EILDIENST 5 /2017 - Aus dem Inhalt: Landkreistag NRW
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
EILDIENST 5 /2017 Aus dem Inhalt: ukünftige Entwicklungen und Herausforderungen für den ÖPNV Z im ländlichen Raum Schwerpunkt: Naturschutz / Landschaftsschutz Neuordnung der Schulaufsicht
EILDIENST Heft 5/2017 Auf ein Wort NRW-Landtagswahl am 14. Mai 2017: Neue Mehrheit im Parlament Die Frage, wie viele der zur Landtagswahl antretenden Parteien den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen und damit in den Landtag des bevöl- kerungsreichsten Bundeslandes einziehen würden, war entscheidend für den Ausgang der Landtagswahl: Neben den großen Parteien SPD und CDU sagten alle Umfragen der FDP ein zweistelliges Ergebnis voraus. Am Abend des 14. Mai hat es auch für die AfD mit 7,4 % und die Grünen mit 6,4 % gereicht. Die Linke verdoppelte zwar ihren Stimmenanteil, erreichte aber nur 4,9 %, so dass ihr der Einzug in den Landtag verwehrt blieb. Mit 1,0 % der Stimmen verschwanden die Piraten nach nur einer Legislaturperiode wieder aus dem Parlament, in das sie vor fünf Jahren noch mit 7,8 % ein- gezogen waren. Die CDU mit 33,0 % konnte die SPD mit 31,2 % als stärk- ste Fraktion ablösen; die FDP legte auf nunmehr 12,6 % zu. Die seit dem Jahr 2010 zunächst als Minderheitsregierung amtierende und im Jahr 2012 deutlich bestätigte rot-grüne Koalition unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wurde abgewählt. Erfreulich: Die Wahlbeteiligung lag mit 65,2 % so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. Armin Laschet als bisheriger Oppo- sitionsführer und CDU-Spitzenkandidat hat gute Chancen, neuer nordrhein-westfälischer Ministerpräsident zu werden. Im aktuellen Landtagswahlkampf dominierten die Themen Innere Sicherheit, Bildung sowie Wirtschaft und Verkehr. Diese Handlungsfelder haben vielfältige kommunale Bezüge und bildeten sich auch in den Forderun- gen des Landkreistages NRW zur Landtagswahl ab. Gefordert wurde vor allem eine stärkere Polizeipräsenz im ländlichen Raum, um dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis auch jenseits der Großstädte Rechnung zu tragen. Ein besonderes Anliegen war die kindeswohlgerechte Umsetzung der Inklusion – des gemeinsamen Unterrichts behinderter und nicht-behinderter Kinder – unter Gewährleistung einer echten Wahlfreiheit für die Eltern mit zumutbar ortsnah erreichbaren Förderschulen. Zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung verlangte der Land- kreistag NRW die Mobilisierung von Flächen zugunsten der Ansiedlung von gewerblichen und industriellen Unternehmen unter Nutzung von den Kreisen zu koordinierenden gemeindeübergreifenden, flächensparenden Planungen. Zudem stand der glasfaserbasierte Ausbau des Breitband-Internets sowie die Sanierung und Moder- nisierung der Verkehrsinfrastruktur im kreisangehörigen Raum im Mittelpunkt der verbandspolitischen Forde- rungen. Da die SPD am Tag nach der Wahl – und wohl nicht zuletzt mit Blick auf die im September anstehende Bun- destagswahl – klar abgelehnt hat, Sondierungsgespräche mit der CDU als stärkste Partei Gespräche im Hinblick auf eine denkbare Große Koalition zu führen, bleibt nach den politischen Festlegungen vor der Wahl und dem Wahlergebnis rechnerisch nur ein Bündnis zwischen CDU und FDP. Beide Fraktionen zusammen verfügen in dem jetzt neugewählten Landtag mit den weiteren drei Fraktionen – der SPD, der AfD und den Grünen – aller- dings lediglich über eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme: 100 von 199 Sitzen. Inzwischen haben CDU und FDP erklärt, die Möglichkeiten für ein schwarz-gelbes Bündnis auszuloten. Ein Blick auf die Wahlprogramme der CDU und der FDP erweist, dass sich in wesentlichen kommunalrelevanten Handlungsfeldern eine Reihe von Gemeinsamkeiten mit den zentralen Forderungen des Landkreistages NRW an den neuen Landtag und die neue Landesregierung ergibt. In jedem Fall sollten die möglichen Koalitionspartner den Forderungskatalog des Landkreistages NRW eingehend durcharbeiten und bei ihren Überlegungen berück- sichtigen. Für die kommenden fünf Jahre ist von großer Bedeutung, dass ein künftiger Koalitionsvertrag kommunalfreund- liche Aussagen trifft und die Koalitionspartner diese auch Schritt für Schritt umsetzen. Denn die Kommunen und das Land stehen in vielfacher Wechselbeziehung zueinander und sind aufeinander angewiesen: Geht es den Kreisen, Städten und Gemeinden gut, geht es auch dem Land gut. Dr. Martin Klein Hauptgeschäftsführer des Landkreistages Nordrhein-Westfalen 181
Inhalt EILDIENST Heft 5/2017 EILDIENST 5/2017 Auf ein Wort Wort 181 Thema Aktuell Kavalleriestraße 8 40213 Düsseldorf Zukünftige Entwicklungen und Herausforderungen für den ÖPNV Telefon 0211/ 300 491-0 im ländlichen Raum 185 Telefax 02 11/ 300 491-660 E-Mail: presse@lkt-nrw.de Internet: www.lkt-nrw.de Aus dem Landkreistag Impressum EILDIENST – Monatszeitschrift Neuordnung der Schulaufsicht 187 des Landkreistages Nordrhein-Westfalen Herausgeber: Hauptgeschäftsführer Schwerpunkt: Dr. Martin Klein Naturschutz / Landschaftsschutz Redaktion: Erster Beigeordneter Dr. Marco Kuhn Beigeordneter Dr. Christian v. Kraack „Kalkgeprägte Trockenlebensräume im KulturlandKreis Höxter“ – Hauptreferent Dr. Markus Faber ein LIFE + -Projekt zum Schutz der biologischen Vielfalt 193 Referentin Dr. Andrea Garrelmann Referentin Dorothée Heimann Der Kreis Steinfurt beschreitet „Wege zur Vielfalt“ 196 Referent Thomas Krämer Referentin Kirsten Rüenbrink Hauptreferent Dr. Kai Zentara Landschaftsplanung im Aufwind – aktuelle Entwicklung im Kreis Minden-Lübbecke 198 Quelle Titelbild: Frank Grawe, Kreis Höxter Artenschutz in der Fläche: Gemeinschaftsaktion zum Kiebitzschutz Redaktionsassistenz: im Kreis Warendorf 200 Gaby Drommershausen Astrid Hälker Wasser erleben an der Erft – Das Naturparkzentrum Heike Schützmann an der Gymnicher Mühle 201 Herstellung: ALBERSDRUCK GMBH & CO KG Quadratur des Kreises: Naturschutz und Naherholung Leichlinger Straße 11 im Kreis Herford 203 40591 Düsseldorf Schutz der Biodiversität als Kreisaufgabe im Kreis Viersen 205 ISSN 1860-3319 Planen mit der Kulturlandschaft in der Region Ruhr – Der kulturlandschaftliche Fachbeitrag zum Regionalplan 208 Kulturlandschaftspflege und Naturschutz vernetzt im Rheinland 211 Erhaltende Kulturlandschaftsentwicklung in Nordrhein-Westfalen 213 Im Fokus Kreise in Nordrhein-Westfalen Gemeinsames MINT-Engagement legt los – Das zdi-Netzwerk :MINT im Rhein-Sieg-Kreis ist gestartet 215 182
