STEUERN+RECHT - PWC BLOGS
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blogs.pwc.de/steuern-und-recht steuern+recht November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016 Eine bunte Mischung Betriebsprüfungen Steueränderungen 2016 Wo der Fiskus derzeit besonders hinschaut Körperschaftsteuer-Richtlinien 2015 Innovationsstudie Entwarnung für Drittstaatenverschmelzung? Steuerliche Anreize statt direkte Zuschüsse Die PwC Tax-App Wischen statt blättern November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016 steuern+recht 1
Inhalt Seite 6 Eine bunte Mischung: Steueränderungen 2016 Steuern aktuell ..................................... 4 Lohnsteuer ........................................... 59 Tax goes digital ..................................... 17 Länderreport ........................................ 66 PwC-Studie: Betriebsprüfung 2015 ...... 20 Ticker ................................................... 70 Recht aktuell ........................................ 51 Impressum ............................................ 71 Personal ............................................... 54 Steuern A bis Z Gewerbesteuer bei der Gewinnermittlung: Gutglaubensschutz: Vorsteuerabzug aus Rechnungen Bundesfinanzhof bestätigt erneut das Abzugsverbot...... 44 eines nicht existenten Wirtschaftsteilnehmers............... 27 Bundesfinanzhof hält Zinsschranke für Sind Bitcoins gesetzlichen Zahlungsmitteln verfassungswidrig ......................................................... 45 gleichzustellen? ............................................................. 29 Europäisches Gericht lehnt Unternehmensklagen gegen Neuregelung der Grundbesitzwerte für Zwecke der Unvereinbarkeit der Sanierungsklausel ab .................... 47 Grunderwerbsteuer mit Wirkung ab 2009...................... 32 Werbungskostenabzugsverbot auch bei vor 2009 Die Grunderwerbsteuersätze in Deutschland im zugeflossenen Kapitalerträgen verfassungsgemäß......... 48 Überblick....................................................................... 36 Erbschaftsteuer: Optionsrecht zur unbeschränkten Hinzurechnungsbesteuerung I: Finanzgericht gewährt Steuerpflicht mit EU-Recht unvereinbar?....................... 49 Aussetzung der Vollziehung wegen ernsthafter unionsrechtlicher Zweifel .............................................. 38 Bundesfinanzhof schränkt Berücksichtigung von Steuerschulden bei Steuerhinterziehung ein.................. 50 ab Seite 27 Hinzurechnungsbesteuerung II: funktionale Betrachtungsweise bei Finanzierungseinkünften.......... 41 2 steuern+recht November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016
Editorial Wissensdurst trifft auf digitalisierte Steuernews Wie wir einkaufen, wie wir Musik hören, ja sogar wie wir regiert Eine lesefreundliche Version des Magazins finden Sie übrigens werden: Die Digitalisierung verändert unser Leben auf gesell- bereits im Steuerblog (blogs.pwc.de/steuern-und-recht) und in schaftlicher, politischer und eben auch auf steuerlicher Ebene. der PwC-Tax-App. Unter anderem deshalb entwickeln wir bei PwC ständig neue innovative und mobile Dienstleistungen, um die Wertschöpfung Keine Frage: Neben den Steuerregelungen wandeln sich auch für unsere Mandanten zu optimieren. Eine dieser neuen Dienst- Prüfungsprozesse stetig – getrieben durch Gesetzgebung, Recht- leistungen ist die Tax-App. Nach dem Motto „wischen statt blät- sprechung und Verwaltungsauffassung, aber auch durch die tern“ liefert die neue App von PwC komplettes Steuerwissen mit weiter voranschreitende Internationalisierung der Unternehmen. einem Klick. Mit der PwC-Tax-App können Sie sich mobil über die Welche Konsequenzen hat das für die Praxis? – Die Antwort neuesten Entwicklungen im Steuerrecht informieren. Denn auch liefert die PwC-Studie „Betriebsprüfung 2015“, für die mehr als ohne grundlegende Reform der steuerpolitischen Landschaft 200 deutsche Unternehmen befragt wurden. Wo der Fiskus der- zeigt allein die Fülle der im Jahr 2015 verabschiedeten oder in die zeit besonders genau hinschaut, darüber haben wir mit dem Wege geleiteten Regeländerungen, wie anspruchsvoll das Schritt- PwC-Partner Dr. Arne Schnitger gesprochen. Das Interview mit halten selbst für den mit der Steuermaterie Vertrauten geworden dem Experten finden Sie auf den Seiten 20 und 21. ist. Die Titelstrecke auf den Seiten 6 bis 16 macht Sie mit den zentralen Steueränderungen 2016 vertraut. Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Über die wichtigsten Änderungen informieren Sie unsere Steuer Ihr experten darüber hinaus kurz und knapp auch in unserem neuen Videoblog „Steuer-News – in wenigen Sekunden auf den Punkt gebracht“. Den Videoblog können Sie über die PwC-Tax-App oder über www.pwc.de jederzeit abrufen. Neu ist außerdem noch Marius Möller etwas: Ihr Steuermagazin erhalten Sie ab der nächsten Ausgabe nur noch online. Wie leicht Sie sich für den neuen Versandservice registrieren können, erfahren Sie auf der Seite 18. November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016 steuern+recht 3
Steuern aktuell Holdingprivileg auch beim da die Haupttätigkeit dieser Gesellschaft regelung zu erfüllen. Nach Auffassung Halten nur einer Beteiligung darin bestehen müsse, mindestens zwei des BFH ist es nicht erforderlich, mehrere Beteiligungen an Kapitalgesellschaften Beteiligungen der Holdinggesellschaft zu zu halten und zu finanzieren, oder die fordern, damit Missbräuche vermieden Das sogenannte Holdingprivileg nach Beteiligungen mehr als 75 Prozent der werden. Seiner Pflicht, Missbrauch zu § 8a Absatz 4 Körperschaftsteuergesetz Bilanzsumme ausmachen müssen. Beide vermeiden, habe der Gesetzgeber aus- (KStG) in der alten Fassung (vor Einfüh- Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da weislich der Gesetzesbegründung bereits rung der Zinsschranke, KStG 2002) nur eine Beteiligung gehalten werde dadurch Rechnung getragen, dass er bei verlangt nicht das Halten von mindes- und die Beteiligung an der Tochter Änderung des § 8a Absatz 4 KStG durch das ab 2004 geltende „Korb-II-Gesetz“ Bundesfinanzhof konkretisiert den erhöhten Safe Haven für Holding gesellschaften gestrichen hat. Holdingprivileg Variante 2: Bei der Berechnung der 75-Prozent-Grenze bleiben Forderungen aus der Finanzierung nachgeordneter tens zwei Beteiligungen. Aus dem Geset- gesellschaft nur rund 30 Prozent der Gesellschaften außer Betracht. Da die zeswortlaut und der Gesetzeshistorie Bilanzsumme der Klägerin ausmache. Klägerin einen die aufgenommene Dar- ergibt sich: Auch das Halten lediglich Das sahen