EILDIENST 5 /2017 - Aus dem Inhalt: Landkreistag NRW

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EILDIENST 5 /2017 - Aus dem Inhalt: Landkreistag NRW
EILDIENST
                                             5 /2017

Aus dem Inhalt:
    ukünftige Entwicklungen und Herausforderungen für den ÖPNV
    Z
    im ländlichen Raum
   Schwerpunkt: Naturschutz / Landschaftsschutz
 Neuordnung   der Schulaufsicht
EILDIENST 5 /2017 - Aus dem Inhalt: Landkreistag NRW
EILDIENST Heft 5/2017                                                                      Auf ein Wort

                                    NRW-Landtagswahl am
                                    14. Mai 2017: Neue Mehrheit
                                    im Parlament
                                      Die Frage, wie viele der zur Landtagswahl antretenden Parteien den Sprung
                                      über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen und damit in den Landtag des bevöl-
                                      kerungsreichsten Bundeslandes einziehen würden, war entscheidend für
                                      den Ausgang der Landtagswahl: Neben den großen Parteien SPD und CDU
                                      sagten alle Umfragen der FDP ein zweistelliges Ergebnis voraus. Am Abend
                                      des 14. Mai hat es auch für die AfD mit 7,4 % und die Grünen mit 6,4 %
                                      gereicht. Die Linke verdoppelte zwar ihren Stimmenanteil, erreichte aber
                                      nur 4,9 %, so dass ihr der Einzug in den Landtag verwehrt blieb. Mit 1,0 %
                                      der Stimmen verschwanden die Piraten nach nur einer Legislaturperiode
                                      wieder aus dem Parlament, in das sie vor fünf Jahren noch mit 7,8 % ein-
                                      gezogen waren. Die CDU mit 33,0 % konnte die SPD mit 31,2 % als stärk-
                                      ste Fraktion ablösen; die FDP legte auf nunmehr 12,6 % zu. Die seit dem
                                      Jahr 2010 zunächst als Minderheitsregierung amtierende und im Jahr 2012
deutlich bestätigte rot-grüne Koalition unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wurde abgewählt. Erfreulich:
Die Wahlbeteiligung lag mit 65,2 % so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. Armin Laschet als bisheriger Oppo-
sitionsführer und CDU-Spitzenkandidat hat gute Chancen, neuer nordrhein-westfälischer Ministerpräsident zu
werden.
Im aktuellen Landtagswahlkampf dominierten die Themen Innere Sicherheit, Bildung sowie Wirtschaft und
Verkehr. Diese Handlungsfelder haben vielfältige kommunale Bezüge und bildeten sich auch in den Forderun-
gen des Landkreistages NRW zur Landtagswahl ab. Gefordert wurde vor allem eine stärkere Polizeipräsenz im
ländlichen Raum, um dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis auch jenseits der Großstädte Rechnung zu tragen.
Ein besonderes Anliegen war die kindeswohlgerechte Umsetzung der Inklusion – des gemeinsamen Unterrichts
behinderter und nicht-behinderter Kinder – unter Gewährleistung einer echten Wahlfreiheit für die Eltern mit
zumutbar ortsnah erreichbaren Förderschulen. Zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung verlangte der Land-
kreistag NRW die Mobilisierung von Flächen zugunsten der Ansiedlung von gewerblichen und industriellen
Unternehmen unter Nutzung von den Kreisen zu koordinierenden gemeindeübergreifenden, flächensparenden
Planungen. Zudem stand der glasfaserbasierte Ausbau des Breitband-Internets sowie die Sanierung und Moder-
nisierung der Verkehrsinfrastruktur im kreisangehörigen Raum im Mittelpunkt der verbandspolitischen Forde-
rungen.
Da die SPD am Tag nach der Wahl – und wohl nicht zuletzt mit Blick auf die im September anstehende Bun-
destagswahl – klar abgelehnt hat, Sondierungsgespräche mit der CDU als stärkste Partei Gespräche im Hinblick
auf eine denkbare Große Koalition zu führen, bleibt nach den politischen Festlegungen vor der Wahl und dem
Wahlergebnis rechnerisch nur ein Bündnis zwischen CDU und FDP. Beide Fraktionen zusammen verfügen in
dem jetzt neugewählten Landtag mit den weiteren drei Fraktionen – der SPD, der AfD und den Grünen – aller-
dings lediglich über eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme: 100 von 199 Sitzen. Inzwischen haben CDU
und FDP erklärt, die Möglichkeiten für ein schwarz-gelbes Bündnis auszuloten.
Ein Blick auf die Wahlprogramme der CDU und der FDP erweist, dass sich in wesentlichen kommunalrelevanten
Handlungsfeldern eine Reihe von Gemeinsamkeiten mit den zentralen Forderungen des Landkreistages NRW an
den neuen Landtag und die neue Landesregierung ergibt. In jedem Fall sollten die möglichen Koalitionspartner
den Forderungskatalog des Landkreistages NRW eingehend durcharbeiten und bei ihren Überlegungen berück-
sichtigen.
Für die kommenden fünf Jahre ist von großer Bedeutung, dass ein künftiger Koalitionsvertrag kommunalfreund-
liche Aussagen trifft und die Koalitionspartner diese auch Schritt für Schritt umsetzen. Denn die Kommunen und
das Land stehen in vielfacher Wechselbeziehung zueinander und sind aufeinander angewiesen: Geht es den
Kreisen, Städten und Gemeinden gut, geht es auch dem Land gut.

                                                                     Dr. Martin Klein
                                                                     Hauptgeschäftsführer
                                                                     des Landkreistages Nordrhein-Westfalen

                                                                                                             181
EILDIENST 5 /2017 - Aus dem Inhalt: Landkreistag NRW
Inhalt                                                                                                            EILDIENST Heft 5/2017

EILDIENST                                                                                             5/2017

                                                Auf ein Wort
                                                        Wort                                                                       181

                                                Thema Aktuell
 Kavalleriestraße 8
 40213 Düsseldorf                               Zukünftige Entwicklungen und Herausforderungen für den ÖPNV
 Telefon 0211/ 300 491-0                        im ländlichen Raum                                                                185
 Telefax 02 11/ 300 491-660
 E-Mail: presse@lkt-nrw.de
 Internet: www.lkt-nrw.de
                                                Aus dem Landkreistag
 Impressum
 EILDIENST – Monatszeitschrift                  Neuordnung der Schulaufsicht                                                      187
 des Landkreistages
 Nordrhein-Westfalen

 Herausgeber:
 Hauptgeschäftsführer
                                                Schwerpunkt:
 Dr. Martin Klein                               Naturschutz / Landschaftsschutz
 Redaktion:
 Erster Beigeordneter Dr. Marco Kuhn
 Beigeordneter Dr. Christian v. Kraack
                                                „Kalkgeprägte Trockenlebensräume im KulturlandKreis Höxter“ –
 Hauptreferent Dr. Markus Faber                 ein LIFE + -Projekt zum Schutz der biologischen Vielfalt                          193
 Referentin Dr. Andrea Garrelmann
 Referentin Dorothée Heimann                    Der Kreis Steinfurt beschreitet „Wege zur Vielfalt“                               196
 Referent Thomas Krämer
 Referentin Kirsten Rüenbrink
 Hauptreferent Dr. Kai Zentara                  Landschaftsplanung im Aufwind – aktuelle Entwicklung
                                                im Kreis Minden-Lübbecke                                                          198
 Quelle Titelbild:
 Frank Grawe, Kreis Höxter                      Artenschutz in der Fläche: Gemeinschaftsaktion zum Kiebitzschutz
 Redaktionsassistenz:                           im Kreis Warendorf                                                                200
 Gaby Drommershausen
 Astrid Hälker                                  Wasser erleben an der Erft – Das Naturparkzentrum
 Heike Schützmann                               an der Gymnicher Mühle                                                            201
 Herstellung:
 ALBERSDRUCK GMBH & CO KG                       Quadratur des Kreises: Naturschutz und Naherholung
 Leichlinger Straße 11                          im Kreis Herford                                                                  203
 40591 Düsseldorf
                                                Schutz der Biodiversität als Kreisaufgabe im Kreis Viersen                        205
 ISSN 1860-3319
                                                Planen mit der Kulturlandschaft in der Region Ruhr –
                                                Der kulturlandschaftliche Fachbeitrag zum Regionalplan                            208

                                                Kulturlandschaftspflege und Naturschutz vernetzt im Rheinland                     211

                                                Erhaltende Kulturlandschaftsentwicklung
                                                in Nordrhein-Westfalen                                                            213

                                                Im Fokus

                Kreise in Nordrhein-Westfalen
                                                Gemeinsames MINT-Engagement legt los –
                                                Das zdi-Netzwerk :MINT im Rhein-Sieg-Kreis ist gestartet                          215

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EILDIENST 5 /2017 - Aus dem Inhalt: Landkreistag NRW
EILDIENST Heft 5/2017                                                               Inhalt

