Wilde Wälder magazin - Robin Wood
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Leben heißt handeln 3.50 € · ISSN 1437-7543 · Nr. 153/2.2022 magazin Wilde Wälder schützen Tropenwald: Endlich auf die Lieferkette Energie: Ofen aus! Russland muss den Krieg in der Ukraine sofort beenden!
inhalt tatorte 6 Stoppt den Krieg in der Ukraine 7 Berlin: Rollback für die Energiewende verhindern Seite 6 Foto: ROBIN WOOD/Moritz Heck Seite 8 tatorte Berlin: Für den Schutz der Wälder – auf ins Stadion 8 Brüssel: Waldzerstörung in den Karpaten stoppen! 8 St. Andreasberg: Wälder statt Holzfabriken 9 Berlin: Mehr Fortschritt wagen ist gescheitert 10 Wels: Stoppt das Verbrennen von Waldholz! 10 Hamburg: Keine fossilen Scheinlösungen! 11 Köln/Bonn: Züge statt Flüge 11 Foto: Nina Neuscheler/ROBIN WOOD Seite 12 wald 12 40 Jahre und keine Spur von Midlifecrisis: ROBIN WOOD bleibt aktiv für den Wald! Foto: ROBIN WOOD/Moritz Heck 4 Nr. 153/2.22
inhalt wald 14 Europas letzten Urwäldern droht die Kettensäge 16 Kein Handel mit russischem Holz 19 Weiter auf dem Holzweg 21 Neuer Bericht: Future on Fire tropenwald 22 „Entwaldungsfreie Lieferketten“ – es geht um mehr als um den Wald Seite 16 Foto: iStock/Natalya Bosyak Seite 34 energie Ofen aus! 26 Stromspeicher selbst bauen 28 Energiespartipps: Heizkosten senken 29 Lützerath: Oberverwaltungsgericht entscheidet – 31 RWE enteignet Interview: Neues aus Pödelwitz 32 Energiecharta-Vertrag: Bodyguard der Fossilen 34 Foto: Uwe Hiksch Foto: Mirko Boll/ROBIN WOOD Heftmitte internes 37 Spenden statt Geschenke 37 Impressum 38 Clara Tempel unterstützt ab April 2022 die Aktiven Heftmitte: ROBIN WOOD-Jahresbericht 2021 Nr. 153/2.22 aa 5
editorial Die Redaktion engagiert sich seit vielen Jahren für den Schutz der Wälder Liebe Leserinnen und Leser! wir lieben den Wald – seit 40 Jahren. Im November 2022 der Ukraine zutiefst erschüttert. Putin muss diesen Angriff feiert ROBIN WOOD Geburtstag und der Schutz der Wälder sofort stoppen und zur Verantwortung gezogen werden! ist heute noch genauso aktuell wie bei der Gründung des Aber es kann nicht sein, dass der Krieg Russlands gegen die Vereins. Die Aktivist*innen der ersten Stunde besetzten Ukraine, die Bundesregierung und die Energiewirtschaft die großen Schlote der bundesdeutschen Kraftwerke. Ihre dazu verleitet wieder auf Kohle- und Atomenergie zu setzen, ungefilterten Abgase versauerten die deutschen Wälder und in Terminals für fossiles Flüssiggas (LNG) zu investieren sogar schwedische Seen. Der engagierte Einsatz von ROBIN und das Verfeuern von Holz auszuweiten. ROBIN WOOD WOOD hatte Erfolg: In die Kamine der Dreckschleudern wird sich gegen diese energiepolitische Rolle rückwärts wurden Filteranlagen eingebaut. Aber das Waldsterben und engagieren, denn fossile Energien finanzieren und treiben damit unser Kampf für die Wälder ging weiter. Denn längst Kriege, menschliches Leid und Unterdrückung weltweit. Wir setzten den Wäldern vor allem die Stickstoffemissionen zu: fordern, dass zum Schutz von Klima, Artenvielfalt und Ver- Vor der Industrie liegen bei diesen Emissionen der Straßen- sorgungssicherheit die Energiewende noch zügiger vorange- verkehr und an die Spitze die konventionelle Massentierhal- trieben werden muss. tung. Der Klimawandel und seine Extremwetterereignisse machen den Wäldern heute mehr denn je zu schaffen. Und die Für das Bekämpfen der Klimakrise und des weltweiten konventionelle, intensive Forstwirtschaft verschlimmert die Artensterbens ist dieses Jahrzehnt das Entscheidende. Diese Lage. Lesen Sie mehr dazu auf Seite 12 und 13. Krisen bedrohen das Leben auf unserem Planeten. Schon jetzt kostet der Klimawandel unzählige Menschen das Leben, Seit 40 Jahren setzt sich ROBIN WOOD dafür ein, aus den zerstört Lebensgrundlagen, ist Fluchtursache und steigert fossilen Energieträgern auszusteigen. Wir müssen Energie die Gefahr von Kriegen. Deshalb gibt es zu einer Energie- sparsam einsetzen, wir müssen Energie dezentral erzeugen wende und zum Schutz der Artenvielfalt und unserer Wälder und wir müssen auf 100 Prozent Erneuerbare Energien keine Alternative. umsteigen. Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat uns überdeutlich vor Augen geführt, wie fatal unsere Abhän- Bleiben Sie zuversichtlich und aktiv! gigkeit von schmutzigen, fossilen Energien wie Kohle und Alles Gute wünscht Ihnen für die Magazin-Redaktion Gas ist. Wir sind vom unermesslichen Leid der Menschen in mit herzlichen Grüßen Ihre Christiane Weitzel Nr. 153/2.22 3
tatorte Fotos: ROBIN WOOD/Moritz Heck Der russische Präsident Wladimir Putin muss diesen völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine sofort stoppen und sein Militär abziehen! Stoppt den Krieg in der Ukraine! 24.Februar 2022: ROBIN WOOD verurteilt den völkerrechts- verschaffen, rief ROBIN WOOD mit zur Kundgebung „Stoppt widrigen Angriff auf die Ukraine. Der russische Präsident den Krieg – Frieden für die Ukraine und ganz Europa“ am 3. Wladimir Putin muss diesen Angriff sofort stoppen und sein März in Berlin auf. Militär aus dem Land abziehen. Die Bundesregierung muss „Mit Bestürzung haben wir am 24. Februar früh die Nach- gemeinsam mit den Regierungen der anderen EU-Staaten richten gehört: In Europa herrscht Krieg! Putins Angriff auf entschlossen nach einer Konfliktlösung suchen, den Men- die Ukraine ist beispiellos und durch nichts zu rechtfertigen. schen in der Ukraine humanitäre Hilfe anbieten und Flüch- Der Einmarsch ist ein Bruch mit dem Völkerrecht und ein tende aufnehmen. Um diesen Forderungen mehr Geltung zu Angriff auf die Menschenrechte“, sagte Jonathan Schultz, ROBIN WOOD-Vorstandssprecher. „Putin muss den Ab- zug russischer Truppen unverzüglich vornehmen und an den Verhandlungstisch zurückkehren. Waffen lösen keine Krisen, Panzer bringen keinen Frieden, Militarisierung und Aufrüstung sind kein Ausweg – für Niemanden.“ ROBIN WOOD forderte, dass alles getan wird, um eine dip- lomatische Lösung zu erreichen und den Weg des Friedens zu gehen. „Es geht nicht um das Militär, die Nato und die EU – es geht um Menschen. Es sind Menschen, die jetzt verletzt werden. Menschen, die sterben. Menschen, denen Angehö- rige und Freund*innen genommen werden, in Luhansk und Donezk und in der ganzen Ukraine“, so Schultz. „Wir stellen uns an die Seite der Menschen in der Ukraine und reihen uns ein in die Anti-Kriegs-Bewegung in Deutschland, in der Ukraine, in Russland und weltweit.“ ROBIN WOOD setzt sich für gewaltfreie Konfliktlösungen ein. Unser Einsatz für Umwelt- und Klimagerechtigkeit ist immer auch ein Einsatz für den Frieden. 6 Nr. 153/2.22
