SWISS JAZZ ORCHESTRA Saison 2020/21

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SWISS JAZZ ORCHESTRA Saison 2020/21
SWISS JAZZ
ORCHESTRA
   Saison 2020/21
SWISS JAZZ ORCHESTRA Saison 2020/21
Schadenskizze

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SWISS JAZZ ORCHESTRA Saison 2020/21
Wir planen die
neue Saison
Im Moment, in dem wir diese Saisonbroschüre        alle die Verträge verlängert haben, ist alles    satz bilden können. Das ist durchaus ein
produzieren, ist nicht klar, wie die Saison        andere als selbstverständlich. Dafür sind        symbolischer Ausdruck, der für das ganze
verlaufen wird, ob sie überhaupt wie geplant       wir sehr dankbar.                                Orchester steht. Abgerundet wird das Bild
beginnen kann oder ob sie – schlimmsten-                                                            von kurzen Porträts zweier Posaunistinnen,
falls – überhaupt durchgeführt werden kann.        Wir sind auch Arbeitgeber                        die als Stellvertreterinnen für Stammmusiker
Wir stehen unter dem Eindruck der letzten          Die aktuelle Lage ist für niemanden einfach,     einspringen. Damit würdigen wir die Bedeu-
Saison, die wir im März 2020 nach zwei             und die Kulturbranche trifft es besonders        tung der «Subs» für das Bestehen des SJO.
Dritteln abbrechen mussten.                        hart. Wir sind dank der Unterstützung der        Ohne diese Substitutes ginge es nicht, die
                                                   öffentlichen Hand, unseren Sponsoren,            Konzert könnten nicht jedes Mal in Vollbeset-
Nichtsdestotrotz planen wir die Saison             Partnern und Mitgliedern in einer privilegier-   zung stattfinden. Und wir beleuchten mit
2020/21 wie immer. Wir, das sind die Verant-       ten Lage, und diese hat es möglich gemacht,      den zwei Musikerinnen auch das weibliche
wortlichen für die Redaktion der Saison-           dass wir unseren Musikern für die abgesag-       Element, das in den letzten Jahren sachte
broschüre, und vor allem ist es die musikali-      ten Konzerte 80 Prozent der Gagen aus-           an Gewicht zulegt.
sche Leitung. Die weggebrochenen und               zahlen konnten. Für die einzelnen Musiker/
zum Teil vorbereiteten Konzerte wurden teil-       innen sieht die Situation unterschiedlich        Wir bleiben trotz allem optimistisch und
weise in das neue Programm übernommen.             aus. Momentan haben viele kein gesichertes       freuen uns auf die kommende Saison, die
Dennoch war die Planung nicht einfach,             Einkommen, und eine wesentliche Verbesse-        hoffentlich im geplanten Rahmen statt-
z. B. stellte sich die Frage, ob es Sinn macht,    rung der aktuellen Lage ist in nächster Zeit     finden kann. Es muss keine ausserordentli-
Gäste aus Übersee überhaupt einzuladen.            wohl nicht absehbar. Der zusätzliche admi-       che Saison werden, eine normale wäre
Wir danken allen Musikern, dass sie in dieser      nistrative Aufwand, um die nötige Unter-         unter diesen Umständen schon ein grosser
für sie schwierigen Zeit durchgehalten             stützung zu erhalten, ist für alle Beteiligten   Erfolg.
haben. Wir danken der musikalischen Leitung        hoch und bringt leider auch nicht immer
sehr herzlich, die trotz widriger Umstände         die benötigten Resultate.                        Peter Knutti, Präsident
erneut ein attraktives Saisonprogramm vor-                                                          Angela Schenker, Geschäftsführerin
bereitet hat. Der grosse Dank gilt nament-         Mit Stadt, Kanton und der Regionalkonferenz      Mitte September
lich Philip Henzi, Stefan Schlegel, Lukas Thoeni   waren wir während der Corona-Zeit zusätz-
und Johannes Walter sowie weiteren                 lich in ständigem Kontakt. Wir haben laufend
Zuzüglern, aktuell vor allem David Blaser,         informiert und konnten auf die wohlwollende        Leider mussten wir uns von zwei
Jürg Bucher, Andreas Tschopp und Matthias          Unterstützung der Zuständigen zählen. So           mit uns verbundenen, verstorbenen
Tschopp.                                           haben wir so gut wie möglich unsere Verant-        Personen verabschieden:
                                                   wortung als Arbeitgeber gegenüber den
                                                                                                      Hans Eisenring (17.6.1932–18.1.2020)
Wir leben in guten Verhältnissen                   Musikern wahrgenommen.
                                                                                                      war der ehemalige Chef der SBB und
In den letzten Monaten haben wir sehr viel
                                                                                                      langjähriges Vereinsmitglied, besuchte
Solidarität erfahren und konkrete Unter-           Wir stellen Musiker/innen
                                                                                                      regelässig die Konzerte und unter-
stützung erhalten. Wir haben unseren Mit-          des Orchesters vor
                                                                                                      stützte aus eigenen Mitteln Projekte,
gliedern angeboten, dass wir auf Wunsch            Wir haben Beat Blaser gebeten, auch für
                                                                                                      namentlich die CD «Lucidity».
einen Drittel des Jahresbeitrags zurückzah-        diese Ausgabe wieder ein Musikerporträt zu
len. Keine einzige Person hat dies verlangt.       schreiben. Nachdem er im letzten Jahr den          Barbara Studer (5.5.1960–24.7.2020)
Mit den Verantwortlichen des Bierhübeli            Trompetensatz zum Gespräch gebeten hat,            war Korrektorin unserer Texte,
hatten wir eine erfreuliche Sitzung. Für die       kommen diesmal die Posaunisten zu Wort.            insbesondere der Saisonbroschüre.
abgesagten Konzerte haben wir keine                In den Haupttexten stellen in den Saison-
Rückerstattung der bereits bezahlten Miete         broschüren renommierte Journalisten die
gefordert, da gerade auch Konzertveran-            Musiker vor. Vor zwei Jahren interviewte
stalter wie das Bierhübeli unter der Situa-        Corinne Holtz mit Philipp Leibundgut einen
tion leiden. Vielmehr haben wir in einer           jungen und frischen, mit Till Grünewald einen
gegenseitigen Absichtserklärung die Zu-            Urmusiker der ersten Stunde. Jürg Solo-
sammenarbeit um zwei Jahre verlängert.             thurnmann schrieb ein ausführliches Porträt
Ebenso positiv ist das Verhältnis zu unse-         von Philip Henzi, der unser Pianist, Kompo-
ren Sponsoren Securitas, Bank EEK, die             nist, Arrangeur und musikalischer Co-Leiter
Mobiliar, Haller + Jenzer, Armin Strom und         ist. Und der ehemalige Leadsaxophonist
auch zur Burgergemeinde Bern. Keiner               Adrian Pflugshaupt verfasste den Haupttext
hat Beitragsanteile zurückgefordert. Viel-         gleich selbst. In diesem Jahr äussern sich
mehr können wir auch in der kommenden              die vier Posaunisten und beleuchten das
Saison auf alle zählen. Auch für unsere            Innenleben des Orchesters. Es kommt zum
Sponsoren hat das Coronavirus negative             Ausdruck, dass vier sehr verschiedene
Auswirkungen, und die Tatsache, dass               Persönlichkeiten einen homogenen Bläser-