EILDIENST Heft 5/2017 Inhalt EILDIENST 5/2017 Kurznachrichten Allgemeines Zahlenspiegel 2017 des Kreises Warendorf 216 NRW: 27.027 Einbürgerungen im Jahr 2016 – stärkster Anstieg bei Briten 216 „NRWeltoffen“: Startschuss für Projekt im Ennepe-Ruhr-Kreis 216 Arbeit und Soziales 2015 gab es in NRW 224.000 Empfänger von Asylbewerberleistungen 217 Aktionsplan Inklusion – Fahrplan für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Rhein-Sieg-Kreis liegt vor 217 NRW: Lohnunterschied zwischen Ungelernten und leitenden Angestellten wieder gestiegen 218 Bauen und Planen Genehmigungen im Wohnungsbau in NRW im Jahr 2016 um 19,3 Prozent gestiegen 218 Geotechnik und Vermessung Geoservice macht‘s möglich – Kreis Unna per Mausklick entdecken 218 Kinder und Jugend „Kein Kind zurücklassen“ Modellvorhaben im Kreis Unna in der Fläche angekommen 219 Kultur und Sport Naturpark Bergisches Land setzt sich für Qualitätssteigerung im Wandertourismus ein 219 Landwirtschaft Agrarstrukturerhebung 2016: Konzentration in der NRW-Landwirtschaft schreitet fort 220 Hennen in NRW legten 2016 fast 37 Millionen Eier mehr als 2015 220 Im Jahr 2016 wurden Mahl- und Schälmühlenerzeugnisse im Wert von 790 Millionen Euro hergestellt 220 183
Inhalt EILDIENST Heft 5/2017 EILDIENST 5/2017 Schule und Weiterbildung Im Jahr 2016 erhielten in NRW 10,4 Prozent mehr Studierende ein Deutschlandstipendium 220 Auch 2016 machten in NRW wieder mehr Mädchen Abitur als Jungen 221 Umwelt und Natur 2. Mobilitätskonferenz des Kreises Siegen-Wittgenstein zu Elektromobilität 221 Jetzt auch offiziell „fahrradfreundlich“ – Positives Votum für den Rhein-Sieg-Kreis 222 Neue Fahrradkarte für den Märkischen Kreis 222 Wirtschaft und Verkehr 2015 erwirtschafteten 128 Unternehmen in NRW Umsätze in Milliardenhöhe 223 NRW-Industrie: Produktion im Jahr 2016 um 1,7 Prozent gesunken 223 Hinweise auf Veröffentlichungen Veröffentlichungen 224 184
EILDIENST Heft 5/2017 Thema aktuell Zukünftige Entwicklungen und Herausforde- rungen für den ÖPNV im ländlichen Raum Der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr des Landkreistages NRW hat in seiner Sitzung am 5. April 2017 im Kreis Warendorf die in absehbarer Zeit zu erwartenden tiefgreifenden Veränderungen im Verkehrssektor, insbesondere im kreisangehörigen Raum in Nordrhein-Westfalen, mit Geschäftsführer Volker Wente, Landesgruppe NRW des VDV, diskutiert. Dabei wurden folgende Aspekte von den Mitgliedern des Ausschusses intensiv beleuchtet: I. Z urückgehende • d ie Stärkung des Jedermannverkehrs im Fahrtrouten verschiedene Verkehrsträger kreisangehörigen Raum mittels Attrak- miteinander vergleichen und ggf. verschie- Schülerzahlen tivierung der Angebote im Jedermann- dene Verkehrsträger auch miteinander ver- In weiten Teilen des kreisangehörigen verkehr, der Implementierung und Ver- netzen, sind hierbei nur ein erster Schritt. Raums werden in den nächsten Jahren besserung von Jobtickets, Neben dem Fußverkehr, dem Radverkehr, die Schülerzahlen noch weiter einbrechen. • die Ausgabe von Schülerfahrausweisen zunehmend für weitere Strecken auch den Dies betrifft nicht alle Landesteile gleicher- mit Mehrnutzen (wird in NRW vielerorts E-Bikes sowie den klassischen Verkehrs- maßen, aber insbesondere weite Teile des schon praktiziert) und/oder trägern ÖPNV und Autoverkehr, werden westfälisch-lippischen Raumes werden in • eine intensivere Abstimmung der Schul- auch temporäre Mietangebote (shared den nächsten Jahren weiterhin von sin- träger mit den Aufgabenträgern im economy), sowohl als Free-Floating-Ange- kenden Schülerzahlen betroffen sein. Auch ÖPNV über Schulstandorte, Anfangszei- bote als auch als stationäre Angebote, und der Flüchtlingszustrom wird diesen Prozess ten etc. schließlich auch Angebote auf Taxen- oder voraussichtlich nur verzögern, nicht jedoch Alle diese Angebote bedürften jedoch einer Mietwagenbasis eine Rolle spielen. Dies aufhalten (da Flüchtlingszahlen wieder weiteren landesseitigen Unterstützung der betrifft zwar in erster Linie die Ballungsräu- zurückgegangen sind und Flüchtlinge, besonderen Bedürfnisse des kreisangehöri- me, wird aber auch den ländlichen Raum soweit sie ihren Wohnsitz wählen kön- gen Raums. Als Beispiel ist hier die Ausfor- nicht unberührt lassen. nen, tendenziell eher in die Ballungsräume mulierung des § 7b des Niedersächsischen Für den ÖPNV ist dies Chance und Risi- ziehen). Nahverkehrsgesetzes zu nennen: ko zugleich. In Teilen wird der ÖPNV In vielen Kreisen ist jedoch der Schülerver- § 7b Finanzielle Unterstützung für die Wei- zukünftig (nur) noch ein Teil der Ange- kehr das Rückgrat des ÖPNV. Nur über terentwicklung des straßengebundenen botskette sein, andererseits können sich den Schülerverkehr als Teil des ÖPNV kön- öffentlichen Personennahverkehrs jedoch durch die Vernetzung auch Chan- nen vielfach Angebote in den Tagesrand- (1) Das Land gewährt den kommunalen cen ergeben, gerade im ländlichen Raum, zeiten und im Jedermannverkehr aufrecht Aufgabenträgern (…) ab dem Kalenderjahr wo viele Relationen durch den ÖPNV nicht erhalten werden. Brechen die Schülerzah- 2017 eine weitere jährliche Finanzhilfe (…) mehr wirtschaftlich abbildbar sein werden len weiter ein, sind diese schülerverkehrs- in Höhe der in der Anlage 2 genannten (z.B. mittels vermehrter Übergänge durch bezogenen Querfinanzierungseffekte ge- Beträge. (…) Dieser Anteil ist mit jeweils Park&Ride oder Bike/E-Bike&Ride Ange- fährdet. einem Drittel nach der Einwohnerzahl, der bote). Wichtig ist aus Sicht des Landkreis- Zugleich bedeutet ein Rückgang der Schü- Fläche und der demografischen Entwick- tages NRW, dass sich die Aufgabenträger lerzahlen nicht zwangsläufig ein Weniger lung des Gebiets zu bemessen, für das die im ÖPNV und die Verkehrsunternehmen an Verkehr. Oftmals folgt aus zurückge- Aufgabe übertragen wurde. im ländlichen Raum frühzeitig mit den Her- henden Schülerzahlen eine Zusammen- (2) Die nach Absatz 1 zugewiesenen Mit- ausforderungen vernetzter und digitalisier- legung von Schulstandorten und damit tel sollen insbesondere für die Entwicklung ter Verkehre auseinandersetzen. weitere Reisewege zu den Schulstandor- von Angeboten, die den Linienverkehr in Der Nachfrager, vor allem der Gelegen- ten. Zudem bedeuten geringere Schüler- Räumen und Zeiten schwacher Nachfrage heitsnachfrager, möchte zukünftig Fahr- zahlen oftmals geringere Fahrgastzahlen ergänzen und besonders auf wechseln- informationen verkehrsträgerübergrei- auf den einzelnen Linienwegen, ohne dass de Nachfrage zugeschnitten sind (flexib- fend aus einer Hand erhalten, möglichst damit die Möglichkeit der Reduzierung der le Bedienformen), verwendet werden. genaue Informationen zu Umstiegen und Fahrten an sich verbunden wäre. Kleinere Sie dürfen auch für andere Maßnahmen Verkehrsträgerwechsel erhalten (idealer Fahrzeuge bieten dagegen vielfach kaum des Aufgabenträgers eingesetzt werden, Weise in Form einer mobilen Applikation) wesentliche Einspareffekte (etwa 60% der mit denen der straßengebundene öffent und schließlich auch die Beförderungen Kosten im ÖPNV sind Personalkosten). liche