EILDIENST                                                                       5/2017

Kurznachrichten

Allgemeines

Zahlenspiegel 2017 des Kreises Warendorf                                  216

NRW: 27.027 Einbürgerungen im Jahr 2016 – stärkster Anstieg bei Briten    216

„NRWeltoffen“: Startschuss für Projekt im Ennepe-Ruhr-Kreis               216

Arbeit und Soziales

2015 gab es in NRW 224.000 Empfänger von Asylbewerberleistungen           217

Aktionsplan Inklusion – Fahrplan für die Umsetzung der
UN-Behindertenrechtskonvention im Rhein-Sieg-Kreis liegt vor              217

NRW: Lohnunterschied zwischen Ungelernten und leitenden Angestellten
wieder gestiegen                                                          218

Bauen und Planen

Genehmigungen im Wohnungsbau in NRW im Jahr 2016
um 19,3 Prozent gestiegen                                                 218

Geotechnik und Vermessung

Geoservice macht‘s möglich – Kreis Unna per Mausklick entdecken           218

Kinder und Jugend

„Kein Kind zurücklassen“ Modellvorhaben im Kreis Unna
in der Fläche angekommen                                                  219

Kultur und Sport

Naturpark Bergisches Land setzt sich für Qualitätssteigerung
im Wandertourismus ein                                                    219

Landwirtschaft

Agrarstrukturerhebung 2016: Konzentration in der
NRW-Landwirtschaft schreitet fort                                         220

Hennen in NRW legten 2016 fast 37 Millionen Eier mehr als 2015            220

Im Jahr 2016 wurden Mahl- und Schälmühlenerzeugnisse
im Wert von 790 Millionen Euro hergestellt                                220

                                                                                        183
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Inhalt                                                                 EILDIENST Heft 5/2017

EILDIENST                                                   5/2017

          Schule und Weiterbildung

          Im Jahr 2016 erhielten in NRW 10,4 Prozent mehr Studierende
          ein Deutschlandstipendium                                                    220

          Auch 2016 machten in NRW wieder mehr Mädchen Abitur als Jungen               221

          Umwelt und Natur

          2. Mobilitätskonferenz des Kreises Siegen-Wittgenstein
          zu Elektromobilität                                                          221

          Jetzt auch offiziell „fahrradfreundlich“ –
          Positives Votum für den Rhein-Sieg-Kreis                                     222

          Neue Fahrradkarte für den Märkischen Kreis                                   222

          Wirtschaft und Verkehr

          2015 erwirtschafteten 128 Unternehmen in NRW
          Umsätze in Milliardenhöhe                                                    223

          NRW-Industrie: Produktion im Jahr 2016 um 1,7 Prozent gesunken               223

          Hinweise auf Veröffentlichungen
                       Veröffentlichungen                                               224

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EILDIENST 5 /2017 - Aus dem Inhalt: Landkreistag NRW
EILDIENST Heft 5/2017                                                                                            Thema aktuell

       Zukünftige Entwicklungen und Herausforde-
       rungen für den ÖPNV im ländlichen Raum
 Der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr des Landkreistages NRW hat in seiner Sitzung am 5. April 2017 im Kreis Warendorf die
 in absehbarer Zeit zu erwartenden tiefgreifenden Veränderungen im Verkehrssektor, insbesondere im kreisangehörigen Raum in
 Nordrhein-Westfalen, mit Geschäftsführer Volker Wente, Landesgruppe NRW des VDV, diskutiert. Dabei wurden folgende Aspekte
 von den Mitgliedern des Ausschusses intensiv beleuchtet:

I. Z
    urückgehende                                • d ie Stärkung des Jedermannverkehrs im      Fahrtrouten verschiedene Verkehrsträger
                                                    kreisangehörigen Raum mittels Attrak-       miteinander vergleichen und ggf. verschie-
   Schülerzahlen
                                                    tivierung der Angebote im Jedermann-        dene Verkehrsträger auch miteinander ver-
In weiten Teilen des kreisangehörigen               verkehr, der Implementierung und Ver-       netzen, sind hierbei nur ein erster Schritt.
Raums werden in den nächsten Jahren                 besserung von Jobtickets,                   Neben dem Fußverkehr, dem Radverkehr,
die Schülerzahlen noch weiter einbrechen.        • die Ausgabe von Schülerfahrausweisen        zunehmend für weitere Strecken auch den
Dies betrifft nicht alle Landesteile gleicher-      mit Mehrnutzen (wird in NRW vielerorts      E-Bikes sowie den klassischen Verkehrs-
maßen, aber insbesondere weite Teile des            schon praktiziert) und/oder                 trägern ÖPNV und Autoverkehr, werden
westfälisch-lippischen Raumes werden in          • eine intensivere Abstimmung der Schul-      auch temporäre Mietangebote (shared
den nächsten Jahren weiterhin von sin-              träger mit den Aufgabenträgern im           economy), sowohl als Free-Floating-Ange-
kenden Schülerzahlen betroffen sein. Auch           ÖPNV über Schulstandorte, Anfangszei-       bote als auch als stationäre Angebote, und
der Flüchtlingszustrom wird diesen Prozess          ten etc.                                    schließlich auch Angebote auf Taxen- oder
voraussichtlich nur verzögern, nicht jedoch      Alle diese Angebote bedürften jedoch einer     Mietwagenbasis eine Rolle spielen. Dies
aufhalten (da Flüchtlingszahlen wieder           weiteren landesseitigen Unterstützung der      betrifft zwar in erster Linie die Ballungsräu-
zurückgegangen sind und Flüchtlinge,             besonderen Bedürfnisse des kreisangehöri-      me, wird aber auch den ländlichen Raum
soweit sie ihren Wohnsitz wählen kön-            gen Raums. Als Beispiel ist hier die Ausfor-   nicht unberührt lassen.
nen, tendenziell eher in die Ballungsräume       mulierung des § 7b des Niedersächsischen       Für den ÖPNV ist dies Chance und Risi-
ziehen).                                         Nahverkehrsgesetzes zu nennen:                 ko zugleich. In Teilen wird der ÖPNV
In vielen Kreisen ist jedoch der Schülerver-     § 7b Finanzielle Unterstützung für die Wei-    zukünftig (nur) noch ein Teil der Ange-
kehr das Rückgrat des ÖPNV. Nur über             terentwicklung des straßengebundenen           botskette sein, andererseits können sich
den Schülerverkehr als Teil des ÖPNV kön-        öffentlichen Personennahverkehrs               jedoch durch die Vernetzung auch Chan-
nen vielfach Angebote in den Tagesrand-          (1) Das Land gewährt den kommunalen            cen ergeben, gerade im ländlichen Raum,
zeiten und im Jedermannverkehr aufrecht          Aufgabenträgern (…) ab dem Kalenderjahr        wo viele Relationen durch den ÖPNV nicht
erhalten werden. Brechen die Schülerzah-         2017 eine weitere jährliche Finanzhilfe (…)    mehr wirtschaftlich abbildbar sein werden
len weiter ein, sind diese schülerverkehrs-      in Höhe der in der Anlage 2 genannten          (z.B. mittels vermehrter Übergänge durch
bezogenen Querfinanzierungseffekte ge-           Beträge. (…) Dieser Anteil ist mit jeweils     Park&Ride oder Bike/E-Bike&Ride Ange-
fährdet.                                         einem Drittel nach der Einwohnerzahl, der      bote). Wichtig ist aus Sicht des Landkreis-
Zugleich bedeutet ein Rückgang der Schü-         Fläche und der demografischen Entwick-         tages NRW, dass sich die Aufgabenträger
lerzahlen nicht zwangsläufig ein Weniger         lung des Gebiets zu bemessen, für das die      im ÖPNV und die Verkehrsunternehmen
an Verkehr. Oftmals folgt aus zurückge-          Aufgabe übertragen wurde.                      im ländlichen Raum frühzeitig mit den Her-
henden Schülerzahlen eine Zusammen-              (2) Die nach Absatz 1 zugewiesenen Mit-        ausforderungen vernetzter und digitalisier-
legung von Schulstandorten und damit             tel sollen insbesondere für die Entwicklung    ter Verkehre auseinandersetzen.
weitere Reisewege zu den Schulstandor-           von Angeboten, die den Linienverkehr in        Der Nachfrager, vor allem der Gelegen-
ten. Zudem bedeuten geringere Schüler-           Räumen und Zeiten schwacher Nachfrage          heitsnachfrager, möchte zukünftig Fahr-
zahlen oftmals geringere Fahrgastzahlen          ergänzen und besonders auf wechseln-           informationen        verkehrsträgerübergrei-
auf den einzelnen Linienwegen, ohne dass         de Nachfrage zugeschnitten sind (flexib-       fend aus einer Hand erhalten, möglichst
damit die Möglichkeit der Reduzierung der        le Bedienformen), verwendet werden.            genaue Informationen zu Umstiegen und
Fahrten an sich verbunden wäre. Kleinere         Sie dürfen auch für andere Maßnahmen           Verkehrsträgerwechsel erhalten (idealer
Fahrzeuge bieten dagegen vielfach kaum           des Aufgabenträgers eingesetzt werden,         Weise in Form einer mobilen Applikation)
wesentliche Einspareffekte (etwa 60% der         mit denen der straßengebundene öffent­         und schließlich auch die Beförderungen
Kosten im ÖPNV sind Personalkosten).             liche Personennahverkehr verbessert oder       möglichst mobil und mit einer einheitlichen
Die Folgen der aufgezeigten Entwicklung          erweitert wird.                                Anwendung bezahlen. Offen ist dabei, ob
können sein: Probleme bei der Gesamtfi-                                                         eine solche Applikation von Seiten der Ver-
nanzierung des Systems ÖPNV im kreisan-          II. D
                                                      igitalisierung                           kehrsunternehmen oder der Aufgabenträ-
gehörigen Raum, höhere Kosten pro beför-             des Verkehrs                               ger angestoßen werden soll und kann, oder
dertem Schüler, Wiederanstieg von freige-                                                       ob es nicht sinnvoller ist, hier die Erstellung
stellten Schülerverkehren außerhalb des          Die zunehmenden Potenziale der Digitali-       solcher Instrumente privaten Anbietern zu
ÖPNV, höhere Anteil von Selbst­fahrern.          sierung werden zukünftig die Möglichkeit       überlassen.
Einen Königsweg, dem aufgezeigten Pro-           eröffnen, dass Fahrgäste nicht mehr pri-       Der Vorteil bei erstgenannter Lösung
blem zu begegnen, gibt es bislang nicht.         mär mit einem vorher festgelegten Ver-         wäre, dass die Aufgabenträger oder die
Denkbar wäre                                     kehrsmittel eine bestimmte Fahrstrecke         Verkehrsunternehmen die Kontrolle über
• der Aufbau einer demographischen För-         zurücklegen, sondern in die Lage versetzt      die entsprechenden Anwendungen in
   derkomponente wie in Niedersachsen            werden, grundsätzlich Mobilität nachzu-        einer Hand halten würden. Der Vorteil
   (vgl. dort § 7b Niedersächsisches Nah-        fragen. Die heute teilweise schon vorhan-      der letztgenannten Lösung wäre es, dass
   verkehrsgesetz),                              denen Applikationen, die für gewünschte        es mehrere (unterschiedliche) Modelle