                                                                         3
SWISS JAZZ ORCHESTRA Saison 2020/21
Das SJO in
Zahlen, Fakten
und Zitaten
Das SJO ist eine profes­sionelle Big       Das SJO hat mit herausragenden          Gastspiele am Interna­t ionalen
Band und wurde 2003 gegründet.             Vertretern der Schweizer Jazzszene      Jazzfestival Bern seit 2013 u. a.
                                           zusammengearbeitet, so z. B. mit        mit Joshua Redman, Donny McCaslin,
                                           Lisette Spinnler, Franco Ambrosetti,    Anat Cohen, Joey DeFrancesco,
«Der Rolls Royce des Berner                Domenic Landolf, Houry Dora             Paquito D’Rivera, Peter Erskine,
und Schweizer Jazz:                        Apartian, George Gruntz, Nicolas        Roberta Gambarini, Jeff Hamilton.
das Swiss Jazz Orchestra.»                 Masson, Trudi Strebi, Pepe Lienhard,
– Alexander Tschäppät,                     Matthieu Michel, Marianne Racine,
Alt-Stadtpräsident und Alt-Nationalrat     Andy Scherrer oder Christoph Grab.      «The Swiss Jazz Orchestra is a
                                                                                   world-class big band.»
                                                                                   – Peter Erskine
Den Kern seiner Aktivitäten bildet         «Das Orchester ist eine phantas­
eine wöchentliche Konzertserie             tische Band. Spielfreude, Einsatz
im Bierhübeli Bern von Mitte Oktober       füreinander und für das Ganze sowie     «Amazing Orchestra, fantastic
bis Ende Mai, die etwa dreissig            Zuverlässigkeit und Disziplin sind      musicians.»
Konzerte umfasst. Inklusive aller          einmalig, ja beispielhaft.»             – Joshua Redman
externen Engagements hat                   – George Gruntz
das SJO bereits über 700 Auftritte
hinter sich.                                                                       «You guys ROCK!»
                                           «Das Swiss Jazz Orchestra ist
                                           für mich die beste Jazz-Big-Band
                                                                                   – Anat Cohen
«Die viel­seitigste, weltoffenste          der Schweiz.»
Gross­formation im Schweizer Jazz.»        – Pepe Lienhard                         Das SJO verfügt über mehr als
–   Peter Rüedi, Publizist                                                         1000 Arrangements und Eigen­
                                                                                   kompositionen von Bandmitgliedern.
                                           «These guys blow me away.
Bisher sind elf CDs produ­ziert und        Every time.»
teilweise auf (inter)­nationalen           – Michael Zisman                        «Dem Swiss Jazz Orchestra ist es
Konzerttourneen vorgestellt worden.                                                gelungen, den Spagat zwischen
                                                                                   Inno­vation und Tradition zu schaffen.
                                           Bisherige internationale Gast­          Die Band wird ihrem Namen in
«The SJO is an impressive ensemble         musiker waren u. a. Jamie Cullum,       jeder Beziehung gerecht. Beeindru-
in every respect.»                         Bob Mintzer, Jim Black, Julia           ckend ist die nie nachlassende
                                           Hülsmann, Scott Robinson, Philip        Spielfreude – wohl das Geheimnis
– Jack Bowers, allaboutjazz.com            Catherine, Shannon Barnett,             des Erfolges dieser Big Band.»
                                           Grégoire Maret, Jerry Bergonzi,         – Hazy Osterwald
«Die Arbeit des SJO hat in der             Alex Sipiagin und Miguel Zenon.
Schweizer Big-Band-Szene
einen Qualitätsschub ausgelöst.                                                    Per 2020 wird das SJO auf die Liste
Alle wissen jetzt, wo der          «BOOM! What an awesome band!»                   von Kulturinstitutionen mit min­
Hammer hängt. Ziemlich weit oben.» – Jim Black                                     destens regionaler Bedeutung der
– Peter Bürli, Redaktionsleiter Jazz SRF                                           Regionalkonferenz Bern Mittelland
                                                                                   aufgenommen. 2010 war das SJO
                                           «What a fantastic band!»                Träger des grossen Kulturpreises
                                           – Kevin Hays                            der Burgergemeinde Bern.

                                           «This band is a present from heaven.»
                                           – Bert Joris

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Meine Bank gewährt mir keine Hypothek,
   die für mich nicht in Frage kommt.

Bank EEK AG
Amthausgasse 14 / Marktgasse 19
Postfach, 3001 Bern
031 310 52 52
info@eek.ch, www.eek.ch
SWISS JAZZ ORCHESTRA Saison 2020/21
Fast die ganze
Jazzgeschichte
in vier Stimmen
Alle vier bekennen sie sich zu ihrer uneingeschränkten Liebe zur Big Band, die Posaunisten des Swiss Jazz
Orchestra. Denn für Musiker ihres Instruments ist die Big Band, das Jazz Orchestra, wie das heute etwas weiter
gefasst heisst, der Ort, wo sie alle ihre Möglichkeiten ausspielen können: das Zusammenspiel in der Posaunen-
section, das Eintauchen in einen farbigen und kraftvollen Klangkörper und natürlich das Alles-hinter-sich-Lassen
als Solist.

Vincent Lachat, Stefan Schlegel, Andi           virtuose Posaune erzielt nicht die gleiche      Trompete angefangen. Damals sagte man
Tschopp und Reto Zumstein sind zusammen         Wirkung wie eine schnelle Trompete oder         noch – und das wurde mir gesagt – «Du hast
ein wunderbares Quartett, dem man am            ein Saxophon.                                   zu dicke Lippen, das geht nicht». (alle lachen)
liebsten allein zuhören möchte. In den zwölf                                                    Mit dem Waldhorn wars noch schlimmer,
Jahren, in denen dieser Posaunensatz            Lassen wir die Vorurteile! Ihr vier habt        dann kam das Euphonium. Aber eigentlich
zusammen spielt, ist er zu einer Einheit ge-    die Posaune zu eurem Instrument gemacht.        wollte ich Posaune spielen. Ich musste aller-
wachsen, die ein blindes Einverständnis         Wie kam das? Und wie war es später,             dings warten, bis man meine Arme als genug
zusammenhält. Ein Glücksfall also für eine      als Jugendliche? War das locker mit den         lang befand, das war mit etwa 14. Und zum
Band wie das SJO – mit diesen vieren            Gleichaltrigen, oder haben die euch             Image noch dies: Meine Tochter spielt Posaune
kann es nur gut gehen! Wir treffen uns mit      etwas schief angeschaut, weil die Posaune       beim Winterthurer Jugend-Symphonie-
Corona-konformem Abstand draussen in            vielleicht unsexy ist?                          orchester. Als einziges Mädchen wurde sie
der Zürcher Europaallee. Das einzige Virus,                                                     von den Jungs super aufgenommen und
das zu spüren ist, ist das Jazz- und Big-       Reto: Ich wurde schlicht zur Posaune über-      fühlt sich pudelwohl im Orchester. Das Prob-
Band-Virus!                                     redet. In Sarnen, wo ich aufgewachsen bin,      lem ist wohl weniger die Posaune als über-
                                                war der Dirigent der Feldmusik zugleich         haupt ein Musikinstrument, das ist heute
Die Posaune hat immer wieder mit Vorurtei-      Musikschulleiter. Der hat mein Talent bemerkt   nicht mehr so attraktiv wie früher.
len zu kämpfen. Zum Beispiel: Im klassischen    und hat mir eine Posaune in die Hand ge-
Orchester spielt die Posaune immer dann,        drückt für eine Probelektion. Und dem Posau-    Eure Anfänge liegen hinter euch, Vincent
wenns laut sein soll. In der Guggenmusik ist    nenlehrer ist es gelungen, mich zu packen.      ist ungefähr 60, Stefan circa 50 und Andi
sie das beliebteste Instrument. Was heisst:     Dabei ist es geblieben.                         40 Jahre alt, alle drei hervorragende
Hauptsache laut!                                Andi: Meine Mutter erzählt, dass ich als        Solisten. Meine Wahrnehmung von euch ist:
                                                kleiner Bub ein Dixielandkonzert gehört und     Vincent ist der Traditionalist, Stefan der
Stefan: Ich sag da nur: Urbie Green oder        seither gesagt hätte, ich wolle Posaune         Bebopper und Andi der Experimentelle.
Tommy Dorsey. Viele Leute hier kennen die       spielen. Dieser Wunsch ist geblieben, bis ich   Stimmt diese Sicht?
Posaune ja nur aus den Guggenmusiken,           genug gross war für das Instrument. Die
in vielen Ländern ist das Image der Posaune     Faszination ist wohl über den Klang entstan-    Vincent: Plus/minus 60 stimmt schon mal.
ein anderes. In Kuba oder den USA, wo der       den, und sie ist nach wie vor da. Und von       Ich habe mit Dixieland angefangen, vielleicht
Jazz präsenter ist als hier. Das Image in der   wegen unsexy: Ein Musikinstrument ist viel-     hört man das noch. Nachher kam der Swing,
Schweiz ist tatsächlich überholungsbedürftig.   leicht nicht so sexy, dafür macht man           der Bebop, aber ich habe alles gern, auch
Reto: Auch die Brassbandszene hat damit zu      miteinander Musik, im Schulorchester, in        modernere Spielarten.
tun, dort geht es oft um laut, hoch und         Bands. Dabei kann man zusammen extrem           Stefan: Ich habe zuerst klassische Musik
schnell. Bei uns Bassposaunisten ist es noch    coole Erfahrungen machen!                       studiert, und etwas von diesem Klangideal
schlimmer, da heisst es, wir beherrschten       Vincent: Ich bin mit Musik aufgewachsen.        ist wohl auch hängen geblieben. Den Bebop
genau zwei Lautstärken: on und off.             Mein Vater hat in der Blasmusik Posaune         und die Art, wie da phrasiert wird, musste
                                                gespielt und in der Tanzband Saxophon.          ich erst lernen. Das Swiss Jazz Orchestra ist
Noch ein Vorurteil: Die Posaune ist träge,      Trotzdem hat mich die Musik nicht interes-      für mich ein riesen Glücksfall, weil es mir
langsam und fett – ohne Eleganz.                siert. Irgendwann fand mein Vater, man          die Möglichkeit gibt, mich auch zwingt, neue
                                                müsse mich beschäftigen, und er brachte         Dinge auszuchecken. Neues anzupacken,
Andi: Auch das ist mittlerweile überholt –      ein Flügelhorn mit. Ich brachte keinen Ton      sich reinzuknien und dazuzulernen. Vor allem
oder war noch gar nie wahr. Trotzdem ist es     raus, das Mundstück war mir zu klein. Darauf    auch in den Soli: Da muss man die Komfort-
der Big-Band-Literatur zuweilen anzumer-        wars ein Es-Horn und schliesslich das           zone manchmal verlassen, für mich eine
ken: Oft sind die interessanten Melodien bei    Euphonium, was ich ausprobierte. Das spielte    ziemliche Herausforderung!
den Saxophonen und Trompeten, und die           ich in der Blasmusik, bis ich etwa 15 war,      Andi: Experimentell? Ich weiss nicht recht,
Posaunen spielen einfach «Ba-Pa, MmBa-Pa»       auch. Dann wechselte ich zur Posaune. Der       was damit gemeint ist. Vielleicht stimmt
und ein paar lange Töne. Es gibt allerdings     Weg war also etwas ungewollt, aber es           es insofern, als ich nicht in eine Schublade
viele Posaunisten, die buchstäblich alles       ist gut, dass es so gekommen ist.               gesteckt werden möchte. Ich finds interes-
spielen können.                                 Stefan: Ich habe mit Klavier angefangen.        sant, unterschiedliche Dinge zu machen und
Stefan: Es hat auch mit der Lage zu tun,        Meine Brüder spielten in der Blasmusik,         sie in mein musikalisches Universum zu
in der ein Posaunist spielt. Eine sehr          und dahin wollte ich auch. Also habe ich mit    integrieren. Eine Big Band ist ein cooler

