STEUERN+RECHT - PWC BLOGS

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                                       steuern+recht

                                       November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016

                                       Eine bunte Mischung                         Betriebsprüfungen
                                       Steueränderungen 2016                       Wo der Fiskus derzeit besonders hinschaut

                                       Körperschaftsteuer-Richtlinien 2015         Innovationsstudie
                                       Entwarnung für Drittstaatenverschmelzung?   Steuerliche Anreize statt direkte Zuschüsse

                                       Die PwC Tax-App
                                       Wischen statt blättern

November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016                                                                         steuern+recht   1
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Inhalt

                                                                            Seite 6

                                         Eine bunte Mischung:
                                         Steueränderungen 2016

   Steuern aktuell ..................................... 4 Lohnsteuer ........................................... 59

   Tax goes digital ..................................... 17 Länderreport ........................................ 66

   PwC-Studie: Betriebsprüfung 2015 ...... 20 Ticker ................................................... 70

   Recht aktuell ........................................ 51 Impressum ............................................ 71

   Personal ............................................... 54

      Steuern A bis Z                                                                       Gewerbesteuer bei der Gewinnermittlung:
      Gutglaubensschutz: Vorsteuerabzug aus Rechnungen                                      Bundesfinanzhof bestätigt erneut das Abzugsverbot...... 44
      eines nicht existenten Wirtschaftsteilnehmers............... 27
                                                                                            Bundesfinanzhof hält Zinsschranke für
      Sind Bitcoins gesetzlichen Zahlungsmitteln                                            verfassungswidrig ......................................................... 45
      gleichzustellen? ............................................................. 29
                                                                                            Europäisches Gericht lehnt Unternehmensklagen gegen
      Neuregelung der Grundbesitzwerte für Zwecke der                                       Unvereinbarkeit der Sanierungsklausel ab .................... 47
      Grunderwerbsteuer mit Wirkung ab 2009...................... 32
                                                                                            Werbungskostenabzugsverbot auch bei vor 2009
      Die Grunderwerbsteuersätze in Deutschland im                                          zugeflossenen Kapitalerträgen verfassungsgemäß......... 48
      Überblick....................................................................... 36
                                                                                            Erbschaftsteuer: Optionsrecht zur unbeschränkten
      Hinzurechnungsbesteuerung I: Finanzgericht gewährt                                    Steuerpflicht mit EU-Recht unvereinbar?....................... 49
      Aussetzung der Vollziehung wegen ernsthafter
      unionsrechtlicher Zweifel .............................................. 38           Bundesfinanzhof schränkt Berücksichtigung von
                                                                                            Steuerschulden bei Steuerhinterziehung ein.................. 50

                                                                                                                                 ab Seite 27
      Hinzurechnungsbesteuerung II: funktionale
      Betrachtungsweise bei Finanzierungseinkünften.......... 41

2 steuern+recht                                                                                                                November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016
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Editorial

Wissensdurst trifft auf digitalisierte
Steuernews
Wie wir einkaufen, wie wir Musik hören, ja sogar wie wir regiert      Eine lesefreundliche Version des Magazins finden Sie übrigens
werden: Die Digitalisierung verändert unser Leben auf gesell-         bereits im Steuerblog (blogs.pwc.de/steuern-und-recht) und in
schaftlicher, politischer und eben auch auf steuerlicher Ebene.       der PwC-Tax-App.
Unter anderem deshalb entwickeln wir bei PwC ständig neue
innovative und mobile Dienstleistungen, um die Wertschöpfung          Keine Frage: Neben den Steuerregelungen wandeln sich auch
für unsere Mandanten zu optimieren. Eine dieser neuen Dienst-         Prüfungsprozesse stetig – getrieben durch Gesetzgebung, Recht-
leistungen ist die Tax-App. Nach dem Motto „wischen statt blät-       sprechung und Verwaltungsauffassung, aber auch durch die
tern“ liefert die neue App von PwC komplettes Steuerwissen mit        weiter voranschreitende Internationalisierung der Unternehmen.
einem Klick. Mit der PwC-Tax-App können Sie sich mobil über die       Welche Konsequenzen hat das für die Praxis? – Die Antwort
neuesten Entwicklungen im Steuerrecht informieren. Denn auch          ­liefert die PwC-Studie „Betriebsprüfung 2015“, für die mehr als
ohne grundlegende Reform der steuerpolitischen Landschaft              200 deutsche Unternehmen befragt wurden. Wo der Fiskus der-
zeigt allein die Fülle der im Jahr 2015 verabschiedeten oder in die    zeit besonders genau hinschaut, darüber haben wir mit dem
Wege geleiteten Regeländerungen, wie anspruchsvoll das Schritt-        PwC-Partner Dr. Arne Schnitger gesprochen. Das Interview mit
halten selbst für den mit der Steuermaterie Vertrauten geworden        dem Experten finden Sie auf den Seiten 20 und 21.
ist. Die Titelstrecke auf den Seiten 6 bis 16 macht Sie mit den
zentralen Steueränderungen 2016 vertraut.                             Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

Über die wichtigsten Änderungen informieren Sie unsere Steuer­        Ihr
experten darüber hinaus kurz und knapp auch in unserem neuen
Videoblog „Steuer-News – in wenigen Sekunden auf den Punkt
gebracht“. Den Videoblog können Sie über die PwC-Tax-App oder
über www.pwc.de jederzeit abrufen. Neu ist außerdem noch              Marius Möller
etwas: Ihr Steuermagazin erhalten Sie ab der nächsten Ausgabe
nur noch online. Wie leicht Sie sich für den neuen Versandservice
registrieren können, erfahren Sie auf der Seite 18.

November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016                                                                              steuern+recht   3
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Steuern aktuell

   Holdingprivileg auch beim                    da die Haupttätigkeit dieser Gesellschaft   regelung zu erfüllen. Nach Auffassung
   Halten nur einer Beteiligung                 darin bestehen müsse, mindestens zwei       des BFH ist es nicht erforderlich, meh­rere
                                                Beteiligungen an Kapitalgesellschaften      Beteiligungen der Holdinggesellschaft zu
                                                zu halten und zu finanzieren, oder die      fordern, damit Missbräuche vermieden
   Das sogenannte Holdingprivileg nach          Beteiligungen mehr als 75 Prozent der       werden. Seiner Pflicht, ­Missbrauch zu
   § 8a Absatz 4 Körperschaftsteuergesetz       Bilanzsumme ausmachen müssen. Beide         vermeiden, habe der Gesetzgeber aus-
   (KStG) in der alten Fassung (vor Einfüh-     Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da     weislich der Gesetzes­begründung bereits
   rung der Zinsschranke, KStG 2002)            nur eine Beteiligung gehalten werde         dadurch Rechnung getragen, dass er bei
   verlangt nicht das Halten von mindes-        und die Beteiligung an der Tochter­         Änderung des § 8a Absatz 4 KStG durch
                                                                                            das ab 2004 geltende „Korb-II-Gesetz“

   Bundesfinanzhof konkretisiert
                                                                                            den erhöhten Safe Haven für Holding­
                                                                                            gesellschaften gestrichen hat.

