beispiel: Die Anor üsse. Die Beset weitgehenden men dnung von Temp der Organe orien zung tiert sich an dem Kann-Regelunge mit ist vor bestimmt o 30 Votum der Wäh den Kommunen n, der en Einrichtung ler bei den Komm stets Entscheidu Schulen oder en wie nalwahlen. entsprechend Krank u- der Verkehrsve ngen einer Streckenlä enhäusern nur auf nisse vor Ort rhält- nge ermö Einrichtung mögl von 300 m vor der Der DStGB ist gründungen straß glicht. Basis für Be- ich. Entlang stark »Kom enverkehrliche quentierter Schu fre- mationsnetzwerk munales Infor- Maßnahmen r lwege hingegen « sollten neben Tempo 30 nicht wird und mobilisiert und sensibilisiert chen Aspekten verkehrli- mit Politi auch der Klima ermöglicht. Lärm dieser Begründung lichkeit für komm k und Öffent- Umweltschutz, - und schutz oder Luftr unalpolitische der Gesundhe haltung könn ein- teressen. In- die Verkehrssic itsschutz, en für bestimmt herh ßenabschnitte e Stra- Er fungiert als »Kommunale Vision Zero sowie eit im Sinne der wiederum als Begrün- nierungsstelle« Koordi- städtebauliche dung dienen. Aspekte sein Diese kleinräum für den permanen können. gelungen führe igen Re- ten Erfahrungs - und Informatio - fach wechselnd n vielerorts zu mehr- austausch unter ns- Ortsangepass en den Mitgliedsv te keiten auf Haup Höchstgeschwindig- bänden. Nicht zulet er- anstatt FlickenteGeschwindigkeit tverkehrsstraße band »Kommuna zt ist der Ver- ppich n. les gan« durch Reprä Vertretungsor- Eine unangepa Anstelle notw endiger Einze ralen Organisat sentation in zent- innerorts und sste Geschwin digkeit ist von Gefahren lnach lagen oder dem weise ionen. auße densein besti Vorhan- figsten Unfallursa rorts eine der häu- mmter Einrichtun chen. Die gefah Schulen oder gen wie Geschwindigke rene Krank it von Kraftfahrz es deutlich mehr enhäusern braucht ist ausschlagg eugen Flexibilität. Somi ebend für Anza kann eine Fests hl und etzung von Höch t schwindigkeite stge- n mit Augen-ma ß auf Stadt und Gemeinde 03/22 17
SCHWERPUNKT ENERGIE- + VERKEHRSWENDE LADEINFRASTRUKTUR VOR ORT WIE BUND UND KOMMUNEN GEMEINSAM DIE ELEKTROMOBILITÄT ZUM ERFOLG MACHEN Von Johannes Pallasch Sprecher des Leitungsteams der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur © TARA Ingenieurbüro NordWest GmbH Co. KG Foto: © Petair- Fotolia.com 2 021 war das Jahr des Durch- Arbeitgeber) statt, dennoch ist der 437.000 und 843.000 öffentliche Lade- bruchs der Elektromobilität in öffentliche Raum entscheidend so- punkte benötigt werden. den deutschen Massenmarkt: wohl zum Zwischendurchladen auf Jeder vierte neu zugelassene Pkw in Langstreckenfahrten als auch für die Ende Mai gab es bereits rund 60.000 Deutschland war nach Zahlen des Grundversorgung von E-Pkw-Besitze- öffentliche Ladepunkte in Deutsch- Kraftfahrtbundesamtes im Jahr 2021 rinnen und Besitzern, die nicht über land. Das ist ein Zuwachs von 15.000 mit „einem Stecker“ ausgestattet. Für einen eigenen Stellplatz verfügen. Die Ladepunkten in einem Jahr. Aller- 2030 plant die Bundesregierung mit Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur dings ist auch die Zahl der E-Autos mindestens 15 Millionen E-Pkw auf plant und koordiniert unter dem Dach stark gestiegen und wird es weiter