Tätigkeitsbericht 2019 - Amerlinghaus

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Tätigkeitsbericht 2019 - Amerlinghaus
Tätigkeitsbericht 2019
Tätigkeitsbericht 2019 - Amerlinghaus
Verein Kulturzentrum Spittelberg | Amerlinghaus 2019

Impressum:
Verein Kulturzentrum Spittelberg
ZVR: 530064333
1070 Wien Stiftgasse 8
Gefördert von : MA13

Info & Koordination:
Mo bis Fr 14 bis 20 h
01 523 64 75
amerlinghaus@inode.at
facebook: Kultur- & Kommunikationszentrum Amerlinghaus
Verantwortlich: Claudia Totschnig, Lisa Grösel, Renate Nahar

Aktives Zentrum Amerlinghaus
aktives.zentrum@gmail.com
Verantwortlich: Christa Witz

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Vorbemerkung ................................................................ 4

Raumnutzungen, Frequenzen, Gruppen .......................... 5

Offen und öffentlich: Raum für Solidarität .................... 13
     -Freiraum-Politik: solidarische Stadt – solidarische Infrastruktur
     -Bottom-up! Kulturraumvernetzung von unten
     -ARGE RÄUME – Preis der freien Szene 2019

Protestkultur und ziviler Ungehorsam
- in welchem Klima wollen wir leben? ........................... 18
     -Kritische Bildung und politische Teilhabe
     -Klimapolitik und soziale Frage
     -Gegen ein Klima der Angst

Communities - Kulturzentrum postmigrantisch ..............25

Feministisch und intersektional
– künstlerische Strategien gegen „Othering“ ................ 28
     -Kultur?
     -Frauen* und „Integration“
     -Time to care! - Gesprächskultur und Geschlechtergerechtigkeit
     -Bodypositivity, Kunst und Körper gegen Blaming und Shaming

Prekär und erlesen ........................................................ 36

Arbeitsorganisation sozial ............................................. 39

Selbstbestimmt, mehrsprachig und interkulturell
- Kinderkultur im Amerlinghaus..................................... 44
     -Bildungsgerechtigkeit und Sprachen mögen lernen
     -Selbstbestimmt und spielerisch lernen
     -Elternverwaltet und selbstbestimmt - Kinder. Gruppe. Amerling. Haus.
     -Kinder- und Jugendkultur – Kooperationen, Angebote und Aktivitäten (in Auswahl)

Aktives Zentrum ............................................................ 52

Anhang: Programme ...................................................... 64

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Das Kulturzentrum Spittelberg im Amerlinghaus existiert seit 1975, das heißt seit mittlerweile fast 45
Jahren. In dieser Zeit haben sich sowohl die gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen als auch
die Strukturen innerhalb des Hauses stark verändert. Im Zuge der sukzessiven Kommodifizierung und
Inwertsetzung von immer mehr Bereichen des Lebens positionieren wir jedoch „das Amerlinghaus“
mehr denn je als offenen und niederschwelligen Frei- und Möglichkeitsraum für Gruppen und
Initiativen, die wenig oder keine Ressourcen haben und die vielfach andernorts auch ausgeschlossen
oder verdrängt werden.

Das Jahr 2019 war für das Kulturzentrum Spittelberg im Amerlinghaus geprägt von den großen bren-
nenden gesellschaftlichen Fragen, vom Aufbrechen einer breiteren Diskussion über die Klimakrise
sowie der Verweigerung der Seenotrettung im Mittelmeer durch die Regierungen der EU über die
Arbeitskämpfe im Sozialbereich, die endlich eine mögliche Arbeitszeitverkürzung in die öffentliche
Debatte brachten, bis hin zu Gewalt gegen Frauen* und anderen feministischen Anliegen wie auch
den Protesten gegen die schwarzblaue Regierung.

Dringlicher denn je stellen sich die Fragen: Welche Stadt wollen wir? Welche Gesellschaft wollen wir?
Wir meinen, dass offene, niederschwellige, kritische und nicht-kommerzielle Zentren wie das
Kulturzentrum unumgänglich nötig sind, als Ort, an dem solidarische gesellschaftliche Gegenentwürfe
kollektiv angedacht und gemeinsam probiert werden können. Gegen die rassistische Rede – egal ob
sie nun von Ausgrenzung oder von Integration spricht – stellen wir das gemeinsame Fragen,
Diskutieren und Aushandeln. Es geht uns darum, von einander und miteinander zu lernen, zu sehen,
wo wir miteinander stehen und wo wir zusammen hin möchten.

Bezüglich der chronischen Unterfinanzierung des Kulturzentrums Spittelberg im Amerlinghaus sind
zwei Punkte ausdrücklich festzuhalten. Zum einen ist die nach sehr langen internen Diskussionen
beschlossene Stundenreduktion der Mitarbeiter*innen des Hauses im Jahr 2017 um insgesamt rund
20 Wochenarbeitsstunden nicht stillschweigend vergessen, denn sie hat nach wie vor ernsthafte
Auswirkungen auf den Betrieb des Kulturzentrums. Zum anderen soll zum wiederholten Male auf die
Weigerung des Hauseigentümers Gesiba, Verantwortung für das Haus zu übernehmen, aufmerksam
gemacht werden, was unter anderem die dringend notwendige Erneuerung der Sanitäranlagen
betrifft.

Trotz des Bestehens grundlegender Mängel in Ausstattung und Einrichtung, die ebenfalls Folge der
chronischen Unterfinanzierung sind, sind 2019 dank der Arbeit unserer Haustechnikerin einige
                                                   Verbesserungen erfolgt, die z.B. die Beleuchtung
                                                   oder neue Bodenbelege in den Kursräumen
                                                   betreffen.

                                                    Last but not least freuen wir uns, dass die ARGE
                                                    Räume, eine permanente Kulturraumvernetzung,
                                                    an deren In-die-Welt-kommen wir mitwirken
                                                    durften, den Preis der freien Szene 2019 erhalten
                                                    hat, und gratulieren herzlich.

                                                    In der Diskussionsrunde vor der Verleihung des
                                                    Preises der freien Szene Wien am 16. Oktober
                                                    2019 im Fluc wurde über die soziale Lage von
                                                    Kulturarbeiter*innen in Wien und deren prekäre
                                                    finanzielle Bedingungen diskutiert. In diesem
                                                    Zusammenhang steht es zu hoffen, dass die
                                                    Erhöhung des Budgets der Stadt Wien für die
                                                    freie Szene im Jahr 2019 keine Eintagsfliege
                                                    bleibt.

                                                    Wien, im Februar 2020

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                                     Raumnutzungen, Frequenzen, Gruppen
Das Kulturzentrum im Amerlinghaus wurde 2019 weiterhin intensiv von einer großen Bandbreite an
unterschiedlichen Gruppen genutzt: rund 70 Initiativen und Projekte frequentieren das Kulturzentrum
regelmäßig.

An den Rahmenbedingungen hat sich nicht viel geändert: Für Basiskulturarbeit, soziokulturellen
Aktivismus, Selbstorganisation, autonome Gruppen oder kritische Bildung von unten werden
Ressourcen immer knapper, und damit auch die Möglichkeiten, Räume kostengünstig und unter wert-
schätzenden Bedingungen zu nutzen. Der Bedarf steigt weiterhin, und damit werden auch die
Anfragen von Initiativen, die sich auf der Suche nach Räumen an uns wenden, zahlreicher.
Die Rückmeldungen der Nutzer_innen sind durchwegs positiv. Was zumeist geschätzt wird, ist zum
einen der unbürokratische, niederschwellige Zugang zum Zentrum. Zum anderen möchten wir beto-
nen, dass vor allem geschätzt wird, wie unterstützend und wertschätzend kritischen, unkonventionel-
len, linken Diskursen zuzuordnende Aktivitäten, experimentelle, auto-
nome, geellschaftsemanzipatorische und selbstbestimmte Initiativen
und Projekte von unserer Seite aufgenommen werden, ein Zugang,
der offensichtlich und erschreckenderweise rar geworden ist.

