SUCHTMEDIZIN Addiction Medicine
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S U CH TM ED IZI N Addiction Medicine Herausgeber: M. Soyka · M. Backmund · Ph. Bruggmann · H. Haltmayer · M. Krausz 2015 2 „Alkohol 2020“: Ein integrier- tes Versorgungssystem für Menschen mit einer Alkohol- erkrankung in Wien Injektionen in die Leistenvene: Prävalenz und Umgang in heroingestützter Behandlung Drogentests im Haar – Möglich- keiten und Grenzen Birgit Ablaßmeier · Kleine Landschaft Organ der ÖGABS (Österreichische Gesellschaft für arzneimittelgestützte Behandlung von Suchtkrankheit) Suchtmed · ISSN 2198-3798 · Band 17, Nr. 2 (2015)
S UCHTMEDIZIN Organ der ÖGABS (Österreichische Gesellschaft für arzneimittelgestützte Behandlung von Suchtkrankheit) HERAUSGEBER Prof. Dr. Michael Soyka (Schriftleitung) Prof. Dr. Markus Backmund (Schriftleitung) Privatklinik Meiringen, Meiringen, Schweiz Institut für Suchtmedizin und Adipositas, München E-Mail: michael.soyka@privatklinik-meiringen.ch E-Mail: Markus.Backmund@p-i-t.info Prof. Dr. Michael Krausz Dr. Hans Haltmayer Department of Psychiatry Sucht- und Drogenkoordination, Wien, Österreich University of British Columbia, Vancouver, Canada E-Mail: hans.haltmayer@suchthilfe.at E-Mail: Michael.Krausz@ubc.ca Dr. Philip Bruggmann Arud, Zentren für Suchtmedizin, Zürich, Schweiz E-Mail: p.bruggmann@arud.ch HERAUSGEBERGREMIUM Prof. (apl) Dr. Ulrich W. Preuß Kreiskrankenhaus Prignitz gemeinnützige GmbH Prof. Dr. Gabriele Fischer Klinik Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Universitätsklinik für Psychiatrie-AKH Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Wien, Österreich Fakultät Rostock, Perleberg E-Mail: Gabriele.Fischer@meduniwien.ac.at E-Mail: U.Preuss@krankenhaus-prignitz.de Prof. Dr. Christian G. Schütz Prof. Dr. Ulrich John Department of Psychiatry Institut für Sozialmedizin und Prävention University of British Columbia, Vancouver, Canada Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald E-Mail: Christian.Schutz@ubc.ca E-Mail: UJohn@uni-greifswald.de Prof. Dr. Rainer Spanagel Dr. Heinrich Küfner Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Institut für Therapieforschung (IFT), München Abt. Psychopharmakologie J 5, Mannheim E-Mail: Kuefner@ift.de E-Mail: Rainer.Spanagel@zi-mannheim.de Prof. Dr. Michael Lucht Prof. Dr. Claudia Spieß Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Psychotherapie der Universitätsmedizin Greifswald Universitäts-Klinikum, Berlin am HELIOS-Hanseklinikum Stralsund, Stralsund E-Mail: Claudia.Spies@charite.de E-Mail: lucht@uni-greifswald.de PD Dr. Marc Walter Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel, Basel Prof. Dr. Dennis Nowak E-Mail: marc.walter@upkbs.ch Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin Prof. Dr. Reinhart Zachoval Klinikum der Universität-Innenstadt, München Medizinische Klinik II E-Mail: Dennis.Nowak@med.uni-muenchen.de Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität, München E-Mail: Reinhart.Zachoval@med.uni-muenchen.de Redaktion: Susanne Fischer, ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg am Lech E-Mail: s.fischer@ecomed-storck.de, Internet: http://www.ecomed-suchtmedizin.de Suchtmed 17 (2) 41 (2015) 41 © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg
IMPRESSUM Impressum Anzeigen: Dr. Reingard Herbst Suchtmedizin, Jg. 17, Nr. 2, 2015 Edelweißring 61 Addictione Medicine 86343 Königsbrunn Tel.: 08231-90861 ehemals: Suchtmedizin in Forschung und Praxis Fax: 08231-90862 E-Mail: media2001@t-online.de ISSN 2198-3798 Abonentenverwaltung: Herausgeber: Rhenus Medien Logistic Tel.: 08191-97000-641 Prof. Dr. Michael Soyka (Schriftleitung) Fax: 08191-97000-103 Privatklinik Meiringen E-Mail: aboservice@hjr-verlag.de Postfach 612, CH-3860 Meiringen Tel.: 0041-33 972-82 95; Fax: -82 91 Bezugspreise 2015: E-Mail: michael.soyka@privatklinik-meiringen.ch 6 Heft pro Jahr alle Preise inkl. MwSt. und zzgl. Versandkosten Prof. Dr. Markus Backmund (Schriftleitung) Print-Abo inkl. Online: € 169,00 Institut für Suchtmedizin und Adipositas Abonnement und Bezugspreise beinhalten die Printausgabe sowie Tal 9, Rgb., D-80331 München eine Lizenz für das online-Archiv. Die Bestandteile des Abonne- Tel.: 089-45 22 85 60; Fax: -22 ments sind nicht einzeln kündbar. E-Mail: Markus.backmund@p-i-t.info Einzelheft: € 36,00 IP-Zugang: € 229,00 Internet: http://www.i-t-t.info Dr. Philip Bruggmann Veröffentlichung gemäß Art. 8 Abs. 3 Bayerisches Pressegesetz: Alleinige Gesellschafterin von ecomed-Storck GmbH ist die Verlags- Arud, Zentren für Suchtmedizin, Zürich, Schweiz gruppe Hüthig-Jehle Rehm GmbH; alleinige Gesellschafterin von der E-Mail: p.bruggmann@arud.ch Verlagsgruppe Hüthig-Jehle Rehm GmbH ist die Süddeutscher Verlag Hüthig Fachinformationen GmbH. An dieser sind beteiligt: Süddeut- Pro. Dr. Michael Krausz scher Verlag GmbH, München: 97,383 %; Kaufmann Holger Hüthig, Department of Psychiatry Heidelberg: 2,027 %, Ruth Hüthig, Heidelberg: 0,269 %, Beatrice Mül- ler, Heidelberg: 0,160 %, Sebastian Hüthig, Heidelberg: 0,160 %. The University of British Columbia, Vancouver, Canada Satz: MVM Mediendesign und Digitaldruck, 21698 Harsefeld E-Mail: Michael.Krausz@ubc.ca Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, 87437 Kempten Dr. Hans Haltmayer Urheberrecht: Sucht- und Drogenkoordination, Wien, Österreich © 2015, ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, E-Mail: hans.haltmayer@suchthilfe.at Landsberg am Lech Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbrei- Verlag: tung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes ecomed Medizin Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg am Lech oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verar- Justus-von-Liebig-Str. 1, D-86899 Landsberg beitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Der Inhalt dieses Heftes Internet: http://www.ecomed-suchtmedizin.de wurde sorgfältigt erarbeitet; jedoch sind Fehler nicht vollständig aus- zuschließen. Aus diesem Grund übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag keine Haftung für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen Redaktion (verantwortlich) und Ratschlägen. Susanne Fischer Tel.: 08191-125-500 Fax: 08191-125-292 E-Mail: s.fischer@ecomed-storck.de Besuchen Sie unsere Website unter: www.ecomed-suchtmedizin.de 42 Suchtmed 17 (2) 42 (2015) © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg
INHALT | SUCHTMED INHALT Umschlagbild 57 Injektionen in die Leistenvene – Prävalenz und Umgang in heroingestützter Behandlung (M. Vogel, K.M. Dürsteler, J. Strasser, „Kleine Landschaft“ (Acryl 20 x 20 cm) O. Schmid, E. Müller, Ph. Himmelheber, Dr. med. Birgit Ablaßmeier – geboren 1954 in U. Lang, M. Walter, M. Krausz) München, Studium der Mathematik, Theologie und Medizin. Zwei Kinder, Assistenzarztzeit. Seit 2004 niedergelassen in eigener Praxis in Landsberg am Lech. Hausärztlich tätig, seit 2006 zusätzlich Diskussionsbeiträge Substitutionspraxis mit bis zu 150 Patienten mit sehr großem Einzugsgebiet. Malen in der Freizeit, 64 Drogentests im Haar – Möglichkeiten und Grenzen wobei Gedanken und Gefühle, die das tägliche (R. Schmid) Leben prägen, zum Ausdruck kommen: Es war mir etwas Farbe von einem größeren Bild übrig geblieben und war mir zu schade sie weg- werfen. Leitlinien Österreich In fünf Minuten entstand die „Kleine Land- 73 Leitlinie des Bundesministers für Gesundheit zum schaft“ auf einer Leinwand mit 20 cm x 20 cm. Umgang mit dem schädlichen Gebrauch und der Abhängigkeit von Benzodiazepinen bei Patientinnen An meinen Bildern mit Landschaften kann ich und Patienten in Erhaltungstherapie mit Opioiden mich selbst erfreuen, auch eingedenk, dass die gemäß § 23a Abs. 3 Suchtgiftverordnung Möglichkeiten für Natur immer weniger werden. dr.ablassmaier@t-online.de Aus der Wissenschaft 42 Impressum 79 Gesundheitsgefährdung von Kindern und Jugend- lichen durch E-Zigaretten: Verkaufsverbot an unter 18-Jährige unabhängig vom Nikotingehalt erfor- Editorial derlich 45 (H. Haltmayer) Übersichtsbeiträge 56 Tagungskalender 47 „Alkohol 2020“: Ein integriertes Versorgungs- system für Menschen mit einer Alkoholerkrankung in Wien (H. Haltmayer, L. Reuvers) 84 Hinweise für Autoren Suchtmedizin in Forschung und Praxis wird referiert in: CCMed – Current Contents Medizin deutscher und deutschsprachiger Zeitschriften, Deutsche Zentralbibliothek für Medizin, Köln PSYNDEX – Zentralstelle für Psychologische Information und Dokumentation, Universität Trier EMBASE, Excerpta Medica, Elsevier SCOPUS, Elsevier Die Herausgeberschaft ist Mitglied der „International Society of Addiction Journal Editors“ (ISAJE) Suchtmed 17 (2) 43 (2015) 43 © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg
EDITORIAL Editorial Sehr geehrte Leserin! Sehr geehrter Leser! Wir freuen uns, Ihnen die zweite Ausgabe des heurigen West 2014). Wir werden in den nächsten Ausgaben weite- Jahres vorlegen zu dürfen. Die Beiträge dieses Heftes re Publikationen zu diesem interessanten und gesundheits- repräsentieren gewissermaßen die Vielfalt der Themen in politisch relevanten Thema bringen und freuen uns über der suchtmedizinischen Wissenschaft und Praxis. Ihre Beiträge und Kommentare dazu! Da wäre das innovative Konzept „Alkohol 2020“ – ein Eine andere Übersichtsarbeit beschäftigt sich mit dem Ein- integriertes Versorgungssystem für Menschen mit einer satz von Haartests zum Nachweis psychotroper Substan- Alkoholerkrankung in Wien, das ohne Übertreibung als zen und behandelt ein nicht minder kontrovers diskutiertes Paradigmenwechsel bezeichnet werden kann, indem sich Thema, das auch von drogenpolitischer Relevanz ist. Eine erstmals drei große Kostenträger, die Pensionsversiche- Arbeit aus und für die klinische Praxis beschäftigt sich mit rungsanstalt, die Wiener Gebietskrankenkasse und die einem aus klinischer und ethischer Sicht wichtigen Thema, Stadt Wien darauf verständigt haben, unter Einbeziehung nämlich der im Alltag von intravenösem Drogenkonsum von maßgeblichen Expertinnen und Experten, gemein- häufig vorkommenden Injektion in die Leistenvene. sam eine Strategie zur besseren Versorgung alkoholkran- ker Menschen in Wien zu erarbeiten, umzusetzen und zu Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre und freuen finanzieren. Das Konzept wird derzeit in einem Pilotprojekt uns auf die Einsendung von Kommentaren und Manuskrip- erprobt. Einen weiteren Beitrag aus Österreich liefert das ten. Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zum umstritte- nen Thema der Begleitverschreibung von Benzodiazepinen Hans Haltmayer im Rahmen der substitutionsgestützten Behandlung mit Opioiden. Der als Konsensuspapier zu verstehende und auf einem schadensminimierenden Ansatz basierende Text, Literatur bietet verschreibenden Ärztinnen und Ärzten eine bessere Hajek P (2014). Electronic cigarettes have a potential for huge public health fachliche Orientierung und rechtliche Absicherung. benefit. BMC Medicine 12, 225 Hitchman S C, Mc Neill A, Brose L S (2014). Electronic cigarettes: time for an Ein zumindest ebenso kontrovers diskutiertes Thema jün- accurate and evidence-based debate. Addiction 109, 867-868 West R, Brown J (2014). Electronic cigarettes: fact and faction. British Journal of geren Datums ist das Ausmaß der Gesundheitsgefährdung, General Practice 64 (626), 442-443 das von E-Zigaretten mit und ohne Nikotingehalt ausgeht. Mit einem Beitrag des Deutschen Krebsforschungszentrums wollen wir einen ersten, allerdings sehr kritisch gehaltenen Korrespondenzadresse: Diskussionsbeitrag liefern. Es gibt aber auch Autoren, die in Dr. Hans Haltmayer der Verbreitung der E-Zigarette eine schadensminimierende Suchthilfe Wien gGmbH Maßnahme für das Individuum und die Gesamtgesellschaft Gumpendorfer Gürtel 8 sehen oder zumindest mehr Objektivität und Besonnenheit 1060 Wien, Österreich in der Debatte einfordern (Hajek 2014, Hitchman 2014, E-Mail: hans.haltmayer@suchthilfe.at Suchtmed 17 (2) 45 (2015) 45 © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg
„ALKOHOL 2020“ | ÜBERSICHTSBEITRÄGE „Alkohol 2020“: Ein integriertes Versorgungssystem für Menschen mit einer Alkoholerkrankung in Wien Hans Haltmayer1 und Lenea Reuvers2 Beauftragter für Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien 1 2 Projektleiterin „Alkohol 2020“ in der Sucht- und Drogenkoordination Wien Zusammenfassung In Wien gelten zwischen 35 000 und 75 000 Menschen als alkoholabhängig, weitere 135 000 bis 175 000 weisen einen problematischen Konsum auf und sind demnach gefährdet, abhängig zu werden. Entgegen den beträchtlichen gesundheitlichen, gesellschaftlichen und volks- wirtschaftlichen Folgen der Alkoholkrankheit, entsprach das Behandlungsangebot für Alkoholkranke in Wien bislang nur sehr bedingt den Bedürfnissen der Betroffenen. Ambulante Angebote sind im Vergleich zu stationären kaum entwickelt und es fehlte ein integriertes Versor- gungsprogramm, das die beteiligten Einrichtungen und Experten miteinander vernetzt und die Angebote aufeinander abstimmt. Vor die- sem Hintergrund begründet sich die erstmalige Zusammenarbeit dreier großer Kostenträger, der Pensionsversicherungsanstalt, der Wiener Gebietskrankenkasse und der Stadt Wien, die im Rahmen der Entwicklung von „Alkohol 2020“ ein Gesamtkonzept für die Betreuung inklu- sive Behandlung und Rehabilitation von Menschen mit einer Alkoholerkrankung in Wien in Auftrag gegeben haben, das bedarfs- und ziel- gruppenorientiert