                                                                      6
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Das gilt für den Posaunensatz, aber nicht
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                                                                                                   was ich nicht kann, finde ich das eher positiv,
                                                                                                   als dass es mich unter Druck setzen würde.
                                                                                                   Reto: Es ist extrem positiv! Ich höre gern
                                                                                                   meinen Kollegen zu, wenn sie Dinge spielen,
                                                                                                   die ich nicht kann, das ist inspirierend. Ich
                                                                                                   denke dann: super, was der spielt!
                                                                                                   Vincent: Das geht über die Posaunensection
                                                                                                   hinaus, mich dünkt, die ganze Band funktio-
                                                                                                   niert so. Wir haben das Glück, dass im SJO
                                                                                                   ausschliesslich gute Musiker und angenehme
                                                                                                   Zeitgenossen sitzen. Die letzte CD haben
                                                                                                   wir in Deutschland aufgenommen, wir sind
                                                                                                   zusammen gereist, haben zusammen ge-
                                                                                                   gessen, nach der Aufnahme ein Bier getrun-
                                                                                                   ken; wir haben viel Zeit miteinander ver-
                                                                                                   bracht, und das war immer sehr entspannt
                                                                                                   und angenehm.

                                                                                                   Du, Vincent spielst die erste Stimme.
                                                                                                   Verschafft dir das eine spezielle Stellung
                                                                                                   in der Band?

                                                                                                   Vincent: Wahrscheinlich schon, ich gebe vor,
                                                                                                   wie etwas gespielt werden könnte, und die
Ort für so was, man kann immer wieder             Andi: Es hat viel damit zu tun, wie wir          anderen folgen mir. Aber ich bin kein Dikta-
anderes spielen, in neue Klangwelten tau-         arbeiten. Wir spielen im Wochenrhythmus          tor! Natürlich besprechen wir aber nicht
chen – ein inspirierender Ort, finde ich.         im Bierhübeli, und das Programm bekom-           jede Kleinigkeit, das läuft selbstverständlich.
Dass wir musikalisch unterschiedliche Wege        men wir jeweils ungefähr eine Woche vor          Die erste Posaune ist mit der ersten Trom-
gehen, macht überdies die Section interes-        dem Konzert, haben also wenig Zeit, uns          pete allerdings kaum vergleichbar, der Lead-
sant. Einerseits müssen wir einen gemein-         vorzubereiten. So werden Soli oft nach stilis-   trompeter führt die ganze Band an, von
samen homogenen Klang finden – und ich            tischen Präferenzen verteilt. Aber manch-        ihm hört man jeden Ton.
finde, das gelingt uns –, aber gleichzeitig       mal muss man auch etwas spielen, was
sind wir als Individuen sehr unterschiedlich,     einem nicht so vertraut ist – eben: die          Wie ist deine Position, Reto? Als tiefste
was der Band Farbe gibt.                          Komfortzone verlassen.                           Stimme steht die ganze Band quasi auf
                                                  Stefan: Wir müssen aber auch ehrlich sein,       deinen Schultern. Wie ist das für dich?
Euer Big-Band-Posaunensatz hat vier               Andi kann einfach alles spielen; wenn etwas
Stimmen. Vincent spielt erste, Stefan zweite,     zu schwierig ist für uns, geben wir es ihm …     Reto: Ich liefere, zusammen mit dem Bariton-
Andi dritte und Reto die Bassposaune,             Andi: … und ich spiele einfach einen Blues       saxophon, das Fundament der Band. Das
was ihr eine spezielle Funktion gibt. Aber        darüber! (Gelächter)                             gibt uns schon eine gewisse Wichtigkeit in
die übrigen drei Stimmen, sind die immer          Vincent: Ich finds schön, dass da so unter-      der Band, und diese Verantwortung nehme
gleich aufgeteilt?                                schiedliche Leute miteinander unterwegs          ich auch wahr. Und geniesse sie!
                                                  sind. Ich möchte und könnte nicht jedes Solo
Alle: Ja, die sind fix, wir wechseln eigentlich   spielen, aber es inspiriert mich, Andi oder      Ich nehme an, dass in einer Posaunen-
nie.                                              Stefan zuzuhören, wie sie eine Aufgabe an-       section wohl die Intonation die Knacknuss
                                                  packen. Und fürs Publikum ist es sowieso         ist. Mit der Posaune muss man die Ton-
Und was heisst das für die Solisten?              interessanter, unterschiedlichen Musikern        höhe selber suchen, ich stell mir das heraus-
                                                  zuzuhören.                                       fordernd vor.
Andi: Meistens gibt es keine Soli für die
Posaunen! (alle lachen)                           Natürlich seid ihr gute Kollegen, wie aber ist   Stefan: Tatsächlich ist die Intonation für
                                                  es mit der Konkurrenz unter euch vieren?         mich der entscheidende Punkt. Sie hat
Wenn es sie doch gibt, wer darf spielen?                                                           auch den Aspekt, dass alle vier gleich laut
Derjenige, der stilistisch am nächsten beim       Andi: Wir sind ja nicht mehr 20, Konkurrenz-     spielen müssen, Klangausgleich also.
Stück ist?                                        gefühle hatte ich damals. Mittlerweile           Bei uns funktioniert das einfach, aber ich
                                                  finde ich das Nebeneinander inspirierend.        hab auch schon erlebt, dass es nicht ging.

