STRESSTEST BESTANDEN - KV RLP

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STRESSTEST BESTANDEN - KV RLP
JUNI 2020

                                              DAS MAGAZIN DER KASSENÄRZTLICHEN VEREINIGUNG RHEINLAND-PFALZ

                                                    VERSORGUNG IN KRISENZEITEN

                                                   STRESSTEST BESTANDEN
                                                   Die Coronavirus-Pandemie hat gezeigt, dass Niedergelassene
                                                   in der Lage sind, in außergewöhnlichen Situationen schnell
                                                   zu reagieren und neue Strukturen aufzubauen.

                                                                                        Aktuelles zum Coronavirus:
                                                                                        www.kv-rlp.de/555444

DIGITALISIERUNG                             DEMENZERKENNUNG                              DREH- UND ANGELPUNKT
Die elektronische Patientenakte wird ab     Ein Modellprojekt unterstützt dabei, eine    Für den interdisziplinären Austausch sind
2021 realisiert und auch das eRezept soll   Demenzerkrankung frühzeitig zu diagno-       Qualitätszirkel optimal und können auch
bis dahin eingeführt werden. | Seite 16     stizieren und zu behandeln. | Seite 20       virtuell abgehalten werden. | Seite 26
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INHALT
        SCHWERPUNKT                                    POLITIK

        4     Praxisbetrieb in Krisenzeiten            14   Erweiterte Meldepflichten
        Der abteilungsübergreifende Krisenstab der     Nach Inkrafttreten des zweiten Pandemie-Gesetzespakets
        KV RLP baute innerhalb kürzester Zeit neue     sind die Labore verpflichtet, künftig auch negative Tester-
        Strukturen der Versorgung auf.                 gebnisse in Bezug auf den Erreger SARS-CoV-2 zu melden.

        7     Präventionsmanagement
        Durch eine Anpassung des praxisinternen       15 NACHRICHTEN
        Hygieneplans sowie Schutzmaßnahmen
        können Ansteckungen verhindert werden.

                                                       PANORAMA
        8     Progressive Behandlung

                                                       16   Ausbau der Digitalisierung
                                                       Gesetzlich Versicherte erhalten ab dem Jahr 2021 einen
                                                       Rechtsanspruch darauf, dass ihre Ärztin oder ihr Arzt ihre
                                                       Daten in die elektronische Patientenakte einträgt.

                                                       18   Weniger Nachfrage
                                                       Bereits vor der Corona-Krise ist der Anteil belegärztlicher
                                                       Leistungen zurückgegangen, wie eine Studie der Universi-
                                                       tät Köln ergeben hat.

        Die deutlich gestiegene Inanspruchnahme        20   Demenz frühzeitig erkennen
        der Videosprechstunde bietet Vor- und          Das vom G-BA geförderte Modellprojekt Dem StepCare soll
        Nachteile, wie eine Blitzumfrage unter         Hausärztinnen und Hausärzte dabei unterstützen, eine
        Praxen ergeben hat.                            Demenz rechtzeitig zu diagnostizieren.

        11    Pandemie-Finanzpaket
        Zusätzlich zu den finanziellen Zuschüssen
        des Bundes verhandelt die KV RLP mit den
        Kassen über die Kostenübernahme für
        Sonderausgaben.

        13    Privatinitiativen helfen
        Eines von vielen Beispielen für ehrenamtli-
        ches Krisenmanagement ist „Maker vs.
        Virus“, die der KV RLP Behelfsvisiere
        gespendet haben.

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STRESSTEST BESTANDEN - KV RLP
SERVICE                                                        VORWORT
                                                               Liebe Kolleginnen
22   Haftungsfrage in Praxen                                   und Kollegen,
Ärztliche Angestellte sind generell verpflichtet, sich gegen
Haftpflichtrisiken, die sich aus ihrer beruflichen Tätigkeit   wer hätte gedacht, dass wir in unserem Berufsleben ein so
ergeben, zu versichern.                                        komplexes und einschneidendes Infektionsgeschehen durch-
                                                               leben müssen? Die besondere Herausforderung an unsere
                                                               ambulante Versorgung dokumentiert sich durch die Tatsache,
23   Impressum                                                 dass bisher sechs von sieben Covid-19 PatientInnen und -Pa-
                                                               tienten ambulant versorgt wurden. Nur die hohe Flexibilität
24   Personalengpässe vermeiden                                unserer Mitglieder, die sich in den von der KV initiierten Struk-
Kommt es krankheitsbedingt zu einem größeren Ausfall           turen extrem effektiv engagiert haben, konnte diese hervor-
ärztlicher Fachkräfte, gibt es für die kollegiale Vertretung   ragende Leistung ermöglichen. Auch auf die zwischenzeitlich
einige Besonderheiten zu beachten.                             sinkenden Infektionszahlen haben wir unsere Versorgungs-
                                                               struktur flexibel eingestellt, sind aber in unserem ambulanten
                                                               System jederzeit in der Lage, die künftigen Bedarfe abzude-
25   Anzeige Digitalkonferenz KV RLP                           cken. Wir haben uns alle, wie schon früher, in der Versorgung
                                                               relativ lautlos bewährt. Leider wird diese Leistung in der Politik
26   Qualitätszirkel im Portrait                               kaum wahrgenommen. Dort schreit man nach Krankenhaus-
Das Beispiel des psychotherapeutischen QZ in Kaiserslau-       betten und Intensivstationen und überschüttet sterbende
tern zeigt, wie Teilnehmende von auswärtiger fachlicher        Krankenhäuser mit unerschöpflichen Geldmitteln der Steu-
Expertise profitieren können.                                  erzahler. Hoffen wir für unsere Patienten, dass diese Betten
                                                               letztendlich nicht alle gebraucht werden.

27   Virtuelle Qualitätszirkel | Zahlen & Fakten               Die Medizin ist ambulanter geworden und wird es künftig im-
                                                               mer mehr werden. Wäre es nicht viel sinnvoller, für Pandemi-
28   Textilien sicher aufbereiten                              en stationäre Bedarfskapazitäten einzulagern und bei Bedarf
Beim Umgang mit kontaminierter Personalkleidung und            aufzubauen? Macht es Sinn, kleine, in der Regelversorgung
Praxiswäsche müssen die jeweiligen Hygieneanforderun-          nicht nötige Krankenhäuser nur für eine eventuelle Pande-
gen berücksichtigt werden.                                     mie über die Jahre zu schleppen? Ambulante Einrichtungen
                                                               mit Kurzzeitbetten könnten auch pandemiebedingte statio-
                                                               näre Behandlungskapazitäten flexibler, kostengünstiger und
29   Bestandscheck für Impfstoffe                              wohnortnäher einrichten und rückumwandeln.

30   Aktuelle Rechtsprechung | Virtueller Dialog               Wir haben es bewiesen: Auch in Krisenzeiten ist unser am-
                                                               bulantes System sehr leistungsfähig und wir werden uns
31  Online-Fortbildung Kindesmissbrauch |                      mit aller Macht dafür einsetzen, dass auch hier das Geld der
Häufige Fragen                                                 Leistung folgt. Potemkinsche Versorgungsdörfer in Form von
                                                               überflüssigen Krankenhäusern sollten wir uns nicht leisten.
32   Eigenanzeige KV-TV
                                                               Beste Grüße, Ihr

                                                               Dr. Peter Heinz
                                                               Vorsitzender des Vorstands der KV RLP

                                                                                                              KV PRAXIS JUNI 2020   3
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    Schwerpunkt

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                                                      STRESSTEST BESTANDEN

     Sechs von sieben Corona-Patientinnen und -Patienten werden ambulant durch niedergelassene Ärztinnen
     und Ärzte versorgt. Für die Koordination dieser Aufgabe mussten zu Beginn der Pandemie kurzfristig neue
     Anlaufstellen eingerichtet werden – mit Erfolg.

    Hinter der KV RLP sowie der Ärzte- und   augenmerk lag darauf, Infektionsketten   Bundesinnenministeriums im Febru-
    Psychotherapeutenschaft liegen au-       zu verlangsamen und eine Überlastung     ar 2020 gründete die KV RLP zeitgleich
    ßergewöhnliche Monate. Spätestens        des Gesundheitswesens zu verhindern.     ebenfalls einen Krisenstab. Alle Mitglie-
    nach der Ausrufung von SARS-CoV-2 als                                             der dieser abteilungsübergreifenden
    weltweite Pandemie durch die Weltge-     Interner Krisenstab half beim            Gruppe zeigten von Beginn an eine hohe
    sundheitsorganisation WHO im März        Aufbau neuer Strukturen                  Leistungsbereitschaft und Handlungs-
    und den steigenden Infektionszahlen                                               fähigkeit, lobt Dirk Weidner, Pandemie-
    war die ambulante Versorgung vor neue    Mit dem Errichten des Krisenstabes des   beauftragter in der KV RLP. „Gerade in
    Herausforderungen gestellt. Das Haupt-   Bundesgesundheitsministeriums und        den schnelllebigen Zeiten im März ver-

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STRESSTEST BESTANDEN - KV RLP
änderten sich die Gegebenheiten und
Umstände fast stündlich oder täglich.
Die Zusammenarbeit im Team war von
viel Vertrauen und gegenseitiger Unter-
stützung geprägt. Da ein solcher Krisen-
fall noch nie da gewesen ist, waren neue
Denkmuster und Organisationsstruktu-
ren notwendig.“