                                                                                                                                          185
EILDIENST 5 /2017 - Aus dem Inhalt: Landkreistag NRW
Thema aktuell                                                                                                        EILDIENST Heft 5/2017

solcher Anwendungen geben könnte, die             sei es aus Gründen der Bequemlichkeit,         können bei einem solchen Modell auch
dann auch in einen Ideenwettbewerb um             des Status oder schlicht einer nicht hin-      deutliche Kosten- und Akzeptanzvortei-
die beste Lösung miteinander treten könn-         reichenden Verfügbarkeit von „shared           le entstehen.
te. Voraussetzung für die letztgenannte           ownership“ Fahrzeugen zu Spitzenzei-        • Auch Infrastrukturen vor Ort sind deut-
Lösung wäre aber, dass die Aufgabenträ-           ten (was insb. der Berufsverkehr wäre).        lich besser zu erreichen: Dies gilt z.B. für
ger und Verkehrsunternehmen entspre-              Von der Verbreitung von „shared eco-           Fahrten von den Wohnorten im ländli-
chende Datenschnittstellen für private            nomy“ Angeboten hängt zum Teil ab,             chen Raum zu Sozialeinrichtungen, zu
Anbieter bereithalten und auch gleichzeitig       wie hoch das Ausmaß der Flexibilität           Bildungseinrichtungen oder Gesund-
Zahlung und Abrechnung über eine solche           beim Rückgriff auf entsprechende Fahr-         heitseinrichtungen. Das vollautonome
Schnittstelle ermöglichen müssten. Auch           zeuge ist (z.B. um Kinder unabhängig           Fahren bietet insoweit auch Möglich-
müsste insoweit geklärt werden, wie die           vom Fahrzeug der Eltern autonom zur            keiten für Kinder und Jugendliche unter
Kombination mit Angeboten privater Drit-          Schule bringen zu lassen).                     18 Jahren und Senioren, die heute nicht
ter, z.B. Taxiunternehmen, in einem sol-       • Weiterhin ist offen, ob und wie stark          mehr mit PKW am Straßenverkehr teil-
chen System integriert werden könnte.             zukünftig noch Zeitvorteile des ÖPNV/          nehmen können, entsprechende Ziele zu
                                                  SPNV gegenüber vollautonomen PKWs              erreichen. Damit könnte insgesamt ein
III. M
      ittel- und langfristige                    bei stark belasteten Pendlerrelationen,        Anreiz gesetzt werden, den ländlichen
     Auswirkungen des                             insbesondere in die Ballungsräume,             Raum wieder für verschiedene Bevölke-
                                                  bestehen. Auch beim vollautonomen              rungsgruppen attraktiver zu machen.
     „Autonomen Fahrens“                          Fahren werden Verkehrswege in die           • Auch Jugendliche und junge Erwachsene
Die langfristig größten Zäsuren für den           Ballungsräume und in den Ballungs-             können bei ihrer Freizeitgestaltung ein
ÖPNV, sowohl allgemein als auch im                räumen an ihre Kapazitätsgrenzen sto-          höheres Maß an Mobilität erreichen, da
kreisangehörigen, oft ländlichen Raum,            ßen. Hier ist allerdings noch unklar, ob       ein vollautonomes Fahren unabhängig
werden sich jedoch mittel- und langfristig        und in welchem Umfang vollautonome             von Fahrtüchtigkeit auch das Zurückle-
aus der Implementierung des „autonomen            Fahrzeuge durch geringere Sicherheits-         gen weiter Strecken nach Feierlichkeiten
Fahrens“ ergeben. Eine umfassende Dis-            abstände und besseres Fahrverhalten            oder Gaststättenbesuchen ermöglicht.
ruption der bestehenden Strukturen steht          die Verkehrswege effizienter nutzen            Dies kann im Ergebnis zu einer deut-
dann zu erwarten, wenn Fahrzeuge tat-             können. Zudem könnten durch „shared            lichen Steigerung des Freizeitwertes,
sächlich vollautonom fahren können (Defi-         economy“ Lösungen ggf. mehr Fahrge-            gerade für jüngere Menschen, führen.
nition: vollständig autonomes Fahren, bei         meinschaften gebildet werden. Sollte es
dem die dynamische Fahraufgabe unter              zukünftig beim Pendeln in die Ballungs-     2. Szenario
jeder Fahrbahn und Umgebungsbedin-                räume durch vollautonomes Fahren im         Denkbar wäre jedoch auch ein (für den
gung wie von einem menschlichen Fahrer            PKW weniger zeitliche Verluste durch        kreisangehörigen Raum negatives) Szena-
durchgeführt wird, vgl. US Standard SAE           Verkehrsbehinderungen       geben     als   rio, dass auch die Einführung des vollau-
J3016). Dies wird, trotz in der Öffentlich-       heute, würde insoweit noch ein weiterer     tonomen Fahrens nicht zu einer stärkeren
keit zum Teil anderslautenden Meldungen,          Vorteil für den ÖPNV/SPNV wegfallen.        Attraktivierung des kreisangehörigen,
voraussichtlich noch mindestens 15 bis 20                                                     ländlichen Raums führen wird.
Jahre dauern. Ein solcher Standard würde       a)	Mögliche Auswirkungen auf den              • Dies würde insbesondere dann erfolgen,
dazu führen, dass Fahrzeuge auch fah-             kreisangehörigen Raum allgemein                wenn die unter 1. genannten Vorteile
rerlos Leerfahrten übernehmen können,          Für den kreisangehörigen Raum können              entweder gar nicht eintreten oder zwar
Personen ohne Fahrerlaubnis, z.B. Schul-       sich nach einer ersten, vorsichtigen Ein-         eintreten, die Attraktivierung der Städte
kinder, befördern oder Personen während        schätzung aus der Entwicklung des auto-           und der Ballungsräume durch autono-
der Fahrt andere Aufgaben wahrnehmen           nomen Fahrens zwei Szenarien ergeben:             mes Fahren und moderne Fahrkonzepte
können.                                                                                          jedoch deutlich stärker wirkt.
Betrachtet man hierzu die vorliegenden         1. Szenario                                    • Schon in der Vergangenheit hat sich
Studien und Positionspapiere, so gibt es       • Durch die Möglichkeiten des autono-            gezeigt, dass theoretisch erwartete
verschiedene denkbare Szenarien. Diese            men Fahrens insgesamt können zukünf-           Vorteile des kreisangehörigen Raums
hängen, gerade auch im kreisangehörigen           tig weitere Strecken zwischen Wohnort          durch die Digitalisierung der Arbeitswelt
Raum, von zwei Grundannahmen ab:                  und Arbeitsplatz zurückgelegt werden.          und entsprechender Arbeitsmöglichkei-
• Zum einen ist offen, ob sich bei vollau-       Die Zeiten des Fahrens in einem auto-          ten über Internetverbindungen (mehr
   tomatisierten Fahrzeugen das Konzept           nomen PKW sind nicht mehr „verlore-            Home-Office Lösungen, Kommunikati-
   einer „shared ownership“, also nicht im        ne Zeit“, sondern können vielfach mit          onsmöglichkeiten über größere Distan-
   Eigentum der Nutzer stehende Fahrzeu-          sinnvollen Tätigkeiten genutzt werden.         zen) nicht unbedingt zur Stärkung des
   ge, ganz oder überwiegend durchsetzt.          Deshalb sind deutlich längere, zeitliche       kreisangehörigen Raums geführt haben,
   Zwar gehen viele Studien davon aus,            Reiseweiten vertretbar.                        sondern gerade digital affine Menschen
   dass beim vollautonomen Fahren ein          • Durch autonom fahrende PKW kann                der jüngeren Generation oftmals (wenn-
   Großteil der Passagiere nicht durch ein        auch der regionale ÖPNV oder der SPNV          gleich nicht immer) ein Wohnen in urba-
   eigenes Fahrzeug befördert wird, son-          im kreisangehörigen Raum gestärkt              nen Räumen bevorzugt haben.
   dern durch Fahrzeuge von Mobilitätsan-         werden. Durch autonom fahrende PKW
   bietern (vergleichbar dem heutigen Car-        können weitere Entfernungen zwischen        b)	Schlussfolgerungen: Mögliche
   sharing). Zwingend ist dies jedoch, gera-      Wohnort und Park-and-Ride-Stationen             Auswirkungen besonders auf den
   de im ländlichen Raum, nicht. Vielmehr         zurückgelegt werden, wo die Passa­              ÖPNV im ländlichen Raum
   wäre denkbar, dass auch unter den Vor-         giere in schnell fahrende Verkehrsmit-      Im oben genannten 1. Szenario spricht
   aussetzungen des vollautonomen Fah-            tel umsteigen können. Da ein autonom        vieles dafür, dass der ÖPNV/SPNV zumin-
   rens ein Großteil der Fahrgäste auf ein        fahrender PKW nicht an einer Park-and-      dest dort, wo es um schnelle, langlaufen-
   eigenes Auto nicht verzichten möchte,          Ride-Station ganztägig warten muss,         de Verbindungen zur Erreichung zentraler