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Die Intonation ist auch entscheidend, weil    Wenn einer eine neue Posaune kaufen            Es gibt ja nicht wenige Posaunisten, die
wir in unserer Mittellage so etwas wie der    würde, würde er sich mit seinen Kollegen       wichtige Arrangeure wurden, Bob Brookmeyer
Kitt zwischen den Registern sind. Und der     absprechen?                                    oder Slide Hampton zum Beispiel. Schreiben
muss halten.                                                                                 die posaunenfreundlicher als andere?
Andi: Ein Problem ist in gewissen Big Bands   Stefan: Nein, dafür sind wir dann doch zu      Oder eben im Gegenteil: Gibt es Arrangeure,
auch, dass das Trompetenregister eher         wenig gut bezahlt! (Gelächter)                 die mit den Posaunen nicht so viel anfangen
hoch intoniert, wogegen die Saxophonisten                                                    können?
tief sind. Und wir sind dazwischen. Und       Saxophonisten spielen neben dem Saxophon
je nachdem, mit wem man zusammenspielt,       auch Klarinette und Flöten. Auch für           Alle: Ja, die gibt es definitiv!
muss man sich anpassen.                       Posaunisten gäbe es Alternativen: Tenorhorn,   Andi: Sehr gut für uns schreibt zum Beispiel
                                              Euphonium, Ventilposaune, Tuba für             Philip Henzi. Er kennt uns halt auch als
Was mir auffällt, ist die unterschiedliche    den Bassposaunisten. Ist das ein Thema         Spieler, er traut uns etwas zu und setzt uns
Bauart der verwendeten Instrumente:           für euch?                                      entsprechend ein. Aber es gibt da andere –
enge Bohrungen versus weite, grosse Becher                                                   ich will keine Namen nennen –, die über-
versus kleine, Ventile mit unterschied-       Reto: Die Tuba gehört für mich dazu. Ich hab   haupt nicht spannend für uns schreiben;
lichen Intervallen – spielt das alles eine    irgendwann damit angefangen. Ich brauch        vielleicht schöne Musik zwar, aber eben:
Rolle?                                        sie kaum zehn Mal pro Saison, aber sie steht   nicht so toll für Posaunen.
                                              zur Verfügung. In langsamen Stücken, wo        Stefan: Brookmeyer schreibt wunderbar
Reto: Wir haben uns, ohne es zu wollen,       ein runder, weicher Klang gefragt ist, spiel   für Posaune, auch Peter Herbolzheimer.
für die richtigen Instrumente entschieden.    ich gern Tuba.                                 Leute, die das Instrument nicht so genau
Meine Bassposaune hat eine weite Boh-         Stefan: Ich spiele ab und zu Ventilposaune.    kennen, schreiben oft Dinge, die zwar
rung, einen grossen Becher für einen runden   Arrangeure, die dieses Instrument selber       am Klavier gut klingen, für uns aber nicht
Klang. Andi, der die dritte Stimme spielt,    spielten, haben es gern verwendet, Bob         gerade bequem sind.
benutzt eine weitere Bohrung als diejenigen   Brookmeyer etwa oder Rob McConnell. Aber
auf der ersten und zweiten Stimme, die        es gibt wenige Arrangements, in denen          Verschiedene von euch spielen oder haben
beide relativ enge Instrumente ohne           das verlangt wird. Ausser bei Philip Henzi!    auch in klassischen Orchestern gespielt,
irgendwelche Ventile spielen. Eigentlich      Vincent: Ich würde ab und zu gern ein Solo     auch in Blasorchestern. Wie gut gehen das
optimal!                                      auf dem Euphonium spielen, das wäre            Spiel in der Jazz-Big-Band und solche
                                              wunderbar!                                     Engagements zusammen?

                                                                                             Stefan: Für mich geht es überhaupt nicht,
                                                                                             ich hab aufgehört damit. Es geht klanglich
                                                                                             nicht, und ich müsste wohl auch eine andere
                                                                                             Posaune spielen, grösser mensuriert, mit
                                                                                             Quartventil. Es ist wie bei den Sängern: Ein
                                                                                             klassischer Sänger strebt einen grossen
                                                                                             Klang an, er muss ein Theater füllen mit seiner
                                                                                             Stimme, bei einem Jazz- oder Popsänger
                                                                                             geht es mehr um die Phrasierung und solche
                                                                                             Dinge.

                                                                                             Drei von euch vieren sind Berufsmusiker.
                                                                                             Welchen finanziellen Stellenwert hat das SJO
                                                                                             in eurem Budget?

                                                                                             Stefan: Durchaus einen wichtigen. Der
                                                                                             arbeitsmässige Aufwand, für mich auch
                                                                                             derjenige in der musikalischen Leitung,
                                                                                             ist zwar nicht so bezahlt wie im klassischen
                                                                                             Orchester. Trotzdem: Am Ende des Jahres
                                                                                             fliesst doch ein rechter Batzen auf mein
                                                                                             Konto, und der ist wichtig für mich.
                                                                                             Andi: Es ist vielleicht mit einer kleinen Musik-
                                                                                             schulstelle vergleichbar. Und wenn dann
                                                                                             noch ein, zwei externe Projekte dazukom-
                                                                                             men, ist das nicht zu vernachlässigen.

                                                                    8
SWISS JAZZ ORCHESTRA Saison 2020/21
Zum Schluss habe ich die entscheidende            Letzte Frage: Was würdet ihr euch für
                                                Frage: Weshalb spielt ihr in der Big Band,        die Band wünschen?
                                                wo man doch in kleinen Besetzungen
                                                mehr Freiheit und mehr Gelegenheit zum            Vincent: Mehr externe Konzerte! Jeden
                                                ­Improvisieren hätte. Was ist das Attrak-         Montag im Bierhübeli ist wunderbar, es wäre
                                                 tive daran?                                      aber schön, auch darüber hinaus mehr
                                                                                                  spielen zu können.
                                                 Vincent: Die Posaunensection! Ja, und das        Stefan: Mehr mediale Aufmerksamkeit.
                                                 Zusammenspiel und der Klang. Eine Big Band       Ich finde zum Beispiel, es geht nicht, dass
                                                 hat so viele Möglichkeiten, klanglich, formal.   das Schweizer Fernsehen das Swiss Jazz
                                                 Und dann ist auch das Soziale, das Zusam-        Orchestra schlicht nicht wahrnimmt. Und
                                                 mensein.                                         das seit fünfzehn Jahren!
                                                 Stefan: Ich bin ein fanatischer Big-Band-Fan     Andi: Das finde ich auch. Und es wäre gut
                                                 und war das schon als Kind. Als ich 11 war,      und würde helfen, wenn wir regelmässig
                                                nahm mich mein Posaunenlehrer mit nach            kleine Schweizer Tourneen machen könnten.
Aber natürlich, wenn man den zeitlichen Auf-    Stuttgart, zu einem Konzert von Peter             Wir werden zu fest als Berner Band wahr-
wand rechnet, dann ist es doch nicht so viel.   Herbolzheimers «Rhythm Combination and            genommen, was wir ja nicht sind – wir treffen
Trotzdem: ein substanzieller Bestandteil.       Brass». Das blies mich dermassen weg,             uns hier in Zürich. Ich glaube auch, dass
                                                dass die Faszination mich nie mehr losgelas-      viele Leute immer noch ein falsches Bild von
Unterricht könnte ein weiterer Bestandteil      sen hat!                                          dieser Band haben, und es wäre super,
sein, wie ists damit? Du, Vincent, unter-       Reto: Für mich als Bassposaunist ist die          wenn ein Gefäss gefunden würde, wo das
richtest du?                                    Big Band der einzige Ort, wo ich mein             etwas korrigiert werden könnte. Eben: einmal
                                                ­Instrument wirklich ausspielen, wo ich Schub     pro Jahr unsere musikalische und mediale
Vincent: Praktisch nicht, ich lebe vom           geben und in die Tiefe spielen kann.             Präsenz ausserhalb Berns stärken!
Spielen. Und deshalb ist das Einkommen           Ich bin durch die Big Band zum Jazz gekom-
durch das SJO so wichtig. Es ist kein            men. Es fägt einfach, hier Bassposaune
Monatslohn, von dem man alles zahlen             zu spielen!
könnte, aber es hat seinen Platz.                Andi: In einer Big Band kann man viele
                                                 Erfahrungen machen wie sonst nirgends,
Wie war die Zeit für dich als Freelancer         weil sie so viele Facetten hat. Das Zusam-
jetzt während Corona?                            menspiel fühlt sich manchmal an, wie wenn
                                                 man Teil eines riesigen Instrumentes wäre.
Vincent: Reden wir ein anderes Mal               Oder wenn die ganze Band zusammen einen
darüber… nein, es ist wirklich eine harte        Kick spielt, unterstützt vom Schlagzeug,
Zeit, sehr hart. Nur, ich kann da nichts         das ist eine körperliche Erfahrung. Und man
ändern. Immerhin: Das SJO hat die vollen         kann mit den vielen Stimmen wunderbare
Gagen bezahlt!                                   Akkorde bauen. Mittendrin zu sitzen, gibt
                                                 Hühnerhaut.
Wie ist das für die anderen?
                                                Zweite Gretchenfrage: Welches Programm
Andi: Ich bin noch nicht verhungert, aber       würdet ihr gerne mal spielen?                     Zum Autor
das Ersparte ist langsam aufgebraucht.                                                            Beat Blaser (Jahrgang 1953) war lange
Und ich glaube, dass die kritische Zeit erst    Vincent: Ich kann es gar nicht sagen, wir         Saxophonist und Saxophonlehrer, bis er sich
kommt. Im vergangenen halben Jahr               haben so viel Abwechslung! Wir haben              vor gut zwanzig Jahren eines Besseren
hätte ich viele vertraglich fixierte Konzerte   Projekte gemacht mit John Clayton,                besann und als Jazzredaktor zu Radio SRF 2
gehabt. Ich kann also Ersatz beantragen.        mit Donny McCaslin, mit Scott Robinson …          Kultur ging. Vor einem Jahr wurde er
Maximal 80 Prozent hoffe ich so zu erhalten.    Stefan: Wenn wir das Projekt mit                  pensioniert.
Aber jetzt kommt das halbe Jahr, in dem         Guillermo Klein nicht schon gemacht hätten,
wenig fixiert ist und ich somit die entgan-     müsste man sagen, das müssen wir
genen Einnahmen nicht belegen kann.             un­bedingt machen, das war einfach der
Keine Ahnung, was das für mich heisst.          Hammer!
Vincent: Wir alle hoffen natürlich, dass        Andi: Vielleicht Darcy James Argue, den ich
wir die nächste SJO-Saison im Bierhübeli        einen sehr interessanten Arrangeur finde.
beginnen und hoffentlich auch durch-            Was ich allerdings jederzeit und immer
ziehen können. Und dass vielleicht ein paar     gern wieder machen würde, wäre ein neues
externe Konzerte reinkommen.                    Programm von Philip Henzi.