ausgerichtet ist und ambulante wie stationäre rehabilitative und integrationsfördernde Angebote aufeinander abstimmt. Das gemeinsam mit der Sucht- und Drogenkoordination Wien und zahlreichen Stakeholdern entwickelte Gesamtkonzept hat das Ziel, mittels Erarbeitung neuer Strukturen die Betroffenen am „Best Point of Service“ zu betreuen um zu bewirken, dass sie objektiv wie auch subjektiv gesünder und in das gesellschaftliche Leben integriert sind. Schlagwörter: Alkohol, Behandlung, Betreuung, Rehabilitation Abstract At present, there are approximately 35 000 to 75 000 persons who suffer from alcohol dependency in Vienna, and an additional 135 000 to 175 000 persons showing symptoms of alcohol abuse who are therefore likely to become alcohol dependent. Although the costs for the national health care system as well as the social and economic costs related to alcohol abuse are significant, current health care and treat- ment programmes in Vienna only partly meet the needs of those affected and are not sufficient to tackle the issue at hand. Furthermore, outpatient in comparison to inpatient services are hardly developed. It is therefore necessary to develop a comprehensive care-system, which links existing service providers and experts, and at the same time maps available facilities. These factors contributed to the first cooperation ever between three major financial supporters: the Pensionsversicherungsanstalt (central Austrian Pension Insurance Institution), the Wiener Gebietskrankenkasse (Vienna Regional Health Insurance Fund) and the Municipality of Vienna; who have commissioned the development of an overall concept called “Alcohol 2020” for the development of a coherent system of new treatment, healthcare and rehabilitation pro- grammes. This newly initiated cooperation focuses on the target group, is demand oriented and includes outpatient, inpatient and rehabilita- tion services. The overall concept, which was developed in cooperation with the Vienna Office of Addiction and Drug Policy and numerous stakeholders, has as its main objectives the establishment of new structures to ensure health care is delivered at the “Best Point of Service”, and to guarantee higher individual well-being as well as the reintegration of patients into society. Keywords: Alcohol, treatment, health care, rehabilitation 1 Einleitung Wo jedoch Alkoholprobleme entstehen, werden für Men- schen mit einer Alkoholerkrankung integrierte Betreuungs- Alkohol gehört in Österreich und Deutschland zum gesell- schaftlichen Alltag und ist Teil unserer Kultur. Die Grenzen Korrespondenzadresse: zwischen Genuss, schädlichem Gebrauch und Abhängigkeit Lenea Reuvers, MA sind fließend und oftmals nur schwer wahrnehmbar. Es ist Sucht- und Drogenkoordination Wien daher wichtig, einen verantwortungsbewussten Umgang Modecenterstraße 14, Block B, 2. Stock mit Alkohol zu fördern, um schwerwiegende Folgen für die 1030 Wien, Österreich Betroffenen sowie für unsere Gesellschaft zu verhindern. E-Mail: lenea.reuvers@sd-wien.at Suchtmed 17 (2) 47 – 53 (2015) 47 © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg
SUCHTMED | TAGUNGSKALENDER Datum Veranstaltung Ort Veranstalter Internet 9. Mai 2015 3. Hamburger Hanftag Hamburg orga@hanftag-hamburg.de www.hanftag-hamburg.de 21.-22. Mai 2015 Sucht und Recht 1 Münster LWL-Koordinationsstelle Sucht www.lwl-ks.de Schwerpunkt Betäubungs- Barbara Harbecke mittelrecht Warendorfer Straße 27 48145 Münster Tel: 0251/591-5508 Fax: 0251/591-5484 barbara.harbecke@lwl.org 26.-29. Mai 2015 20. Hamburger Hamburg Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung ZIS www.suchttherapietage.de Suchttherapietage Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf „Neue Entwicklungen und Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Horizonte in der Suchthilfe Martinistraße 52 20246 Hamburg Tel: 040/7410-54203 Fax: 040/7410-55121 31. Mai - 4. Juni ICTAB – The 13th Internatio- Odense, Faculty of Health Sciences 2015 nal Conference on Treatment Dänemark University of Southern Denmark of Addictive Behaviours J.B. Winslows Vej 19, 3 DK-5000 Odense C Tel: +45/6550/3903 fac@health.sdu.dk 11.-12. Juni 2015 Suchtkongress Bern, Suchtkongress www.suchtkongress.ch Schweiz Universitäre Psychiatrische Dienste Bolligenstraße 111 CH-3000 Bern 60 Tel: +41-31-932-8721 info@suchtkongress.ch 11.-12. Juni 2015 Ressourcenaktivierung in Münster LWL-Koordinationsstelle Sucht www.lwl-ks.de Beratung und Behandlung Barbara Harbecke Warendorfer Straße 27 48145 Münster Tel: 0251/591-5508 Fax: 0251/591-5484 barbara.harbecke@lwl.org 17.-19. Juni 2015 28. Heidelberger Kongress Heidelberg Fachverband Sucht e.V., GCAA www.sucht.de des Fachverbandes Sucht e.V. German Council on Alcohol and Addiction Abstinenz als modernes Walramstraße 3 Therapieziel? 53175 Bonn Tel: 0228/261555 Fax: 0228/215885 sucht@sucht.de 2.-4. Juli 2015 16. Interdisziplinärer München SVV – Süddeutscher Verlag Veranstaltungen GmbH www.suchtkongress.de Suchtkongress Mike Aschenbrenner Justus-von-Liebig-Straße 1 86899 Landsberg am Lech Tel: 08191/125-136 Fax: 08191/125-97136 Mike.Aschenbrenner@sv-veranstaltungen.de 22.-23. September Fachtagung Management in Kassel buss – Bundesverband für stationäre www.suchthilfe.de 2015 der Suchttherapie Suchtkrankenhilfe e. V. Wilhelmshöher Allee 273 34131 Kassel Tel: 0561/779351 Fax: 0561/102883 7.-9. Oktober 2015 4th International Symposium Sydney, Conference Secretariat – www.inhsu.com on Hepatitis in Substance Australien ASHM Conference and Events Division Users (INHSU 2015) Locked Mail Bag 5057 Darlinghurst NSW 1300 Australia Tel: +61/2/8204-0770 12.-14. Oktober 55. DHS Fachkonferenz Sucht Hamm Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) e.V. www.dhs.de 2015 „Rückfälle“ Veranstaltungsmanagement Doris Kaldewei Westerwall 4 59065 Hamm Tel: 02381/9015-35 Fax: 02381/9015-30 56 Suchtmed 17 (2) 56 (2015) © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg
INJEKTIONEN IN DIE LEISTENVENE | ÜBERSICHTSBEITRÄGE Injektionen in die Leistenvene Prävalenz und Umgang in heroingestützter Behandlung Marc Vogel1, Kenneth M. Dürsteler1, Johannes Strasser1, Otto Schmid1, Eva Müller1, Philipp Himmel- heber1, Undine Lang1, Marc Walter1 und Michael Krausz2 1 Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen, Universitäre Psychiatrische Kliniken, Basel, Schweiz 2 University of British Columbia (UBC), Department of Psychiatry, Vancouver, Canada Zusammenfassung Das Injizieren psychotroper Substanzen in die Leistenvene ist mit einem hohen Risiko von Komplikationen verbunden, wird jedoch ver- gleichsweise häufig von Menschen angewandt, die das rasche Anfluten einer Substanz suchen. Der Umgang mit diesem Phänomen in der heroingestützten Behandlung (HegeBe) ist uneinheitlich und konfrontiert die Behandelnden mit ethischen und schadensmindernden Aspek- ten. In diesem Artikel werden neben einem Überblick über die einschlägige Literatur Vorkommen und Umstände des Leistenkonsums bei Patienten in heroingestützter Behandlung am Beispiel der Behandlungsstelle Janus in Basel beschrieben. Es wird ein Vorschlag entwickelt, um diesem Phänomen in der heroingestützten Behandlung strukturiert zu begegnen und dabei Schadensminderung und Sicherheit gleichermaßen zu berücksichtigen. Schlagwörter: Heroingestützte Behandlung, Opiatabhängigkeit, Applikationsweg, Leisteninjektion, femorale Injektion, Schadensminderung Abstract Femoral injecting among patients in heroin assisted treatment Femoral injecting (i. e. “groin injecting”) of psychoactive substances is associated with a range of negative sequelae. Nevertheless substance users searching for a rapid onset of effect often apply this practice. The management of this phenomenon in heroin assisted treatment is inconsistent and confronts providers with aspects related to ethics and harm reduction. This article gives an overview of the literature on this topic and the prevalence and circumstances of this behavior. An approach for managing this phenomenon in heroin assisted treatment with regards to both saftey and harm reduction is suggested. Keywords: Heroin assisted treatment, route of administration, femoral injection, groin injection, opiate addiction, harm reduction 1 Hintergrund Das Injizieren von Substanzen in die Leistenvene ist ein sehr sind (Cherubin u. Sapira 1993), zu liegen. Andererseits risikoreiches Verhalten. Gleichwohl wird diese Technik von scheint es gerade in den letzten Jahren auch eine wachsende einer Reihe von Drogenabhängigen, welche das rasche An- Gruppe von Patienten zu geben, welche aufgrund von Prak- fluten der gebrauchten Substanz suchen, angewandt, insbe- tikabilität, der Unauffälligkeit des Injektionsortes und der sondere auch von Patienten in heroingestützter Behandlung subjektiv besser bewerteten Wirkung der injizierten Subs- (HegeBe) (White u. Shearman 2008). In einer Studie mit tanz in die Leiste spritzen (Konzept der „situierten Rationa- Klienten eines Schadensminderungsprogrammes in Bristol, lität“), ohne zuvor andere Injektionsorte ausprobiert oder UK, gaben 51% an, in die Leiste injiziert zu haben (Mali- ausgeschöpft zu haben (Maliphant u. Scott 2005, Rhodes phant u. Scott 2005), in einer Studie an Patienten in Be- handlung mit injizierbarem Methadon oder Diacetylmor- phin (i. e. pharmazeutisches Heroin) 59 % (Sell u. Zador Korrespondenzautor: 2004). Der Grund hierfür scheint einerseits in der einfachen Dr. med. Marc Vogel, MScPH Auffindbarkeit und dem aufgrund des jahrelangen i. v.- Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Konsums entwickelten Mangel an anderen für die Injektion Wilhelm Klein-Straße 27 geeigneten peripheren Venen (Maliphant u. Scott 2005), 4012 Basel welche durch rezidivierende Phlebitiden häufig sklerosiert E-Mail: Marc.Vogel@upkbs.ch Suchtmed 17 (2) 57 – 62 (2015) 57 © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg
DISKUSSIONSBEITRÄGE | HAARTESTS Drogentests im Haar – Möglichkeiten und Grenzen Rainer Schmid Drogen-Präventionsprojekt ‚checkit!‘, Suchthilfe Wien und Medizinische Universität Wien, Österreich Zusammenfassung Drogenanalysen sind ein wichtiger Bestandteil in den verschiedensten therapeutischen, präventiven und rechtlichen Maßnahmen geworden. Da auch Drogen (wie auch andere exogene Substanzen) beim Konsum eines Drogenkonsumenten mit in die Haarmatrix aufgenommen werden, bietet die Haaranalyse – unter bestimmten Bedingungen – die Möglichkeit, auch über längere Zeiträume in die „Drogen-Konsum- Vergangenheit“ einer Person zurückzusehen. Die Modelle des Einbaus in die Haarmatrix, aber auch die interindividuellen (physiologischen) Unterschiede setzen die Grenzen in der Interpretierbarkeit von Haartest-Ergebnissen und erfordern eine kritische Interpretation dieser Ergebnisse. Letztendlich sind es auch ethische Fragen, die den breiten Einsatz der Haaranalytik in Drogentherapie, Prävention und Politik fraglich erscheinen lassen. Schlagwörter: Drogentests, Drogen im Haar, Ergebnisinterpretation Abstract Drug testing has found an important place in the various therapeutic, preventive or legal situations. When consumed, drugs of abuse (as well as many other substances) are taken up in body hair, which offers the possibility (under certain conditions) to determine drug-consumption of a person for a long time back into the past. The processes of fixation of drug substances in the hair matrix itself, but also the large inter- individual physiological differences set the limits to hair testing of this type of drugs and requires a critical interpretation of results. Finally also ethical questions – to the opinion of the author – limit the use of this type of drug testing in drug therapy, prevention and policy. Keywords: Drug testing, Drugs in hair, interpretation of hairtests 1 Fragestellungen beim Drogentesten Eine solche Überprüfung eines vorangegangenen Konsums von (kontrollierten) Substanzen erfolgt dabei meist fast im- Gemeinsam mit der internationalen Kontrolle von psycho- mer über deren Nachweis in einer Körperflüssigkeit, – in aktiv stark wirksamen Substanzen – nicht ganz korrekt oft den meisten Fällen – im Urin. Basis dafür liegt in der Tat- einfach nur als „Suchtdrogen“ bezeichnet – vor mehr als sache, dass diese sich nach aktiver Aufnahme durch eine 60 Jahren [1] und damit auch mit ihrem Verbot durch na- Person (dies kann über unterschiedliche Wege erfolgen), tionale Gesetze [2], ist gleichzeitig ein starkes Bedürfnis ent- entsprechend pharmako-kinetischer Gesetzmäßigkeiten im standen, diese Verbote jederzeit auch objektiv überprüfen zu Körper verteilen und (meist in der Leber) verstoffwechselt, können. Dies betrifft von Beginn an auch die Überprüfung über verschiedene Eliminations-Wege (z. B. meist über den von Konsumenten von Drogen. Obwohl Konsum von kon- Harn) wiederum ausgeschieden werden. trollierten Substanzen in vielen Ländern Europas per se bis heute nicht verboten ist, gibt es eine Reihe von Situationen, Die Nachweis-Zeitspanne einer (Drogen-)Substanz in einer in denen ein Konsum gesellschaftlich überhaupt nicht akzep- Körperflüssigkeit richtet sich dabei nach ihren individuellen tiert wird. Ausgehend von den USA in den letzten 40 Jahren, hat sich unter dem Aspekt der Schadensvermeidung spezi- ell in Arbeitssituationen, die Argumentationslinie verstärkt, Drogenkonsum grundsätzlich nicht mehr zu tolerieren. Nach Korrespondenzautor: Ao. Univ. Prof. Rainer Schmid Ph.D., MSc. (Tox.) einer gesetzlichen Verordnung durch die US-Regierung von Wissenschaftlicher Leiter des Präsident R. Reagan [3] in den 80er Jahren hat sich seitdem Drogen-Präventionsprojekts ‘checkit!’ speziell in den USA ein multi-milliarden Dollar schwerer Suchthilfe Wien gGmbH Industriezweig entwickelt, der sich zur Aufgabe gestellt hat, Gumpendorfer Str. 8 jährlich mehr als 90 % aller Arbeitnehmer in den USA auf die 1060 Wien, Österreich Einnahme von Drogen zu testen. E-Mail: rainer.schmid@meduniwien.ac.at 64 Suchtmed 17 (2) 64 – 71 (2015) © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg
LEITLINIE Leitlinie des Bundesministers für Gesundheit zum Umgang mit dem schädlichen Gebrauch und der Abhängigkeit von Benzodiazepinen bei Patientinnen und Patienten in Erhaltungstherapie mit Opioiden gemäß § 23a Abs. 3 Suchtgiftverordnung*basierend auf einer fachlichen Expertise des im Bundesministerium für Gesundheit gemäß § 23k Suchtgiftverordnung eingerichteten Ausschusses für Qualität und Sicherheit in der Substitutionsbehandlung 1 Hintergrund von anderen Ärztinnen/Ärzten als jener/jenem, die bzw. der die Opioid-Erhaltungstherapie durchführt – in teils ho- In Österreich werden seit mehr als 20 Jahren opiat- hen Dosen verschrieben. In einem Teil der Fälle liegen die abhängige Patientinnen und Patienten im Rahmen einer Dosen über der in der Fachinformation definierten täglichen Erhaltungstherapie mit Opioiden behandelt. Maximaldosis, in manchen Fällen wird die Maximaldosis sogar um ein Vielfaches überschritten. Unter den verwen- Die Wirksamkeit der Opioid-Erhaltungstherapie** im deten Benzodiazepinen stechen Flunitrazepam und Oxaze- Hinblick auf die Reduktion der somatischen Morbidität pam hauptsächlich hervor. und der Mortalität bei Abhängigkeitserkrankungen vom Morphintyp ist anerkannt. Die Opioid-Erhaltungstherapie Patientinnen und Patienten, die eine Toleranz gegenüber stellt daher eine wichtige Behandlungsform im Rahmen der Benzodiazepinen entwickelt haben, fühlen sich jedoch Suchttherapie bei Abhängigkeitserkrankungen vom Mor- häufig auch mit der in der Fachinformation für das ben- phintyp dar. zodiazepinhaltige Arzneimittel definierten Maximaldosis unterdosiert und versorgen sich mit diesen Arzneimitteln Eine besondere Problematik liegt allerdings in der Ver- typischerweise über Rezepte verschiedener Ärztinnen und schreibung von Benzodiazepinen für Patientinnen und Pati- Ärzte oder über den Schwarzmarkt. enten in Erhaltungstherapie mit Opioiden. Ungleichmäßige Tagesdosen, massive Dosissteigerungen Es muss davon ausgegangen werden, dass ein wesentlicher und ein zunehmender Kontrollverlust über den Benzo- Teil jener Patientinnen und Patienten, die sich einer Opi- diazepinkonsum sind die Folgen. In der Regel wissen die oid-Erhaltungstherapie unterziehen, einen Beikonsum von verschiedenen Ärztinnen und Ärzte, die von der Patientin Benzodiazepinen aufweist. In der Studie „Opiatabhängige oder vom Patienten wegen Verschreibung von Benzodiaze- in Opioid-Erhaltungstherapie in Österreich, Ergebnisse pinen aufgesucht werden, nicht voneinander; häufig ist der einer Querschnittstudie“***, an der 176 substituierende Arzt bzw. die Ärztin, der/die die Opioid-Erhaltungstherapie Ärztinnen und Ärzte teilgenommen haben, wird die Wahr- durchführt, nicht jener/jene, der/die benzodiazepinhaltige scheinlichkeit eines Beikonsums von Benzodiazepinen Arzneimittel zusätzlich verschreibt. Im Zusammenwirken außer Verschreibung bei Patientinnen und Patienten in des Substitutionsmittels mit anderen – legal oder illegal – Erhaltungstherapie mit über 60 %, und die ärztlich ver- erworbenen Suchtmitteln stellt das polytoxikomane Kon- ordnete Begleitmedikation mit Benzodiazepinen mit über summuster ein erhebliches Risiko für die Patientinnen und 20 % angegeben. Darüber hinaus liegen aber zum Umfang Patienten dar und führt zu Überdosierungen, die letal enden dieser Personengruppe, zur Dauer und zum Schweregrad können. ihrer Benzodiazepinabhängigkeit, zu den Verlaufsfor- men oder zu den Konsummustern kaum Daten vor. Die therapeutischen Erfahrungen beschränken sich auf indi- * Gemäß § 23a Abs. 3 Suchtgiftverordnung, BGBl. II Nr. 374/1997, in der geltenden viduelle Episoden einzelner Patientinnen und Patien- Fassung, hat der Bundesminister für Gesundheit, wenn es aus Gründen ten. der Qualitätssicherung der Behandlung oder der Behandlungssicherheit erforderlich ist, unter Bedachtnahme auf den Stand der medizinischen Wissenschaft und ärztlichen Erfahrung nähere Leitlinien zur Durchführung der Aus der Praxis der Drogenhilfe und der Apotheken ist be- Substitutionsbehandlung zu erlassen. kannt, dass ein Teil der Patientinnen und Patienten neben ** Der Terminus „Opioid-Erhaltungstherapie“ entspricht dem im rechtlichen der Opiatabhängigkeit auch eine Abhängigkeit von Benzo- und allgemeinen Sprachgebrauch oftmals noch verwendeten Begriff „Substitutionsbehandlung“ und umfasst die Überbrückungs-, Reduktions- sowie diazepinen entwickelt hat. Diese Patientinnen und Patienten auch die Erhaltungstherapie im Sinne des § 23a Abs. 2 Suchtgiftverordnung. bekommen benzodiazepinhaltige Arzneimittel – vielfach *** Springer, Uhl et al., Wiener Zeitschrift für Suchtforschung (2008) Nr. 2 Suchtmed 17 (2) 73 – 77 (2015) 73 © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg
LEITLINIE Die Erfahrungen von Ärztinnen und Ärzten im Rahmen fehlen, geben Anlass zur Besorgnis. Daher hat der im Bundes- der Erhaltungstherapie bei Patientinnen und Patienten, ministerium für Gesundheit gemäß § 23k der Suchtgiftver- die neben ihrer Opiatabhängigkeit zusätzlich auch eine ordnung eingerichtete Ausschuss für Qualität und Sicherheit Benzodiazepinabhängigkeit entwickelt haben, zeigt, dass eine in der Substitutionsbehandlung* die Problematik aufgegrif- Entwöhnung von Benzodiazepinen nur zum Teil möglich ist. fen und versucht Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Unter der Federführung des langjährig in der Erhaltungstherapie mit Zu einem weiteren Teil werden die Patientinnen und Pati- Opioiden erfahrenen Arztes und Drogenbeauftragten der enten in einem Dosisbereich innerhalb der in der Fachinfor- Stadt Wien, Dr. Alexander David, und unter Einbeziehung mation definierten Maximaldosis, wenn auch langfristig, von Beratungsergebnissen auch der Wiener Sachverständi- neben dem Substitutionsmittel auch auf ein benzodiaze- genkommission sowie mit Unterstützung weiterer namhaf- pinhaltiges Arzneimittel eingestellt. Ein weiterer Teil dieser ter Fachexpertinnen und -experten aus Praxis und Wissen- Patientinnen und Patienten erhält allerdings – oft über ver- schaft**, die ihre Erfahrung zur Verfügung gestellt und in die schiedene Ärztinnen und Ärzte – Benzodiazepine in Dosie- Diskussion mit