Personennahverkehr verbessert oder möglichst mobil und mit einer einheitlichen Die Folgen der aufgezeigten Entwicklung erweitert wird. Anwendung bezahlen. Offen ist dabei, ob können sein: Probleme bei der Gesamtfi- eine solche Applikation von Seiten der Ver- nanzierung des Systems ÖPNV im kreisan- II. D igitalisierung kehrsunternehmen oder der Aufgabenträ- gehörigen Raum, höhere Kosten pro beför- des Verkehrs ger angestoßen werden soll und kann, oder dertem Schüler, Wiederanstieg von freige- ob es nicht sinnvoller ist, hier die Erstellung stellten Schülerverkehren außerhalb des Die zunehmenden Potenziale der Digitali- solcher Instrumente privaten Anbietern zu ÖPNV, höhere Anteil von Selbstfahrern. sierung werden zukünftig die Möglichkeit überlassen. Einen Königsweg, dem aufgezeigten Pro- eröffnen, dass Fahrgäste nicht mehr pri- Der Vorteil bei erstgenannter Lösung blem zu begegnen, gibt es bislang nicht. mär mit einem vorher festgelegten Ver- wäre, dass die Aufgabenträger oder die Denkbar wäre kehrsmittel eine bestimmte Fahrstrecke Verkehrsunternehmen die Kontrolle über • der Aufbau einer demographischen För- zurücklegen, sondern in die Lage versetzt die entsprechenden Anwendungen in derkomponente wie in Niedersachsen werden, grundsätzlich Mobilität nachzu- einer Hand halten würden. Der Vorteil (vgl. dort § 7b Niedersächsisches Nah- fragen. Die heute teilweise schon vorhan- der letztgenannten Lösung wäre es, dass verkehrsgesetz), denen Applikationen, die für gewünschte es mehrere (unterschiedliche) Modelle 185
Thema aktuell EILDIENST Heft 5/2017 solcher Anwendungen geben könnte, die sei es aus Gründen der Bequemlichkeit, können bei einem solchen Modell auch dann auch in einen Ideenwettbewerb um des Status oder schlicht einer nicht hin- deutliche Kosten- und Akzeptanzvortei- die beste Lösung miteinander treten könn- reichenden Verfügbarkeit von „shared le entstehen. te. Voraussetzung für die letztgenannte ownership“ Fahrzeugen zu Spitzenzei- • Auch Infrastrukturen vor Ort sind deut- Lösung wäre aber, dass die Aufgabenträ- ten (was insb. der Berufsverkehr wäre). lich besser zu erreichen: Dies gilt z.B. für ger und Verkehrsunternehmen entspre- Von der Verbreitung von „shared eco- Fahrten von den Wohnorten im ländli- chende Datenschnittstellen für private nomy“ Angeboten hängt zum Teil ab, chen Raum zu Sozialeinrichtungen, zu Anbieter bereithalten und auch gleichzeitig wie hoch das Ausmaß der Flexibilität Bildungseinrichtungen oder Gesund- Zahlung und Abrechnung über eine solche beim Rückgriff auf entsprechende Fahr- heitseinrichtungen. Das vollautonome Schnittstelle ermöglichen müssten. Auch zeuge ist (z.B. um Kinder unabhängig Fahren bietet insoweit auch Möglich- müsste insoweit geklärt werden, wie die vom Fahrzeug der Eltern autonom zur keiten für Kinder und Jugendliche unter Kombination mit Angeboten privater Drit- Schule bringen zu lassen). 18 Jahren und Senioren, die heute nicht ter, z.B. Taxiunternehmen, in einem sol- • Weiterhin ist offen, ob und wie stark mehr mit PKW am Straßenverkehr teil- chen System integriert werden könnte. zukünftig noch Zeitvorteile des ÖPNV/ nehmen können, entsprechende Ziele zu SPNV gegenüber vollautonomen PKWs erreichen. Damit könnte insgesamt ein III. M ittel- und langfristige bei stark belasteten Pendlerrelationen, Anreiz gesetzt werden, den ländlichen Auswirkungen des insbesondere in die Ballungsräume, Raum wieder für verschiedene Bevölke- bestehen. Auch beim vollautonomen rungsgruppen attraktiver zu machen. „Autonomen Fahrens“ Fahren werden Verkehrswege in die • Auch Jugendliche und junge Erwachsene Die langfristig größten Zäsuren für den Ballungsräume und in den Ballungs- können bei ihrer Freizeitgestaltung ein ÖPNV, sowohl allgemein als auch im räumen an ihre Kapazitätsgrenzen sto- höheres Maß an Mobilität erreichen, da kreisangehörigen, oft ländlichen Raum, ßen. Hier ist allerdings noch unklar, ob ein vollautonomes Fahren unabhängig werden sich jedoch mittel- und langfristig und in welchem Umfang vollautonome von Fahrtüchtigkeit auch das Zurückle- aus der Implementierung des „autonomen Fahrzeuge durch geringere Sicherheits- gen weiter Strecken nach Feierlichkeiten Fahrens“ ergeben. Eine umfassende Dis- abstände und besseres Fahrverhalten oder Gaststättenbesuchen ermöglicht. ruption der bestehenden Strukturen steht die Verkehrswege effizienter nutzen Dies kann im Ergebnis zu einer deut- dann zu erwarten, wenn Fahrzeuge tat- können. Zudem könnten durch „shared lichen Steigerung des Freizeitwertes, sächlich vollautonom fahren können (Defi- economy“ Lösungen ggf. mehr Fahrge- gerade für jüngere Menschen, führen. nition: vollständig autonomes Fahren, bei meinschaften gebildet werden. Sollte es dem die dynamische Fahraufgabe unter zukünftig beim Pendeln in die Ballungs- 2. Szenario jeder Fahrbahn und Umgebungsbedin- räume durch vollautonomes Fahren im Denkbar wäre jedoch auch ein (für den gung wie von einem menschlichen Fahrer PKW weniger zeitliche Verluste durch kreisangehörigen Raum negatives) Szena- durchgeführt wird, vgl. US Standard SAE Verkehrsbehinderungen geben als rio, dass auch die Einführung des vollau- J3016). Dies wird, trotz in der Öffentlich- heute, würde insoweit noch ein weiterer tonomen Fahrens nicht zu einer stärkeren keit zum Teil anderslautenden Meldungen, Vorteil für den ÖPNV/SPNV wegfallen. Attraktivierung des kreisangehörigen, voraussichtlich noch mindestens 15 bis 20 ländlichen Raums führen wird. Jahre dauern. Ein solcher Standard würde a) Mögliche Auswirkungen auf den • Dies würde insbesondere dann erfolgen, dazu führen, dass Fahrzeuge auch fah- kreisangehörigen Raum allgemein wenn die unter 1. genannten Vorteile rerlos Leerfahrten übernehmen können, Für den kreisangehörigen Raum können entweder gar nicht eintreten oder zwar Personen ohne Fahrerlaubnis, z.B. Schul- sich nach einer ersten, vorsichtigen Ein- eintreten, die Attraktivierung der Städte kinder, befördern oder Personen während schätzung aus der Entwicklung des auto- und der Ballungsräume durch autono- der Fahrt andere Aufgaben wahrnehmen nomen Fahrens zwei Szenarien ergeben: mes Fahren und moderne Fahrkonzepte können. jedoch deutlich stärker wirkt. Betrachtet man hierzu die vorliegenden 1. Szenario • Schon in der Vergangenheit hat sich Studien und Positionspapiere, so gibt es • Durch die Möglichkeiten des autono- gezeigt, dass theoretisch erwartete verschiedene denkbare Szenarien. Diese men Fahrens insgesamt können zukünf- Vorteile des kreisangehörigen Raums hängen, gerade auch im kreisangehörigen tig weitere Strecken zwischen Wohnort durch die Digitalisierung der Arbeitswelt Raum, von zwei Grundannahmen ab: und Arbeitsplatz zurückgelegt werden. und entsprechender Arbeitsmöglichkei- • Zum einen ist offen, ob sich bei