                                                                       9
SWISS JAZZ ORCHESTRA Saison 2020/21
Powerfrauen!
                                                                                                                     alles, was eine Big-Band-Musikerin braucht:
                                                                                                                     Sie liest mühelos ab Blatt, weiss sich im
                                                                                                                     Klang der Posaunensection einzuordnen, hat
                                                                                                                     genug Stehvermögen, um eine ganze Band
                                                                                                                     auf ihren Schultern zu tragen, und ist über-
                                                                                                                     dies eine freundliche und humorvolle Person.
                                                                                                                     Nina Thöni und Kristine Solli Oppegaard
                                                                                                                     sind in vielerlei Hinsicht unterschiedlich,
                                                                                                                     ihre Erfahrungen als Frauen in einem

                                                                                   Nina Thöni (Foto: A. Weyermann)
                                                                                                                     männerdominierten Gewerbe allerdings
                                                                                                                     gleichen sich über alle Unterschiede hinweg.
                                                                                                                     Das begann bereits mit der Idee, Posaune
                                                                                                                     zu lernen. Nina Thöni wurde als 10-Jährige (!)
                                                                                                                     gefragt, wie sie dannzumal ihren eigenen
                                                                                                                     Kindern mit der Posaune ein Schlaflied spielen
                                                                                                                     wolle. Sie lernte erst Klarinette, um in
                                                                                                                     pubertärem Trotz mit 12 zu finden: «Jetzt
                                                                                                                     reichts!» – und mit Posaune anfing. Kristine
Jeden Montag spielt das Swiss Jazz Orchestra     machen das Rennen. Nina Thöni zum Bei-                              Solli Oppegaard musste solches in Norwegen
im Bierhübeli, jedes Mal ein anderes Reper-      spiel. Mit ihren 36 Jahren hat sie jede                             nicht hören, Skandinavien ist in Sachen
toire. Das ist fordernd für die Musiker, musi-   Menge Erfahrung, in Big Bands und kleinen                           Emanzipation definitiv weiter als die
kalisch und zeitlich. Denn vom Engagement        Besetzungen, in Rock und Pop, in Jazz                               Schweiz. Das Problem einer Instrumentalis-
beim SJO allein kann niemand leben, andere       und Blues, als Satzspielerin und als Solistin                       tin ist auch weniger ein individuelles als
Gigs müssen drinliegen. Was natürlich heisst,    ist sie erste Wahl.                                                 ein systemisches. Die Giele des SJO seien
dass jemand anderes an diesem Abend auf                                                                              immer hilfsbereit, sagen beide Frauen,
dem SJO-Stuhl sitzt, ein «Sub» ist gesucht,      Kristine Solli Oppegaard stammt aus                                 auch sei die Atmosphäre heute eine andere
wie das genannt wird, als Abkürzung von          Norwegen, und sie ist mit ihren 25 Jahren                           als damals, als sie mit 19 zum ersten Mal
«Substitute», ein Stellvertreter eben. Oder      eine halbe Generation jünger als Nina. Nach                         im SJO gesessen habe, meint Nina Thöni.
eine Stellvertreterin!                           Bern kam sie, um zu studieren. Ian Bousfield,                       Die Männer sind weicher geworden, können
                                                 einer der erfahrensten klassischen Posau-                           Schwächen zeigen, von toxischer Männlich-
Das Swiss Jazz Orchestra ist seit langem         nisten, unterrichtet hier, von ihm wollte sie                       keit spürt sie nichts. Trotzdem: Eine weibliche
bestrebt, Frauen in seine Reihen zu kriegen,     lernen – klassisch natürlich. Nur, zu dieser                        Instrumentalistin muss sich in ihrer Sonder-
und mittlerweile sind es doch etwa sechs,        Zeit hatte sie schon jede Menge gross-                              rolle nach wie vor anders beweisen. Auf der
die ihre Frau stellen, wenn Not am Mann ist.     orchestrale Erfahrung, hatte in der schwedi-                        Bühne, besonders am Solomikrophon,
Zwei davon sind Posaunistinnen, Kristine         schen Bohuslän Big Band gespielt, der                               benötigt sie extra viel Mut, denn sie ist sich
Solli Oppegaard und Nina Thöni.                  Groove der grossen Gebläse hatte sie schon                          stets bewusst, dass sie von Mitmusikern
                                                 lange gepackt. Den suchte sie auch in Bern.                         und Publikum speziell kritisch – ist sie wohl
Frau Dr. med. Nina Thöni eigentlich, und         Sie tat es mit dem Selbstvertrauen der                              gut genug? – oder aber mit einem etwas
der Titel sagt auch, weshalb sie seit länge-     ambitionierten jungen Musikerin: mit einem                          gönnerhaftem Wohlwollen – die kann ja rich-
rem nicht mehr im SJO-Posaunensatz               Anruf beim SJO-Bassposaunisten Reto                                 tig spielen! – angehört wird. Eigentlich
sass. Denn neben einer Vollzeitstelle bis vor    Zumstein nämlich, um ihm mitzuteilen, dass                          aber möchten sie mit den gleichen Mass-
kurzem am Psychiatriezentrum Münsingen           sie bereitstehe, wenn er Ersatz brauche.                            stäben gemessen werden wie ihre männli-
und neu als Assistenzärztin Psychosomatik        Was dann auch geschah – und Kristine war                            chen Kollegen. Solange aber gefühlte
am Inselspital hat nicht mehr so viel Musik      drin! Trotz ihres jugendlichen Alters hat sie                       99 Prozent aller Blechblas-Lehrkräfte männlich
Platz wie auch schon. Nina Thöni spielt oder                                                                         sind, sich in den Big Bands höchstens gele-
spielte ihre Posaune nicht nur im SJO,                                                                               gentlich eine oder zwei Frauen finden, solan-
sondern auch bei Schmidi Schmidhausers                                                                               ge es für eine Frau selbstverständlicher ist,
«Chica Torpedo» und im Bläsersatz von                                                                                einen 40-Tönner zu steuern, als Posaune zu
Sina und Lo & Leduc. Was etwas über ihre                                                                             spielen, so lange wird es schwierig sein.
musikalische Qualität aussagt. Musiker/                                                                              Role Models für Mädchen sind gefragt – mit
innen wie Sina bespielen die grossen Bühnen,                                                                         Nina Thöni und Kristine Solli Oppegaard
mehr Geld ist im Spiel, und das schlägt                                                                              beleben zwei die Berner Szene! Die Zeit wird
sich in den Gagen nieder: So viel verdienen                                                                          kommen, wo es nicht nur für Powerfrauen
Jazzer eher selten! Sina und Lo & Leduc                                                                              wie Nina oder Kristine selbstverständlich sein
können ihre Musiker/innen also auswählen,                                                                            wird, Posaune in einer Jazz-Big-Band zu
jede(r) hat Lust, da mitzutun, die besten        Kristine Solli Oppegaard (Foto: N. Pfister)                         spielen. Wir freuen uns drauf! (bb)

                                                                              10
Burgergemeinde Bern

                               Schon gewusst?
                                  600 000
                              Franken betrug 2019 das Engagement
                           der Burgergemeinde Bern im Bereich Musik.

    Gefördert wurden beispielsweise die Langnau Jazz Nights 2019, die Tour von King Pepe & The Queens, die Female* Music Lab
             von HELVETIAROCKT, die Stiftung Camerata Bern, die EP von Frutti di Mare, das Album von Jeans for Jesus,
   der Verein Berner Kammerorchester, die Clubtour «Itz mau Apokalypse» der Kummerbuben, die Konzerte des Chors im Breitsch,
    der Verein Swiss Jazz Orchestra, die Stiftung Konzert Theater Bern, der Verein Internationales Jazzfestival Bern und viele mehr.

                                                          www.bgbern.ch

RETHINK
Bern: Uhrsachen - 031 318 01 18

                                                                                                           Gravity Equal Force
Infos für Konzert-
besucher/innen
Die Montagskonzerte im Bierhübeli Bern
Die stilistisch und inhaltlich sehr unterschiedlichen Konzerte des SJO werden in vier Kategorien präsentiert
und bilden gemeinsam ein breit gefächertes, ausgewogenes Saisonprogramm. Dieses wird vom Kollektiv
der musikalischen Leitung zusammengestellt und reflektiert die offene Haltung der Orchestermitglieder;
Verneigungen vor der Tradition haben ebenso Platz wie zeitgenössische Werke.

