Umweltbildung - Publikation "Zürcher UmweltPraxis" (ZUP)
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Nr. 55 Dezember 2008 Umweltbildung Selber probieren geht über studieren Hochwasserrückhaltebecken Wie der Schutz vor dem Tag x funktioniert Umweltsurvey Was die Bevölkerung zum Umweltschutz meint Feinstaub Wieso es letztes Weihnachten keinen Smog gab Umweltinformation Kanton Zürich
IMPRESSUM I N H A LT S V E R Z E I C H N I S Editorial: Welchen Stellenwert hat die Umwelt? 3 Hinweise zum Vollzug 4 Allgemeines Vermischtes, Publikationen, Veranstaltungen Impressum, Kantonale Webadressen, Bestellkarte 45 51 Winterthurs Weg zu Gold Energie Winterthur gehört zur Champions League der europäischen Energiestädte. Trotz Inversion kein Smog 5 Luft Dank natürlicher Konstellationen an Weihnachten 2007 versteht man heute besser, was gegen Smog hilft. 9 Lärm Wärmepumpen: Erhitzte Gemüter wegen lauter Wärme Vorsorgen, um die Nachbarschaft vor Nebengeräuschen zu schützen. 11 Raum/Landschaft Eine Bodenkundliche Baubegleitung zahlt sich für Bauherren aus Erfahrungen mit dem «Spezialbauwerk» Bodenrekultivierung, zwei Interviews. 13 Boden Bodenverträgliche Eingriffe in der Landwirtschaftszone Bewilligungen, Baugesuche und geeignete Standorte. 16 Hochwasserrückhaltebecken: Fortschrittlich und bewährt Wasser Hochwassersituationen werden häufiger, die Schäden grösser. Wie Rückhaltebecken dem Hochwasser die Spitze nehmen. 17 ChloroNet – nationale Plattform für CKW-Altlasten Auf der Suche nach praxistauglichen und kostengünstigen Untersuchungs- und Sanierungsmethoden. 21 Altlasten Nicht sauber, sondern bereinigt Vision Altlasten 2023, die Generationenaufgabe. 23 Biosicherheit Klarheit im Umweltschutzvollzug am Beispiel Neobiota Das DPSIR-Modell hilft Behörden, Massnahmen besser zu strukturieren. 25 Das Thema Umwelt ist nicht aus der Mode gekommen Umweltsurvey 2007: Auswertung der Studie zu Umweltbewusstsein und -verhalten. 27 Umweltdaten Verbesserung der Umweltqualität stösst an Grenzen Umweltbericht 2008 des Kantons Zürich. 33 Klimareporter: Klimaschutzprojekt an Schulen. 35 Klartext: Kartenspiel vermittelt Nachhaltige Entwicklung. 37 Kontaktpunkt Umwelt: Lernorte und Ausflugsziele im Kanton Zürich. 39 Umweltbildung Der kluge Einkaufswagen: Unterrichtseinheit zu Umwelt, Konsum und Ökobilanzen. 41 Umweltbildung im Kanton Zürich: Hilfsmittel und Kontakte. 43
Umweltsurvey, Umweltbildung und Smog Welchen Stellenwert hat die Umwelt? Liebe Leserinnen und Leser Isabel Flynn Redaktorin «Zürcher UmweltPraxis» Wie wichtig ist Ihnen die Umwelt? Wie wichtig ist sie der Schweizer Bevölke- Koordinationsstelle für Umweltschutz rung? Nimmt sie die Umweltbelastung in der Schweiz als Problem wahr? Ist sie Generalsekretariat Baudirektion mit der Umweltqualität in ihrem Lebensumfeld zufrieden? Und was hält sie von Postfach, 8090 Zürich Massnahmen wie Partikelfilterpflicht, Tempobegrenzungen oder Atom-Morato- Telefon 043 259 24 18 rium? isabel.flynn@bd.zh.ch Der Schweizer Umweltsurvey 2007 ist Fragen wie diesen auf den Grund gegan- www.umweltschutz.zh.ch gen. Ab Seite 27 stellen wir Ihnen die Ergebnisse vor. Und die Überraschungen? Fluglärm und Elektrosmog scheinen in ihrer Bedeutung für die Bevölkerung überschätzt zu werden, Familien und Mütter verhalten sich nicht so umweltbe- wusst, wie man denken würde. Und noch immer gibt es beim Umweltverhalten deutliche Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung, die altersabhän- gigen Unterschiede dagegen sind fast verschwunden. Und wie nehmen Kinder die Umwelt wahr? Man kann sie, beispielsweise mit Na- turerfahrungen, dafür sensibilisieren, dass sie ihrer Umwelt Sorge tragen: Dazu gibt es ab Seite 35 verschiedene dem Alter angepasste Hilfsmittel, Adressen, Ausflugziele sowie Möglichkeiten, selber aktiv zu werden – Tipps, die auch den Erwachsenen Spass machen dürften und den trockenen Begriff «Umweltbil- dung» mit Leben füllen. Editorial Mehrere Beiträge dieser Ausgabe zeigen ausserdem, dass wir in vielen Bereichen Editorial etwas gegen Umweltrisiken in der Hand haben: Gegen die häufiger und scha- densreicher werdenden Hochwasser helfen oftmals Hochwasserrückhaltebecken. Lesen Sie ab Seite 17, wie sie funktionieren und was ihre Vorteile sind. Und auch wenn das nächste Mal eine Smog-Situation befürchtet werden muss, weiss man jetzt besser als zuvor, was die im Interventionsprogramm der Smog- verordnung vorgesehenen Massnahmen bewirken könnten. Der Beitrag Seite 9 erklärt, warum es zu Weihnachten 2007 keinen Smog gab. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern mit dieser sehr vielseitigen Ausgabe schöne Weihnachten und einen guten Jahreswechsel. Herzliche Grüsse Isabel Flynn Redaktorin Zürcher UmweltPraxis UMWELTPRAXIS Nr. 55 / Dezember 2008 www.umweltschutz.zh.ch 3