tatorte Rollback für die Energiewende verhindern Berlin, 3. März 2022: Zur Kundgebung „Stoppt den Krieg – Frieden für die Ukraine und ganz Europa“ in Berlin warnte ROBIN WOOD die Bundesregierung und die Energiewirt- schaft davor, auf Kohle- und Atomenergie zu setzen, in Terminals für fossiles Flüssiggas (LNG) zu investieren und das Verfeuern von Holz auszuweiten. Dies wären unverant- wortliche Rückschritte für die Energiewende in Deutschland. Aus Sicht von ROBIN WOOD ist es vielmehr notwendig, die Abhängigkeit von allen fossilen Energieträgern zügig zu be- enden und sämtliche Atomanlagen sofort stillzulegen. Auch aus sicherheitspolitischen Gründen ist nun die Beschleuni- gung einer kohlenstofffreien, klimafreundlichen Energie- wende dringend geboten. „Der völkerrechtswidrige Krieg in der Ukraine bringt unglaubliches Leid, Tod und Zerstörung. Es ist richtig, in dieser Situation die energiewirtschaftlichen Beziehungen zu Russland zu kappen. Aber es wäre fatal, sich jetzt an die alte Energieindustrie zu klammern, die mit ihrer Kohle- und Atompolitik jahrzehntelang die Energiewende ausgebremst hat“, sagte Ronja Heise, ROBIN WOOD-Energiereferentin. Seit dem Angriff des russischen Militärs auf die Ukraine überschlagen sich die Ereignisse – mit weitreichenden Fol- gen auch für die Energiepolitik in Deutschland: Verbrennungstechnologie zur nächsten zu wechseln, die • Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte in seiner Regie- ebenso viel oder mehr Kohlendioxid pro Energieeinheit rungserklärung Ende Februar den Bau zweier LNG-Ter- verursacht, beschleunigt zugleich zwei tödliche Krisen: minals in Deutschland an. Aufgrund von Bauzeiten und die Klimakatastrophe und das Artensterben. dem begrenzten Angebot von LNG ist diese Maßnahme jedoch ungeeignet, Energie-Engpässe zu verhindern. Fossile Energien finanzieren und treiben Kriege, mensch- Für den Klimaschutz wäre die Entscheidung desaströs. liches Leid und Unterdrückung weltweit. Die Klimakrise kostet Leben und Gesundheit unzähliger Menschen, das hat • Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärte, im der jüngste IPCC-Report äußerst deutlich gemacht. Es ist kei- Notfall Kohlekraftwerke länger laufen lassen zu wollen. ne Lösung, fossiles Gas aus Russland durch Gas oder Kohle Ähnliche Stimmen kamen aus mehreren Landesregie- aus anderen Regionen zu ersetzen. Auch Atomkraft ist kein rungen. Der Energiekonzern Vattenfall stoppte bereits Beitrag zu Klimaschutz und Versorgungssicherheit, sondern die Vorbereitungen zum Rückbau des Kohlekraftwerks ein hochgefährlicher, energiepolitischer Irrweg. Moorburg in Hamburg. Doch jede zusätzliche Tonne Kohle, die verbrannt wird, heizt die Klimakatastrophe „Wir dürfen unsere überlebenswichtigen Ökosysteme nicht weiter an. dem Krieg preisgeben. Holz zu verfeuern, katapultiert uns an tödliche Kipp-Punkte. Es ruiniert das Klima und die Arten- • Auch eine Laufzeitverlängerung für die drei noch am vielfalt“, sagt Jana Ballenthien, ROBIN WOOD-Waldreferen- Netz befindlichen Atomkraftwerke ist nun plötzlich tin. kein Tabu mehr. CSU-Chef Markus Söder warf sich als einer der Ersten für die hochriskante Atomenergie in die Statt nun 100 Milliarden Euro in die Aufrüstung zu stecken, Bresche. Die FDP in Schleswig-Holstein forderte sogar fordert ROBIN WOOD ein umfassendes Förderprogramm für zu prüfen, das stillgelegte Atomkraftwerk Brokdorf Energieeffizienz und -suffizienz. Notwendig sind Maßnah- wieder zu reaktivieren. Den Atomausstieg rückgängig men zur systematischen Reduktion des Strom- und Wärme- zu machen, würde – sofern dies überhaupt umsetzbar verbrauchs. Die energetische Sanierung von Häusern, die wäre – den Atommüllberg vergrößern sowie Leben und Produktion erneuerbarer Wärme und insbesondere der Um- Gesundheit vieler Menschen gefährden. bau von Fernwärmenetzen müssen schneller vorangetrieben und durch sozialpolitische Maßnahmen flankiert werden. • Die Holz- und Biomasse-Branche machte Druck, Holz als Ersatz für russisches Gas zu nutzen. Nun von einer Ute Bertrand, Hamburg Nr. 153/2.22 7
tatorte Für den Schutz der Wälder – auf ins Fußballstadion Berlin, 2. Februar 2022: Am Morgen des 2. Februar trafen wir uns mit nichtung für EU-Konsum!“. Aus der Luft wirkte Vertreter*innen der Deutschen Umwelthilfe, Germanwatch, OroVerde das riesige Banner im Vergleich zu der gepflegten und dem WWF-Deutschland auf einem Berliner Fußballplatz. Norma- grünen Wiese verschwindend klein. lerweise kickt hier der Fußballclub Lichtenberg 47, heute waren wir mit einem fast 20 Meter breiten Banner auf dem Platz: „Stoppt Waldver- Mit über zwei Meter hohen Buchstaben legten wir den Spruch „Alle 90 Sekunden gerodet: 1 Fußball- feld“ auf den Rasen – eine traurige Wahrheit. Al- Foto: Nina Neuscheler/ROBIN WOOD lein für den Rohstoffhunger Europas wird auf der ganzen Welt Regenwald abgeholzt: Im Zeitraum eines einzigen Fußballspiels wird Wald der Größe von 60 Fußballfeldern für EU-Importe gerodet! Deshalb waren wir hier auf dem Fußballplatz und aus diesem Grund flog eine ROBIN WOOD-Ak- tivistin trotz Wind ihre Drohne in die Höhe, um diese gigantische Fläche darzustellen. Doch unsere Fotos und Videos waren nur der Teil einer noch größeren Kampagne. Europaweit veranstalteten Umweltschützer*innen aus 14 Län- dern Aktionen unter dem Motto #Together4Fo- rests. Denn genau dieser Zusammenhalt ist nötig, um etwas zu verändern. Ein EU-weites Lieferkettengesetz ist auf dem Weg. Doch um dieses wirklich entwaldungsfrei zu gestalten und mögliche Schlupflöcher vor der Ver- abschiedung zu schließen, braucht es uns! Moritz Heck, ROBIN WOOD-FÖJ, Hamburg Waldzerstörung in den Karpaten stoppen! Brüssel, 28. Februar 2022: Die Zerstörung wertvoller Natura Rumänien und Fern aus Belgien, forderte von der EU-Kom- 2000-Wälder in den rumänischen Karpaten geht – trotz mission das 2020 begonnene Verfahren zügig voranzu- eines laufenden Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kom- treiben und den Fall vor den Europäischen Gerichtshof zu mission gegen die rumänische Regierung – unvermindert bringen. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, weiter. Ein Bündnis aus sieben Waldnaturschutzorganisa- überreichten Vertreter*innen des Bündnisses der EU-Kom- tionen, darunter ROBIN WOOD, EuroNatur, Agent Green aus mission in Brüssel ihre Forderungen zusammen mit einem neuen Kurzfilm über die Problematik. Der Film, den ROBIN WOOD für das NGO-Bündnis drehte, zeigt symbolisch, wie die Ur- und Naturwälder der EU zu Grabe getragen werden Foto: Moritz Heck und kritisiert die unzureichende Durchsetzung der Natura 2000-Gesetzgebung. In Rumänien liegen die größten zusammenhängenden Bu- chenwälder Europas – ein wertvolles Weltnaturerbe. Die EU hat sie als Natura-2000-Gebiete unter Schutz gestellt. Doch in der Praxis wird ihr Schutz nicht durchgesetzt. Wenn das Natura 2000-Schutzkonzept Europas wertvollste und größte Ur- und Naturwaldflächen nicht retten kann, droht das Kon- zept als Ganzes zu scheitern. Die Beerdigung der wertvollen Wälder Europas ist in vollem Gange. Den Kurzfilm „An Artistic Act to Act“ finden Sie hier: Foto: ROBIN WOOD/Moritz Heck https://bit.ly/3JFc0kj 8 Nr. 153/2.22