   Holdingprivileg                                                                          Variante 2: Bei der Berechnung der
                                                                                            75-Prozent-Grenze bleiben Forderungen
                                                                                            aus der Finanzierung nachgeordneter
   tens zwei Beteiligungen. Aus dem Geset-      gesellschaft nur rund 30 Prozent der        Gesellschaften außer Betracht. Da die
   zeswortlaut und der Gesetzeshistorie         ­Bilanzsumme der Klägerin ausmache.         Klägerin einen die aufgenommene Dar-
   ergibt sich: Auch das Halten lediglich        Das sahen die Gerichte einhellig anders.   lehenssumme übersteigenden Betrag an
   einer Beteiligung ist unter den übrigen                                                  ihre Tochtergesellschaft weitergereicht
   Voraussetzungen ausreichend. Hinter-         Eine Holdinggesellschaft liege vor, so      hatte, lag auch das bilanzsummenmäßi-
   grund: Durch § 8a KStG 2002 wurden           der Bundesfinanzhof (BFH) in letzter        ge Abgrenzungskriterium vor.
   Zinszahlungen einer Körperschaft an          Instanz, wenn die Haupttätigkeit der
   ihre Anteilseigner unter bestimmten          Gesellschaft darin bestehe, Beteiligun-
   Voraussetzungen in eine verdeckte            gen an Kapitalgesellschaften zu halten
   ­Gewinnausschüttung umqualifiziert. In       und diese Kapitalgesellschaften zu fi-
                                                                                            Gewerblicher
    der Regel wurde der Körperschaft ein        nanzieren (Variante 1), oder wenn de-       Grundstückshandel
    zulässiges Fremdkapital (Safe Haven) in     ren Vermögen zu mehr als 75 Prozent
    Höhe des 1,5-fachen Eigenkapitals ge-       ihrer Bilanzsumme aus Beteiligungen an      Bei der Beurteilung der Frage, ob ein
    währt, wobei Beteiligungen an anderen       Kapitalgesellschaften bestehe (Variante     Steuerpflichtiger als gewerblicher
    Kapitalgesellschaften grundsätzlich das     2). Beide (Alternativ-)Voraussetzungen      Grundstückshändler anzusehen ist, sind
    Eigenkapital minderten, sofern die Ge-      seien erfüllt.                              ihm die Grundstücksgeschäfte zuzu-
    sellschaft keine „Holdinggesellschaft“                                                  rechnen, die von einer Personengesell-
    war. Das der Klägerin (einer Gesell-        Variante 1: Der hauptsächliche Zweck        schaft, an der er beteiligt ist, getätigt
    schaft mit beschränkter Haftung) im         des Unternehmens der Klägerin besteht       wurden. Nach Ansicht der obersten
    aktuell entschiedenen Fall von der aus-     allein im Halten und Finanzieren der        Finanzrichter ist auch die Einbringung
    ländischen Anteilseignerin gewährte         Beteiligung an ihrer Tochtergesell-         von Grundstücken in diese Personen­
    Darlehen überstieg das Eineinhalbfache      schaft. Das Halten nur einer Beteiligung    gesellschaft als Veräußerung durch den
    des anteiligen Eigenkapitals. Die Kläge-    reicht aus. Der BFH versteht den Wort-      Steuerpflichtigen anzusehen. Bei der
    rin selbst war zu 70 Prozent an einer       laut der Regelung in einem weitergehen-     Prüfung des Umfangs des gewerblichen
    weiteren GmbH beteiligt. Buchwerte von      den Sinn. Die Finanzbehörde hatte den       Grundstückshandels ist dabei eine
    Beteiligungen waren unter der damali-       Zweck ins Feld geführt, Missbrauch zu       ­Gesamtwürdigung aller Umstände des
    gen Regelung – wie erwähnt – grund-         verhindern: Im Rahmen konzerninter-          Einzelfalls vorzunehmen.
    sätzlich abzuziehen, was den Safe Haven­    ner Umstrukturierungen bestehe jeder-
    verminderte. Das rief das Finanzamt         zeit die Möglichkeit, eine einzelne         Gewerbesteuerrechtlich führt die Veräu-
    hinsichtlich der Streitjahre 2006 und       ­Gesellschaft ohne eigenen operativen       ßerung von Grundstücken eines gewerb-
    2007 auf den Plan: Für die Klägerin grei-    Geschäftsbetrieb in einer Beteiligungs-    lichen Grundstückshändlers anlässlich
    fen – so das Finanzamt – keine Sonder-       kette zwischenzuschalten, um die Vor-      der Betriebsaufgabe zu einem laufenden
    regelungen für Holdinggesellschaften,        aussetzungen der sogenannten Holding-      Gewinn und nicht zu einem Aufgabe­

4 steuern+recht                                                                                  November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016
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gewinn. Das gilt nach Auffassung des          der NATO ISAF besoldet. Jeder An-             Einkünfte betroffen sind. Zudem bezie-
Bundesfinanzhofs auch bei einer Einbrin-      spruch auf Besoldung durch die Bundes-        he sich die Aussage des Finanzamts
gung von Grundstücken zum Teilwert            wehr sei damit hinfällig. Er bitte um         zumindest auf den Veranlagungszeit-
gegen Übernahme von Verbind­lich­             Überprüfung einer Befreiung von der           raum der Aufnahme der Beschäftigung
keiten und Einräumung einer Darlehens­        Einkommensteuerpflicht. Zweieinhalb           in Afghanistan. Dieser Inhalt sei dem
forderung.                                    Monate später (im Februar 2008) erwi-         Kläger in einer Weise übermittelt wor-
                                              derte das Finanzamt unter Bezugnahme          den, die auch aus Sicht eines steuerlich
                                              auf die Anfrage des Klägers mit Betreff       nicht beratenen Empfängers keinerlei
                                              „Steuerliche Behandlung der Gehalts-         Zweifel daran aufkommen ließe, dass das
Finanzamtliches Schreiben                     zahlungen der ISAF in Afghanistan“:          Finanzamt die Frage in verbindlicher
als verbindliche Auskunft                     Wegen des rechtlichen Problems der           Weise, das heißt mit Rechtsbindungs­
                                              steuerlichen Behandlung von Gehalts-         willen, geklärt habe (sogenannter objek-
Ein auf die konkrete Anfrage des Steuer-      zahlungen der ISAF in Afghanistan habe       tiver Empfängerhorizont). Darüber
pflichtigen erteiltes Auskunftsschreiben      vorab die vorgesetzte Behörde gehört         ­hinaus sei das Schreiben inhaltlich ab-
des Finanzamts ist als verbindliche Aus-      werden müssen. Bezug nehmend auf              geschlossen und verbindlich formuliert
kunft zu sehen – mit Bindungswirkung          sein Schreiben werde in Abstimmung            („ist … freizustellen“). Auch die Schluss-
für die zukünftige Besteuerung des An-        mit dem (rheinland-pfälzischen) Minis-        bemerkung, man hoffe, die Frage ausrei-
tragstellers –, wenn es frei von Zweifeln     terium der Finanzen mitgeteilt, dass die      chend beantwortet zu haben, schwächt
sowie hinreichend bestimmt ist und            Gehaltszahlungen an den Kläger (…)            nach BFH nicht den Eindruck der Ver-
einen noch nicht verwirklichten Sach-         steuerfrei zu stellen seien. Später änder-    bindlichkeit. Es lasse sich nicht entneh-
verhalt betrifft. Entscheidend ist der        te das Finanzamt dessen ungeachtet die        men, dass die gegebene Auskunft ledig-
sogenannte objektive Empfängerhori-           geäußerte Rechtsauffassung, forderte          lich unverbindlichen oder vorläufigen
zont. Mit anderen Worten: Das Schrei-         eine Einkommensteuererklärung an und          Charakter habe. Etwaige verbleibende
ben oder die Auskunft muss unmissver-         erließ für das Streitjahr einen Einkom-       Restzweifel an der Verbindlichkeit der
ständlich, sprachlich richtig und genau       mensteuerbescheid, in dem es die Ein-         Auskunft würden dadurch beseitigt, so
sein.