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EILDIENST 5 /2017 - Aus dem Inhalt: Landkreistag NRW
EILDIENST Heft 5/2017                                            Thema aktuell / Aus dem Landkreistag

Orte im Kreisgebiet oder der benachbar-         ben. Da hier die Geschwindigkeitsvorteile      verkehr besteht zudem die Gefahr, dass
ten städtischen Regionen geht, weiter-          nicht greifen, wird es hier voraussichtlich    bei schwächer frequentierten Relationen
hin seine Berechtigung haben kann. Dies         zu deutlichen Substituierungen durch voll-     im kreisangehörigen Raum nur noch die
ergibt sich aus möglichen Geschwindig-          autonomes Fahren kommen. Auch beim             Fahrgäste in Betracht kommen, die sich
keitsvorteilen (insbesondere bei Pendeln in     Schülerverkehr besteht die Gefahr, dass        wirtschaftlich weder ein eigenes autono-
städtische Ballungsräume ist nach wie vor       viele Eltern ihre Kinder mit vollautonom       mes Fahrzeug leisten können noch im Rah-
auch zukünftig das Problem der Verkehrs-        fahrenden PKWs zu den Bildungseinrich-         men von „shared ownership“-Modellen
dichte zu berücksichtigen) und auch unter       tungen befördern lassen. Selbst wenn           bedient werden können. Hier würde sich
Kostengesichtspunkten (wenn man davon           man unterstellt, dass es zukünftig auch        dann auch die Frage stellen, ob dies dann
ausgeht, dass auch zukünftig ein wesentli-      Kostenvorteile durch vollautonomes Fah-        nicht effizienter über „Mobilitätsgutschei-
cher Teil der Fahrzeuge Individualeigentum      ren der Busse im kreisangehörigen Raum         ne“ oder ähnliche Lösungen zumindest
sein wird). Bei weniger stark frequentierten    gibt, steht zu erwarten, dass weniger fre-     teilweise abgefedert werden kann.
Verbindungen und dem Schülerverkehr             quentierte Linien und auch viele Schüler-
im ländlichen Raum werden sich jedoch in        verkehre deutlich unter die ökonomische                   EILDIENST LKT NRW
jedem Fall deutliche Veränderungen erge-        Rentabilitätsgrenze fallen. Im Jedermann-              Nr. 5/Mai 2017   80.31.00

                             Neuordnung der Schulaufsicht
                             Von Wissenschaftlichem Mitarbeiter Manuel Joseph,
                             Kommunalwissenschaftliches Institut der Universität
                             Münster
                              Am 6. April 2017 fand im Rahmen der Vortragsreihe „Kommunalverwaltung aktuell – Wissenschaft und
                              Praxis“ des Freiherr-vom-Stein-Instituts, der wissenschaftlichen Forschungsstelle des Landkreistages
                              NRW an der Universität Münster, eine Veranstaltung zum Thema „Neuordnung der Schulaufsicht“ statt.
                              Etwa 50 Interessierte aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung kamen anlässlich der Veranstaltung in
                              Münster zusammen.

P   rofessor Dr. Janbernd Oebbecke,
    Geschäftsführender Direktor des Frei-
herr-vom-Stein-Instituts, eröffnete die
                                                Weiterentwicklung der Schulverwaltung
                                                des Landes Nordrhein-Westfalen, dessen
                                                Mitverfasser Professor Dr. Jörg Bogumil,
                                                                                                   organisierten oberen Schulaufsicht hori-
                                                                                                   zontale und vertikale Schnittstellenpro-
                                                                                                   bleme.
Veranstaltung mit einer Einführung in das       Lehrstuhl für Öffentliche Verwaltung,          2.	Anzahl der Schüler
Thema „Neuordnung der Schulaufsicht“.           Stadt- und Regionalpolitik, Bochum, in         	Sie nehme bis zum Jahr 2040 kontinu-
Die Schule als ein besonderer Bereich der       dieser Vortragsveranstaltung aus der Per-          ierlich ab. Eine besondere Herausforde-
kommunalen Verwaltung, zeichnet sich            spektive der Wissenschaft Stellung nahm;           rung für die Struktur der Schulaufsicht
neben ausgedehnten persönlichen Erfah-          der Landrat des Kreises Minden-Lübbecke            stelle die ungleiche Verteilung von
rungen durch eine starke Einflussnahme          und Vorsitzende des Schulausschusses des           Wachstums- und Schrumpfungsräumen
der Bediensteten auf die öffentliche Ver-       Landkreistags Nordrhein-Westfalen, Dr.             dar, die zu Disparitäten zwischen den
waltung aus. Die starken Positionen der         Ralf Niermann, beleuchtete das Thema aus           Schulämtern führen könne.
Gemeinden und des Staats bei den äuße-          der Sicht der Praxis.                          3.	Veränderungen in der Schulstruktur und
ren und inneren Schulangelegenheiten            Professor Bogumil erläuterte zu Beginn sei-        der Schulaufsicht
schaffen zudem einen organisatorischen          nes Vortrags die Struktur der Schulaufsicht    	Die Anzahl der von den Schulämtern zu
Rahmen, der eine zweckmäßige Ausgestal-         in Nordrhein-Westfalen, die dreistufigen           beaufsichtigten Schulen sei seit dem Jahr
tung erfordere.                                 aufgebaut ist und stellte einen Vergleich          2000 stark gesunken und sinkt zukünf-
Die Schulaufsicht als wesentlicher Teil der     mit den Strukturen und Entwicklungen in            tig weiter. Die Schulaufsicht sei zudem
Schulverwaltung wird durch die Länder           anderen Bundesländern an. Dabei kon-               mit einer spürbaren Aufgabenverdich-
wahrgenommen, die sich traditionell im          statierte er eine Tendenz zu einer durch-          tung konfrontiert, Schnittstellenpro-
Wege der Organleihe kommunaler Kräfte           gängigen zweistufigen und schulform-               bleme nähmen durch Schulschließun-
bedienten. Die Hauptverwaltungsbeamten          übergreifenden Schulaufsicht. Professor            gen und -neugründungen zu und die
der Kreise und kreisfreien Städte werden        Bogumil identifizierte vier Faktoren für die       Schulentwicklungsplanung sei verstärkt
somit im Wege der Organleihe neben dem          Problemanalyse und die Neustrukturierung           regional und schulformübergreifend zu
staatlichen Schulrat in der Spitze des staat-   der Schulaufsicht in Nordrhein-Westfalen:          verankern.
lichen Schulamtes tätig. Die Kreise und         1.	
                                                   Gegenwärtige Struktur der Schulauf-         4.	Ergebnisse einer Befragung des schul-
kreisfreien Städte stellen das Verwaltungs-        sicht                                           fachlichen Personals
personal und tragen die Verwaltungsko-          	Kleine Schulämter seien mit der Vielzahl     	  Die Ergebnisse der durchgeführten
sten. Da sich die Interessen von Land und          der Aufgaben überfordert, auf Grund             Experteninterviews belegten, dass ein
Kommunen ungewöhnlich stark berühren               der „Hochzonung“ der Dienstaufsicht             erhebliches Auseinanderfallen der wün-
hatte das Finanzministerium im Juli 2015           über die Hauptschulen und einen Teil            schenswerten und tatsächlichen Aufga-
eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern            der Förderschulen entstehe erhebliches          benwahrnehmung bestehe. Die Kern-
beauftragt, die Perspektiven der Schulver-         Abstimmungs- und Konfliktpotential,             aufgaben der Schulaufsicht könnten
waltung in Nordrhein-Westfalen zu unter-           die Ausstattung der Schulämter sei häu-         auf Grund eines zu hohen Aufgabenbe-
suchen. Vorgelegt wurde im Juli 2016               fig nicht hinreichend. Hinzu träten auf         stands nicht hinreichend wahrgenom-
ein wissenschaftliches Gutachten zu der            Grund der traditionell nach Schulformen         men werden. Folge sei eine hohe Unzu-