Hinweise zum Vollzug Schutzverordnung für den Sihlwald die Bauzonenreserven zu gross sind und sich oft 1. Juli 2007 in Kraft getreten. Ziel der Änderun- Mit dem Erlass einer Schutzverordnung schafft nicht dort befinden, wo die künftige Nachfrage gen waren Vereinfachungen in der Umweltver- die Baudirektion eine wichtige Voraussetzung erwartet wird. Eine Weiterführung der bisheri- träglichkeitsprüfung sowie Einschränkungen für die Anerkennung des Sihlwalds als Naturer- gen Praxis würde zu einer zusätzlichen Ausdeh- des Verbandsbeschwerderechts. Mit den Ver- lebnispark. Die Verordnung sorgt für den Schutz nung der Bauzonen um bis zu 13 000 Hektaren ordnungsänderungen sind wesentliche Anlie- dieser einmaligen Naturlandschaft vor den To- (+ 8 Prozent) bis 2030 führen. gen der Wirtschaft zur Vereinfachung der Ver- ren Zürichs und regelt Nutzung und Unterhalt. Bundesamt für Raumentwicklung fahren berücksichtigt worden. Damit wurde das Der Sihlwald ist zusammen mit den umliegen- www.are.admin.ch Verbandsbeschwerderecht weiter verbessert, den Wäldern einer der grössten sich selbst über- wie es das Parlament auch verlangt hatte. lassenen Laubmischwälder des schweizerischen www.uvek.admin.ch Mittellandes – eine einmalige Naturlandschaft Revisionspaket für mehr Energieeffizienz inmitten der Agglomeration Zürich. Das Gebiet Anfang 2008 hat der Bundesrat den Aktions- soll trotz Schutzzonen als Erlebnis-, Bildungs- plan für mehr Energieeffizienz verabschiedet. Luftreinhaltevorschriften für Baumaschinen und Erholungsraum für Besucherinnen und Be- Zur Umsetzung eines Teils der darin enthaltenen werden schweizweit harmonisiert sucher zugänglich bleiben. Massnahmen hat der Bundesrat heute ein Revi- Der Bundesrat will die Luftreinhaltevorschriften Baudirektion, www.zh.ch sionspaket in die Vernehmlassung geschickt. für Baumaschinen vereinheitlichen und hat die Dieses umfasst eine Revision des Energiegeset- Luftreinhalte-Verordnung LRV dementsprechend zes zur Einführung eines nationalen Gebäude- geändert. Der Bundesrat sieht von einem Filter- Erneuerbare Energien und bessere energieausweises und zur Stärkung der kanto- obligatorium ab und schreibt stattdessen einen Wärmedämmung: ein Tandem nalen Förderprogramme sowie eine Revision der strengen Grenzwert für die Emissionen fest, der Erneuerbare Energien und Abwärme können ei- Energieverordnung, die erstmals Verbrauchsvor- nach dem heutigen Stand der Technik nur mit nen bedeutenden Teil des Wärmebedarfs schriften für Haushaltgeräte und elektronische wirksamen Partikelfiltersystemen eingehalten decken. Voraussetzung ist allerdings eine besse- Geräte bringt. Zusätzlich schlägt der Bundesrat werden kann. Die Änderung der LRV gilt für alle re Isolation der Gebäude. Dies betonte der Bau- eine Verordnungsrevision zur Beschleunigung neuen Maschinen auf Baustellen ab einer Leis- direktor, Regierungsrat Markus Kägi, an einer der Bewilligungsverfahren bei Hochspannungs- tung von 37 kW ab dem 1. Januar 2009. In die- Informationsveranstaltung für Gemeindebehör- leitungen vor. Das Vernehmlassungsverfahren ser Kategorie ist die Technik bereits am weites- den und Mitglieder des Kantonsrats in Thalwil. dauert bis zum 31. Januar 2009. ten fortgeschritten. Für kleinere Maschinen und Die Städte und Gemeinden sind wichtige Vorrei- Bundesamt für Energie für die Nachrüstung von älteren Maschinen hin- ter bei der Förderung erneuerbarer Energien gegen gelten nach Leistung und Alter gestaffel- und der Energieeffizienz, hielt Regierungsrat te Übergangsfristen. Kägi fest. Wegweiser für CO2-Kompensationen www.uvek.admin.ch www.energie.zh.ch in der Schweiz Das BAFU und das BFE legen die Voraussetzun- gen für Klimaschutzprojekte in der Schweiz im EnergieSchweiz: Bauzonen – neue Zahlen, alte Probleme Detail fest. In einer neuen Vollzugsweisung kon- Neuausrichtung ab 2010 lanciert Verdichtetes Bauen ist das Gebot der Stunde. kretisieren das Bundesamt für Umwelt (BAFU) EnergieSchweiz, das partnerschaftliche Pro- Doch die grossen Baulandreserven verleiten und das Bundesamt für Energie (BFE) die Anfor- gramm für Energieeffizienz und erneuerbare dazu, neue Gebäude auf der grünen Wiese statt derungen an Klimaschutzprojekte im Inland, die Energien, hat sich auch 2007 als verlässliche im gut erschlossenen Siedlungsgürtel zu erstel- zum Beispiel die Emissionen von Gaskombikraft- Plattform in einem dynamischen energiepoliti- len. Das «Forum Raumentwicklung» geht der werken kompensieren können. Möglich sind schen Umfeld erwiesen. Trotz rückläufiger Mit- Frage nach, über wie viele Bauzonen die Projekte in den Kategorien Energieeffizienz, er- tel erzielte EnergieSchweiz beachtliche Wirkun- Schweiz verfügt, wo es sie braucht und wo eher neuerbare Energien, Brennstoffwechsel, Trans- gen und ist in seiner zweiten Etappe (2006– nicht und mit welchen Instrumenten die Zersie- port sowie Projekte zur Reduktion von Methan 2010) weiterhin gut unterwegs, wie der kürzlich delung gebremst werden kann. Die neue Aus- oder F-Gasen. veröffentlichte Jahresbericht dokumentiert. Be- gabe der Zeitschrift «Forum Raumentwicklung» Um den Anforderungen zu genügen, müssen reits lanciert ist der Prozess für die Weiter- des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) Projekte sowohl Emissionen reduzieren wie führung und Neuausrichtung von Energie- präsentiert zum einen die «Bauzonenstatistik auch zusätzliche Investitionen auslösen. Ein Schweiz nach 2010. der Schweiz» und ihre Analysen. In verschiede- jährliches Monitoring belegt die Reduktion von Bundesamt für Energie nen Beiträgen zeigt sie ausserdem, wie gehorte- Treibhausgasen. Die Vollzugsweisung im PDF- www.bfe.admin.ch tes Bauland «verflüssigt» werden kann, wie be- Format steht vorab auf Deutsch auf den Web- stehende Gebiete verdichtet werden können, seiten des BAFU und des BFE zum Herunterla- ohne gleichzeitig Abstriche an der Qualität des den bereit. Bund beteiligt sich Wohnraums machen zu müssen. Wieso die ur- Bundesamt für Umwelt an der gesamten Altlastenbearbeitung bane Bevölkerung aufs Land zieht und damit die www.umwelt-schweiz.ch Der Bund unterstützt die Kantone weiterhin bei Zersiedelung zusätzlich verstärkt. Forum Raum- der Altlastenbearbeitung mit jährlich 26 Millio- entwicklung Nr. 2/08 «Bauzonen – neue Zahlen, nen Franken. Im September hat der Bundesrat alte Probleme» kann schriftlich beim BBL, 3003 Mehr Kontrolle im Verbandsbeschwerde- die entsprechende Revision der Verordnung Bern zum Preis von