                                                                                                                                    © KV RLP
Der Krisenstab arbeitet eng mit dem KV
RLP-Vorstand und den Bereichsleitern
zusammen. In kürzester Zeit wurden so        Die Beschaffung von Schutzausrüstung überlagerte zeitweise alle anderen Themen.
neue Strukturen aufgebaut, etwa am
11. März der Corona-Hausbesuchs-             über 130 Praxen mit Corona-Sprech-             auch selbst in der Pflicht, ihre Mitglieder
dienst. Der Patientenservice 116117          stunden und 93 Praxen mit speziellen           bestmöglich zu versorgen.
wurde personell aufgestockt und ist          Sprechstunden für ausschließlich eigene
jetzt besser erreichbar. Kurzfristig         Patientinnen und Patienten in den Pra-         Bereits auf der Vertreterversammlung
konnten für den telefonischen Dienst         xisräumen. Verdachtsfälle konnten da-          am 11. März hatte der Vorstandsvor-
auch zwei Ärzte gewonnen werden.             durch aus der ambulanten Regelversor-          sitzende der KV RLP, Dr. Peter Heinz,
Unterstützung erhielt der Patienten-         gung in Rheinland-Pfalz herausgehalten         betont, es sei nicht an der Zeit, mit dem
service 116117 durch die vom Innen-          werden. „Die vergangenen zwei Monate           Finger auf andere zu zeigen. Jeder müs-
ministerium Rheinland-Pfalz und den          haben bewiesen, dass sich die Vertrags-        se Verantwortung übernehmen und das
Rettungsstellen seit dem 24. März 2020       ärzteschaft schnell und zielgerichtet auf      beitragen, was er am besten könne. Und
betriebene Hotline 0800-9900400 aus-         neue Gegebenheiten einstellen kann“,           so legten auch die KV-Mitarbeitenden
schließlich für Corona-Verdachtsfälle.       zieht der KV RLP-Pandemiebeauftragte           nicht die Hände in den Schoß und war-
Darüber hinaus wurde im geschützten          als positives Zwischenfazit.                   teten das Eintreffen der immer wieder
Mitgliederbereich ein Online-Bestellpor-                                                    neu angekündigten Lieferungen aus
tal eingerichtet, über das die Praxen eine   In Spitzenzeiten arbeiteten über 20 Mit-       Berlin ab, sondern wurden selbst aktiv.
limitierte Menge an Persönlicher Schut-      arbeiterinnen und Mitarbeiter im Kri-
zausrüstung (PSA) anfordern können.          senstab. Seit Mitte März erreichten die        Vor allem die Abteilung Organisation
                                             KV RLP über 1.300 Anfragen von Ärztin-         leistete hier einen wesentlichen Beitrag.
Entstehung von rund 50 Corona-               nen und Ärzten sowie Psychotherapeu-           „Über einen Monat waren fünf bis sechs
Ambulanzen innerhalb kurzer Zeit             tinnen und Psychotherapeuten. Inzwi-           Kollegen allein mit dem Thema PSA be-
                                             schen konnte die Arbeit im Krisenstab          schäftigt“, informiert ihr Leiter Michael
Im Rahmen des Krisenstabes spielte die       aufgrund der konstanten Entwicklung            Kühn. Angebote einholen, Anbieter auf
eigens eingerichtete „Arbeitsgruppe Co-      der Infektionsfallzahlen wieder etwas          Seriosität sowie Zertifikate auf Echtheit
rona-Kommunen“ unter der Koordina-           zurückgefahren werden.                         prüfen, Lieferungen koordinieren – die
tion des Beraters Kommunen Arkadius                                                         Liste der Aufgaben war lang und mit vie-
Adamczyk als Bindeglied zwischen Kom-        Zeitaufwendige Suche nach geeigneter           len E-Mails und Telefonaten verbunden.
munen und Vertragsärztinnen und Ver-         Schutzausrüstung                               Oft landeten die Mitarbeitenden in einer
tragsärzten eine herausgehobene Rolle.                                                      Sackgasse und mussten von vorne begin-
Ihre Aufgabe bestand darin, möglichst        Eine besondere Herausforderung betraf          nen. „Es haben sich zahlreiche Mitglie-
viele ärztliche Mitglieder für die Arbeit    das Thema Persönliche Schutzausrüs-            der bei uns gemeldet und nachgefragt,
mit Corona-Patientinnen und -Patien-         tung. Die Beschaffung von Atemschutz-          wo die versprochene Schutzausrüstung
ten zu gewinnen und in Koordination          masken, Schutzkleidung und Desinfek-           bleibt. Das ist absolut verständlich. Wir
mit den Landkreisen und Gemeinden            tionsmittel überlagerte zeitweise alle         haben von Anfang an mit Hochdruck da-
zusätzliche Behandlungsräume einzu-          anderen Themen in der Coronavirus-             ran gearbeitet, aber das Material wurde
richten. Dank der Aufbauleistung der         Pandemie. Auch die KV RLP hielt und            und wird ja weltweit benötigt und ist
Ärzteschaft mit Unterstützung der KV         hält sie in Atem. Zwar obliegt es dem          deshalb so knapp“, sagt Kühn.
RLP und der Kommunen in Rheinland-           Katastrophenschutz und damit dem
Pfalz entstanden in kürzester Zeit rund      Bund, PSA zu lagern und zu beschaf-            Zunächst kamen die eigenen und die Lie-
50 Corona-Ambulanzen. Hinzu kommen           fen. Doch die KV RLP sieht sich natürlich      ferungen des Bundes nur sporadisch.

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Schwerpunkt

                                                                                                      Thema Ärztemangel weiterhin ein gro-
                                                                                                      ßes. Für neue Niederlassungen und Pra-
                                                                                                      xisübernahmen sind Termine einzuhal-
                                                                                                      ten. Daher müssen die Beratungen auch
                                                                                                      in Krisenzeiten weiterlaufen.

                                                                                                      Video- und Telefonberatung kommt
                                                                                                      bei der jüngeren Generation gut an

                                                                                           © KV RLP
                                                                                                      Etwas weniger Anfragen sei schon her-
                                                                                                      eingekommen. Seit Mitte April zieht das
    Nach den Osterfeiertagen klappte die Ausstattung der Praxen mit Atemschutzmasken besser.          alltägliche Beratungsgeschäft jedoch
                                                                                                      wieder merklich an. Zahlreiche Ärztin-
    Versorgt wurden zunächst die Ärztinnen         die zahlreichen Corona-Sprechstunden               nen und Ärzte, die ihre Praxen zum Ende
    und Ärzte, die sich bereit erklärt hatten,     in den Praxen selbst. „Wir mussten also            des Jahres auf- oder übergeben möch-
    Infekt- und Covid-19-Patientinnen und          eine komplett neue Struktur aus dem                ten, müssten jetzt schon die nötigen
    -Patienten zu behandeln. War dann noch         Boden stampfen. Es galt, verschiedene              Schritte einleiten. „Das geht jedes Jahr
    Material vorhanden, wurden auch die            Akteure zusammenzubringen, alles zu                um diese Zeit los.“ Und trotzdem ist al-
    übrigen Praxen berücksichtigt. Seit Os-        koordinieren und das bestmögliche An-              les anders als bisher. „Einen großen Teil
    tern hat sich die Lage etwas entspannt.        gebot für die Patientinnen und Patien-             unserer Beratungen haben wir vor Coro-
    Regionale Anbieter stellen ihre Produk-        ten zu schaffen.“                                  na persönlich gemacht – in der KV oder
    tion um und produzieren Masken und                                                                der jeweiligen Praxis selbst“, sagt Co-
    Desinfektionsmittel. Immer mehr seriö-         Mit im Boot sind neben den Vertrags-               rinna Jordan. Jetzt laufe fast alles übers
    se Quellen tun sich auf und Pakete aus         ärztinnen und -ärzten – über 600 waren             Telefon oder Video. Gerade bei jungen
    Berlin trudeln häufiger ein. „Auch wenn        dem Aufruf der KV RLP gefolgt – und der            Niedergelassenen komme das sehr gut
    wir nicht wissen, was genau in den Liefe-      KV RLP auch die Kommunen und Land-                 an. Ziel ist, dass diese Instrumente die
    rungen des Bundes steckt, sind wir doch        kreise mit ihren Gesundheitsämtern.                Corona-Zeit überdauern. Ziel ist es aber
    froh, nun regelmäßig ausgestattet zu           Corinna Jordan und ihre Kolleginnen                auch, danach wieder vermehrt persönli-
    werden. Wir haben außerdem eine Spe-           und Kollegen sprachen die freiwilligen             che Beratungsgespräche zu führen.
    dition gefunden, die die PSA an die Pra-       Medizinerinnen und Mediziner an, wer
    xen ausliefert“, freut sich Michael Kühn.      sich wo eine Tätigkeit in einer Ambulanz           Zum Redaktionsschluss (29. Mai) be-
                                                   vorstellen könnte. Sie klärten mit den             wegte sich die Zahl der rheinland-pfälzi-
    Niederlassungsberatung konzentriert            Behörden Fragen zu den Räumlichkei-                schen Infizierten mit über 500 auf nied-
    sich auf Corona-spezifische Fragen             ten, gaben den Ärztinnen und Ärzten                rigem Niveau. Das engmaschige Netz
                                                   Informationen zum Abrechnungsproze-                der Corona-Anlaufstellen in Rheinland-
    Die Ausstattung mit ausreichend Schutz-        dere oder zur behandelnden Patienten-              Pfalz will der Vorstand zunächst auf-
    ausrüstung dominierte auch die Bera-           klientel und fuhren anfangs selbst                 rechterhalten, um diese gegebenenfalls
    tung der Mitglieder, weiß Corinna Jor-         Schutzausrüstung in die Ambulanzen.                kurzfristig an sich ändernde Bedarfe an-
    dan. Das tägliche Brot der Referentin aus                                                         zupassen. Auf einen eventuellen Anstieg
    dem Team der Zulassungs- und Koope-            Zu Beginn lief es nicht immer reibungs-            der Neuinfektionen ist das ambulante
    rationsberatung ist das Beraten von Ärz-       los, aber mittlerweile hat es sich ein-            Gesundheitssystem gut vorbereitet.
    tinnen und Ärzten rund ums Thema Nie-          gespielt. „Klar kommen immer wieder
    derlassung. In Zeiten der Corona-Krise         mal Fragen. Aber wir können uns aktu-                   KV-TV
    war sie mit einem Teil des Beraterteams        ell auch wieder unseren eigentlichen
    in der „Arbeitsgruppe Kommunen“ ein-           Aufgaben widmen“, sagt Jordan. Denn
    gesetzt und dafür zuständig, die Corona-       für „normale Beratungen“ hatte sie von
    Ambulanzen in Räumen außerhalb der             Mitte März bis Mitte April fast gar kei-
    eigenen Praxis zu organisieren – sprich        ne Zeit. „Meine Beraterkolleginnen und
    in Turnhallen, Bürgerhäusern oder ande-        -kollegen haben das dankenswerter-
    ren zurzeit nicht genutzten Gebäuden,          weise so gut wie möglich aufgefangen.“             „Corona-Ambulanz Mainz: Gute Arbeit
    in denen die rund 50 Corona-Ambulan-           Und das war absolut wichtig. Obwohl                in der Krise“ vom 15. Juni 2020:
    zen untergebracht sind. Hinzu kommen           Corona alles andere überlagert, ist das            www.kv-rlp.de/626875