Umso wichtiger ist uns die Unterstützung von kritischen, auch radika-
len, utopistischen Ansätzen in einer Zeit, in der solidarisches, kollekti-
ves und inklusives Denken und Handeln abgewertet oder auch massiv
angegriffen werden, und das nicht nur von rechter Politik und
Boulevardmedien. Von neoliberalem Denken geprägter Mainstream,
Markt und Verwaltung favorisieren leistungs- und ergebnisorientierte
Strukturen, verlangen eine Form von Wirtschaftlichkeit und Effizienz,
die Prozesse der partizipativen Mitgestaltung, eine gemeinsame, nie-
mand ausschließende Gruppenbildung und konstruktive Konfliktlösung
ver- und behindert und nicht fördert.

Ein Beispiel für die Ignoranz gegenüber und Zerstörung einer nachhal-
tigen Perspektive für bestehende kritische, gemeinschaftlich von unten gewachsenen Strukturen
waren im Jahr 2019 die Ereignisse rund um die Nordbahnhalle: aus einem anfänglich auf Zeit als
Zwischennutzung angelegten Projekt entwickelte sich ein lebendiger, nichtkommerzieller Ort mit sozia-
                                                len-kulturellen Aktivitäten und in der Folge eine
                                                Initiative, die für den Erhalt dieser selbstorganisiert
                                                entstandenen, die Nachbarschaft miteinbeziehenden
                                                kollektiven Strukturen eintrat. Die Gemeinde jedoch
                                                entscheidet dagegen: Städteplanung von oben stellt
                                                sich gegen autonom gewachsene Strukturen. Im
                                                November brannte die Halle ab, Brandursache unge-
                                                klärt, Brandstiftung ist nicht ausgeschlossen. (Mehr
                                                dazu: https://ig-nordbahnhalle.org/)

„Der neoliberale Diskurs (Stichwort: Verwertbarkeit und Projektlogik) (…) wird von Kultur- und
Stadtpolitik aber auch von Teilen der Szene zu wenig hinterfragt. Unter dem Regelwerk des (neolibe-
ralen) Kapitalismus werden Sektoren wie Bildung, Kunst, Kultur, Soziales und Gesundheit weiter
kaputtgespart. (...) Freiraum ist Raum, der nicht (!) nach der Logik der kapitalistischen
Verwertungsgedanken als Ware funktioniert. Raum und Raumnutzung lassen sich nicht (!) endlos
optimieren und rationalisieren. Und unabhängig davon, dass das nicht möglich ist – wollen wir das
auch nicht!“ (https://www.igkultur.at/artikel/stadt-raum-fuer-alle)

Dem schließen wir uns an.
Unserem Selbstverständnis nach kann und darf der Zugang zu Räumen und Infrastruktur im
Kulturzentrum im Amerlinghaus nicht nach finanziellen Kriterien begrenzt werden. Wir sehen es als
unsere Kernaufgabe, Raum quasi von den Rändern her aufzumachen, und das mitten im
Stadtzentrum! - das bedeutet, insbesondere und gerade dort, wo vielfache Ausschlüsse stattfinden.

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Als soziales Zentrum wollen wir Frei- und
Möglichkeitsräume und Beteiligungsmöglichkeiten
eröffnen, wo rassistische, sexistische, heteronor-
mative, nationalistische, hierarchische
Diskriminierungen andernorts Exklusionen produ-
zieren. Das ist freilich immer ein prozesshafter
Vorgang und eine stetig neue Annäherung. Das
kann gut gelingen oder in Ansätzen oder teilweise,
ist aber auf jeden Fall als Anspruch aufrecht zu
erhalten, an dem die Praxis immer wieder aufs
Neue geprüft und kritisch reflektiert werden soll.
Niederschwelliger, kostengünstiger oder konsumati-
onsfreier Zugang zu Raum ist in Wien rar gewor-
den. Für kollektives Handeln bedeutet dies oft, in
den privaten Raum und damit gewissermaßen in
eine individualisierte Sphäre, damit einhergehend
oftmals auch in die Unsichtbarkeit zurückgedrängt zu werden, es bedeutet, dass notgedrungen kon-
sumorientierte Strukturen genutzt werden müssen (Stichwort Hinterzimmer im Gasthaus).
Kosten für Räume, ob Wohn- oder Arbeitsräume, steigen, während im sozialen und Kulturbereich
Fördermittel weniger werden, die Konkurrenz stärker wird, Prekarisierung zunimmt, Löhne sinken und
weniger wert sind, Projekte gegeneinander ausgespielt und in Konkurrenz gesetzt werden.
                                 Für Gruppen, die sozial,
                                 kulturell oder politisch
                                 sowieso schon an den Rand
                                 gedrängt sind, bedeutet
                                 dies einmal mehr
                                 Ausgrenzung, Verdrängung
                                 und Ausschluss von
                                 Partizipation.
                                 Wie wir bereits 2018 ange-
                                 merkt haben: Wir verste-
                                 hen Freiraum in
                                 Widerspruch zu neoliberalen Konzepten nicht als individuelle scheinba-
                                 re Freiheit sich am Markt zu bewegen, sondern als etwas gemein-
                                 schaftlich Geteiltes mit der Möglichkeit der Solidarität und Teilhabe, als
                                 Rahmen, innerhalb dessen frei von Zwängen soziale Sicherheit für alle
                                 und jede_n einzelne_n - ohne Ausnahme! - realisiert werden kann.

„Ideale Raumpolitik inkludiert aber die Unerwünschten. (…) Beteiligung an Gesellschaft und
Mitbestimmung für möglichst alle sollte ein vorrangiges Ziel von Politik sein. Die Raumfrage kann
dabei nicht ausgelassen werden. Ein erster Schritt dahin muss sein, die Langfristigkeit in Förder- und
Raum/Infrastrukturen zu gewährleisten, um damit jene gemeinnützigen, nicht- kommerziellen
Kulturräume und deren geleistete (sozio-) kulturelle Arbeit zu stärken und deren Verschwinden zu
verhindern. „Wien hat Kultur: Für alle, mit
allen“ im Regierungsübereinkommen
(Stand: 2015) sollte als Auftrag gesehen
werden, auf der gesamten stadtpoliti-
schen Ebene auch Taten folgen zu lassen.
Ressortübergreifende Strategien unter
Einbindung der Szene(n) und ihrer
Vertretungen sind dabei der nächste not-
wendige Schritt. Denn jene freien Szenen
sind letztlich mit ein Garant dafür, dass
ein Austausch von allen mit allen in Wien
stattfinden kann. “
https://www.igkultur.at/artikel/stadt-
raum-fuer-alle

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Gruppen
Die im Zentrum tätigen Gruppen und
Initiativen sind in ihrer
Zusammensetzung und in ihren
Zielsetzungen und Arbeitsweisen
heterogen und unterschiedlich.
Alte und junge Menschen treffen
sich hier, politische Aktivist_innen
und Selbsthilfegruppen, Gruppen,
die sich mit linker Theorie auseinan-
dersetzen und solche, die miteinan-
der Musik machen, Arbeitskämpfe
werden organisiert und
Schreibwerkstätten abgehalten, es
finden Community-Treffen statt und
queere, feministische
Kunstworkshops...
Gerade in den generationen-, kulturen-, soziale Gruppen übergreifenden Zusammentreffen und
Kooperationen auf alltäglicher Ebene liegt eine der Stärken des Kulturzentrums. So findet inklusives
und soziales Lernen und Handeln statt, formell und informell im alltäglichen Miteinander und
Austausch - unserem Verständnis nach eine grundlegende Qualität demokratischer
Vergesellschaftungsprozesse.