Fr. 10.25 inkl. MWST (Jah- recht, einfachere Umweltverträglichkeits- über die Abgabe zur Sanierung von Altlasten resabonnement: Fr. 30.70 inkl. MWST) bestellt prüfung (VASA) beschlossen. werden. Der Bundesrat hat im September die Verord- www.uvek.admin.ch Bundesamt für Raumentwicklung ARE nung über die Umweltverträglichkeitsprüfung www.are.admin.ch (UVPV) sowie die Verordnung über die Bezeich- nung der im Bereich des Umweltschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes beschwerdebe- Bauzonenreserven sind zu gross und oft am rechtigten Organisationen (VBO) an die neuen falschen Ort Bestimmungen des Umweltschutzgesetzes und Gemäss der ersten landesweiten Bauzonensta- des Natur- und Heimatschutzgesetzes ange- tistik des Bundesamts für Raumentwicklung passt. Das Parlament hatte die durch eine Parla- (ARE) gibt es heute knapp 227 000 Hektaren Bau- mentarische Initiative von Ständerat Hans Hof- zonen. Ungefähr ein Viertel davon ist noch nicht mann ausgelösten Gesetzesänderungen im De- überbaut. Eine Expertenstudie zeigt zudem, dass zember 2006 verabschiedet. Sie waren am 4 UMWELTPRAXIS Nr. 55 / Dezember 2008 www.umweltschutz.zh.ch
In der Champions League der Energiestädte Winterthurs Weg zu Gold Winterthur erhielt 2007 den «Euro- Crème de la crème Claudia Schreiber pean Energy Award GOLD» und Departement Sicherheit und Umwelt gehört damit zur Champions League Schweizweit dürfen sich derzeit nur Umwelt- und Gesundheitsschutz der europäischen Energiestädte. zehn Städte mit dem «European Energy Obertor 32, Postfach Um das GOLD-Label zu erhalten, Award GOLD» schmücken. Neben 8402 Winterthur waren nicht nur alle Bereiche der Winterthur sind dies Baden, Basel, Telefon 052 267 57 42 Verwaltung stark gefordert, son- Cham, Delémont, Lausanne, Neuchâ- Fax 052 267 63 22 dern auch die Bevölkerung. Auf tel, Riehen, Schaffhausen und Zürich. umwelt@win.ch den Lorbeeren ausruhen darf sich Sie alle haben beim Audit von Ener- www.ugs.winterthur.ch die Eulachstadt nicht – die Arbeit gieSchweiz mindestens 75 Prozent der geht weiter. vorgegebenen Massnahmen umge- setzt. Alle vier Jahre werden die Städte in einem Re-Audit überprüft und müs- Ein kluges Energiemanagement zahlt sen erneut über 75 Prozent erfüllen, um sich einerseits in Franken und Rappen den Award zu behalten. Winterthur er- aus, anderseits aber auch mit Image- hielt den «European Energy Award gewinn und Vorteilen fürs Standort- GOLD» im Herbst 2007, indem die marketing. Für Ernst Wohlwend, Stadt- Stadt 76,9 Prozent der möglichen präsident der GOLD-Stadt Winterthur, Punkte aus dem Massnahmenkatalog ist der Award ein gutes Argument für von «EnergieSchweiz» erreichte. Neuzuzüger: «Wir werfen diese Aus- Besonders stark schnitt Winterthur in zeichnung sehr gerne als zusätzliches, den Bereichen Entwicklungsplanung Energie überzeugendes Argument in die Waag- und Raumordnung, Interne Organisa- schale, wenn es darum geht, neue Un- ternehmen und Privatpersonen für Winterthur zu gewinnen.» Die Aus- zeichnung fördert in den Augen des Winterthurer Stadtpräsidenten das Be- wusstsein, dass nur nachhaltiges Den- ken und Handeln uns auf unserem Pla- neten eine Zukunft sichert: «Die Aus- zeichnung macht klar, dass bei politi- schen, wirtschaftlichen und auch kultu- rellen Entscheiden dem Kriterium Nach- haltigkeit ein immer gewichtigerer Stel- lenwert einzuräumen ist.» Gemeinden, die das GOLD-Label tragen, sind euro- paweit Spitze in der Förderung erneu- erbarer Energien, in Bestrebungen zur Senkung des CO2-Ausstosses und in der Umsetzung zahlreicher weiterer ener- giepolitischer Massnahmen. Im Juni war im Rahmen der Aktion «bike to work» auch der Stadtrat von Winterthur per Velo unterwegs. Von links: Stadtrat Dr. Matthias Gfeller (Technische Betriebe), Stadtrat Walter Bossert (Bau), Stadträtin Pearl Pedergnana (Schule und Sport) und Stadtrat Michael Künzle (Sicherheit und Umwelt). Quelle: UGS Winterthur UMWELTPRAXIS Nr. 55 / Dezember 2008 www.umweltschutz.zh.ch 5
Energie Energiesparen von verschiedenen Sei- ten anpacken. In den folgenden Ab- schnitten werden konkrete Projekte aus Winterthur vorgestellt. Clevermobil Entscheide für ein bestimmtes Trans- portmittel oder einen bestimmten Weg werden oft nicht bewusst getroffen. Mit der dreijährigen Mobilitätskam- pagne «clevermobil» fördert Winter- thur mit Informationen gezielt eine sinn- volle Kombination verschiedener Mobi- litätsformen. Privatpersonen können sich kostenlos beraten lassen und ihr Mobilitätsverhalten bewusster planen. Freude über den GOLD-Award. Von links: Michael Künzle (Stadtrat Winterthur), Cornelia «Wer clevermobil ist, spart nicht nur Brandes (Trägerverein Energiestadt), Ernst Wohlwend (Stadtpräsident Winterthur) und Zeit, sondern leistet auch einen we- Dr. Anna Roschewitz (Leiterin Umwelt- und Gesundheitsschutz Winterthur). sentlichen Beitrag zu seiner Gesundheit Quelle: UGS Winterthur und zu einer lebenswerten Stadt Win- tion sowie Mobilität ab. Beim öffentli- beit innerhalb der Stadtverwaltung», terthur», betont Stadtrat Michael chen Verkehr, der Verkehrsberuhigung erklärt Michael Künzle. Um den Erfolg Künzle. Die Kampagne unterstützt die und dem Parkieren sowie der nicht mo- einer Energiestadt zu garantieren, muss energie- sowie klimapolitischen Ziele torisierten Mobilität erfüllte Winterthur jedoch nicht nur die Stadtverwaltung der Stadt und dient damit einer langfris- im Schnitt 96 Prozent der Vorgaben. mithelfen, sondern es braucht auch ein tigen Standortförderung. Da Mobilität Steigerungspotenzial hingegen haben Umdenken in der Bevölkerung. Sei es an der Stadtgrenze nicht Halt macht, ist die kommunalen