                                              Auskunft muss unmissverständlich
Der Kläger hatte im Streitfall unter dem
Betreff „Befreiung von der Einkommen-

                                              sein
steuerpflicht“ eine Anfrage an das Fi-
nanzamt gerichtet und dabei Bezug auf
das wenige Tage zuvor geführte Telefo-
nat in dieser Angelegenheit genommen,
um den Sachverhalt schriftlich zu schil-      künfte des Klägers als steuerpflichtig       der BFH, dass das Finanzamt im Schrei-
dern. Er werde momentan als Zeitsoldat        behandelte.                                  ben darauf hinweise, die aufgeworfene
von der Wehrbereichsverwaltung besol-                                                      Frage erst nach Anhörung der vorgesetz-
det und sei einkommensteuerpflichtig.         Im Gegensatz zum Finanzgericht sah der       ten Behörde und darüber hinaus in Ab-
Er habe nun einen Antrag auf Befreiung        Bundesfinanzhof (BFH) im Schreiben           stimmung mit dem (rheinland-pfälzi-
beziehungsweise Beurlaubung bis zu            des Finanzamts vom Februar 2008 eine         schen) Ministerium der Finanzen
seinem Dienstzeitende bei der Bundes-         verbindliche Auskunft. Höchstrichterli-      beantwortet zu haben.
wehr unter Wegfall der Geld- und Sach-        che Begründung: Indem das Finanzamt
bezüge gestellt. Grund: Er werde im           feststellte, dass das Gehalt, das der Klä-   Fazit: Der Kläger hat dem Finanzamt
April 2008 – vorerst auf drei Jahre – eine    ger für die Tätigkeit bei der ISAF bezie-    einen in der Zukunft liegenden Sachver-
Stelle als International Civilian Consul-     hen soll, ohne Progressionsvorbehalt         halt mit einer klaren Rechtsfrage unter-
tant (ICC) bei der International Security     steuerfrei zu stellen sei, beantwortete es   breitet. Ob die erteilte Auskunft über-
Assistance Force (ISAF) der Organisation      die ihm gestellte einkommensteuer-           haupt erst die Ursache dafür war, die
des Nordatlantikvertrags (North Atlantic      rechtliche Frage mit hinreichender Be-       Tätigkeit aufzunehmen, ist für die Frage
Treaty Organization, NATO) in Kabul,          stimmtheit. Aus dem Antrag ergab sich        der Bindungswirkung ohne Bedeutung.
Afghanistan, antreten und direkt von          klar, welcher Sachverhalt und welche

November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016                                                                             steuern+recht   5
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Leitartikel

      Eine bunte Mischung:
      Steueränderungen 2016

   Steueränderungsgesetz 2015
                                                                                      Steueränderungen querbeet

                                               Das Regelwerk enthält Änderungen quer durch das Steuerrecht,
                                               die grundsätzlich am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in
                                               Kraft treten. Soweit Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- und
                                               Gewerbesteuergesetz betroffen sind, werden Änderungen aller-
                                               dings erst ab dem Veranlagungszeitraum 2016 gelten. Auf hiervon
                                               abweichende Anwendungsregelungen wird nachfolgend gesondert
                                               hingewiesen.

   Mit dem Gesetz wurde die Protokollerklärung der Bundes­       Ergebnis dieses „Versprechens“ im ersten Absatz der Protokoll­
   regierung zur Beratung des Zollkodex-Anpassungsgesetzes       erklärung ist das Steueränderungsgesetz 2015, vormals bekannt
   (ZollkodexAnpG) im Bundesrat am 19. Dezember 2014 umge-       als „Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz
   setzt. Die Bundesregierung hatte damals angekündigt, noch     zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union
   offene und zu prüfende Länder­vorschläge Anfang 2015 in       und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“, dessen
   einem Steuergesetz aufzugreifen. Damit konnte sie die Anru-   wesentliche Regelungen im Folgenden dargestellt werden.
   fung des Vermittlungsausschusses zum im letzten Jahr verab-
   schiedeten ZollkodexAnpG vermeiden und sich die Zustim-       Das Gesetz enthält unter anderem die Erweiterung des An-
   mung des Bundesrats zum Gesetz sichern.                       wendungsbereichs der Konzernklausel nach § 8c Körper-

6 steuern+recht                                                                             November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016
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schaftsteuergesetz (KStG) sowie die Beschränkung der Mög-        meinen Grundsatz Verluste bei konzerninternen Umstruktu-
lichkeit der Buchwertfortführung bei Einbringungsvorgängen       rierungen erhalten bleiben.
nach § 20 ff. Umwandlungsteuergesetz (UmwStG), wenn
sonstige Gegenleistungen gewährt werden. Darüber hinaus          Die bisherige Ausgestaltung der Konzernklausel war Gegen-
wurde die Ersatzbemessungsgrundlage nach § 8 Absatz 2            stand vielfältiger Kritik. So wurde beanstandet, dass der An-
Grunderwerbsteuer­gesetz (GrEStG) neu geregelt, nachdem          wendungsbereich der Konzernklausel aufgrund des Wortlauts
das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die bisherige Rege-        der Norm sehr eingeschränkt war. Demnach war bei Veräuße-
lung als verfassungswidrig eingestuft hatte. Neben dem obers-    rung oder Erwerb der Anteile/Stimmrechte durch die Kon-
ten deutschen Gericht hat auch der Europäische Gerichtshof       zernspitze die Norm nicht anwendbar, weil am übertragenden
(EuGH) „Mängel“ in der deutschen Steuergesetzgebung ent-         und übernehmenden Rechtsträger nicht dieselbe Person betei-
deckt, die den deutschen Gesetzgeber zu einer Ergänzung des      ligt sein konnte. Auch die einschränkende Auslegung des Be-
§ 6b Einkommensteuergesetz (EStG) veranlassten.                  griffs „Person“ durch die Finanzverwaltung, nach deren Auf-
                                                                 fassung eine Personengesellschaft nicht „dieselbe Person“ im
Die vom Bundesrat angeregte Erweiterung des Inlandsbegriffs      Sinne der Konzernklausel sein konnte, wurde kritisiert. Die
des EStG, KStG und des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hat        Gesetzesänderung erweitert den Anwendungsbereich der
unverändert Eingang in das Gesetz gefunden. Gleiches gilt für    Klausel hinsichtlich beider Aspekte.
die vorgeschlagene Änderung des § 44 Absatz 1 Satz 3 EStG,
der nunmehr eine Verpflichtung für Vergütungsschuldner           Der neue § 8c Absatz 1 Satz 5 KStG besteht aus drei Nummern:
vorsieht, bei der Erfüllung ihrer Steuereinbehaltens- und Ab-    • Nummer 1 betrifft Fälle, in denen die Muttergesellschaft die
führungsverpflichtungen einer veröffentlichten Auffassung          Anteile von einer nachgeordneten Gesellschaft unmittelbar
des BMF zu folgen, sowie die geforderte Änderung des § 44a         erwirbt, an der sie mittelbar oder unmittelbar zu 100 Pro-
­Absatz 1 Satz 1 EStG (Abstandnahme vom Steuerabzug). Auch         zent beteiligt ist.
 die Abschaffung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise in       • Nummer 2 erfasst Veräußerungen der Muttergesellschaft an
 § 1 Absatz 2a GrEStG bei mittelbaren Änderungen von Beteili-      nachgeordnete Gesellschaften, an denen sie mittelbar oder
 gungsverhältnissen hat Eingang in das Steueränderungs­            unmittelbar zu 100 Prozent beteiligt ist.
 gesetz 2015 gefunden. Andere, vom Bundesrat unterbreitete       • Nummer 3 regelt die bisher erfassten Fallkonstellationen,
 Vorschläge wurden dagegen (bisher) nicht umgesetzt. Dies          erweitert um Personenhandelsgesellschaften als Konzern-
 betrifft zum Beispiel die                                         spitze.
 • Forderung nach einer Beschränkung hybrider Steuerge­
   staltungen durch eine Neuregelung in § 4 Absatz 5a EStG –     Unter dem Begriff Personenhandelsgesellschaft im Sinne der
   ­Betriebsausgabenabzugsverbot                                 Norm fallen ausweislich der Gesetzesbegründung neben der
 • Anpassungen bei den Regelungen zur Schuldübernahme            Offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder Kommanditgesell-
    nach § 4f EStG                                               schaft (KG) auch vergleichbare ausländische Personenhan-
 • Änderungen beim Einnahmenbegriff und bei der Bewer-           delsgesellschaften. Nach Auffassung in der Literatur könnten
    tung von Sachbezügen (§ 8 Absatz 2 EStG)                     dazu im Rahmen eines Rechtstypenvergleichs die Kriterien
 • Ausdehnung der Fälle von unentgeltlichen Übertragungen        zur Abgrenzung zwischen einer OHG und einer Gesellschaft
    und Einbringungen, in denen der nachversteuerungspflich-     bürgerlichen Rechts herangezogen werden (zum Beispiel Ein-
    tige Betrag nach § 34a Absatz 7 EStG übergeht                tragung ins Handelsregister, Handelsrecht des ausländischen
 • Erfassung der Veräußerungsgewinne auf Streubesitzbeteili-     Staats). Zudem konstatiert die Gesetzesbegründung, dass sich
    gungen nach § 8b Absatz 4 KStG                               die Anteile am übertragenden und übernehmenden Rechts­
 • Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 29 Absatz 1
    Nummer 2 GewStG
                                                                   Im dritten Video aus unserer Reihe „Die wichtigsten S
                                                                                                                       ­ teueränderungen
                                                                   2015/2016“ informiert Sie Dr. Arne Schnitger, Partner im Bereich
                                                                   ­Corporate Tax, zum ­Thema „Änderungen im Unternehmensteuerrecht
                                                                    made in Germany: Steueränderungsgesetz 2015“.
Erweiterung der Konzernklausel,
§ 8c Körperschaftsteuergesetz
§ 8c KStG wurde durch die Unternehmensteuerreform 2008
mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2008 eingeführt.
Die Norm regelt, dass Verlustvorträge und laufende Verluste
einer Kapitalgesellschaft anteilig untergehen, wenn innerhalb
von fünf Jahren mehr als 25 Prozent der Anteile/Stimmrechte
oder Ähnliches an einer Kapitalgesellschaft auf einen neuen
Erwerber übertragen werden. Bei Übergang von mehr als
50 Prozent der Anteile/Stimmrechte gehen die Verlustvor­
träge und laufenden Verluste vollständig unter. Durch die seit
dem Veran­lagungszeitraum 2010 anwendbare Konzernklausel
im Sinne der Vorschrift sollen abweichend von diesem allge-        Zu finden unter: https://www.youtube.com/watch?v=8F46XNid2QQ