vollau- Die Zeiten des Fahrens in einem auto- ten über Internetverbindungen (mehr tomatisierten Fahrzeugen das Konzept nomen PKW sind nicht mehr „verlore- Home-Office Lösungen, Kommunikati- einer „shared ownership“, also nicht im ne Zeit“, sondern können vielfach mit onsmöglichkeiten über größere Distan- Eigentum der Nutzer stehende Fahrzeu- sinnvollen Tätigkeiten genutzt werden. zen) nicht unbedingt zur Stärkung des ge, ganz oder überwiegend durchsetzt. Deshalb sind deutlich längere, zeitliche kreisangehörigen Raums geführt haben, Zwar gehen viele Studien davon aus, Reiseweiten vertretbar. sondern gerade digital affine Menschen dass beim vollautonomen Fahren ein • Durch autonom fahrende PKW kann der jüngeren Generation oftmals (wenn- Großteil der Passagiere nicht durch ein auch der regionale ÖPNV oder der SPNV gleich nicht immer) ein Wohnen in urba- eigenes Fahrzeug befördert wird, son- im kreisangehörigen Raum gestärkt nen Räumen bevorzugt haben. dern durch Fahrzeuge von Mobilitätsan- werden. Durch autonom fahrende PKW bietern (vergleichbar dem heutigen Car- können weitere Entfernungen zwischen b) Schlussfolgerungen: Mögliche sharing). Zwingend ist dies jedoch, gera- Wohnort und Park-and-Ride-Stationen Auswirkungen besonders auf den de im ländlichen Raum, nicht. Vielmehr zurückgelegt werden, wo die Passa ÖPNV im ländlichen Raum wäre denkbar, dass auch unter den Vor- giere in schnell fahrende Verkehrsmit- Im oben genannten 1. Szenario spricht aussetzungen des vollautonomen Fah- tel umsteigen können. Da ein autonom vieles dafür, dass der ÖPNV/SPNV zumin- rens ein Großteil der Fahrgäste auf ein fahrender PKW nicht an einer Park-and- dest dort, wo es um schnelle, langlaufen- eigenes Auto nicht verzichten möchte, Ride-Station ganztägig warten muss, de Verbindungen zur Erreichung zentraler 186
EILDIENST Heft 5/2017 Thema aktuell / Aus dem Landkreistag Orte im Kreisgebiet oder der benachbar- ben. Da hier die Geschwindigkeitsvorteile verkehr besteht zudem die Gefahr, dass ten städtischen Regionen geht, weiter- nicht greifen, wird es hier voraussichtlich bei schwächer frequentierten Relationen hin seine Berechtigung haben kann. Dies zu deutlichen Substituierungen durch voll- im kreisangehörigen Raum nur noch die ergibt sich aus möglichen Geschwindig- autonomes Fahren kommen. Auch beim Fahrgäste in Betracht kommen, die sich keitsvorteilen (insbesondere bei Pendeln in Schülerverkehr besteht die Gefahr, dass wirtschaftlich weder ein eigenes autono- städtische Ballungsräume ist nach wie vor viele Eltern ihre Kinder mit vollautonom mes Fahrzeug leisten können noch im Rah- auch zukünftig das Problem der Verkehrs- fahrenden PKWs zu den Bildungseinrich- men von „shared ownership“-Modellen dichte zu berücksichtigen) und auch unter tungen befördern lassen. Selbst wenn bedient werden können. Hier würde sich Kostengesichtspunkten (wenn man davon man unterstellt, dass es zukünftig auch dann auch die Frage stellen, ob dies dann ausgeht, dass auch zukünftig ein wesentli- Kostenvorteile durch vollautonomes Fah- nicht effizienter über „Mobilitätsgutschei- cher Teil der Fahrzeuge Individualeigentum ren der Busse im kreisangehörigen Raum ne“ oder ähnliche Lösungen zumindest sein wird). Bei weniger stark frequentierten gibt, steht zu erwarten, dass weniger fre- teilweise abgefedert werden kann. Verbindungen und dem Schülerverkehr quentierte Linien und auch viele Schüler- im ländlichen Raum werden sich jedoch in verkehre deutlich unter die ökonomische EILDIENST LKT NRW jedem Fall deutliche Veränderungen erge- Rentabilitätsgrenze fallen. Im Jedermann- Nr. 5/Mai 2017 80.31.00 Neuordnung der Schulaufsicht Von Wissenschaftlichem Mitarbeiter Manuel Joseph, Kommunalwissenschaftliches Institut der Universität Münster Am 6. April 2017 fand im Rahmen der Vortragsreihe „Kommunalverwaltung aktuell – Wissenschaft und Praxis“ des Freiherr-vom-Stein-Instituts, der wissenschaftlichen Forschungsstelle des Landkreistages NRW an der Universität Münster, eine Veranstaltung zum Thema „Neuordnung der Schulaufsicht“ statt. Etwa 50 Interessierte aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung kamen anlässlich der Veranstaltung in Münster zusammen. P rofessor Dr. Janbernd Oebbecke, Geschäftsführender Direktor des Frei- herr-vom-Stein-Instituts, eröffnete die Weiterentwicklung der Schulverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen, dessen Mitverfasser Professor Dr. Jörg Bogumil, organisierten oberen Schulaufsicht hori- zontale und vertikale Schnittstellenpro- bleme. Veranstaltung mit einer Einführung in das Lehrstuhl für Öffentliche Verwaltung, 2. Anzahl der Schüler Thema „Neuordnung der Schulaufsicht“. Stadt- und Regionalpolitik, Bochum, in Sie nehme bis zum Jahr 2040 kontinu- Die Schule als ein besonderer Bereich der dieser Vortragsveranstaltung aus der Per- ierlich ab. Eine besondere Herausforde- kommunalen Verwaltung, zeichnet sich spektive der Wissenschaft Stellung nahm; rung für die Struktur der Schulaufsicht neben ausgedehnten persönlichen Erfah- der Landrat des Kreises Minden-Lübbecke stelle die ungleiche Verteilung von rungen durch eine starke Einflussnahme und Vorsitzende des Schulausschusses des Wachstums- und Schrumpfungsräumen der Bediensteten auf die öffentliche Ver- Landkreistags Nordrhein-Westfalen, Dr. dar, die zu Disparitäten zwischen den waltung aus. Die starken Positionen der Ralf Niermann, beleuchtete das Thema aus Schulämtern führen könne. Gemeinden und des Staats bei den äuße- der Sicht der Praxis. 3. Veränderungen in der Schulstruktur und ren und inneren Schulangelegenheiten Professor Bogumil erläuterte zu Beginn sei- der Schulaufsicht schaffen zudem einen organisatorischen nes Vortrags die Struktur der Schulaufsicht Die Anzahl der von den Schulämtern zu Rahmen, der eine zweckmäßige Ausgestal- in Nordrhein-Westfalen, die dreistufigen beaufsichtigten Schulen sei seit dem Jahr tung erfordere. aufgebaut ist und stellte einen Vergleich 2000 stark gesunken und sinkt zukünf- Die Schulaufsicht als wesentlicher Teil der mit den Strukturen und Entwicklungen in tig weiter. Die Schulaufsicht sei zudem Schulverwaltung wird durch die Länder anderen Bundesländern an. Dabei kon- mit einer spürbaren Aufgabenverdich- wahrgenommen, die sich traditionell im statierte er eine Tendenz zu einer durch- tung konfrontiert, Schnittstellenpro- Wege der Organleihe kommunaler Kräfte gängigen zweistufigen und schulform- bleme nähmen durch Schulschließun- bedienten. Die Hauptverwaltungsbeamten übergreifenden Schulaufsicht. Professor gen und -neugründungen zu und die der Kreise und kreisfreien Städte werden Bogumil identifizierte vier Faktoren für die Schulentwicklungsplanung sei verstärkt somit im Wege der Organleihe neben dem Problemanalyse und die Neustrukturierung regional und