6   KV PRAXIS JUNI 2020
STRESSTEST BESTANDEN - KV RLP
© ELECTRAVK/ISTOCKPHOTO

PRAXISBETRIEB SICHER DURCH DIE INFEKTIONSWELLE FÜHREN

Die Coronavirus-Pandemie hat einmal mehr gezeigt, dass der ambulanten haus- und fachärztlichen
Versorgung eine systemrelevante Rolle zukommt. Hier können die Praxen durch eigene frühzeitige
Maßnahmen der Prävention und des Risikomanagements einen wichtigen Beitrag leisten.

Die durch SARS-CoV-2 hervorgerufene Krankheit Covid-19 be-        ƒ   Nosokomialer Kontakt: Schutzmaßnahmen für das Perso-
lastet alle Beschäftigten des Gesundheitssystems, da eine Viel-       nal priorisieren und Vorgehen bei der Infektion von Mitar-
zahl von Patientinnen und Patienten medizinische Betreuung            beitenden vereinheitlichen
benötigt. Dabei ist die Durchsetzung und Beachtung von Ab-        ƒ   Kontakt zu lokalen Herden | Risikogebiet: In lokalen Krisen-
standsregeln in medizinischen Bereichen häufig nicht vollum-          situationen ist entscheidend, mit Experten-Teams vor Ort
fänglich möglich.                                                     zu sein.

Expertinnen und Experten empfehlen den präventiven                Bei dem besonderen medizinischen Versorgungsbedarf der
Schutz vulnerabler Gruppen                                        vulnerablen Personengruppen ist unbedingt zu berücksichti-
                                                                  gen, dass das Gesamtbild der Patientenversorgung nicht aus
Sechs Wissenschaftler, darunter ehemalige Mitglieder des          den Augen verloren wird (Gefahr des „Corona-Tunnels“) und
Sachverständigenrats Gesundheit wie Prof. Matthias Schrappe       dass Vorerkrankungen sowie häufige Multimorbidität und die
und Prof. Gerd Glaeske, plädieren dafür, beschränkt wirksame      psychosoziale Situation unbedingt mit einbezogen werden
Präventionsmaßnahmen des „social distancing“ langfristig          müssen.
durch zielgruppenorientierte Maßnahmen zu ergänzen und
allmählich zu ersetzen. In ihrem „Thesenpapier zur Pandemie       Festlegung von Maßnahmen zur Prävention
durch SARS-CoV-2/Covid-19“ beziehen sie sich auf die vier Risi-
kogruppen hohes Alter, Multimorbidität, institutioneller Kon-     Neben den geltenden Hygienebestimmungen, beispielsweise
takt und Zugehörigkeit zu einem lokalen Risikogebiet (Clus-       den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI), sollten ge-
ter). Zielgerichtete Präventionsstrategien müssen sich nach       zielte Präventionsmaßnahmen erarbeitet und je nach Möglich-
Einschätzung der Experten auf den Schutz dieser vulnerablen       keit – abhängig von der Ausstattung mit Schutzausrüstung,
Gruppen konzentrieren.                                            Räumlichkeiten etc. – eingeleitet werden. Ziel ist es, weitere
                                                                  Ansteckungen zu vermeiden, besonders durch eine Anpassung
Da es sich bei der Übertragung von SARS-CoV-2 um eine noso-       des praxisinternen Hygieneplans und der standardisierten Ar-
komiale Infektion handelt, muss es gelingen, bestimmte Pati-      beitsabläufe. Folgende Aspekte sollten hierbei vorrangig be-
entengruppen mit einem hohen Risikofaktor häuslich zu iso-        rücksichtigt werden:
lieren. Entsprechend sind die getroffenen Maßnahmen nach
Risikogruppe zu differenzieren:                                   Schutzmaßnahmen Personal
ƒ Hohes Alter: größtmöglicher Schutz vor Ansteckung, ärztli-      ƒ Schutzkleidung nach Risikoabwägung gemäß den Vorga-
    che Versorgung vor Ort mit Schutzmaßnahmen                       ben des RKI
ƒ Komorbidität: Stratifizierung der Isolierung                    ƒ Reduktion von Kontaktzeiten (Videosprechstunde)

                                                                                                                KV PRAXIS JUNI 2020   7
STRESSTEST BESTANDEN - KV RLP
Schwerpunkt

                                                                                                Schutzmaßnahmen Patient

                                                                  © JÜRGEN FÄLCHLE/ADOBESTOCK
                                                                                                Ziel ist es, Covid-19-Verdachtsfälle und -Erkrankungsfälle von
                                                                                                anderen Kranken zu trennen (Gegebenheiten hierfür prüfen):

                                                                                                ƒ   Getrennter Behandlungsbereich/getrennter Wartebereich
                                                                                                ƒ   Separierung unterschiedlicher Patientengruppen
                                                                                                ƒ   Infizierte Personen und Personen mit Symptomen
                                                                                                ƒ   Risikopatientinnen und -patienten (ältere, chronische)
                                                                                                ƒ   Geplante Voruntersuchungen (Hautkrebsscreening)

                                                                                                    Mustervorlagen für einen Praxis-Hygieneplan sowie für
                                                                                                    einen Reinigungs- und Desinfektionsplan:
                                                                                                    www.kv-rlp.de/715503
    ƒ   Telefonische Terminabsprache
    ƒ   Sprechzeiten anpassen                                                                       E-Learning-Modul „Praxishygiene Covid-19“:
                                                                                                    www.kv-rlp.de/485653
    Technische Maßnahmen
    ƒ Abtrennung aus zum Beispiel Plexiglas (Empfang)                                               Empfehlungen des RKI zu Hygienemaßnahmen bei einer
    ƒ Abstandsmarkierungen auf Fußboden                                                             Infektion durch SARS-CoV-2:
    ƒ Patientenleitsysteme                                                                          www.rki.de> Infektionskrankheiten A-Z > Coronavirus
                                                                                                    SARS-CoV-2 > Empfehlungen des RKI zu Hygienemaßnah-
    Arbeitsabläufe bei infiziertem Personal festlegen                                               men
    ƒ Sofortige ärztliche Abklärung
    ƒ Abstrichtests bei Beschäftigten mit akuten Atemwegser-                                        Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zu Schutzmaß-
       krankungen durchführen                                                                       nahmen in der Patientenversorgung:
    ƒ Üblichen Meldeweg einhalten                                                                   https://www.rki.de > Infektionskrankheiten A-Z > Corona-
    ƒ Freistellung bis zum Ablauf der Inkubationszeit (= 14 Tage)                                   virus SARS-CoV-2 > Optionen zur getrennten Versorgung
    ƒ Arbeitsplan anpassen | Notfallbesetzung                                                       von Covid-19-Verdachtsfällen

    ENORMER AUFSCHWUNG FÜR DIE VIDEOSPRECHSTUNDE

    Während sich in der Vergangenheit die Videosprechstunde nicht wirklich durchsetzen konnte, hat sich
    die Entwicklung mit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie beschleunigt. KV PRAXIS hat Praxen und
    Einrichtungen befragt, bei denen die neue Technik bereits im Einsatz ist.