die Gerichte einhellig anders. lehenssumme übersteigenden Betrag an einer Beteiligung ist unter den übrigen ihre Tochtergesellschaft weitergereicht Voraussetzungen ausreichend. Hinter- Eine Holdinggesellschaft liege vor, so hatte, lag auch das bilanzsummenmäßi- grund: Durch § 8a KStG 2002 wurden der Bundesfinanzhof (BFH) in letzter ge Abgrenzungskriterium vor. Zinszahlungen einer Körperschaft an Instanz, wenn die Haupttätigkeit der ihre Anteilseigner unter bestimmten Gesellschaft darin bestehe, Beteiligun- Voraussetzungen in eine verdeckte gen an Kapitalgesellschaften zu halten Gewinnausschüttung umqualifiziert. In und diese Kapitalgesellschaften zu fi- Gewerblicher der Regel wurde der Körperschaft ein nanzieren (Variante 1), oder wenn de- Grundstückshandel zulässiges Fremdkapital (Safe Haven) in ren Vermögen zu mehr als 75 Prozent Höhe des 1,5-fachen Eigenkapitals ge- ihrer Bilanzsumme aus Beteiligungen an Bei der Beurteilung der Frage, ob ein währt, wobei Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften bestehe (Variante Steuerpflichtiger als gewerblicher Kapitalgesellschaften grundsätzlich das 2). Beide (Alternativ-)Voraussetzungen Grundstückshändler anzusehen ist, sind Eigenkapital minderten, sofern die Ge- seien erfüllt. ihm die Grundstücksgeschäfte zuzu- sellschaft keine „Holdinggesellschaft“ rechnen, die von einer Personengesell- war. Das der Klägerin (einer Gesell- Variante 1: Der hauptsächliche Zweck schaft, an der er beteiligt ist, getätigt schaft mit beschränkter Haftung) im des Unternehmens der Klägerin besteht wurden. Nach Ansicht der obersten aktuell entschiedenen Fall von der aus- allein im Halten und Finanzieren der Finanzrichter ist auch die Einbringung ländischen Anteilseignerin gewährte Beteiligung an ihrer Tochtergesell- von Grundstücken in diese Personen Darlehen überstieg das Eineinhalbfache schaft. Das Halten nur einer Beteiligung gesellschaft als Veräußerung durch den des anteiligen Eigenkapitals. Die Kläge- reicht aus. Der BFH versteht den Wort- Steuerpflichtigen anzusehen. Bei der rin selbst war zu 70 Prozent an einer laut der Regelung in einem weitergehen- Prüfung des Umfangs des gewerblichen weiteren GmbH beteiligt. Buchwerte von den Sinn. Die Finanzbehörde hatte den Grundstückshandels ist dabei eine Beteiligungen waren unter der damali- Zweck ins Feld geführt, Missbrauch zu Gesamtwürdigung aller Umstände des gen Regelung – wie erwähnt – grund- verhindern: Im Rahmen konzerninter- Einzelfalls vorzunehmen. sätzlich abzuziehen, was den Safe Haven ner Umstrukturierungen bestehe jeder- verminderte. Das rief das Finanzamt zeit die Möglichkeit, eine einzelne Gewerbesteuerrechtlich führt die Veräu- hinsichtlich der Streitjahre 2006 und Gesellschaft ohne eigenen operativen ßerung von Grundstücken eines gewerb- 2007 auf den Plan: Für die Klägerin grei- Geschäftsbetrieb in einer Beteiligungs- lichen Grundstückshändlers anlässlich fen – so das Finanzamt – keine Sonder- kette zwischenzuschalten, um die Vor- der Betriebsaufgabe zu einem laufenden regelungen für Holdinggesellschaften, aussetzungen der sogenannten Holding- Gewinn und nicht zu einem Aufgabe 4 steuern+recht November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016
gewinn. Das gilt nach Auffassung des der NATO ISAF besoldet. Jeder An- Einkünfte betroffen sind. Zudem bezie- Bundesfinanzhofs auch bei einer Einbrin- spruch auf Besoldung durch die Bundes- he sich die Aussage des Finanzamts gung von Grundstücken zum Teilwert wehr sei damit hinfällig. Er bitte um zumindest auf den Veranlagungszeit- gegen Übernahme von Verbindlich Überprüfung einer Befreiung von der raum der Aufnahme der Beschäftigung keiten und Einräumung einer Darlehens Einkommensteuerpflicht. Zweieinhalb in Afghanistan. Dieser Inhalt sei dem forderung. Monate später (im Februar 2008) erwi- Kläger in einer Weise übermittelt wor- derte das Finanzamt unter Bezugnahme den, die auch aus Sicht eines steuerlich auf die Anfrage des Klägers mit Betreff nicht beratenen Empfängers keinerlei „Steuerliche Behandlung der Gehalts- Zweifel daran aufkommen ließe, dass das Finanzamtliches Schreiben zahlungen der ISAF in Afghanistan“: Finanzamt die Frage in verbindlicher als verbindliche Auskunft Wegen des rechtlichen Problems der Weise, das heißt mit Rechtsbindungs steuerlichen Behandlung von Gehalts- willen, geklärt habe (sogenannter objek- Ein auf die konkrete Anfrage des Steuer- zahlungen der ISAF in Afghanistan habe tiver Empfängerhorizont). Darüber pflichtigen erteiltes Auskunftsschreiben vorab die vorgesetzte Behörde gehört hinaus sei das Schreiben inhaltlich ab- des Finanzamts ist als verbindliche Aus- werden müssen. Bezug nehmend auf geschlossen und verbindlich formuliert kunft zu sehen – mit Bindungswirkung sein Schreiben werde in Abstimmung („ist … freizustellen“). Auch die Schluss- für die zukünftige Besteuerung des An- mit dem (rheinland-pfälzischen) Minis- bemerkung, man hoffe, die Frage ausrei- tragstellers –, wenn es frei von Zweifeln terium der Finanzen mitgeteilt, dass die chend beantwortet zu haben, schwächt sowie hinreichend bestimmt ist und Gehaltszahlungen an den Kläger (…) nach BFH nicht den Eindruck der Ver- einen noch nicht verwirklichten Sach- steuerfrei zu stellen seien. Später änder- bindlichkeit. Es lasse sich nicht entneh- verhalt betrifft. Entscheidend ist der te das Finanzamt dessen ungeachtet die men, dass die gegebene Auskunft ledig- sogenannte objektive Empfängerhori- geäußerte Rechtsauffassung, forderte lich unverbindlichen oder vorläufigen zont. Mit anderen Worten: Das Schrei- eine Einkommensteuererklärung an und Charakter habe. Etwaige verbleibende ben oder die Auskunft muss unmissver- erließ für das Streitjahr einen Einkom- Restzweifel an der Verbindlichkeit der ständlich, sprachlich richtig und genau mensteuerbescheid, in dem es die Ein- Auskunft würden dadurch beseitigt, so sein. Auskunft muss unmissverständlich Der Kläger hatte im Streitfall unter dem Betreff „Befreiung von der Einkommen- sein steuerpflicht“ eine Anfrage an das Fi- nanzamt gerichtet und dabei Bezug auf das wenige Tage zuvor geführte Telefo- nat in dieser Angelegenheit genommen, um den Sachverhalt schriftlich zu schil- künfte des Klägers als steuerpflichtig der BFH, dass das Finanzamt im Schrei- dern. Er werde momentan als Zeitsoldat behandelte. ben darauf hinweise, die aufgeworfene von der Wehrbereichsverwaltung besol- Frage erst nach Anhörung der vorgesetz- det und sei einkommensteuerpflichtig. Im Gegensatz zum Finanzgericht sah der ten Behörde und darüber hinaus in Ab- Er habe