schulformübergreifend zu staatlichen Schulrat in der Spitze des staat- der Schulaufsicht in Nordrhein-Westfalen: verankern. lichen Schulamtes tätig. Die Kreise und 1. Gegenwärtige Struktur der Schulauf- 4. Ergebnisse einer Befragung des schul- kreisfreien Städte stellen das Verwaltungs- sicht fachlichen Personals personal und tragen die Verwaltungsko- Kleine Schulämter seien mit der Vielzahl Die Ergebnisse der durchgeführten sten. Da sich die Interessen von Land und der Aufgaben überfordert, auf Grund Experteninterviews belegten, dass ein Kommunen ungewöhnlich stark berühren der „Hochzonung“ der Dienstaufsicht erhebliches Auseinanderfallen der wün- hatte das Finanzministerium im Juli 2015 über die Hauptschulen und einen Teil schenswerten und tatsächlichen Aufga- eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern der Förderschulen entstehe erhebliches benwahrnehmung bestehe. Die Kern- beauftragt, die Perspektiven der Schulver- Abstimmungs- und Konfliktpotential, aufgaben der Schulaufsicht könnten waltung in Nordrhein-Westfalen zu unter- die Ausstattung der Schulämter sei häu- auf Grund eines zu hohen Aufgabenbe- suchen. Vorgelegt wurde im Juli 2016 fig nicht hinreichend. Hinzu träten auf stands nicht hinreichend wahrgenom- ein wissenschaftliches Gutachten zu der Grund der traditionell nach Schulformen men werden. Folge sei eine hohe Unzu- 187
Aus dem Landkreistag EILDIENST Heft 5/2017 friedenheit der unteren Schulaufsicht mit rer des Landkreistags Nordrhein-Westfalen genheiten sowie in der Schulaufsicht her- der aktuellen Aufgabenwahrnehmung. an. Große Einigkeit bestand bei der Kritik aus und schloss die Veranstaltung mit einer Wünschenswert sei eine klare Kernauf- an der Auswahl der befragten Personen, von Professor Bogumil skizzierten Leitlinie: gabendefinition der Schulaufsicht durch hier vor allem, dass kein Schulverwaltungs- „Es sollte eine Lösung geben, die nicht so das Ministerium für Schule und Weiter- personal befragt wurde. Professor Bogumil weit weg ist von den Kommunen!“ bildung des Landes Nordrhein-West zeigte sich hinsichtlich des von den Diskus- falen bzw. der Bezirksregierung sowie sionsteilnehmern gerügten methodischen Referat von eine klare Formulierung der Ziele und Mangels gesprächsbereit und rechtfertigte Prof. Dr. Jörg Bogumil eine präzisere Schwerpunktsetzung bei die fehlende Befragung mit Ressourcen- den Aufgaben der Schulaufsicht. knappheit. Einige Diskussionsteilnehmer Als Anforderungen an eine Neukonstruk- befürchteten, dass die regionalen Außen- tion und die möglichen Optionen für die stellen der Bezirksregierungen zu einer Reform der Schulaufsicht definieren die Zunahme von Anonymität in der Schul- Gutachter eine stärker stufenbezogene, aufsicht beitragen könnten. Dass bereits systemische und regionalbezogene Schul- frühzeitig Modellvarianten für die Neukon- aufsicht, die nach der Zahl der Außenstel- struktion der Schulaufsicht durch die Gut- len Effektivität und Ortsnähe hinreichend achter verworfen worden waren, fand kri- berücksichtige. Das Verwaltungspersonal tische Stimmen. Es wurde zudem die Ver- sei angemessen zu unterstützen, Abstim- mutung geäußert, das Ziel des Gutachtens mungs- und Entscheidungsprozesse zu bestehe in erster Linie in der Entwicklung beschleunigen und Kernaufgaben der von Kosteneinsparungsmöglichkeiten. Die Schulaufsicht zu klären. Zu diesem Zweck Vernetzung auf kommunaler Ebene habe analysierten die Gutachter sechs Neustruk- in dem Gutachten überhaupt keine Rolle turierungsmodelle der Schulaufsicht, von gespielt. Dringender als eine Neuorganisa- denen drei vorzeitig als praxisfern verwor- tion der Schulaufsicht sei, das identifizier- fen wurden. Das von der Expertengruppe te Defizit der Aufgabendefinition und die favorisierte Modell sieht eine durchgängig Rolle der Schulaufsicht zu lösen. zweistufige Schulaufsicht vor, indem die Professor Bogumil entgegnete den Kriti- bestehenden 53 unteren staatlichen Schul- kern, dass diese einen unseriösen Mythos ämter zugunsten von 33 neuzugründenden der kommunalen Selbstverwaltung Professor Dr. Jörg Bogumil. regionalen Schulbehörden als Außenstel- bemühten. Er betonte, dass es ausschließ- len der Bezirksregierung aufgelöst werden lich um die Struktur der staatlichen Schul- Die Autoren dieses Artikels haben im und deren operative Tätigkeit grundsätz- ämter gehe und den Kommunen nichts Herbst 2016 ein Gutachten im Auftrag des lich stufenbezogen und (mit Ausnahme entzogen würde. Als Grund für die Kritik Finanzministerium NRW zur Neuordnung der Berufskollegs) schulformübergreifend an dem Gutachten machte er den Wunsch der Schulaufsicht vorgelegt. Im Folgen- wahrgenommen werden. nach der Diskussion des Modells aus, wel- den wird, ausgehend von Erfahrungen der Nach den Ausführungen von Professor ches die Stärkung der unteren Schulauf- anderen Bundesländer (1) und einer empi- Bogumil ergriff Landrat Dr. Niermann das sicht beinhalte, jedoch offenbar zu vorzei- rischen Bestandsaufnahme zentraler Pro- Wort. Er betonte, dass eine umfassende tig aus den Betrachtungen der Gutachter blemlagen der Schulaufsicht in NRW (2) Schulentwicklungsplanung, die regelmäßig ausgeschieden war, unter anderem weil es ein Reformvorschlag für NRW präsentiert keine schulformspezifischen Unterschie- mit erheblichen finanziellen Mehrbelastun- und hinsichtlich seiner Vor- und Nachteile de machen dürfe, einen umfassenderen gen verbunden sei. Er gab zu bedenken, diskutiert. Blick, insbesondere bei der Aufsichtsstruk- dass das von den Gutachtern favorisierte tur erfordere. Es bestehe das Bedürfnis Außenstellenmodell ortsnah konzipiert sei 1. E rfahrungen aus den nach einer, auf einer Ebene gebündelten, und auch Verwaltungspersonal berück- anderen Bundesländern schulformübergreifenden sowie stufen- sichtige. bezogenen Schulaufsicht. Dies führe zu Professor Oebbecke bestätigte, dass den Alle Bundesländer verfügen über ein spe- einer Ablösung der bisher nach Schulform Kreisen und kreisfreien Städten nichts zifisches System von Schulaufsichtsbehör- praktizierten getrennten Schulaufsicht. entzogen würde, da es keinen Schutz aus den, wobei die Organisation der Instanzen, Den Vorschlag der „Verstaatlichung der einer Verfassungsnorm für die Aufga- der schulartspezifischen Zuständigkeiten gesamten Schulaufsicht unter Auflösung be der Schulaufsicht bei den Kreisen und oder die Zuordnung zur sonstigen Lan- der unteren Schulaufsicht durch Zusam- kreisfreien Städten gebe. Er verlieh jedoch desverwaltung unterschiedlich geregelt menfassung bei der oberen Schulaufsicht seiner Sorge Ausdruck, dass das Problem ist. Ein dreistufiger Verwaltungsaufbau in mit fünf Bezirksregierungen und etwa 33 der fehlenden Kernaufgabendefinition der der Schulverwaltung (Oberste, Obere und regionalen Außenstellen“, lehnte er