Regelmäßige wöchentliche Nutzungen

Eine Reihe von Gruppen und Initiativen nutzt das
Kulturzentrum auf regelmäßiger wöchentlicher
Basis. Diese Gruppen haben fixe Zeitpunkte und
fixe Räume - auch wenn für sie das gleiche gilt
wie für alle, nämlich dass sie bei Bedarf flexibel
und kooperativ Raum tauschen und mal etwas
enger zusammenrücken, damit eine andere
Veranstaltung oder ein zusätzliches Treffen statt-
finden kann. Bei den Nutzungen handelt es sich
zumeist um Sprach- und Kreativkurse, Lesekreise, Plena, Politgruppen- und Diskussionstreffen,
Vernetzungstreffen, Theater- und Tanzproben. Sprachkursinitiativen und einige Kreativkurse wie der
Sazverein nutzen das Kulturzentrum teilweise täglich oder mehrmals die Woche.

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Regelmäßige monatliche Nutzung

Viele Gruppen und Initiativen treffen sich regelmäßig im Kulturzentrum, vielfach auch 14tägig oder an
einem monatlichen Fixtermin.

Unregelmäßige aber kontinuierliche Nutzung

Zusätzlich zu den fixen Terminen gibt es eine Vielzahl an Gruppen und Initiativen, die das Zentrum
kontinuierlich aber in unregelmäßigen Abständen nutzen. Das können z.B. sein intensivere
Probephasen für einige Wochen im Jahr, oder für Veranstaltungen, die zu Semesterende stattfinden,
aber das schon seit Jahren und in alter gewachsener Verbindung mit dem Kulturzentrum.

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Nicht Erwähnung finden hier zusätzliche Projekte und Veranstaltungen,
die einmalig stattfinden, oder die sich für einzelne Termine wie z.B.
Teamklausuren Räume im Zentrum reservieren. Auch hier gibt es
Kontinuitäten und Vernetzungen, Gruppen, die etwa einmal im Semester
oder einmal im Jahr zu uns kommen, hier aber nicht erwähnt werden.

Räume
Für den Betrieb stehen im Kulturzentrum mehrere Räume zur Verfügung,
zwei größere zu je rund 50², die für bewegungsintensive und körperliche
Aktivitäten wie auch Veranstaltungen geeignet sind, sowie fünf
Gruppenräume in Zimmergröße.
Diese Räume werden alle als Multifunktionsräume genutzt, und zwar
mehrfach am Tag von verschiedenen Gruppen, je nach den
Erfordernissen der jeweiligen Aktivitäten und den Bedürfnissen.

In der Praxis bedeutet das, dass vor allem die größeren Räume laufend umgestaltet werden müssen.
Tische und Bestuhlung wird aufgestellt bzw. weggeräumt, je nachdem, ob Kurse, Diskussionsrunden,
Tanz- oder Theaterproben stattfinden. Für Veranstaltungen wird Technik aufgebaut - Beamer,
Lautsprecheranlage, Mikrofone, ... Büchertische, Infomaterialien, Flipcharts, Büffets oder Verpflegung
werden hergerichtet und weggeräumt.

                                                        Erschwert wird der dichte Gruppen- und
                                                        Veranstaltungsbetrieb dadurch, dass das
                                                        Kulturzentrum unzureichende Mittel für eine
                                                        adäquate, qualitativ hochwertige und robuste
                                                        Einrichtung sowie eine gute Grundausstattung
                                                        zur Verfügung hat. Tische, Stühle, Kästen für
                                                        die Gruppen müssen billigst erstanden wer-
                                                        den, oft auch gebraucht und vieles geschenkt,
                                                        und sind dementsprechend oft schnell wieder
                                                        kaputt oder nicht optimal für unsere Zwecke
                                                        geeignet. Fix installierte Beamer oder
                                                        Tonanlagen in jedem der Veranstaltungsräume
sind nicht leistbar.
Bestimmte Renovierungsarbeiten wie die Erneuerung der Sanitäranlagen ist dringend nötig und über-
fällig sind - das Haus ist das letzte Mal 1975 generalsaniert worden. Es gibt zwar einen beträchtlichen
Rücklagenfonds aus den Mietzahlungen des Kulturzentrums an die Hausverwaltung Gesiba in der Höhe
rund einer Jahressubvention, der aber von dieser nicht für dringende Reparaturen freigegeben wird.

Die Arbeit unserer Haustechnikerin hat sich das vergangene Jahr mehr als bezahlt gemacht und ist
mittlerweile unverzichtbar für den Betrieb.
Es gilt zwar weiterhin, dass grundlegende Mängel in Ausstattung und Einrichtung bestehen bleiben
und mit Mehraufwand, Kreativität und Improvisation kompensiert werden müssen.
Allerdings ist für alle Nutzer_innen bemerk- und sichtbar,
dass eine Person dafür angestellt ist, sich um kleine und
größere Schäden zu kümmern. Kleine Reparaturen haben
in Summe eine große Wirkung. So bemühen wir uns,
wackelnde Sessel zu erhalten, kaputte Überzüge neu zu
polstern – all dies trägt dazu bei, einerseits ressourcen-
schonend mit dem Haus umzugehen, andererseits werden
dadurch Mittel frei, mit denen wir allerdringendste
Anschaffungen tätigen können wie z.B. neue Bodenbeläge
in den Kursräumen.

Nach wie vor gilt: Solidarische Strukturen entstehen aus
der gemeinsamen Praxis und benötigen Aufmerksamkeit

                                                                                                  -9-
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und Pflege. Das Kulturzentrum ist mehr als ein blo-
ßer Raum: hier entfalten sich Räume der
Selbstorganisation und des achtsamen Miteinanders
über Interessens- oder andere
Unterschiedlichkeiten hinweg. Es gilt diese weiter
und immer wieder aufs Neue zu öffnen, zu erhalten
und zu bestärken.

Es muss immer wieder aufs Neue gesagt werden:
Der Betrieb im Kulturzentrum im Amerlinghaus funk-
tioniert auch bei intensivster und zeitlich eng getak-
teter Belegung der Räume weitgehend reibungslos in
gegenseitiger Achtung und Wertschätzung.
Nutzer_innen und Gruppen wissen die Arbeit und die
Möglichkeiten des Kulturzentrums zu schätzen und begreifen sich als Teil einer Struktur, in der acht-
sam und respektvoll miteinander wie auch mit der Infrastruktur umgegangen wird. Auf die eine oder
andere Art leisten alle ihren Beitrag. Und eben nicht nur, weil es notwendig ist, sondern weil es zum
Selbstverständnis einer solidarischen selbstverwalteten Struktur gehört, als deren Teil sich die
Gruppen und Initiativen begreifen.

Raumauslastung durch Gruppenaktivitäten
Die Räume im Kulturzentrum (ausgenommen von der Erfassung sind Kindergruppe und Aktives
Zentrum) wurden 2019 insgesamt 2653 mal genutzt. Die Raumauslastungsfrequenz gibt lediglich
wieder, wie häufig Räume genutzt werden, egal ob großer Veranstaltungsraum oder kleiner
Gruppenraum, und unabhängig davon, wie viele Personen teilnehmen. Es gibt Lesekreise mit vier
Personen und Veranstaltungen mit 70 Personen. Grundsätzlich ist anzumerken, dass wir keine
Zählungen oder Kontrollen durchführen. Abgesehen davon, dass es organisatorisch weit über unsere
Möglichkeiten hinausginge, lehen wir grundsätzlich eine Quantifizierung von Gruppentätigkeiten bzw.
Veranstaltungen ab, weil eine numerische Erfassung der Besucher_innen bzw. Nutzer_innenzahlen
nicht ausreichende Aussagen treffen kann über die Arbeit der Gruppen und nur zu einseitigen und
letztendlich falschen Kategorisierungen verleiten würde.
Koordination und Überblick erarbeiten wir uns durch ständige Kommunikation. Wenn Gruppen pausie-
ren, einzelne Termine ausfallen oder die Räume nicht mehr genutzt werden, so wird uns das mitge-
teilt. Umgekehrt stehen wir in ständigen Kontakt mit den Gruppen, um Fragen wie Raumtausch,
Aktuelles zum Kulturzentrum u.ä. weiterzugeben. Manchmal benötigt es eine kleine
Eingewöhnungsphase, die Achtsamkeit und Kommunikation funktioniert aber nach einiger Zeit durch-
wegs gut.
Die Zahlen sind hochgerechnete Näherungswerte.