Gebäude und Anla- bei der Wahl der Verkehrsmittel oder die Zusammenarbeit mit öffentlichen gen, wo nur knapp die Hälfte der Mass- beim sparsamen Umgang mit Energie und privaten Partnerorganisationen nahmen erfüllt wurde. und Wasser. «Wir müssen lernen, Nach- zentral: Die Stadt Winterthur hat das Der «European Energy Award GOLD» haltigkeit zu leben, auch wenn dadurch Konzept für die Mobilitätskampagne wird neben der Schweiz auch in Öster- lieb gewonnene Gewohnheiten in Fra- clevermobil deshalb gemeinsam mit reich, Frankreich, Deutschland, Irland, ge gestellt werden», so Michael Künzle. der Stadt St. Gallen entwickelt. Auf der Italien und Lettland vergeben. In der in- Website www.ugs.winterthur.ch/cle- ternationalen Rangliste aller Goldstäd- vermobil finden Interessierte Tipps zu te belegt Winterthur den guten 13. Steiler Weg cleveren Transportmitteln und -wegen. Rang. Mit fast 77 Prozent umgesetzter Mass- nahmen verbesserte sich Winterthur Bike to work Breite Unterstützung gegenüber der Zertifizierung vor drei Jahren um über 10 Prozent. «Der Ein Teil der «clevermobil»-Kampagne Für den Winterthurer Stadtrat Michael GOLD-Award war ein hartes, aber schö- ist die Aktion «bike to work» von Pro Künzle ist klar, worin der Erfolg seiner nes Stück Arbeit», bemerkt Michael Velo Schweiz. Teams von jeweils vier Stadt begründet liegt: «Ein wichtiger Künzle rückwirkend. «Es war knapp – Personen legen ihren Arbeitsweg an politischer Grundstein für die Medaille wir mussten die Zitrone bis zum letzten mindestens der Hälfte aller Arbeitstage wurde 2006 gelegt, als wir die Legisla- Tropfen ausdrücken, um genügend im Juni mit dem Velo zurück, oder bei turschwerpunkte für die kommenden Punkte zu erreichen.» Künftig soll es einem längeren Weg kombiniert mit öf- vier Jahre festlegten.» Der Stadtrat von nicht mehr so eng werden: «Wir möch- fentlichen Verkehrsmitteln. Im Juni 2008 Winterthur bekundet darin seinen Wil- ten die Goldmedaille in vier Jahren stellte jedes der sieben Departemente len, hinsichtlich Nachhaltigkeit und im locker und leichtfüssig bestätigen», der Stadt Winterthur mindestens ein Umgang mit der Umwelt und Energie wünscht sich der Stadtrat. Damit Win- Team, welches bei «bike to work» mit- weitere Fortschritte zu erzielen. «Das terthur den «European Energy Award machte. Insgesamt nahmen 178 Vierer- Label ist ein Verdienst guter und depar- GOLD» auch künftig behalten kann, teams der Stadt Winterthur an der Ak- tementsübergreifender Zusammenar- laufen diverse Projekte, die das Thema tion teil. 6 UMWELTPRAXIS Nr. 55 / Dezember 2008 www.umweltschutz.zh.ch
Lärm Energie Die coolste Wette der Stadt Hälfte des Eisblocks übrig. In Basel, wo dasselbe Experiment gleichzeitig in ei- Ein grosser Teil des schweizerischen En- nem Häuschen mit 70er-Jahre-Stan- ergieverbrauchs wird für den Bau und dard durchgeführt wurde, war der Eis- den Betrieb von Gebäuden verwendet. block nach drei Wochen geschmolzen. Eine leistungsfähige Gebäudedäm- mung bietet grosse Chancen zur Ver- ringerung des Energieverbrauchs – Ge- Entwicklungsplanung bäude mit guter Dämmung brauchen und Raumordnung bis zu 90 Prozent weniger Energie. Um die Bevölkerung auf dieses Thema auf- Der Winterthurer Stadtrat erstellte ein merksam zu machen, realisierte Win- detailliertes Energiekonzept 2000 mit terthur vom 4. bis 26. September 2008 Grundlagen und Zielsetzungen bis ins zusammen mit EnergieSchweiz für Ge- Jahr 2020 für die Bereiche «private Haus- meinden und vier weiteren Städten ei- halte», «Wirtschaft», «Dienstleistung, ne Eisblockwette. Dazu wurde ein Eis- Gewerbe, Handel», «Verkehr und öf- block in einem optimal wärmege- fentliche Hand». Das darauf aufgebaute dämmten Minergie-P-Häuschen auf Aktivitätenprogramm wird jedes Jahr dem Platz beim Musikpavillon in der In- überprüft mit dem Ziel, weniger Energie Melanie (2. von rechts), die kleine Gewinne- nenstadt Winterthurs aufgestellt. Zu zu verbrauchen und den CO2-Ausstoss rin der Eisblockwette Winterthur am Meet&Greet mit Nobelpreisträger Rajendra Beginn der Wette wog der Eisblock ei- weiter zu reduzieren. Zudem soll in nächs- Pachauri, Chairman of the Intergovern- ne Tonne. Die Bevölkerung war einge- ter Zeit die kommunale Verkehrsplanung mental Panel on Climate Change (IPCC), laden, ihren Tipp abzugeben, wie viel revidiert und aktualisiert werden. anlässlich der Winterthurer Konferenz des Prozent vom Eis nach drei Wochen Club of Rome im November 2008. Quelle: Club of Rome übrig bleiben würde. «Mit der Eisblock- wette wollen wir sichtbar machen, wel- Kommunale Gebäude und Anlagen che Bedeutung eine zukunftsweisende men an diversen Gebäuden hätten wir Gebäudedämmung hat», erklärt In verwaltungsinternen Energiespar- das GOLD-Label nicht erhalten», ist Dr. Anna Roschewitz, Leiterin Umwelt- wochen konnte der Energieverbrauch Künzle überzeugt. Mit dem Verein und Gesundheitsschutz Winterthur, in ausgewählten städtischen Gebäu- energho wurden 2008 Objektverträge das Projekt. Nach der dreiwöchigen den um bis zu 10 Prozent gesenkt wer- auf fünf Jahre abgeschlossen, wonach Wettbewerbszeit war noch knapp die den. «Ohne die getroffenen Massnah- der Energieverbrauch der städtischen Die so genannte Eisblockwette (siehe Lauftext) zeigte: Fast die Hälfte des tonnenschweren Eisblocks blieb nach drei Wochen im wärme- gedämmten Minergie-P-Häuschen noch übrig. In einem dem 70er-Jahre-Standard entsprechenden Häuschen dagegen war das Eis nach drei Wochen restlos geschmolzen. Quelle: UGS Winterthur UMWELTPRAXIS Nr. 55 / Dezember 2008 www.umweltschutz.zh.ch 7