nun einen Antrag auf Befreiung Bundesfinanzhof (BFH) im Schreiben stimmung mit dem (rheinland-pfälzi- beziehungsweise Beurlaubung bis zu des Finanzamts vom Februar 2008 eine schen) Ministerium der Finanzen seinem Dienstzeitende bei der Bundes- verbindliche Auskunft. Höchstrichterli- beantwortet zu haben. wehr unter Wegfall der Geld- und Sach- che Begründung: Indem das Finanzamt bezüge gestellt. Grund: Er werde im feststellte, dass das Gehalt, das der Klä- Fazit: Der Kläger hat dem Finanzamt April 2008 – vorerst auf drei Jahre – eine ger für die Tätigkeit bei der ISAF bezie- einen in der Zukunft liegenden Sachver- Stelle als International Civilian Consul- hen soll, ohne Progressionsvorbehalt halt mit einer klaren Rechtsfrage unter- tant (ICC) bei der International Security steuerfrei zu stellen sei, beantwortete es breitet. Ob die erteilte Auskunft über- Assistance Force (ISAF) der Organisation die ihm gestellte einkommensteuer- haupt erst die Ursache dafür war, die des Nordatlantikvertrags (North Atlantic rechtliche Frage mit hinreichender Be- Tätigkeit aufzunehmen, ist für die Frage Treaty Organization, NATO) in Kabul, stimmtheit. Aus dem Antrag ergab sich der Bindungswirkung ohne Bedeutung. Afghanistan, antreten und direkt von klar, welcher Sachverhalt und welche November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016 steuern+recht 5
Leitartikel Eine bunte Mischung: Steueränderungen 2016 Steueränderungsgesetz 2015 Steueränderungen querbeet Das Regelwerk enthält Änderungen quer durch das Steuerrecht, die grundsätzlich am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. Soweit Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuergesetz betroffen sind, werden Änderungen aller- dings erst ab dem Veranlagungszeitraum 2016 gelten. Auf hiervon abweichende Anwendungsregelungen wird nachfolgend gesondert hingewiesen. Mit dem Gesetz wurde die Protokollerklärung der Bundes Ergebnis dieses „Versprechens“ im ersten Absatz der Protokoll regierung zur Beratung des Zollkodex-Anpassungsgesetzes erklärung ist das Steueränderungsgesetz 2015, vormals bekannt (ZollkodexAnpG) im Bundesrat am 19. Dezember 2014 umge- als „Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz setzt. Die Bundesregierung hatte damals angekündigt, noch zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union offene und zu prüfende Ländervorschläge Anfang 2015 in und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“, dessen einem Steuergesetz aufzugreifen. Damit konnte sie die Anru- wesentliche Regelungen im Folgenden dargestellt werden. fung des Vermittlungsausschusses zum im letzten Jahr verab- schiedeten ZollkodexAnpG vermeiden und sich die Zustim- Das Gesetz enthält unter anderem die Erweiterung des An- mung des Bundesrats zum Gesetz sichern. wendungsbereichs der Konzernklausel nach § 8c Körper- 6 steuern+recht November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016
schaftsteuergesetz (KStG) sowie die Beschränkung der Mög- meinen Grundsatz Verluste bei konzerninternen Umstruktu- lichkeit der Buchwertfortführung bei Einbringungsvorgängen rierungen erhalten bleiben. nach § 20 ff. Umwandlungsteuergesetz (UmwStG), wenn sonstige Gegenleistungen gewährt werden. Darüber hinaus Die bisherige Ausgestaltung der Konzernklausel war Gegen- wurde die Ersatzbemessungsgrundlage nach § 8 Absatz 2 stand vielfältiger Kritik. So wurde beanstandet, dass der An- Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) neu geregelt, nachdem wendungsbereich der Konzernklausel aufgrund des Wortlauts das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die bisherige Rege- der Norm sehr eingeschränkt war. Demnach war bei Veräuße- lung als verfassungswidrig eingestuft hatte. Neben dem obers- rung oder Erwerb der Anteile/Stimmrechte durch die Kon- ten deutschen Gericht hat auch der Europäische Gerichtshof zernspitze die Norm nicht anwendbar, weil am übertragenden (EuGH) „Mängel“ in der deutschen Steuergesetzgebung ent- und übernehmenden Rechtsträger nicht dieselbe Person betei- deckt, die den deutschen Gesetzgeber zu einer Ergänzung des ligt sein konnte. Auch die einschränkende Auslegung des Be- § 6b Einkommensteuergesetz (EStG) veranlassten. griffs „Person“ durch die Finanzverwaltung, nach deren Auf- fassung eine Personengesellschaft nicht „dieselbe Person“ im Die vom Bundesrat angeregte Erweiterung des Inlandsbegriffs Sinne der Konzernklausel sein konnte, wurde kritisiert. Die des EStG, KStG und des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hat Gesetzesänderung erweitert den Anwendungsbereich der unverändert Eingang in das Gesetz gefunden. Gleiches gilt für Klausel hinsichtlich beider Aspekte. die vorgeschlagene Änderung des § 44 Absatz 1 Satz 3 EStG, der nunmehr eine Verpflichtung für Vergütungsschuldner Der neue § 8c Absatz 1 Satz 5 KStG besteht aus drei Nummern: vorsieht, bei der Erfüllung ihrer Steuereinbehaltens- und Ab- • Nummer 1 betrifft Fälle, in denen die Muttergesellschaft die führungsverpflichtungen einer veröffentlichten Auffassung Anteile von einer nachgeordneten Gesellschaft unmittelbar des BMF zu folgen, sowie die geforderte Änderung des § 44a erwirbt, an der sie mittelbar oder unmittelbar zu 100 Pro- Absatz 1 Satz 1 EStG (Abstandnahme vom Steuerabzug). Auch zent beteiligt ist. die Abschaffung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise in • Nummer 2 erfasst Veräußerungen der Muttergesellschaft an § 1 Absatz 2a GrEStG bei mittelbaren Änderungen von Beteili- nachgeordnete Gesellschaften, an denen sie mittelbar oder gungsverhältnissen hat Eingang in das Steueränderungs unmittelbar zu 100 Prozent beteiligt ist. gesetz 2015 gefunden. Andere, vom Bundesrat unterbreitete • Nummer 3 regelt die bisher erfassten Fallkonstellationen, Vorschläge wurden dagegen (bisher) nicht umgesetzt. Dies erweitert um Personenhandelsgesellschaften als Konzern- betrifft zum Beispiel die spitze. • Forderung nach einer Beschränkung hybrider Steuerge staltungen durch eine Neuregelung in § 4 Absatz 5a EStG – Unter dem Begriff Personenhandelsgesellschaft im Sinne der Betriebsausgabenabzugsverbot Norm fallen ausweislich der Gesetzesbegründung neben der • Anpassungen bei den Regelungen zur Schuldübernahme Offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder Kommanditgesell- nach § 4f EStG schaft (KG) auch vergleichbare ausländische Personenhan- • Änderungen beim Einnahmenbegriff und bei der Bewer- delsgesellschaften. Nach Auffassung in der Literatur könnten tung von Sachbezügen (§ 8 Absatz 2 EStG) dazu im Rahmen eines Rechtstypenvergleichs die Kriterien • Ausdehnung der Fälle von unentgeltlichen Übertragungen zur Abgrenzung zwischen einer OHG und einer Gesellschaft und Einbringungen, in denen der nachversteuerungspflich- bürgerlichen Rechts herangezogen werden (zum Beispiel Ein- tige Betrag nach § 34a Absatz 7 EStG übergeht tragung ins Handelsregister, Handelsrecht des ausländischen • Erfassung der Veräußerungsgewinne auf Streubesitzbeteili- Staats). Zudem konstatiert die Gesetzesbegründung, dass sich gungen nach § 8b Absatz 4 KStG die Anteile am übertragenden und übernehmenden Rechts • Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 29 Absatz 1 Nummer 2 GewStG Im dritten Video aus unserer Reihe „Die wichtigsten S teueränderungen 2015/2016“ informiert Sie Dr. Arne Schnitger, Partner im Bereich Corporate Tax, zum Thema „Änderungen im Unternehmensteuerrecht made in Germany: Steueränderungsgesetz 2015“. Erweiterung der Konzernklausel, § 8c Körperschaftsteuergesetz § 8c KStG wurde durch die Unternehmensteuerreform 2008 mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2008 eingeführt. Die Norm regelt, dass Verlustvorträge und laufende Verluste einer Kapitalgesellschaft anteilig untergehen, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 Prozent der Anteile/Stimmrechte oder Ähnliches an einer Kapitalgesellschaft auf einen neuen Erwerber übertragen werden. Bei Übergang von mehr als 50 Prozent der Anteile/Stimmrechte gehen die Verlustvor träge und laufenden Verluste vollständig unter. Durch die seit dem Veranlagungszeitraum 2010 anwendbare Konzernklausel im Sinne der Vorschrift sollen abweichend von diesem allge- Zu finden unter: https://www.youtube.com/watch?v=8F46XNid2QQ November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016 steuern+recht 7
träger zu 100 Prozent im Gesamthandsvermögen der Perso- tens jedoch den Buchwert des eingebrachten Betriebsver nenhandelsgesellschaft befinden müssen, damit diese Kon- mögens, übersteigt. Die Möglichkeit zur Buchwertfortführung zernspitze im Sinne der Vorschrift sein kann. besteht demnach nur, soweit die Grenzen des § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 UmwStG nicht überschritten sind. Die Erweiterung der Klausel ist rückwirkend auf Beteiligungs- erwerbe anwendbar, die nach dem 31. Dezember 2009 erfol- Vergleichbare Änderungen wurden auch beim Anteilstausch gen, sofern die Veranlagungen der Verlustgesellschaft verfah- oder bei Einbringung von Betriebsvermögen in eine Personen- renstechnisch noch änderbar sind. gesellschaft vorgenommen. Das Steueränderungsgesetz 2015 enthält auch korrespondie- rende Änderungen bezüglich der Ersatztatbestände in § 22 Beschränkung der Buchwertfortführung Absatz 1 Satz 6 UmwStG mit entsprechendem Verweis auf die bei sonstigen Gegenleistungen, § 20 ff. Grenzen von § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 und § 21 Absatz 1 Umwandlungsteuergesetz Satz 2 Nummer 2 UmwStG. Danach soll eine rückwirkende Einbringungsgewinnbesteuerung zukünftig auch dann ausge- Das UmwStG verfolgt den Zweck, betriebswirtschaftlich sinn- löst werden, wenn im Rahmen einer Weitereinbringung oder volle Umstrukturierungen nicht durch steuerliche Folgen zu Ketteneinbringung sperrfristbehafteter Anteile Gegenleistun- behindern. In einzelnen Punkten ist das UmwStG nach Auf- gen erbracht werden, die die neuen Grenzen überschreiten. fassung des Gesetzgebers aber nicht folgerichtig ausgestaltet. Die Folgeänderung in § 22 UmwStG führt damit zu einer Nach- Die bestehenden Gesetzeslücken wurden gezielt für Steuer versteuerung, sobald die schädlichen Grenzen überschritten gestaltungen ausgenutzt. sind und nicht nur, soweit die Grenzen überschritten sind. Grundsätzlich führt jeder Vermögenstransfer zwischen ver- Die Neuregelungen sind erstmals auf Einbringungen anzu- schiedenen Rechtsträgern zu einer Realisierung der in dem wenden, wenn in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge der übertragenen Vermögen ruhenden stillen Reserven. Eine Aus- Umwandlungsbeschluss nach dem 31. Dezember 2014 erfolgt nahme hiervon ist nach dem Sinn und Zweck des UmwStG ist oder in den anderen Fällen der Einbringungsvertrag nach unter anderem nur dann gerechtfertigt, soweit im Zuge der dem 31. Dezember 2014 geschlossen worden ist. Umwandlung Vermögen gegen Gewährung von Gesellschafts- rechten und ohne finanzielle Gegenleistung übertragen wird. Dadurch wird unter anderem gewährleistet, dass der über tragende und der übernehmende Rechtsträger verbunden Gesetzliche Neuregelung der bleiben und das unternehmerische Engagement durch den Ersatzbemessungsgrundlage gemäß § 8 übernehmenden Rechtsträger fortgesetzt wird. Soweit aber Absatz 2 Grunderwerbsteuergesetz sonstige Gegenleistungen für die Vermögensübertragung erbracht werden, muss es grundsätzlich bei der Realisation § 8 Absatz 1 GrEStG bestimmt, dass die Bemessungsgrundlage stiller Reserven bleiben. dem Wert der Gegenleistung entspricht. In den Fällen des Absatzes 2 mangelt es an einer Gegenleistung, sodass es hier Diesen Grundsätzen trugen die Umwandlungstatbestände der zur Anwendung gesonderter Bewertungsvorschriften kommt. § 3 ff. und 11 ff. UmwStG bereits hinreichend Rechnung, Die Ersatzbemessungsgrundlage spielt gerade bei Umstruktu- während die Einbringungstatbestände Ausnahmen enthielten rierungen und Anteilskaufvorgängen, die grundbesitzende (§ 20 Absatz 2 Satz 4, § 21 Absatz 1 Satz 3 UmwStG) oder gar Gesellschaften betreffen, eine bedeutende Rolle. keine Regelung (§ 24 UmwStG) trafen. Das BVerfG hält in seinem Beschluss vom 23. Juni 2015 die Damit war es nach bisheriger Rechtslage dem Einbringenden Ersatzbemessungsgrundlage für Zwecke der Grunderwerb- möglich, das eingebrachte Vermögen „zu Geld zu machen“, steuer (GrESt) nach § 8 Absatz 2 GrEStG für mit dem Gleich- ohne dafür sofort Steuern entrichten zu müssen. Eine Besteue- heitssatz nach Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz unvereinbar. rung erfolgte erst bei Veräußerung der einbringungsgebore- Das Gericht hat daher dem Gesetzgeber aufgetragen, bis spä- nen Anteile, deren Anschaffungskosten um die erhaltene testens zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu schaffen. Die- Gegenleistung niedriger waren. Der Gewinn aus der Veräuße- se Neuregelung hat rückwirkend ab dem 1. Januar 2009 An- rung der Anteile wiederum ist zu 95 Prozent (§ 8b KStG) be- wendung zu finden. Die zentralen Erwägungen des BVerfG im ziehungsweise 40 Prozent steuerfrei. Sofern die Sieben-Jahres Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der Ersatzbemessungs- Frist eingehalten wird, kann