als Schulaufsicht nicht durch Neuorganisation Untere Schulaufsichtsbehörden) existiert Versuch, der örtlichen Gemeinschaft die der Schulaufsicht behoben werden könne, heute nur noch in Baden-Württemberg, Mitverantwortung und Gestaltungsmög- sondern nur durch Beseitigung der auch Bayern und Nordrhein-Westfalen. Die lichkeit zu entziehen, ab. Stattdessen plä- in anderen Bereichen zu verzeichnenden Dreistufigkeit bezieht sich immer nur auf dierte er für eine Stärkung der Schulauf- Regierungsabstinenz. bestimmte Schulformen wie Grundschu- sicht auf Ebene der Kreise und kreisfreien Abschließend bedankte sich Dr. Klein bei len, Hauptschulen oder auch Realschulen Städte und die Schaffung einer erweiterten den Teilnehmern und den Referenten. Er (Baden-Württemberg), die Aufsicht über unteren Schulaufsicht. stellte die in der Diskussion von mehreren die anderen Schulformen findet ein- oder An die Vorträge der Referenten schloss sich Teilnehmern hervorgehobene Bedeutung zweistufig statt. Ansonsten geht der Trend eine lebhafte Diskussion unter der Leitung der Einräumigkeit der Verwaltung sowohl seit längerem zur durchgängigen Zweistu- von Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsfüh- in inneren als auch äußeren Schulangele- figkeit, die Stadtstaaten und das kleinere 188
EILDIENST Heft 5/2017 Aus dem Landkreistag Saarland haben jeweils nur eine einzige Schleswig-Holstein und Thüringen) oder – Die Mitarbeiter der Schulaufsicht wün- Schulbehörde. Somit ergibt sich folgendes einer oberen Schulaufsicht (Niedersachsen, schen sich eine landeseinheitliche Klä- Bild: Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen- rung der Kernaufgaben der Schulauf- – dreistufiges Modell: Ministerium – Lan- Anhalt) sind die staatlichen SchuÄ zwar sicht. Ein Großteil der Befragten erwar- deschulämter/Regierungsbezirke – auch lokal bzw. regional angesiedelt, aber tet vom MSW bzw. von der Bezirks- Staatliche Schulämter (SchuÄ). Dieses mit ausschließlich staatlichem Personal regierung eine klarere Formulierung Modell findet sich in Baden-Württem- bestückt, also reine staatliche Sonderbe- schulaufsichtlicher Ziele und Schwer- berg, Bayern, Nordrhein-Westfalen. hörden. Hier liegt die Zahl der SchuÄ deut- punktsetzungen. – zweistufiges Modell: Ministerium – Lan- lich unter der Anzahl der Kreise und kreis- – Insbesondere die Mitarbeiterinnen der dessschulamt/Oberschulämter oder freien Städte (vgl. Tabelle 1). unteren Schulaufsicht wünschen sich, Staatliche SchuÄ. Dieses Modell findet sich in neun Ländern: Brandenburg, Bundesland Anzahl Anzahl Verhältnis Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Schulämter, kreisfreie Städte/ dezentrale Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sach- Regional Landkreise Einrichtungen/ sen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein abteilungen, Landkreise, und Thüringen; Außenstellen kreisfreie Städte – vier Länder haben ausschließlich eine Baden-Württemberg 321 344 147 % oberste Schulaufsichtsbehörde (Mini- sterium): Berlin, Bremen, Hamburg und Bayern 396 396 100 % Saarland. Berlin hat dabei ein Sonder- Brandenburg 334 318 122 % modell mit der direkten Anbindung von 12 Außenstellen an die oberste Schul- Hessen 315 326 157 % aufsichtsbehörde (Senator). Mecklenburg-Vorpommern 334 338 150 % Die Oberste Schulaufsichtsbehörde ist überall das für das Schulwesen zuständige Niedersachsen 313 346 128 % Ministerium. Obere Schulaufsichtsbehör- Nordrhein-Westfalen 353 353 100 % den gibt es in acht Flächenländern (viermal Rheinland-Pfalz 333 336 118 % auf der Ebene der allgemeinen Mittelin- stanzen, viermal in Sonderbehörden). Acht Sachsen 335 313 138 % Länder verfügen noch über untere Schul- Sachsen-Anhalt 333 314 121 % aufsichtsbehörden, sogenannte staatliche SchuÄ. Diese sind zunächst nicht zu ver- Schleswig-Holstein 315 315 100 % wechseln mit den kommunalen Schulver- Thüringen 335 323 129 % waltungsämtern, in denen die Kommunen als Schulträger ihre Verwaltungsaufgaben Gesamt / Verhältnis 237 392 160 % für die Schulen erledigen (äußere Schulan- gelegenheiten). Zudem gibt es diese staat- In der Summe ist eine gewisse Tendenz in 1 Kondominium bedeutet wörtlich übersetzt lichen SchuÄ in zwei unterschiedlichen Richtung einer ausschließlich zweistufigen „gemeinsames Eigentum“ und wird in der Konstruktionen. Schulaufsicht beobachtbar. Regel für eine gemeinschaftlich ausgeübte In nur noch drei Bundesländern existieren Herrschaft mehrerer Herrschaftsträger über die staatlichen SchuÄ als Gemeinschafts- ein Gebiet verwandt. Im Bereich der Schul- 2. Probleme der verwaltung wird dieser Begriff unterschied- aufgabe bzw. kommunal/staatliche Auf- Schulaufsicht in NRW lich gehandhabt, einmal mit Hinweis auf die gabenteilung (Kondominum)1 (in NRW, inneren und äußeren Schulangelegenheiten Bayern2 und Schleswig-Holstein). Das Im Rahmen des Gutachtens ist eine schrift- bezogen auf die Schulverwaltung generell staatliche Schulamt ist hier in Form einer liche Befragung aller schulfachlichen Mit- und einmal in dem hier verwendeten engeren Organleihe einer kreisfreien Stadt oder arbeiterinnen und Mitarbeiter der unteren Sinne als kommunal-staatliche Aufgaben- einem Kreis zugeordnet. In diesen Län- und oberen Schulaufsicht (Ausnahme Dez. teilung bei den staatlichen Schulämtern. In Hessen (1985) und in Baden-Württemberg dern ist die Zahl der staatlichen SchuÄ 45, 47, 48) zur Einschätzung der aktuel- (2009) wurde die „Kommunalisierung“ der identisch mit der Zahl der jeweiligen Kreise len Lage und möglichen Veränderungen unteren Schulaufsicht (gemeint ist das oben und kreisfreien Städte (Bayern 96, NRW durchgeführt worden.3 Wesentliche Ergeb- genannte Kondominium) wieder rückgängig 53, Schleswig-Holstein 15). Das staat- nisse sind: gemacht und reine staatliche SchuÄ instal- liche Schulamt besteht hier aus einem – Es gibt ein nicht unerhebliches Ausein- liert (vgl. Richter 2010: 84). 2 oder mehreren schulfachlichen Mitglie- anderfallen der wünschenswerten mit In Bayern gibt es kein klares Kondominium, dern (Schulräte), die Landesbedienstete der tatsächlichen Aufgabenwahrneh- da Anstellungsträger sowohl des schulfach- lichen wie des verwaltungsfachlichen Perso- sind, und einem verwaltungsfachlichen mung in der gesamten Schulaufsicht nals das Land ist, vertreten durch die Bezirks- Mitglied (OB, Landrat), das zuständig für vor allem im Bereich der Qualitäts- und behörde. Geleitet wird das Amt durch den verwaltungsrechtliche und haushaltsrecht- Schulentwicklung (vgl. Abbildung 1 auf Schulamtsdirektor (Schulrat), der Landrat als liche Angelegenheiten ist. Die Kommunen Seite 190). Behörde ist zuständig für alle rechtlichen Fra- müssen in diesem Fall für die verwaltungs- – Wichtige Kernaufgaben der Schulauf- gen des Schulamtes und wird im Wege der mäßige Ausstattung der staatlichen SchuÄ sicht können nur unzureichend wahrge- „Amtshilfe“ tätig. 3 sorgen. nommen werden. Die Rücklaufquoten waren hoch und erfül- len die Kriterien der Repräsentativität. Für In allen anderen Bundesländern, unab- – Die Unzufriedenheit mit der aktuellen die untere Schulaufsicht konnten 135 Fra- hängig ob mit mit einer unteren Schul- Aufgabenwahrnehmung ist in der unte- gebögen (~ 78 %), für die obere Schulauf- aufsicht (Baden-Württemberg, Branden- ren Schulaufsicht erheblich größer als in sicht 139 Fragebögen (~81%) ausgewertet burg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, der oberen Schulaufsicht. werden. 189