Die Raumauslastungsfrequenz setzt sich zusammen aus:

1. Gruppenaktivitäten, die intern
bzw. mit und für eine gezielt eingela-
dene Zielgruppe stattfinden. Das
umfasst regelmäßige und kontinuierli-
che wöchentliche / monatliche
Nutzungen laut unseres Wochenplänen,
hochgerechnet auf neun Monate. Von
Juli bis August sowie in der Zeit um
Neujahr und Ostern pausiert erfah-
rungsgemäß der Gruppenbetrieb.
Dazu kommen noch eine große Zahl an
Treffen, Workshops,
Gruppenzusammenkünften,
Vorbereitungstreffen, Schulungen,

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Verein Kulturzentrum Spittelberg | Amerlinghaus 2019

Konferenzen, Intensivproben vor Aufführungen, die einzeln und / oder zusätzlich zu den regelmäßigen
treffen vereinbart werden.
Die kontinuierlichen zusammen mit unregelmäßigen Gruppentreffen ergeben eine Frequenz von 2441
im Jahr.

 Gruppenaktivitäten

 Vernetzung, Austausch-, Organisations- und Gruppentreffen, Klausuren                        331
 Sprachkurse                                                                                 380
 Kurse der VFI – Vereinigung für Frauenintegration plus Kinderbetreuung, Beratung            600
 Politische Bildung, Gesellschaftskritisches, Soziales, Inhaltliches, Lesekreise, Beratung   394
 Musik- und Malkurse, künstlerische und kreative Gruppenaktivitäten, Schreibwerkstätten      400
 Theaterproben, Tanzkurse, Performatives, Rollenspiel                                        308
 verein exil Schüler_innenworkshops                                                           28

                                                    Gesamt                                   2441

                                                                                             - 11 -
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Wir haben die Gruppenaktivitäten grob in folgende Kategorien aufgeteilt:

 Veranstaltungen
 Diskussions- und Infoveranstaltungen, Schulungen, Konferenzen             66
 Lesungen, Buchpräsentationen, Literarisches                               51
 Ausstellungen / Vernissagen, Finissagen                                   39
 Theater, Performance, Kabarett                                            18
 Film- und Videovorführung                                                 16
 Musik, Tanz                                                                22
                                                 Gesamt                    212

2.

Veranstaltungen, die öffentlich zugänglich
stattfinden. Zum Teil erfolgen sie regelmäßig zu
fixen monatlichen Terminen wie z.B. die
Veranstaltungen des Vereins Freiräume oder der
Bettellobby, zum Teil handelt es sich um
Einzelveranstaltungen, die gesondert vereinbart
werden.
Insgesamt ergibt sich eine Zahl von 212 Veranstaltungen im Jahr.

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Verein Kulturzentrum Spittelberg | Amerlinghaus 2019

                               Offen und öffentlich: Raum für Solidarität

Öffentlichkeit entsteht durch Kommunikation, dadurch dass Menschen sichtbar „vorkommen“, aktiv
am Geschehen teilnehmen und sich mit anderen über aktuelle Diskurse austauschen. Ein Raum wird
dadurch öffentlich, dass er für möglichst alle gleichermaßen offen ist. Öffentlichkeit hat somit das
Potential, Hierarchien und Ausschlussmechanismen aufzubrechen. Wir halten das für eine wesentliche
Grundlage der Zivilgesellschaft und sehen darin auch eine unserer wesentlichen Aufgaben: Eine
Öffentlichkeit herzustellen für diejenigen, denen sonst keine Plattform oder “Bühne” zur Verfügung
steht, die in hegemonialen Darstellungen unsichtbar gemacht werden, als das “andere” instrumentali-
siert, marginalisiert oder kriminalisiert.

Freiraum-Politik: solidarische Stadt – solidarische Infrastruktur
In einer Zeit, in der Öffentlichkeit aufgrund neolibera-
ler Nutzungsdominanzen zunehmend durchkapitali-
siert wird und durchaus nicht für alle gleichermaßen
vorhanden ist, ist das Kulturzentrum im Amerlinghaus
eine der wenigen Infrastrukturen, in welcher
Initiativen und Menschen, denen im kulturpolitischen
Mainstream oftmals keine oder nur eine höchst zwei-
felhafte Öffentlichkeit zugestanden wird, unbürokra-
tisch Zugang, Unterstützung und einen Raum für viel-
fältige Aktivitäten finden, wo
- Vielfalt und Antirassismus gelebt wird
- Heterogenität und Offenheit erwünscht ist
- generationen- und kulturenübergreifende Arbeit
geleistet wird
- Kultur politisch ist und politische Kultur gepflegt wird
- Kritik und Auseinandersetzung nicht verhindert sondern gefördert werden
- kritisches Bewusstsein kommuniziert und in die Praxis umgesetzt wird
- politische Bildung stattfindet
- solidarische gesellschaftliche Konzepte entwickelt und solidarisches Handeln bestärkt werden

Bottom-up! Kulturraumvernetzung von unten
                                 Was aber tun, wenn das Kulturzentrum selbst Öffentlichkeit braucht,
                                 um auf seine prekäre finanzielle Situation aufmerksam zu machen?
                                 Zur Erinnerung, seit 2004 wurde unsere Förderung nicht mehr an die
                                 Inflation angepasst und in dieser prekären Situation sogar noch einmal
                                 auch nominell gekürzt, während alle Kosten wie Miete, Betriebskosten,
                                 Energie,… in diesem Zeitraum enorm gestiegen sind. Seit vielen
                                 Jahren wird an allen Ecken und Enden gespart, um mit immer weniger
                                 finanziellen Mitteln den regen, stetig wachsenden Betrieb aufrecht hal-
ten zu können. Unsere Forderung nach der mehr als dringenden Valorisierung der Subvention fand lei-
der auch 2019 kein Gehör.
Neben intensiver Öffentlichkeitsarbeit, Informationskampagnen zur Situation des Kulturzentrums und
einer Reihe gemeinsamer solidarischer Aktionen und kreativer Präsentationen der Nutzer_innen und
Freund_innen des Kulturzentrums in den vergangenen 10 Jahren wurde innerhalb der
Auseinandersetzungen um den Erhalt der Struktur des Zentrums die politische Notwendigkeit deutlich,
sich auch stärker mit anderen Räumen und Initiativen aus dem sozialen, Bildungs- und kulturpoliti-
schen Bereich zu vernetzen.
Vernetzung ist aufwändig und oft auch anstrengend, erfordert viel Zeit und Kommunikation, und ist
im Arbeitsalltag oft ein „das auch noch“, zumal wenn man in einer Krisen- und Kampfsituation steckt
und sehr mit sich selber beschäftigt ist. Genau aus diesem Grund finden wir Vernetzungen umso wich-
tiger, da es uns in den vergangenen Jahren immer sehr stark auch darum ging, mit der eigenen
gefährdeten Situation nicht als “Einzelfall” umzugehen, sondern uns mit anderen zusammenzutun und
gemeinsam und solidarisch gegen die zunehmende Verengung der kulturpolitischen Stadt(landschaft)
gegen Repression und soziale Verdrängung zu kämpfen und für den Erhalt von Freiräumen und selbst-
organisierten, emanzipatorischen Initiativen und Projekten zu kämpfen. Denn der Bedarf an

                                                                                                 - 13 -
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                                                 Freiräumen steigt, die, entgegen der fortschreiten-
                                                 den Privatisierung und Kommerzialisierung von
                                                 Raum, einen sorgsamen und inkludierenden
                                                 Umgang miteinander in den Mittelpunkt stellen.
                                                 Dem anhaltenden Druck der autonomen und freien
                                                 Szene durch neue Vernetzungen wie aktuell die
                                                 ARGE Räume ist zu verdanken, dass die Raumfrage
                                                 in den letzten Jahren so stark in den Fokus der
                                                 öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion von frei-
                                                 er Kunst- und Kulturarbeit gerückt ist.