diese Veräußerung ohne eine grundlage lassen sich wie folgt zusammenfassen: rückwirkende Besteuerung des Einbringungsvorgangs erfol- gen. Die bisherige Möglichkeit, sonstige Gegenleistungen in Das BVerfG geht davon aus, dass der Wert der Gegenleistung Höhe des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens (Regelbemessungsgrundlage des § 8 Absatz 1 GrEStG) regel- erbringen zu können, ohne die Steuerneutralität der Einbrin- mäßig dem gemeinen Wert entspricht. Die nach den § 138 ff. gung zu gefährden, wurde daher durch das Steueränderungs- Bewertungsgesetz (BewG) ermittelten Werte (Ersatzbemes- gesetz 2015 eingeschränkt. Nach der neu eingefügten Num- sungsgrundlage nach § 8 Absatz 2 GrEStG) führen dagegen mer 4 in § 20 Absatz 2 Satz 2 UmwStG können die Buchwerte nach Auffassung des Gerichts zu weit unter dem gemeinen bei Erbringung sonstiger Gegenleistungen nur noch fortge- Wert liegenden Ergebnissen. führt werden, soweit der gemeine Wert der sonstigen Gegen- leistungen nicht die Grenze von 25 Prozent des Buchwerts des Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Steueränderungsgesetzes eingebrachten Betriebsvermögens oder 500.000 Euro‚ höchs- 2015 bereits auf die Entscheidung des BVerfG reagiert und die 8 steuern+recht November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016
für die Erbschaftsteuer einschlägigen Bewertungsregeln für steuerfrei zu übertragen. Voraussetzung ist unter anderem, dass Grundbesitz in den § 157 ff. BewG für Zwecke der Ermittlung das neu angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut zum der Ersatzbemessungsgrundlage des § 8 Absatz 2 GrEStG in Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört. Rein- der neuen Fassung übernommen. Im Einklang mit der Anord- vestitionen in Wirtschaftsgüter einer ausländischen Betriebs- nung des BVerfG sind diese auf alle Erwerbsvorgänge, die nach stätte sind hingegen nicht nach § 6b EStG begünstigt (§ 6b Ab- dem 31. Dezember 2008 verwirklicht werden, anzuwenden. satz 4 Nummer 3 EStG), sondern der Gewinn aus dem veräußer- ten Wirtschaftsgut ist sofort in voller Höhe zu versteuern. Einer rückwirkenden Anwendung der neuen materiell-recht lichen Regelungen zur Ersatzbemessungsgrundlage steht Der EuGH hat am 16. April 2015 entschieden, dass die Vor- allerdings verfahrensrechtlich regelmäßig § 176 Absatz 1 schrift des § 6b Absatz 4 Nummer 3 EStG gegen die Niederlas- Satz 1 Nummer 1 Abgabenordnung (AO) entgegen. Dies gilt sungsfreiheit verstößt. Die sofortige Besteuerung der Gewinne auch für nach § 165 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 AO vorläufig aus dem Verkauf des Wirtschaftsguts in den Fällen, in denen durchgeführte GrESt-Festsetzungen und für vorläufig ergan- die Steuerpflichtigen in Ersatzwirtschaftsgüter einer auslän- gene Feststellungsbescheide über die Bemessungsgrundlage dischen Betriebstätte investieren, stelle eine Diskriminierung der GrESt sowie für Fälle, in denen die Bescheide unter dem dar. Das Gericht hat sich damit im Ergebnis der Auffassung Vorbehalt der Nachprüfung erlassen wurden. Nur in folgen- des Finanzgerichts (FG) München sowie des Niedersächsi- den Fällen ist eine rückwirkende Anwendung der neuen mate- schen FG angeschlossen. Beide hatten bereits ebenfalls die riell-rechtlichen Regelungen zur Ersatzbemessungsgrundlage Vereinbarkeit der Norm mit dem Recht der Europäischen möglich, weil § 176 AO nicht anwendbar ist: Union (EU) verneint und sich für die Bildung eines passiven • Für einen Besteuerungsfall liegt noch überhaupt keine Steu- Ausgleichspostens in Höhe der begünstigten stillen Reserven erfestsetzung oder gesonderte Feststellung vor (§ 176 Ab- ausgesprochen. satz 1 Satz 1 Nummer 1 AO gewährt nur Vertrauensschutz bei Erlass eines Änderungsbescheids, nicht aber bei Erlass Wie bisher hat der Steuerpflichtige das Wahlrecht, den Ge- eines „Erstbescheids“). winn sofort zu versteuern, ihn im Wirtschaftsjahr der Veräu- • Der Steuerpflichtige hat eine bereits vorgenommene erst- ßerung auf ein begünstigtes Reinvestitionsobjekt zu über malige Steuerfestsetzung oder erstmalige gesonderte Fest- tragen oder eine Rücklage für eine zukünftige Investition zu stellung außergerichtlich mit dem Einspruch angefochten bilden. Zusätzlich besteht nunmehr aufgrund der Einfügung und es ist noch keine Unanfechtbarkeit eingetreten. In die- eines neuen Absatz 2a die Möglichkeit, auf Antrag bei einer sem Fall kann der Einspruchsführer aber durch eine Rück- beabsichtigten Investition innderhalb der EU oder des Euro nahme seines Einspruchs eine Verböserung der angefochte- päischen Wirtschaftsraums die auf den Veräußerungsgewinn nen Steuerfestsetzung verhindern. Allerdings können dann entfallende Steuer über einen Zeitraum von fünf Jahren zu anderweitige Einwendungen gegen die Höhe der Grunder- verteilen. Dieser Antrag kann nach 5. 2 des neuen Absatzes 2a werbsteuer ebenfalls nicht geltend gemacht werden. nur im Wirtschaftsjahr der Veräußerung der in § 6b Absatz 1 • Der Steuerpflichtige hat eine bereits vorgenommene erst 5. 1 EStG bezeichnete Wirtschaftsgüter gestellt werden. Dabei malige Steuerfestsetzung oder erstmalige gesonderte Fest- soll es ausreichend sein, wenn der Antrag des Steuerpflichtigen stellung gerichtlich angefochten und es ist noch keine Unan- zusammen mit der Steuererklärung für das Veräußerungsjahr fechtbarkeit eingetreten. In diesem Fall kann das Finanz gestellt wird. Die Neuregelung ist aufgrund der europarecht gericht die Steuerfestsetzung zwar nicht verbösern, es kann lichen Vorgaben zugunsten der Steuerpflichtigen rückwirkend aber einer anderweitig begründeten Klage die rückwirkende in allen noch offenen Fällen anzuwenden (§ 52 Absatz 14 5. 1 Neuregelung saldierend gegenüberstellen. EStG). Aufgrund der Notwendigkeit zur Antragstellung im Wirtschaftsjahr der Veräußerung läuft diese Regelung aller- § 23 Absatz 14 Satz 2 GrEStG stellt sicher, dass Steuerpflich dings ins Leere. tige, deren Steuerfestsetzung aufgrund § 176 AO ungeachtet der vom BVerfG geforderten rückwirkenden materiell-recht Ob der deutsche Gesetzgeber mit dieser Neuregelung, die lichen Neuregelungen unverändert bleiben muss, ab Inkraft- keine vollständige Gleichbehandlung von Inlandssachverhal- treten der Neuregelung zumindest die nach bisherigem Recht ten und grenzüberschreitenden Sachverhalten herbeiführt, festgesetzte Steuer entrichten müssen. eine EU-Recht konforme Regelung geschaffen wurde, könnte fraglich sein. So kann beispielsweise im Inlandsfall bei der Übertragung der stillen Reserven auf etwa Grund und Boden der Veräußerungsgewinn unendlich gestundet werden; im Steuerstundung bei Reinvestitionen in Auslandsfall erfolgt jedoch eine Versteuerung verteilt auf fünf begünstige Wirtschaftsgüter, die einer Jahre. Zudem bezieht sich die Stundung nur auf die Einkom- Betriebsstätte in der Europäischen Union men- beziehungsweise Körperschaftsteuer, aber nicht auf die Gewerbesteuer. oder im Europäischen Wirtschaftsraum zuzuordnen sind, § 6b Absatz 2a Einkommensteuergesetz § 6b EStG ermöglicht es dem Steuerpflichtigen, stille Reserven, die bei der Veräußerung von bestimmten Anlagegütern (zum Beispiel Gebäude oder Grund und Boden) aufgedeckt worden Dr. Daniel Mohr sind, bei der Anschaffung oder Herstellung bestimmter anderer Tel.: +49 40 6378-2125 Wirtschaftsgüter (zum Beispiel Gebäude oder Grund und Boden) daniel.mohr@de.pwc.com November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016 steuern+recht 9