Jedes Konzert ist neu und eigenständig, gerade innerhalb                     SJO plays …
einer Konzertkategorie, und bietet ungewohnten und gewohnten                 Konzerte mit einem spezifischen thematischen Repertoire, die
Zuhörenden ein einmaliges Erlebnis. Details entnehmen Sie dem                sich an der Kunst eines Instrumentalisten, Komponisten/Arrangeurs,
Saisonprogramm auf den folgenden Seiten, den jeweils aktuellen               Bandleaders, an einem Label oder an einer ganzen Ära der Jazz-
Programmflyern sowie der SJO-Website. Um über News und Ände-                 geschichte orientieren. Der Begriff «plays» wird dabei grosszügig
rungen informiert zu werden, abonnieren Sie unseren Newsletter.              interpretiert, es können auch Werke aus dem Umfeld der unmittel-
                                                                             baren Namensgeber/innen (z. B. Vorbilder, Bandmitglieder, Epigonen)
Latin                                                                        im Repertoire figurieren. Vielen bekannten Namen der Jazz-
Die lateinamerikanische Musik hat dem Jazz neue, stilbildende                geschichte wurde bereits mit einem Konzert Tribut gezollt, darunter
Impulse verliehen. Ihre Energie und Ausdruckskraft, ihre direkte             Duke Ellington, Count Basie, Stan Kenton, Charles Mingus, Bob
Emotionalität und der hohe Stellenwert des Rhythmus waren und                Brookmeyer und Maria Schneider.
sind für viele Jazzmusiker, angefangen bei Dizzy Gillespie und Stan
Getz, eine lustvolle Herausforderung. Im «Latin»-Programm des                SJO & …
SJO finden sich u. a. Kompositionen von Miguel Zenon, Jerry Gonzalez,        In diese Kategorie fallen sämtliche Konzerte mit Gastmusiker/innen.
Perico Sambeat und Miguel Blanco. In den letzten Jahren hat zu-              Dank seines Rufs und der Beziehungen seiner Mitglieder ist das
nehmend auch Literatur aus angrenzenden Ecken der World Music                SJO in der Lage, herausragende Musiker/innen als Gäste zu sich auf
(Spanien, Afrika) Eingang in dieses Repertoire gefunden.                     die Bühne des Bierhübeli einzuladen. Dabei wechseln sich namhafte
                                                                             Exponentinnen und Exponenten der Schweizer und der internationalen
Electric                                                                     Jazzszene ab. Die Gäste bestimmen das Repertoire je nach Vorlie-
Früher schlicht «Groove Night» genannt, zeichnen sich diese                  ben und Vorbereitungsmöglichkeiten mit; oft steuern sie auch eigene
Konzerte durch die Klanglichkeit der elektrischen Instrumente in der         Kompositionen oder Arrangements bei, einige das ganze Konzert-
Rhythmusgruppe und ein entsprechend druckvolles Repertoire aus.              programm.
Der Funk der 70er-, der Jazz-Rock der 80er-Jahre, Hip Hop und elek-
tronische Musik aus den letzten Jahrzehnten sind auch an den                 Jazz Unleashed
Musikern des SJO nicht spurlos vorbeigegangen. Wichtige Bestand-             Während der letzten Aprilwoche dreht sich in Bern alles rund um
teile des dezibelstarken Programms sind Big-Band-Originals von               improvisierte Musik. Gemeinsam zeigen sechs renommierte Berner
Jaco Pastorius und Don Ellis, arrangierte Kompositionen u. a. von            Jazz-­Veranstalter, wie reichhaltig das musikalische Angebot der
Herbie Hancock, Wayne Shorter, Pat Metheny oder den Brecker                  Stadt ist und sorgen dafür, dass die Woche zu einem ganz beson-
Brothers sowie Stücke neueren Datums u. a. von Donny McCaslin,               deren ­Highlight der Berner Musik-Szene wird.
Niels Klein oder Philip Henzi.

Veranstaltungsinformationen
Eintrittspreise
Normaleintritt (keine AHV-Reduktion)           CHF 20 / *25                  Das Bierhübeli bietet auf Anfrage attraktive Angebote für Apéros
Studierende/Lernende (mit Ausweis) 		          CHF 15 / *20                  mit Gästen oder Freunden.
Schulklassen (Preis pro Schüler) 		            CHF 10 / *12
KulturLegi/IV 				                             CHF 10 / *12                  Wir haben in enger Zusammenarbeit mit dem Bierhübeli ein Corona-
Konzertdauer 20.00 bis ca. 22.00 Uhr,                                        Schutzkonzept ausgearbeitet, welches laufend angepasst wird.
Türöffnung 19.30 Uhr                                                         Aktuelle Informationen finden Sie auf unserer Website.

* Preis Konzerte mit Gastmusiker/innen

                                                                        12
Montagskonzerte
Saison 2020/21
Oktober                Januar                   April
19.10.20               11.1.21                  12.4.21

Saisonstart:           SJO Latin                SJO plays Pat Metheny
SJO plays Favorites    18.1.21                  19.4.21

26.10.20               SJO Electric             SJO Latin
SJO Electric           25.1.21                  26.4.21

                       SJO & Guillermo Klein    SJO & Cinzia
                                                Catania

November               Februar                  Mai
2.11.20                1.2.21                   3.5.21

SJO & Christoph Irniger SJO Latin               SJO Electric
9.11.20                8.2.21                   10.5.21
SJO Latin              SJO plays Jim McNeely SJO & Efrat Alony &
16.11.20               15.2.21               Ed Partyka
SJO plays Bebop        SJO Electric          17.5.21
23.11.20               22.2.21               SJO Latin
SJO Electric           SJO & Seamus Blake    31.5.21
30.11.20                                     Saisonschluss: SJO &
SJO & Joe Haider                             Ralph Alessi

Dezember               März
7.12.20                1.3.21

SJO Latin              SJO Latin
14.12.20               8.3.21

SJO Electric           SJO plays Phil Woods
21.12.20               15.3.21

SJO plays West Coast   SJO Electric
                       22.3.21

                       SJO & Hildegunn Øiseth
                       29.3.21
                       SJO Latin
                                                          Änderungen vorbehalten