November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016                                                                                  steuern+recht   7
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träger zu 100 Prozent im Gesamthandsvermögen der Perso-          tens jedoch den Buchwert des eingebrachten Betriebsver­
   nenhandelsgesellschaft befinden müssen, damit diese Kon-         mögens, übersteigt. Die Möglichkeit zur Buchwertfortführung
   zernspitze im Sinne der Vorschrift sein kann.                    besteht demnach nur, soweit die Grenzen des § 20 Absatz 2
                                                                    Satz 2 Nummer 4 UmwStG nicht überschritten sind.
   Die Erweiterung der Klausel ist rückwirkend auf Beteiligungs-
   erwerbe anwendbar, die nach dem 31. Dezember 2009 erfol-         Vergleichbare Änderungen wurden auch beim Anteilstausch
   gen, sofern die Veranlagungen der Verlustgesellschaft verfah-    oder bei Einbringung von Betriebsvermögen in eine Personen-
   renstechnisch noch änderbar sind.                                gesellschaft vorgenommen.

                                                                    Das Steueränderungsgesetz 2015 enthält auch korrespondie-
                                                                    rende Änderungen bezüglich der Ersatztatbestände in § 22
   Beschränkung der Buchwertfortführung                             Absatz 1 Satz 6 UmwStG mit entsprechendem Verweis auf die
   bei sonstigen Gegenleistungen, § 20 ff.                          Grenzen von § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 und § 21 Absatz 1
   Umwandlungsteuergesetz                                           Satz 2 Nummer 2 UmwStG. Danach soll eine rückwirkende
                                                                    Einbringungsgewinnbesteuerung zukünftig auch dann ausge-
   Das UmwStG verfolgt den Zweck, betriebswirtschaftlich sinn-      löst werden, wenn im Rahmen einer Weitereinbringung oder
   volle Umstrukturierungen nicht durch steuerliche Folgen zu       Ketteneinbringung sperrfristbehafteter Anteile Gegenleistun-
   behindern. In einzelnen Punkten ist das UmwStG nach Auf-         gen erbracht werden, die die neuen Grenzen überschreiten.
   fassung des Gesetzgebers aber nicht folgerichtig ausgestaltet.   Die Folgeänderung in § 22 UmwStG führt damit zu einer Nach-
   Die bestehenden Gesetzeslücken wurden gezielt für Steuer­        versteuerung, sobald die schädlichen Grenzen überschritten
   gestaltungen ausgenutzt.                                         sind und nicht nur, soweit die Grenzen überschritten sind.

   Grundsätzlich führt jeder Vermögenstransfer zwischen ver-        Die Neuregelungen sind erstmals auf Einbringungen anzu-
   schiedenen Rechtsträgern zu einer Realisierung der in dem        wenden, wenn in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge der
   übertragenen Vermögen ruhenden stillen Reserven. Eine Aus-       Umwandlungsbeschluss nach dem 31. Dezember 2014 erfolgt
   nahme hiervon ist nach dem Sinn und Zweck des UmwStG             ist oder in den anderen Fällen der Einbringungsvertrag nach
   unter anderem nur dann gerechtfertigt, soweit im Zuge der        dem 31. Dezember 2014 geschlossen worden ist.
   Umwandlung Vermögen gegen Gewährung von Gesellschafts-
   rechten und ohne finanzielle Gegenleistung übertragen wird.
   Dadurch wird unter anderem gewährleistet, dass der über­
   tragende und der übernehmende Rechtsträger verbunden
                                                                    Gesetzliche Neuregelung der
   bleiben und das unternehmerische Engagement durch den            Ersatzbemessungsgrundlage gemäß § 8
   übernehmenden Rechtsträger fortgesetzt wird. Soweit aber         Absatz 2 Grunderwerbsteuergesetz
   sonstige Gegenleistungen für die Vermögensübertragung
   erbracht werden, muss es grundsätzlich bei der Realisation       § 8 Absatz 1 GrEStG bestimmt, dass die Bemessungsgrundlage
   stiller Reserven bleiben.                                        dem Wert der Gegenleistung entspricht. In den Fällen des
                                                                    Absatzes 2 mangelt es an einer Gegenleistung, sodass es hier
   Diesen Grundsätzen trugen die Umwandlungstatbestände der         zur Anwendung gesonderter Bewertungsvorschriften kommt.
   § 3 ff. und 11 ff. UmwStG bereits hinreichend Rechnung,          Die Ersatzbemessungsgrundlage spielt gerade bei Umstruktu-
   ­während die Einbringungstatbestände Ausnahmen enthielten        rierungen und Anteilskaufvorgängen, die grundbesitzende
    (§ 20 Absatz 2 Satz 4, § 21 Absatz 1 Satz 3 UmwStG) oder gar    Gesellschaften betreffen, eine bedeutende Rolle.
    keine Regelung (§ 24 UmwStG) trafen.
                                                                    Das BVerfG hält in seinem Beschluss vom 23. Juni 2015 die
   Damit war es nach bisheriger Rechtslage dem Einbringenden        Ersatzbemessungsgrundlage für Zwecke der Grunderwerb-
   möglich, das eingebrachte Vermögen „zu Geld zu machen“,          steuer (GrESt) nach § 8 Absatz 2 GrEStG für mit dem Gleich-
   ohne dafür sofort Steuern entrichten zu müssen. Eine Besteue-    heitssatz nach Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz unvereinbar.
   rung erfolgte erst bei Veräußerung der einbringungsgebore-       Das Gericht hat daher dem Gesetzgeber aufgetragen, bis spä-
   nen Anteile, deren Anschaffungskosten um die erhaltene           testens zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu schaffen. Die-
   ­Gegenleistung niedriger waren. Der Gewinn aus der Veräuße-      se Neuregelung hat rückwirkend ab dem 1. Januar 2009 An-
    rung der Anteile wiederum ist zu 95 Prozent (§ 8b KStG) be-     wendung zu finden. Die zentralen Erwägungen des BVerfG im
    ziehungsweise 40 Prozent steuerfrei. Sofern die Sieben-Jahres   Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der Ersatzbemessungs-
    Frist eingehalten wird, kann diese Veräußerung ohne eine        grundlage lassen sich wie folgt zusammenfassen:
    rückwirkende Besteuerung des Einbringungsvorgangs erfol-
    gen. Die bisherige Möglichkeit, sonstige Gegenleistungen in     Das BVerfG geht davon aus, dass der Wert der Gegenleistung
    Höhe des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens          (Regelbemessungsgrundlage des § 8 Absatz 1 GrEStG) regel-
    erbringen zu können, ohne die Steuerneutralität der Einbrin-    mäßig dem gemeinen Wert entspricht. Die nach den § 138 ff.
    gung zu gefährden, wurde daher durch das Steueränderungs-       Bewertungsgesetz (BewG) ermittelten Werte (Ersatzbemes-
    gesetz 2015 eingeschränkt. Nach der neu eingefügten Num-        sungsgrundlage nach § 8 Absatz 2 GrEStG) führen dagegen
    mer 4 in § 20 Absatz 2 Satz 2 UmwStG können die Buchwerte       nach Auffassung des Gerichts zu weit unter dem gemeinen
    bei Erbringung sonstiger Gegenleistungen nur noch fortge-       Wert liegenden Ergebnissen.
    führt werden, soweit der gemeine Wert der sonstigen Gegen-
    leistungen nicht die Grenze von 25 Prozent des Buchwerts des    Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Steueränderungsgesetzes
    eingebrachten Betriebsvermögens oder 500.000 Euro‚ höchs-       2015 bereits auf die Entscheidung des BVerfG reagiert und die