    Als erste aller Kassenärztlichen Vereinigungen hat die KV RLP                               30. Juni 2020 hinaus betrieben werden. Die KV RLP erteilt den
    bereits am 5. März 2020 ihren Mitgliedern mittels Allgemein-                                anfragenden Mitgliedern in der Regel eine Individualgenehmi-
    verfügung die Genehmigung für die Videosprechstunde bis zum                                 gung. Aber auch interessierte Mitglieder, die diese Technik bis-
    30. Juni 2020 erteilt. Dadurch wurde die Videosprechstunde in                               lang noch nicht nutzen, können einen Antrag stellen. Bislang
    das Portfolio vieler Praxen in Rheinland-Pfalz aufgenommen.                                 verfügen rund 1.100 Mitglieder über eine Genehmigung für die
    Davor galt die Begrenzungsregel, nach der nur bei 20 Prozent                                Videosprechstunde. Zum Vergleich: Ende des Jahres 2019 wa-
    der Patientinnen und Patienten eine Videosprechstunde mög-                                  ren es gerade einmal 27 Mitglieder. Mangels Interesse seitens
    lich ist. Die KV RLP hatte sich auf Bundesebene erfolgreich dafür                           der Patientinnen und Patienten wurde dieses technische Tool
    eingesetzt, diese Begrenzungsregel temporär auszusetzen.                                    bis dahin kaum genutzt. Rheinland-Pfalz bildete hier gegen-
                                                                                                über den anderen Bundesländern keine Ausnahme. Gegenüber
    Zwar tritt die Begrenzungsregel ab dem 1. Juli wieder in Kraft;                             der persönlichen Behandlung stellte die Telemedizin aufgrund
    allerdings kann die Videosprechstunde auf Antrag über den                                   ihrer Beschränkungen stets nur eine Alternative dar.

8   KV PRAXIS JUNI 2020
STRESSTEST BESTANDEN - KV RLP
Nutzung hat sich bundesweit mehr als verzehnfacht

                                                                                                                                          © AGENTURFOTOGRAFIN/SHUTTERSTOCK
Auch bundesweit hat die Inanspruchnahme der Videosprech-
stunde deutlich zugenommen. Nach Angaben der Kassenärzt-
lichen Bundesvereinigung haben allein im März 2020 rund
19.500 Ärztinnen und Ärzte die Einrichtung von Videosprech-
stunden angezeigt – in den Monaten Januar und Februar waren
es lediglich 1.700. Eine Online-Umfrage der Deutschen Apothe-
ker- und Ärztebank hat zudem ergeben, dass 40 Prozent der Hu-
manmedizinerinnen und -mediziner planen, digitale Behand-
lungsmethoden wie die Videosprechstunde künftig vermehrt
einzusetzen.

Die Meinungen zu den Videosprechstunden gehen dennoch in
der Ärzteschaft noch immer auseinander und auch diejenigen,
die diese Technik einsetzen, berichten über Vor- und Nachteile.          Die Nutzung der Videosprechstunde ist unter den Mitgliedern gerade-
KV PRAXIS hat mit ausgewählten Einrichtungen gesprochen.                 zu explosionsartig angestiegen.

                                                   „BILDLICHE INTERAKTION MIT MIMIK UND GESTIK“
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                                                   Patienten gut funktioniert, aber für         „Zu Beginn der Corona-Pandemie
                                                   manche nicht gut oder nur sehr einge-        durften zunächst nur die bestehende
                                                   schränkt geeignet ist, unter anderem         Psychotherapien per Videosprech-
                                                   für die Therapie mit Kindern. Ich finde      stunde fortgesetzt werden. Nach und
                                                   es gut, dass es in der Psychotherapie        nach wurden auch die Patienten ein-
                                                   die Möglichkeit der Videosprechstun-         gebunden, die neu oder erst am An-
                                                   de gibt, da wir sonst gar keinen Kon-        fang dieser therapeutischen Sprech-
                                                   takt zu einigen unserer Patientinnen         stunde standen. Nach wie vor nicht
                                                   und Patienten hätten. Beim Video             erlaubt ist die sogenannte Akutthe-
                                                   existiert wenigstens noch eine bildli-       rapie per Video. Das ist inhaltlich gar
                                                   che Interaktion mit Mimik und Gestik,        nicht nachvollziehbar. Es gibt aber die
                                                   beim Telefon dagegen nicht.“                 Möglichkeit, eine Akuttherapie in eine
                                                                                                Kurzzeittherapie umzuwandeln.“
                                                    In der Einführungsphase der Video-
  Sabine Maur,                                      sprechstunde habe es noch große
  psychologische Psychotherapeutin                 Probleme hinsichtlich der technischen               KV-TV
                                                   Kapazitäten der Videodienstanbie-
  Die Psychologische Psychotherapeutin             ter gegeben. „Es ist oft abgestürzt, es
  Sabine Maur aus Mainz wendet die                 kam gar keine Verbindung zustande
  Videosprechstunde seit dem vergan-               oder diese brach mitten im Gespräch
  genen Jahr an, damals nur im eng limi-           ab. Das war sehr unbefriedigend. Mitt-
  tierten Rahmen. Über die Aufhebung               lerweile haben die Anbieter technisch
  der 20-Prozent-Begrenzung ist die Psy-           nachgerüstet und es ist ein bisschen
  chotherapeutin sehr erleichtert. Seit            besser geworden“, berichtet Sabine
  der Coronavirus-Pandemie habe sich               Maur. Der Videodienstanbieter müsse           „Per Smartphone zur Psychotherapie:
  ihre Arbeit stark verändert. „Meine Er-          von der KBV zertifiziert sein, denn Al-       Videosprechstunde in Coronazeiten“
  fahrung ist, dass die Videosprechstun-           ternativen wie Skype seien aus Daten-         vom 7. April 2020:
  de mit manchen Patientinnen und                  schutzgründen nicht sicher genug.             www.kv-rlp.de/813955

                                                                                                                         KV PRAXIS JUNI 2020                                 9
STRESSTEST BESTANDEN - KV RLP
Schwerpunkt

                                                            „SEHR GUTE ANSATZPUNKTE FÜR IMMOBILE MENSCHEN“

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                                                            ärztin weitervermittelt. Dieser bestä-   gen bzw. eingeschränkter Mobilität zu
                                                            tigt oder verwirft die Diagnose (KV      erreichen und zu betreuen. Vor allem
                                                            PRAXIS berichtete mehrfach).             bei Patienten mit bekannter Diagnose,
                                                                                                     die gesundheitlich stabil sind und sich
                                                            Ende 2019 wurde die Videosprech-         in Remission befinden, können Video-
                                                            stunde im Rahmen einer Pilotstudie in    sprechstunden selektiv routinemäßige
                                                            einer allgemeinmedizinisch-internisti-   Verlaufsuntersuchungen ersetzen“, so
                                                            schen Hausarztpraxis im Westerwald       das vorläufige Zwischenfazit von Prof.
                                                            eingerichtet. Seit März 2020 werden      Andreas Schwarting, Rheumatologe in
                                                            sowohl die Rheuma-VOR-Sichtungs-         Bad Kreuznach und Leiter des Projekt-
                                                            sprechstunde im Zuge der Erstdiag-       teams „Rheuma-VOR“.
                                                            nostik als auch Anteile der regulären
                                                            Verlaufsuntersuchungen bei bereits       Es gebe jedoch laut Prof. Schwarting
                                                            bekannter Diagnose per Videosprech-      eine Kehrseite: „Die Rheumatologie
         Prof. Andreas Schwarting, Rheumatologe             stunde durchgeführt. Dies läuft so ab:   ist ein sehr haptisches Fachgebiet, in
                                                            Der Arzt sendet per E-Mail einen Web-    dem ein Großteil der Diagnostik durch
        Die Proof-of-Concept-Netzwerkstudie                 link mit Terminangabe an den Patien-     Fühlen und Tasten erfolgt. Auch wenn
        Rheuma-VOR hat das Ziel, rheumati-                  ten. Zudem erhält der Patient einen      dem behandelnden Rheumatologen
        sche Erkrankungsbilder möglichst früh               termingebundenen Login-Code. Nach        aktuelle Laborparameter vorliegen,
        zu diagnostizieren und diese schnell                erfolgreicher Anmeldung wartet der       ist vor allem die Erstdiagnose oder die
        und zielgerichtet zu behandeln. In                  Patient in einem virtuellen Wartezim-    Erfassung eines Schubs deutlich er-
        einer interdisziplinar besetzten Koor-              mer, bis der Arzt dem Termin beitritt.   schwert, sodass der Patient zusätzlich
        dinationsstelle werden Verdachtsdia-                                                         persönlich gesehen werden muss.“
        gnosen gesichtet und der Patient bei                „Videosprechstunden in der Rheuma-
        manifestiertem Verdacht schnellst-                  tologie bieten sehr gute Ansatzpunkte,      Ausführlicher Erfahrungsbericht:
        möglich an einen Facharzt oder Fach-                um Patienten mit langen Anfahrtswe-         www.kv-rlp.de/894016-11810