Foto: ROBIN WOOD/Moritz Heck tatorte Wälder statt Holzfabriken! St. Andreasberg, 20. März 2022: Die jährlichen Wald- bislang viel zu wenig Wälder unter Schutz. Dabei sieht die EU- zustandsberichte der Bundesregierung und der Länder Biodiversitätsstrategie, die gefährdete, wildlebende heimische sind seit vielen Jahren alarmierend. Die drei Hitze- und Pflanzen- und Tierarten und deren Lebensräume wirksam schüt- Dürrejahre 2018 bis 2020 haben besonders deutlich ge- zen soll, einen strikten Schutz für zehn Prozent aller Landflächen zeigt, wie anfällig vor allem die naturfernen Fichten- und bis 2030 vor. Um das zu erreichen, müssten hierzulande viel Kiefernforste sind: Über fünf Prozent der Fichten und mehr Waldflächen als Schutzgebiete ausgewiesen werden. Bisher mehr als ein Prozent der Kiefern sind hierzulande allein wird die Waldpolitik von Bund und Länder aber nicht einmal in dieser Zeit abgestorben. Im Harz sind die großflächig den eigenen Anforderungen gerecht. Deutschland hatte sich vor abgestorbenen Fichtenbestände unübersehbar. Der Harz, anderthalb Jahrzehnten das wenig ambitionierte Ziel gesetzt, bis als beliebtes Ausflugsziel weit über die Grenzen Deutsch- 2020 mindestens fünf Prozent der Waldflächen einer natürlichen lands hinweg bekannt, ist damit zum Symbol einer ver- Entwicklung ohne forstliche Eingriffe zu überlassen. Bis 2019 fehlten Waldpolitik geworden. waren es gerade einmal 2,8 Prozent. „Wertvolle Wälder statt Holzfabriken“, forderten die RO- Die neue Bundesregierung steht vor jahrzehntelangen Versäum- BIN WOOD-Aktivist*innen daher auf einem großen Ban- nissen, die zum miserablen Zustand der Wälder geführt haben. ner, das sie im Oberharz bei St. Andreasberg entrollten. Sie muss jetzt dringend – auch gegen Widerstände der Forst- und Die Perspektive der Waldpolitik müsse sich grundlegend Agrarlobby – eine ökologische Waldwende durchsetzen. ändern: weg von der einseitigen Ausrichtung auf Profite aus dem Holzverkauf hin zu einer Wertschätzung der Ute Bertrand, Hamburg komplexen Ökosystemleistungen des Waldes. Gerade angesichts von Klimakrise und Artensterben sind natur- nahe Wälder wichtiger denn je. Mit bei der Aktion vor Ort war auch Lutz Fähser, Waldex- perte und „Vater“ des Lübecker Konzepts zur naturnahen Foto: ROBIN WOOD/Eberhard Linckh Waldbewirtschaftung. „Wir stehen hier im Hochharz vor absterbenden Waldflächen – tote Fichten so weit das Auge reicht. Wir sind Zeuge eines wirklich epochalen Wandels der Natur durch den Klimawandel. Aber keine Panik, bitte lasst die Natur machen! Hier stirbt nicht der Wald, sondern einzelne Bäume und die nächste Wald- generation wartet schon. Auf diese Vielfalt und diese Zusammenhänge weist ROBIN WOOD schon seit 40 Jahren hin!“ Im Nationalpark Harz gibt es jetzt die Chance, dass dort, wo früher öde Fichten-Monokulturen standen, nun Eine ökologische Waldwende forderten Lutz Fähser und Aktive von wilder Wald nachwächst. Doch in Deutschland stehen ROBIN WOOD im Harz zum Tag des Waldes 2022 Nr. 153/2.22 9
tatorte Mehr Fortschritt wagen ist gescheitert Berlin, 18. März 2022: Die neue Bundesregierung war seit sprühten dort mit Kreide den Slogan „Mehr Fortschritt wa- 100 Tagen im Amt. Aus diesem Anlass protestierte ROBIN gen? Fail!“ auf den Boden. WOOD gegen den drohenden klimapolitischen Rollback insbesondere im Verkehrs- und Energiesektor und forderte Die Treibhausgasemissionen stiegen hierzulande im ein wirksames Klimaschutz-Sofortprogramm. Dazu zogen vergangenen Jahr laut aktueller Klimabilanz des Umwelt- die Aktivist*innen vor das Bundeskanzleramt in Berlin und bundesamtes um 4,5 Prozent. Der Verkehrssektor verfehlte das gesetzliche Klimaziel bereits zum zweiten Mal in Folge, insbesondere aufgrund des zunehmenden Güterverkehrs. Foto: ROBIN WOOD Tatsächlich fiele die Bilanz sogar noch schlechter aus, wenn darin auch der internationale und nicht nur der innerdeut- sche Flugverkehr berücksichtigt würde. Der Energiesektor verzeichnete ebenfalls eine absolute Zunahme der Emissio- nen im Vergleich zu 2020. Auch der Gebäudesektor verpass- te erneut das für ihn definierte Klimaziel. In Folge des Ukraine-Kriegs droht der Klimaschutz weiter ins Hintertreffen zu geraten, so dass die Klimabilanz für 2022 so- gar noch schlechter ausfallen dürfte: Angesichts steigender Benzinpreise kommen aus der Bundesregierung Forderun- gen nach Tankrabatten. Bundeskanzler Olaf Scholz macht sich zudem dafür stark, dass Milliarden-Beträge in neue Flüssiggas-Häfen investiert werden, obwohl dadurch fossile Abhängigkeiten über Jahrzehnte hinweg zementiert würden. Zudem wird mit einer verstärkten Nutzung von Kohlekraft- werken in den kommenden Monaten und Jahren gerechnet. Stoppt das Verbrennen von Waldholz! Wels, 6. April 2022: Aktivist*innen von ROBIN WOOD aus Viele Holzkraftwerke und Holzpelletfabriken in Europa ver- Deutschland und dem Clean Air Committee aus den Nieder- wenden, entgegen ihrer Behauptung der Nutzung von Rest- landen protestierten bei der European Pellet Conference holz und Sägeabfällen, offenbar jetzt schon direkt aus dem 2022 gegen die Verbrennung von Holz in Großkraftwerken. Wald geschlagenes Stammholz, wie der Anfang April von Sie hängten ein Banner mit der Aufschrift “Don’t burn our der Forest Defenders Alliance veröffentlichter Report offen forests for Energy!“ in die Bäume vor dem Haupteingang der legte. Der Biomasseverband und der Waldverband Öster Stadthalle in Wels, in der die renommierte Konferenz stattfand. reichs fordern hingegen „Holzreserven zur Überwindung der Energiekrise“ als Alternative zu fossilen Energieträgern aus Russland durch „verstärkte Waldpflegemaßnahme“ zu verwenden. Doch mehr Wald abzuholzen und zu verbrennen, hilft nicht Foto: ROBIN WOOD/Eberhard Linckh bei der Bewältigung der Energiekrise, sondern befeuert die weltweite Klimakrise. Europa nutzt derzeit 80 Prozent des jährlich nachwachsenden Holzes. Etwa die Hälfte davon wird sofort verbrannt, weitere 30 bis 35 Prozent werden für kurzlebige Produkte verwendet, die innerhalb von ein bis zwei Jahren als CO2-Emission enden. Wollten wir nur zehn Prozent der fossilen Energieträger, die wir aus Russland im- portieren, durch Energie aus Holz ersetzen, müssten wir 60 Prozent mehr Holz verbrennen. Die Aktiven machten sich für einen Stopp der Subventionen für die Holzverbrennung stark. Das Geld müsse unbedingt Gegen das Verbrennen von Holz in Großkraftwerken: Protest in in den Ausbau tatsächlich Erneuerbarer Energien wie Solar- Foto:Bäumen den ROBIN WOOD/Eberhard Linckh in Wels/Österreich vor der Pelletkonferenz und Windenergie oder Wärmepumpen investiert werden. 10 Nr. 153/2.22
