Arbeitgeberverband Gesamtmetall - Geschäftsbericht 2009 /2010 - Arbeitgeberverband ...

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Arbeitgeberverband Gesamtmetall - Geschäftsbericht 2009 /2010 - Arbeitgeberverband ...
Arbeitgeberverband
Gesamtmetall

Geschäftsbericht 2009 /2010
Arbeitgeberverband Gesamtmetall - Geschäftsbericht 2009 /2010 - Arbeitgeberverband ...
Arbeitgeberverband
Gesamtmetall

Geschäftsbericht 2009/2010
Berichtszeitraum: 1. Mai 2009 bis 30. April 2010
Arbeitgeberverband Gesamtmetall - Geschäftsbericht 2009 /2010 - Arbeitgeberverband ...
Dr. Ulrich Brocker
Hauptgeschäftsführer

                        Neue Wege –
                        Gemeinsame Verantwortung
                        in der Krise

                        Die Metall- und Elektro-Industrie blickt in mehr-
                        facher Hinsicht auf ein als „historisch“ zu werten-
                        des Berichtsjahr zurück: Historisch ist zunächst
                        der globale Nachfrageeinbruch, der Deutschland
                        2009 die bisher größte Wirtschaftskrise der Nach-
                        kriegsgeschichte beschert hat. Der konjunkturelle
                        Absturz war fast doppelt so groß wie in allen
                        bishe rigen Rezessionen zusammen und fünfmal
                        so tief wie nach der Ölkrise 1974. Dies traf die
                        stark auf den Weltmarkt ausgerichteten Metall-
                        und Elektro- Unternehmen mit besonderer und
                        kaum vorhersehbarer Wucht: Beinahe über Nacht
                        brachen Aufträge weg, binnen kürzester Zeit
                        wurde die Produktion um Jahre zurückgeworfen.

                        Mag auch der Tiefpunkt der wirtschaftlichen Ent-
                        wicklung überwunden sein, inzwischen sind sich
                        die Experten einig: Selbst wenn neuerliche Rück-
                        schläge durch die Griechenlandkrise und andere
                        konjunkturelle Risiken ausbleiben, wird es min-
                        destens noch bis 2012 dauern, bis die M+E-Indus-
                        trie den Rückstand aufgeholt haben und wieder
                        auf ihr Vorkrisenniveau zurückgekehrt sein wird.

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Historisch ist aber auch die Art und Weise, wie die   schaftlichen Krisenmanagements erprobt werden.       Auf europäischer Ebene haben wir ebenfalls neue      Nicht auf neuen Wegen, aber zumindest im neuen
Metall- und Elektro-Industrie auf diese nie dage-     Eine klassische Tarifrunde, das war Gesamtmetall     Wege eingeschlagen und, zusammen mit dem             Gewande präsentieren sich unsere InfoMobile.
wesene Krise reagiert hat. An vorderster Stelle       und IG Metall rasch klar, würde der Ausnahme-        Europäischen Metallgewerkschaftsbund EMB, den        Sie wurden aufwendig modernisiert, um auch in
sind hier die Unternehmen zu nennen, die in einer     situation nicht gerecht; nur durch einen engen       Sektoralen Sozialen Dialog für die europäische       Zukunft für mehr Nachwuchs in der M+E-Industrie
enormen Kraftanstrengung hunderttausende von          Schulterschluss zwischen Arbeitgebern, Gewerk-       Metall- und Elektro-Industrie ins Leben gerufen.     werben zu können. Mag die Wirtschafts- und Fi-
Stammarbeitsplätzen über das erste Krisenjahr ge-     schaft, Betriebsräten und Politik würde sich die     Nun ist dieses Gremium nicht der Ort, um indus-      nanzkrise auch in einigen Jahren überwunden sein
rettet haben – immer mit dem Ziel, eingespielte       Krise überwinden und der Industriestandort           triepolitische Vorstöße zu verabreden. Dennoch       – die demografische Entwicklung bleibt eine
Teams zusammenzuhalten und den Verlust von            Deutschland sichern lassen.                          gibt es eine Vielzahl von Ansatzpunkten für ge-      Herausforderung noch für Jahrzehnte.
wertvollem Know-how und Erfahrungswissen zu                                                                meinsame Initiativen mit den Gewerkschaften.
verhindern.                                           Das Krisenpaket vom Februar 2010 spiegelt diesen     Auf jeden Fall ist es klug, miteinander im Ge-       Nach einem Jahr erfolgreicher Krisenbewältigung
                                                      Schulterschluss zwischen den Sozialpartnern wi-      spräch zu sein – zumal die Grenzen zwischen          bleibt zu hoffen, dass wir auch unsere künftigen
Diese finanzielle Rosskur hat die M+E-Betriebe bis    der: Erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik       reinen Arbeitgeber- und Wirtschaftsthemen auf        Aufgaben im gleichen sozialpartnerschaftlichen
an die Substanz belastet; Reserven und Eigenka-       Deutschland gelang noch innerhalb der Friedens-      europäischer Ebene immer mehr verschwimmen.          Geist meistern können. Die guten bisherigen Er-
pital wurden aufgezehrt, Liquidität und Ertrags-      pflicht eine Einigung, welche die Betriebe stärkt                                                         fahrungen geben uns Anlass zur Zuversicht.
lage verschlechterten sich zum Teil drastisch.        und zugleich die Arbeitsplätze sicherer macht:       Im wahrsten Wortsinn neue Wege ist die Initiative
Mehr als 1.700 M+E-Unternehmen mussten im             durch ein Moratorium bei den Tabellenentgelten,      Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) gegangen.
vergangenen Jahr Konkurs anmelden, das ist eine       eine Vergünstigung der gesetzlichen Kurzarbeit       Sie ist zum Jahreswechsel von Köln nach Berlin
Zunahme um 68 Prozent. Die Folgen sind drama-         und ein neues tarifliches Kurzarbeitsmodell mit      umgezogen, um noch näher an den politischen
tisch: Nach den bisher vorliegenden Daten ist die     Teillohnausgleich.                                   Entscheidern und den Meinungsbildnern zu sein.
Metall- und Elektro-Industrie 2009 insgesamt erst-                                                         Im zehnten Jahr ihres Bestehens geht sie in der
mals in der Nachkriegsgeschichte in die Verlust-      Selten wurde ein Tarifvertrag derart in den Medien   Hauptstadt mit neuer Geschäftsführung und
zone gerutscht.                                       gefeiert wie der in Düsseldorf erzielte Pilotab-     neuer PR-Agentur an den Start. Sie will sich künf-
                                                      schluss. Die Journalisten werteten ihn als klug,     tig auf weniger, dafür grundsätzliche Themen
Auch den Arbeitnehmern und ihren Familien wur-        vorbildlich und mustergültig, bezeichneten ihn als   konzentrieren und diesen noch mehr Gehör ver-
den zum Teil schmerzhafte Zugeständnisse abver-       tarifpolitischen Meilenstein, sogar von einer Zei-   schaffen.                                                                        Dr. Ulrich Brocker
langt. Doch der Erfolg ist unübersehbar: Die von      tenwende war die Rede. In höchsten Tönen gelobt
vielen erwartete Katastrophe auf dem deutschen        wurden Mut und Weitblick, Verantwortungsbe-
Arbeitsmarkt ist bis jetzt ausgeblieben.              wusstsein und Kompromissbereitschaft der Betei-
                                                      ligten.
Während die Produktion im Jahresdurchschnitt
2009 um 23,1 Prozent unter den Vorjahresschnitt       Neue Wege – das Motto unseres diesjährigen
abstürzte, verringerte sich die jahresdurchschnitt-   Geschäftsberichts – sind wir aber nicht nur in der
liche Beschäftigung nur leicht um 3,2 Prozent.        Tarifpolitik gegangen. Auch in der Sozialpolitik
Trotz nie dagewesener Unterauslastung haben die       musste Gesamtmetall auf die Krise reagieren. Hier
M+E-Betriebe bisher also in einem Umfang Ar-          drohte den Unternehmen ein drastischer Anstieg
beitsplätze stabilisiert, den niemand für möglich     der Beiträge zum Pensionssicherungsverein.
gehalten hätte.
                                                      Insbesondere unserem Einsatz ist es zu verdanken,
Die Tarifparteien haben diese Strategie der           dass diese Lasten über mehrere Jahre verteilt und
Beschäftigungssicherung durch einen nach Form         damit eine sonst drohende Verzehnfachung der
und Inhalt „historischen“ Tarifabschluss flankiert.   Beiträge vermieden werden konnte. Das hat die
Damit es so weit kommen konnte, mussten neue          M+E-Betriebe in einer schwierigen Situation spür-
Wege beschritten und neue Formen des gemein-          bar entlastet.

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Arbeitgeberverband Gesamtmetall - Geschäftsbericht 2009 /2010 - Arbeitgeberverband ...
Inhalt
                                                   Die Metall- und Elektro-Industrie in Zahlen 2009
                                                     Betriebe                                                          23.595
                                                     Beschäftigte                                                      3,529 Millionen
                                                     Auszubildende                                                     195.000
❚ Vorwort                                    3       Betriebsgrößenstruktur
                                                           bis 99 Beschäftigte                                         72 %
❚ Schlaglichter: Neue Wege 2009/2010         8
                                                           100 bis 1.000 Beschäftigte                                  26 %
❚ Wirtschaftliche Lage                      18             über 1.000 Beschäftigte                                      2 % aller M+E-Betriebe
                                                     Altersstruktur
❚ Tarifpolitik                              28
                                                          39 Jahre und jünger                                          41   %
❚ Bildung und Nachwuchssicherung            38            40-49 Jahre                                                  32   %
                                                          50-59 Jahre                                                  23   %
❚ Sozialpolitik                             52            60 Jahre und älter                                            4   %

❚ Internationale Beziehungen                56       Lohn- und Gehaltssumme                                            147 Milliarden Euro
                                                     Durchschnittseinkommen                                            41.616 Euro
❚ Gesetzgebung und Rechtsprechung           64
                                                     (Jahresentgelt je Beschäftigten)
❚ Presse- und Öffentlichkeitsarbeit         70       Investitionen                                                     23,8 Milliarden Euro
❚ Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft   82       Umsatz                                                            770 Milliarden Euro