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für die Erbschaftsteuer einschlägigen Bewertungsregeln für        steuerfrei zu übertragen. Voraussetzung ist unter anderem, dass
Grundbesitz in den § 157 ff. BewG für Zwecke der Ermittlung       das neu angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut zum
der Ersatz­bemessungsgrundlage des § 8 Absatz 2 GrEStG in         Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört. Rein-
der neuen Fassung übernommen. Im Einklang mit der Anord-          vestitionen in Wirtschaftsgüter einer ausländischen Betriebs-
nung des BVerfG sind diese auf alle Erwerbsvorgänge, die nach     stätte sind hingegen nicht nach § 6b EStG begünstigt (§ 6b Ab-
dem 31. Dezember 2008 verwirklicht werden, anzuwenden.            satz 4 Nummer 3 EStG), sondern der Gewinn aus dem veräußer-
                                                                  ten Wirtschaftsgut ist sofort in voller Höhe zu versteuern.
Einer rückwirkenden Anwendung der neuen materiell-recht­
lichen Regelungen zur Ersatzbemessungsgrundlage steht             Der EuGH hat am 16. April 2015 entschieden, dass die Vor-
allerdings verfahrensrechtlich regelmäßig § 176 Absatz 1          schrift des § 6b Absatz 4 Nummer 3 EStG gegen die Niederlas-
Satz 1 Nummer 1 Abgabenordnung (AO) entgegen. Dies gilt           sungsfreiheit verstößt. Die sofortige Besteuerung der Gewinne
auch für nach § 165 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 AO vorläufig         aus dem Verkauf des Wirtschaftsguts in den Fällen, in denen
durchgeführte GrESt-Festsetzungen und für vorläufig ergan-        die Steuerpflichtigen in Ersatzwirtschaftsgüter einer auslän-
gene Feststellungsbescheide über die Bemessungsgrundlage          dischen Betriebstätte investieren, stelle eine Diskriminierung
der GrESt sowie für Fälle, in denen die Bescheide unter dem       dar. Das Gericht hat sich damit im Ergebnis der Auffassung
Vorbehalt der Nachprüfung erlassen wurden. Nur in folgen-         des Finanzgerichts (FG) München sowie des Niedersächsi-
den Fällen ist eine rückwirkende Anwendung der neuen mate-        schen FG angeschlossen. Beide hatten bereits ebenfalls die
riell-rechtlichen Regelungen zur Ersatzbemessungsgrundlage        Vereinbarkeit der Norm mit dem Recht der Europäischen
möglich, weil § 176 AO nicht anwendbar ist:                       ­Union (EU) verneint und sich für die Bildung eines passiven
• Für einen Besteuerungsfall liegt noch überhaupt keine Steu-      Ausgleichspostens in Höhe der begünstigten stillen Reserven
   erfestsetzung oder gesonderte Feststellung vor (§ 176 Ab-       ausgesprochen.
   satz 1 Satz 1 Nummer 1 AO gewährt nur Vertrauensschutz
   bei Erlass eines Änderungsbescheids, nicht aber bei Erlass     Wie bisher hat der Steuerpflichtige das Wahlrecht, den Ge-
   eines „Erstbescheids“).                                        winn sofort zu versteuern, ihn im Wirtschaftsjahr der Veräu-
• Der Steuerpflichtige hat eine bereits vorgenommene erst-        ßerung auf ein begünstigtes Reinvestitionsobjekt zu über­
   malige Steuerfestsetzung oder erstmalige gesonderte Fest-      tragen oder eine Rücklage für eine zukünftige Investition zu
   stellung außergerichtlich mit dem Einspruch angefochten        bilden. Zusätzlich besteht nunmehr aufgrund der Einfügung
   und es ist noch keine Unanfechtbarkeit eingetreten. In die-    eines neuen Absatz 2a die Möglichkeit, auf Antrag bei einer
   sem Fall kann der Einspruchsführer aber durch eine Rück-       beabsichtigten Investition innderhalb der EU oder des Euro­
   nahme seines Einspruchs eine Verböserung der angefochte-       päischen Wirtschaftsraums die auf den Veräußerungsgewinn
   nen Steuerfestsetzung verhindern. Allerdings können dann       entfallende Steuer über einen Zeitraum von fünf Jahren zu
   anderweitige Einwendungen gegen die Höhe der Grunder-          verteilen. Dieser Antrag kann nach 5. 2 des neuen Absatzes 2a
   werbsteuer ebenfalls nicht geltend gemacht werden.             nur im Wirtschaftsjahr der Veräußerung der in § 6b Absatz 1
• Der Steuerpflichtige hat eine bereits vorgenommene erst­        5. 1 EStG bezeichnete Wirtschaftsgüter gestellt werden. Dabei
   malige Steuerfestsetzung oder erstmalige gesonderte Fest-      soll es ausreichend sein, wenn der Antrag des Steuerpflichtigen
   stellung gerichtlich angefochten und es ist noch keine Unan-   zusammen mit der Steuererklärung für das Veräußerungs­jahr
   fechtbarkeit eingetreten. In diesem Fall kann das Finanz­      gestellt wird. Die Neuregelung ist aufgrund der europarecht­
   gericht die Steuerfestsetzung zwar nicht verbösern, es kann    lichen Vorgaben zugunsten der Steuerpflichtigen rückwirkend
   aber einer anderweitig begründeten Klage die rückwirkende      in allen noch offenen Fällen anzuwenden (§ 52 Absatz 14 5. 1
   Neuregelung saldierend gegenüberstellen.                       EStG). Aufgrund der Notwendigkeit zur Antragstellung im
                                                                  Wirtschaftsjahr der Veräußerung läuft diese Regelung aller-
§ 23 Absatz 14 Satz 2 GrEStG stellt sicher, dass Steuerpflich­    dings ins Leere.
tige, deren Steuerfestsetzung aufgrund § 176 AO ungeachtet
der vom BVerfG geforderten rückwirkenden materiell-recht­         Ob der deutsche Gesetzgeber mit dieser Neuregelung, die
lichen Neuregelungen unverändert bleiben muss, ab Inkraft-        keine vollständige Gleichbehandlung von Inlandssachverhal-
treten der Neuregelung zumindest die nach bisherigem Recht        ten und grenzüberschreitenden Sachverhalten herbeiführt,
festgesetzte Steuer entrichten müssen.                            eine EU-Recht konforme Regelung geschaffen wurde, könnte
                                                                  fraglich sein. So kann beispielsweise im Inlandsfall bei der
                                                                  Übertragung der stillen Reserven auf etwa Grund und Boden
                                                                  der Veräußerungsgewinn unendlich gestundet werden; im
Steuerstundung bei Reinvestitionen in                             Auslandsfall erfolgt jedoch eine Versteuerung verteilt auf fünf
begünstige Wirtschaftsgüter, die einer                            Jahre. Zudem bezieht sich die Stundung nur auf die Einkom-
Betriebsstätte in der Europäischen Union                          men- beziehungsweise Körperschaftsteuer, aber nicht auf die
                                                                  Gewerbesteuer.
oder im Europäischen Wirtschaftsraum
zuzuordnen sind, § 6b Absatz 2a
Einkommensteuergesetz
§ 6b EStG ermöglicht es dem Steuerpflichtigen, stille Reserven,
die bei der Veräußerung von bestimmten Anlagegütern (zum
Beispiel Gebäude oder Grund und Boden) aufgedeckt worden                                Dr. Daniel Mohr
sind, bei der Anschaffung oder Herstellung bestimmter anderer                           Tel.: +49 40 6378-2125
Wirtschaftsgüter (zum Beispiel Gebäude oder Grund und Boden)                            daniel.mohr@de.pwc.com