                                                                                                                                       187
EILDIENST 5 /2017 - Aus dem Inhalt: Landkreistag NRW
Aus dem Landkreistag                                                                                                 EILDIENST Heft 5/2017

   friedenheit der unteren Schulaufsicht mit   rer des Landkreistags Nordrhein-Westfalen       genheiten sowie in der Schulaufsicht her-
   der aktuellen Aufgabenwahrnehmung.          an. Große Einigkeit bestand bei der Kritik      aus und schloss die Veranstaltung mit einer
   Wünschenswert sei eine klare Kernauf-       an der Auswahl der befragten Personen,          von Professor Bogumil skizzierten Leitlinie:
   gabendefinition der Schulaufsicht durch     hier vor allem, dass kein Schulverwaltungs-     „Es sollte eine Lösung geben, die nicht so
   das Ministerium für Schule und Weiter-      personal befragt wurde. Professor Bogumil       weit weg ist von den Kommunen!“
   bildung des Landes Nordrhein-West­          zeigte sich hinsichtlich des von den Diskus-
   falen bzw. der Bezirksregierung sowie       sionsteilnehmern gerügten methodischen          Referat von
   eine klare Formulierung der Ziele und       Mangels gesprächsbereit und rechtfertigte       Prof. Dr. Jörg Bogumil
   eine präzisere Schwerpunktsetzung bei       die fehlende Befragung mit Ressourcen-
   den Aufgaben der Schulaufsicht.             knappheit. Einige Diskussionsteilnehmer
Als Anforderungen an eine Neukonstruk-         befürchteten, dass die regionalen Außen-
tion und die möglichen Optionen für die        stellen der Bezirksregierungen zu einer
Reform der Schulaufsicht definieren die        Zunahme von Anonymität in der Schul-
Gutachter eine stärker stufenbezogene,         aufsicht beitragen könnten. Dass bereits
systemische und regionalbezogene Schul-        frühzeitig Modellvarianten für die Neukon-
aufsicht, die nach der Zahl der Außenstel-     struktion der Schulaufsicht durch die Gut-
len Effektivität und Ortsnähe hinreichend      achter verworfen worden waren, fand kri-
berücksichtige. Das Verwaltungspersonal        tische Stimmen. Es wurde zudem die Ver-
sei angemessen zu unterstützen, Abstim-        mutung geäußert, das Ziel des Gutachtens
mungs- und Entscheidungsprozesse zu            bestehe in erster Linie in der Entwicklung
beschleunigen und Kernaufgaben der             von Kosteneinsparungsmöglichkeiten. Die
Schulaufsicht zu klären. Zu diesem Zweck       Vernetzung auf kommunaler Ebene habe
analysierten die Gutachter sechs Neustruk-     in dem Gutachten überhaupt keine Rolle
turierungsmodelle der Schulaufsicht, von       gespielt. Dringender als eine Neuorganisa-
denen drei vorzeitig als praxisfern verwor-    tion der Schulaufsicht sei, das identifizier-
fen wurden. Das von der Expertengruppe         te Defizit der Aufgabendefinition und die
favorisierte Modell sieht eine durchgängig     Rolle der Schulaufsicht zu lösen.
zweistufige Schulaufsicht vor, indem die       Professor Bogumil entgegnete den Kriti-
bestehenden 53 unteren staatlichen Schul-      kern, dass diese einen unseriösen Mythos
ämter zugunsten von 33 neuzugründenden         der      kommunalen         Selbstverwaltung
                                                                                               Professor Dr. Jörg Bogumil.
regionalen Schulbehörden als Außenstel-        bemühten. Er betonte, dass es ausschließ-
len der Bezirksregierung aufgelöst werden      lich um die Struktur der staatlichen Schul-     Die Autoren dieses Artikels haben im
und deren operative Tätigkeit grundsätz-       ämter gehe und den Kommunen nichts              Herbst 2016 ein Gutachten im Auftrag des
lich stufenbezogen und (mit Ausnahme           entzogen würde. Als Grund für die Kritik        Finanzministerium NRW zur Neuordnung
der Berufskollegs) schulformübergreifend       an dem Gutachten machte er den Wunsch           der Schulaufsicht vorgelegt. Im Folgen-
wahrgenommen werden.                           nach der Diskussion des Modells aus, wel-       den wird, ausgehend von Erfahrungen der
Nach den Ausführungen von Professor            ches die Stärkung der unteren Schulauf-         anderen Bundesländer (1) und einer empi-
Bogumil ergriff Landrat Dr. Niermann das       sicht beinhalte, jedoch offenbar zu vorzei-     rischen Bestandsaufnahme zentraler Pro-
Wort. Er betonte, dass eine umfassende         tig aus den Betrachtungen der Gutachter         blemlagen der Schulaufsicht in NRW (2)
Schulentwicklungsplanung, die regelmäßig       ausgeschieden war, unter anderem weil es        ein Reformvorschlag für NRW präsentiert
keine schulformspezifischen Unterschie-        mit erheblichen finanziellen Mehrbelastun-      und hinsichtlich seiner Vor- und Nachteile
de machen dürfe, einen umfassenderen           gen verbunden sei. Er gab zu bedenken,          diskutiert.
Blick, insbesondere bei der Aufsichtsstruk-    dass das von den Gutachtern favorisierte
tur erfordere. Es bestehe das Bedürfnis        Außenstellenmodell ortsnah konzipiert sei       1. E
                                                                                                   rfahrungen aus den
nach einer, auf einer Ebene gebündelten,       und auch Verwaltungspersonal berück-               anderen Bundesländern
schulformübergreifenden sowie stufen-          sichtige.
bezogenen Schulaufsicht. Dies führe zu         Professor Oebbecke bestätigte, dass den         Alle Bundesländer verfügen über ein spe-
einer Ablösung der bisher nach Schulform       Kreisen und kreisfreien Städten nichts          zifisches System von Schulaufsichtsbehör-
praktizierten getrennten Schulaufsicht.        entzogen würde, da es keinen Schutz aus         den, wobei die Organisation der Instanzen,
Den Vorschlag der „Verstaatlichung der         einer Verfassungsnorm für die Aufga-            der schulartspezifischen Zuständigkeiten
gesamten Schulaufsicht unter Auflösung         be der Schulaufsicht bei den Kreisen und        oder die Zuordnung zur sonstigen Lan-
der unteren Schulaufsicht durch Zusam-         kreisfreien Städten gebe. Er verlieh jedoch     desverwaltung unterschiedlich geregelt
menfassung bei der oberen Schulaufsicht        seiner Sorge Ausdruck, dass das Problem         ist. Ein dreistufiger Verwaltungsaufbau in
mit fünf Bezirksregierungen und etwa 33        der fehlenden Kernaufgabendefinition der        der Schulverwaltung (Oberste, Obere und
regionalen Außenstellen“, lehnte er als        Schulaufsicht nicht durch Neuorganisation       Untere Schulaufsichtsbehörden) existiert
Versuch, der örtlichen Gemeinschaft die        der Schulaufsicht behoben werden könne,         heute nur noch in Baden-Württemberg,
Mitverantwortung und Gestaltungsmög-           sondern nur durch Beseitigung der auch          Bayern und Nordrhein-Westfalen. Die
lichkeit zu entziehen, ab. Stattdessen plä-    in anderen Bereichen zu verzeichnenden          Dreistufigkeit bezieht sich immer nur auf
dierte er für eine Stärkung der Schulauf-      Regierungsabstinenz.                            bestimmte Schulformen wie Grundschu-
sicht auf Ebene der Kreise und kreisfreien     Abschließend bedankte sich Dr. Klein bei        len, Hauptschulen oder auch Realschulen
Städte und die Schaffung einer erweiterten     den Teilnehmern und den Referenten. Er          (Baden-Württemberg), die Aufsicht über
unteren Schulaufsicht.                         stellte die in der Diskussion von mehreren      die anderen Schulformen findet ein- oder
An die Vorträge der Referenten schloss sich    Teilnehmern hervorgehobene Bedeutung            zweistufig statt. Ansonsten geht der Trend
eine lebhafte Diskussion unter der Leitung     der Einräumigkeit der Verwaltung sowohl         seit längerem zur durchgängigen Zweistu-
von Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsfüh-       in inneren als auch äußeren Schulangele-        figkeit, die Stadtstaaten und das kleinere