tatorte Keine fossilen Scheinlösungen Hamburg, 8. April 2022: Anlässlich des „LNG and Future Fuels Die DUH hat mit Rechtsgutachten nachgewiesen, dass die Forums“ demonstrierte ein Bündnis aus Umweltgruppen vor geplanten Terminals in Stade, Brunsbüttel sowie das Uniper- dem Konferenzort gegen Scheinlösungen beim Klimaschutz Projekt in Wilhelmshaven an den vorgeschlagenen Standor- und die Schaffung neuer fossiler Abhängigkeiten. Diskus- ten nicht genehmigungsfähig sind. Grund dafür sind neben sionsgegenstand des Forums waren künftige Antriebsmög- störfallrechtlichen auch naturschutzrechtliche Gründe. lichkeiten für die Schifffahrt, zu denen laut Programm auch LNG und weitere, auf fossilen Energieträgern basierende Ansätze gehören. Durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine droht Deutschland in weitere fossile Abhängig- keiten zu rutschen. Das Bündnis, dem neben ROBIN WOOD und der Deutschen Umwelthilfe (DUH), das Klimabündnis gegen LNG und die BUND-Landesverbände Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen angehören, kritisierte das Festhalten an fossi- len Geschäftsmodellen und den damit einhergehenden Wild- wuchs an neuen LNG-Importterminalplänen in Deutschland. Die deutsche LNG-Debatte würde ohne den Blick auf die besonders starke Klimaschädlichkeit von LNG und die Ge- fahr der Importe von Fracking-Erdgas geführt. Stattdessen forderte das Bündnis, jetzt konsequent auf Einsparung, Er- neuerbare Energien und Energieeffizienz zu setzen. Foto: BUND Hamburg Züge statt Flüge Köln, 11. April 2022: Zu Beginn der Reisezeit über die Osterferien warnte ROBIN WOOD mit einer Protestaktion am Flughafen Köln/Bonn vor einem starken Wiederanstieg des Flugverkehrs. Die Aktivist*innen demonstrierten in der Abflughalle für ein Verbot von Kurzstreckenflügen und den Ausbau klimafreund- licher Reisealternativen. Trotz der noch hohen Infektionszahlen erreichen die Fluggast- zahlen global gesehen aktuell wieder mehr als 80 Prozent des Niveaus vor der Pandemie. Allein der Flughafen Köln/Bonn Fotos: ROBIN WOOD erwartete 450.000 Flugreisende über die Osterferien. Fehl- geleitete Subventionen sowie ein irreführendes Marketing der Flugindustrie führen dazu, dass Fliegen für die meisten Reisen- den attraktiv gemacht wird und der massive Klimaschaden stark unterschätzt wird. Wichtige politische Instrumente für eine Reduktion des Flugverkehrs, vor allem eine Kerosinsteuer, fehlen bislang. Das Aus für Kurzstreckenverbindungen, die mit einer Bahnalternative von vier Stunden ersetzbar sind, würde pro Jahr mehr als eine Million Tonnen CO2 einsparen. Tatsächlich profitiert die Flugindustrie jedoch von massiven Subventionen durch Steuergelder. Der Flughafen Köln/Bonn ist ein besonders drastisches Beispiel: Zwischen 2014 und 2017 verzichtete der öffentlich finanzierte Flughafen auf einen großen Teil der fälligen Nutzungsgebühren und verschenkte so rund 130 Millionen Euro vor allem an Billig-Airlines. Auch während der Corona-Pandemie wurde der Flughafen mit Steuergeldern in Für ein Verbot von Kurzstreckenflügen: ROBIN WOOD-Ak- Millionenhöhe subventioniert, weitestgehend ohne Auflagen. tive im Gespräch mit Fluggästen am Köln/Bonner-Flughafen Nr. 153/2.22 11
wald März 2022: Auch 40 Jahren nach Gründung von ROBIN WOOD geht es den bundesdeutschen Wäldern schlecht. Deshalb forderten die Aktivist*innen mit einer spektakulären Aktion zum Tag des Waldes im Harz „Wertvolle Wälder statt Holzfabriken“! Foto: Moritz Heck/ROBIN WOOD 12 Nr. 153/2.22
wald 40 Jahre und keine Spur von Midlifecrisis ROBIN WOOD bleibt aktiv für den Wald! Juchu, ROBIN WOOD wird 40 Jahre Deshalb haben wir in unserem Geburts- und gleichzeitig die Richtung benennt, alt! Ein kleiner Verein, im November tagsjahr den Tag des Waldes 2022 ge- in die es gehen sollte. Beeindruckend 1982 in Bremen angetreten, um die nutzt und unsere Forderungen weithin war der Moment, als die Harzer Schmal- Wälder zu retten. Unermüdlich in der öffentlich bei einer Aktion transpor- spurbahn an uns und unserem Banner Sache aktiv und dabei immer vielfäl- tiert: Wir sind mit Aktiven und alten vorbeifuhr und ihr ausgedehntes Hupen tig. Das war nur durch Hunderte von Freund*innen in den Harz gefahren. hören ließ. Am nächsten Tag fuhr eine ehrenamtlich Aktiven und durch Ihre An einen Ort, der wie kaum ein anderer ROBIN WOOD-Aktive mit eben dieser Unterstützung möglich. Unsere Arbeit für das derzeitige Waldsterben und für Bahn auf den Brocken. Ein Schaffner ist heute so wichtig wie eh und je. eine verfehlte Waldpolitik in Deutsch- erkannte sie an ihrem grünen Pulli und land steht. Abgestorbene Fichten- erzählte ihr, wie sehr ihn die Aktion Die Ursachen der Waldschäden der plantagen soweit das Auge reicht. Ein gefreut hätte. 80er Jahre des letzten Jahrhunderts schockierendes, apokalyptisches Bild haben wir gemeinsam bekämpft und selbst für Hartgesottene. Die ROBIN WOOD-Aktiven erlebten den auf unserem Weg Erfolge erzielt. Ent- Tag mit guten alten Freunden: Rudolf schwefelungsanlagen sind inzwischen Doch wir wären nicht ROBIN WOOD, Fenner, der 29 Jahre Waldreferent bei in allen Schloten Pflicht. Doch den wenn wir nicht am Boden der abge- ROBIN WOOD war und Forstamtsleiter Wäldern in Deutschland geht es heute storbenen Plantagen schon den neuen, i.R. Lutz Fähser, den eine 40-jährige schlechter als je zuvor. Die Emissionen, vielfältigeren und widerstandsfä- Geschichte mit ROBIN WOOD verbindet. vor allem der Stickstoff aus der Land- higeren Wald sprießen sähen. Jede Gemeinsam stellten wir unsere Forde- wirtschaft, der Klimawandel und seine abgestorbene Plantage birgt die Hoff- rungen an die Politik und feierten unser Extremwetterereignisse setzen den nung auf mehr Struktur im Wald der Geburtstagsjahr. Zeugnis davon sind ein Wäldern zu. Zukunft. Und so spannten wir während Aktionsvideo, einige Kurzinterviews und unserer Exkursion an verschiedenen Glückwünsche, die Sie auf unserem You- Die intensive Forstwirtschaft tut ein Orten im Harz unser 12 Meter langes Tube-Kanal in der Playliste „Wald“ finden. Übriges. Ein unzureichendes Waldge- und 4 Meter hohes Banner: “Wertvolle setz, ein Defizit an Schutzgebieten und Wälder statt Holzfabriken!“ Eine Forde- Jana Ballenthien, ROBIN WOOD- eine für die Wälder ungebührliche Art rung, die ausdrückt, was falsch läuft, Waldreferentin Profit zu erwirtschaften, schwächen die Wälder zusätzlich. Im April 2022 wurde bekannt, dass die Schadflächen nach den drei Dürresommern 2018 bis 2020 fast doppelt so hoch sind wie bisher von der Bundesregierung angenommen. Und der Druck auf die Wälder erhöht sich weiter. Der Bedarf an Papier, Bau- holz und Brennholz ist gestiegen. Etwa ein Drittel des geernteten Holzes wird aktuell verbrannt. Tendenz steigend. Doch wir bleiben dran! Die neue Bundesregierung will dringend nötige Reformen in der Waldpolitik in Gang setzen: An das Waldgesetz wolle man ran, das Verbrennen von Holz in Kraftwerken stehe zur Debatte. ROBIN WOOD wird diese Ankündigungen und Pläne kritisch kommentieren und 1983 im Schwarzwald: Die ROBIN WOOD-Aktiven machten mit einer spektakulären begleiten. Aktion auf das Waldsterben aufmerksam Nr. 153/2.22 aa 13