Energie Lärm Interne Organisation, Kommunikation und Kooperation Eine Vernetzung der einzelnen Depar- temente sowie bereichsübergreifende Gremien sind wichtig. Behörden, Un- ternehmen und Bevölkerung ziehen in Winterthur am gleichen Strang. Für die Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Ener- giestadt besteht ein Konzept – so wer- den Begriffe wie Energiestadt, Öko- strom und Energiecontracting immer wieder erwähnt. Goldstadt auch BlueCity Winterthur ist nicht nur eine GOLD- Stadt, sondern wurde im September 2008 auch zur ersten BlueCity der Am Tag der Sonne im Mai 2008 organisierte Umwelt- und Gesundheitsschutz Winterthur ei- Schweiz erkoren. BlueCitys stellen sich nen Solarmarkt. Verschiedene Firmen und Organisationen präsentierten unter anderem der Klimaschutzorganisation myblue- Sonnenkollektoren oder Solarglacé. planet als aktive Partner zur Bekämp- Quelle: UGS Winterthur fung des Klimawandels zur Verfügung. Liegenschaften generell gesenkt wer- und Kompogas aus Grünabfällen zu ge- Durch ihr Engagement zeigen die Blue- den soll – und dies mit Erfolgsgarantie. winnen. Es entstanden zudem Holz- Citys, dass sie sich mit der Klimaschutz- Zudem wurde mit den anderen GOLD- schnitzelanlagen mit Wärmeverbund. Thematik auseinandersetzen und be- Städten Schaffhausen, St. Gallen und Der Winterthurer Stromversorger Stadt- strebt sind, die CO2-Emissionen so ge- Zürich der Gebäudestandard 2008 ent- werk Winterthur bietet neu wählbare ring wie möglich zu halten. wickelt und eingeführt. Der Standard Stromprodukte (Ökostrom, Wasser- Als erste BlueCity der Schweiz über- dient der verstärkten Umsetzung von strom, Recyclingstrom und Kernstrom) nimmt die Stadt Winterthur eine Vor- Massnahmen bezüglich Energieeffizi- sowie einen ökologischeren Standard- reiterrolle. Der Beitritt zu den BlueCitys enz, erneuerbaren Energien, Bauökolo- mix an. Mit dem Klimafonds Stadtwerk ermöglicht eine Vernetzung mit ande- gie und gesundem Innenraumklima. Winterthur werden zudem Projekte in ren Regionen, die sich ebenfalls für eine Mit diesem Standard werden Massstä- der Ostschweiz unterstützt, welche den nachhaltige Entwicklung einsetzen. be beim energie- und umweltgerech- CO2-Verbrauch verringern. In einem ge- ten Bauen gesetzt, die weit über das ge- meinsamen Projekt von Klimafonds setzliche Mass hinausgehen. Die öf- Stadtwerk Winterthur, Umwelt- und fentliche Bauherrschaft kann so einen Gesundheitsschutz der Stadt Win- konkreten Beitrag zum Klimaschutz terthur und Energie Zukunft Schweiz leisten. Stadtintern ist Winterthur mit startete am 8. Juli 2008 das Programm Label Energiestadt dem Projekt «Zentrales Immobilien- «100jetzt!». Ziel des Programms zur Das Label «Energiestadt» ist eine Auszeich- management ZIM» auf dem Weg zu Förderung thermischer Solaranlagen: nung des Bundesamts für Energie und des einer noch professionelleren Gebäude- Innert 18 Monaten sollen 100 neue So- «Trägervereins Energiestadt». Energiestäd- betreuung. «Wir erhoffen uns davon lardächer in Winterthur installiert sein. te fördern erneuerbare Energien, verringern nicht nur finanzielle Einsparungen, son- Speziell ausgebildete Energieberater den CO2-Ausstoss und den Verbrauch von dern auch den energiesparenden Un- begleiten die Kunden vom ersten Bera- Erdöl. Das bringt der Schweiz reellen Nut- terhalt», erklärt darum auch Stadtrat tungsgespräch bis zur Endabnahme der zen: Gemeinsam reduzieren die über 160 Michael Künzle. Anlage. Die Kosten für den Energiebe- Energiestädte jährlich den CO2-Ausstoss um rater trägt der Klimafonds, sofern die 78 000 Tonnen, den Verbrauch von Brenn- Solaranlage schlussendlich auch instal- und Treibstoffen um 30 Millionen Liter und Versorgung und Entsorgung liert wird. Den Bau der solaren Kom- den Stromverbrauch um 72 Millionen Kilo- paktanlagen unterstützt der Klima- wattstunden (das entspricht dem Bedarf ei- Winterthur begann in den letzen Jah- fonds mit einem Förderbeitrag von ner mittelgrossen Stadt). ren, die Wärme aus Abwasser zu nutzen 1000 Franken pro Anlage. 8 UMWELTPRAXIS Nr. 55 / Dezember 2008 www.umweltschutz.zh.ch
Dank natürlicher Konstellationen an Weihnachten 2007 weiss man heute, was gegen Smog hilft Trotz Inversion kein Smog Saisonal bedingte Inversionslagen Für die Auslösung der Schwelle müssen Roy Eugster führen dazu, dass im Winter mit bestimmte Bedingungen erfüllt sein: Abteilung Lufthygiene Smogsituationen durch Feinstaub- • Stationen müssen den Schwellenwert Stampfenbachstr. 12 belastungen zu rechnen ist. Zwar erreicht oder überschritten haben, Postfach, 8090 Zürich sollen diese durch Massnahmen der • die Wetterlage muss für die nächsten Telefon 043 259 43 57 Smog-Verordnung künftig ent- drei Tage stabil sein. roy.eugster@bd.zh.ch schärft werden können. Aber wer- Wie aber kann man sicher sein, dass die www.lufthygiene.zh.ch den diese Massnahmen überhaupt umstrittene Massnahme der Tempore- wirksam sein? Eine natürlicherweise duktion überhaupt Wirkung auf die in der Weihnachtszeit 2007 «simu- Smog-Situation hat? Auf Weihnachten lierte Smog-Intervention» hat jetzt 2007 ergab sich durch Zusammentref- tatsächlich die Wirksamkeit belegt. fen verschiedener Faktoren natürlicher- weise eine «simulierte Smog-Interven- Vielen ist wohl noch der Februar 2006 tion, die man nicht geeigneter hätte be- in Erinnerung, als, bedingt durch die stellen können. stabile Inversionslage, die tägliche Fein- staubbelastung im Grossraum Zürich über 160 μg/m³ anstieg. Der Kanton Vor Weihnachten 2007 drohte Zürich veranlasste damals zusammen wieder Smog mit anderen Kantonen eine kurzfristige Temporeduktion, die galt, bis sich die Ab Mitte Dezember 2007 begann die Schadstoffsituation beruhigt hatte. Als mittlere Inversionsgrenze von über Luft Folge dieses Ereignisses und um solche 1600 m ü.M. auf rund 800 m ü.M. zu Belastungsspitzen künftig vermeiden sinken, was eine Smogsituation begüns- zu können, wurde im November 2006 tigt. Die Prognosen von Meteo Schweiz die SMOG-Verordnung verabschiedet, wiesen für die nachfolgenden Tage auf welche beinhaltet, ab was für PM10- Schwellenwerten welche Reduktions- 1800 150 mittlere Inversionsuntergrenze massnahmen ergriffen werden sollen. Winterthur Stampfenbachstr. 