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EILDIENST 5 /2017 - Aus dem Inhalt: Landkreistag NRW
EILDIENST Heft 5/2017                                                                          Aus dem Landkreistag

Saarland haben jeweils nur eine einzige        Schleswig-Holstein und Thüringen) oder           –	Die Mitarbeiter der Schulaufsicht wün-
Schulbehörde. Somit ergibt sich folgendes      einer oberen Schulaufsicht (Niedersachsen,          schen sich eine landeseinheitliche Klä-
Bild:                                          Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-               rung der Kernaufgaben der Schulauf-
–	dreistufiges Modell: Ministerium – Lan-     Anhalt) sind die staatlichen SchuÄ zwar             sicht. Ein Großteil der Befragten erwar-
   deschulämter/Regierungsbezirke          –   auch lokal bzw. regional angesiedelt, aber          tet vom MSW bzw. von der Bezirks-
   Staatliche Schulämter (SchuÄ). Dieses       mit ausschließlich staatlichem Personal             regierung eine klarere Formulierung
   Modell findet sich in Baden-Württem-        bestückt, also reine staatliche Sonderbe-           schulaufsichtlicher Ziele und Schwer-
   berg, Bayern, Nordrhein-Westfalen.          hörden. Hier liegt die Zahl der SchuÄ deut-         punktsetzungen.
–	zweistufiges Modell: Ministerium – Lan-     lich unter der Anzahl der Kreise und kreis-      –	Insbesondere die Mitarbeiterinnen der
   dessschulamt/Oberschulämter         oder    freien Städte (vgl. Tabelle 1).                     unteren Schulaufsicht wünschen sich,
   Staatliche SchuÄ. Dieses Modell findet
   sich in neun Ländern: Brandenburg,           Bundesland                          Anzahl                 Anzahl                Verhältnis
   Hessen,      Mecklenburg-Vorpommern,                                          Schulämter,          kreisfreie Städte/        dezentrale
   Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sach-                                          Regional­              Landkreise           Einrichtungen/
   sen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein                                       abteilungen,                                   Landkreise,
   und Thüringen;                                                                Außenstellen                                kreisfreie Städte
–	vier Länder haben ausschließlich eine
                                                Baden-Württemberg                    321                      344                  147 %
   oberste Schulaufsichtsbehörde (Mini-
   sterium): Berlin, Bremen, Hamburg und        Bayern                               396                      396                  100 %
   Saarland. Berlin hat dabei ein Sonder-       Brandenburg                          334                      318                  122 %
   modell mit der direkten Anbindung von
   12 Außenstellen an die oberste Schul-        Hessen                               315                      326                  157 %
   aufsichtsbehörde (Senator).                  Mecklenburg-Vorpommern               334                      338                  150 %
Die Oberste Schulaufsichtsbehörde ist
überall das für das Schulwesen zuständige       Niedersachsen                        313                      346                  128 %
Ministerium. Obere Schulaufsichtsbehör-         Nordrhein-Westfalen                  353                      353                  100 %
den gibt es in acht Flächenländern (viermal
                                                Rheinland-Pfalz                      333                      336                  118 %
auf der Ebene der allgemeinen Mittelin-
stanzen, viermal in Sonderbehörden). Acht       Sachsen                              335                      313                  138 %
Länder verfügen noch über untere Schul-         Sachsen-Anhalt                       333                      314                  121 %
aufsichtsbehörden, sogenannte staatliche
SchuÄ. Diese sind zunächst nicht zu ver-        Schleswig-Holstein                   315                      315                  100 %
wechseln mit den kommunalen Schulver-           Thüringen                            335                      323                  129 %
waltungsämtern, in denen die Kommunen
als Schulträger ihre Verwaltungsaufgaben        Gesamt / Verhältnis                  237                      392                  160 %
für die Schulen erledigen (äußere Schulan-
gelegenheiten). Zudem gibt es diese staat-     In der Summe ist eine gewisse Tendenz in         1   Kondominium bedeutet wörtlich übersetzt
                                                                                                    
lichen SchuÄ in zwei unterschiedlichen         Richtung einer ausschließlich zweistufigen           „gemeinsames Eigentum“ und wird in der
Konstruktionen.                                Schulaufsicht beobachtbar.                           Regel für eine gemeinschaftlich ausgeübte
In nur noch drei Bundesländern existieren                                                           Herrschaft mehrerer Herrschaftsträger über
die staatlichen SchuÄ als Gemeinschafts-                                                            ein Gebiet verwandt. Im Bereich der Schul-
                                               2. Probleme der                                     verwaltung wird dieser Begriff unterschied-
aufgabe bzw. kommunal/staatliche Auf-             Schulaufsicht in NRW                              lich gehandhabt, einmal mit Hinweis auf die
gabenteilung (Kondominum)1 (in NRW,                                                                 inneren und äußeren Schulangelegenheiten
Bayern2 und Schleswig-Holstein). Das           Im Rahmen des Gutachtens ist eine schrift-           bezogen auf die Schulverwaltung generell
staatliche Schulamt ist hier in Form einer     liche Befragung aller schulfachlichen Mit-           und einmal in dem hier verwendeten engeren
Organleihe einer kreisfreien Stadt oder        arbeiterinnen und Mitarbeiter der unteren            Sinne als kommunal-staatliche Aufgaben-
einem Kreis zugeordnet. In diesen Län-         und oberen Schulaufsicht (Ausnahme Dez.              teilung bei den staatlichen Schulämtern. In
                                                                                                    Hessen (1985) und in Baden-Württemberg
dern ist die Zahl der staatlichen SchuÄ        45, 47, 48) zur Einschätzung der aktuel-
                                                                                                    (2009) wurde die „Kommunalisierung“ der
identisch mit der Zahl der jeweiligen Kreise   len Lage und möglichen Veränderungen                 unteren Schulaufsicht (gemeint ist das oben
und kreisfreien Städte (Bayern 96, NRW         durchgeführt worden.3 Wesentliche Ergeb-             genannte Kondominium) wieder rückgängig
53, Schleswig-Holstein 15). Das staat-         nisse sind:                                          gemacht und reine staatliche SchuÄ instal-
liche Schulamt besteht hier aus einem          –	Es gibt ein nicht unerhebliches Ausein-           liert (vgl. Richter 2010: 84).
                                                                                                2
oder mehreren schulfachlichen Mitglie-            anderfallen der wünschenswerten mit               In Bayern gibt es kein klares Kondominium,
dern (Schulräte), die Landesbedienstete           der tatsächlichen Aufgabenwahrneh-                da Anstellungsträger sowohl des schulfach-
                                                                                                    lichen wie des verwaltungsfachlichen Perso-
sind, und einem verwaltungsfachlichen             mung in der gesamten Schulaufsicht
                                                                                                    nals das Land ist, vertreten durch die Bezirks-
Mitglied (OB, Landrat), das zuständig für         vor allem im Bereich der Qualitäts- und           behörde. Geleitet wird das Amt durch den
verwaltungsrechtliche und haushaltsrecht-         Schulentwicklung (vgl. Abbildung 1 auf            Schulamtsdirektor (Schulrat), der Landrat als
liche Angelegenheiten ist. Die Kommunen           Seite 190).                                       Behörde ist zuständig für alle rechtlichen Fra-
müssen in diesem Fall für die verwaltungs-     –	Wichtige Kernaufgaben der Schulauf-               gen des Schulamtes und wird im Wege der
mäßige Ausstattung der staatlichen SchuÄ          sicht können nur unzureichend wahrge-             „Amtshilfe“ tätig.
                                                                                                3
sorgen.                                           nommen werden.                                     Die Rücklaufquoten waren hoch und erfül-
                                                                                                    len die Kriterien der Repräsentativität. Für
In allen anderen Bundesländern, unab-          –	Die Unzufriedenheit mit der aktuellen             die untere Schulaufsicht konnten 135 Fra-
hängig ob mit mit einer unteren Schul-            Aufgabenwahrnehmung ist in der unte-              gebögen (~ 78 %), für die obere Schulauf-
aufsicht (Baden-Württemberg, Branden-             ren Schulaufsicht erheblich größer als in         sicht 139 Fragebögen (~81%) ausgewertet
burg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,             der oberen Schulaufsicht.                         werden.