eingebracht haben, wurde vom Ausschuss die rungen, die zwischen der laut Fachinformation zugelasse- Grundlage für die nachstehende Leitlinie erarbeitet. nen täglichen Maximaldosis und einem Vielfachen dieser Dosis liegen. Zu Grunde liegt der Leitlinie das Wissen, dass es sich bei Menschen mit multipler Substanzabhängigkeit um Stationäre Entzugsbehandlungen bzw. stationäre Teilent- schwerstkranke Patientinnen und Patienten handelt, die er- zugsbehandlungen von Benzodiazepinen werden nur in krankungsbedingt ihren Suchtmittelkonsum nicht kontrol- einer Minderheit der Fälle versucht. lieren können, und einen hochriskanten Substanzkonsum – einschließlich Mischkonsums mit verschiedenen Substan- Die Gründe dafür wurden nie systematisch erforscht, liegen zen – aufweisen. Oberste Priorität muss in diesen Fällen die aber wahrscheinlich in der geringen Bereitschaft der Betrof- Schadensbegrenzung sein. fenen, einen stationären Benzodiazepinentzug anzutreten bzw. in der Annahme, dass sie nach einem Benzodiazepin- Ziel muss es sein, diese Patientinnen und Patienten in der entzug mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Rückfall – mit Erhaltungstherapie zu halten, damit der regelmäßige ärzt- großem Risiko einer Suchtmittelüberdosierung – erleiden. liche Kontakt und die suchtmedizinische Begleitung des Die Möglichkeiten einer ambulanten Entzugsbehandlung Krankheitsverlaufs gewährleistet bleiben. von Benzodiazepinen sind bei vielen Ärztinnen und Ärzten, die Erhaltungstherapien mit Opioiden durchführen, entwe- In diesem Sinne versteht sich die Leitlinie als ein Schritt in der nicht ausreichend bekannt oder wurden wegen Rückfäl- Richtung der Entwicklung eines State of the Art in der Be- len aufgegeben. Es ist daher wichtig, dass die Möglichkei- handlung der multiplen Substanzabhängigkeit. Sie soll den ten einer ambulanten oder stationären Entzugsbehandlung Ärztinnen und Ärzten fachliche Unterstützung im Umgang oder Teilentzugsbehandlung verstärkt kommuniziert, und mit dem schädlichen Gebrauch und der Abhängigkeit von diese Möglichkeiten verstärkt angeboten und angewendet Benzodiazepinen bei der Behandlung von polytoxikoma- werden. nen, multipel abhängigen Patientinnen und Patienten in Erhaltungstherapie mit Opioiden bieten. Obwohl systematische und wissenschaftlich gesicherte Daten fehlen, muss aufgrund von Einzelbeobachtungen aus der therapeutischen Praxis niedergelassener Ärztinnen und 3 Leitlinie Ärzte und der Drogeneinrichtungen sowie aus Mitteilun- gen der Apothekerkammer (Wien) zum gestiegenen Umsatz 1. Im Hinblick auf die Risiken polytoxikomanen Sucht- des Verkaufs von Benzodiazepinen in Wiener Apotheken mittelgebrauchs darf bei der Verordnung von Benzo- davon ausgegangen werden, dass der Konsum von Ben- diazepinen für opioidabhängige Patientinnen und Patien- zodiazepinen unter der genannten Patientengruppe in den ten, die auch von Benzodiazepinen abhängig sind, der letzten drei Jahren gestiegen ist. Ebenso ist nach den aus Anspruch nie aufgegeben werden, Wien berichteten Erfahrungen, wo sich die Kriminalpolizei verstärkt mit der Aufklärung solcher Fälle beschäftigt, die a) exzessive Dosen grundsätzlich nicht zu verschreiben, Zahl der Rezeptfälschungen für Benzodiazepine in den letz- ten Jahren deutlich gestiegen. b) die für eine/n Patienten/Patientin zunächst individu- ell gefundene therapeutische Dosis – im Gegensatz zur Verordnung des opioidhaltigen Arzneimittels im 2 Zielsetzung Rahmen der Erhaltungstherapie – längerfristig bis zu der laut Fachinformation zugelassenen therapeu- Diese Entwicklungen und die Tatsache, dass medizinische tischen Dosis und darunter zu reduzieren, und Standards im Umgang mit dem schädlichen Gebrauch und der Abhängigkeit von Benzodiazepinen bei Patientinnen und * siehe S. 77 Patienten in Erhaltungstherapie mit Opioiden weitgehend ** siehe S. 76 74 Suchtmed 17 (2) 2015
LEITLINIE c) danach zu trachten, die Abstinenz von Benzodiaze- wendig ist. Sollte dies im Einzelfall tatsächlich der Fall pinen zu erreichen. sein, ist zu beachten: Auch wenn diese Ziele nicht – oder noch nicht – a) Die Verschreibung von Benzodiazepinen soll bei Pa- erreicht werden können, sollen sie in der Behandlung tientinnen und Patienten mit einer Abhängigkeits- von polytoxikomanen Patientinnen und Patienten stets anamnese grundsätzlich nur durch eine/n Fachärztin/ angestrebt werden. Facharzt auf dem Gebiet der Psychiatrie oder eine/n Ärztin/Arzt für Allgemeinmedizin erfolgen, im Falle 2. Ein erhöhter Bedarf an Benzodiazepinen kann ein eines/einer sich einer Opioid-Erhaltungstherapie un- Hinweis auf eine bestehende zusätzliche psychiatrische terziehenden Patienten/Patientin nur durch die/den Erkrankung sein. Eine differenzierte psychiatrische substituierende/n Ärztin/Arzt bzw. in Absprache mit Diagnostik sollte grundsätzlich die Regel sein. Die dieser/diesem. daraus resultierenden indizierten pharmakologischen Möglichkeiten müssen ausgeschöpft werden. b) Es wird empfohlen, einen Behandlungsplan mit der Patientin bzw. mit dem Patienten festzulegen und zu 3. Aus therapeutischen Gründen sollen die Verschreibung dokumentieren. des opioidhaltigen Arzneimittels im Rahmen der Erhaltungstherapie und eine indizierte Verschreibung c) In wichtigen wissenschaftlichen Empfehlungen zur von Benzodiazepinen oder anderen psychotropen Verordnung von Benzodiazepinen an Suchtkranke, Medikamenten in einer Hand, nämlich in der Hand der/ wie z.B. „Benzodiazepine: Wirkungsweise und thera- des substituierenden Ärztin/Arztes, liegen. Wenn eine peutischer Entzug“ (H. Ashton, 2002)** und „Me- Patientin/ein Patient aber von mehr als einer Ärztin thadonsubstitution: Zur Problematik der zusätz- bzw. einem Arzt betreut wird (z. B. Ärztin/Arzt für lichen Verordnung von Benzodiazepinen“ (Bayrische Allgemeinmedizin, Fachärztin/Facharzt auf dem Gebiet Akademie für Suchtfragen, 2000)***, werden indi- der Psychiatrie), ist es geboten, dass beide über die viduelle Therapieempfehlungen mit langwirkenden Verschreibung des jeweils anderen informiert sind. Benzodiazepinen (z. B. Diazepam) ausgesprochen. Die Therapieempfehlungen sind immer im Einzelfall 4. Ohne einen längerfristigen Therapieplan oder ein individuell zu gestalten und nur im Rahmen eines längerfristiges Therapieziel darf eine Verschreibung von Therapieplans mit dem Ziel einer Dosisreduktion Benzodiazepinen an polytoxikomane Patientinnen und durchzuführen. Die jeweilige Dosis soll nach Mög- Patienten nicht erfolgen. Die kurzfristige Verschreibung lichkeit keine Dauertherapie sein, sondern in lang- von Benzodiazepinen an offensichtlich suchtkranke samen Schritten je nach klinischem Zustandsbild Patientinnen und Patienten, welche nur sporadisch reduziert werden. oder