❚ Organisation und Gremien                  92       davon Auslandsumsatz                                              51,1 %
                                                     Gewinnquote (Nettoumsatzrendite)                                  - 0,2 %
                                                     Importe***                                                        293 Milliarden Euro
                                                     Exporte***                                                        456 Milliarden Euro
                                                     Größte Branchen*                                                  Maschinenbau (954.839 Beschäftigte)
                                                                                                                       Automobilindustrie (798.044)
                                                                                                                       Metallverarbeitung (525.897)
                                                                                                                       Elektrotechnik (527.743)
                                                                                                                       Feinmechanik, Optik, Uhren (147.062)
                                                     Tarifabschluss 2010                                               1. Stufe: Einmalzahlung Mai 2010 und
                                                                                                                       Dezember 2010, je 160 Euro
                                                                                                                       2. Stufe: 2,7 Prozent ab 1. April 2011
                                                                                                                       Laufzeit: bis 31. März 2012

                                                     Mitgliedsverbände von Gesamtmetall                                22
                                                         davon ohne Tarifbindung                                        8
                                                     In den Mitgliedsverbänden von Gesamt metall
                                                     organisierte Unternehmen**
                                                          mit Tarifbindung                                             3.800 Betriebe mit 1,7 Mio. Beschäftigten
                                                          ohne Tarifbindung                                            2.500 Betriebe mit 0,3 Mio. Beschäftigten

                                                 Durchschnittswerte 2009, Gesamtmetall-Berechnungen
                                                 * Die amtliche Statistik wurde umgestellt, daher sind die Werte nur eingeschränkt mit früheren Jahren vergleichbar.
                                                 ** geschätzt; *** laut Außenhandelsstatistik

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»2009/2010«

SCHL AG LICHTER
              Angesichts eines wirtschaftlichen Einbruchs, der fünfmal
              so stark war wie nach der Ölkrise 1974, hat die Tarifpoli-
              tik neue Wege beschritten – und damit die Anstrengun-
              gen der Unternehmen flankiert, die so viele Arbeitsplätze
              wie nur möglich gehalten haben. Neue Wege haben wir
              auch mit der M+E-Ausgleichsvereinigung und der Inter-
              essenvertretung in Brüssel beschritten.
Arbeitgeberverband Gesamtmetall - Geschäftsbericht 2009 /2010 - Arbeitgeberverband ...
Neue Wege in der Tarifpolitik

Sieg der Vern unft
                                                                                                                                                                                          Dietrich Creutzburg,
                                                                                                                                                                                          Handelsblatt

                                                                                                                               »Es besteht kein Zweifel, dass es unter den
                                                                                                                               gegebenen Umständen annähernd das beste
                                                                                                                               Ergebnis im Sinne der Beschäftigten ist. Die
                                                                                                                               Metall-Tarifpartner haben damit ein Vertrauens-
                                                                                                                               kapital geschaffen, das es auch über die Krise
                                                                                                                               hinaus zu bewahren gilt.                               «
                                                                                                                               Tarifabschluss 2010 im Überblick
                                                                                                                                                                                  Verschiebbarkeit
                                                                                                                                                                                   um 2 Monate
                                                                                                                               18.2.2010:                                             1.4.2011
                                                                                                                               Pilotabschluss

                                                                                                                                      1.3.2010:
                                                                                                                                      Inkrafttreten
                                                                                                                                      TV ZiA                                                                   2,7 % Tabellenerhöhung

                                                                                                                                                160                         160
                                                                                                                                                 €                           €
                                                                                                                                                          2010                                        2011                          2012
                                                                                                                                  2     3   4    5    6    7     8   9 10 11 12   1   2   3   4   5   6    7     8   9 10 11 12 1    2     3

                                                                                                                                                           1. Stufe: 11 Monate                            2. Stufe: 12 Monate

                                                                                                                                                                           Gesamtlaufzeit: 23 Monate
                                                                                                                               Quelle: Gesamtmetall

      Betriebe in der Krise entlastet                                                                                          Nicht nur der Inhalt, sondern auch der Ablauf der Ver-
      In der tiefsten Krise der Nachkriegszeit konnte es   neuen Tarifvertrag „Zukunft in Arbeit“ werden die
                                                                                                                 Neue Wege     handlungen ist bemerkenswert. Über Wochen hatten
      keine Tarifrunde nach gewöhnlichem Muster ge-
      ben. Folgerichtig haben die Tarifvertragsparteien
                                                           Kosten der Kurzarbeit gesenkt und eine freiwil-
                                                           lige, bis Mitte 2012 befristete Alternative zur ge-
                                                                                                                 auch          die Tarifvertragsparteien in Sondierungsgesprächen
                                                                                                                               ohne Beteiligung der Öffentlichkeit die Vorarbeit
      eine Lösung gefunden, die das erfolgreiche ge-
      meinsame Krisenmanagement der zurückliegen-
                                                           setzlichen Kurzarbeit geschaffen. Dabei kann die
                                                           Arbeitszeit bis auf 26 Stunden sinken, die Arbeit-
                                                                                                                 beim Ablauf   geleistet; dann einigten sich METALL NRW und die IG
                                                                                                                               Metall NRW bereits in der zweiten Verhandlungsrunde
      den Monate tarifpolitisch fortsetzt: Zum ersten      nehmer erhalten einen Teillohnausgleich.Seite
      Mal wurden die Entgeltverträge lediglich verlän-     XX
                                                                                                                               in Düsseldorf auf den Pilotabschluss – auf friedlichem
      gert und zum Ausgleich zwei Einmalzahlungen                                                                              Weg und zehn Wochen vor Auslaufen der Tarifverträge.
      von je 160 Euro vereinbart. Zum 1. April 2011                                                                            Das hat das positive Echo von Unternehmen, Mitarbei-
      werden die Tabellenentgelte für eine Laufzeit von
                                                                                                                               tern und Öffentlichkeit entscheidend geprägt.
      12 Monaten um 2,7 Prozent erhöht. Mit dem                                          Mehr ab Seite 28

      10                                                                                                                                                                                                               11
Arbeitgeberverband Gesamtmetall - Geschäftsbericht 2009 /2010 - Arbeitgeberverband ...
Neue Wege in der Personalpolitik

Jobwunder
                                                                                                                                                                                  Dr. Angela Merkel,
                                                                                                                                                                                  Bundeskanzlerin

                                                                                                                         »Es ist eine aus meiner Sicht ausgesprochen
                                                                                                                         vernünftige und weise Entscheidung gewesen,
                                                                                                                         die Verbesserungen der Kurzarbeit einzuführen.
                                                                                                                         Aber sie wären nichts wert gewesen, wenn
                                                                                                                         niemand davon Gebrauch gemacht hätte.                                               «

                                                                                                                         M+E-Konjunkturmotor
                                                                                                                         Der Weg aus der Krise ist noch weit
                                                                                                                                                         jeweils Niveau im 1. Halbjahr 2008
                                                                                                                           102,5     +4,5%             123   +22,5%            122      +27%            3.645       +6,9%
                                                                                                                           Index                     Index So viel ist noch  Index                        Tsd.
                                                                                                                                                              nötig, um das
                                                                                                                                                               Niveau des
                                                                                                                                                                1. Hj. 2008
                                                                                                                          Mai 10                               zu erreichen
                                                                                                                                                                                                      März 10
                                                                                                                            98,1                                                                        3.409
                                                                                                                                                   F./M. 10                   F./M. 10
                                                                                                                                                               Verbesserung
                                                                                                                                                      100,3       bisher          96,2

                                                                                                                                                                              2.Vj. 09
                                                                                                                         Mrz. 09                   1.Vj. 09
                                                                                                                                                                Tiefstand        88,5
                                                                                                                           69,5                       80,6

                                                                                                                                                     jeweils 50 % des Niveaus im 1. Halbjahr 2008
                                                                                                                              Geschäftsklima             Auftragseingang                 Produktion              Beschäftigte
                                                                                                                         Quellen: ifo Institut, Statistisches Bundesamt, Gesamtmetall

     815.000 Arbeitsplätze gesichert                                                                                     Kurzarbeit ist ein unverzichtbarer Baustein der Krisen-
     Das weltweite Krisenjahr 2009 hat die M+E-        Bundesrepublik Deutschland. Tatsächlich haben
                                                                                                           Unternehmen   bewältigung. Doch nur ein Drittel der Stellen wurde
     Industrie voll getroffen, die Unternehmen muss-
     ten einen Produktionseinbruch von 23 Prozent
                                                       die M+E-Unternehmen ihre Beschäftigtenzahl im
                                                       Vergleich zum Vorjahr nur um 3,2 Prozent verrin-
                                                                                                           tragen die    durch Arbeitszeitverkürzung gerettet. Die Hauptlast
                                                                                                                         der Beschäftigungssicherung haben die Unternehmen
     verkraften. Gemessen an dem benötigten Perso-
     nalbedarf hätten eigentlich 940.000 Mitarbeiter
                                                       gert. Internationale Beobachter sprachen ange-
                                                       sichts dieser Zahlen von einem „deutschen Be-
                                                                                                           Hauptlast     selbst getragen, weil sie trotz erheblicher Unteraus-
                                                                                                                         lastung Mitarbeiter hielten, was hohe Produktivitäts-
     entlassen werden müssen. Doch es kam anders:      schäftigungswunder“. Aber mit einem Wunder
     Die Unternehmen nahmen hohe Kosten in Kauf,       hat das nichts zu tun. Es zeigt viel mehr, welche                 einbußen zur Folge hatte. So sank 2009 die Produktivi-
     um durch innovative Beschäftigungspolitik und     Wege die Unternehmen bereit waren zu gehen,                       tät je Arbeitsstunde um 11,5 Prozent – Verluste, die die
     einen eisernen Durchhaltewillen 815.000 der       um Arbeitsplätze zu sichern und Fachkräfte im Be-                 Betriebe bewusst hingenommen haben, um ihre Stamm-
     gefährdeten Arbeitsplätze zu halten – trotz der   trieb zu halten.                                                  kräfte zu halten.
     größten Wirtschaftskrise in der Geschichte der                                 Mehr ab Seite 20

     12                                                                                                                                                                                                  13
Arbeitgeberverband Gesamtmetall - Geschäftsbericht 2009 /2010 - Arbeitgeberverband ...
Neue Wege in der Sozialpolitik

Kreative Lösu ng
                                                                                                                                                                      Reinhard Schöttl,
                                                                                                                                                                      Leiter Entgeltabrechnung,
                                                                                                                                                                      Audi AG

                                                                                                                           »Die M+E-Ausgleichsvereinigung hat das
                                                                                                                           Thema Künstlersozialversicherung professionell
                                                                                                                           und kundenorientiert gestaltet und damit unser
                                                                                                                           Ziel, einen arbeitsaufwendigen Prozess zu
                                                                                                                           verschlanken, in vollem Umfang erreicht.                          «