November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016                                                                         steuern+recht   9
STEUERN+RECHT - PWC BLOGS
Susanne Winter                                                    Anke Richert
                        Tel.: +49 40 6378-1165                                            Tel.: +49 40 6378-2906
                        susanne.winter@de.pwc.com                                         anke.richert@de.pwc.com

   Reform der Erbschaftsteuer 2016
                                                                                          Höhere Hürden für Firmenerben

                                                 Da die Bundesregierung am 8. Juli 2015 den Entwurf eines Gesetzes
                                                 zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes
                                                 an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschlossen
                                                 hat, steht noch in diesem Jahr eine Neuregelung ins Haus. Dem
                                                 Vernehmen nach sollen Bundestag noch im März und Bundesrat
                                                 bereits im April über den Gesetzentwurf beschließen. Denn nach
                                                 langem politischen Hin und Her zeichnet sich nun doch eine kurz-
                                                 fristige Einigung über die Ausgestaltung der Erbschaftsteuer ab.
                                                 Die PwC-Experten Lothar Siemers und Dr. Martin Liebernickel
                                                 erläutern den aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens.

   Auch wenn angesichts der laufenden Beratungen noch Ände-         dem Unternehmen somit entzogen werden kann, ohne dass
   rungen am Entwurf des Gesetzes möglich sind, ist eines be-       der Betrieb beeinträchtigt wird. Da Betriebe in gewissem
   reits jetzt absehbar: Viele Firmenerwerber werden bei einem      ­Umfang jedoch auch solches Vermögen benötigen, um ihre
   Unternehmenserwerb durch Schenkung oder Erbfall in Zu-            Kapitaldecke zu stärken, soll laut Gesetzentwurf zumindest
   kunft höhere Steuern zahlen müssen. „Überdies nehmen die          ein Teil davon begünstigt werden. Der Wert dieses Anteils darf
   Risiken und der administrative Aufwand für den Steuerpflich-      aber maximal zehn Prozent des begünstigten Nettovermögens
   tigen durch die neuen Wertgrenzen und Anzeigepflichten            entsprechen. Da diese Neuregelung nicht auf die Zustimmung
   erheblich zu“, sagt Lothar Siemers, Partner bei PwC und Leiter    des Bundesrates gestoßen ist, sieht ein nun gefundener Kom-
   des Bereichs Private Client Solutions.                            promiss vor, dass es hinsichtlich der Definition des durch den
                                                                     Verschonungsabschlag begünstigten Vermögens weitgehend
                                                                     bei der bisherigen gesetzlichen Regelung der Abgrenzung
                                                                     nicht begünstigten Vermögens durch einen Negativkatalog
   Welches Vermögen begünstigt ist                                   verbleibt. Dieser soll zur Vermeidung missbräuchlicher Gestal-
                                                                     tungen jedoch erweitert werden. Anders als nach bis­herigem
   Laut Gesetzentwurf ist in Zukunft nur noch Vermögen be-           Recht und entsprechend dem bisherigen Gesetzesentwurf
   günstigt, das überwiegend einer land- und forstwirtschaft­        wird das nicht begünstigte Vermögen aber auch dann, wenn
   lichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dient – im    es bestimmte Höchstgrenzen – bisher bei der Regelverscho-
   Gegensatz zu Vermögen, das nicht betriebsnotwendig ist und        nung 50 Prozent des Unternehmenswertes – nicht überschrei-

10 steuern+recht                                                                               November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016
tet, wie Privatvermögen der Erbschaftsteuer unterworfen
werden.                                                               Im vierten Video aus unserer Reihe „Die wichtigsten S
                                                                                                                          ­ teueränderungen
                                                                      2015/2016“ geht es um die „Reform der Erbschaftsteuer … dieses Mal
                                                                      verfassungskonform?“ – präsentiert von Dr. Martin Liebernickel.
Eine Sonderregelung, die ebenfalls dem alten Recht ent-
spricht, greift bei Finanzmitteln – also vor allem Geld, Bank-
guthaben und Forderungen: Ein nach Abzug aller Schulden
positiver Finanzmittelsaldo ist begünstigt, wenn er 20 Prozent
des gemeinen Werts des Betriebsvermögens nicht übersteigt
(sogenannter Sockelbetrag). Das gilt auch für sogenannte
junge Finanzmittel, die als Saldo der Einlagen und Entnah-
men in den beiden Jahren vor dem Erwerb definiert werden.
Im Gegensatz zur aktuellen Rechtslage sollen die Finanzbe-
hörden nicht notwendiges Betriebsvermögen also im Ergebnis
wie Privatvermögen behandeln. „Damit unterliegt es oberhalb
der Freibeträge der Erbschaft- und Schenkungsteuer“, sagt
Siemers. Deshalb sei künftig stets der Wert des nicht begüns-
tigten Vermögens genau zu ermitteln.                                  Zu finden unter: https://www.youtube.com/watch?v=6RafmeYIR9A

Einführung einer Investitionsklausel                                Erlassmodell
Zur Abfederung von schwankenden Liquiditätsbeständen bei            Oberhalb der Schwelle von 26 beziehungsweise 52 Millionen
Saisonbetrieben und zur Vermeidung der Besteuerung von für          Euro prüfen die Finanzbehörden auf Antrag, ob die Fortfüh-
die betrieblich erforderliche Investitionen vorgesehenen            rung des Unternehmens ohne eine steuerliche Verschonung
„Kriegskassen“ soll jedoch eine Investitionsklausel eingeführt      gefährdet wäre. Demnach scheidet eine Verschonung aus,
werden, nach der ansonsten nicht begünstigte Finanzmittel           wenn der Nachfolger ausreichende übrige Mittel hat, um die
(zum Beispiel Bankguthaben) wie begünstigtes Vermögen               Steuerzahlungen zu leisten. Davon geht der Gesetzgeber aus,
behandelt werden. Die daran geknüpfte Bedingung: Sie                wenn 50 Prozent des bereits vorhandenen sowie des übertra-
­müssen innerhalb einer bestimmten Frist nach Erbfall oder          genen, nicht begünstigten Vermögens ausreichen, um die
 Schenkung in begünstigtes Vermögen, also zum Beispiel in           volle Steuerschuld zu begleichen.
 Maschinen, Rohstoffe oder Vorräte, investiert werden.