1500 Wallisellen 125 Tagesmittelgrenzwert PM10 Schwellenwerte der Smog-Verordnung für Inversionuntergrenze [m.ü.M.] 1200 100 PM10-Konzentration [μg/m3] PM10 (Tagesmittelwert) Informationsstufe 75 μg/m³ 900 75 Aufruf an die Bevölkerung: zu Fuss gehen oder öV zu benut- zen, keine Feuer im Freien, Holzöfen ohne Partikelfilter oder Gütesiegel nicht unnötig anfeuern, Dieselfahrzeuge ohne 600 50 Partikelfilter stehen lassen. Interventionsstufe I 100 μg/m³ 300 25 Tempo 80, Feuerungsverbot in Holzöfen ohne Partikelfilter oder Gütesiegel, wenn Heizung mit geringerer Schadstoff- emission zur Verfügung steht, Verbot von Feuer im Freien 0 0 13.12.2007 14.12.2007 15.12.2007 16.12.2007 17.12.2007 18.12.2007 19.12.2007 20.12.2007 21.12.2007 22.12.2007 23.12.2007 24.12.2007 25.12.2007 26.12.2007 27.12.2007 28.12.2007 29.12.2007 30.12.2007 (Ausnahme: Grill-, Brauchtumsfeuer) Interventionsstufe II 150 μg/m³ Zusätzlich zu den Massnahmen aus der Interventionsstufe I ist es auf Baustellen sowie in der Land- und Forstwirtschaft Sowohl das Sinken der Inversionsuntergrenze als auch das Ansteigen der PM10-Werte wie- verboten, dieselbetriebene Maschinen, Geräte und Fahr- zeuge ohne Partikelfilter einzusetzen sen darauf hin, dass Weihnachten 2007 mit Smog zu rechnen sein würde, doch ... Quelle: AWEL, Abt. Lufthygiene UMWELTPRAXIS Nr. 55 / Dezember 2008 www.umweltschutz.zh.ch 9
Umweltbildung 1800 150 10'000 125 mittlere Inversionsuntergrenze Winterthur Verkehr Stampfenbachstr. 9'000 1500 Wallisellen 125 PM10 Stampfenbachstrasse Tagesmittelgrenzwert PM10 8'000 Tagesmittelgrenzwert PM10 100 Tagesverkehr Stampfenbachstrasse PM10-Konzentration (μg/m3) 7'000 Inversionuntergrenze [m.ü.M.] 1200 100 PM10-Konzentration [μg/m3] 6'000 75 900 75 5'000 4'000 50 600 50 3'000 2'000 25 300 25 1'000 0 0 0 0 Do 13.12.07 Fr 14.12.07 Sa 15.12.07 So 16.12.07 Mo 17.12.07 Di 18.12.07 Mi 19.12.07 Do 20.12.07 Fr 21.12.07 Sa 22.12.07 So 23.12.07 Mo 24.12.07 Di 25.12.07 Mi 26.12.07 Do 27.12.07 Fr 28.12.07 Sa 29.12.07 So 30.12.07 13.12.2007 14.12.2007 15.12.2007 16.12.2007 17.12.2007 18.12.2007 19.12.2007 20.12.2007 21.12.2007 22.12.2007 23.12.2007 24.12.2007 25.12.2007 26.12.2007 27.12.2007 28.12.2007 29.12.2007 30.12.2007 ... wider Erwarten stiegen dann die PM10-Werte über Weihnachten ... das Zusammenbrechen des Verkehrs in der letzten Jahreswoche trotz stabiler Inversionslage nicht weiter an, denn ... verhinderte eine Smog-Situation. Quelle: AWEL, Abt. Lufthygiene Quelle: AWEL, Abt. Lufthygiene eine länger andauernde, stabile Inversi- und bis Ende Dezember auf dem Niveau rück. Man bedenke: Ein Lastwagen onsphase hin. eines Sonntags bleibt. Am Weihnachts- emittiert immerhin rund 10 Mal mehr Gleichzeitig mit dem Absinken der In- und Stephanstag 2007 schrumpfte der PM10 als ein Personenwagen. Nebst versionsuntergrenze stieg die Fein- Verkehr sogar auf einen Drittel der übli- dem Verkehrsanteil sind über die Weih- staubbelastung PM10 an. Aus der Er- chen Frequenzen. nachtstage aber auch die Emissionen fahrung von 2006 war anzunehmen, Gesamthaft betrachtet, ging der Ver- der anderen Quellen (Baustellen, Land- dass die PM10-Konzentration über die kehr in der letzten Woche des Jahrs und Forstwirtschaft) zurückgegangen. nächsten Tage stetig ansteigen würde, 2007 um rund 42 Prozent zurück, der Im Prinzip hatten die Weihnachtstage um dann schliesslich mindestens die In- Schwerverkehr sogar um 60 Prozent. also einen ähnlichen Effekt, wie wenn formationsschwelle zu erreichen. die zweite Interventionsstufe der Smog- Verordnung in Kraft getreten wäre. De- Ein natürlicher Grossversuch ren Wirksamkeit für künftige Situatio- Wider Erwarten kam es anders nen wurde also durch ein zufälliges Zu- Die Feinstaubbelastung stieg also trotz sammentreffen verschiedener Faktoren Zwar stieg die PM10-Belastung in der stabiler Inversionslage nicht stärker an, in dieser «simulierten Smog-Interven- Folge tatsächlich weiter an, aber wider weil während der Weihnachtstage tion» bereits belegt. Realistischerweise Erwarten wurde die Informations- deutlich weniger Fahrzeuge unterwegs wird das Ausmass allerdings kleiner schwelle von 75 μg/m³ weder erreicht waren, welche zur Feinstaubbildung sein, weil mit Smog-bedingten Mass- noch überschritten. Die Inversions- hätten beitragen können. Auch ging nahmen kaum 40 Prozent der Alltags- untergrenze schwankte zwar weiterhin der Schwerverkehrsanteil deutlich zu- Emissionen vermieden werden können. zwischen 600 m ü.M und 900 m ü.M. Die PM10-Konzentration blieb jedoch, Was ist eine Inversion? nenwärme nicht aufgelöst werden kann. mit wenigen Ausnahmen, im Bereich des In der unteren Troposphäre nimmt die Tem- Diese stabilen Inversionsschichten lösen sich Tagesmittelgrenzwerts von 50 μg/m³. peratur mit der Höhe im Normalfall stetig ab meistens erst bei einem Wetterumschwung Eine Störungszone, welche die Schweiz (a). Bei Inversionen ist es umgekehrt. Dort auf. am 30. Dezember 2007 durchquerte nimmt die Temperatur stetig zu (b). Dies und die Inversionsschicht durchmischte kommt vor allem bei windarmen, stabilen a) Normalfall b) Inversion und somit auflöste, beendete die Inver- Hochdrucklagen im Winter vor. Dabei bildet sionslage. Die Feinstaubbelastung ging sich in der untersten Atmosphärenschicht deutlich (um rund 50 Prozent) zurück, ein Kältesee. Oberhalb davon nimmt die was die Situation entspannte. Temperatur wieder zu, um in der darüberlie- genden Schicht wieder abzunehmen. Diese Schichtung verhindert eine Durchmischung Was war passiert? der Luftmassen und dadurch auch die Ver- dünnung von Schadstoffen. Je nachdem, wie Die Erklärung wird offensichtlich, be- gross der Temperaturgradient in dieser Wär- denkt man, dass am Samstag, 22. De- meschicht ist, bildet sich eine Barriere, wel- zember jeweils der Verkehr zurückgeht che auch während des Tages durch die Son- -10°C 0°C 10°C -10°C 0°C 10°C 10 UMWELTPRAXIS Nr. 55 / Dezember 2008 www.umweltschutz.zh.ch