im „Vertretungsfall“ zu einer Ärztin oder einem Arzt kommen, darf nur im Rahmen einer strengen 7. Bei der Verschreibung von Benzodiazepinen sollen Sub- Indikationsstellung erfolgen. stanzen aus der Gruppe der langsam anflutenden Ben- zodiazepine (z. B. Oxazepam, Diazepam oder Clonaze- 5. In allen Fällen, in denen für die indizierte Verschreibung pam) bevorzugt verwendet werden. Die Verschreibung von Benzodiazepinen für Suchtkranke in Opioid- von Flunitrazepam oder Nitrazepam an Suchtkranke ist Erhaltungstherapie ein Kassenrezept ausgestellt werden mit besonderen Risiken verbunden und soll grundsätz- kann, soll ein Kassenrezept verwendet und nicht ein lich vermieden werden****: Privatrezept ausgestellt werden. Eine wiederholte Abgabe des Arzneimittels auf das Rezept soll jedenfalls a) Die Erfahrungen haben gezeigt, dass der Missbrauch ausgeschlossen werden (siehe auch Punkt 9.). von Flunitrazepam oder Nitrazepam jenen der lang- sam anflutenden Benzodiazepine bei weitem über- 6. Es muss immer davon ausgegangen werden, dass die steigt. Verschreibung von Benzodiazepinen an Suchtkranke potenziell schädigend ist*. Daher ist die Verschrei- b) Es hat sich weiters herausgestellt, dass eine vertret- bung von Benzodiazepinen an Suchtkranke mit einer bare und steuerbare Verschreibung von Benzodiaze- besonderen Verantwortung, Dokumentationspflicht pinen mit den langsam anflutenden Benzodiazepi- und auch Haftung des/der verschreibende/n Arztes/ nen leichter durchsetzbar ist als mit Flunitrazepam Ärztin verbunden. Nur dann, wenn die Therapieziele oder Nitrazepam. der Suchtbehandlung nachvollziehbar nicht auf andere Weise erreicht werden können, ist im Einzelfall abzu- ** Das Ashton Handbuch: http://www.benzo.org.uk/german/index.htm wägen, ob die Verordnung von Benzodiazepinen not- *** Martindale: The Complete Drug Reference; P. 695; 35. Edition, Pharmaceutical Press 2005: benzodiazepines may be classified as long-, intermediate- or short- acting compounds. * Siehe die besonderen Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwen- **** Siehe die besonderen Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwen- dung von Benzodiazepinen in der Fachinformation. dung von Benzodiazepinen in der Fachinformation. Suchtmed 17 (2) 2015 75
LEITLINIE c) Bei Flunitrazepam (Nitrazepam) macht sich vor erfolgen wie die Abgabe des opioidhaltigen Arzneimit- allem die rasche Anflutung von höheren Dosen als tels zur Erhaltungstherapie. Bei einem Abgabemodus, suchtfördernder Faktor bemerkbar. Oxazepam, der beispielsweise die tägliche Abgabe des in der Erhal- Diazepam oder Clonazepam haben eine langsamere tungstherapie verschriebenen Arzneimittels in der Apo- Anflutung als Flunitrazepam (Nitrazepam), die sich theke vorsieht, soll daher auch die Abgabe des benzodi- weniger suchtfördernd auswirkt. Die Wirkungsdau- azepinhaltigen Arzneimittels in Teilmengen (Auseinzeln) er dieser Substanzen ist jedoch lang genug, um mit verordnet werden. einer vertretbaren Dosierung einen ausreichenden Effekt zu erzielen. Die anerkannten Modelle zur Reduktion der täglichen Benzodiazepindosis werden 4 Rahmenbedingungen für einen Langzeit- mit Substanzen aus dieser Gruppe durchgeführt. einsatz von Benzodiazepinen d) Die länger anhaltende Wirkung von Flunitrazepam • Aktuell fehlende Indikation für eine ambulante und/ (Nitrazepam) scheint auch eine Rolle bei den leta- oder stationäre Entzugs- bzw. Reduktionsbehandlung len Überdosierungen infolge Mischintoxikation zu spielen. Die längere Wirkungsdauer macht in Fällen, • Abklärung der Komorbiditäten und Indikation der ent- in denen Flunitrazepam (Nitrazepam) extrem hoch sprechenden Therapien dosiert wird, die Steuerung des riskanten Konsums schwierig und führt zu kumulativen Effekten. • Aufklärung der Patientin/des Patienten über die Wir- kung und Wechselwirkungen von Benzodiazepinen e) Die Verordnung von Flunitrazepam (Nitrazepam) führt in der Regel zu schwerer beherrschbaren For- • Vereinbarung zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Pati- men des schädlichen Gebrauchs oder der Abhängig- ent über die Verordnung von Benzodiazepinen keit von Benzodiazepinen als die langsam anfluten- den Benzodiazepine. • Die Benzodiazepinverschreibung ist Teil des Gesamtbe- handlungsplans der Suchterkrankung (siehe oben Punkt In Fällen, in denen bislang Flunitrazepam (Nitrazepam) 4.) verordnet wurde, ist daher eine Umstellung auf ein anderes Benzodiazepin anzustreben. • Regelmäßige Gespräche über den Behandlungsverlauf inklusive Zielüberprüfung und Diskussion von Thera- 8. Die Möglichkeiten einer ambulanten oder stationären piealternativen Entzugsbehandlung oder einer Teilentzugsbehandlung von Benzodiazepinen sollen verstärkt kommuniziert • Umstellung von rasch anflutenden auf langsam anflu- und angeboten, und der Umgang mit und die Verschrei- tende Benzodiazepine bung von Benzodiazepinen verstärkt kommuniziert und • Neuorientierung hinsichtlich des Therapieplans bei In- dargestellt werden. Die Erfahrungen damit sollen in die toxikation durch andere Substanzen ärztliche Fort- und Weiterbildung einfließen. 9. Im Einzelfall kann ein Monatsbedarf an Benzodiazepi- 5 Literatur nen für einen Patienten oder eine Patientin in Opioid- Erhaltungstherapie über das Automatische Bewilli- Methadonsubstitution: Zur Problematik der zusätzlichen Verordnung von Benzodiazepinen (Bayrische Akademie für Suchtfragen, 2000) gungssystem eines Krankenversicherungsträgers zur Benzodiazepine: Wirkungsweise und therapeutischer Entzug“ (H. Ashton, Bewilligung eingereicht werden. Der Monatsbedarf ist 2002) damit dokumentiert. Wenn die Verschreibung eines ben- Office-Based Treatment in Opioid Dependence: A Critical Survey of Prescription zodiazepinhaltigen Arzneimittels im Einzelfall medizi- Practices for Opioid Maintenance Medications and Concomitant Benzodiazepines in Vienna, Austria.“ (Fischer, Gabriele Dr. med. et al. in nisch begründet ist, soll daher von dieser Vorgangsweise European Addiction Research, published June, 2008), Gebrauch gemacht werden. Die Abgabe der verordneten Rahmenbedingungen für den Langzeiteinsatz von Benzodiazepinen des Benzodiazepine soll in diesen Fällen in gleicher Weise Forums Suchtmedizin Ostschweiz (www.fosumos.ch) 76 Suchtmed 17 (2) 2015