                                                                    Erhöhung des bisherigen pauschalen
Wie die Bedarfsprüfung funktioniert                                 Risikoaufschlags
Die Firmenerben haben allerdings nicht automatisch An-              Durch eine Erhöhung des bisherigen pauschalen Risikoauf-
spruch auf Steuervorteile: Nach dem Regierungsentwurf ist           schlages bei der Ermittlung der Unternehmenswerte nach
eine „Verschonungsbedarfsprüfung“ erforderlich, wenn der            dem im Bewertungsgesetz vorgesehenen vereinfachten Er-
Wert des auf einen Erwerber übertragenen begünstigten Ver-          tragswertverfahren sollen überdies die derzeit unrealistisch
mögens 26 Millionen Euro überschreitet. Hierbei werden Er-          hohen steuerlichen Werte eine Reduktion auf ein angemesse-
werbe innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren zusammen-           nes Maß erfahren. Ebenfalls vorgesehen: Für Familienunter-
gezählt.                                                            nehmen, deren Gesellschafter aufgrund des Gesellschaftsver-
                                                                    trages hinsichtlich der Ausschüttung von Gewinnen und der
Diese Schwelle erhöht sich von 26 auf 52 Millionen Euro, wenn       Veräußerbarkeit von Beteiligungen erheblichen Restriktionen
zum Zeitpunkt der Übertragung seit mindestens zehn Jahren           unterliegen, soll es zudem einen zusätzlichen Bewertungsab-
bestimmte gesellschaftsrechtliche Beschränkungen bei der            schlag von 30 Prozent geben.
Auskehrung von Gewinnen, der Verfügung über G     ­ esellschafts-
anteile und der Leistung von Abfindungen e­ xistieren. Sie
­müssen allerdings für weitere 30 Jahre Bestand ­haben. „Damit
 entsteht eine über 40 Jahre laufende Über­wachungsfrist“,
                                                                    Abschmelzmodell
 betont Dr. Martin Liebernickel, Steuerexperte im Bereich
 ­Private Clients Solutions bei PwC in Frankfurt am Main.           Anstelle des Antrags auf (teilweisen) Erlass der Steuer kann
                                                                    der Erwerber unwiderruflich einen Verschonungsabschlag auf
Unterhalb der Prüfschwelle soll es grundsätzlich bei den bis-       Basis eines Abschmelzmodells beantragen. Dessen Höhe
herigen Verschonungsregeln, Haltefristen und Lohnsummen-            hängt davon ab, wie weit der Wert des übertragenen begüns-
klauseln bleiben. Demnach wird die Steuerschuld ganz oder           tigten Vermögens über der Schwelle von 26 Millionen Euro
zum Teil erlassen, wenn Firmenerben den im Wege der Schen-          liegt (bei den genannten gesellschaftsrechtlichen Beschrän-
kung oder von Todes wegen erworbenen Betrieb für eine               kungen 52 Millionen Euro). Dabei wird das von den A-Ländern
­bestimmte Zeit fortführen und die Lohnsumme stabil halten          wenig geliebte, im Gesetzentwurf als Alternative für die Ver-
 (Regel- oder Optionsverschonung, Näheres dazu im Absatz            schonungsbedarfsprüfung bei der Übertragung von Anteilen
 „Was bei der Lohnsummenregelung zu beachten ist“).                 an Großunternehmen vorgesehene Abschmelzmodell nach

November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016                                                                                    steuern+recht   11
aktuellem Kompromiss deutlich weniger attraktiv gestaltet.
   Die stufenweise Abschmelzung des Verschonungsabschlages
                                                                     Verabschiedung der Neuregelung
   bei wachsendem Wert des übertragen Unternehmensvermö-
   gen soll erheblich schneller erfolgen, und die bisher vorgese-    Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hat der
   hene Mindestverschonung soll ganz entfallen. Ob auch die          Gesetzgeber zwar noch bis zum 30. Juni 2016 Zeit, die Neu­re­
   Aufgriffsgrenze für die Annahme eines Großunternehmens            gelung zu implementieren. Unter dem Eindruck der bevorste-
   – bisher bei einem Wert der übertragenen Beteiligung in Höhe      henden Landtagswahlen in drei Bundesländern soll aber der
   von 26 Millionen Euro – nach unten angepasst wird, bleibt         nun gefundene Kompromiss möglichst schnell Bundestag und
   abzuwarten. Nach dem neuen Kompromissvorschlag soll der           Bundesrat durchlaufen. Im Bundesfinanzministerium wird
   Verschonungsabschlag für jede volle 1,5 Millionen Euro, die       unter Hochdruck an der Anpassung des Gesetzentwurfs gear-
   der Wert des begünstigten Vermögens die Schwelle von 26           beitet, so dass unter Berücksichtigung der Sitzungswochen
   Millionen Euro übersteigt, um zwei Prozentpunkte abgesenkt        von Bundestag und Bundesrat eine Verabschiedung im Laufe
   werden, so dass der Verschonungsabschlag in der Optionsver-       des April 2016 wohl nicht mehr ausgeschlossen erscheint.
   schonung bei einem Unternehmenswert von 99,5 Millionen
   Euro ausläuft, in der Regelverschonung dagegen bereits bei
   einem Unternehmenswert von 89,75 Millionen Euro.                    Hinweis: Über den aktuellen Sachstand informieren wir
                                                                       Sie regelmäßig im Blog Steuern & Recht und in der PwC
   „In Zukunft wird ohnehin genau abzuwägen sein, ob ein teil-         Tax-App.
   weiser Erlass oder ein Verschonungsabschlag nach dem Ab-
   schmelzmodell für den Erwerber die günstigere Variante ist“,
   erklärt Liebernickel.

                                                                     Sie haben Fragen? Bitte rufen Sie Ihre Ansprechpartner an
   Was bei der Lohnsummenregelung zu                                 oder schreiben Sie ihnen einfach eine E-Mail.
   beachten ist
   Um in den Genuss der 85-prozentigen Regelverschonung zu
   kommen, muss sich die Lohnsumme schon bislang in den fünf
   Jahren nach dem Erwerb auf mindestens 400 Prozent der bei
   Erwerb festgestellten Ausgangslohnsumme addieren. Bei der
   100-prozentigen Optionsverschonung sind es 700 Prozent                                 Lothar Siemers
   binnen sieben Jahren. Die Regelung gilt derzeit noch für Be-                           Tel.: +49 211 981-2757
   triebe mit mehr als 20 Beschäftigten und soll nunmehr bereits                          lothar.siemers@de.pwc.com
   bei Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten gelten. Bei
   Betrieben mit 11 bis 15 Beschäftigten müssen binnen fünf
   Jahren lediglich 300 Prozent (Regelverschonung) oder binnen
   sieben Jahren 565 Prozent (Optionsverschonung) der Aus-
   gangslohnsumme erreicht werden. Bei Unternehmen mit vier
   bis zehn Beschäftigten sind es – bei denselben Fristen – ledig-
   lich 250 Prozent beziehungsweise 500 Prozent. Ausgenom-
   men von der Lohnsummenklausel sind nach der geplanten                                  Dr. Martin Liebernickel
   Neuregelung lediglich Betriebe mit bis zu drei Vollzeitbeschäf-                        Tel.: +49 69 9585-1822
   tigten.                                                                                martin.liebernickel@de.pwc.com

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Automatischer Austausch von Informationen über
Finanzkonten vereinbart
                                                                                      Datenaustausch per Knopfdruck

                                              Gesetzliche Neuregelungen ebnen den Weg für die Anwendung des
                                              gemeinsamen Meldestandards für den automatischen Austausch
                                              von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen.