Aus dem Landkreistag EILDIENST Heft 5/2017 dass die Kondominiallösung zugunsten Schulaufsicht. Die Priorisierung der Aufga- von fast allen als Grund für ein erhebliches einer rein staatlichen Schulaufsichtsbe- ben der Schulaufsicht erfolgt weitgehend Abstimmungs- und Konfliktpotential beur- Abbildung 1: Aufgabenwahrnehmung hörde aufgegeben wird. im Soll/Ist-Vergleich individuell durch den täglichen Arbeits teilt. Die mit der Schließung einer Vielzahl von Hauptschulen verbundenen fachauf- Abbildung 1: Aufgabenwahrnehmung im Soll/Ist-Vergleich sichtlichen Fragen müssen durch die unte- re Schulaufsicht geklärt werden, während 0 5 10 15 20 25 30 35 Qualitäts- und Schulentwicklung 1 die mit den Umsetzungen und Versetzun- 8,2 21,0 23,6 30,8 gen der Hauptschullehrkräfte verbunde- nen Fragen in die Kompetenz der oberen Implementierung neuer Lehr- und 9,1 2 5,1 7,1 Schulaufsicht fallen. Dies führt zu abstim- Lernformen 9,8 mungsintensiven Schnittstellenproblemen. Ähnlich trifft dies auch für zu schließende 9,0 Personalentwicklung 3 7,6 13,1 oder auslaufende Förderschulen zu. 11,1 Die traditionell nach Schulformen organi- sierte obere Schulaufsicht führt ebenfalls zu 8,5 Steuerung der Personalversorgung 4 7,2 11,1 15,0 horizontalen und vertikalen Schnittstellen- problemen, die mit dem einher gehenden demografischen Wandel und dem dadurch Beschwerde-, Konflikt- und 7,1 ausgelösten Umbau der Sek.I Schulstruktur 5 5,3 9,0 12,5 Krisenmanagement weiter zunehmen werden. Vernetzung und Kooperationen, Bei den 10- bis unter 16-jährigen wird es 12,3 Koordinationsaufgaben 6 8,5 9,3 13,0 bis 2040 erneut landesweit einen starken Rückgang geben. Dabei finden Schrump- fung und Wachstum gleichzeitig statt: in Organisation der Beschulung 5,2 7 3,7 6,8 13,5 10 Kreisen wird die Sek. I Schülerschaft um von Schülern Zuwanderungsgesch. 23% – 35% sinken, in etlichen kreisfreien Städten werden Zuwächse von 10% bis Organisation der Beschulung der Schüler mit sonderpäd. Unterstützungsb. 8 4,2 5,2 9,8 14,6 33% prognostiziert. Während in etlichen Kreisen mit immer weniger Schülerinnen ein alle Abschlüsse umfassendes Schulan- Mitwirkung an der regionalen 5,3 9 3,9 7,0 gebot aufrechterhalten werden muss, wer- Fortbildung 5,8 den in anderen Kreisen Neugründungen von Gesamtschulen und Sekundarschulen Interne Qualitätsentwicklung 10 4,0 6,7 9,1 bei gleichzeitig auslaufenden Haupt- und 7,2 teilweise auch Realschulen einen großen Abstimmungsbedarf der unteren und obe- 1,3 1,9 Sonstiges 11 6,1 ren Schulaufsicht erforderlich machen. 4,5 Schulentwicklungsplanung muss vor die- Schulämter IST Schulämter SOLL Bezirksregierung IST Bezirksregierung SOLL sem Hintergrund verstärkt regional und schulformübergreifend verankert wer- Quelle: Eigene Erhebung; N (SchuÄ) = 132-134, N (BR) = 131-135, Angaben in % Quelle: Eigene Erhebung; N (SchuÄ) = 132-134, N (BR) = 131-135, Angaben in % den. Die Beratung der Kommunen und die Organisation einer interkommuna- Das Aufgabenspektrum der Schulaufsicht anfall (Krisenintervention). Durch das Feh- len Abstimmung als Aufgabe der oberen ist u.a. durch die ab 2006 eingeführten len eines verbindlichen Leit- und Rollenbil- Schulaufsicht für alle Schulformen wird an neuen Instrumente der Output-Messung des der Schulaufsicht und die permanente Bedeutung gewinnen. (zentrale Prüfungen, zentrale Lernstand- Überlastung wird je nach Zugehörigkeit zu Bei einer Fortschreibung der bisherigen serhebungen, externe Schulevaluation), einer bestimmten Bezirksregierung, und Ausstattung der Schulämter mit schul- durch die mit dem Schulkonsens von 2011 innerhalb dieser zu einem bestimmten aufsichtlichem Personal werden deutlich ausgelösten Schulentwicklungsprozesse Schulformdezernat, ein z.T. unterschied- mehr Schulämter in Zukunft nur noch über und die zusätzlichen neuen und zeitinten- liches schulaufsichtliches Aufgabenver- ein bis zwei Schulräte verfügen, während siven Querschnittsaufgaben (u.a. der Ein- ständnis sichtbar. andere erheblich aufgestockt werden müs- richtung von Regionalen Bildungsnetzwer- Schon jetzt arbeiten 25 % der SchuÄ kreis- sten. Die Disparitäten zwischen den Schul- ken, Kompetenzteams) erheblich erweitert übergreifend und in 20 % der SchuÄ gibt ämtern werden zunehmen. Mehr Schul- worden. Dies hat zu einer starken Aufga- es nur ein bis zwei Schulräte. Kleine Schul- ämter als heute werden faktisch nicht mehr benverdichtung und einer Überlastung des ämter sind mit der Vielzahl der Aufgaben in der Lage sein, die ihnen zugewiesenen schulfachlichen Personals geführt. objektiv überfordert. Bei der Ausstattung Aufgaben qualitativ gut zu erledigen und Gleichzeitig ist die Zahl der von den Schul- der Schulämter mit verwaltungsfachli- ihren schulgesetzlichen Auftrag nur noch ämtern zu beaufsichtigenden Schulen seit chem Personal durch die Kommunen gibt ungenügend nachkommen können. 2000 stark gesunken und wird weiter sin- es keine nachvollziehbare oder landesweit ken. Betroffen sind vor allem Grundschu- abgestimmte Regelung. In vielen Schul- 3. Reformvorschlag für NRW len, Hauptschulen und Förderschulen. Die ämtern wird die Ausstattung durch die Zahl der Schüler ist von 2000 bis 2016 Kommunen als nicht hinreichend wahrge- Aufgrund der skizzierten Entwicklungen um 24,3 % (Grundschule) bzw. um 18,4 nommen. Die „Hochzonung“ der Dienst- sind folgende Fragen zu entscheiden: % (Sekundarstufe I) gesunken. Dies ging aufsicht über Hauptschulen und einen Teil • Soll die Schulaufsicht zwei- oder drei einher mit Personalreduzierungen in der der Förderschulen von 2007 wird heute stufig organisiert werden? 190