Susanne Winter Anke Richert Tel.: +49 40 6378-1165 Tel.: +49 40 6378-2906 susanne.winter@de.pwc.com anke.richert@de.pwc.com Reform der Erbschaftsteuer 2016 Höhere Hürden für Firmenerben Da die Bundesregierung am 8. Juli 2015 den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschlossen hat, steht noch in diesem Jahr eine Neuregelung ins Haus. Dem Vernehmen nach sollen Bundestag noch im März und Bundesrat bereits im April über den Gesetzentwurf beschließen. Denn nach langem politischen Hin und Her zeichnet sich nun doch eine kurz- fristige Einigung über die Ausgestaltung der Erbschaftsteuer ab. Die PwC-Experten Lothar Siemers und Dr. Martin Liebernickel erläutern den aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens. Auch wenn angesichts der laufenden Beratungen noch Ände- dem Unternehmen somit entzogen werden kann, ohne dass rungen am Entwurf des Gesetzes möglich sind, ist eines be- der Betrieb beeinträchtigt wird. Da Betriebe in gewissem reits jetzt absehbar: Viele Firmenerwerber werden bei einem Umfang jedoch auch solches Vermögen benötigen, um ihre Unternehmenserwerb durch Schenkung oder Erbfall in Zu- Kapitaldecke zu stärken, soll laut Gesetzentwurf zumindest kunft höhere Steuern zahlen müssen. „Überdies nehmen die ein Teil davon begünstigt werden. Der Wert dieses Anteils darf Risiken und der administrative Aufwand für den Steuerpflich- aber maximal zehn Prozent des begünstigten Nettovermögens tigen durch die neuen Wertgrenzen und Anzeigepflichten entsprechen. Da diese Neuregelung nicht auf die Zustimmung erheblich zu“, sagt Lothar Siemers, Partner bei PwC und Leiter des Bundesrates gestoßen ist, sieht ein nun gefundener Kom- des Bereichs Private Client Solutions. promiss vor, dass es hinsichtlich der Definition des durch den Verschonungsabschlag begünstigten Vermögens weitgehend bei der bisherigen gesetzlichen Regelung der Abgrenzung nicht begünstigten Vermögens durch einen Negativkatalog Welches Vermögen begünstigt ist verbleibt. Dieser soll zur Vermeidung missbräuchlicher Gestal- tungen jedoch erweitert werden. Anders als nach bisherigem Laut Gesetzentwurf ist in Zukunft nur noch Vermögen be- Recht und entsprechend dem bisherigen Gesetzesentwurf günstigt, das überwiegend einer land- und forstwirtschaft wird das nicht begünstigte Vermögen aber auch dann, wenn lichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dient – im es bestimmte Höchstgrenzen – bisher bei der Regelverscho- Gegensatz zu Vermögen, das nicht betriebsnotwendig ist und nung 50 Prozent des Unternehmenswertes – nicht überschrei- 10 steuern+recht November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016
tet, wie Privatvermögen der Erbschaftsteuer unterworfen werden. Im vierten Video aus unserer Reihe „Die wichtigsten S teueränderungen 2015/2016“ geht es um die „Reform der Erbschaftsteuer … dieses Mal verfassungskonform?“ – präsentiert von Dr. Martin Liebernickel. Eine Sonderregelung, die ebenfalls dem alten Recht ent- spricht, greift bei Finanzmitteln – also vor allem Geld, Bank- guthaben und Forderungen: Ein nach Abzug aller Schulden positiver Finanzmittelsaldo ist begünstigt, wenn er 20 Prozent des gemeinen Werts des Betriebsvermögens nicht übersteigt (sogenannter Sockelbetrag). Das gilt auch für sogenannte junge Finanzmittel, die als Saldo der Einlagen und Entnah- men in den beiden Jahren vor dem Erwerb definiert werden. Im Gegensatz zur aktuellen Rechtslage sollen die Finanzbe- hörden nicht notwendiges Betriebsvermögen also im Ergebnis wie Privatvermögen behandeln. „Damit unterliegt es oberhalb der Freibeträge der Erbschaft- und Schenkungsteuer“, sagt Siemers. Deshalb sei künftig stets der Wert des nicht begüns- tigten Vermögens genau zu ermitteln. Zu finden unter: https://www.youtube.com/watch?v=6RafmeYIR9A Einführung einer Investitionsklausel Erlassmodell Zur Abfederung von schwankenden Liquiditätsbeständen bei Oberhalb der Schwelle von 26 beziehungsweise 52 Millionen Saisonbetrieben und zur Vermeidung der Besteuerung von für Euro prüfen die Finanzbehörden auf Antrag, ob die Fortfüh- die betrieblich erforderliche Investitionen vorgesehenen rung des Unternehmens ohne eine steuerliche Verschonung „Kriegskassen“ soll jedoch eine Investitionsklausel eingeführt gefährdet wäre. Demnach scheidet eine Verschonung aus, werden, nach der ansonsten nicht begünstigte Finanzmittel wenn der Nachfolger ausreichende übrige Mittel hat, um die (zum Beispiel Bankguthaben) wie begünstigtes Vermögen Steuerzahlungen zu leisten. Davon geht der Gesetzgeber aus, behandelt werden. Die daran geknüpfte Bedingung: Sie wenn 50 Prozent des bereits vorhandenen sowie des übertra- müssen innerhalb einer bestimmten Frist nach Erbfall oder genen, nicht begünstigten Vermögens ausreichen, um die Schenkung in begünstigtes Vermögen, also zum Beispiel in volle Steuerschuld zu begleichen. Maschinen, Rohstoffe oder Vorräte, investiert werden. Erhöhung des bisherigen pauschalen Wie die Bedarfsprüfung funktioniert Risikoaufschlags Die Firmenerben haben allerdings nicht automatisch An- Durch eine Erhöhung des bisherigen pauschalen Risikoauf- spruch auf Steuervorteile: Nach dem Regierungsentwurf ist schlages bei der Ermittlung der Unternehmenswerte nach eine „Verschonungsbedarfsprüfung“ erforderlich, wenn der dem im Bewertungsgesetz vorgesehenen vereinfachten Er- Wert des auf einen Erwerber übertragenen begünstigten Ver- tragswertverfahren sollen überdies die derzeit unrealistisch mögens 26 Millionen Euro überschreitet. Hierbei werden Er- hohen steuerlichen Werte eine Reduktion auf ein angemesse- werbe innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren zusammen- nes Maß erfahren. Ebenfalls