                                                                                                                                              189
Aus dem Landkreistag                                                                                                                                                         EILDIENST Heft 5/2017

  dass die Kondominiallösung zugunsten       Schulaufsicht. Die Priorisierung der Aufga-                                                               von fast allen als Grund für ein erhebliches
  einer rein staatlichen Schulaufsichtsbe-   ben der Schulaufsicht erfolgt weitgehend                                                                  Abstimmungs- und Konfliktpotential beur-
Abbildung  1: Aufgabenwahrnehmung
  hörde aufgegeben    wird.            im Soll/Ist-Vergleich
                                             individuell durch den täglichen Arbeits­                                                                  teilt. Die mit der Schließung einer Vielzahl
                                                                                                                                                       von Hauptschulen verbundenen fachauf-
 Abbildung 1: Aufgabenwahrnehmung im Soll/Ist-Vergleich                                                                                                sichtlichen Fragen müssen durch die unte-
                                                                                                                                                       re Schulaufsicht geklärt werden, während
                                           0                      5                  10                  15            20    25       30          35
 Qualitäts- und Schulentwicklung
                                       1
                                                                                                                                                       die mit den Umsetzungen und Versetzun-
                                                                                   8,2                          21,0        23,6           30,8        gen der Hauptschullehrkräfte verbunde-
                                                                                                                                                       nen Fragen in die Kompetenz der oberen
 Implementierung neuer Lehr- und                                                     9,1
                                       2                   5,1
                                                                             7,1                                                                       Schulaufsicht fallen. Dies führt zu abstim-
 Lernformen                                                                                9,8                                                         mungsintensiven Schnittstellenproblemen.
                                                                                                                                                       Ähnlich trifft dies auch für zu schließende
                                                                               9,0
 Personalentwicklung                   3                              7,6                               13,1
                                                                                                                                                       oder auslaufende Förderschulen zu.
                                                                                           11,1                                                        Die traditionell nach Schulformen organi-
                                                                                                                                                       sierte obere Schulaufsicht führt ebenfalls zu
                                                                                     8,5
 Steuerung der Personalversorgung      4                          7,2                            11,1          15,0
                                                                                                                                                       horizontalen und vertikalen Schnittstellen-
                                                                                                                                                       problemen, die mit dem einher gehenden
                                                                                                                                                       demografischen Wandel und dem dadurch
 Beschwerde-, Konflikt- und                                                  7,1
                                                                                                                                                       ausgelösten Umbau der Sek.I Schulstruktur
                                       5                   5,3                         9,0            12,5
 Krisenmanagement
                                                                                                                                                       weiter zunehmen werden.
 Vernetzung und Kooperationen,
                                                                                                                                                       Bei den 10- bis unter 16-jährigen wird es
                                                                                               12,3
 Koordinationsaufgaben                 6                                8,5              9,3            13,0                                           bis 2040 erneut landesweit einen starken
                                                                                                                                                       Rückgang geben. Dabei finden Schrump-
                                                                                                                                                       fung und Wachstum gleichzeitig statt: in
 Organisation der Beschulung                                           5,2
                                       7         3,7                           6,8                       13,5                                          10 Kreisen wird die Sek. I Schülerschaft um
 von Schülern Zuwanderungsgesch.
                                                                                                                                                       23% – 35% sinken, in etlichen kreisfreien
                                                                                                                                                       Städten werden Zuwächse von 10% bis
 Organisation der Beschulung der Schüler
 mit sonderpäd. Unterstützungsb.       8             4,2                5,2                9,8                14,6                                     33% prognostiziert. Während in etlichen
                                                                                                                                                       Kreisen mit immer weniger Schülerinnen
                                                                                                                                                       ein alle Abschlüsse umfassendes Schulan-
  Mitwirkung an der regionalen                                   5,3
                                       9             3,9                       7,0                                                                     gebot aufrechterhalten werden muss, wer-
 Fortbildung                                                           5,8                                                                             den in anderen Kreisen Neugründungen
                                                                                                                                                       von Gesamtschulen und Sekundarschulen
  Interne Qualitätsentwicklung        10             4,0         6,7                     9,1                                                           bei gleichzeitig auslaufenden Haupt- und
                                                                             7,2                                                                       teilweise auch Realschulen einen großen
                                                                                                                                                       Abstimmungsbedarf der unteren und obe-
                                               1,3         1,9
  Sonstiges                           11                                     6,1                                                                       ren Schulaufsicht erforderlich machen.
                                                                  4,5                                                                                  Schulentwicklungsplanung muss vor die-
              Schulämter IST        Schulämter SOLL                                  Bezirksregierung IST                   Bezirksregierung SOLL
                                                                                                                                                       sem Hintergrund verstärkt regional und
                                                                                                                                                       schulformübergreifend verankert wer-
Quelle: Eigene Erhebung; N (SchuÄ) = 132-134, N (BR) = 131-135, Angaben in %
Quelle: Eigene Erhebung; N (SchuÄ) = 132-134, N (BR) = 131-135, Angaben in %                                                                           den. Die Beratung der Kommunen und
                                                                                                                                                       die Organisation einer interkommuna-
Das Aufgabenspektrum der Schulaufsicht                                             anfall (Krisenintervention). Durch das Feh-                         len Abstimmung als Aufgabe der oberen
ist u.a. durch die ab 2006 eingeführten                                            len eines verbindlichen Leit- und Rollenbil-                        Schulaufsicht für alle Schulformen wird an
neuen Instrumente der Output-Messung                                               des der Schulaufsicht und die permanente                            Bedeutung gewinnen.
(zentrale Prüfungen, zentrale Lernstand-                                           Überlastung wird je nach Zugehörigkeit zu                           Bei einer Fortschreibung der bisherigen
serhebungen, externe Schulevaluation),                                             einer bestimmten Bezirksregierung, und                              Ausstattung der Schulämter mit schul-
durch die mit dem Schulkonsens von 2011                                            innerhalb dieser zu einem bestimmten                                aufsichtlichem Personal werden deutlich
ausgelösten      Schulentwicklungsprozesse                                         Schulformdezernat, ein z.T. unterschied-                            mehr Schulämter in Zukunft nur noch über
und die zusätzlichen neuen und zeitinten-                                          liches schulaufsichtliches Aufgabenver-                             ein bis zwei Schulräte verfügen, während
siven Querschnittsaufgaben (u.a. der Ein-                                          ständnis sichtbar.                                                  andere erheblich aufgestockt werden müs-
richtung von Regionalen Bildungsnetzwer-                                           Schon jetzt arbeiten 25 % der SchuÄ kreis-                          sten. Die Disparitäten zwischen den Schul-
ken, Kompetenzteams) erheblich erweitert                                           übergreifend und in 20 % der SchuÄ gibt                             ämtern werden zunehmen. Mehr Schul-
worden. Dies hat zu einer starken Aufga-                                           es nur ein bis zwei Schulräte. Kleine Schul-                        ämter als heute werden faktisch nicht mehr
benverdichtung und einer Überlastung des                                           ämter sind mit der Vielzahl der Aufgaben                            in der Lage sein, die ihnen zugewiesenen
schulfachlichen Personals geführt.                                                 objektiv überfordert. Bei der Ausstattung                           Aufgaben qualitativ gut zu erledigen und
Gleichzeitig ist die Zahl der von den Schul-                                       der Schulämter mit verwaltungsfachli-                               ihren schulgesetzlichen Auftrag nur noch
ämtern zu beaufsichtigenden Schulen seit                                           chem Personal durch die Kommunen gibt                               ungenügend nachkommen können.
2000 stark gesunken und wird weiter sin-                                           es keine nachvollziehbare oder landesweit
ken. Betroffen sind vor allem Grundschu-                                           abgestimmte Regelung. In vielen Schul-
                                                                                                                                                       3. Reformvorschlag für NRW
len, Hauptschulen und Förderschulen. Die                                           ämtern wird die Ausstattung durch die
Zahl der Schüler ist von 2000 bis 2016                                             Kommunen als nicht hinreichend wahrge-                              Aufgrund der skizzierten Entwicklungen
um 24,3 % (Grundschule) bzw. um 18,4                                               nommen. Die „Hochzonung“ der Dienst-                                sind folgende Fragen zu entscheiden:
% (Sekundarstufe I) gesunken. Dies ging                                            aufsicht über Hauptschulen und einen Teil                           • Soll die Schulaufsicht zwei- oder drei­
einher mit Personalreduzierungen in der                                            der Förderschulen von 2007 wird heute                                  stufig organisiert werden?