Wärmepumpen sind sinnvoll, aber nicht geräuschlos Gegen erhitzte Gemüter wegen lauter Wärme Wärmepumpen holen die Energie • Luft-Wasser-Wärmepumpen können Petra Panzer dort, wo sie sonst verloren ginge – sowohl Innen- wie Aussenlärm er- Fachstelle Lärmschutz im Boden, im Wasser oder in der zeugen. Mit einer aussen installier- Tiefbauamt Luft. Damit aber wegen der Neben- ten Wärmepumpe kann zwar der In- Europastrasse 17 geräusche die Nachbarschaft nicht nenlärm vermieden werden, dafür 8152 Glattbrugg belästigt wird, gilt es bereits bei der werden eventuell mehrere Häuser- Telefon 044 809 91 64 Planung vorzusorgen und geeigne- blocks mit ihrem Lärm belästigt. Fax 044 809 91 50 te Massnahmen zu ergreifen. • Sole-Wasser-Wärmepumpen (Erdwär- petra.panzer@bd.zh.ch mesonden) haben den Vorteil, dass www.laerm.zh.ch sie kaum Aussenlärm erzeugen. Sie Wärmepumpen sind ein effizienter Weg gelten aus lärmschützerischer Sicht der Energiegewinnung. Aus der Per- als unproblematisch. spektive des Lärmschutzes sind sie je- doch nicht immer unproblematisch, denn sie erzeugen auf verschiedene Für Aussenlärm gibt es Grenzwerte Weise Schall. Hauptschallquellen sind Verdichter, Ventilatoren und Rohrlei- Luft-Wasser-Wärmepumpen erzeugen tungen. Grundsätzlich ist zwischen Luft- immer Aussenlärm, auch wenn sie im und Körperschall zu unterscheiden. Bei Hausinneren aufgestellt sind. Dies liegt im Freien aufgestellten Wärmepumpen daran, dass der Lärm durch die Zu- und ist in der Regel nur der abgestrahlte Abluftschächte nach aussen dringt. Luftschall von Bedeutung, während bei Die Grenzwerte (Nacht) für neu instal- Lärm Wärmepumpen im Innern von Gebäu- lierte Wärmepumpen richten sich nach den sowohl der Luft- als auch der Kör- perschall beachtet werden muss. Lärm bereits bei Planung berücksichtigen Die Lärmemissionen von Wärmepum- pen bewegen sich zwischen 45 dB und 80 dB, unabhängig von der Wärmeleis- tung der Pumpe. Der Luftschall von Wärmepumpen kann relativ einfach berechnet werden und sollte möglichst früh in den Pla- nungsprozess einbezogen werden. Die Körperschallabstrahlung dagegen muss nicht berechnet werden, sondern sollte von Beginn weg durch bauliche Mass- nahmen verhindert werden. Bei den verschiedenen Wärmepumpen gibt es grosse Unterschiede. Diese hän- Durch den Lärm einer Wärmepumpe (rechts im Bild) kann eine schöne Wohnlage in ihrer gen sowohl vom Typ als auch vom ver- Qualität gemindert werden. wendeten Gerät ab. Quelle: FALS UMWELTPRAXIS Nr. 55 / Dezember 2008 www.umweltschutz.zh.ch 11
Lärm der Lärmschutzverordnung (LSV) Art. 7 Abs. 1. Am Lüftungsfenster lärmemp- findlicher Räume sind die Planungswer- te nach der LSV (Anhang 6) einzuhal- ten. Für eingezonte noch nicht bebau- te benachbarte Grundstücke gelten die Planungswerte an der Baulinie. Die Grenzwerte (Nacht) am Immis- sionsort sind abhängig von der Emp- findlichkeitsstufe (ES). Die Tabelle unten beinhaltet die mini- malen Abstände, die zur Wärmepumpe eingehalten werden müssen, damit die Planungswerte eingehalten werden können (ohne Hindernisdämpfung). Mit Hilfe des Online-Berechnungs- werkzeugs WaPu kann die Lärmbelas- tung am Empfangspunkt in Abhängig- keit der wichtigsten Parameter abge- schätzt werden (www.laerm.zh.ch/ waerme). Mit dem Einsatz von flexiblen Anschlüssen (Gummielemente) kann Körperschall vermieden Massnahmen gegen Aussenlärm werden. Quelle: FALS Mit geeigneten Massnahmen lässt sich 3. Aufstellungsort Der Luftschall ist – wie bei aussen in- die Lärmbelastung am Empfangspunkt Eine einfache Lärmschutzmassnahme stallierten Geräten – gemäss den Mass- deutlich herabsetzen. ist die problembewusste Positionie- nahmen gegen Aussenlärm möglichst 1. Wahl des Typs rung des Gerätes sowie der Ab- und früh in die Planung einzubeziehen. Die Mit einer im Hausinneren installier- Zuluftschächte. Der Abstand und die Norm SIA 181:2006 legt den maxima- ten Sole-Wasser-Wärmepumpe kann Nutzung der betroffenen Räume len zulässigen Schallpegel LH von haus- Aussenlärm vollständig vermieden sind weitere wichtige Kriterien. technischen Anlagen in Wohnräumen werden. Für deren Installation wird 4. Schalldämpfer fest. Dabei wird nicht zwischen Luft- allerdings eine Genehmigung des Wird der Luftstrom durch einen und Körperschallübertragung unter- AWEL benötigt. Schalldämpfer (z.B. Kulissenschall- schieden. 2. Gerätewahl dämpfer oder zylindrische Absorp- Der Körperschall wird mit geeigneten Bei der Wahl einer Wärmepumpe tionsschalldämpfer) geleitet, wird baulichen Massnahmen unterbunden. soll auch auf einen möglichst tiefen der Lärmpegel des austretenden Dazu gehören unter anderem die elasti- Schallleistungspegel geachtet wer- Schalls wesentlich verringert. sche Lagerung der Wärmepumpe, das den. Der Schallleistungspegel einiger Einsetzen von Kompensatoren bei aus- Modelle findet sich auf der Website gehenden Leitungen und das Vermei- des Wärmepumpen-Testzentrums Vorgehen gegen Innenlärm den von Körperschallbrücken. (WPZ; www.wpz.ch) Töss. Ansons- ten empfiehlt es sich, beim Hersteller Bei innen installierten Wärmepumpen nachzufragen. treten sowohl Luft- als auch Körper- schall auf. Emissionspegel Wärmepumpe Informationen und Berechnungs- 45 dB 50 dB 55 dB 60 dB 65 dB 70 dB werkzeuge online Empfindlichkeitsstufe Abstand (Wärmepumpe - Empfangspunkt) Im Internetbereich der Fachstelle Lärmschutz ES II 5m 8m 12 m 23 m > 30 m > 30 m finden sich unter vielem anderem noch mehr ES III 3m 5m 8m 14 m 24 m > 30 m Informationen und Unterlagen zum Thema: www.laerm.zh.ch/waerme Minimal nötige Abstände zwischen Wärmepumpe und Empfangspunkt zur Einhaltung der Planungswerte. 12 UMWELTPRAXIS Nr. 55 / Dezember 2008 www.umweltschutz.zh.ch