                                                 ARGE RÄUME –
                                                 Preis der freien Szene 2019
                                                Im Rahmen eines Vernetzungstreffens rund um die
prekäre Situation des Kulturzentrum Amerlinghaus wurde 2017 die Idee einer permanenten
Kulturraumvernetzung geboren. In mehreren offenen Treffen ab April 2018 wurden Problemfelder und
entsprechende Forderungen sowie Handlungsfelder und Arbeitsweisen besprochen, woraus sich
schließlich mit Jänner 2019 die ARGE Räume als Solidar- und Aktionsplattform für freie und autonome
Kulturräume in Wien gebildet hat.
(Aus dem Katalog https://www.igkulturwien.net/blaetterkataloge/preis19-einreichungen)

Bei der Gründung und dem Betrieb von Kulturräumen
sollte man am besten einen ganzen Werkzeugkoffer an
Fähigkeiten mitbringen. (…) Mit der ARGE Räume wurde
eine Plattform geschaffen, wo sich Räume über ihre aktu-
ellen Situationen austauschen und gegenseitig unterstüt-
zen können.
Im April 2018 hat sich ARGE RÄUME in offenen Treffen als
Aktions- und Solidarplattform für selbstorganisierte,
soziokulturelle Räume in Wien formiert. Nach mehreren
offenen Treffen haben sich drei Formate, bzw. Bausteine
für die nächste Zeit herauskristallisiert:
Koordinationstreffen – Arbeitsgruppen – Stammtisch
Der monatliche Stammtisch findet an wechselnden Orten
statt und bietet die Möglichkeit, die Teilnehmer_innen
kennenzulernen, aktuelle Themen zu diskutieren und sich
in einem informellen Rahmen über die ARGE und die ver-
schiedenen Möglichkeiten der Teilnahme und
Unterstützung in einem der drei genannten Formate zu
informieren und auszutauschen.

Die ARGE RÄUME ist Preisträger_in
des Preis der freien Szene 2019!
Als Teil der ARGE Räume freuen wir uns sehr darüber, dass diese Vernetzung in der_den Szene(n)
positiven Widerhall findet und werden uns auch zukünftig als Teil dieser solidarischen (Kultur-)
Raumvernetzung “von unten” dafür ein setzen, dass:
– bestehende Räume bestehen bleiben
– neue Räume erschlossen werden                     arge-raeume.org

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                                                                    Interview: MALMOE Nr. 90, S. 26

Recht auf Stadt - für ALLE!

Die ARGE Räume ist Teil des Recht-auf-Stadt-Netzwerks in Wien und dieses wiederum Teil von
Gruppierungen weltweit, die sich für das Recht auf eine aktive und gleichberechtigte Teilhabe und
Gestaltung der urbanen Gesellschaft einsetzen.
Ein solches Recht auf Stadt für Alle – vor allem für diejenigen, die am meisten von Ausschlüssen und
sozialer Verdrängung betroffen sind, wie es seit längerem von stadtpolitischen Gruppen und
Bündnissen gefordert wird, muss intersektional mit Diskursen und Praxen des Antirassismus, der
Geschlechter- und auch Klimagerechtigkeit zusammengedacht und -gebracht werden.

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Verein Kulturzentrum Spittelberg | Amerlinghaus 2019

„Es ist das Recht auf eine Stadt, die sich nicht auf einem verwüsteten Planeten befindet, sondern
auf eine Stadt in ökologisch nachhaltigen Stadt-Land-Beziehungen, in der nachhaltige Wohn- und
Lebensformen machbar sind und Umweltgerechtigkeit für alle gilt. Und das Recht auf Stadt ist ein
Recht auf eine feministische Stadt, in der Care-Arbeit wertgeschätzt und gerecht verteilt ist, in der
soziale Beziehungen nicht von Verwertungslogiken bestimmt werden.“ https://raumstation.org

In der Diskussion um zukunftsweisende Perspektiven für eine solidarische Stadt, werden wir uns auch
weiterhin bemühen, den Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer mit anderen Räumen, Projekten
und Initiativen zu pflegen und weiter vorantreiben, aktuelle Kämpfe zu vernetzen, gemeinsame
Strategien weiterzuentwickeln, und Forderungen und Ziele solidarisch und gemeinsam mit anderen
umzusetzen.
Proteste sind dabei eine wichtige Form politischer Teilhabe, in der sich Menschen selbstorganisiert
und sehr unmittelbar artikulieren und damit Anliegen und Konflikte sichtbar machen.

                                                                                                  - 17 -
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                                      Protestkultur und ziviler Ungehorsam
                                      - in welchem Klima wollen wir leben?
Das Kulturzentrum im Amerlinghaus will Möglichkeitsräume und Experimentierfelder eröffnen, und
besonders auch für kritische Basis- und Gegenkulturarbeit materielle, soziale, kulturelle und kommuni-
kative Ressource sein. Dies im Sinne einer umfassenden Inklusion und Parteilichkeit für
                                           Personengruppen, die kaum oder nur sehr beschränkten
                                           Zugang        zu     politischen,     kulturellen,     sozialen
                                           Partizipationsmöglichkeiten haben. Im Sinne einer "Politik der
                                           Gerechtigkeit", werden hier Zugänge zu Kunst und Kultur,
                                           Politik und sozialem Leben jenseits von Marktdiktat und
                                           Verwertbarkeit                                         eröffnet.
                                           In den Kämpfen um den Erhalt des Kulturzentrums gelang es
                                           uns einerseits, die Themen Freiraum, öffentlicher Raum,
                                           Leerstand, soziale Normierung und Verdrängung verstärkt in
                                            den Fokus der Wiener Stadtbevölkerung zu bringen.
                                            Andererseits ist im Kontext dieser kultur- und statpolitischen
                                            Auseinandersetzungen um das Amerlinghaus der öffentliche
                                            Raum in den vergangenen 10 Jahren mehr als einmal auch
                                           zur Bühne geworden für die Anliegen des Kulturzentrums -
                                           für unterschiedlichste kritische Zugänge zur brisanten
                                           Raumfrage, für widerständige und oft auch lustvolle Formen
                                           einer vielfältigen Protestkultur, die sich künstlerischer Mittel
                                           bedient und dabei die unterschiedlichsten Nutzer_innen und
                                           Freund_innen des Kulturzentrums, eine Vielzahl an
                                           Initiativen, Generationen und (Sub-)Kulturen solidarisch im
                                           gemeinsamen Tun und in der „gemeinsamen Sache“ vereint.
                                           Die Bilder auf dieser Seite zeigen kleine Ausschnitte der
                                           Amerlinghaus-Protestkultur der vergangenen 10 Jahre.
                             Zahlreiche Aktionen im und ums Haus, Interventionen im öffentlichen
                             Raum, gemeinsame Besuche im Stadtratbüro, Gesangseinlagen,
                                    Aktionsstage, Kundgebungen und Spektakel, z. B. beim Rathaus,
                                    mit Raum-Installationen, Theater, Konzerten, Lesungen, öffentlich
                                    abgehaltenen Deutschkursen im Park - mit Megaphon:
                                    „Ich muss Deutsch lernen,
                                    du musst Deutsch lernen,
                                    er/ sie/ es muss Deutsch lernen...“
                                    Selbst der Vereinsvorstand machte sich auf, um den politisch
                                    Verwantwortlichen ein Ständchen zu singen.
                                    Im Rahmen eines von der roten Flora in Hamburg ausgehenden
                                    Aktionstages vernetzten wir uns 2010 erstmals mit zahlreichen
                                    anderen Initiativen zu lokalen stadtpolitischen Konflikten und
                         Unverträglichkeiten und waren Teil des Wiener Bündnisses „Platz.da!?“
                         (http://platzda.blogsport.eu/category/aktionen) - kritische Stadtspaziergänge
                         wie „access all areal“ mit Beiträgen z. B. gegen die Vertreibung von
                         Bettler_innen und das Verbot von Sexarbeit im öffenltichen Raum setzten für
                         uns wichtige Impulse für die weitere Auseinandersetzung mit
                         Zusammenhängen von Kultur- und Stadtpolitik. Vermehrt ging es uns auch in
                         der Folge darum, mit kreativen Mitteln und Praxen zivilen Ungehorsams ein
                         Recht auf Stadt einzufordern, Raum zu nehmen sowie damit verbundene
                         Inhalte aufgreifen. In Wien fanden dazu mehrere dezentrale Aktionen statt. Im
                         Rahmen der Kritischen Stadt Access all Areals wurden mit dem Fahrrad unter-
                         schiedliche Stationen im Stadtraum erkundet und bespielt, wo Privatisierung,
                         Kommerzialisierung von öffentlichem Raum und Gentrifizierung/ soziale
                         Verdrängung zum damaligen Zeitpunkt verstärkt stattfand. Die Teilnahme von
                         Nutzer_innen und Freund_innen des Kulturzentrum im Amerlinghaus bei den
                         diversen Kundgebung und Spektakeln der darauffolgenden Jahre brachte auch
                         die Gruppen und Initiativen - wenn auch oft nur punktuell - miteinander näher
                         in Kontakt, und es war bei allem Stress, den die Unsicherheit der Zukunft des