                                                            „SINNVOLL BEI BEFUND- UND LABORUNTERSUCHUNGEN“
                                                 © PRIVAT

                                                            Die orthopädische Gemeinschaftspra-      singen. „Tatsächlich hatten wir vor
                                                            xis Orthopaedicum in Trier hat zu        einigen Wochen Streaming-Probleme
                                                            Beginn der Coronavirus-Pandemie          als Zeichen einer Überlastung, ob-
                                                            Videosprechstunden eingeführt. Die       wohl wir hier in Trier eigentlich eine
                                                            Umsetzung „klappte bisher sehr gut“,     gute Versorgung haben.“ Explizite Te-
                                                            bestätigte Dr. Jochen Vogel, Facharzt    lefonsprechstunden werden nicht an-
                                                            für Orthopädie und Unfallchirurgie.      geboten, sondern bei Bedarf einzelne
                                                            „Mit manchen Patienten war der tech-     Telefonate. „Ich denke, als Orthopäde
                                                            nische Ablauf wohl eher schwierig, die   muss man die meisten Patienten se-
                                                            meisten verstanden das System aber       hen und vor allem untersuchen. In-
                                                            sofort.“ Tendenziell würden haupt-       sofern sind Videosprechstunden in
                                                            sächlich Jüngere die Videosprechstun-    unserem Fachgebiet nur sinnvoll bei
                                                            de in Anspruch nehmen.                   Befund- und       Laborbesprechungen
                                                                                                     oder zur allgemeinen Beratung.“
                                                            Von anfänglichen technischen Schwie-
         Dr. Jochen Vogel, Facharzt für Orthopädie          rigkeiten kann auch Dr. Vogel ein Lied

10   KV PRAXIS JUNI 2020
©BRIANAJACKSON/ISTOCKPHOTO
FINANZIELLES HILFSPAKET
FÜR UMSATZAUSFÄLLE

Die Corona-Krise hat bei vielen Niedergelassenen zu Mindereinnahmen und Einschränkungen im
Praxisbetrieb geführt. Neben dem finanziellen Hilfspaket des Bundes setzt sich die KV RLP in
Verhandlungen für weitere Ausgleichszahlungen ein.

In vielen Praxen stellt die Coronavirus-Pandemie den Praxis-      verpflichtet die Kassenärztlichen Vereinigungen, in der Hono-
alltag auf den Kopf. Elektive Eingriffe und Vorsorgetermine       rarverteilung Regelungen vorzuhalten, diese Honorareinbrüche
wurden abgesagt, sodass deutlich weniger Patientinnen und         infolge von Pandemien innerhalb der budgetierten Gesamtver-
Patienten in die Praxen gekommen sind. Auch aus Angst vor         gütung zu begrenzen. Anspruch auf diese Ausgleichszahlungen
einer Ansteckung blieben viele Patientinnen und Patienten aus     haben solche Praxen, deren Gesamthonorar im Vergleich zum
den Praxen fern. Gleichzeitig bedeutete die Versorgung der        Vorjahresquartal um mindestens zehn Prozent zurückgegan-
Covid-19-Patientinnen und -Patienten deutlich mehr Aufwand        gen ist, wenn dieser Rückgang auf einen pandemiebedingten
für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte – auch finanziell,   Fallzahlrückgang zurückzuführen ist.
da Honorareinbrüche durch die geringere Fallzahl befürchtet
werden und gleichzeitig erhöhte Ausgaben für die Versorgung       Ausgeglichen werden Honorarverluste im extrabudgetären Be-
der Covid-19-Patientinnen und -Patienten entstehen.               reich auf 90 Prozent des Honorars des Vorjahresquartals. Ge-
                                                                  mäß den gesetzlichen Vorgaben sind von anderer Stelle er-
Schutzschirm im Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz             haltene Entschädigungszahlungen bei der Berechnung der
unter bestimmten Voraussetzungen                                  Ausgleichszahlungen gegenzurechnen, zum Beispiel Zahlungen
                                                                  auf Basis des Infektionsschutzgesetzes bei angeordneten Pra-
Erste Analysen des 1. Quartals 2020 zeigen insbesondere in den    xisschließungen. Kurzarbeitergeld wird bei der Berechnung des
letzten zwei Märzwochen einen durchschnittlichen Fallzahl-        Schutzschirms nicht berücksichtigt und führt daher auch nicht
rückgang von bis zu 40 Prozent im Vergleich zu 2019 über alle     zu einem Ausschluss auf den Anspruch auf Leistungen nach
Fachgruppen hinweg. Besonders stark betroffen sind ärztliche      dem Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz.
Fachgruppen der Kinderheilkunde, Anästhesie, Augenheilkun-
de, Chirurgie, Gynäkologie und Hals-Nasen-Ohrenheilkunde.         Im Bereich der budgetierten Leistungen sind die Krankenkassen
Da jedoch nur die letzten Quartalswochen von der Pandemie         weiterhin verpflichtet, ihre Zahlungen an die KV in vollem Um-
betroffen waren, liegen die Fallzahlen im gesamten 1. Quartal     fang zu leisten. Aufgrund der Ausgestaltung des Honorarver-
nur ungefähr vier Prozent unter denen des Vorjahresquartals.      teilungsmaßstabs (HVM) in Rheinland-Pfalz ist für die KV RLP
Die Auswirkungen auf das Honorar im 1. Quartal 2020 werden        kein Not-HVM notwendig, wie dies in anderen KVen teilweise
daher eher gering sein und sich auf die extrabudgetären Leis-     der Fall ist. Die KV RLP kann auf Basis des geltenden HVM die
tungen beschränken.                                               Gesamtvergütung wie bisher vollständig auszahlen, sodass in
                                                                  der Regel keine Honorarrückgänge im budgetierten Bereich
Für Praxen, die aufgrund der anhaltenden Pandemie existenz-       entstehen. Denn sollte beispielsweise der Leistungsumfang in-
bedrohende Honorar- und Fallzahlrückgänge zu verzeichnen          nerhalb einer Fachgruppe um die Hälfte zurückgehen, verdop-
haben, beinhaltet das am 27. März 2020 verabschiedete Covid-      pelt sich der Punktwert dieser Fachgruppe entsprechend.
19-Krankenhausentlastungsgesetz einen Schutzschirm. Dieser
sieht unter bestimmten Voraussetzungen eine Stützung der ex-      Falls Praxen in Einzelfällen dennoch einen deutlichen Honorar-
trabudgetären Leistungen zulasten der Krankenkassen vor und       rückgang im Bereich der budgetierten Leistungen verzeichnen,

                                                                                                              KV PRAXIS JUNI 2020                        11
Schwerpunkt

     plant die KV RLP, die bereits im HVM bestehende Härtefallre-        Eingabe der Zahlungen in eine entsprechende Online-Maske,
     gelung auf den Pandemiefall auszuweiten. Dann würde eine            zu der die KV RLP noch einmal gesondert informieren wird. Die
     Stützung erfolgen, wenn der Honorarrückgang einer Praxis            KV RLP beabsichtigt, die Ausgleichszahlungen mit dem Hono-
     innerhalb der begrenzten Gesamtvergütung größer als 15 Pro-         rarbescheid für das jeweilige Quartal zu leisten. Dies würde ei-
     zent ist. Dies steht jedoch noch unter dem Vorbehalt, dass die      nen Ausgleich für das 1. Quartal 2020 mit der Restzahlung im
     Vertreterversammlung am 17. Juni 2020 diese HVM-Änderung            Juli und für das 2. Quartal 2020 mit der Restzahlung im Oktober
     entsprechend beschließt.                                            bedeuten. Die Vorauszahlungen für das 2. Quartal 2020 werden
                                                                         zudem in unveränderter Höhe gezahlt.
     Vergleich mit dem Vorjahresquartal nicht immer möglich
                                                                         KV RLP bittet um die Nutzung der Testabrechnung
     Die Höhe der Ausgleichszahlung orientiert sich am Honorar des
     Vorjahresquartals der Praxis. Für einige Praxen ist der Vergleich   Während der leichte Rückgang der Fallzahlen im 1. Quartal
     mit dem Vorjahresquartal nicht möglich, zum Beispiel weil die       2020 voraussichtlich nur geringe Auswirkungen auf das Hono-
     Praxis noch nicht so lange existiert oder das Vorjahresquartal      rar haben wird, ist für das 2. Quartal 2020 noch nicht vollstän-
     den Leistungsumfang der Praxis nicht sachgemäß abbildet.            dig absehbar, inwieweit Leistungen tatsächlich ausfallen oder
     Hier müssen andere Lösungen gefunden werden. Um die häu-            im Laufe des Quartals noch nachgeholt werden können. Damit
     figsten Ursachen einer Nichtvergleichbarkeit im Vorfeld zu re-      die KV RLP möglichst früh einen Überblick über die Entwicklung
     geln, plant die KV RLP an dieser Stelle, für alle Leistungen als    im 2. Quartal 2020 bekommt, werden die Mitglieder gebeten,
     Referenzwert das Honorar der Praxisvorgängerin bzw. des Pra-        die Möglichkeit einer Testabrechnung über den geschützten
     xisvorgängers oder den Arztgruppenschnitt im Vorjahresquar-         Mitgliederbereich zu nutzen. Dazu ist das Portal bereits jetzt
     tal zu verwenden und bei einer Veränderung der Anzahl der           für die Abrechnung des 2. Quartals 2020 geöffnet.
     Arztsitze in der Praxis den Referenzwert auf Basis der aktuellen
     Praxiszusammensetzung anzupassen.                                        KV-TV