                                                                                                                           Ausbreitung der Ausgleichsvereinigung
                                                                                                                             In den M+E-Verbänden                       ... davon in der Ausgleichsvereinigung:
                                                                                                                             insgesamt organisiertes Entgeltvolumen     32,1 Milliarden Euro
                                                                                                                             80 Milliarden Euro

                                                                                                                           Quelle: Gesamtmetall

     Ausgleichsvereinigung: Kosten runter, Sicherheit rauf                                                                 Die gestiegene Zahl von Insolvenzen hat Auswirkungen
     Alle Unternehmen, die Leistungen eines selbst-       gung gegründet, der unsere Mitgliedsverbände
                                                                                                             Pensions-     auf den Pensionssicherungsverein, der die Ansprüche
     ständigen Künstlers oder Publizisten in Anspruch
     nehmen, müssen eine Abgabe an die Künstlerso-
                                                          und deren Mitgliedsunternehmen beitreten kön-
                                                          nen. Unsere Ausgleichsvereinigung hat am 1. Ok-
                                                                                                             sicherungs-   von Arbeitnehmern aus betrieblichen Versorgungszu-
                                                                                                                           sagen sichert. Wir haben wesentlich dazu beigetra-
     zialversicherung zahlen. Die Ermittlung der Künst-
     lersozialabgabe ist komplex, fehleranfällig sowie
                                                          tober 2009 die Arbeit aufgenommen und stieß
                                                          bei den Unternehmen von Anfang an auf großes
                                                                                                             verein:       gen, eine drastische Anhebung der Beitragssätze zu
                                                                                                                           verhindern: Mit einem Glättungsverfahren wurde die
     personal- und verwaltungskostenaufwendig. Ab-
     gabepflichtige Unternehmen können sich aller-
                                                          Interesse. Zum Stichtag 30. April 2010 hatte die
                                                          Ausgleichsvereinigung insgesamt 264 Mitglieder,    Belastungen   drohende Spitzenbelastung auf mehrere Jahre verteilt.
     dings zu einer Ausgleichsvereinigung zusammen-       davon 252 Unternehmen und 12 Verbände.                           Dadurch wurde eine sofortige Verzehnfachung des Bei-
     schließen, was die Verwaltungskosten senkt und                                                          gemildert     tragssatzes vermieden und die Belastung in einem ver-
     Rechtssicherheit bietet. Gesamtmetall hat deshalb
                                                                                                                           tretbaren Rahmen gehalten.
     eine eigene bundesweite M+E-Ausgleichsvereini-                                   Mehr ab Seite 53

     14                                                                                                                                                                                    15
Arbeitgeberverband Gesamtmetall - Geschäftsbericht 2009 /2010 - Arbeitgeberverband ...
Neue Wege in der europäischen Interessenvertretung

Einfluss nehm en                                                                                                                                                               Robert Verrue,
                                                                                                                                                                               Generaldirektor Beschäf-
                                                                                                                                                                               tigung, Soziales und
                                                                                                                                                                               Chancengleichheit der
                                                                                                                                                                               Europäischen Kommission

                                                                                                                            »Die europäische M+E-Industrie muss jetzt
                                                                                                                            den Grundstein für den Erhalt der Wettbewerbs-
                                                                                                                            fähigkeit legen. Der formalisierte Soziale Dialog
                                                                                                                            soll dazu das privilegierte Werkzeug sein. Ohne
                                                                                                                            die Einbindung aller Akteure kann diese Heraus-
                                                                                                                            forderung nicht erfolgreich sein.                           «
                                                                                                                            Abstimmungsprozesse Sektoraler Sozialer Dialog
                                                                                                                                                        Sektoraler Sozialer Dialog Ausschuss /
                                                                                                                                                                                                        Steering Group
                                                                                                                                                                       Plenum

                                                                                                                                                             Hauptgeschäftsführerkonferenz

                                                                                                                                       Ad-hoc Working Group                             Ad-hoc Working Group
                                                                                                                                        Education & Training                         Competitiveness & Employment

                                                                                                                                            je nach Inhalt:                                   je nach Inhalt:
                                                                                                                                     weitere Arbeitsgruppen und                        weitere Arbeitsgruppen und
                                                                                                                                     Fachgremien der Verbände                          Fachgremien der Verbände

                                                                                                                                         Bildungsausschuss                           Aussch. für Intern. Sozialpolitik
                                                                                                                            Quelle: Gesamtmetall

     CEEMET ist Gesprächspartner der EU-Institutionen                                                                       Grundsätzlich werden im Sektoralen Sozialen Dialog
     Die mehr als 200.000 europäischen M+E-Unter-          gebungsverfahren der Kommission konsultiert
                                                                                                               Austausch,   keine Vereinbarungen über tarifliche Kernthemen wie
     nehmen treten bei sozialpolitischen Themen künf-
     tig als eigenständiger Gesprächspartner gegen-
                                                           wird – und die Stimme der Unternehmen zu den
                                                           sie betreffenden Themen auch gehört wird. Die
                                                                                                               keine        zum Beispiel Entgelt und Arbeitszeit getroffen. Er dient
                                                                                                                            vorrangig dem Austausch über erfolgreiche Beispiele
     über Gewerkschaften und den EU-Institutionen
     auf. Unser Dachverband CEEMET und der Euro-
                                                           Mitgliedsverbände von CEEMET haben das Man-
                                                           dat, die Ergebnisse des Sozialdialogs auf natio-
                                                                                                               Vorgaben     sowie dazu, gemeinsame Stellungnahmen, Leitfäden
                                                                                                                            oder Empfehlungen zu erarbeiten. Es ist ausdrücklich
     päische Metallgewerkschaftsbund EMB haben im          naler Ebene mit den Tarifpartnern umzusetzen.
     Januar 2010 offiziell einen Sektoralen Sozialen Di-   Deshalb wollen wir erreichen, dass CEEMET lang-                  nicht das Ziel des Sozialdialoges, der nationalen Ebene
     alog aufgenommen und damit ihren Status als           fristig alle Dialoge unserer Branchen koordiniert                einheitliche Vorgaben zu machen. Die Ergebnisse müs-
     Gremium in der Arbeit der Europäischen Union          und abstimmt.                                                    sen den nationalen Sozialpartnern möglichst viel Frei-
     formalisiert. Dadurch ist sichergestellt, dass CEE-
                                                                                                                            raum für individuelle Lösungen lassen.
     MET zu sozialpolitischen Initiativen und Gesetz-                                   Mehr ab Seite 57

     16                                                                                                                                                                                                17
Mühsamer Aufstieg

WIRTSCHAFTLICHE                     Die Talfahrt endete im späten Frühjahr 2009 –
                                    nicht zuletzt durch Unterstützung der Politik.
                                    Seitdem befindet sich die M+E-Indust rie auf dem

LAGE                                Wege der Besserung. Doch um das Vorkrisen-
                                    niveau wieder zu erreichen, hätten zu diesem Zeit-
                                    punkt Auftragseingang und Produktion zwischen
                                    40 und 50 Prozent zulegen müssen. Am Ende
                                    des Berichtszeitraums war davon gerade einmal
                                    die Hälfte geschafft. Zwar lassen die Geschäfts-
                                    erwartungen hoffen, dass sich die Auf wärtsent-
                                    wick lung fortsetzen wird, doch überstanden ist             kapital und Liquidität schmelzen. Und sie bekom-
Die Metall- und Elektro-Industrie   die Krise noch lange nicht. Nach wie vor beurtei-           men Schwierigkeiten bei der Finanzierung.
erlebte 2009 die schwerste Krise    len die Unternehmen ihre Geschäftslage mehr-
                                    heitlich negativ, und niemand weiß, ob die Bes-
der deutschen Nachkriegszeit.
                                    serungen nachhaltig sind (siehe Grafik).                    Auftragseingang …
Die weltweiten Erschütterungen,
ausgelöst im Herbst 2008 durch      Die Risiken sind groß: Staatliche Programme lau-            Die Nachfrage nach M+E-Erzeugnissen hatte ih-
den Zusammenbruch der ameri-        fen aus, die gestiegene Arbeitslosigkeit und der            ren tiefsten Stand im 1. Quartal 2009. Die Bestell-
kanischen Bank Lehman Brothers,     Einbruch der Gewinne belasten die Konjunktur.               eingänge des Auslandes waren gegenüber dem
trafen die deutsche Exportwirt-     Für die M+E-Unternehmen wird 2010 schwie riger              Niveau des ersten Halbjahres 2008 um 40 Prozent
schaft und die mit ihr verfloch-    werden als 2009, weil ihre Reserven an Eigen-               abgestürzt, die der inländischen Kundschaft um

tenen Wirtschaftsbereiche mit
voller Wucht.

Die Nachfrage nach deutschen                            Erwartungen im Plus – Lage mit Aufwärtstendenz
                                                         M+E-Industrie Deutschland; saisonbereinigte Entwicklung
M+E-Erzeugnissen brach drama-
tisch ein und zog die Produk-                            50
                                                                                                                                     Geschäftslage
tion mit nach unten. Nicht weni-
                                                         25
ger dramatisch war der Absturz
bei den Gewinnen. Dagegen blieb                            0
der Personalabbau – gemessen                                                                                  Geschäftserwartungen
am Ausmaß der Produktions-                               -25
einschränkungen – sehr moderat:
Die M+E-Unternehmen haben                                -50

in beispielloser Weise Arbeits-
                                                         -75
plätze gesichert.                                               2002       2003        2004       2005       2006       2007       2008       2009         2010

                                                         Saldo der Firmenmeldungen über gute (+) und schlechte (–) Geschäftslage bzw. günstigere (+) und
                                                         ungünstigere (–) Geschäftserwartungen; Quelle: ifo Konjunkturtest

           18                                                                                                                                               19
Zügige Nachfragebelebung                                                                                                           Produktion zieht mit
Auftragseingang (Herkunft); saison- und preisbereinigte Quartalswerte                                                              Saison- und kalenderbereinigte Quartalswerte für die M+E-Industrie
Indexwerte 2005 = 100                                                                                                              Indexwerte: 2005 = 100

140                                                                                                                                120

                                                                                                                                   110
120

                                                                               Gesamt                                              100
                Inland
100
                                                                                                                                    90

 80
         Ausland                                                                                                                    80