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Verein Kulturzentrum Spittelberg | Amerlinghaus 2019

Zentrums mit sich brachte, und trotz der vielen zusätzlichen
Organisationsarbeit, immer wieder auch eine große Freude zu
sehen, wenn Personen aller Alterstufen und Herkünfte sich an
den unterschiedlichen Aktionen beteiligten, eigene Themen
einbrachten und mit uns teilten und Initiativen aus den unter-
schiedlichsten Bereichen unsere Anliegen unterstützten und
aktiv mit- und weiter-trugen, wenn Kinder, von den künstleri-
schen Beiträgen magisch angezogen, die Bühne erklommen,
Passant_innen mitzusingen begannen, alte Nachbar_innen
nachfragten, wie es uns geht, und sich Menschen spontan mit
unserem Protest solidarisierten.

Raum greifen - Verdrängungsmechanismen sichtbar machen -
sich gegenseitig unterstützen - Wünschen, Bedürfnissen und
Utopien Raum geben -
die Herausforderungen für nicht-kommerzielle Räume und
Freiraumpolitik sind nicht kleiner geworden, der Widerstand
gegen      die  exklusiven   Konzepte     einer   neoliberalen
Stadtentwicklung aber auch nicht -
Vernetzung, Solidarität und Koordination sind Voraussetzungen
für politische Bewegung.

Kritische Bildung und politische Teilhabe
In der Planung unserer Aktivitäten im Kulturzentrum verfolgen wir weiterhin konsequent unseren
gesellschaftsemanzipatorischen Bildungsansatz weiter. Bildung geht in unserem Selbstverständnis
                                                            immer über die reine Vermittlung von
                                                            Wissen hinaus. In diesem Sinn stellt Bildung
                                                            die gesellschaftlichen Verhältnisse im Sinne
                                                            einer Emanzipation grundsätzlich in Frage
                                                            und     eröffnet    Diskussionsräume     und
                                                            Experimentierfelder       für     alternative
                                                            Gesellschafts- und Lebensentwürfe. Damit
                                                            ist sie immer auch politische Bildung.
                                                            So sind aktuell umkämpfte Themen bei-
                                                            spielsweise soziale Verdrängung, die
                                                            Aneignung und Nutzung öffentlicher Räume,
                                                            der Zugang zu Wohn- und Arbeitsraum, die
Mitbestimmung bei Restrukturierungsprozessen, die Ausstattung mit und die Gestaltung von städtischer
Infrastruktur sowie die Ausverhandlung von Möglichkeiten urbaner Teilhabe ("citizenship"). Vor diesem
Hintergrund stellt sich die Frage, wie, von wem und für wen Stadt "gemacht" wird innerhalb von
Gesellschaften, die durch solche extremen Disparitäten, Fragmentierungen und Interessenskonflikte
geprägt sind.
Unser Anliegen ist es dabei, kritische gesellschaftsemanzipatorische Ansätze zu unterstützen, die höch-
stens an den Rändern des dominanten Mainstream-Diskurses sichtbar werden und nicht nach kapitali-
stischen Verwertungslogiken und Konsumzwängen zugerichtet werden können und wollen.
Als Erweiterung zu herkömmlichen Angeboten der Freizeitgestaltung bietet auch die Kunst- und
Kulturschiene im Kulturzentrum eine konstruktive Alternative. Durch die Teilnahme an Projekten kann
kreatives Potential geweckt und eine Steigerung des Selbstbewusstseins gefördert werden.
Es ist uns wichtig, Formate anzubieten, die jenseits eines klassischen Gewinner-/Verliererdenkens über
einen kollektiven kreativen Arbeitsprozess einerseits alternative Entfaltungsmöglichkeiten und
Identitätskonzepte für Jugendliche und junge Erwachsene eröffnen und andererseits die zwischen-
menschliche Kommunikation und Achtsamkeit nicht zuletzt auch im interkulturellen und intergeneratio-
nellen Miteinander zu stärken.

2019 hieß es nicht nur 10 Jahre #Unibrennt, sondern auch: „Uns reichts" - #Unibrenntwieder. Ein uni-
übergreifendes Bündnis engagierter Studierender, das sich für eine gerechtere Hochschulpolitik ein-
setzt, protestierte gegen die Situation an Österreichs Universitäten, u. a. gegen die Raumnot und die
geplante Erhöhung der Studiengebühren, die vor allem Drittstaatsangehörige und Arbeitende massiv

                                                                                                  - 19 -
Verein Kulturzentrum Spittelberg | Amerlinghaus 2019

                                                        belasten würde. Im Dezember wurde der Festsaal
                                                        der TU Wien von Aktivist_innen besetzt.
                                                        Auch 2009 wurden im Zuge von #Unibrennt meh-
                                                        rere    Hochschulen     besetzt,    und     das
                                                        Amerlinghaushaus war voller junger Menschen,
                                                        die sich zum Beispiel als Bündnis „UNS
                                                        REICHTS“ hier trafen, um ihren Protest zu orga-
                      nisieren, Wissen auszutauschen, Mobi-Material zu produzieren oder zum
                      Weiterverteilen zu bringen und Aktionen vorzubereiten, nachzubesprechen und zu
                      reflektieren.
                      Mit dem Thema „Quality Education“ begann 2019 auch eine neue
                      Veranstaltungsreihe, die UWA Talks, in der verschiedene aktuelle und span-
                      nende Themen in einem Format zusammenbracht wurden.
                      Was genau ist, kann und soll Bildung? Wie könnte Bildung in Zukunft aussehen und
welche Möglichkeiten haben wir, Bildung besser zu vermitteln? Diese Fragen eröffneten als
Ausgangspunkte für die Panels und Workshops unterchiedliche Zugänge zum Thema nachhaltige
Bildung.
„In der angenehmen und freundlichen
Atmosphäre des Amerlinghaus haben wir uns
einen Tag lang mit etwas beschäftigt, das uns
alle betrifft und das gerade heute aktiver denn
je diskutiert wird.“ (www.weareuwa.org)
Davorin Barudzija, Recruiting-Manager bei
„Teach      for   Austria“    und   Coach     für
Persönlichkeitsentwicklung, eröffnete die
Veranstaltung mit seinem Talk über Dinge, die
Lehrer_Innen von ihren Schüler_Innen lernen
können. Danach sprach Mohammad Malayeri,
Nationalkoordinator des Vereins „Students for
Liberty“, über die geschichtlichen Hintergründe
des österreichischen Bildungssystems, zog
Parallelen zu Amerika und ging auf Probleme
ein, mit denen sich Bildung heute auseinander-
setzen muss. Melanie Payer, Englisch- und
Deutschlehrerin an einer AHS in Wien, knüpfte
daran an mit ihrem Talk über gelebte
Digitalisierung im Unterricht. Den Abschluss
des Vormittags lieferte Samuel Koch, Gründer
des Startups „Galacta“, mit seiner Vision für
eine Universität der Zukunft.