EILDIENST Heft 5/2017 Aus dem Landkreistag • K ann/soll die Zahl der 53 Schulämter fähigen Organisationseinheiten genutzt Umsetzung und Kontrolle vergleichbare erhalten bleiben? werden. Anforderungen gestellt werden. Zahlreiche • Soll das Schulamt auch künftig als Kon- Geschäftsprozesse lassen sich eindeutig dominium organisiert werden? 4. Vor- oder Nachteile des definieren und landesweit einheitlich admi- Für NRW schlagen die Autoren vor, eine regionalen Außenstellen nistrieren. durchgängig zweistufige Schulaufsicht Wenn in den Außenstellen die operative einzuführen (Bogumil/Fahlbusch/Kuhn modells der Bezirks Schulaufsicht über alle Schulformen der 2016). Die untere Schulaufsicht sollte auf- regierungen für die Region stattfindet (Ausnahme der Berufs- gelöst und in die Bezirksregierung integriert kommunalen Schulträger kollegs), erfordert dies die Verlagerung werden, so dass es künftig nur eine ober- Die Antwort auf diese Frage wird je nach von Dezernentenstellen und Aufgaben aus ste und eine obere Schulaufsicht in NRW Größe des Schulträgers unterschiedlich den Dezernaten 41-44 der Abteilung 4 in gibt. In diesem Reformmodell werden die ausfallen. Bei großen Kommunen wird es die künftigen Außenstellen, um einen aus- Erfahrungen in den anderen Bundeslän- auch künftig im Kreisgebiet eine eigene reichenden Bestand an Dezernenten mit dern und die empirischen Erkenntnisse Außenstelle der Bezirksregierung geben, der erforderlichen Fachlichkeit je Außen- über die Schwachstellen der Schulaufsicht womit die bisher vorhandene Ortsnähe stelle zu erreichen. Diese werden so in die in NRW mit der verwaltungsstrukturellen weiter gewährleistet wird. In kleinen Kom- Lage versetzt, die Schulaufsicht über alle Ausgangssituation in NRW kombiniert. munen werden künftig 2-3 Kreise oder Schulstufen und Schulformen der Region Im Rahmen der Reform sollte die Zahl der kreisfreie Städte durch eine Außenstelle zu gewährleisten. Die operative Tätigkeit Schulaufsichtsbehörden reduziert wer- betreut werden, die räumlichen Entfer- soll grundsätzlich stufenbezogen (Primar- den, 53 Schulämter sind nach Auffassung nungen zur Außenstelle werden vertretbar stufe, Sekundarstufe I, Sekundarstufe II) der Gutachter nicht zukunftsfähig und zunehmen. erfolgen, eine schulformbezogene Spezia- gefährden die Erfüllung der gesetzlichen Für alle Kommunen gibt es eine finanzielle lisierung ist nachgeordnet. Schon jetzt gibt Aufgaben. Um bei einer Zusammenlegung Entlastung (landesweit ca. 20 Mio €), weil es zwischen Hauptschulen, Realschulen aber die erforderliche Ortsnähe zu erhal- das verwaltungsfachliche Personal künftig und Sekundarschulen auf der personellen ten sollten ca. 33 regionale Schulbehör- durch das Land bezahlt wird. Mit diesem Ebene starke Verflechtungen, die auch den als Außenstellen der Bezirksregierung Vorteil ist der Verzicht auf die gemeinsame schulentwicklungsplanerisch von Bedeu- gegründet werden, die teilweise für meh- „Bewirtschaftung“ des Schulamtes ver- tung sind. Der Vorteil einer in Außenstellen rere Kreise zuständig sind. Bei der Planung bunden. Die Entkopplung von kommuna- zusammengefassten Schulaufsicht für alle von Zusammenlegungen sollte man sich an len und staatlichen Schulbehörden würde Sek.I-Schulformen schafft deutlich besse- bereits bestehenden kreisübergreifenden nach Auffassung vieler allerdings mit einer re Möglichkeiten, auf die sich wandelnde Arbeitsstrukturen, aber auch an gewissen besseren Transparenz und klareren Ver- Schulstruktur flexibel zu reagieren. Mindestgrößen orientieren. antwortungsübernahme einhergehen. Die Mit der Entscheidung für eine Reduktion bestehenden Arbeitsbeziehungen zwi- Literaturhinweise der Schulämter bzw. die Gründung von schen den kommunal und staatlich Verant- Außenstellen der Bezirksregierungen ver- wortlichen können trotzdem erhalten blei- Bogumil, Jörg/Fahlbusch, Boris/Kuhn, bunden ist auch die klare organisations- ben. Ein zentraler Vorteil bestünde auch Hans-Jürgen 2016: Weiterentwicklung rechtliche Trennung von 53 kommunalen darin, dass in den Außenstellen die operati- der Schulverwaltung des Landes NRW. Schulämtern und (einer kleineren Zahl ve Schulaufsicht über alle Schulformen der Wissenschaftliches Gutachten im Auftrag von) staatlichen Schulaufsichtsbehörden. Region (mit Ausnahme der Berufsschulen) des Finanzministeriums, Berlin, Bochum Die Anzahl der erforderlichen Außenstellen schulstufenbezogen stattfindet. Die Kom- (https://www.finanzverwaltung.nrw.de/ muss Effektivität und Ortsnähe berücksich- munen haben direkte Ansprechpartner für sites/default/files/asset/document/endbe- tigen, die von den Gutachtern genannte alle Schulformen. Die Verwaltungskraft in richtschule-nrw0509.pdf) Zahl stellt dabei lediglich eine umsetzbare allen Außenstellen wird durch landesein- Richter, Philipp (2010) Kommunalisierung Planungsvariante dar. heitliche Maßstäbe gesteuert und durch der Schulaufsicht – Erfahrungen aus der Für ein Gelingen der Reform wird wesent- eine auskömmliche Ausstattung erhöht, baden-württembergischen Verwaltungs- lich sein, den Umbauprozess auch dazu zu sodass den bestehenden Aufgabenver- strukturreform. In: Bogumil, Jörg/Kuhl- nutzen, die Kernaufgaben einer landesweit dichtungen besser begegnet werden kann. mann, Sabine (Hrsg.): Kommunale Auf- einheitlich agierenden Schulaufsicht zu Mit der Abschaffung der unteren Schulauf- gabenwahrnehmung im Wandel. Wies definieren und an den sich abzeichnenden sicht bei gleichzeitiger Bildung von Außen- baden, S. 67-86. Anforderungen im Bereich der Schulstruk- stellen entfallen zentrale Schnittstellenpro- turentwicklung und der Daueraufgabe der bleme im Dreieck von Kommune, unterer Referat von Qualitätssicherung auszurichten. Dabei ist und oberer Schulaufsicht. Landrat Dr. Ralf Niermann es sowohl im Interesse der Schulaufsicht, Auf der Ebene der Bezirksregierung sind als auch im Interesse der Kommunen, den Steuerungs- und Koordinierungsaufga- Unseren Kindern Eigenverantwortung und gewachsenen regionalen Bezügen der Bil- ben zwischen MSW und den Außenstel- Selbstständigkeit beizubringen sind her- dungslandschaft durch einen stärker regio- len der Bezirksregierung zu verankern, ausragende Erziehungsziele, die ohne eine nalen Blickwinkel Rechnung zu tragen. sowie die mit den Dezernenten für die sinnvolle Struktur und Konsequenz nicht Diese fachlich begründbare Regionalisie- Berufskollegs und den Abteilungsleitun- zu vermitteln sind. rung erfordert allerdings keineswegs ein gen abzustimmenden Fragen zu klären. Eigenverantwortung und Selbstständigkeit Beibehalten von 53 Schulaufsichtsbehör- Die Koordinierungsfunktion bezüglich bil- sind aber auch die Grundlagen kommuna- den, die angesichts des Auseinanderdrif- dungspolitischer Schwerpunkte und zen- ler Selbstverwaltung. Dies gilt gerade im tens der kommunalen Schullandschaft teil- traler Fachaufgaben besteht darin, dass der schulischen Bereich, der in seiner öffentli- weise den Zustand der Dysfunktionalität schulfachliche Umgang mit diesen Themen chen Wahrnehmung und Bedeutung zum erreicht haben. Hier sollte die Chance einer im Kontext der regionalen Zuständigkeit Kernbereich der örtlichen Gemeinschaft Neustrukturierung zugunsten von arbeits- vereinheitlicht wird und hinsichtlich der gehört. Auch das Schulgesetz formuliert in 191
Sie können auch lesen