wald Europas letzten Urwäldern droht die Kettensäge - immer noch! Mit spektakulären Aktionen hat ROBIN WOOD mit seinen • Endlich: Die EU-Kommission leitet ein Vertragsverlet- Partner*innen vor Ort Druck gemacht, dass die rumäni- zungsverfahren gegen Rumänien ein, da die rumänische schen Buchenwälder nicht den Kettensägen zum Opfer Regierung die Buchenurwälder nur unzureichend vor fallen. Unser Protest hat erreicht, dass die EU gegen Ru- Abholzung schützt. Und die Nationalstraße, die quer mänien ein Vertragsverletzungsverfahren anstrengt. Aber durch die einmalige Naturlandschaft der rumänischen noch geht der Waldfrevel in den Karpaten weiter. Hier folgt Karpaten führen sollte, wird nicht gebaut. eine Chronologie des Kampfes für die Natur- und Urwälder Rumäniens und Europas. • Dann folgt Corona und bremst uns aus. Aktionen müssen abgesagt werden, die Welt scheint stillzustehen, wartet, was kommt, wie es weiter geht. Frühjahr 2019: • Was weitergeht, ohne das wir es mit bekommen, sind • ROBIN WOOD-Aktive besuchen die Karpaten in Ru- die illegalen Einschläge in der karpatischen Buchen- mänien. Der Anblick macht fassungslos: Uralte Baum- wälder. riesen fallen den Kettensägen zum Opfer. Selbst unter Schutz stehende Wälder werden radikal abgeholzt für • Wir erweitern unsere Kampagne um die Petition „Euro- Spanplatten und Holzschnitzel. päischen letzte Urwälder retten!“. Die Karpaten aber bleiben im Blick, denn der Präzedenzfall ist gleichbe- • Start der ROBIN WOOD-Kampagne: Rumäniens Ur deutend für alle Wälder innerhalb der EU, die aufgrund wälder retten! der Natura2000 unter Schutz stehen. • Bei einer Aktion vor der rumänischen Botschaft in • Rumänien erlässt ein paar „Gesetzchen“, die EU scheint Berlin rückt ROBIN WOOD mit der Kettensäge an. Als vorerst befriedet. Gemeinsam mit unseren Partnern Waldarbeitende verkleidet setzen Aktivist*innen mit lässt ROBIN WOOD nicht locker! Säge und Baumstamm das Roden der Wälder ins Bild. Oktober 2021: Juli 2019: • Erneut werden Journalist*innen in den rumänischen • Über ein tiefes Tal im Nationalpark Domogled-Valea Karpaten angegriffen. Wir sind bestürzt, als wir erfah- Cernei in Rumänien spannen wir ein 50 Meter langes ren, dass ein Mob von 20 Menschen Waldnaturschützer Banner. Mit dieser spektakulären Kletteraktion machen angreift. Unsere Solidarität und unser Mitgefühl sind wir der rumänischen Regierung klar: Wir lassen nicht bei den Menschen in Rumänien, die sich gegen die locker. Unser Protest richtet sich gegen den geplanten Holzmafia stellen. Das EU-Verletzungsverfahren gegen Ausbau einer Nationalstraße mitten durch den Natio- Rumänien gerät ins Stocken. nalpark und die Kernzone des UNESCO-Weltnaturerbe- Gebietes. Februar 2022: Oktober 2019: • Wir drehen einen Kunstfilm, tragen darin die Buchenwäl- der zu Grabe und übergeben den Film der EU Kommission! • Der Waldrancher Raducu Gorcioaia und der Forstin spektors Liviu Pop werden grausam ermordet. Herzlichen Dank an alle, die unsere Kampagne: „Rumä- niens Wälder retten“ möglich gemacht haben! Bitte helfen Februar 2020: Sie weiterhin mit Ihrer Spende, mit Ihrer Unterschrift oder bei Aktionen die letzte Urwälder Europas zu retten und die • Zur Waldkonferenz der EU ist ROBIN WOOD vertreten Kettensägen dauerhaft zum Schweigen zu bringen. Und durch eine bärige Protestaktion. In Brüssel platzieren schauen Sie sich auch den ROBIN WOOD-Film: „An Artistic wir unser gewaltiges Banner vor dem Hauptsitz der EU- Act to Act auf unserem Youtube-Kanal, youtube.com/ Kommission. „SAVE EUROPEAN PRIMARY FORESTS!”– robinwoodvideo im Internet an. „Rettet Europas Urwälder!“ – unsere Forderung ist für die Konferenzteilnehmenden unübersehbar. Jana Ballenthien, ROBIN WOOD-Waldreferentin wald@robinwood.de 14 Nr. 153/2.22
wald Foto: Stephan Röhl/ROBIN WOOD Foto: Rudolf Fenner Foto: ROBIN WOOD 2019, Berlin Frühjahr 2019: Kahlschlag in rumänischen Wäldern Foto: Knut Hildebrandt Foto: ROBIN WOOD/Eberhard Linckh 2019: Hier sollte eine Na- tionalstraße mitten durch streng geschützte Gebiete gebaut werden 2019: Nationalpark Domogled-Valea Cernei in Rumänien Foto: ROBIN WOOD/Minierva Vincza Februar 2022 Foto: ROBIN WOOD Februar 2020, Brüssel Foto: ROBIN WOOD/Eberhard Linckh Nr. 153/2.22 aa 15
tatorte Kein Handel mit russischem Holz Der Krieg in der Ukraine schockiert hängte, um die russische Holzverarbei- die Einfuhr aller Arten von russischem uns alle zutiefst. Neben dem unsäg- tung zu unterstützen. Seit Beginn des und weißrussischem Holz und Holz- lichen direkten Leid der Menschen hat Kriegs kam jedoch auch der restliche produkten einschließlich aller Papier- der Krieg auch Auswirkungen auf alle Import und Export von Holz und Holz- produkte, Möbel und Möbelteile, Bereiche des sozialen und wirtschaft- produkten zwischen der Europäischen Pellets und Schnittholz zu verbieten. lichen Lebens. Auch die Wälder und Union und Russland weitestgehend Zumindest die drei großen Zertifizierer der Holzhandel sind davon betroffen. zum Erliegen. für Holz, FSC, PEFC und SPB, entschie- den sich am 8. bzw. 9. März, Holz und Schon immer zogen Kriege die Wälder Bereits am 2. März kündige Stora Enzo, Holzprodukte aus Russland und Bela- in Mitleidenschaft. Sei es, weil sie für das zweitgrößte Forstunternehmen der rus von ihren zertifizierten Produkten den Hunger der Rüstungsindustrie Welt, an, die Produktion und den Ver- auszuschließen. gebraucht wurden oder weil sie von kauf in Russland und auch alle Ex- und gegnerischen Kriegsparteien zerstört Importe nach und aus Russland bis auf Am 11. März veröffentlichte die wurden. Manchmal waren sie die letzte Weiteres einzustellen. Einen Tag später, Organisation Earthside eine Recher- verbliebene Quelle an Nahrungsmit- am 3. März, schlossen sich das Möbel- che, nach der „russische Oligarchen teln und Rohstoffen der kriegsgebeutel- unternehmen IKEA und das größte mit engen, seit langem bestehenden ten Bevölkerung. Schon immer nutzen genossenschaftlich organisierte Forst- Verbindungen zu Wladimir Putin auch Flüchtende ihren Schutz. und Papierunternehmen Europas, die hinter den größten Holzeinschlags- Metsä Group, mit ähnlich lautenden unternehmen und Exporteuren von Anfang Januar verhängte Putin ein Mitteilungen an. Holzprodukten des Landes stehen.