Nach einer sehr lebhaften Podiumsdiskussion
und unserem Mittagsbuffet konnten wir drei
Workshops anbieten und somit für eine interak-
tive Einbindung der Zuhörer_Innen sorgen.
Anca Romocea studiert Rechtswissenschaften
an der Universität Wien und sprach in ihrem
Workshop           über         problematische
Arbeitsbedingungen         in       Non-Profit-
Organizations. Wir konnten die Bewegung
Fridays For Future gewinnen, um auf unserer
Veranstaltung einen Workshop zum Thema
Klimawandel und seine Folgen zu halten – ein
Thema, das auch in der Bildung immer wichti-
ger wird. Zuletzt war es uns ein Anliegen, auch
als Verein selbst aktiv zu werden – UWA bot
einen Workshop an, der sich mit dem Begriff
der „Entwicklungshilfe“ kritisch auseinander-
setzte.

- 20 -
Verein Kulturzentrum Spittelberg | Amerlinghaus 2019

Am Nachmittag ging es ebenso spannend weiter. Der Bildungswissenschaftler Amos Postner sprach über
die Biographisierung der eigenen Lebensführung, also wie wir unser Leben nach biographischen
                                                             Eckdaten konstruieren und inwiefern die
                                                             Bildung hier eine Rolle spielt. Agnes Pauer,
                                                             Studentin     der    Politikwissenschaften,
                                                             erzählte von ihrem Projekt „Removement“,
                                                             in dem Frauen über ihr Selbst- und
                                                             Körperbild reflektieren. Anne Stöckelmaier,
                                                             Studentin     der    Bildungswissenschaft,
                                                             berichtete von ihrem Verein „Achtung
                                                             Liebe“, mit dem sie für sexpositiven und
                                                             gendergerechten Aufklärungsunterricht in
                                                             Schulen sorgt. Jörg Reitmaier, Mitarbeiter
                                                             des Bürgerforum Europas, verknüpfte die
                                                             Themen       Europa        und     Bildung.
                                                             Abgeschlossen wurde die Veranstaltung
                                                             von Karlo Krznaric, Gründer von „Speech
Fennel“, einer Plattform für Rhetorik- und Kommunikationstraining, und seinem Vortrag über
„Leadership im Klassenzimmer“.
Nach einer intensiven Podiumsdiskussion und einem gemütlichen, gemeinsamen Ausklang fand der Tag
ein schönes Ende. Es wurde intensiv diskutiert, viele neue Ideen wurden ausgetauscht und es ist uns
gelungen, verschiedene Perspektiven und Meinungen zusammen auf eine Bühne zu bringen.
Selbsterklärtes Ziel der ersten Ausgabe der UWA-Talks war es, dass alle Teilnehmer_innen am Ende des
Tages ein wenig besser verstehen, was Bildung für sie bedeutet. Mit vielen spannenden Denkanstößen
ist das gelungen. (Bericht auf: http://www.weareuwa.org)
UWA hat das Ziel, mit nachhaltigen Projekten die Muster der konventionellen
Entwicklungszusammenarbeit aufzubrechen und aktiv einen Dialog auf Austausch und Augenhöhe zu
fördern. Mit den UWA-Talks soll jungen engagierten Menschen die Möglichkeit gegeben werden, aus
ihrer Arbeit oder Lebenswelt zu berichten.
Besonders wichtig ist der Initiative, verschiedene Perspektiven miteinander in Dialog treten zu lassen
– interdisziplinär und interkulturell, und dabei auf Probleme hinzuweisen, innovative Lösungsansätze
zu erarbeiten und bestehende Konzepte kreativ in Frage zu stellen.
Die Konferenz war für alle TeilnehmerInnen kostenlos, und das gesamte Buffet wurde von Foodsharing
St. Pölten und Wien gesponsert. Bereits am 8. Juni fand der nächste UWA-Talk im Amerlinghaus statt.

Wie 2009 hat es uns auch im vergangenen Jahr große Freude gemacht, das gemeinschaftliche Tun, das
gemeinsame Lernen und Ausprobieren, die gegenseitige Wertschätzung, die Offenheit, das Interesse
und auch die Lust an Theorie und Praxis bei den zahlreichen Workshops, Infoveranstaltungen, Planungs-
, Bastel- und Vernetzungstreffen miterleben zu dürfen. Auch wir selber konnten von den politisch enga-
gierten jungen Menschen viel lernen. Und mehr als einmal waren wir an diese Zeit vor 10 Jahren erin-
nert und an unser buntes Treibhaus voller jugendlicher und junger Erwachsener, die sich für offene, frei
zugängliche und gerechte Hochschulen engagierten. So manche Besucherin des Amerlinghauses hatte
im vergangene Jahr den Eindruck, wir seien so etwas wie ein Klimastreik-Büro. Stapelweise wurden
Plakate und Flyer im Infobüro angeliefert und innerhalb kürzester Zeit von Menschen aller Altersstufen,
aus den unterschiedlichsten zivilgesellschaftlichen Bereichen abgeholt und weiterverteilt. Ihnen allen
gemeinsam      ist   ihr  Engagement       für    Klimaschutz   und     gesellschaftsemanzipatorische
Zukunftsperspektiven.

Klimapolitik und soziale Frage
Die Klimakrise ist nicht nur eine Umweltkrise, sondern eine Krise der globalen Gerechtigkeit. Sozial
gerechte Klimapolitik muss Fragen der Verteilungsgerechtigkeit und eine antirassistische, antisexisti-
sche Perspektive beeinhalten.
Das Potential, dass in der neuen Bewegung der Klimaaktivist_innen liegt, ist enorm und macht
Hoffnung. Als Ort, an dem sich viele Aktivist_innen bewegen, wollen wir auch weiterhin ein offener
Raum und Treffpunkt sein, wo politisch Aktive sich treffen und darüber austauschen, wie Bewegung
stattfindet, was soziale Bewegung zu einem bestimmten Zeitpunkt braucht, was gerade fehlt oder als
irreführend eingeschätzt wird. Es geht darum, Handlungsperspektiven auszuloten, wobei es ist uns
wichtig ist, auch radikaleren Positionen als Motor emanzipatorischer Prozesse Raum zu geben.

                                                                                                  - 21 -
Verein Kulturzentrum Spittelberg | Amerlinghaus 2019

„Wir stellen uns gegen Antworten auf die Klimakrise, welche deren Ursachen unangetastet lassen und
die Probleme nur weiter verschärfen. Bei den Wurzeln der Klimakrise anzusetzen heißt, die derzeit
vorherrschende kapitalistische Produktions- und Lebensweise, die auf der Ausbeutung von Menschen
und Natur, auf unendlichem Profit- und Wachstumsstreben sowie auf Konkurrenz beruht, zu überwin-
den." https://systemchange-not-climatechange.at

Am 9. September 2019 orga-
nisierte die Plattform Gaia
Education in Kooperation
mit der Plattform
Footprint, und der UNESCO
im Amerlinghaus ein eintägi-
ges SDG Training für
Multiplikator_innen zu den
17 UN Zielen für nachhaltige
Entwicklung (Sustainable
Development Goals).
Bei einem UNO-Gipfel im
September 2015 in New York
haben sich Regierungen welt-

                                                  weit dazu verpflichtet, die Armut zu beenden,
                                                  sowie den Klimawandel und die Ungerechtigkeit zu
                                                  bekämpfen.
                                                  Das Training fokusierte auf Möglichkeiten der loka-
                                                  len und regionalen Umsetzung und auf die sorgsa-
                                                  me Adaptierung der SDGs an die Gegebenheiten,
                                                  Ressourcen und Bedürfnisse der jeweiligen
                                                  Community.
                                                  Ziel des Trainings war damit einerseits Gespräche
                                                  anzuregen, und damit Ausgangspunkte und Ideen
                                                  für    mögliche     Herangehensweisen        lokaler
                                                  Umsetzungen       in    den    Communities      der
                                                  Teilnehmer_innen auszuloten und gemeinsam
                                                  weiter zu entwickeln, und andererseits Menschen
                                                  aus den unterchiedlichen Communities als
                                                  Multiplikator_innen zu schulen.
                                                  Das Training war methodisch stark auf Interaktion
                                                  und Partizipation ausgelegt, und die über den
                                                  Tagesverlauf sich weiterentwickelnden Gespräche
                                                  wurden anhand eines Sets von SDGs-Lernkarten
                                                  für Jugendliche in Kleingruppen strukturiert.
                                                  Best Practise Beispiele dienten als Inputs, um mit-
                                                  einander Ideen und Strategien zur Umsetzung zu
                                                  entwickeln und diese an die eigenen Uni, in der
                                                  Schule, am Arbeitsplatz und in Gruppen und
                                                  Communities weiterzutragen.
                                                  Ein zentrales Anliegen war das gemeinsame
                                                  Erforschen der verschiedenen Dimensionen von
                                                  Nachhaltigkeit - sozial, ökologisch, ökonomisch,
                                                  global, aber auch lokal und in den Communities.