                                      13
Details
Montagskonzerte
Saison 2020/21
                                                  Tradition verwurzelt und von ihren Expo-
                                                  nenten beeinflusst, er interpretiert Jazz
                                                  aber nicht als einen bestimmten Sound
                                                  oder Inhalt, sondern sieht ihn vielmehr als
                                                  eine Herangehensweise ans Musizieren.
                                                  Irniger hat sich in unterschiedlichen Formatio-
                                                  nen zwischen Jazz, Rock und verwandten
                                                  Musikstilen profiliert. Nebst seinem Trio und
                                                  seiner Band «Pilgrim» hat er auch mit den
                                                  «Cowboys from Hell» und als Mitglied
                                                  einiger internationaler Bandprojekte sowie
                                                  des Lucerne Jazz Orchestra Aufsehen erregt.
                                                  Er hat bereits fünf Alben unter eigenem
                                                  Namen veröffentlicht; Konzerte und Tourneen
19.10.20                                          führten ihn durch Europa, nach Asien              30.11.20
SJO plays Favorites                               und in die USA. Zudem ist er in der Pro-          SJO & Joe Haider
Wenn das SJO beim Saisonstart nach                grammgruppe des Festivals «Unerhört!» und         Wenn er damit droht, sich von den Bühnen
monatelanger Pause wieder zum Abheben             unterrichtet an der Zürcher Hochschule            zurückzuziehen, schlägt das SJO noch
ansetzt, soll zur Abwechslung mal kein/e          der Künste und der Musikschule Konserva­          mal zu und lädt die europäische Jazzlegende
Gastmusiker/in im Cockpit sitzen! Zu den          torium Zürich.                                    auf die Bierhübeli-Bühne! Zusätzlich zu
fesselndsten und überraschendsten Auf-                                                              seiner Karriere als Pianist hat Joe Haider
tritten des SJO gehören die Wunschkonzerte        16.11.20                                          nämlich u. a. mit Slide Hampton und Mel
der Band selber. Die demokratische Funk-          SJO plays Bebop                                   Lewis grossartige Big-Band-Projekte reali-
tionsweise des Orchesters wird dann zum           Schnell, virtuos, kraftvoll – Bebop war zu        siert. «Seit über 60 Jahren bin ich nun in
musikalischen Prinzip, die beliebtesten Titel     seiner Zeit eine Protestmusik. Die Suche          Sachen Jazz als Pianist/Komponist/Arran-
schaffens ins Repertoire. Vor allem eine          nach neuen musikalischen Ausdrucksmöglich-        geur/Pädagoge unterwegs, und es ist
Gelegenheit für Raritäten aus der reichhalti-     keiten führte zu einer intellektuell an-          noch kein Ende abzusehen. Nun bin ich ja
gen Bandgeschichte sowie geliebte Perlen,         spruchsvollen Musik, die den Jazz endgültig       inzwischen schon 84, aber immer noch
die nicht in die Latin- und Electric-Schubladen   von seiner funktionalen Bindung an die Tanz-      frisch und munter dabei. Aber es klingt so
passen wollen. Das SJO und seine Solisten         musik befreite. Im Gegensatz zu den eher          nach letzter Etappe oder Verlängerung
zeigen sich also von ihrer ureigensten Seite      kurzen Soli der Swing-Ära dürfen sich die         mit anschliessendem Elfmeterschiessen,
in einem eklektischen Konzertprogramm.            Solisten beim Bebop austoben. Im New Yorker       um im Fussballjargon zu sprechen. In meiner
Gut möglich, dass auch Premieren von wäh-         Stadtteil Harlem, besonders im Musiker-           langen Karriere konnte ich viele Musiker-
rend des Lockdown entstandenen Werken             treffpunkt «Minton’s» kamen die wichtigsten       kollegen kennenlernen und an vielen Kon-
stattfinden …                                     Musiker des Bebop zusammen: Pianist               zerten als Pianist und Bandleader mitwir-
                                                  Thelonius Monk, Schlagzeuger Kenny Clarke,        ken. Dafür bin ich unendlich dankbar.»
                                                  Gitarrist Charlie Christian, Trompeter
                                                  Dizzy Gillespie und Altsaxophonist Charlie        21.12.20
                                                  Parker. Zu Ehren des 100. Geburtstags             SJO plays West Coast
                                                  von Charlie Parker (*29.8.1920) spielt das        Die musikalische Ästhetik und der ganz
                                                  SJO Bebop!                                        eigene, sehr eingängige Sound des ziemlich
                                                                                                    entspannten West Coast Jazz beeinflussen
                                                                                                    bis heute viele Musiker/innen. In den 1950er-
                                                                                                    Jahren entstand in Los Angeles ein Gegen-
                                                                                                    gewicht zum New Yorker Cool Jazz. Dieses
                                                                                                    brauchte einen Namen, und dabei bediente
                                                                                                    man sich bei der Geographie: West Coast
                                                                                                    Jazz. Auch bei den Big-Band-Arrangeur/innen
                                                                                                    bezeichnet «West Coast» mehr eine örtliche
                                                                                                    Verankerung als eine Stilistik. Die Arrange-
2.11.20                                                                                             ments von Marty Paich (*1925 in Oakland)
SJO & Christoph Irniger                                                                             und Bob Florence (*1932 in Los Angeles) klin-
Eine herausragende Stimme der Schweizer                                                             gen denn auch sehr unterschiedlich, obwohl
Jazzszene ist zu Gast – der Saxophonist                                                             beide dem West Coast Jazz zugeordnet
Christoph Irniger. Sein Spiel ist stark in der                                                      werden: Paich schreibt karg, wenige Noten

                                                                        14
am richtigen Ort, Florence fulminant, viele     8.2.21                                          Ramble»), als Sideman hat er u. a. mit
Noten, aber auch diese am richtigen Ort.        SJO plays Jim McNeely                           John Scofield, Dave Douglas und Gonzalo
Beide arrangierten u. a. für die Orchester      2006 realisierte das SJO sein erstes           ­Rubalcaba gearbeitet.
von Stan Kenton, Count Basie, Frank Sinatra,    Studioalbum in Zusammenhang mit einem
Buddy Rich, und beide realisierten Aufnah-      Kompositionsauftrag. Dieses Werk von           8.3.21
men mit eigenen Big Bands. Das SJO bewegt       Jim McNeely – acht Kompositionen zu je         SJO plays Phil Woods
sich leichtfüssig Richtung Jahreswechsel        einem Bild von Paul Klee – machte das          Zum Anlass seines 90. Geburtstags feiern
und präsentiert Werke von Paich und Florence,   SJO international bekannt und geniesst         wir das künstlerische Schaffen von
aber auch einige weitere «West Coast»-          bis heute einen hervorragenden Ruf.            Altsaxophonist, Klarinettist und Kompo-
Perlen.                                         McNeely war Pianist u. a. von Stan Getz,       nist/Arrangeur Phil Woods (1931–2015).
                                                Chet Baker oder Phil Woods und spielt          Woods galt früh als einer der brillantesten
                                                seit Jahrzehnten im Vanguard Jazz Orchestra    Nachfolger von Charlie Parker, er war
                                                (vormals Thad Jones/Mel Lewis). Als            ein absoluter Meister der Bebop-Sprache,
                                                Komponist/Arrangeur arbeitete er u. a. für     der sich aber mit einem eigenen unver-
                                                die Danish Radio Big Band, die Carnegie        kennbaren Sound von seinem Idol absetzte.
                                                Hall Jazz Band, das Metropole Orkest,          Er war zunächst begehrter Sideman u. a.
                                                die WDR Big Band Köln und das ­Stockholm       von Dizzy Gillespie, Thelonious Monk und
                                                Jazz Orchestra, wobei er zwei Grammy-          Quincy Jones und gefragter Studiomusiker
                                                Nominierungen erhielt. Er ist seit 2011        («Which Coca-Cola ads did you do? – You
                                                Chefdirigent der Big Band des ­Hessischen      name it, I’m on it»). Ab 1968 lebte er einige
                                                Rundfunks (hr) in Frankfurt am Main.           Jahre in Europa (er engagierte u. a. George
                                                                                               Gruntz und Daniel Humair) und wurde nach
                                                                                               seiner Rückkehr ein international etablier-
                                                                                               ter Solokünstler – unsterblich bleibt sein
                                                                                               Solo auf Billy Joels Ballade «Just the Way
25.1.21                                                                                        You Are». Im November 2003 war Phil Woods
SJO & Guillermo Klein                                                                          für drei Konzerte der allererste Gast beim
Nach beinahe zwei Jahren ist es höchste                                                        frisch gegründeten SJO.
Zeit, den SJO-Gastkomponisten und Schöpfer
des letzten Albums wieder auf die Bühne
des Bierhübeli zu laden. Die Konzerte mit
Guillermo Klein sind immer wieder neuartig,
weil er seine Werke gerne weiterentwi-
ckelt oder auseinandernimmt und wieder
neu zusammensetzt oder auch neue Stücke
mitbringt. Die Zusammenarbeit mit Klein
ist für das SJO einzigartig, noch nie hat das   22.2.21
Orchester mit einem Gastmusiker eine so         SJO & Seamus Blake
tiefe musikalische Beziehung aufbauen kön-      Das virtuose Spiel des kanadischen Saxo-
nen. Er hat u. a. für Luciana Souza, Miguel     phonisten Seamus Blake strahlt eine unwider-
Zenon oder Joshua Redman gearbeitet und         stehliche, natürliche Vollmundigkeit aus.
leitet seit 25 Jahren seine eigene, hoch-       Sein künstlerischer Output reicht von Solo-
karätig besetzte Grossformation «Los            aufnahmen als Sänger und Gitarrist über
Guachos», die auf bereits sechs Alben doku-     kraftvolle Post-Bop-Alben (zumeist im Quin-    22.3.21
mentiert ist. Mehr Informationen zum Album      tett) bis zu orchestral geprägten oder         SJO & Hildegunn Øiseth
«Swiss Jazz Orchestra & Guillermo Klein»        elektronischen Produktionen. Als junger        Nicht nur Trompete und Flügelhorn spielt
sind auf Seite 18 zu finden.                    Musiker in New York City machte er u. a.       Hildegunn Øiseth, sondern auch das «Bukke-
                                                als spektakulärer Solist in der Mingus Big     horn», ein traditionelles, aus Ziegenhorn
                                                Band und mit dem Gewinn der Thelonious         bestehendes Instrument aus ihrer Heimat
                                                Monk Competition 2002 auf sich aufmerk-        Norwegen. Diesen warmen Klang und die
                                                sam. Als (Co-)Leader hat er sechzehn Alben     Einflüsse aus ihrer Arbeit im Mittleren Osten,
                                                veröffentlicht, aus welchen u. a. die mehr-    in Asien und Afrika verbindet sie in ihrem
                                                fach dokumentierten Projekte mit seinem        Spiel und ihren Stücken zu einer ungehörten
                                                Instrumentalkollegen Chris Cheek heraus-       Musik voller Leichtigkeit und Melancholie.
                                                stechen («The Bloomdaddies» und «Reeds         Die «striking trumpet voice of the Scandina-