“ Exportverbot für Rundholz Die „Unternehmen (…) gehören zu den Am 9. März zog der größte Papier- größten Exporteuren von russischem Russland ist bzw. war der größte Holz- konzern Europas, UPM, nach. Er hatte Holz nach Europa, in die USA und nach exporteur der Welt. Nach Recherchen bereits am 3. März den Export nach Japan. Ihr Schnittholz, Sperrholz und von Wood Resources International Russland gestoppt. Eine Woche später Papier wird von großen Einzelhandels- exportierte Russland 2020 rund 15 Mio. entschied UPM den Einkauf russischen ketten wie Leroy Merlin verkauft, in Kubikmeter Rundholz. Das entspricht Holzes einzustellen. Die vier Unter- hochkarätigen Bauprojekten wie für annähernd 12 Prozent des weltweit ge- nehmen blieben vorerst die einzigen, die Olympischen Spiele in London und handelten Rundholzes. die sich zu dieser vorbildlich schnellen dem Trump Tower Toronto sowie in Seit Anfang des Jahres 2022 brach die- Reaktion entschieden. Daran änderte der Verpackung von Mars und Kitkat- ser Markt ein, da Präsident Putin schon auch der Aufruf von 120 Umwelt- und Süßigkeiten verwendet. Gemeinsam zum 1. Januar ein Exportverbot ver- Menschenrechtsorganisationen nichts, kontrollieren diese mit Oligarchen 16 Nr. 153/2.22
wald Foto: iStock/Natalya Bosyak verbundenen Unternehmen russische sen aus Belarus unter Strafe zu stellen. einem Politikum das Ökosystem Wald Wälder, die zusammen so groß sind wie Erst am 8. April wurden derartige Re- im Krieg werden kann. Frankreich. Wälder, in denen wertvolle gelungen auch für Holz und Holzpro- Wildtiere wie sibirische Tiger, Luchse dukte aus Russland entschieden. Die Der Wald als Zufluchtsort? und Braunbären leben. Viele der hier Umbrüche im Holzhandel verursachten vorgestellten Lieferanten und Käufer bereits Anfang März einen Preisanstieg Viele Flüchtende, die in den letzten Mo- wurden bereits wegen illegaler oder in Österreich und Deutschland von naten hinter der ukrainischen Grenze zerstörerischer Abholzung hochwerti- Holz von rund 20 Prozent. in den polnischen Wäldern Zuflucht ger Wälder in Russland oder wegen des suchten, fühlten sich dort keinesfalls Kaufs von illegalem russischem Holz Die ukrainischen Wälder für die sicher. Nicht möglich? Doch! aufgedeckt.“ Diese Recherche machte russische Armee? Und zwar erlebten das all die Men- klar, dass der freiwillige Handelsver- schen, die auf der Flucht aus Afgha- zicht einzelner Unternehmen nicht Ein gänzlich anderes die Wälder be- nistan, Syrien und anderen außer- ausreicht, damit die Holzbranche nicht treffendes, verstörendes Dokument europäisches Ländern waren und sind. in Putins Kriegskasse einzahlt. veröffentlichte der ukrainische Ge- Sie frieren und leiden in den Wäldern heimdienst am 16. März: Danach plane Polens, nachdem sie die belarussisch- Am 11. März schlug das russische Russland eine massive Abholzung der polnische Grenze übertreten haben. Sie Industrie- und Handelsministerium ukrainischen Wälder, um Platz für Be- harren dort aus und es ist unter Strafe höchst selbst vor, die Ausfuhr von Holz festigungen, Verteidigungsanlagen und gestellt, ihnen Essen, Medizin und und holzverwandten Produkten wie andere militärische Zwecke zu schaf- andere Hilfe zukommen zu lassen. Rohstoffen für die Papier- und Sperr- fen und den Erlös aus dem Holz dem holzproduktion in „unfreundliche russischen Verteidigungsministerium Denn so wundervoll und richtig die un- Länder“ bis zum Ende dieses Jahres zur Verfügung zu stellen. „Das letzte endliche Hilfsbereitschaft gegenüber zu verbieten. So war die Europäische Mal, dass dies auf dem Territorium der den flüchtenden Menschen aus der Union in ihrer schleppenden Entschei- Ukraine geschah, war während der Ukraine ist, so unbarmherzig und un- dungsfindung aus dem Schneider. Nazi-Besetzung“, so das Direktorat des menschlich tritt die „Festung Europa“ Die Europäische Kommission und die ukrainischen Geheimdienstes, „als die Menschen gegenüber auf, die aus an- national zuständigen Behörden aus Invasoren materielle und natürliche deren Kriegs- und Krisengebieten über 27 europäischen Ländern, die meisten Werte zerstörten und exportierten.“ die Route Belarus-Polen bei uns Zu- davon EU-Mitgliedstaaten, rangen sich Ein Ökozid sei geplant. Das Dokument flucht suchen. Die wenigen Aktivist*in- dann am 16. März durch, zumindest die konnte nicht eindeutig auf Echtheit nen, die trotz der drohenden Strafen Einfuhr von Holz und Holzerzeugnis- überprüft werden, zeigt aber, zu welch helfen, sind die wahren Held*innen der Nr. 153/2.22 17
wald Holzmangels durch eine Steigerung des Foto: iStock/Tatjana Strilchuk Abholzens anderer wertvoller Wälder, z.B. in den Karpaten oder in Skandina- vien. Im schlimmsten Fall verlieren wir zeitgleich auch die russischen Wälder an die Rüstungsindustrie. Schon immer haben die Wälder unter den Kriegen gelitten. Und die mutwil- lige Zerstörung von Ökosystemen der gegnerische Kriegspartei ist altbekann- te, traurige Praxis. Doch was uns und die Wälder noch grundlegender und weitreichender treffen wird, ist der mögliche Trend, aufgrund des Wegfalls von russischem Gas die großindustriel- le Verbrennung von Wäldern voran- zutreiben. Mit unserer ROBIN WOOD- Kampagne gegen das Verfeuern von Geflüchtetenarbeit Polens. Die Grenz- und Klima ließ bei der Vorstellung der Wäldern zeigen wir schon lange, wie wälder Polens sind stumme Zeugen Novelle des Erneuerbaren-Energien- hoch der Druck auf die Wälder weltweit dieser fortwährenden europäischen Gesetzes am 3. März verlautbaren, es durch den europäischen Energiehun- Menschenverachtung. könne kurzfristig zu einer Stärkung der ger ist. Bioenergie kommen. Der Wald und die Energiepolitik Die EU reagierte hingegen in ihrem am Der Zusammenhang zwischen steigen- 3. März mit einem aufgrund der russi- den Abholzungen und Kahlschlägen Mit dem Überfall der russischen Armee schen Invasion der Ukraine erstellten und dem Bedarf an Energieholz ist im auf die Ukraine ging auch ein Ruck Energieplans dagegen einigermaßen letzten Jahrzehnt unübersehbar. Wir durch die europäische Energiepolitik. besonnen – kein Ruf nach Kohle- oder dürfen das CO2 unserer Wälder nicht Die Abhängigkeit von russischem Atomenergie. Die EU bleibt bei Gas, noch beschleunigter in die Atmosphäre Gas wurde schlagartig zum Problem. Gas und nochmals Gas und nennt als blasen, wertvolle Habitate zerstören Schnell wurden Rufe nach einem Stopp weitere Maßnahme den Ausbau der und uns der Klimaminderungsleistung des Kohleausstiegs und gar nach einer Erneuerbaren Energien. Biomasse oder der Wälder entledigen! Rückkehr zum Atomzeitalter laut. Die gar Energieholz werden nicht explizit Wenn wir diesem Trend jetzt keinen ersten praktischen Schritte der Bundes- genannt. Für den privaten Sektor ist Riegel vorschieben, hat Putin einen er- regierung verhießen nichts Gutes: Flüs- jedoch schon eine starke Zunahme an heblichen