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EILDIENST Heft 5/2017                                                                          Aus dem Landkreistag

• K ann/soll die Zahl der 53 Schulämter        fähigen Organisationseinheiten genutzt          Umsetzung und Kontrolle vergleichbare
   erhalten bleiben?                            werden.                                         Anforderungen gestellt werden. Zahlreiche
• Soll das Schulamt auch künftig als Kon-                                                      Geschäftsprozesse lassen sich eindeutig
   dominium organisiert werden?                 4. Vor- oder Nachteile des                     definieren und landesweit einheitlich admi-
Für NRW schlagen die Autoren vor, eine             regionalen Außenstellen­                     nistrieren.
durchgängig zweistufige Schulaufsicht                                                           Wenn in den Außenstellen die operative
einzuführen      (Bogumil/Fahlbusch/Kuhn
                                                   modells der Bezirks­                         Schulaufsicht über alle Schulformen der
2016). Die untere Schulaufsicht sollte auf-        regierungen für die                          Region stattfindet (Ausnahme der Berufs-
gelöst und in die Bezirksregierung integriert      kommunalen Schulträger                       kollegs), erfordert dies die Verlagerung
werden, so dass es künftig nur eine ober-       Die Antwort auf diese Frage wird je nach        von Dezernentenstellen und Aufgaben aus
ste und eine obere Schulaufsicht in NRW         Größe des Schulträgers unterschiedlich          den Dezernaten 41-44 der Abteilung 4 in
gibt. In diesem Reformmodell werden die         ausfallen. Bei großen Kommunen wird es          die künftigen Außenstellen, um einen aus-
Erfahrungen in den anderen Bundeslän-           auch künftig im Kreisgebiet eine eigene         reichenden Bestand an Dezernenten mit
dern und die empirischen Erkenntnisse           Außenstelle der Bezirksregierung geben,         der erforderlichen Fachlichkeit je Außen-
über die Schwachstellen der Schulaufsicht       womit die bisher vorhandene Ortsnähe            stelle zu erreichen. Diese werden so in die
in NRW mit der verwaltungsstrukturellen         weiter gewährleistet wird. In kleinen Kom-      Lage versetzt, die Schulaufsicht über alle
Ausgangssituation in NRW kombiniert.            munen werden künftig 2-3 Kreise oder            Schulstufen und Schulformen der Region
Im Rahmen der Reform sollte die Zahl der        kreisfreie Städte durch eine Außenstelle        zu gewährleisten. Die operative Tätigkeit
Schulaufsichtsbehörden reduziert wer-           betreut werden, die räumlichen Entfer-          soll grundsätzlich stufenbezogen (Primar-
den, 53 Schulämter sind nach Auffassung         nungen zur Außenstelle werden vertretbar        stufe, Sekundarstufe I, Sekundarstufe II)
der Gutachter nicht zukunftsfähig und           zunehmen.                                       erfolgen, eine schulformbezogene Spezia-
gefährden die Erfüllung der gesetzlichen        Für alle Kommunen gibt es eine finanzielle      lisierung ist nachgeordnet. Schon jetzt gibt
Aufgaben. Um bei einer Zusammenlegung           Entlastung (landesweit ca. 20 Mio €), weil      es zwischen Hauptschulen, Realschulen
aber die erforderliche Ortsnähe zu erhal-       das verwaltungsfachliche Personal künftig       und Sekundarschulen auf der personellen
ten sollten ca. 33 regionale Schulbehör-        durch das Land bezahlt wird. Mit diesem         Ebene starke Verflechtungen, die auch
den als Außenstellen der Bezirksregierung       Vorteil ist der Verzicht auf die gemeinsame     schulentwicklungsplanerisch von Bedeu-
gegründet werden, die teilweise für meh-        „Bewirtschaftung“ des Schulamtes ver-           tung sind. Der Vorteil einer in Außenstellen
rere Kreise zuständig sind. Bei der Planung     bunden. Die Entkopplung von kommuna-            zusammengefassten Schulaufsicht für alle
von Zusammenlegungen sollte man sich an         len und staatlichen Schulbehörden würde         Sek.I-Schulformen schafft deutlich besse-
bereits bestehenden kreisübergreifenden         nach Auffassung vieler allerdings mit einer     re Möglichkeiten, auf die sich wandelnde
Arbeitsstrukturen, aber auch an gewissen        besseren Transparenz und klareren Ver-          Schulstruktur flexibel zu reagieren.
Mindestgrößen orientieren.                      antwortungsübernahme einhergehen. Die
Mit der Entscheidung für eine Reduktion         bestehenden Arbeitsbeziehungen zwi-
                                                                                                Literaturhinweise
der Schulämter bzw. die Gründung von            schen den kommunal und staatlich Verant-
Außenstellen der Bezirksregierungen ver-        wortlichen können trotzdem erhalten blei-       Bogumil, Jörg/Fahlbusch, Boris/Kuhn,
bunden ist auch die klare organisations-        ben. Ein zentraler Vorteil bestünde auch        Hans-Jürgen 2016: Weiterentwicklung
rechtliche Trennung von 53 kommunalen           darin, dass in den Außenstellen die operati-    der Schulverwaltung des Landes NRW.
Schulämtern und (einer kleineren Zahl           ve Schulaufsicht über alle Schulformen der      Wissenschaftliches Gutachten im Auftrag
von) staatlichen Schulaufsichtsbehörden.        Region (mit Ausnahme der Berufsschulen)         des Finanzministeriums, Berlin, Bochum
Die Anzahl der erforderlichen Außenstellen      schulstufenbezogen stattfindet. Die Kom-        (https://www.finanzverwaltung.nrw.de/
muss Effektivität und Ortsnähe berücksich-      munen haben direkte Ansprechpartner für         sites/default/files/asset/document/endbe-
tigen, die von den Gutachtern genannte          alle Schulformen. Die Verwaltungskraft in       richtschule-nrw0509.pdf)
Zahl stellt dabei lediglich eine umsetzbare     allen Außenstellen wird durch landesein-        Richter, Philipp (2010) Kommunalisierung
Planungsvariante dar.                           heitliche Maßstäbe gesteuert und durch          der Schulaufsicht – Erfahrungen aus der
Für ein Gelingen der Reform wird wesent-        eine auskömmliche Ausstattung erhöht,           baden-württembergischen Verwaltungs-
lich sein, den Umbauprozess auch dazu zu        sodass den bestehenden Aufgabenver-             strukturreform. In: Bogumil, Jörg/Kuhl-
nutzen, die Kernaufgaben einer landesweit       dichtungen besser begegnet werden kann.         mann, Sabine (Hrsg.): Kommunale Auf-
einheitlich agierenden Schulaufsicht zu         Mit der Abschaffung der unteren Schulauf-       gabenwahrnehmung im Wandel. Wies­
definieren und an den sich abzeichnenden        sicht bei gleichzeitiger Bildung von Außen-     baden, S. 67-86.
Anforderungen im Bereich der Schulstruk-        stellen entfallen zentrale Schnittstellenpro-
turentwicklung und der Daueraufgabe der         bleme im Dreieck von Kommune, unterer           Referat von
Qualitätssicherung auszurichten. Dabei ist      und oberer Schulaufsicht.                       Landrat Dr. Ralf Niermann
es sowohl im Interesse der Schulaufsicht,       Auf der Ebene der Bezirksregierung sind
als auch im Interesse der Kommunen, den         Steuerungs- und Koordinierungsaufga-            Unseren Kindern Eigenverantwortung und
gewachsenen regionalen Bezügen der Bil-         ben zwischen MSW und den Außenstel-             Selbstständigkeit beizubringen sind her-
dungslandschaft durch einen stärker regio-      len der Bezirksregierung zu verankern,          ausragende Erziehungsziele, die ohne eine
nalen Blickwinkel Rechnung zu tragen.           sowie die mit den Dezernenten für die           sinnvolle Struktur und Konsequenz nicht
Diese fachlich begründbare Regionalisie-        Berufskollegs und den Abteilungsleitun-         zu vermitteln sind.
rung erfordert allerdings keineswegs ein        gen abzustimmenden Fragen zu klären.            Eigenverantwortung und Selbstständigkeit
Beibehalten von 53 Schulaufsichtsbehör-         Die Koordinierungsfunktion bezüglich bil-       sind aber auch die Grundlagen kommuna-
den, die angesichts des Auseinanderdrif-        dungspolitischer Schwerpunkte und zen-          ler Selbstverwaltung. Dies gilt gerade im
tens der kommunalen Schullandschaft teil-       traler Fachaufgaben besteht darin, dass der     schulischen Bereich, der in seiner öffentli-
weise den Zustand der Dysfunktionalität         schulfachliche Umgang mit diesen Themen         chen Wahrnehmung und Bedeutung zum
erreicht haben. Hier sollte die Chance einer    im Kontext der regionalen Zuständigkeit         Kernbereich der örtlichen Gemeinschaft
Neustrukturierung zugunsten von arbeits-        vereinheitlicht wird und hinsichtlich der       gehört. Auch das Schulgesetz formuliert in

                                                                                                                                       191
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