und deutschen Straßen. Der rasante Mark- der bundeseigenen NOW GmbH noch schneller tun. Und in mehr als thochlauf der Fahrzeuge erzeugt dabei im Auftrag des Bundesministeriums der Hälfte der deutschen Kommunen eine erhöhte Nachfrage nach Ladeinf- für Digitales und Verkehr (BMDV ) gibt es noch keinen einzigen öffentlich rastruktur. den Ausbau der Ladeinfrastruktur zugänglichen Ladepunkt. Deshalb für ganz Deutschland. In der Studie muss der Ausbau der Ladeinfrastruk- Derzeit finden bis zu 80 Prozent der „Ladeinfrastruktur nach 2025/2030“ tur weiter beschleunigt werden. Nur Ladevorgänge im nicht-öffentlichen kommt die Leitstelle zu dem Ergebnis, zusammen mit allen maßgeblichen „privaten Raum“ (zuhause oder beim dass bundesweit bis 2030 zwischen Akteuren schaffen wir es, vorauslau- 18 Stadt und Gemeinde 03/22
fend eine flächendeckende, bedarfs- wo immer das möglich und nötig ist. Im öffentlichen Straßenraum hat die gerechte und nutzungsfreundliche Denn es ist völlig klar, dass der Ausbau Kommune die Hoheit über die Flä- Ladeinfrastruktur in Deutschland von Ladeinfrastruktur eine große He- chen und Genehmigungsverfahren. aufzubauen. rausforderung für die Kommunen ist. Über straßen- oder vergaberechtli- Die Kommunen selbst müssen dabei che Ausschreibungen hat sie so die DIE ROLLE DER KOMMUNE keine Ladesäulen betreiben – genau- Möglichkeit, einen bedarfsgerechten so wenig wie der Bund das tut. Aber Aufbau anzustoßen und einen ver- So individuell jede Kommune ist, so sie haben großen Einfluss darauf, wie braucherfreundlichen Wettbewerb zu vielschichtig sind auch die jeweiligen schnell und einfach Ladeinfrastruktur schaffen. Rahmenbedingungen und Herausfor- vor Ort aufgebaut werden kann. derungen. Niemand kennt die lokalen Auch bei Planungs- und Genehmi- Gegebenheiten besser als die Akteure Wenn der Ausbau in einem Gemein- gungsverfahren liegt bei den Kommu- vor Ort. Dieses Wissen, diese Kompe- degebiet zum Beispiel aufgrund eines nen ein Hebel, mit dem sie den Aufbau tenz müssen beim Ausbau der Ladein- Mangels an Flächen nur zögerlich er- der Ladeinfrastruktur beschleunigen frastruktur bestmöglich zum Einsatz folgt, dann kann die Kommune dazu können. Die Kommune hat durch kommen. Der Bund und die Leitstelle beitragen, dass Flächen mobilisiert ihre Planungshoheit sowie städtebau- werden dabei tatkräftig unterstützen, und zur Verfügung gestellt werden. liche oder andere öffentlich-rechtli- Stadt und Gemeinde 03/22 19
SCHWERPUNKT ENERGIE- + VERKEHRSWENDE 1 d Downloa itfa d ens des Le unter L E- N AT IO N A E L E .D Einfach laden in der Kommune L E IT ST E L Leitfaden zur Vergabe und Genehmigung von Ladeinfrastruktur für kommunale Akteure che Verträge auch im privaten Raum Der neue Leitfaden „Einfach Laden mit öffentlicher Zugänglichkeit die in der Kommune“, der im Rahmen Stakeholdern, darunter auch dem Möglichkeit, einen investitions- sowie der Ladeinfrastrukturkonferenz des Deutschen Städte- und Gemeinde- verbraucherfreundlichen Rahmen für BMDV am 29. Juni in Berlin vorge- bund abstimmt, ist vorgesehen, dass die Errichtung von Ladeinfrastruktur stellt wurde, erläutert die Rolle der die Kommunen sowohl weiterhin fi- zu schaffen. Eben dieser private Raum Kommunen