und über Jahrzehnte hinweg siggasterminals in deutschen Häfen Brennholzkäufen und Pelletkäufen wirkenden Beitrag dazu geleistete, und Habecks Besuch in Katar zemen- auszumachen. Viele Hausbesitzende unsere Klimaziele zu verfehlen und tierten klima- und artenschädliche füllen bereist jetzt, also weitaus früher den Planeten an zuheizen. Ein erster Wärme- und Energiestrategien, soziale als sonst, ihre Holzlager für den nächs- wichtiger Schritt wäre es, Holz in der Ungleichheiten und die Abhängigkeit ten Winter. Erneuerbaren-Energie- Richtlinie der von despotischen und menschen- EU nicht mehr als erneuerbare Energie rechtsverletzenden Staaten. Dem Aus- Krieg und Wald - ein Fazit und damit nicht mehr als förderungs- bau von Erneuerbaren Energien wurde würdig zu bewerten. Der Krieg darf unterdes weit weniger Raum einge- Der Krieg Russlands in der Ukraine wir- nicht vor dem Hintergrund einer seit räumt. Und dazu – als könne es immer belt den Holzmarkt Europas durchein- Jahrzehnten vermasselten Energie- noch schlimmer kommen – wurde der ander. Russland als größter Holzexpor- und Wärmewende dazu führen, dass Rohstoff Holz von der Energieholzlobby teur der Welt, ist raus aus dem Geschäft nun unsere Wälder verfeuert werden. mit Nachdruck als Austauschstoff für – zumindest aus dem europäischen. Gerade auch in Kriegszeiten müssen Gas und Kohle ins Gespräch gebracht. Das ist richtig so. Angesichts eines in wir in Europa jetzt die richtigen Signale Europa tobenden Kriege sollten Preis- senden, dass auch dem Artensterben Die österreichische Holz- und Bio- steigerungen beim wertvollen Rohstoff und der Klimakrise strikt begegnet massebranche reagierte schon am 2. Holz tragbar sein. Was diese Markt- wird. Unsere Wälder müssen deshalb März mit einer gemeinsamen Presse- verschiebung konkret für die Wälder unantastbar werden für die Verbren- mitteilung. Sie forderte einen massiven bedeutet, kann bisher nur gemutmaßt nungskessel der Kraftwerke – für den Ausbau der Biomasse, unterstützt werden. Im besten Falle wird global Frieden! durch staatliche Subventionen von deutlich sparsamer mit dem Rohstoff zwei Milliarden Euro. Und das deutsche Holz umgegangen. Wahrscheinlicher Jana Ballenthien, ROBIN WOOD- Bundesministerium für Wirtschaft ist die schnelle Kompensation des Waldreferentin, wald@robinwood.de 18 Nr. 153/2.22
wald Foto: ROBIN WOOD/Eberhard Linckh Wels, 6. April 2022: Protest gegen die klima-, arten- und gesundheitsschädliche Holzverbrennung vor der international führenden Pellet-Konferenz in Österreich Weiter auf dem Holzweg Vor etwa einem Jahr startete ROBIN WOOD eine Petition, verbrennt Vattenfall in den Kraftwerken Märkisches Viertel die sich gegen die Verbrennung von Biomasse in Großkraft- und Moabit. Nun plant das Unternehmen, seine Produktion werken in Deutschland richtet. Dank Ihrer Unterstützung bis 2027 auf fast das Sechsfache, nämlich 450.000 Tonnen, haben wir inzwischen weit mehr als 75.000 Unterschriften zu steigern. Doch woher soll die Holzbiomasse für Berlin gesammelt! Und unsere Kampagne hat erste Erfolge: So und all die vielen anderen Standorte kommen? ist der Ausbau des Tiefstack-Kraftwerks in Hamburg erst einmal gestoppt! Doch an anderen Standorten gehen die Die Holzheizwerke Cuxhaven GmbH baut bereits seit 2020 Planungen für die Verbrennung von Holzbiomasse weiter ein neues Holzkraftwerk auf dem Cuxhavener Hafenge- oder nehmen Fahrt auf. ROBIN WOOD bleibt dran! Auch lände. Woher das Holz dafür kommen soll, ist unklar. Klar auf EU-Ebene sind wir weiter aktiv, denn die Richtlinien zur ist aber, dass die Lage am Hafen besonders gut für Schiffs- Holznutzung werden dort für alle Mitgliedsstaaten geregelt. importe geeignet ist. Damit würden wir weiter Wälder in anderen Ländern für unseren Energie- und Wärmehunger Als wir die Petition gegen die Verbrennung von Holz in zerstören. Trotz der Bedenken eines breiten Protestbündnis- Großkraftwerken starteten, lag unser Schwerpunkt auf der ses gegen das Holzheizwerk wird weitergebaut. Deshalb ver- geplanten Umrüstung der Kohlekraftwerke in Hamburg und anstalteten wir Anfang des Jahres mit dem BUND Cuxhaven, Wilhelmshaven. Seitdem hat sich viel getan. Die Umrüstung Parents for Future Cuxhaven, Fridays for Future Cuxhaven, des Tiefstack-Kraftwerks in Hamburg ist ins Stocken geraten den Grünen, der Deutschen Umwelthilfe, Biofuelwatch aus und liegt seit fast einem Jahr auf Eis. Was wir nun brau- Großbritannien und Save Estonian Forests eine Onlinekonfe- chen, ist eine klare Aussage, dass diese Pläne nicht weiter renz und luden die Kraftwerkbetreiber, Politiker*innen und verfolgt werden. Aber die Biomasseunternehmen erwägen die Menschen vor Ort ein, das Thema zu diskutieren. Viele weitere Standorte für die Verbrennung von Holzbiomasse in Interessierte, auch aus der Lokalpolitik, ein Mitglied des Eu- Deutschland, z.B. in Cuxhaven, Duisburg, Bremen, Mann- ropäischen Parlaments und selbst der zukünftige Betreiber heim, Hannover und Berlin. nahmen an der Onlinekonferenz teil und diskutierten rege. Die Behauptung des Betreibers, dass Holzverbrennung in Berlin plant klimaneutral zu werden. Im Rahmen dessen hat Cuxhaven nachhaltig sei, konnten leicht widerlegt werden. die Stadt im vergangenen Jahr eine Vereinbarung mit Vat- tenfall unterzeichnet, die vorsieht, dass das Unternehmen Auch in Duisburg brodelt es. Das Kohlekraftwerk Walsum die Stadt in den nächsten zehn Jahren mit Energie aus „nach- 10, das seit 2013 in Betrieb ist, soll nach dem Kohleverstro- haltiger“ Biomasse versorgt. Bereits 88.000 Tonnen Holz mungsbeendigungsgesetz bald schließen. Die Eigentümer Nr. 153/2.22 19
wald überlegen sich Alternativen. Eine davon ist die Umrüstung betreibt, haben wir glücklicherweise einige Mitglieder des auf Holzbiomasse. Im Februar veranstalteten wir dazu eine EU-Parlaments auf unserer Seite und auch einige Kommis- Onlinekonferenz und luden Umweltverbände sowie Vertre- sionsmitglieder kommen ins Grübeln. Unsere zuständigen ter*innen der politischen Parteien aus Duisburg ein. Schnell Minister*innen im Europäischen Rat werden von uns durch war klar, dass niemand die Umrüstung auf Holzbiomasse für Briefe und Gespräche beraten und wir legen Hoffnung auf eine gute Lösung hält. Wir beschlossen einen offenen Brief eine progressive Position Deutschlands als Mitgliedstaat. an den Treuhänder zu schreiben, der das Unternehmen nach Aktuell sind wir dabei, auch die nationalen Entscheidungs- finanziellen Problemen übernommen hatte. In unserem träger, allen voran Bundesumweltministerin Steffi Lemke Brief warnten wir den Treuhänder vor den Auswirkungen und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, an ihre der Verbrennung von Holzbiomasse und forderten ihn auf, Verantwortung zu erinnern. Wir konfrontieren sie mit dem