                                                                     15
vian jazz world» ist Leaderin im norwe-         ihre Kompositionen und Arrangements in         das sie später am renommierten Berklee
gisch-palästinensischen Kollektiv «Sharaka»,    ganz Europa aufgeführt und unter ihrem         College of Music fortsetzte und in Berlin,
hat ihr eigenes Quartett, ist Mitglied von      Namen bereits zwei Alben herausgegeben.        an der Hochschule für Musik Hanns Eisler,
Marilyn Mazurs «Shamania» und vertritt          2017 hat sie beim internationalen Kompo-       abschloss.
Norwegen im Jazz Baltica Ensemble. Als Mit-     sitionswettbewerb Jazz Comp Graz den
glied des Trondheim Jazz Orchestra fühlt        ersten Preis sowie den Publikumspreis ge-      Ed Partyka stammt aus Chicago und studier-
sie sich auch im orchestralen Jazz heimisch,    wonnen. Als Gastdirigenten begrüssen wir       te an der Northern Illinois University, bis er
und für den Abend mit dem Swiss Jazz            Benjamin Knecht, der kurzerhand eine           1990 nach Deutschland zog. Als Posaunist,
Orchestra bringt sie ihre Kompositionen mit.    eigene Big Band gegründet und mit dieser       Komponist und Bandleader/Dirigent hat er
                                                auch bereits ein Album veröffentlicht hat.     neben den deutschen Rundfunk-Orchestern
12.4.21                                                                                        mit dem Bob Brookmeyer New Art Orches-
SJO plays Pat Metheny                                                                          tra, dem Vienna Art Orchestra, Carla Bley
Pat Metheny darf als einer der wichtigsten                                                     oder Mnozil Brass gearbeitet. Mit seinem Ed
stilbildenden Gitarristen des modernen Jazz                                                    Partyka Jazz Orchestra hat er fünf Alben
bezeichnet werden. Mitte der 70er-Jahre                                                        eingespielt, davon eines mit Efrat Alony als
startete er seine Karriere in der Band von                                                     Gast («Songs of Love Lost», 2011).
Gary Burton, um aber schon bald als Band-
leader seine eigenen Kompositionen um-
zusetzen. Obwohl in den verschiedensten
Stilen zu Hause, ist seine ganz persönliche
Handschrift immer klar erkennbar. Seine
Musik ist ausgesprochen melodiös und far-
benfroh. Über 20 Grammy Awards hat er
bereits gewonnen, davon sieben mit der
«Pat Metheny Group», seiner Working Band.
Aus diesem Repertoire stammen auch die
meisten der vielschichtigen Stücke, welche
Bob Curnow extra für Big Band arrangiert hat.

                                                                                               31.5.21
                                                                                               SJO & Ralph Alessi
                                                                                               Der Trompeter und Komponist stammt
                                                                                               aus einer klassischen Musikerfamilie von San
                                                                                               Francisco, wo er u. a. bei Charlie Haden
                                                                                               studierte. Als unerschrockener und phanta-
                                                                                               sievoller Improvisator wurde er u. a. von
                                                                                               Steve Coleman und Sam Rivers angeheuert
                                                10.5.21                                        und etablierte sich in der Szene um Jason
                                                SJO & Efrat Alony & Ed Partyka                 Moran, Uri Caine, Ravi Coltrane und Fred
                                                Die preisgekrönte Sängerin Efrat Alony         Hersch. Zuletzt hat er sich auf Quartett- und
                                                gehört zu den wichtigsten Stimmen des          Quintettbesetzungen konzentriert und auf
26.4.21                                         deutschen Jazz. Als Vokalistin und Kom-        dem renommierten Label ECM veröffentlicht,
SJO & Cinzia Catania                            ponistin trat sie beim Sunday Night Orches-    das SJO präsentiert aber auch exklusiv seine
Mit zwei jungen Vertretern der Schweizer        tra, mit dem Jazz Orchestra Concertgebouw      Werke für Big Band. Alessi ist ein phänome-
Big-Band-Szene nimmt das SJO an «Jazz           Amsterdam oder mit der Big Band des            nal eigenständiger Meister der Trompete,
Unleashed» teil. Die Sängerin und Kompo-        Hessischen Rundfunks auf. 2014 gewann          aber auch ein leidenschaftlicher Pädagoge;
nistin Cinzia Catania hat ihre musikalische     Alony den Deutschen Musikautorenpreis im       er hat in Brooklyn eine unabhängige Impro-
Ausbildung in Groningen, Graz und Luzern        Bereich Jazzkomposition. Seit 2009 ist sie     visationsschule gegründet, an diversen
u. a. bei Dena DeRose, Ed Partyka, Susanne      als Dozentin für Jazzgesang an der Hoch-       US-Universitäten gelehrt und ist seit 2020
Abbühl und Dieter Ammann absolviert.            schule der Künste in Bern tätig. Als Tochter   Professor an der Hochschule der Künste
Aufgrund ihrer Vielseitigkeit und stimmlichen   irakischer Einwanderer in Haifa geboren,       Bern.
Flexibilität ist sie in Bands und Projekten     wuchs Efrat Alony in Israel auf. Dort begann
verschiedenster Stilrichtungen aktiv. Sie hat   sie ihr Studium in Komposition und Gesang,

                                                                     16
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                                       17
CD
Produktionen

Swiss Jazz Orchestra & Guillermo Klein
2019, Sunnyside Records SSC 1552

Ein einzigartiges Aufeinandertreffen eines    Guillermo Klein                                 wurzelt. Gleichzeitig atmen sie den Geist
eingespielten, im besten Sinne routinierten   Es gibt viele Dirigenten, die in ihrer Arbeit   des Jazz und leuchten in den orchestralen
Ensembles mit einem herausragenden            mit dem Orchester primär zeigen wollen,         Farben eines Duke Ellington oder Gil Evans.
aktuellen Komponisten.                        dass sie jeden kleinsten Lapsus hören, und
                                              in biederer Lehrmeisterart auf Details in       Diese Musik ist gleichzeitig modern und tra-
Nachdem das SJO in den letzten Jahren         Dynamik, Artikulation und rhythmischer Prä-     ditionell, gehalt- und humorvoll, intellektuell
ausschliesslich Live-Alben mit mehrheitlich   zision hinweisen. Guillermo Klein dagegen       stimulierend, aber auch sehr emotional.
bestehendem Repertoire veröffentlicht         zieht es vor, den musikalisch-emotionalen
hat, wurde diesmal wieder im Studio ein       Gehalt seiner Stücke in den Vordergrund
ambitioniertes Projekt – verbunden mit        zu stellen, und überlässt alles andere der      «Dieses Album ist ein
einem Kompositionsauftrag – realisiert.       Musikalität und Eigenverantwortung jedes        Meisterwerk.»
Dafür konnte mit Guillermo Klein einer
der spannendsten zeitgenössischen Kom-
                                              einzelnen Musikers. «Fehler», Verspieler,
                                              erkennt er als Potenzial und bezieht sie
                                                                                              – Tom Gsteiger, Der Bund
ponisten gewonnen werden.                     spontan ins Arrangement mit ein; Eigeniniti-
                                                                                              «Eine Art Offenbarung.»
                                              ative, Improvisation und Interpretation
Im Rahmen seiner wöchentlichen Konzert­       sind nicht nur erlaubt oder geduldet, sondern   – Peter Rüedi, Die Weltwoche
serie im Bierhübeli hat das SJO regelmässig   werden verlangt. So spielt man seine Stücke
Gelegenheit, verschiedenste Gastmusiker/      in einer zauberhaften Balance zwischen          «Ein musikalisches
innen einzuladen. Die Band ist, was orches-   Eigen- und Fremdbestimmung, mit dem fast        Gipfeltreffen.»
trale jazzverwandte Musik angeht, mit allen   hypnotischen Gefühl, diese Noten seien          – Georg Modestin, Jazz ’n’More
Wassern gewaschen. Die ersten Auftritte       hier und heute nur dazu da, dass man selbst
mit dem Komponisten Guillermo Klein hatten    als Individuum seinen Teil zum kollektiven      «This is superb music.»
die SJO-Musiker aber auf neues, unbe­
kanntes Terrain geführt und eine sehr spe-
                                              Musikerlebnis beiträgt.
                                                                                              – Richard B. Kamins, steptempest
zielle, fruchtbare Beziehung zwischen         Klein ist ein Getriebener, ein ewiger Student
Orchester und Komponist zutage gebracht.      der Musik, ein profunder Kenner der klassi-
Auch für das Publikum bleiben diese           schen Kompositionslehre, der Jazzgeschichte,
Abende unvergesslich.                         aber auch der neuen Musik und der Impro-
                                              visation als solchen. Seine Werke enthalten
Inspiriert von diesen vielversprechenden      mehr oder weniger auffällige Referenzen
Erfahrungen, ist der elfte SJO-Tonträger      an Johann Sebastian Bach, Igor Stravinsky
entstanden.                                   oder Steve Reich, sind aber offensichtlich
                                              stark in den folkloristischen Chacareras und
                                              Tangos seiner argentinischen Heimat ver-

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