vorgesehen: Für Familienunter- gezählt. nehmen, deren Gesellschafter aufgrund des Gesellschaftsver- trages hinsichtlich der Ausschüttung von Gewinnen und der Diese Schwelle erhöht sich von 26 auf 52 Millionen Euro, wenn Veräußerbarkeit von Beteiligungen erheblichen Restriktionen zum Zeitpunkt der Übertragung seit mindestens zehn Jahren unterliegen, soll es zudem einen zusätzlichen Bewertungsab- bestimmte gesellschaftsrechtliche Beschränkungen bei der schlag von 30 Prozent geben. Auskehrung von Gewinnen, der Verfügung über G esellschafts- anteile und der Leistung von Abfindungen e xistieren. Sie müssen allerdings für weitere 30 Jahre Bestand haben. „Damit entsteht eine über 40 Jahre laufende Überwachungsfrist“, Abschmelzmodell betont Dr. Martin Liebernickel, Steuerexperte im Bereich Private Clients Solutions bei PwC in Frankfurt am Main. Anstelle des Antrags auf (teilweisen) Erlass der Steuer kann der Erwerber unwiderruflich einen Verschonungsabschlag auf Unterhalb der Prüfschwelle soll es grundsätzlich bei den bis- Basis eines Abschmelzmodells beantragen. Dessen Höhe herigen Verschonungsregeln, Haltefristen und Lohnsummen- hängt davon ab, wie weit der Wert des übertragenen begüns- klauseln bleiben. Demnach wird die Steuerschuld ganz oder tigten Vermögens über der Schwelle von 26 Millionen Euro zum Teil erlassen, wenn Firmenerben den im Wege der Schen- liegt (bei den genannten gesellschaftsrechtlichen Beschrän- kung oder von Todes wegen erworbenen Betrieb für eine kungen 52 Millionen Euro). Dabei wird das von den A-Ländern bestimmte Zeit fortführen und die Lohnsumme stabil halten wenig geliebte, im Gesetzentwurf als Alternative für die Ver- (Regel- oder Optionsverschonung, Näheres dazu im Absatz schonungsbedarfsprüfung bei der Übertragung von Anteilen „Was bei der Lohnsummenregelung zu beachten ist“). an Großunternehmen vorgesehene Abschmelzmodell nach November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016 steuern+recht 11
aktuellem Kompromiss deutlich weniger attraktiv gestaltet. Die stufenweise Abschmelzung des Verschonungsabschlages Verabschiedung der Neuregelung bei wachsendem Wert des übertragen Unternehmensvermö- gen soll erheblich schneller erfolgen, und die bisher vorgese- Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hat der hene Mindestverschonung soll ganz entfallen. Ob auch die Gesetzgeber zwar noch bis zum 30. Juni 2016 Zeit, die Neure Aufgriffsgrenze für die Annahme eines Großunternehmens gelung zu implementieren. Unter dem Eindruck der bevorste- – bisher bei einem Wert der übertragenen Beteiligung in Höhe henden Landtagswahlen in drei Bundesländern soll aber der von 26 Millionen Euro – nach unten angepasst wird, bleibt nun gefundene Kompromiss möglichst schnell Bundestag und abzuwarten. Nach dem neuen Kompromissvorschlag soll der Bundesrat durchlaufen. Im Bundesfinanzministerium wird Verschonungsabschlag für jede volle 1,5 Millionen Euro, die unter Hochdruck an der Anpassung des Gesetzentwurfs gear- der Wert des begünstigten Vermögens die Schwelle von 26 beitet, so dass unter Berücksichtigung der Sitzungswochen Millionen Euro übersteigt, um zwei Prozentpunkte abgesenkt von Bundestag und Bundesrat eine Verabschiedung im Laufe werden, so dass der Verschonungsabschlag in der Optionsver- des April 2016 wohl nicht mehr ausgeschlossen erscheint. schonung bei einem Unternehmenswert von 99,5 Millionen Euro ausläuft, in der Regelverschonung dagegen bereits bei einem Unternehmenswert von 89,75 Millionen Euro. Hinweis: Über den aktuellen Sachstand informieren wir Sie regelmäßig im Blog Steuern & Recht und in der PwC „In Zukunft wird ohnehin genau abzuwägen sein, ob ein teil- Tax-App. weiser Erlass oder ein Verschonungsabschlag nach dem Ab- schmelzmodell für den Erwerber die günstigere Variante ist“, erklärt Liebernickel. Sie haben Fragen? Bitte rufen Sie Ihre Ansprechpartner an Was bei der Lohnsummenregelung zu oder schreiben Sie ihnen einfach eine E-Mail. beachten ist Um in den Genuss der 85-prozentigen Regelverschonung zu kommen, muss sich die Lohnsumme schon bislang in den fünf Jahren nach dem Erwerb auf mindestens 400 Prozent der bei Erwerb festgestellten Ausgangslohnsumme addieren. Bei der 100-prozentigen Optionsverschonung sind es 700 Prozent Lothar Siemers binnen sieben Jahren. Die Regelung gilt derzeit noch für Be- Tel.: +49 211 981-2757 triebe mit mehr als 20 Beschäftigten und soll nunmehr bereits lothar.siemers@de.pwc.com bei Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten gelten. Bei Betrieben mit 11 bis 15 Beschäftigten müssen binnen fünf Jahren lediglich 300 Prozent (Regelverschonung) oder binnen sieben Jahren 565 Prozent (Optionsverschonung) der Aus- gangslohnsumme erreicht werden. Bei Unternehmen mit vier bis zehn Beschäftigten sind es – bei denselben Fristen – ledig- lich 250 Prozent beziehungsweise 500 Prozent. Ausgenom- men von der Lohnsummenklausel sind nach der geplanten Dr. Martin Liebernickel Neuregelung lediglich Betriebe mit bis zu drei Vollzeitbeschäf- Tel.: +49 69 9585-1822 tigten. martin.liebernickel@de.pwc.com 12 steuern+recht November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016
Automatischer Austausch von Informationen über Finanzkonten vereinbart Datenaustausch per Knopfdruck Gesetzliche Neuregelungen ebnen den Weg für die Anwendung des gemeinsamen Meldestandards für den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen. Bereits seit einigen Jahren ist das Thema des automatischen vom 25. Januar 1988 über die gegenseitige Amtshilfe in Steu- Informationsaustauschs ein Grund für wiederkehrende Diskus- ersachen, das von der Bundesrepublik Deutschland mit G esetz sionen auf politischer Ebene. Nach Umsetzung der Vorgaben vom 16. Juli 2015 ratifiziert worden ist. des US-Gesetzes, mit dem das Steuerreporting von ausländi- schen Finanzinstitutionen in den USA deutlich verschärft wur- Ab 2017 verpflichten sich damit die Länder, Daten zu Finanz- de (Foreign Account Tax Compliance Act, FATCA), ist der auto- konten von Steuerpflichtigen, die in einem anderen Staat matische Informationsaustausch in Steuersachen weiter auf ansässig sind, an den betreffenden Staat automatisch zu über- dem Vormarsch. Er soll die Steuerhinterziehung durch Nut- mitteln. Seit 31. Dezember 2015 müssen Finanzinstitute den zung von ausländischen Konten eindämmen sowie die effekti- Altbestand ihrer Konten erfassen und seit dem 1. Januar 2016 ve Besteuerung von Kapitaleinkünften ermöglichen. Die aktu- bei Neukunden die steuerliche Ansässigkeit feststellen. Das ellen Modelle und gesetzlichen