 60                                                                                                                                 70
       2000     2001     2002     2003   2004   2005   2006   2007      2008     2009   2010                                               1999   2000      2001      2002      2003      2004       2005     2006       2007     2008       2009      2010

Quelle: Statistisches Bundesamt                                                                                                    Quelle: Statistisches Bundesamt

30 Prozent. Insgesamt ergab dies einen Rückgang           lagen waren im Juli nur noch zu 69 Prozent aus-                          Abbau am Jahreswechsel statistisch überzeichnet
um 35 Prozent. Keine der Branchen der M+E-                gelastet – ein historischer Tiefpunkt. Anfang 2008                       Beschäftigte in der M+E-Industrie, saisonbereinigte Entwicklung, in Tausend
In dus trie blieb von dem Einbruch verschont. Fast        waren es noch fast 92 Prozent gewesen. Normal                            3.700                       Aufbau von Februar 2006
                                                                                                                                                               bis Oktober 2008: + 230.000
überall lagen die Orderausfälle zwischen 25 und           sind rund 88 Prozent. Etwa zur Jahresmitte setzte                                                    Abbau von Oktober 2008 bis März 2010:
                                                                                                                                   3.650
35 Prozent. Im Maschinenbau waren es sogar fast           auch hier eine leichte Aufwärtsentwicklung ein.                                                      ohne Bruchbereinigung – 246.000
                                                                                                                                                               mit Bruchbereinigung ca. – 216.000
50 Prozent. Seit dem 2. Quartal 2009 geht es wie-         Bis zum 1. Quartal 2010 konnte die Produktion                            3.600                       März 2010 gegenüber März 2009
der aufwärts. Bis zum 1. Quartal 2010 hatten die          um 8 Prozent hochgefahren werden. Weitere 27                                                         ohne Bruchbereinigung – 5,3 %
                                                                                                                                                               mit Bruchbereinigung ca. – 4,4 %
Bestellungen wieder um knapp 25 Prozent zuge-             Prozent sind aber notwendig, um wieder das Vor-                          3.550

legt. Dabei war der Zuwachs im Export mit 30 Pro-         krisenniveau zu erreichen. Die Entwicklung der                           3.500
                                                                                                                                                                                                                                                    Geschätzte
zent fast doppelt so stark wie im Inland. Von der         Branchen war bei der Produktion wesentlich dif-                                                                                                                                           tatsächliche
Nachfragebelebung profitierten alle M+E-Bran-             ferenzierter als bei der Nachfrage. Während die                          3.450                                                                                                            Entwicklung
                                                                                                                                                                                                                                   Statistischer
chen, wenn auch in unterschiedlicher Stärke. Am           Automobilproduktion, begünstigt durch die Ab-                                                                                                                                  Bruch*
                                                                                                                                   3.400
deutlichsten aufwärts ging es in der Autoindus-           wrackprämie, schon im Frühjahr 2009 wieder an-                                      * Betriebe, die im Jahresverlauf 2009 die 50-Mitarbeiter-Schwelle unterschritten haben,
                                                                                                                                                wurden im Januar 2010 komplett aus der amtlichen Statistik herausgenommen.
trie, im Maschinenbau und bei den Herstellern von         zog, erreichten die Maschinenbauer am Jahres-                            3.350
                                                                                                                                              2002       2003         2004         2005        2006          2007          2008         2009       2010
Datenverarbeitungsanlagen sowie in der feinme-            ende erst den Tiefpunkt.
chanischen und optischen Industrie.                                                                                                Quellen: Statistisches Bundesamt, Gesamtmetall; 2010: vorläufige Werte

                                                          Beschäftigung
… und Produktion                                                                                               halten, so weit und so lange es geht. Sie haben                   Von Oktober 2008, dem Beschäftigtenhöchst-
                                                          Die M+E-Unternehmen haben – über den ge-             auch deutlich mehr getan als ihre Konkurrenten in                 stand, bis Dezember 2009 gingen in der M+E-
Die M+E-Produktion erreichte ihren tiefsten Stand         samten Berichtszeitraum hinweg – in beispiello-      Europa: In der EU-27 (ohne Deutsch land) war der                  Industrie rund 200.000 Arbeitsplätze verloren.
im 2. Quartal 2009. Das Fertigungsvolumen war             ser Weise Arbeitsplätze gesichert. Sie waren von     Personalabbau 2009 bei gleichem Produktions-                      Gemessen am Einbruch der Produktion war dieser
um fast 30 Prozent abgesackt. Die Produktionsan-          Anfang an bemüht, ihre Stamm belegschaften zu        minus doppelt so groß wie in Deutschland.                         Personalabbau äußerst moderat. Zudem hat sich

20                                                                                                                                                                                                                                                         21
der Personalabbau im Jahresverlauf spürbar ver-        In den für die M+E-Industrie ausgewiesenen Be-
langsamt. Die Beschäftigungspläne der Unterneh-        schäftigtenzahlen nicht enthalten sind die in der     Bilanz der Beschäftigungssicherung in der M+E-Industrie 2009
men zum Jahreswechsel 2009/2010 und in den             M+E-Industrie eingesetzten Zeitarbeiter, da es sich
                                                                                                             815.000 Arbeitsplätze gesichert
Monaten danach deuten auf eine weitere Verlang-        um Mitarbeiter der Zeit arbeitsfirmen handelt. Hier                                                            Unternehmen halten ihre Stammbelegschaften
                                                                                                             Die M+E-Industrie musste 2009 einen Produktions-
samung hin.                                            hat nach den Ergebnissen des IAB-Betriebspa-                                                                   saison- und kalenderbereinigte Entwicklung in der M+E-Industrie
                                                                                                             einbruch von 23 Prozent verkraften. Hätten die           Indexwerte 2. Quartal 2008 = 100
                                                       nels von Mitte 2008 bis Mitte 2009 ein Abbau
                                                                                                             Betriebe der kurzfristigen betriebswirtschaftlichen                                                         2009 gegenüber 2008:
Vor diesem Hintergrund war die von der amtlichen       um 104.000 stattgefunden. Demnach waren am                                                                     110                                                Produktion: – 23,1 %
                                                                                                             Logik entsprochen, wäre darauf ein mindestens                                                               Beschäftigte: – 3,2 %
Statistik für Januar 2010 ausgewiesene Beschäf-        Stichtag 30. Juni 2009 noch rund 130.000 Zeitar-
                                                                                                             ebenso großer Rückgang der Beschäftigtenzahl             100
tigtenzahl eine herbe Enttäuschung: Sie lag sai-       beiter in der M+E-Industrie beschäftigt.                                                                                                   Beschäftigte
                                                                                                             gefolgt. Wäre zudem der normale Produktivitäts-
sonbereinigt um rund 40.000 niedriger als im Vor-                                                                                                                      90
                                                                                                             fortschritt von etwa 3,5 Prozent pro Jahr realisiert
monat. Der weitaus größte Teil dieses Rückgangs
                                                                                                             worden, hätte das niedrigere Produktionsvolumen
dürfte allerdings darauf zurückzuführen sein, dass     Kurzarbeit                                                                                                      80
                                                                                                             mit rund 26 Prozent weniger Personal bewältigt                                                            Produktion
Betriebe, die im Jahresverlauf 2009 die für die sta-                                                                                                                                      Beschäftigte
                                                                                                             werden können. Anders ausgedrückt: Die Produk-            70   bei normaler Produktivität
tistische Erfassung erforder liche Mindestgröße        In ihrem Bemühen um Beschäftigungssicherung
                                                                                                             tion wäre auch mit 940.000 Mitarbeitern weniger
von 50 Mitarbeitern unterschritten hatten, im Ja-      nutzten die M+E-Betriebe das kom plette zur Ver-                                                                60
                                                                                                             erreichbar gewesen.
nuar 2010 komplett aus der Statistik herausge-         fügung stehen de tarifliche und arbeitsmarktpoliti-                                                                            2008                                 2009                  2010
nommen wurden.                                         sche Instrumentarium (siehe Kasten). Und sie nah-                                                              Quellen: Statistisches Bundesamt, Gesamtmetall
                                                                                                             Tatsächlich haben die M+E-Unternehmen ihre
                                                       men dabei massive Produktivitätseinbußen in Kauf.
                                                                                                             Beschäftigtenzahl im Vergleich zum Vorjahr nur
Sonderberechnungen einzelner Landesämter deu-
                                                                                                             um 125.000 verringert. Das ist ein Minus von           von rund 230.000 Vollzeitstellen, die allein durch
ten darauf hin, dass der tatsächliche Beschäftig-      Am Anfang der Krise wurden zunächst Überstun-
                                                                                                             3,2 Prozent. Die Differenz – 815.000 Mitarbeiter,      Kurzarbeit gesichert wurden. Weitere 60.000
tenrückgang bei rund sieben- bis achttausend ge-       den und Zeitguthaben abgebaut und Betriebs-
                                                                                                             die trotz fehlender Produktion weiter beschäftigt      durch die übrigen arbeitszeitreduzierenden Maß-
legen haben dürfte. Hierfür sprechen auch die nur      urlaube vorgezogen. In der Folgezeit wurde die
                                                                                                             wurden – zeigt den Umfang der Beschäftigungs-          nahmen kommen hinzu.
geringen Rückgänge im Februar (-2.500) und             Kurzarbeit zum dominierenden Sicherungsin -
                                                                                                             sicherung.
März (-5.900).                                         s trument, auch begünstigt durch die Verlänge-
                                                                                                                                                                    Zwei Drittel durch Produktivitätseinbußen
                                                                                                             Ein Drittel durch Arbeitszeitreduzierungen             Den größeren Anteil an der Beschäftigungssiche-
                                                                                                             Die Maßnahmen zur Reduzierung der Arbeitszeit          rung hatte, obwohl öffentlich kaum wahrgenom-
Höhepunkt der Kurzarbeit überschritten                                                                       hatten daran einen bedeutenden, aber nicht             men, die vorübergehende Hinnahme von Einbußen
M+E-Industrie; Betroffene Mitarbeiter in Tausend                                                             den größten Anteil. Durch Arbeitszeitreduzierung       bei der Arbeitsproduktivität – zum Beispiel weil die
1.000                                                                                                        wurde das Arbeitsvolumen 2009 um 8 Prozent ge-         weiter in Vollzeit Beschäftigten und die Kurzarbei-
  Tsd.       Beantragte Kurzarbeit
                                                                                                             senkt. Den Hauptanteil dabei hatte die Kurzarbeit      ter in der verbliebenen Arbeitszeit langsamer ar-
             Tatsächliche Kurzarbeit
  800                                                                                                        (-6 Prozent). Der Rest (-2 Prozent) entfällt vor al-   beiten, Effizienzverluste durch gestörte Betriebs-
                                                                                                             lem auf den Abbau von Zeitguthaben und Über-           abläufe auftreten und/oder die Arbeitszeit mit
  600                                                                                                        stunden. Der Tarifvertrag Beschäftigungssiche-         Nebentätigkeiten (z. B. Aufräumarbeiten) gefüllt
                                                                                                             rung spielte 2009 eher eine untergeordnete Rolle.      wird, die nicht in die Produktionsstatistik einflie-
  400                                                                                                                                                               ßen. Die Produktivität je Arbeitsstunde sank 2009
                                                                                                             An allen Maßnahmen zur Reduzierung der Ar-             um 11,5 Prozent*. Einschließlich des nicht rea-
  200                                                                                                        beitszeit hatte die Kurzarbeit somit einen Anteil      lisierten normalen Produktivitätsfortschritts von
                                                                                                             von 75 Prozent. Von den rund 3,5 Millionen M+E-        3,5 Prozent ergibt dies ein Volumen an Beschäfti-
     0                                                                                                       Beschäftigten waren 2009 im Durchschnitt               gungssicherung von rund 15 Prozent – umgerech-
          Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr                                                                                   net rund 525.000 Mitarbeiter.
                                                                                                             700.000 in Kurzarbeit. Geht man davon aus, dass
         2008                           2009                            2010
                                                                                                             der Arbeitsausfall pro Kurzarbeiter etwa ein Drit-     * bereinigt um die aus der Reduzierung der Zeit arbeit
Quelle: Bundesagentur für Arbeit
                                                                                                             tel beträgt, entspricht dies einem Äquivalent            resultierenden statistischen Effekte, Schätzung