diese Pläne sofort zu stoppen. Stand der Forschung und den Bildern, die die zerstörerische Energieholzproduktion verdeutlichen. Zusätzlich zu den von ROBIN WOOD organisierten Online- konferenzen wurde unsere Waldreferentin Jana Ballenthien Am 6. April fuhren ROBIN WOOD-Aktive nach Österreich. zu verschiedenen Veranstaltungen zum Thema Wald und Dort fand die nach eigener Aussage führende internationale Biomasseverbrennung eingeladen, z.B. zum renommierten Pellet Konferenz, die “European Pellet Conference“ statt. Die Alternativen Bioökonomiegipfel des denkhausbremen und deutsche Pelletindustrie und auch der weltgrößte Pelletpro- zu einer Veranstaltung von WeMove gegen das Verfeuern duzent Enviva waren vor Ort. ROBIN WOOD protestierte zu- unserer Wälder, an der über 100 Menschen teilnahmen. Es sammen mit dem niederländischen „Comité Schone Lucht“ ist motivierend zu sehen, wie viele Menschen wir so errei- und Unterstützer*innen aus Wien vor dem Haupteingang chen konnten. Tag für Tag entlarven wir den Mythos, dass mit einer augenfälligen Kletteraktion mit großem gelben die Verbrennung von Biomasse klimafreundlich ist. Banner. Wir signalisierten: An unserem Protest kommt ihr nicht vorbei, auch nicht in Österreich, einem Land, in dem Wir sind weiterhin auf EU-Ebene aktiv der Protest gegen die klima-, arten- und gesundheitsschäd- liche Holzverbrennung erst startet. Die Verbrennung von Holzbiomasse wird auf EU-Ebene im Rahmen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) als eine Future on Fire: In ganz Europa wird wertvolles Stamm- erneuerbare Energiequelle betrachtet. Dadurch können holz weiterhin verbrannt die EU-Staaten sie auf ihre Ziele für Erneuerbare Energien anrechnen und die Holzverbrennung subventionieren, was Unsere Aktion in Österreich kam zum richtigen Zeitpunkt. die Kosten für Biomasseunternehmen massiv senkt – eine Einen Tag zuvor veröffentlichten wir mit der Forest Defen- Katastrophe für unsere Wälder, unsere Gesundheit und ders Alliance, einem transatlantischen Zusammenschluss unseren Planeten! Im Jahr 2021 schlug die Europäische von Waldnaturschutzorganisationen, zu denen ROBIN Kommission eine Überarbeitung der Erneuerbare-Ener- WOOD gehört, den Report „Future no Fire – How the EU gien-Richtlinie vor, um sie an den europäischen Green Deal Burns Trees in the Name of Renewable Energy“. Darin finden anzupassen. Dies war unsere Chance, etwas zu bewegen. sich zahlreiche Fotos der Holzlager von Holzbiomasse- Seitdem setzen wir uns, gemeinsam mit einem Netzwerk kraftwerken und Pelletproduktionsstätten in ganz Europa. aus Bündnispartner*innen aus anderen EU-Ländern, dafür Nirgendwo, aber wirklich nirgendwo wurden Sägereste oder ein, dass die Verbrennung von Holzbiomasse als Form der Restholz vorgefunden. In ganz Europa landet wertvolles Erneuerbaren Energie aus der Richtlinie gestrichen wird. Stammholz in den Öfen. Die Legende der Nachhaltigkeit der Obwohl die Biomasseindustrie eine starke Lobbyarbeit Holzverbrennung durch das Verbrennen von nicht anders nutzbaren Resten ist mit diesem Report ein für allemal wi- derlegt. Europa und Deutschland – hört auf, unsere Wälder zu verfeuern! Engagieren Sie sich gemeinsam mit ROBIN WOOD für unse- re Wälder. Unterstützen Sie unsere Kampagnen. Beteiligen Sie sich an unseren Aktionen, entweder vor Ort oder über die sozialen Medien. Informieren Sie andere über die Holz- biomasse-Problematik. Treten Sie mit den Mitgliedern des Europäischen Parlaments aus Ihrem Bundesland in Kontakt und fordern Sie sie auf, gegen die Holzbiomasseverbrennung zu stimmen. Denn gemeinsam sind wir stark! Foto: Ole V. Wagner Patricia Ngati & Jana Ballenthien, ROBIN WOOD Hamburg, patricia.ngati@robinwood.de Eine Katastrophe für die Wälder: Die EU stuft die Holzverbren- wald@robinwood.de nung als Erneuerbare Energie ein 20 Nr. 153/2.22
wald Neuer Bericht: Future on Fire Foto: Ole V. Wagner Die Verbrennung von Bäumen zur Gewinnung vermeint- lich Erneuerbarer Energie ist aufgrund ihrer Auswirkungen auf das Klima und das Ökosystem zunehmend umstritten. Anfang April veröffentlichte die Forest Defenders Alliance, ein transatlantischer Zusammenschluss von Waldnatur- schutzorganisationen, zu denen ROBIN WOOD gehört, den Report „Future no Fire – How the EU burns trees in the name of Renewable Energy“. Die Autor*innen haben darin die Verwendung von Baumstämmen („Stammholz“) in mehreren Holzkraftwerken und Holzpelletfabriken in der EU anhand von Satellitenbildern und Fotos vor Ort unter- sucht. Für die deutschen Standorte hat sie ROBIN WOOD dabei unterstützt. Trotz der Behauptung, dass vornehmlich Sägespäne und andere Holzabfälle als Brennstoff genutzt würden, be- weisen die Recherchen, dass auch ganze Baumstämme verbrannt werden. Diese Praxis, so warnen Wissen- schaftler*innen, erhöht die Treibhausgasemissionen und schädigt die Wälder. Mit mehr als 405 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr, die im Rahmen der EU-Politik für erneuerbare Energien als „Null“ gezählt werden, emittiert die Bioenergie etwa so viel CO2, wie die gesamten gemelde- ten Emissionen von Polen oder Italien. Holz, das direkt aus den Wäldern stammt, ist dabei die größte Brennstoffquelle, und etwa die Hälfte des in der EU geernteten Holzes wird zur Energiegewinnung verbrannt. Außerdem importiert die EU zunehmend Holzpellets und Hackschnitzel aus den USA, Kanada, Russland, dem Baltikum und dem globalen Süden, wo riesige Holzpelletfabriken für die Abholzung natürlicher Wälder verantwortlich sind. Deutschland ist noch nicht im Big Business der indust- riellen Verbrennung von Holz. Dennoch lagern an den vereinzelten Holzbiomassekraftwerken riesige Berge von Baumstämmen. Für eine höhere Nachfrage müssen mehr Bäume gefällt werden – das würde die europäischen Wäl- der gefährden. Die Bilder in diesem Bericht sind ein klarer Beweis dafür, dass die Biomasse- und Pelletindustrie in der EU, auch in den neuesten Anlagen, bei weitem nicht nur Sägewerksrückstände oder kleine Äste aus dem Holzein- schlag verwendet, sondern auch Stammholz – genau wie die berüchtigten Pelletproduzenten in weniger regulierten Regionen wie den USA, Kanada und Russland. Die EU-Bioenergiepolitik versagt hier und stellt jedes Jahr Milliarden für eine Industrie bereit, die die Klimaziele und die Ziele zum Erhalt der Biodiversität der EU eindeutig untergräbt. Um der Wälder und des Klimas Willen ist es an der Zeit, dass die EU die Waldbiomasse aus der Richtlinie für erneuerbare Energien herausnimmt. Den kompletten Report finden Sie hier im Internet: https://forestdefenders.eu/wp-content/uploads/2022/04/ FDA-Future-on-Fire-April-5-2022_final.pdf 2021: Protest in Kopenhagen gegen das industrielle Verbrennen von Holz Nr. 153/2.22 21
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