Regelungen zur Schaffung von bedeutet in der Praxis: Deutschland verpflichtet sich durch die Transparenz bei steuerlichen Auslandssachverhalten sind Er- Vereinbarung, von den in Deutschland ansässigen Finanzinsti- gebnis einer seit mehreren Jahrzehnten auf Ebene der Organi- tuten Informationen über Konten zu erheben, die diese für in sation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung anderen Vertragsstaaten steuerpflichtige Personen führen, (OECD) intensiv geführten Debatte für einen internationalen und den anderen Vertragsstaaten zur Verfügung zu stellen. Standard zum steuerlichen Informationsaustausch. Dabei handelt es sich insbesondere um die Mitteilung von: • Name, Anschrift, Steueridentifikationsnummer sowie Deutschland hat am 29. Oktober 2014 die „Mehrseitige Verein- Geburtsdaten und -ort jeder meldepflichtigen Person barung“ zwischen den zuständigen Behörden über den auto- • Kontonummer matischen Austausch von Informationen über Finanzkonten • Jahresendsalden der Finanzkonten am Rande der Jahrestagung des Global Forum in Berlin ge- • gutgeschriebenen Kapitalerträgen, einschließlich Ein meinsam mit 50 weiteren Staaten und Gebieten unterzeichnet. lösungsbeträgen und Veräußerungserlösen Die Mehrseitige Vereinbarung verpflichtet die Vertragspartei- en, die darin bezeichneten und für das Besteuerungsverfahren Die anderen Vertragsstaaten verpflichten sich im Gegenzug, in den anderen Vertragsstaaten erforderlichen Informationen Deutschland Informationen zu Finanzkonten von in Deutsch- über Finanzkonten regelmäßig zu erheben und dem anderen land steuerpflichtigen Personen zu übermitteln. Außerdem Vertragsstaat automatisch zu übermitteln. Mit dem Vertrags stimmten Bundestag und Bundesrat Ende 2015 dem Gesetz gesetz soll diese Vereinbarung zwischen den zuständigen Be- zum automatischen Austausch von Informationen über hörden über den automatischen Austausch von Informationen Finanzkonten in Steuersachen und zur Änderung weiterer über Finanzkonten die für die Ratifikation erforderliche Zu- Gesetze zu. Das Regelwerk dient der Umsetzung der Mehr stimmung der gesetzgebenden Körperschaften erlangen. seitigen Vereinbarung und ermöglicht die Anwendung des gemeinsamen Meldestandards für den automatischen Aus- Die Vereinbarung vom 29. Oktober 2014 ist eine einvernehm- tausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen. liche Festlegung im Sinne des Artikels 6 des Übereinkommens November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016 steuern+recht 13
Investmentsteuerreformgesetz Durchblick gefragt: neues Besteuerungssystem für Fonds Das Bundeskabinett hat am 24. Februar 2016 den Gesetzentwurf zur Reform der Investmentbesteuerung gebilligt. Das Ziel: ein neues Besteuerungssystem für Publikumsinvestmentfonds. Ein kurzer Überblick. Der Gesetzentwurf enthält ein grundlegend reformiertes Be- und ausländische Publikums-Investmentfonds gleich besteu- steuerungssystem für Publikums-Investmentfonds. Statt bis- ert, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und die im her bis zu 33 Besteuerungsgrundlagen brauchen die Anleger geltenden Recht bestehenden Risiken eines Verstoßes gegen für ihre Steuererklärung zukünftig nur noch vier Angaben: EU-Recht zu beseitigen. 1.. Höhe der Ausschüttung 2.. Wert des Fondsanteils am Jahresanfang Wie bisher bleiben Investmenterträge steuerfrei, wenn die 3.. Wert des Fondsanteils am Jahresende Investmentanteile im Rahmen von zertifizierten Altersvorsor- 4.. Handelt es sich um einen Aktienfonds, einen Mischfonds, geverträgen (private Riester-Renten) oder Basisrentenverträ- einen Immobilienfonds oder um einen sonstigen Fonds? gen (sogenannte Rürup-Renten) gehalten werden oder wenn die Erträge gemeinnützigen Anlegern zufließen. Beim Anle- Das beabsichtigte Ziel: Es soll zukünftig ohne steuerliche ger sind die Ausschüttungen eines Publikums-Investment- Nachteile möglich sein, in ausländische Investmentfonds zu fonds grundsätzlich in voller Höhe zu versteuern. Eine Aus- investieren, die keine deutschen Besteuerungsgrundlagen nahme gilt für Publikums-Investmentfonds, die überwiegend ermitteln. in Aktien oder in Immobilien investieren, weil bei diesen Akti- en- und Immobilienfonds bereits ein Teil der Erträge auf der Über die Reform der Investmentbesteuerung hinaus enthält Fondsebene besteuert wurde. Als Ausgleich für die steuerliche der Gesetzentwurf eine Änderung des Einkommensteuerge- Vorbelastung auf der Fondsebene wird bei Aktien- und Immo- setzes, mit der Gestaltungen zur Umgehung der Dividenden- bilienfonds ein Teil der Ausschüttung und des Gewinns aus besteuerung (sogenannte Cum/Cum-Geschäfte) verhindert der Veräußerung des Investmentanteils von der Besteuerung werden. Nach dieser Neuregelung ist die Anrechenbarkeit der freigestellt (Teilfreistellung). Für Privatanleger sind bei auf Dividenden erhobenen Kapitalertragsteuer davon abhän- A ktienfonds 30, bei Mischfonds 15 und bei Immobilienfonds gig, dass der Steuerpflichtige die Aktie für einen Mindestzeit- 60 Prozent der Erträge steuerfrei. Bei Immobilienfonds, die raum hält und dabei ein Mindestmaß an wirtschaftlichem überwiegend in ausländische Immobilien investieren, gilt ein Risiko trägt. Diese Beschränkung gilt bei Dividendenerträgen höherer Freistellungssatz von 80 Prozent, weil ausländische von mehr als 20.000 Euro jährlich. Kleinanleger sind insoweit Staaten die dortigen Immobilienerträge in der Regel bereits in nicht betroffen. höherem Maße auf Fondsebene besteuert haben. Im Einzelnen sieht die geplante Reform der Investmentbesteu- Wenn der Publikums-Investmentfonds nichts oder nur in sehr erung vor, dass erstmals auch bei inländischen Publikums- geringem Maße ausschüttet, wird eine Vorabpauschale erho- Investmentfonds die aus deutschen Einkunftsquellen stam- ben. Mit der Vorabpauschale soll die Nutzung von Investment- menden Dividenden und Immobilienerträge auf Fondsebene fonds als Steuerstundungsmodell verhindert werden. Die besteuert werden. Alle anderen Ertragsarten (zum Beispiel Höhe der Vorabpauschale bestimmt sich nach dem Wert des Zinsen, Gewinne aus der Veräußerung von Aktien und ande- Fondsanteils am Jahresanfang multipliziert mit einem Basis- ren Wertpapieren, Erträge aus Termingeschäften) sind auf zinssatz. Dieser Basiszins ist ein einmal jährlich durch die Fondsebene weiterhin steuerfrei. Damit werden inländische Bundesbank ermittelter Durchschnittszinssatz öffentlicher 14 steuern+recht November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016
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