22                                                                                                                                                                                                                             23
rung der gesetzlichen Höchstdauer und die Befrei-     Kosten und Preise
ung der Unternehmen von den Sozialbeiträgen                                                                                      Rasanter Anstieg der Lohnstückkosten
                                                                                                                                 saisonbereinigte Entwicklung in der M+E-Industrie gegenüber Vorkrisenniveau (= 100)
nach sechs Monaten Kurzarbeit.                        Deutliche Spuren hinterlässt die Beschäftigungs-
                                                      sicherung bei Kosten und Produktivität. 2009 la-                           130
                                                                                                                                                         + 25 %
                                                                                                                                                                        + 23 %
Ihren Höhepunkt hatte die Kurzarbeit in der           gen die Entgeltkosten je Arbeitsstunde im Durch-
                                                                                                                                                                                                     + 19 %
                                                                                                                                 120
Metall- und Elektro-Indu st rie im Mai 2009 mit       schnitt um 4 Prozent über Vorjahr. Der Anstieg                                                                                                 Lohnstückkosten
974.530 Kurzarbeitern. Das waren mehr als ein         resultiert aus den Tariferhöhungen sowie aus                                                                                 + 16,5 %
                                                                                                                                 110
Viertel aller Beschäftig ten in der M+E-Industrie     dem Abbau von Zeitguthaben, vorgezogenen Be-
und zwei Drittel aller Kurzarbeiter insgesamt. Da-    triebsurlauben und den Kosten der Kurzarbeit.                              100
bei waren alle Qualifika tionsebenen unter halb der                                                                                                                                                  Beschäftigte
                                                                                                                                                                                                     Entgeltsumme
Firmenleitung etwa ihrem Anteil an der Gesamt-        Die Arbeitsstunden (-11 Prozent) wurden längst                              90

beschäftigung entsprechend einbezogen.                nicht so stark zu rückgefahren wie die Produktion
                                                                                                                                  80                                                                 Produktion
                                                      (-23 Prozent). Daher sackte die Produktivität um
                                                                                                                                         Vorkrisen-
Die Beschäftigten in den einzelnen Metall- und        13 Prozent unter Vorjahr. Für die Lohnstückkosten                           70       niveau
Elektro-Branchen waren von der Kurzarbeit un-         (Entgelte je Produkteinheit) errechnet sich daraus                                (Jan.-Aug.     1. Halbjahr    3. Quartal   4. Quartal   1. Quartal    2. Quartal
                                                                                                                                           2008)                         2009                            2010
terschiedlich betroffen: Am stärksten traf es die     ein Anstieg von 19 Prozent. Höhere Stückkosten
                                                                                                                                 Quellen: Statistisches Bundesamt, Gesamtmetall
Hersteller von Metall erzeugnissen – hierzu zählt     entstanden den Betrieben auch dadurch, dass sie
ein Großteil der Automobilzulieferer – mit einem      ungenutzte Kapazitäten in Betriebsbereitschaft
Anteil von 33 Prozent.                                hielten. Dies zeigt: Beschäftigungssicherung hat
                                                      einen hohen Preis, den die Betriebe nur eine ge-
In der Automobilindustrie selbst und im Maschi-       wisse Zeit tragen können. Im 1. Quartal 2010 be-      tergeben. Die Krise hat den Druck auf die Preise            dagegen um 3,7 Prozent. Die Masse der nicht von
nenbau ging jeweils rund ein Viertel der Beleg-       gann der Normalisierungsprozess bei den Lohn-         noch zusätzlich erhöht. Im Durchschnitt sanken              Kurzarbeit betroffenen M+E-Mitarbeiter dürfte
schaft in Kurzarbeit, in der Elektroindus trie ein    stückkosten. Im Vergleich zum Höchststand im          ihre Erzeugerpreise auf den Inlandsmärkten sogar            auch bei ihrem Monatsentgelt im Schnitt in etwa
knappes Fünftel. Mit nur 3 Prozent spielte die        1. Quartal 2009 gab es eine Verbesserung um           um ein halbes Prozent. Die Exportpreise blieben             das tarifliche Lohn plus von 3 Prozent (Jahresdurch-
Kurzarbeit 2009 im sonstigen Fahrzeugbau (Luft-,      9 Prozent, vor allem, weil ein Teil der Produktivi-   unverändert. Dagegen wurden ausländische M+E-               schnitt 2009 gegenüber Vorjahr) erhalten haben.
Raum-, Schienenfahrzeuge, Schiffe) so gut wie         tätseinbußen aufgeholt werden konnte. Bis zum         Erzeugnisse in Deutschland um 2,5 Prozent billi-            Netto bedeutete dies einen Zuwachs von rund
keine Rolle.                                          Erreichen des Vorkrisenniveaus ist es aber noch       ger angeboten als 2008. Auch hier hat sich die              4,5 Prozent, sodass bei einer Inflationsrate von nur
                                                      ein weiter Weg.                                       Situation am Jahresbeginn 2010 für die Unterneh-            0,4 Prozent für die meisten Mitarbeiter im vergan-
In den Sommer- und Herbstmonaten 2009 haben                                                                 men etwas entspannt. Die Preisrate für M+E-Er-              genen Jahr unter dem Strich ein dickes Reallohn-
die M+E-Betriebe die Kurzarbeit bereits wieder zu-    Entlastung gab es dagegen bei den Material- und       zeugnisse lag im März bei +0,6 Prozent. Die Ex-             plus von rund 4 Prozent zu Buche stand.
rückgefahren, bis auf 526.200 im Dezember. Nach       Energiekosten: Die Erzeugerpreise der für die         portpreise notierten ebenso wie die Preise der
Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit (BA)         M+E-Industrie wichtigsten Stahlsorten lagen im        M+E-Importe 1,5 Prozent über Vorjahr.
dürfte sie auch im 1. Quartal 2010 weiter leicht      Jahresdurchschnitt 2009 um rund ein Viertel unter                                                                 Verluste und Insolvenzen
zurückgegangen sein.                                  dem Niveau des Vorjahres, Heizöl um ein Drittel
                                                      und Erdgas um etwa 7 Prozent. Strom dagegen           Entgelte                                                    Nach der ifo Gewinnumfrage vom September
Noch stärker ebbte die Welle bei den Anzeigen zur     verteuerte sich um 5 Prozent. Am Jahresbeginn                                                                     2009 rechneten die M+E-Unternehmen für 2009
Kurzarbeit ab: In den ersten drei Monaten 2010        2010 hat sich die Situation wieder deutlich ver-      Die Entwicklung der effektiven Durchschnittsent-            insgesamt mit Verlusten in Höhe von 0,2 Pro-
wurde bei der Bundesagentur für Arbeit nur noch       schlechtert. Die Stahlpreise zogen an, die Heizöl-    gelte war geprägt von der Kurzarbeit und den üb-            zent des Umsatzes. Fast jedes zweite Unterneh-
für jeweils rund 25.000 Beschäftigte in der Me-       preise lagen im März um 45 Prozent über ihrem         rigen arbeitszeitreduzierenden Maßnahmen zur                men dürfte rote Zahlen geschrieben haben. Sie
tall- und Elektro-Industrie Kurzarbeit angemeldet,    Vorjahresniveau.                                      Beschäftigungssicherung. Im Gesamtjahr 2009                 beschäftigten knapp 1,5 Millionen Mitarbeiter.
im April nur noch für 13.000. Dieser Rückgang                                                               stiegen die Stundenverdienste gegenüber 2008                Dieselbe Tendenz ergibt sich aus den inzwischen
deutet ebenfalls auf eine Besserung der Beschäf-      Ihre Kostensteigerungen konnte die M+E-Indus-         um durchschnittlich 2,5 Prozent, das durchschnitt-          vor liegenden Jahresabschlüssen der 31 im HDAX
tigungssituation hin.                                 trie nicht einmal ansatzweise an die Kunden wei-      liche Monatsentgelt der Vollzeitbeschäftigten sank          gelisteten M+E-Ak tien ge sell schaf ten, die immer-

24                                                                                                                                                                                                                         25
M+E-Industrie macht 2009 erstmals Verluste                                                                                                 Sprunghafter Anstieg der Insolvenzen                                                                          6,4
Saldo aus Gewinnen nach Steuern und Verlusten in Prozent vom Umsatz                                                                           Unternehmen                                  Beschäftigte in Tausend     49,9   Forderungen in Mrd. Euro
                                                                           4,8
                                                                                                                                                                              1.710
                                                                                                                                              1.648