     Ausgleichszahlungen erfolgen mit dem jeweiligen
     Honorarbescheid

     Geplant ist, die Ausgleichszahlungen im Rahmen des Schutz-
     schirms von Amts wegen durchzuführen, sodass kein Antrag
     notwendig sein wird. Die Zahlungen von anderer Stelle, die laut     „Service Testabrechnung – Abrechnungen
     Gesetz gegengerechnet werden müssen, wird die KV RLP über           fehlerfrei senden“ vom 15. Juli 2015:
     den geschützten Mitgliederbereich erheben. Dazu reicht eine         www.kv-rlp.de/941029

          PANDEMIE-SONDERAUSGABEN: DIE KV RLP KÄMPFT FÜR DIE KOSTENÜBERNAHME

          Neben der Tatsache, dass viele Praxen aktuell ein geringe-
                                                                                                                                © MARIDAV/ISTOCKPHOTO

          res Patientenaufkommen verzeichnen und dadurch Hono-
          rareinbußen befürchten, entstehen gleichzeitig teils hohe
          Zusatzkosten durch die eigene Beschaffung von Persönli-
          cher Schutzausrüstung und die gesteigerten Hygienean-
          forderungen. Ursachen für die enormen Ausgaben waren
          zum einen der erhebliche Bedarf durch die im Pandemie-
          gesetz vorgesehenen Regelungen zum Schutz vor Neuin-
          fektionen, aber auch zum Schutz des eigenen Personals
          sowie die explodierenden Kosten durch Lieferengpässe.
          Die KV RLP stellt klar, dass es sich hierbei nicht um selbst
          zu finanzierende Kosten der Praxen handelt, und steht in
          Verhandlungen mit den Krankenkassen zur Übernahme
          dieser Ausgaben durch die Kostenträger.

12   KV PRAXIS JUNI 2020
UNTERNEHMEN UND PRIVATINITIATIVEN UNTERSTÜTZEN DIE KV RLP

                                                                     © KV RLP
Deutschlandweite Initiative produziert in Mainz
und anderen Orten Behelfsvisiere für Arztpraxen

Während der Corona-Pandemie steht für die behandelnden
Ärztinnen und Ärzte und ihre Teams ein Thema sehr im Fokus:
Nur mit adäquater Schutzausrüstung sind sie arbeitsfähig. Die
Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP) versorgt
ihre Mitglieder mit selbst beschafften Materialien und den Lie-
ferungen des Bundes. Sie wird aber auch von verschiedenen
Unternehmen und privaten Initiativen unterstützt, die Schutz-
ausrüstung spenden beziehungsweise zum Selbstkostenpreis
weitergeben.
                                                                     Auch die Allgemeinmedizinische Praxis am Campus (APC) kam in den
„Es ist eine tolle Sache, dass sich so viele Menschen engagieren.    Genuss einer Spende der Initiative „Makers vs. Virus“.
Wir spüren eine große Solidarität“, ist sich der Vorstand der
KV RLP einig. Im Namen der KV-Mitglieder, also der ambulant          Deutschland angehören. Unter dem Motto „Wir helfen den
tätigen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und           Helfern“ produzieren sie auf Anfrage Visiere und stellen sie den
Psychotherapeuten in Rheinland-Pfalz, bedanken sich Dr. Peter        Organisationen als Spende oder gegen Erstattung des Materi-
Heinz, Dr. Andreas Bartels und Peter Andreas Staub bei allen         als zur Verfügung. Die Mainzer Gruppe hat neben der KV RLP
Unterstützerinnen und Unterstützern.                                 bisher unter anderem die Unimedizin, Arztpraxen, Feuerweh-
                                                                     ren und mehrere Schulen in der Region ausgestattet.
Einer davon ist Friedemann Neuhaus. Sein Team und er haben
über 100 Behelfsvisiere an die KV RLP gespendet, die diese an        Unternehmen aus der Region helfen
Arztpraxen weitergibt. Gerade schreibt der 28-Jährige seine
Promotion im Fach Physik an der Johannes Gutenberg-Univer-           Die „Maker vs. Virus“ sind jedoch bei Weitem nicht die einzigen
sität Mainz. Doch neben der Doktorarbeit hat er aktuell einen        Unterstützer. Auch viele andere engagieren sich in der Corona-
weiteren Job. Denn Friedemann Neuhaus hat sich der deutsch-          Krise. So spenden etwa die BTC Europe GmbH aus Monheim,
landweiten Initiative „Maker vs. Virus“ angeschlossen und pro-       eine Tochter der BASF, sowie die BASF-Initiative „Helping Hands“
duziert zu Hause Behelfsvisiere. Diese eignen sich als Augen-        der KV in großem Umfang Desinfektionsmittel. Auch Boehrin-
und Gesichtsschutz, der zusätzlich zu einer Atemschutzmaske          ger Ingelheim, die Procter & Gamble Germany GmbH mit Sitz in
beziehungsweise einem Mund-Nasen-Schutz getragen werden              Schwalbach am Taunus und die Chemische Fabrik Budenheim
kann, und sind aktuell sehr gefragt.                                 KG stellen der KV RLP beziehungsweise deren Mitgliedspraxen
                                                                     kostenfrei Desinfektionsmittel zur Verfügung. Die Chemische
Corona-Schutz aus dem 3D-Drucker                                     Fabrik Kreussler & Co. GmbH aus Wiesbaden übernimmt die
                                                                     Abfüllung in kleinere Behälter, ohne dies zu berechnen.
In seiner Wohnung in Mainz stellt er wie viele weitere Ehren-
amtliche mithilfe eines 3D-Druckers zwei wesentliche Teile des       Unterstützung in Form von guter Preisgestaltung, schneller Lie-
Visiers selbst her: das obere Gestell für den Kopf und eine Halte-   ferung und logistischen Lösungen gibt es bisher von der Bil-
rung, die am unteren Ende der Schutzfolie angebracht wird. Die       gram Chemie GmbH aus Ostrach, der Chemischen Fabrik
Folien bekommt das 25-köpfige Mainzer Team um Friedemann             Dr. Stöcker GmbH & Co. KG. aus Pfaffen-Schwabenheim und
Neuhaus von seinen Auftraggebern oder kauft sie selbst ein.          der Chemischen Fabrik WIGOL W. Stache GmbH aus Worms je-
                                                                     weils beim Produzieren oder Abfüllen von Desinfektionsmittel
Begonnen hat der Doktorand damit, um seinem Vater zu hel-            sowie von der Firma Renolit aus Worms beim Beschaffen von
fen: „Er betreibt eine Hausarztpraxis und wollte sich Visiere        KN95-Masken. Des Weiteren hilft die Hornbach-Filiale Mainz,
kaufen. Aber wenn sie überhaupt erhältlich waren, dann zu            indem sie die KV RLP bei Neulieferungen von Schutzanzügen,
horrenden Preisen“, erinnert er sich. Also startete Neuhaus sei-     Masken, Desinfektionsmittel und leeren Plastikflaschen vorab
ne Eigenproduktion und schloss sich der Initiative „Makers vs.       informiert und ein Vorkaufsrecht einräumt. Auch einige rhein-
Virus“ an, der mittlerweile mehrere Tausend Menschen in ganz         land-pfälzische Apotheken zeigen sich solidarisch.

                                                                                                                    KV PRAXIS JUNI 2020   13
Politik

                                GESETZGEBUNG

                                PANDEMIEGESETZ: ERWEITERTE MELDEPFLICHTEN FÜR LABORE

                                Im Schnelldurchlauf hat das vom Bundeskabinett verabschiedete zweite Pandemie-Gesetzespaket
                                Bundestag und Bundesrat passiert. Relevant für den ärztlichen Praxisalltag dürften die neuen Meldepflichten
                                für Labore und die Regelungen zu den saisonalen Grippeimpfstoffen sein.

                                                                                                  Die Ausweitung der Meldepflicht auf den Erreger SARS-CoV-2
© ACHIM MELDE/BUNDESTAG

                                                                                                  hat zur Folge, dass Labore künftig auch negative Testergebnis-
                                                                                                  se melden. Außerdem müssen Gesundheitsämter übermitteln,
                                                                                                  wenn jemand als geheilt gilt. Teil des Meldewesens ist auch,
                                                                                                  wo sich jemand wahrscheinlich angesteckt hat. Die Daten wer-
                                                                                                  den anonymisiert an das Robert Koch-Institut übermittelt. Be-
                                                                                                  stimmte Labore können verpflichtet werden, Daten über von
                                                                                                  ihnen untersuchten Proben in Bezug zu bestimmten Krank-
                                                                                                  heitserregern pseudonymisiert zu übermitteln.