LEITLINIE Der Bundesminister für Gesundheit dankt den an der Erarbeitung der Leitlinie im Rahmen des Ausschusses für Qualität und Sicherheit in der Substitutionsbehandlung beteiligten Expertinnen und Experten: Dr. Christian Bernhard (Amt der Vorarlberger Landesregierung, Sanitätsdirektion), DSAin Monika Chromy (Suchtfachstelle Feldkirch, Caritas Vorarlberg), Dr. Alexander David (Drogenbeauftragter Wien), Michael Dressel MA (Drogenkoordinator Wien, Sucht- und Drogenkoordination Wien), DSA Klaus Peter Ederer (Drogenkoordinator Steiermark, Amt der Steiermärkischen Landesregierung), WHR Dr. Ernst Gschiel (Amt der Burgenländischen Landesregierung, Hauptreferat Öffentlicher Gesundheitsdienst), Prim. Univ.Prof. Dr. Christian Haring M.Sc. (Psychiatrisches Krankenhaus des Landes Tirol, Hall i.T.), Dr.in Ursula Hörhan (Drogenkoordinatorin Niederösterreich, Fachstelle für Suchtprävention Niederösterreich), MR Dr. Norbert Jachimowicz und MR Dr. Rolf Jens (Österreichische Ärztekammer, Referat Substitution), Univ.Prof. DDr. Hans-Peter Kapfhammer (Univ. Klinik für Psychiatrie der Med. Universität Graz), DSA Harald Kern (Drogenkoordinator Tirol, Amt der Tiroler Landesregierung), Prim. a.o.Univ.-Prof. Dr. Martin Kurz (Zentrum für Suchtmedizin an der Grazer Landesnervenklinik Sigmund Freud), Dr. Gerhard Miksch (Drogenkoordinator Burgenland, PSD Südburgenland), Mag. pharm. Dr. Christian Müller-Uri (Österreichische Apothekerkammer), Univ.Prof. Dr. Christian Nanoff (Med. Universität Wien), Dr.in Silke Näglein (Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger), DSA Thomas Neubacher (Drogenkoordinator Vorarlberg, Amt der Vorarlberger Landesregierung), Mag. pharm. Markus Pongratz (AGES PharmMed), Dr.in Brigitte Prehslauer (Drogenkoordinatorin Kärnten, Amt der Kärntner Landesregierung), Prim. Dr. Wolfgang Preinsperger (Anton-Proksch-Institut), Dr. med. Ernst Putz (Amt der Tiroler Landesregierung, Sanitätsdirektion), Dr. med. Georg Psota (PSD Wien), Dr. Franz Riedl (Ärztekammer Vorarlberg, Referat Substitution), Dr. Franz Schabus-Eder (Drogenkoordinator Salzburg, Amt der Salzburger Landesregierung), Univ.Prof. Dr. Richard Scheithauer (Institut für Gerichtliche Medizin der Med. Universität Innsbruck), Dr.in Elisabeth Schütz (Amt der Niederösterreichischen Landesregierung), DSA Thomas Schwarzenbrunner (Drogenkoordinator Oberösterreich, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung), Dr.in Claudia Strunz (Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Sanitätsdirektion), Dr.in Doris Tschabitscher (Magistrat der Stadt Wien, MA 15), Dr.in Christa Weichselbaum (Amt der Salzburger Landesregierung, Sanitätsdirektion), HR Dr. Wolfgang Werdenich (Schweizer Haus Hadersdorf), Prim. Dr.med. Wolfgang Wladika (Abteilung für Neurologie und Psychiatrie des Kindes- und Jugendalters im Klinikum Klagenfurt am Wörthersee). [Mit freundlicher Genehmigung des Bundesministerium für Gesundheit, Österreich] Suchtmed 17 (2) 2015 77
E-ZIGARETTEN | AUS DER WISSENSCHAFT Gesundheitsgefährdung von Kindern und Jugendlichen durch E-Zigaretten: Verkaufsverbot an unter 18-Jährige unabhängig vom Nikotingehalt erforderlich 1 Hintergrund von Entzündungsmarkern und ist giftig für Zellen [6, 28]. Langzeitstudien über die gesundheitlichen Auswirkungen E-Zigaretten sind keine harmlosen Produkte – egal ob mit liegen nicht vor [20]. oder ohne Nikotin [20, 30, 33, 41]. Dennoch werden sie derzeit ohne Einschränkung an Kinder und Jugendliche ver- kauft. So ist es nicht verwunderlich, dass sich E-Zigaretten 2.1 Propylenglykol gerade vor allem in der jüngeren Generation zu einem neu- en Lifestyle-Produkt entwickeln: Fast zehn Prozent aller 16- Jeder Zug an der E-Zigarette belastet die Lunge. Mit 160 bis 19-Jährigen haben im Jahr 2014 in Deutschland E-Ziga- mg/m3 Propylenglykol [17]. Nach 12 Zügen an dem Ge- retten zumindest einmal ausprobiert [9]. Besonders beliebt rät finden sich im Aerosol von nikotinfreien E-Zigaretten sind unter Jugendlichen die so genannten E-Shishas, die zu- 1 650 mg/m3 Propylenglykol [32]. meist kein Nikotin enthalten und – wie auch E-Zigaretten – in vielen kinderfreundlichen Aromen wie Zuckerwatte und Laut MAK-Kommission der Deutschen Forschungsgemein- Bubblegum ohne Altersbeschränkung erhältlich sind. schaft zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe führen schon sehr kurze Expositionen von etwa 200 mg/m3 Ab 2016 sollen E-Zigaretten über die Europäische Tabak- zu Irritationen an den Augen und im Rachen [8, 38]. produktrichtlinie reguliert werden. Sie betrifft allerdings ausschließlich E-Zigaretten mit Nikotin – nikotinfreie Die MAK-Kommission berechnet als mögliche Höchstdo- Produkte sind von der Regulierung ausgenommen. Aller- sis, bei der keine gesundheitsschädlichen Wirkungen zu er- dings steht es den Mitgliedstaaten frei, über die Regelun- warten sind, einen Bereich von 6–12 mg/m3 Propylenglykol gen der Richtlinie hinausgehende Gesetze zu erlassen, und [8] – wesentlich weniger als im E-Zigarettenaerosol enthal- sie werden ermutigt, dies zu tun [11]. Dabei „sollte dem ten ist. Gesundheitsschutz große Bedeutung beigemessen werden, insbesondere um die Verbreitung des Rauchens bei jungen Menschen zu senken“ [11] und die Mitgliedstaaten sollten 2.2 Partikel „dazu angehalten werden, den Verkauf dieser Erzeugnisse [Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse] an Kinder Das Aerosol von E-Zigaretten enthält Partikel in ähnli- und Jugendliche zu verhindern, indem sie geeignete Maß- cher Größe und Konzentration wie Tabakrauch; die meis- nahmen zur Festlegung und Durchsetzung von Altersgren- ten sind ultrafeine Partikel einer Größe von 10 bis 100 zen erlassen“ [11]. Im Folgenden werden die Gründe für Nanometern [16, 34], die überwiegend aus übersättigtem ein Verkaufsverbot von allen E-Zigaretten unabhängig vom Propylenglykoldampf geformt werden. Diese feinen und Nikotingehalt an unter 18-Jährige erläutert. ultrafeinen Partikel sind von besonderer gesundheitlicher Relevanz. Denn Partikel einer Größe bis 2,5 Mikrometer (PM2,5) können bis in tiefe Regionen der Lunge, die Alveo- 2 Aerosol von E-Zigaretten und gesundheitliche len, vordringen und können dort oxidativen Stress und Ent- Risiken zündungsreaktionen auslösen [28]. Auch die Partikel des E-Zigarettenaerosols lagern sich in der Lunge ab [29, 43]. Beim Gebrauch von E-Zigaretten wird ein Aerosol eingeat- Einer Berechnung zufolge erreichen vor allem Partikel einer met, das Propylenglykol [23], Glyzerin [23], Aromen [23] Größe von 93 bis 165 Nanometern die Alveolen, wobei die und bei nikotinhaltigen Produkten Nikotin [34] enthält. Partikeldosis, die die tiefe Lunge erreicht, höher ist als bei Ferner wurden auch geringe Mengen krebserzeugender Zigarettenrauch [29]. Substanzen [21, 23] und giftige oder krebserzeugende Me- talle [39] nachgewiesen. Das Aerosol enthält reaktive Sau- Laut einer Expertengruppe der WHO verursachen PM2,5 erstoffspezies, es stimuliert in Lungenzellen die Produktion Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen [35, 40]. Suchtmed 17 (2) 79 – 82 (2015) 79 © ecomed Medizin, eine Marke der ecomed-Storck GmbH, Landsberg
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