                                                                                                                                                      1.468                           2009 gegenüber 2008
                                                                                                                                                                                      Unternehmen: + 68 %
     3,4                                                                                                                                                                              Beschäftigte: + 284 %
                                                                     3,3
           3,0           3,0                                                                                                                                                          Forderungen: + 357 %
                 2,9                                                                                                                                          1.110
                                                            2,7                   2,6
                                       2,5                                                                                                                            1.020
                                                     2,4
                                2,2
                                              1,8                                                                                                                                          20,7
                                                                                                                                                                                                         19,0                              2,4
                                                                                                                                                                                                                                     2,2
                                                                                                                                                                                                  16,0
                                                                                                                                                                                                                               1,8
                                                                                                                                                                                                                13,0
                                                                                                                                                                                                                                                  1,4

                                                                                         – 0,2*
  1997 1998      1999 2000 2001       2002 2003 2004 2005            2006 2007 2008 2009                                                      2005 2006 2007 2008 2009                     2005 2006 2007 2008 2009           2005 2006 2007 2008 2009
Quellen: bis 2007 Deutsche Bundesbank, ab 2008 ifo Institut,*Firmenschätzung vom September 2009                                            Quelle: Statistisches Bundesamt

hin rund die Hälfte des gesamten M+E-Umsatzes                     Maßnahmen zur Stabilisie rung des Bankensystems      Die Krise ist damit aber noch nicht überwunden.                    Auswirkungen der Griechenlandkrise auf die Re-
erwirtschaften. Sie hatten 2009 Verluste von 0,3                  und zuletzt auch des Europäischen Währungssys-       Die Risiken liegen auf der Hand: Staatliche Kon-                   alwirtschaft. Vordergründig scheinen die Risiken
Prozent des Umsatzes.                                             tems waren bisher unter dem Strich erfolgreich.      junkturprogramme laufen aus, die steigende                         begrenzt. Die deutschen Exporte nach Griechen-
                                                                                                                       Arbeitslosigkeit und der Einbruch der Gewinne                      land betrugen 2009 nur 6,7 Milliarden Euro (M+E-
Die Zahl der Insolvenzfälle in der M+E-Industrie                  Der Export erweist sich wieder einmal als Motor      belasten die Konjunktur. Für die Unternehmen                       Erzeugnisse: 3,0 Milliarden Euro). Das waren nur
erhöhte sich 2009 um 68 Prozent, von 1.020 auf                    des Aufschwungs. Dabei kommt der deutschen           wird 2010 schwieriger werden als 2009, weil ihre                   0,8 Prozent aller deutschen Exporte (M+E-Exporte:
1.710 Betriebe. Noch dramatischer war die da-                     M+E-In dus trie ihre herausragende Wettbewerbs-      Reserven an Eigenkapital und Liquidität schmel-                    0,7 Prozent). Deutsche Waren haben nur einen
mit verbundene Schadensentwicklung (vgl. Gra-                     fähigkeit zugute.                                    zen. Die Unternehmensfinanzierung ist die Achil-                   Anteil von 13 Prozent an allen Importen Griechen-
fik): Die Zahl der von den Insolvenzen betroffe-                                                                       lesferse des Aufschwungs. Nicht absehbar sind die                  lands.
nen Beschäftigten hat sich von 13.000 auf 50.000                  Die aktuelle Euroschwäche unterstützt zumindest
nahezu vervierfacht. Die Höhe der Forderungen                     kurzfristig den Export in Länder außerhalb der Eu-
schnellte von 1,4 auf 6,4 Milliarden Euro hoch. In                rozone. Auch in Deutschland steigt die Investi-
den ersten beiden Monaten 2010 stieg die Zahl                     tionsbereitschaft der Unternehmen wieder leicht
der Insolvenzen um weitere 40 Prozent.                            an.

                                                                  Die Frühindikatoren lassen für die kommenden         Ihre Ansprechpartner
Ausblick                                                          Monate einen weiteren Zuwachs der Produk tion
                                                                  erwarten. Für 2010 rechnen Institutsvolkswirte im
Die Geschäftserwartungen für die jeweils nächs-                   Jahresdurchschnitt mit einem Produk tionsplus von
ten sechs Monate werden immer optimistischer.                     rund 5 Prozent (DIW) bis 7 Prozent (ifo). Der Per-
Dies lässt hoffen, dass die Aufwärtsentwicklung                   sonalabbau wird sich – nach den Beschäftigungs-
andauert. Die in- und ausländischen Konjunktur-                   plänen laut ifo Konjunkturtest – verlangsamt fort-
programme, die expansive Geldpolitik und die                      setzen.                                              Dr. Michael Stahl   Wolfgang Bartel        Nagme Tezer           Diana Westphal

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Tarifpolitik 2010 –

TARIFPOLITIK                            Neue Wege

                                        Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise musste die
                                        Metall- und Elektro-Industrie den tiefsten Ein-
                                        bruch ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten in der
                                        Nachkriegsgeschichte hinnehmen. Trotz des dra-
Vor dem Hintergrund der tiefsten
                                        matischen Einbruchs der Produktion und der Auf-
Finanz- und Wirtschaftskrise in der
                                        tragseingänge hielten die Unternehmen fast die
Geschichte der Bundesrepublik           ganze Stammbelegschaft und setzten verstärkt
Deutschland sind die Tarifvertrags-     auf Beschäftigungssicherung. Unterstützt wurden
parteien der Metall- und Elektro-       sie darin durch die Erleichterungen bei der Kurz-
Industrie 2010 neue Wege gegangen.      arbeit (siehe Kapitel Gesetzgebung und Recht-
Erstmalig haben sie ohne bezifferte     sprechung), die maßgeblich auf den Einsatz von
                                        Gesamtmetall und IG Metall zurückzuführen sind.
Entgeltforderung der IG Metall und
                                                                                             Möglichkeiten zur sachgrundlosen Befristung wol-
mehr als zwei Monate vor Ablauf
                                        Ausgangspunkt dieser gemeinsamen politischen         len die Tarifvertragsparteien in den Regionen im
der geltenden Tarifverträge eine
                                        Initiativen war die Übereinstimmung beider Tarif-    Einzelfall durch Ergänzungstarifverträge regeln.
Einigung erzielt.                       parteien in der Beurteilung der wirtschaftlichen     Nach zöger lichem Anlaufen liegt derzeit eine hohe
                                        Lage – sowie das Anerkenntnis der Gewerkschaft,      Zahl einschlägiger Tarifverträge vor.
Keine Tabellen erhöhung für 2010        dass Kurzarbeit für die Unternehmen keineswegs
und innovative Optionen zum             kostenlos ist, sondern diese (je nach Umfang der     Ziel von Gesamtmetall war es, die Unternehmen
                                        Erstattung der Sozialabgaben) mit 24 bis 35 Pro-     von Kosten zu entlasten und ihnen durch verläss-
Beschäftigungs erhalt, die Planungs-
                                        zent der Entgeltsumme belastet: die sogenannten      liche Rahmenbedingungen Planungssicherheit zu
sicherheit und verlässliche Rahmen-
                                        Remanenz- oder Haltekosten.                          geben. Mit diesem Ziel traten die Arbeitgeber
bedingungen für die Unternehmen
                                                                                             frühzeitig in Sondierungsgespräche mit der Ge-
bieten – das sind die Antworten auf     Parallel zu den gemeinsamen Anstrengungen auf        werkschaft ein. Als Voraussetzung nannte der
die besondere wirtschaftliche Situa-    politischer Ebene strebten beide Seiten auch auf     Tarifpolitische Vorstand von Gesamtmetall das
tion. Gleichzeitig konnten die Tarif-   tarifpolitischer Ebene ein deutliches Signal an,     Anerkenntnis der IG Metall, dass die Betriebe
vertragsparteien den Einsatz der        dass das bisherige erfolgreiche sozialpartner-       keine weiteren Belastungen verkraften können
                                        schaftliche Krisenmanagement fortgesetzt werde.      und finanzielle Erleichterungen benötigen, wenn
Kurz arbeit durch politische Initia-
                                        In allen Tarifgebieten wurden deshalb zunächst       sie Arbeitsplätze nachhaltig sichern sollen.
tiven weiter erleichtern.
                                        Gespräche geführt, um die Tarifverträge an die
                                        geänderten gesetzlichen Vorgaben anzupassen –        Vor diesem Hintergrund wurden in Nordrhein-
                                        dies betraf insbesondere die Qualifizierung bei      Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern in
                                        Kurzarbeit sowie die Möglichkeit längerer sach-      enger Abstimmung mit den Gremien von Ge-
                                        grundloser Befristungen durch Tarifvertrag. In Ba-   samtmetall Sondierungsgespräche mit dem Ziel
                                        den-Württemberg mündeten diese Gespräche in          aufgenommen, die Unternehmen zu entlasten
                                        den neuen Tarifvertrag Kurzarbeit, Qualifizierung    und die freiwilligen Anstrengungen der Unterneh-
                                        und Befristung (TV KQB). In den anderen Tarifge-     men zur Beschäftigungssicherung für die Dauer
                                        bieten beschränkten sich die Regelungen auf die      der Krise zu unterstützen. Allerdings war die IG
                                        Qualifizierung bei Kurzarbeit. Die Ausweitung der    Metall nicht bereit, die Gespräche ohne Beteili-