beim Thema Ladeinfra- nanziell als auch mit erweiterten und mit öffentlicher Zugänglichkeit – dazu struktur und zeigt kommunale Hand- neuen Informationsangeboten, Schu- gehören unter anderem die Flächen lungsinstrumente auf. Er behandelt lungs- und Planungstools, regiona- des Einzelhandels sowie anderer Zie- die rechtlichen Rahmenbedingungen len Ladeinfrastrukturmanagern und lorte des Alltags – kann den Aufbau und benennt praktische Lösungswege Mustervorlagen für Verfahren und im öffentlichen Straßenraum ent- bei der Vergabe, Ausschreibung und Genehmigungen unterstützt werden. lasten und dadurch die Flächennut- Umsetzung von Ladeinfrastruktur im Zusammen mit dem BMDV entwi- zungskonkurrenz reduzieren. öffentlichen Straßenraum. Der Leitfa- ckelt die Leitstelle auch dessen För- den steht auf der Homepage der Leit- derprogramme für Ladeinfrastruktur Mit der Prüfung und Anpassung der stelle (nationale-leitstelle.de) zum kos- weiter, mit einem Schwerpunkt auf individuellen Rahmenbedingungen tenlosen Download zur Verfügung. dem Laden in dicht besiedelten Ge- vor Ort, zum Beispiel bei Bauordnun- bieten. gen, Stellplatzsatzungen, Baugeneh- Zum anderen wird über die investiven migungen und Sondernutzungsrech- Bundesförderprogramme für die Er- Beim Umstieg auf die Elektromobi- ten können Kommunen wesentlich richtung von Ladeinfrastruktur finan- lität sind noch viele andere Heraus- dazu beitragen, bestehende Hemm- zielle Unterstützung bereitgestellt. Mit forderungen wie die Integration der nisse bestmöglich abzubauen. der aktuell geöffneten Förderrichtlinie Ladeinfrastruktur ins Stromnetz und „Nicht öffentlich zugängliche Ladesta- die umfassendere Digitalisierung des METHODISCHE UND tionen für Elektrofahrzeuge – Unter- Ladeerlebnisses zu lösen. Neben den FINANZIELLE UNTER- nehmen und Kommunen“ unterstützt Kommunen als Schlüsselakteure spie- STÜTZUNGSANGEBOTE das BMDV auch Kommunen (KfW len dabei Länder, Verbände, Unter- FÜR KOMMUNEN 439) beim Aufbau von Ladeinfra- nehmen und weitere Stakeholder eine struktur an Parkplätzen für Mitarbei- zentrale Rolle. Gemeinsam schaffen Um die Kommunen beim Aufbau der tende sowie für die Elektrofahrzeuge wir es, dass Elektromobilität erfolg- Ladeinfrastruktur zu unterstützen, hat kommunaler Flotten beziehungsweise reich wird! das BMDV gemeinsam mit der Leit- für Dienstfahrzeuge. stelle ein auf zwei Säulen aufbauen- des Unterstützungsangebot etabliert. Weitere Unterstützungsangebote zur Zum einen bietet die Leitstelle mit Elektromobilität über die Ladeinf- dem FlächenTOOL (flaechentool.de), rastruktur hinaus sind auf der NOW dem StandortTOOL (standorttool. Homepage (now-gmbh.de) zu finden. de), demnächst mit dem LadeLern- TOOL (ladelerntool.de) und zielge- AUSBLICK: MASTERPLAN richteten Studien und Leitfäden einen LADEINFRASTRUKTUR II Werkzeugkasten von Instrumenten als methodische Unterstützung bei der Im Entwurf des Masterplans Ladein- Johannes Pallasch, Flächenbereitstellung, der Bedarfs- frastruktur II, den die Bundesre- Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur planung und dem Wissenstransfer an. gierung gerade mit den wichtigsten 20 Stadt und Gemeinde 03/22
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