Bereits seit einigen Jahren ist das Thema des automatischen     vom 25. Januar 1988 über die gegenseitige Amtshilfe in Steu-
Informationsaustauschs ein Grund für wiederkehrende Diskus-     ersachen, das von der Bundesrepublik Deutschland mit G­ esetz
sionen auf politischer Ebene. Nach Umsetzung der Vorgaben       vom 16. Juli 2015 ratifiziert worden ist.
des US-Gesetzes, mit dem das Steuerreporting von ausländi-
schen Finanzinstitutionen in den USA deutlich verschärft wur-   Ab 2017 verpflichten sich damit die Länder, Daten zu Finanz-
de (Foreign Account Tax Compliance Act, FATCA), ist der auto-   konten von Steuerpflichtigen, die in einem anderen Staat
matische Informationsaustausch in Steuersachen weiter auf       ansässig sind, an den betreffenden Staat automatisch zu über-
dem Vormarsch. Er soll die Steuerhinterziehung durch Nut-       mitteln. Seit 31. Dezember 2015 müssen Finanzinstitute den
zung von ausländischen Konten eindämmen sowie die effekti-      Altbestand ihrer Konten erfassen und seit dem 1. Januar 2016
ve Besteuerung von Kapitaleinkünften ermöglichen. Die aktu-     bei Neukunden die steuerliche Ansässigkeit feststellen. Das
ellen Modelle und gesetzlichen Regelungen zur Schaffung von     bedeutet in der Praxis: Deutschland verpflichtet sich durch die
Transparenz bei steuerlichen Auslandssachverhalten sind Er-     Vereinbarung, von den in Deutschland ansässigen Finanzinsti-
gebnis einer seit mehreren Jahrzehnten auf Ebene der Organi-    tuten Informationen über Konten zu erheben, die diese für in
sation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung       anderen Vertragsstaaten steuerpflichtige Personen führen,
(OECD) intensiv geführten Debatte für einen internationalen     und den anderen Vertragsstaaten zur Verfügung zu stellen.
Standard zum steuerlichen Informationsaustausch.                Dabei handelt es sich insbesondere um die Mitteilung von:
                                                                • Name, Anschrift, Steueridentifikationsnummer sowie
Deutschland hat am 29. Oktober 2014 die „Mehrseitige Verein-      ­Geburtsdaten und -ort jeder meldepflichtigen Person
barung“ zwischen den zuständigen Behörden über den auto-        • Kontonummer
matischen Austausch von Informationen über Finanzkonten         • Jahresendsalden der Finanzkonten
am Rande der Jahrestagung des Global Forum in Berlin ge-        • gutgeschriebenen Kapitalerträgen, einschließlich Ein­
meinsam mit 50 weiteren Staaten und Gebieten unterzeichnet.        lösungsbeträgen und Veräußerungserlösen
Die Mehrseitige Vereinbarung verpflichtet die Vertragspartei-
en, die darin bezeichneten und für das Besteuerungsverfahren    Die anderen Vertragsstaaten verpflichten sich im Gegenzug,
in den anderen Vertragsstaaten erforderlichen Informationen     Deutschland Informationen zu Finanzkonten von in Deutsch-
über Finanzkonten regelmäßig zu erheben und dem anderen         land steuerpflichtigen Personen zu übermitteln. Außerdem
Vertragsstaat automatisch zu übermitteln. Mit dem Vertrags­     stimmten Bundestag und Bundesrat Ende 2015 dem Gesetz
gesetz soll diese Vereinbarung zwischen den zuständigen Be-     zum automatischen Austausch von Informationen über
hörden über den automatischen Austausch von Informationen       ­Finanzkonten in Steuersachen und zur Änderung weiterer
über Finanzkonten die für die Ratifikation erforderliche Zu-     ­Gesetze zu. Das Regelwerk dient der Umsetzung der Mehr­
stimmung der gesetzgebenden Körperschaften erlangen.              seitigen Vereinbarung und ermöglicht die Anwendung des
                                                                  gemeinsamen Meldestandards für den automatischen Aus-
Die Vereinbarung vom 29. Oktober 2014 ist eine einvernehm-        tausch von Informationen über Finanzkonten in Steuer­sachen.
liche Festlegung im Sinne des Artikels 6 des Übereinkommens

November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016                                                                      steuern+recht   13
Investmentsteuerreformgesetz
                                                                                           Durchblick gefragt: neues
                                                                                           Besteuerungssystem für Fonds

                                                  Das Bundeskabinett hat am 24. Februar 2016 den Gesetzentwurf
                                                  zur Reform der Investmentbesteuerung gebilligt. Das Ziel: ein
                                                  neues Besteuerungssystem für Publikumsinvestmentfonds. Ein
                                                  kurzer Überblick.

   Der Gesetzentwurf enthält ein grundlegend reformiertes Be-        und ausländische Publikums-Investmentfonds gleich besteu-
   steuerungssystem für Publikums-Investmentfonds. Statt bis-        ert, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und die im
   her bis zu 33 Besteuerungsgrundlagen brauchen die Anleger         geltenden Recht bestehenden Risiken eines Verstoßes gegen
   für ihre Steuererklärung zukünftig nur noch vier Angaben:         EU-Recht zu beseitigen.
   1.. Höhe der Ausschüttung
   2.. Wert des Fondsanteils am Jahresanfang                         Wie bisher bleiben Investmenterträge steuerfrei, wenn die
   3.. Wert des Fondsanteils am Jahresende                           Investmentanteile im Rahmen von zertifizierten Altersvorsor-
   4.. Handelt es sich um einen Aktienfonds, einen Mischfonds,       geverträgen (private Riester-Renten) oder Basisrentenverträ-
       einen Immobilienfonds oder um einen sonstigen Fonds?          gen (sogenannte Rürup-Renten) gehalten werden oder wenn
                                                                     die Erträge gemeinnützigen Anlegern zufließen. Beim Anle-
   Das beabsichtigte Ziel: Es soll zukünftig ohne steuerliche        ger sind die Ausschüttungen eines Publikums-Investment-
   Nachteile möglich sein, in ausländische Investmentfonds zu        fonds grundsätzlich in voller Höhe zu versteuern. Eine Aus-
   investieren, die keine deutschen Besteuerungsgrundlagen           nahme gilt für Publikums-Investmentfonds, die überwiegend
   ermitteln.                                                        in Aktien oder in Immobilien investieren, weil bei diesen Akti-
                                                                      en- und Immobilienfonds bereits ein Teil der Erträge auf der
   Über die Reform der Investmentbesteuerung hinaus enthält           Fondsebene besteuert wurde. Als Ausgleich für die steuerliche
   der Gesetzentwurf eine Änderung des Einkommensteuerge-             Vorbelastung auf der Fondsebene wird bei Aktien- und Immo-
   setzes, mit der Gestaltungen zur Umgehung der Dividenden-         bilienfonds ein Teil der Ausschüttung und des Gewinns aus
   besteuerung (sogenannte Cum/Cum-Geschäfte) verhindert             der Veräußerung des Investmentanteils von der Besteuerung
   werden. Nach dieser Neuregelung ist die Anrechenbarkeit der       freigestellt (Teilfreistellung). Für Privatanleger sind bei
   auf Dividenden erhobenen Kapitalertragsteuer davon abhän-         ­A ktienfonds 30, bei Mischfonds 15 und bei Immobilienfonds
   gig, dass der Steuerpflichtige die Aktie für einen Mindestzeit-    60 Prozent der Erträge steuerfrei. Bei Immobilienfonds, die
   raum hält und dabei ein Mindestmaß an wirtschaftlichem             überwiegend in ausländische Immobilien investieren, gilt ein
   Risiko trägt. Diese Beschränkung gilt bei Dividendenerträgen       höherer Freistellungssatz von 80 Prozent, weil ausländische
   von mehr als 20.000 Euro jährlich. Kleinanleger sind insoweit      Staaten die dortigen Immobilienerträge in der Regel bereits in
   nicht betroffen.                                                   höherem Maße auf Fondsebene besteuert haben.

   Im Einzelnen sieht die geplante Reform der Investmentbesteu-      Wenn der Publikums-Investmentfonds nichts oder nur in sehr
   erung vor, dass erstmals auch bei inländischen Publikums-­        geringem Maße ausschüttet, wird eine Vorabpauschale erho-
   Investmentfonds die aus deutschen Einkunftsquellen stam-          ben. Mit der Vorabpauschale soll die Nutzung von Investment-
   menden Dividenden und Immobilienerträge auf Fondsebene            fonds als Steuerstundungsmodell verhindert werden. Die
   besteuert werden. Alle anderen Ertragsarten (zum Beispiel         Höhe der Vorabpauschale bestimmt sich nach dem Wert des
   Zinsen, Gewinne aus der Veräußerung von Aktien und ande-          Fondsanteils am Jahresanfang multipliziert mit einem Basis-
   ren Wertpapieren, Erträge aus Termingeschäften) sind auf          zinssatz. Dieser Basiszins ist ein einmal jährlich durch die
   Fondsebene weiterhin steuerfrei. Damit werden inländische         Bundesbank ermittelter Durchschnittszinssatz öffentlicher

14 steuern+recht                                                                                November/Dezember 2015, Januar/Februar 2016
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