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gung der übrigen Bezirke von vornherein nur auf      des Zuschusses zum Kurzarbeitergeld herangezo-
bestimmte Regionen zu beschränken. Deshalb           gen worden waren. Um eine Übertragung der ba-        Die Eckpunkte des Verhandlungsergebnisses von Düsseldorf
fanden im Dezember 2009 und Januar 2010 Son-         den-württembergischen Standards auf die übrigen
dierungsgespräche in allen Tarifgebieten statt.      Tarifgebiete zu vermeiden und um den übrigen         1. Laufzeit                                          Ausgestaltung der Entgelterhöhungen für die
                                                     Tarifgebieten die Vorteile der Zwölftelungsrege-                                                          Laufzeit des Entgeltabkommens. Die Vorausset-
                                                                                                          Die Laufzeit des Entgeltabkommens beträgt 23
Dabei schälten sich frühzeitig die Kernpunkte für    lung zu erschließen, beschloss der Tarifpolitische                                                        zungen zum Inkrafttreten des TV FlexÜ sind da-
                                                                                                          Monate vom 1. Mai 2010 bis zum 31. März 2012.
eine mögliche vorfristige Lösung heraus: Entgelt,    Vorstand von Gesamtmetall, dass in Nordrhein-                                                             mit für den Zeitraum von weiteren 23 Monaten
                                                                                                          Der zum Themenkomplex Beschäftigungssiche-
Beschäftigungssicherung, Ausbildung und Gegen-       Westfalen ein Beschäftigungssicherungsmodell                                                              erfüllt.
                                                                                                          rung vereinbarte Tarifvertrag „Zukunft in Arbeit“
finanzierung des Tarifvertrags zum flexiblen Über-   für alle übrigen Tarifgebiete verhandelt und par-
                                                                                                          (TV ZiA) hat eine Laufzeit von 28 Monaten vom
gang in die Rente. Die IG Metall hatte sehr früh     allel dazu eine Sonderlösung für Baden-Württem-
                                                                                                          1. März 2010 bis zum 30. Juni 2012.
deutlich gemacht, dass es nur dann ein vorzeitiges   berg gesucht werden sollte. Verhandlungen zum
Ergebnis beim Entgelt geben werde, wenn man          Entgelt wurden einvernehmlich ausgeklammert.
                                                                                                          2. Entgelt
sich auch in den anderen Themen – allen voran        Beide Tarifgebiete erzielten nach intensiven Ver-
der Beschäftigungssicherung – einig sei.             handlungen einen Anfang Februar paraphierten         Mai 2010 bis März 2011
                                                     Gesprächsstand.                                      Für die Monate Mai 2010 bis März 2011 gelten
Im Rahmen der Sondierungsgespräche stellte sich                                                           die Lohn-, Gehalts- und Ausbildungsvergütungs-
heraus, dass die IG Metall die besonderen regio-     Anschließend wurden in NRW die Pilotverhand-         tafeln sowie die ERA-Entgelttabellen weiter. Für
nalen Standards zur Beschäftigungssicherung in       lungen zum Thema Entgelt aufgenommen. Dabei          diesen Zeitraum erhalten die Beschäftigten einen
Baden-Württemberg nicht in Frage stellen wollte      hatte die IG Metall erstmalig auf eine konkret be-   Einmalbetrag in Höhe von 320 Euro brutto, die
– darunter insbesondere den Vorrang der Kurz-        zifferte Entgeltforderung verzichtet. Nach zwölf-    Auszubildenden einen Einmalbetrag in Höhe von
arbeit vor der Anwendung des TV Besch und den        stündigen intensiven Verhandlungen wurde am          120 Euro brutto, der jeweils hälftig mit der Ent-
Zuschuss zum Kurzarbeitergeld. Gleichzeitig war      18. Februar 2010 in Düsseldorf der Pilotabschluss    geltabrechnung für Mai 2010 sowie Dezember
in Baden-Württemberg der Weg zur Senkung der         für die Tarifrunde 2010 erzielt. Die Verhandlungen   2010 fällig wird.
Remanenzkosten über eine Zwölftelung der Son-        leitete auf Arbeitgeberseite Horst-Werner Maier-
                                                                                                          Tabellenerhöhung
derzahlungen verbaut, da diese bereits im Rah-       Hunke, Präsident und Verhandlungsführer von                                                               4. Beschäftigungssicherung
                                                                                                          Mit Wirkung zum 1. April 2011 erhöhen sich die
men des sogenannten TV KQB zur Finanzierung          METALL NRW, in enger Abstimmung mit Gesamt-
                                                                                                          ERA-Grundentgelte sowie Löhne, Gehälter und          Der TV ZiA schafft mit der ZiA-Kurzarbeit und der
                                                     metall und dem ebenfalls in der Verhandlungs-
                                                                                                          Ausbildungsvergütungen um jeweils 2,7 Prozent.       ZiA-Arbeitszeitabsenkung zwei neue freiwillige
                                                     kommission anwesenden Vorsitzenden und Ver-
                                                                                                                                                               tarifliche Modelle zur Beschäftigungssicherung,
                                                     handlungsführer von Südwestmetall, Dr. Rainer        Differenzierung
                                                                                                                                                               die selbstständig neben die bisherigen Optionen
                                                     Dulger. Der Tarifpolitische Vorstand von Gesamt-     Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann der
                                                                                                                                                               der gesetzlichen Kurzarbeit und der Arbeitszeit-
                                                     metall und der Vorstand von METALL NRW, die          Beginn der Tariferhöhung entsprechend der wirt-
                                                                                                                                                               absenkung im Rahmen des Tarifvertrags zur Be-
                                                     beide während der gesamten Verhandlungen im          schaftlichen Lage des Betriebes um bis zu zwei Mo-
                                                                                                                                                               schäf tigungssicherung treten.
                                                     Hintergrund anwesend waren, stimmten dem             nate nach vorn oder hinten verschoben werden.
                                                     Verhandlungsergebnis zu. Der Tarifpolitische Vor-
                                                                                                                                                               5. Ausbildung
                                                     stand von Gesamtmetall empfahl allen Mitglieds-      3. Finanzierung des flexiblen Übergangs
                                                     verbänden die Übernahme des Pilotabschlusses,           in die Rente                                      Der TV ZiA enthält erweiterte Prüfpflichten des
                                                     für das Tarifgebiet Baden-Württemberg allerdings                                                          Arbeitgebers bei der Übernahme von Ausgebilde-
                                                                                                          Im Rahmen des Verhandlungsergebnisses wurde
                                                     ohne die Regelungen zur Beschäf tigungssicherung.                                                         ten, ohne dadurch den bestehenden Übernahme-
                                                                                                          auch die Gegenfinanzierung des Tarifvertrages für
                                                                                                                                                               anspruch auszuweiten.
                                                                                                          einen flexiblen Übergang in die Rente sicherge-
                                                     Die Einigung erfolgte deutlich vor dem Auslaufen
                                                                                                          stellt – zum einen über die Regelungen zur Be-
                                                     der aktuellen Entgelttarifverträge zum 30. April
                                                                                                          schäftigungssicherung, zum anderen über die
                                                     2010. Mit einer Gesamtlaufzeit von 23 Monaten,
                                                     einer moderaten Einmalzahlung in Höhe von 320

30                                                                                                                                                                                                           31
Tarifabschluss 2010 im Überblick                                                                                                                    Instrumente der Beschäftigungssicherung
                                                                                                                                                    nach TV „Zukunft in Arbeit“
                                                       Verschiebbarkeit
                                                        um 2 Monate
                                                           1.4.2011                                                                                                                                                               Arbeitszeitabsenkung
                                                                                                                                                     bisher               Gesetzliche Kurzarbeit        einigungs-
18.2.2010:                                                                                                                                                                                                                          nach § 2 TV Besch
                                                                                                                                                                                                        stellenfähig
Pilotabschluss

                                                                                                                                                    Nicht einigungsstellenfähig                             Nicht einigungsstellenfähig
         1.3.2010:
                                                                                                                                                    ➞ nach 12 Monaten KuG                                    ➞ nach 18 Monaten KuG
         Inkrafttreten
                                                                                                                                                    ➞ früher mit Zustimmung TVP                                 ➞ mit Zustimmung TVP
         TV ZiA
                                                                                                                                                                                                                     ➞ ggf. freiwilliges Solidarmodell
                                                                                   2,7 % Tabellenerhöhung

                   160                         160                                                                                                                 ZiA-Kurzarbeit mit                                        ZiA-Arbeitszeitabsenkung
                                                                                                                                                                   reduzierten Remanenzkosten                                durch geänderten § 2 TV Besch
                    €                           €
                                                                                                                                                                   s :WÚLFTELUNG DER 3ONDERZAHLUNGEN                         mit Teilentgeltausgleich
                             2010                                         2011                          2012                                                       s "6 -INDESTLAUFZEIT  -ONATE        einigungs-           s "ESCH 3ICH 46 "ESCH
                                                                                                                                                     TV ZiA          KàRZER MIT :USTIMMUNG 460                               ➞  3TUNDEN  
                                                                                                                                                                                                        stellenfähig
                                                                                                                                                                   s +EIN !USSPRUCH BETRIEBSBEDINGTER                        ➞  3TUNDEN  
     2     3   4   5     6    7     8   9 10 11 12 1    2   3   4   5     6    7    8   9 10 11 12 1        2   3                                                    +àNDIGUNGEN GEGENàBER +URZ                              ➞  3TUNDEN  
                                                                                                                                                                    ARBEITERN WÊHREND DER ,AUFZEIT                           ➞  3TUNDEN  
                              1. Stufe: 11 Monate                             2. Stufe: 12 Monate                                                                   der BV                                                                       {
                                                                                                                                                                                                                             ➞  3TUNDEN   Freiw. BV
                                                                                                                                                                                                                             ➞  3TUNDEN  
                                                Gesamtlaufzeit: 23 Monate
                                                                                                                                                    KuG: Kurzarbeitergeld, TVP: Tarifvertragsparteien, BV: Betriebsvereinbarung; Quelle: Gesamtmetall
Quelle: Gesamtmetall