                                                                                                  „Sicherheitszuschlag“ für die Bestellung von Grippeimpfstoff

                                                                                                  Eine weitere für Arztpraxen bedeutsame Regelung bezieht sich
                                                                                                  auf die Versorgung mit saisonalen Grippeimpfstoffen. Der Ge-
                                                                                                  setzgeber sieht den tatsächlichen Bedarf aufgrund der aktuel-
                                                                                                  len Covid-19-Pandemie erheblich erschwert. Um eine Unterver-
                          Das zweite Pandemieschutzgesetz passierte mit den Stimmen von Union     sorgung der Bevölkerung mit Grippeimpfstoffen zu vermeiden,
                          und SPD den Bundestag.
                                                                                                  wird Ärztinnen und Ärzten ein höherer „Sicherheitszuschlag“
                                                                                                  für die Bestellung von saisonalem Grippeimpfstoff eingeräumt.
                                Besonders gefährdete Menschen bestmöglich vor einer Infekti-      Damit soll sich das Risiko von Regressforderungen der Kran-
                                on mit dem neuartigen Coronavirus zu schützen und einen bes-      kenkassen wegen unwirtschaftlicher Verordnung verringern.
                                seren Einblick in den Verlauf der Epidemie erhalten – das sind    „Eine Überschreitung der Verordnung von saisonalen Gripp-
                                die wichtigsten Ziele des „Zweiten Gesetzes zum Schutz der        eimpfstoffen im Wege des Sprechstundenbedarfs von bis zu
                                Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Trag-      30 Prozent gegenüber den tatsächlich erbrachten Impfungen
                                weite“. Unter anderem wird dauerhaft eine gesetzliche Melde-      gilt grundsätzlich nicht als unwirtschaftlich“, heißt es wörtlich
                                pflicht in Bezug zu Covid-19 und SARS-CoV-2 verankert. Dies be-   im Gesetz. Damit wurde die erst im vergangenen Jahr von Bun-
                                trifft auch neu eingeführte Meldepflichten zur Genesung und       desgesundheitsminister Jens Spahn eingeführte Regelung zur
                                bei negativen Labortests.                                         Wirtschaftlichkeit angepasst, wonach Ärztinnen und Ärzte für
                                                                                                  zu viel bestellten Impfstoff zahlen sollen.
                                Um einen vertieften Einblick in das Infektionsgeschehen zu be-
                                kommen, will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) Tests         Nach Einschätzung der KBV ist allerdings noch völlig unklar, wie
                                auf das Coronavirus umfassend ausweiten. Solche Tests sollen      sich die Zahl der Grippeimpfwilligen aufgrund der Coronavirus-
                                auch dann möglich sein, wenn jemand keine Symptome zeigt.         Pandemie entwickeln wird. Daher müsse die Bundesregierung
                                Auf Basis des Gesetzes kann die gesetzliche Krankenversiche-      ermitteln, wie viel Impfstoff für die Bevölkerung benötigt wird.
                                rung per Verordnung verpflichtet werden, Tests auf das Co-        Anschließend müssten entsprechende Vorräte angelegt wer-
                                ronavirus grundsätzlich zu bezahlen. Diese Rechtsverordnung       den, die die Praxen verwenden könnten.
                                durch das BMG lag zum Redaktionsschluss (29. Mai) noch nicht
                                vor. Darin würden auch Fragen bezüglich der Zuständigkeit der     Das zweite Pandemiegesetz wurde Mitte Mai von Bundestag
                                veranlassten Tests beantwortet. Im Umfeld besonders gefähr-       und Bundesrat beschlossen. Es tritt in großen Teilen am Tag
                                deter Personen – etwa in Pflegeheimen – soll verstärkt auf        nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft – teil-
                                Corona-Infektionen getestet werden.                               weise rückwirkend.

                          14   KV PRAXIS JUNI 2020
KURZ & BÜNDIG

DERZEIT KEIN CORONA-HAUSBESUCHSDIENST – NIEDERGELASSENE TESTEN IN HEIMEN

Der am 11. März gestartete flächen-                                                          von etwa acht Wochen, das heißt von
deckende Corona-Hausbesuchsdienst                                                            Mitte März bis Mitte Mai 2020, rund

                                                                                      © KV RLP
der KV RLP lässt seine Aktivitäten                                                           4.400 Patientinnen und Patienten. Un-
derzeit ruhen. Hintergrund ist, dass                                                         abhängig davon werden die niederge-
aufgrund der aktuell niedrigen Infekti-                                                      lassenen Ärztinnen und Ärzte für die per
onszahlen kein akuter Bedarf besteht.                                                        Landesverordnung geplanten vermehrten
Sollte sich dies wieder ändern, sei es                                                       Testungen in gefährdeten Einrichtungen
für die KV RLP kein Problem, den Coro-                                                       wie Alten- und Pflegeheime zur Verfü-
na-Hausbesuchsdienst wieder neu zu                                                           gung stehen – unter der Berücksichtigung
organisieren, betont der Vorstand.                                                           medizinischer und epidemiologischer
                                                                                             Notwendigkeiten. Voraussetzung hierzu
Insgesamt beteiligten sich 95 Ärztin-                                                        sind einheitliche Vereinbarungen zur Ab-
nen und Ärzte am Corona-Hausbe-            Für ältere bzw. beweglich eingeschränkte Personen rechenbarkeit und Vergütung dieser Tests
suchsdienst. Sie besuchten innerhalb       war der Hausbesuchsdienst eine wertvolle Hilfe.   durch die gesetzlichen Krankenkassen.

DANKESPOSTER FÜR DIE MFA                                               LETZTE FRIST ZUR TI-ANBINDUNG LÄUFT AUS

Auf einem eigens erstellten Praxisposter würdigt der Vor-              Die KV RLP erinnert daran, dass sich laut dem Digitale Versor-
stand der KBV die Arbeit der mehr als 400.000 Medizinischen            gung-Gesetz auch solche Arztpraxen, die keinen persönlichen
Fachangestellten, „die sich jeden Tag aufopferungsvoll um Pa-          Patientenkontakt haben, an die Telematik-Infrastruktur (TI)
tienten kümmern“. „Ob Pandemie oder nicht – als erste Kon-             anschließen müssen – spätestens bis zum 30. Juni 2020., an-
taktperson sind Sie von größter Bedeutung für die Gesund-              dernfalls droht eine gesetzliche Honorarkürzung von einem
heitsversorgung Deutschlands“, heißt es dort.                          Prozent. Betroffen sind schätzungsweise bis zu 40 Praxen
                                                                       aus der Pathologie, Labore sowie reisende Anästhesistinnen
Das Praxisposter „Dankeschön“ ist Teil der Kampagne „Ihre-             und Anästhesisten. Die verbindliche Bestätigung der TI-An-
Abwehrkräfte“, die die KBV gemeinsam mit den Kassenärzt-               bindung gegenüber der KV RLP muss im Laufe des 3. Quartals
lichen Vereinigungen gestartet hat. Verschiedene Motive mit            2020 über den geschützten Mitgliederbereich erfolgen. Erst
Zahlen, Fakten und Beispielen aus der Praxis sollen zeigen,            dann kann die Erstattungspauschale für die TI-Komponenten
dass die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems maßgeb-             sowie die Starterpauschale beantragt werden. Hierzu wird
lich von der Arbeit in den 100.000 Praxen abhängt.                    auf Anfrage der Menüpunkt „Pauschale TI“ freigeschaltet.

   Praxisposter: www.kbv.de/html/ihreabwehrkraefte.php                     Telematik-Hotline 06131 326-2700

KV RLP APPELLIERT ZUR NUTZUNG DES E-TERMINSERVICE

Die kostenfreie Hotline 116117 des Pati-       ganz einfach am Praxis-Computer im
                                                                                                                                   © KBV

entenservice, der seit 1. Januar rund um       eTerminservice einpflegen. Die KV RLP
die Uhr zur Verfügung steht, wird rege         unterstützt dabei, Profil und gezielte
in Anspruch genommen. Vor allem in             Leistungen im eTerminservice anzule-
den Fachgebieten Psychotherapie und            gen, um dringliche Patiententermine
Neurologie steigt die Nachfrage. Da-           an die Praxis zu vermitteln. Neben dem
her ruft die KV RLP nochmals dazu auf,         Vorteil der Zeitersparnis erhalten Praxen
freie Termine zu melden und dafür den          zusätzlich Vergütungsanreize. Der Pati-
elektronischen Terminservice zu nutzen.        entenservice 116117 informiert zeitnah            KBV-Erklärvideo eTerminservice:
Mitglieder können ihre freien Termine          per E-Mail über vergebene Termine.               https://youtu.be/h-0CY_cWNCY

                                                                                                                   KV PRAXIS JUNI 2020     15
Panorama

           TELEMEDIZIN

     EPATIENTENAKTE WIRD AUSGEBAUT, DAS EREZEPT KOMMT

     Mit dem vom Bundeskabinett beschlossenen Patientendaten-Schutzgesetz nimmt die Digitalisierung im
     Gesundheitswesen an Fahrt auf. Neben dem künftigen Einsatz der elektronischen Patientenakte in der
     Therapie ist die Einführung des eRezepts eine weitere relevante Neuerung für Praxen.