                                                  An dieser Stelle möchten wir nicht unterwähnt las-
                                                  sen, dass 2019 auch neue Initiativen in unserer
                                                  Nachbar*inneschaft aktiv geworden sind: der
                                                  Nachbarschaftsgarten in der Schrankgasse
                                                  und die FoodCoop Neubau, die bereits erste
                                                  Plena und Infoabende im Amerlinghaus abgehal-
                                                  ten hat. Wir freuen uns über die Zusammenarbeit!

- 22 -
Verein Kulturzentrum Spittelberg | Amerlinghaus 2019

Einmal im Monat gab es 2019 einen offenen
„System Change, not Climate Change“             Di 5. März 19:30
Abend im Amerlinghaus mit Snacks
und Getränke für eine freie Spende,             The Ba le of the Newbury Bypass:
einer kurzen Erklärung zur Arbeit                                Tales of Resistance
von „System Change, not Climate                 documentary by Jamie Lowe
Change!“, einem Programmpunkt (z. B. ein
spannender Film, siehe Kasten) und eine
Diskussion - und das alles in einer netten,
sozialen Atmosphäre.

          Klimacamps sind das Herzstück der
          Klimagerechtigkeitsbewegung und
           Raum für Aktion, Bildung,
           Vernetzung und das Leben von
Utopien. Für das Klimacamp 2020 ist der
Organisationsprozess schon voll im Gange. In
den Klimacamp-Workshops „Let's Climate
Camp Together / Gemeinsam ein
Klimacamp gestalten“, die Ende 2019
begannen und aktuell im Amerlinghaus fort-
gesetzt werden, wurde der Unterschied zwi-
schen Klimaschutz und Klimagerechtigkeit        Do 28. März, 19 h
thematisiert und die Organisationsstruktur      Offener "System Change" Filmabend:
des nächsten Klimacamps vorgestellt.            Widerstand am Strom –
                                                Hainburg, der österreichische
                                                Weg (1987)
                                                Teil 2 der #autofrei Filmreihe von
                                                System Change, not Climate Change!

Woher kommen unsere Lebensmittel? Was           Do 9. Mai 19 h
werden wir in der Zukunft essen?
                                                Offener System Change Filmabend
Unsere Nahrung ist essentiell und daher wich-
tig. Viele beschäftigen sich mit guter
                                                Bikes vs. Cars
                                                Dokumentation
Ernährung und probieren verschiedene Stile      von Fredrik Gertten
aus. Die Basis sind aber immer gute biologi-
sche Zutaten. Diese zu bekommen und wel-
che wir im Sinne einer nachhaltigen Land-
wirtschaft kaufen sollten sind dann Fragen,
die auftauchen. Genauso wie: „Was ich kann
ich tun – für mich und meine Umgebung? –
und: „Was für ein gesundes Ökosystem über-
haupt?“Es gibt einige interessante und gute
Lösungsansätze zum Thema.
Die Veranstaltungsreihe „Food for the City“

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Verein Kulturzentrum Spittelberg | Amerlinghaus 2019

wurde von der Permakultur Austria organisiert, um diese Lösungsansätze vorzu-
stellen und gemeinsam zu diskutieren.
Solidarische Landwirtschaft und Food Coops waren die Themen von Food for the
City I am 31. Jänner 2019 im Amerlinghaus.
Für diesen Abend waren Menschen aus zwei tollen Projekten eingeladen:
BIOsain >> eine solidarische Landwirtschaft im Kamptal
D‘ Speis >> eine Food Coop im 15. Bezirk in Wien

PROGRAMM
17:00 Infogespräch zum PK-Zertifikatlehrgang
Ab 18 Uhr Ankommen
18:15 Intro zum Thema
18:30 Impuls zu FOOD COOPS von Samuel Wintereder – Projekt D’Speis
18:45 Impls zu SOLIDARISCHER LANDWIRTSCHAFT vom Trisan Toe – Projekt
BIOsain
19:00 Podiumsgespräch
Geselliger Ausklang (mit u.a. feinem Gemüse aus dem Kamptal)

„Wir lassen euch nicht damit davon kommen!“, richtete die Klimaaktivistin Greta Thunberg den
Machthabern der Welt beim UN-Klimagipfel 2019 aus. „Die Welt wacht auf! Und die Veränderung
kommt, ob euch das passt oder nicht!“
Wie kann diese Veränderung aussehen? Was ist jetzt schon technologisch möglich? Warum ist es so
dringend, jetzt sofort zu handeln? Und wie können wir die Bewegung noch mächtiger machen?
Die Klimawerkstatt! Workshop-Reihe 2019/2020 fand ab 12. Oktober jeden zweiten Samstag im
Amerlinghaus statt.
Es wurden wissenschaftliche Zugänge diskutiert, Argumente trainiert und mit Aktivismus verbunden –
auch Banner malen, Buttons machen, plakatieren, mobilisieren,... stand am Programm. Zu jedem
Tehme wurden Texte bereitgestellt.
http://linkswende.org/die-klimawerkstatt-workshop-reihe-2019-2020/

Themen der Klimawerkstatt 2019 waren:
12. Oktober: Warum drängt die Wissenschaft zum Handeln?
26. Oktober: Bin ich persönlich am Klimawandel schuld?
9. November: Kann eine CO2-Steuer unser Klima retten?
23. November: Utopien 1: Wie sehen die Städte der Zukunft aus?
7. Dezember: Utopien 2: Die Energiesysteme von morgen
21. Dezember: Utopien 3: Revolutionäre Transportsysteme

Gegen ein Klima der Angst
Wir wollen im Kontext aktueller Diskurse und Auseinandersetzungen Klima auch als Raum des gesell-
schaftlichen Umgangs miteinander ausloten: Es ist uns wichtig, einer „Normalität", die zunehmend von
Angstmacherei, Spaltung und Menschenverachtung bestimmt wird, andere Erzählungen entgegenzuhal-
ten. Die Arbeit im Kulturzentrum verstehen wir darin als gegenhegemoniales Labor, in dem sich vielfäl-
tige Formen und Ansätze von Kritik und Widerständigkeit entfalten.
Perspektivisch interessiert uns im Kulturzentrum die Frage, wie gesellschaftliches Leben aussieht, in
dem etwa verschiedene Generationen oder Menschen unterschiedlicher Herkunft ihre gemeinsamen
aber auch ihre verschiedenen Bedürfnisse in gegenseitiger Rücksichtnahme ausleben können.
Dabei ist als erster Schritt wichtig herauszuarbeiten, welche Ausschließungs- und
Verdrängungsmechanismen Mitgestaltung und Teilhabe verhindern – wie z.B. Staatsbürgerschaft oder
(Alters-, Frauen* oder Kinder-)Armut.
Ausgehend davon wollen wir weiterhin eine möglichst große Breite an kritischen gesellschaftsemanzi-
patorischen Ansätzen unterstützen.

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