Euro für die ersten elf Monate und einer Tabellen-                        Stellungnahme vom 18. März 2010 hat der Haupt-        ❚ Eingriffe in die personalpolitische Gestaltungs-              Nutzung der Kurzarbeit für einen Zeitraum von
erhöhung um 2,7 Prozent ab April 2011 wurden                              fachausschuss als zuständiges Gremium des IDW           freiheit gerade vor dem Hintergrund von Struk-                mindestens zwölf Monaten sowie eine Mindest-
die Belastungen in einem vertretbaren Umfang                              die Gegenfinanzierung als rückstellungsbegren-          turanpassungen abgewehrt werden konnten.                      laufzeit der Betriebsvereinbarung von sechs Mo-
gehalten. Mit der Verschiebbarkeit der Tabellener-                        zend anerkannt und damit die reibungslose Um-                                                                         naten voraus. Für die Laufzeit der Betriebsverein-
höhung um zwei Monate nach vorne oder hinten                              setzung des Tarifergebnisses sichergestellt.          Im Anschluss an die Kurzarbeitsregelung sieht der               barung dürfen gegenüber den von der Kurzarbeit
konnte ein zusätzliches Element der Flexibilisie-                                                                               TV ZiA die Möglichkeit einer Arbeitszeitabsenkung               Betroffenen keine betriebsbedingten Kündigun-
rung im Tarifabschluss verankert werden. Die Be-                          Wesentlicher Bestandteil des Krisenpakets 2012 ist    mit Teilentgeltausgleich vor.                                   gen ausgesprochen werden.
lastungen steigen danach unter Berücksichtigung                           der Tarifvertrag „Zukunft in Arbeit“ (TV ZiA). Die-
des Vorjahresabschlusses für die ersten zwölf Mo-                         ser stellt den Unternehmen zusätzlich zu den be-
nate um 0,85 Prozent. Für die Gesamtlaufzeit er-                          stehenden Optionen der Kurzarbeit und der An-         ZiA-Kurzarbeit                                                  ZiA-Arbeitszeitabsenkung
gibt sich eine Belastung von 1,75 Prozent.                                wendung des Tarifvertrags Beschäftigungssicherung
                                                                          (TV Besch) ein Paket aus zwei neuen Modellen zur      Durch freiwillige Betriebsvereinbarung können die               Der TV ZiA erweitert die tariflichen Möglichkei-
Im Rahmen des Verhandlungsergebnisses wurde                               Verfügung, auf die sie im Wege einer freiwilligen     Unternehmen die beiden tariflichen Sonderzah-                   ten, durch Betriebsvereinbarung die Arbeitszeit zu
erneut sichergestellt, dass die Gegenfinanzierung                         Betriebsvereinbarung zurückgreifen können.            lungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld) gleichmä-                  senken, und sieht dafür die Zahlung eines Teilent-
des Tarifvertrages zum flexiblen Übergang in die                                                                                ßig auf das monatliche regelmäßige Arbeitsent-                  geltausgleiches vor. Diese Senkung der Arbeits-
Rente auf die Laufzeit des Entgeltabkommens                               Damit hat METALL NRW ein wesentliches Ver-            gelt verteilen (Zwölftelung). Dadurch steigt das                zeit mit Teilentgeltausgleich knüpft grundsätzlich
befristet ist – und das Rückstellungsvolumen für                          handlungsziel erreicht, indem:                        Arbeitsentgelt – und damit auch die Bemessungs-                 an die vorherige Senkung der Remanenzkosten
Altersteilzeitverträge entsprechend begrenzt. In                                                                                grundlage des Kurzarbeitergeldes. Gleichzeitig                  bei Kurzarbeit gemäß TV ZiA an. Analog zu den
einem intensiven Abstimmungsprozess mit dem                               ❚ die tariflichen Remanenzkosten bei Bezug von        sinken die Remanenzkosten für den Arbeitgeber.                  entsprechend anzuwendenden Regelungen des
zuständigen Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW)                               Kurzarbeitergeld gesenkt,                                                                                        TV Besch kann eine Beschäftigungssicherung von
konnte Gesamtmetall die Anerkennung der                                                                                         Diese Regelung hat das Bundesarbeitsministerium                 den Betriebsparteien vereinbart, ggf. auch über
Gegenfinanzierung auch ohne Ausweis von nicht                             ❚ eine über den TV Besch hinausgehende Arbeits-       auf Anfrage von Gesamtmetall für zulässig erklärt.              die Einigungsstelle für maximal sechs Monate er-
ausgezahlten Einmalzahlungen erwirken. In seiner                               zeitabsenkung ermöglicht und                     Der Zugriff auf diese Option setzt die vorherige                zwungen werden.

32                                                                                                                                                                                                                                                           33
rungen der Tarifvertragsparteien für die weitere        Das neue Arbeitnehmer-Entsendegesetz und               nehmen zu steigern sowie wettbewerbsfähige
                                                     Nutzung der Kurzarbeit Rechnung getragen und            das geänderte Mindestarbeitsbedingungengesetz          Arbeitsplätze in Deutschland aufzubauen und zu
                                                     am 21. April 2010 im Kabinett beschlossen, die          (MiArbG) sind im Jahr 2009 in Kraft getreten. Der      sichern. Die Gestaltung der Arbeitsprozesse in den
                                                     Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen bis         Gesetzgeber hat damit eine ausdrückliche gesetz-       Unternehmen muss nicht nur gesetzliche und ta-
                                                     März 2012 zu verlängern.                                liche Ermächtigung geschaffen, Tarifverträge           rifliche Regelungen berücksichtigen, sondern ist
                                                                                                             durch staatliche Festsetzungen zu verdrängen.          zunehmend externen Einflüssen ausgesetzt: Ob
                                                     Am 18. Februar 2010 übernahm Baden-Württem-             Auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsende-           Empfehlungen verschiedenster Institutionen zur
                                                     berg die Entgeltregelungen des Düsseldorfer Pi-         gesetzes sind in weiteren sechs Branchen Mindest-      Arbeits- und Organisationsgestaltung, Forschungs-
                                                     lotergebnisses und vereinbarte gleichzeitig die         entgelte durch Rechtsverordnung festgelegt             programme der Bundesregierung, Projektergeb-
                                                     nur für Baden-Württemberg geltenden Sonder-             worden, unter anderem in der Gebäudereinigung,         nisse wissenschaftlicher Studien oder Kampagnen
                                                     regelungen zur Beschäftigungssicherung. Diese           für Sicherheitsdienstleistungen und in der Abfall-     der Gewerkschaft – sie alle haben Auswirkungen
                                                     neu in den TV KQB eingefügten Regelungen tra-           wirtschaft.                                            auf die innerbetrieblichen Entscheidungsprozesse
                                                     gen den Interessen der Mitgliedsunternehmen                                                                    zur Gestaltung der Arbeits- und Leistungsbedin-
                                                     vor dem Hintergrund der tariflichen Besonderhei-        Das geänderte Mindestarbeitsbedingungengesetz          gungen. Hierdurch wird mittelbar Einfluss auf das
                                                     ten Rechnung. Da die baden-württembergischen            ermächtigt das Bundesarbeitsministerium, in Wirt-      Niveau der Produktivität und der Kosten der Un-
                                                     Unternehmen überwiegend früher und intensi-             schaftszweigen mit einer Tarifbindung unter 50         ternehmen genommen und nicht unwesentlich
                                                     ver Kurzarbeit genutzt haben als Unternehmen            Prozent staatliche Mindestentgelte festzulegen.        auch die Einstellung der Beschäftigten zu ihrer Ar-
                                                     in anderen Tarifgebieten, legt der TV KQB einen         Der frühere Bundesarbeitsminister Olaf Scholz          beit bestimmt.
                                                     besonderen Fokus auf eine erzwingbare Senkung           hat noch vor den Bundestagswahlen 2009 den
                                                     der Remanenzkosten.                                     nach dem MiArbG erforderlichen Hauptausschuss          Gesamtmetall verfolgt alle diese Entwicklungen
                                                                                                             mit Vertretern der Arbeitgeber, Arbeitnehmer und       und trägt auf fachlichen Foren sowie in der Öf-
                                                                                                             Wissenschaft zu seiner konstituierenden Sitzung        fentlichkeit die Positionen und Argumente der
                                                     Tarifautonomie stärken                                  einberufen.                                            M+E-Arbeitgeber vor. Aufgabe und Ziel unserer
                                                                                                                                                                    Arbeitspolitik ist, dass bei derartigen Entwicklun-
                                                     Die Tarifautonomie ist ein Eckpfeiler des wirtschaft-   Ob künftig Mindestentgelte nach diesem Gesetz          gen und Vorhaben die Wettbewerbsfähigkeit der
Förderung der Ausbildung                             lichen Systems der Bundesrepublik Deutschland.          festgelegt werden, ist offen. Unabhängig davon         Unternehmen gestärkt werden muss, jedenfalls
                                                     Sie hat sich auch in der aktuellen Wirtschaftskrise     hält Gesamtmetall an seinen grundsätzlichen Be-        nicht geschwächt werden darf. Ebenso wichtig
Zur Förderung und Sicherung der Ausbildung sieht     bewährt – der Tarifabschluss in der Metall- und         denken gegen die Neuregelung fest. Denn sie            ist es, die Motivation und Kompetenz der Mitar-
der TV ZiA erweiterte Pflichten der Arbeitgeber      Elektro-Industrie vom 18. Februar 2010 ist hier-        stellt die bisher akzeptierte Aufgabenteilung zwi-     beiter nachhaltig zu festigen.
vor, die Übernahmemöglichkeit von Ausgebilde-        für ein deutlicher Beleg. Die Tarif autonomie muss      schen Politik und Tarifparteien in Frage, wonach
ten zu prüfen. Die von der IG Metall angestrebte     daher auch in Zukunft Vorrang vor staatlicher           die Tarifparteien die Arbeitsbedingungen und Ent-      Dem Versuch der IG Metall, mit Verweis auf
Ausweitung der Übernahmeansprüche konnte da-         Lohnfestsetzung haben.                                  gelte in freier Vereinbarung durch Tarifverträge re-   angebliche Defizite im betrieblichen Arbeits- und
gegen abgewehrt werden. Diese neuen tariflichen                                                              geln. Damit droht die Lohnfindung zum Spielball        Gesundheitsschutz auch über die Arbeits- und
Optionen und Pflichten enden mit der Laufzeit        Die Arbeitgeber haben sich deshalb unter Feder-         parteipolitischer und wahltaktischer Überlegun-        Organisationsgestaltung mitbestimmen zu wollen,
des TV ZiA.                                          führung der BDA sehr differenziert in die Verfah-       gen zu werden.                                         stellen wir uns deutlich entgegen. Die Arbeitspo-
                                                     ren zur Einführung neuer Mindestlöhne einge-                                                                   litik von Gesamtmetall wird in den verschiedens-
Mit dem Verhandlungsergebnis haben die Tarif-        bracht. Im Tarifausschuss beim Bundesministerium                                                               ten Gremien und Institutionen darauf hinwirken,
vertragsparteien einen gemeinsamen Aufruf an         für Arbeit und Soziales haben sie Wert darauf ge-
                                                                                                             Arbeitswissenschaft                                    dass zunächst Klarheit über die tatsächlichen Aus-
die Politik verbunden, die Bezugsdauer des Kurz-     legt, dass nicht in Tarifverträge eingegriffen wird.    und Arbeitspolitik                                     löser psychischer oder Muskel-Skelett-Erkrankun-
arbeitergeldes mit der Erstattung der Sozialversi-                                                                                                                  gen geschaffen wird, bevor infolge falscher Ursa-
cherungsbeiträge zu synchronisieren und den ta-      Gesamtmetall setzt sich auch weiterhin für den          Arbeitspolitik auf arbeitswissenschaftlicher Grund-    chenvermutungen die Unternehmen mit weiteren
riflichen Teilentgeltausgleich von Sozialabgaben     Vorrang der Tarifautonomie vor staatlicher Lohn-        lage ist für Gesamtmetall ein wichtiges Handlungs-     Regelungen und Kosten – auch in Form einer EU-
zu befreien. Die Bundesregierung hat den Forde-      festsetzung ein.                                        feld, um die Leistungsfähigkeit der M+E-Unter-         Richtlinie – belastet werden.

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