                                                                                                       Patientenakte bekommen. Mit dem Ge-
                                                                                                       setzesentwurf werden die Kassen ver-
                                                                                                       pflichtet, ihren Versicherten ab dem Jahr
                                                                                                       2022 geeignete Zugriffsmöglichkeiten
                                                                                                       via Smartphone anzubieten. Alternativ
                                                                                                       kann der Zugriff auch über Terminals
                                                                                                       in Geschäftsstellen der Krankenkassen
                                                                                                       erfolgen. Im darauffolgenden Jahr wird
                                                                                                       den Versicherten die Möglichkeit gege-
                                                                                                       ben, die in der ePA abgelegten Daten im
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                                                                                                       Rahmen einer Datenspende freiwillig
                                                                                                       und pseudonymisiert der Gesundheits-
                                                                                                       und Pflegeforschung zur Verfügung zu
                                                                                                       stellen.

                                                                                                       Elektronisches Rezept ab dem Jahr
                                                                                                       2022 verpflichtend vorgeschrieben

     Versicherte sollen selbstständig entscheiden, welche Daten sie in der elektronischen Patienten-   Ein weiteres Ziel des Gesetzesentwurfs
     akte speichern möchten und welche Daten wieder gelöscht werden.                                   ist, die Regelungen zur Telematik-Infra-
                                                                                                       struktur (TI) umfassend neu zu struktu-
                                                                                                       rieren, wobei geltendes Recht inhaltlich
     Schon jetzt ist klar: Krankenkassen müs-           Einsicht in die ePA auch über das              im Wesentlichen übernommen wird.
     sen ihren Versicherten ab dem kom-                 Smartphone                                     Zugleich soll diese Neustrukturierung
     menden Jahr eine elektronische Pati-                                                              um weitere digitale medizinische An-
     entenakte (ePA) anbieten. Damit diese              Neben Befunden, Arztberichten oder             wendungen ergänzt werden.
     auch befüllt wird, erhalten Patientinnen           Röntgenbildern lassen sich nach den
     und Patienten zeitgleich einen Anspruch            Plänen des Gesundheitsministeriums ab          Dazu gehört, dass die elektronische Ver-
     darauf, dass ihre Ärztin bzw. ihr Arzt             dem Jahr 2022 auch der Impfausweis,            ordnung von verschreibungspflichtigen
     Daten in die ePA einträgt. Wie aus dem             der Mutterpass und das gelbe U-Heft            Arzneimitteln ab dem 1. Januar 2022 für
     Kabinettsbeschluss hervorgeht, sollen              für Kinder in der ePatientenakte spei-         Praxen verbindlich wird. Für das eRezept
     Niedergelassene für das erstmalige Be-             chern. Das Ministerium betont, dass die        soll es eine App geben, mit der sich die
     füllen der ePA im ersten Jahr eine Ver-            Nutzung der ePA freiwillig sei. So ent-        Verordnung direkt auf das Smartphone
     gütung von jeweils zehn Euro erhalten.             scheiden Versicherte eigenständig, wel-        oder Tablet laden lässt. Der Versicherte
     Geld gibt es auch, wenn Versicherte bei            che Daten in der ePA gespeichert und           kann es dann in einer Apotheke seiner
     der weiteren Verwaltung ihrer ePA von              welche wieder gelöscht werden. Auch            Wahl einlösen, sei es vor Ort oder in
     ihrem Arzt oder ihrer Ärztin unterstützt           entscheiden sie in jedem Einzelfall, wer       einer Online-Apotheke. Die App soll zu-
     werden. Über die genaue Höhe für die-              auf die ePA zugreifen darf.                    gleich fester Bestandteil der TI werden.
     se „einmalige Abrechnung“ sollen KBV,                                                             Bezüglich des Grünen Rezepts wird die
     Krankenkassen und die Vertretung der               Anwender sollen künftig auch auf dem           Selbstverwaltung beauftragt, einen
     Krankenhäuser miteinander verhandeln.              Smartphone oder Tablet Einsicht in ihre        elektronischen Vordruck für die Emp-

16   KV PRAXIS JUNI 2020
Das KBV-Vorstandsmitglied befürchtet
                                                                                       hohe Kosten, die auf die Praxen zukom-
                                                                                       men könnten. Schon heute, aber auch
                                                                                       in Zukunft, müssten diese in die IT-
                                                                                       Sicherheit investieren. Darüber hinaus
                                                                                       fordert die KBV eindeutige Regelungen,
    Es muss sichergestellt sein, dass auf
                                                                                       „mit denen klargestellt wird, dass die
    das elektronische Rezept nur Befugte                                               Arztpraxen weder mit den Strukturan-
              zugreifen können.                                                        passungsaufwänden der Digitalisierung

                                               © BUNDESREGIERUNG/KUGLER
                                                                                       noch mit den im Zuge der Digitalisie-
            Prof. Ulrich Kelber,                                                       rung entstehenden Aufwänden für zu-
      Bundesdatenschutzbeauftragter                                                    sätzliche IT-Sicherheit alleine gelassen
                                                                                       werden“. Statt mit Honorarsanktionen
                                                                                       zu drohen, solle der Gesetzgeber lieber
                                                                                       positive Anreize setzen.

                                                                                       Krankenkassen wollen unmittelbaren
fehlung apothekenpflichtiger, nicht         Deutliche Worte findet der Daten-          digitalen Zugriff auf Verordnungen
verschreibungspflichtiger Arzneimittel      schutzbeauftragte auch beim eRezept.
zu vereinbaren. Zudem sollen die Ver-       Bei dieser Anwendung finde insofern        Aus Sicht der gesetzlichen Krankenkas-
tragspartner der Bundesmantelverträge       ein Paradigmenwechsel statt, als die       sen wird die Patientenakte perspekti-
die erforderlichen Regelungen treffen,      gematik eine entsprechende App zu          visch für die Versicherten einen Nutzen
damit Überweisungsscheine zukünftig         entwickeln und zur Verfügung zu stel-      stiften, sofern ihre Datensouveränität
in elektronischer Form übermittelt wer-     len hat. Die Betreibergesellschaft werde   gewährleistet ist. Allerdings fordert bei-
den können.                                 damit selbst zum Hersteller. „Insoweit     spielsweise der AOK-Bundesverband,
                                            besteht zumindest die Gefahr einer po-     dass Praxen für die „regelmäßige Be-
Betreiber von Dienstleistungen und          tenziellen Befangenheit.“ Ebenso müsse     füllung“ der ePA nicht extra bezahlt
Komponenten innerhalb der TI müssen         der Gesetzgeber sicherstellen, dass nur    werden sollen – zumal es für die dahin-
Störungen und Sicherheitsmängel un-         Befugte auf diese Anwendung zugreifen      terliegenden Anwendungen wie Medi-
verzüglich an die Betreibergesellschaft     könnten.                                   kationsplan oder Notfalldaten bereits
für die elektronische Gesundheitskarte                                                 eigene Honorierungsregelungen zur Be-
gematik melden. Bei Verstößen müssen        Praxen dürfen bei der IT-Sicherheit        füllung und Aktualisierung gebe.
sie laut dem Gesetzesentwurf mit Buß-       nicht alleine gelassen werden
geldern von bis zu 250.000 Euro rechnen.                                               Ein Dorn im Auge sind dem AOK-Bun-
                                            Für Dr. Thomas Kriedel, Vorstandsmit-      desverband auch die neuen Aufgaben
Datenschutzbeauftragter sieht noch          glied der KBV, ist der Gesetzesentwurf     und Befugnisse der gematik, die weit
datenschutzrechtliche Defizite              im Hinblick auf den Datenschutz zwar       über die bisherigen Regelungen hinaus-
                                            eine Verbesserung gegenüber dem Digi-      gehen und sogar bis zur Programmie-
Kritik am Gesetzesentwurf kommt von         tale Versorgung-Gesetz (DVG). Er warnt     rung einer eRezept-App für die Versi-
verschiedenen Seiten. So spricht            jedoch davor, den Datenschutz in Teilen    cherten reichen. „Aus unserer Sicht wäre
der      Bundesdatenschutzbeauftragte       einseitig auf die Ärzteschaft zu über-     es besser, die Funktion des eRezepts in
Prof. Ulrich Kelber von „datenschutz-       tragen. Dies betreffe insbesondere die     die elektronische Patientenakte zu in-
rechtlichen Defiziten“, die beispielswei-   Verpflichtung, dass Praxen für die de-     tegrieren“, meint AOK-Vorstand Martin
se beim Zugriffsmanagement der ePA          zentralen Komponenten der Telematik        Litsch. Zudem sollten die Krankenkassen
sichtbar würden. Dieses „feingranulare      wie den Konnektor verantwortlich sein      einen unmittelbaren Zugriff auf die Ver-
Zugriffsmanagement“ würde nur denje-        sollten. „Das geht aus unserer Sicht zu    ordnungen bekommen.
nigen Versicherten gewährt, die über die    weit, weil der Arzt gezwungen ist, die
Benutzeroberfläche eines geeigneten         von der gematik zertifizierten Geräte in   Das Patientendaten-Schutz-Gesetz ist
Endgeräts wie eine App auf die ePA zu-      seiner Praxis zu installieren. Dann muss   im Bundesrat nicht zustimmungspflich-
greifen könnten. Das sei jedoch erst am     auch der Hersteller die Verantwortung      tig und soll voraussichtlich im Herbst
1. Januar 2022 und damit genau ein Jahr     für die technische Güte und Qualität       dieses Jahres in Kraft treten.
nach Einführung der ePA vorgesehen.         selbst bestimmen.“

                                                                                                              KV PRAXIS JUNI 2020   17
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