Erfahrungen mit dem «Spezialbauwerk» Bodenrekultivierung Eine Bodenkundliche Baubegleitung zahlt sich für Bauherren aus Die Beeinträchtigung der wertvol- konform, d.h. landwirtschaftlich, nut- Markus Steger len Ressource Boden durch Bau- zen müssen. Obschon Boden im Unter- Fachstelle Bodenschutz arbeiten soll möglichst verhindert schied zum Wasser und der Luft Privat- Walcheplatz 2 werden. Dieser Bereich wird daher besitz ist, herrscht über den allgemein Postfach, 8090 Zürich durch Richtlinien und Verordnun- notwendigen Schutz dieser lebensnot- markus.steger@bd.zh.ch gen geregelt. Die praktische Um- wendigen Ressource Einigkeit. Bei der Telefon 043 259 31 89 setzung erfordert jedoch Fach- praktischen Umsetzung des Schutzes Fax 043 259 51 29 kenntnisse und Augenmass. Hier von fruchtbarem Boden gehen die Mei- www.boden.zh.ch setzt die Bodenkundliche Baube- nungen jedoch häufig auseinander. gleitung (BBB) an. Ein langjähriger und ein jüngerer Bodenkundlicher Baubegleiter berichten im Inter- Qualität der Rekultivierung sichern view vom Nutzen einer Boden- kundlichen Baubegleitung und von Noch vor zwanzig Jahren wurden Boden- der Zusammenarbeit mit der Bau- rekultivierungen häufig nicht mit der leitung auf der Baustelle. nötigen Sorgfalt erstellt. Leidtragend wa- ren die Landwirte, denn der Spruch «Die Zeit heilt Wunden» trifft bei schlechten Der Bau eines Golfplatzes, die Verbrei- Bodenrekultivierungen selten zu. terung einer Autobahn, die Verlegung Probleme verursachen beispielsweise Bo- einer Erdgasleitung, die Verwertung denverdichtungen durch Befahren mit von Bodenaushub bei einer Gewässer- schwerem Gerät, falsche Lagerung etc. Boden renaturierung, die grossflächige An- Derart gestörter Boden kann seine natür- passung einer künstlichen Strassen- böschung haben eines gemeinsam: Bei allen Bauvorhaben ist fruchtbarer Bo- den betroffen. Dieser Boden gehört meist privaten Grundeigentümern, die entweder wenig Erfahrung mit den Auswirkungen von Grossbaustellen auf den fruchtbaren Boden haben oder aber diesen Boden nicht mehr zonen- Bodenkundlicher Baubegleiter (BBB) Bodenkundliche Baubegleiter mit BGS-An- erkennung (BGS, Bodenkundliche Gesell- schaft der Schweiz) müssen folgende Be- dingungen erfüllen: • (Fach-)Hochschulabschluss • Berufsprüfung über bodenrelevante As- pekte in den Fachgebieten Naturwissen- schaft, Agronomie, Bautechnik, Recht- sprechung und Projektmanagement • Zweijährige praktische Erfahrung «Aufgabe der BBB ist es, im Einzelfall eine bodenverträgliche Lösung zu finden», sagt • Fachreferenzen Matias Laustela im Interview auf Seite 15. Quelle: Fachstelle Bodenschutz UMWELTPRAXIS Nr. 55 / Dezember 2008 www.umweltschutz.zh.ch 13
Boden Interview mit einem langjährigen Bodenkundlichen Baubegleiter: Kommunikation direkt mit dem Projektingenieur und der Bauleitung Werner Rohr arbeitet seit 1993 als Bodenspe- stärkte Präsenz der Bodenschutzfachstelle, Zahlt sich der Einsatz einer BBB für den Bau- zalist (Pedologe) bei der Firma GEOTEST AG um aus den bodenkundlich-geotechnischen herrn aus? und hat als Bodenkundlicher Baubegleiter Untersuchungsergebnissen rasch und un- Auf jeden Fall, und dies meine ich nicht im Ei- (BBB) Mandate in verschiedenen Kantonen. bürokratisch Handlungsanweisungen für die geninteresse. Bei einer seriösen Projektierung So auch im Kanton Zürich, wo er zurzeit die laufende Grossbaustelle ableiten zu können. einer Bodenrekultivierung und einer optimal Erdbauarbeiten beim Ausbau der N4 (Mini- Allmählich hat sich die BBB durch fachliche organisierten Baustelle kann der Aufwand ei- autobahn) zwischen Kleinandelfingen und Kompetenz und ingenieurmässige Beratung ner BBB sehr klein gehalten werden. Im ge- Flurlingen sowie die Bodenrekultivierungen zu einem integrierten Bestandteil auf Gross- genteiligen Fall kostet die BBB natürlich mehr, im Rahmen des Thurauenprojektes begleitet. baustellen entwickelt. Eine wichtige Voraus- aber lohnt sich für den Bauherrn immer noch. setzung ist, dass man die gleiche Sprache Im schlimmsten Fall muss eine Bodenrekulti- Herr Rohr, gibt es in der Schweiz Unterschie- spricht. Das Nomogramm ist bei Verwendung vierung totalsaniert werden oder – was noch de beim physikalischen Bodenschutz? durch eine erfahrene BBB nach wie vor ein teurer kommt – sind auf Jahre hinaus Ertrags- Aus eigener Erfahrung stelle ich vor allem Un- sehr geeignetes Arbeitsinstrument und wird entschädigungen auszurichten. terschiede zwischen der Romandie und der von den Bauleitern, in der Regel Bauingenieu- Deutschschweiz fest. Den Bodenschutz im re, gut akzeptiert. Seit ein paar Jahren gibt es auf Grossbaustel- Kanton Tessin kenne ich nicht. Wenn man die len auch Umweltbaubegleitung (UBB). Wie ist personellen Mittel in den einzelnen Kantonen Wie wird man BBB? das Verhältnis BBB zur UBB? vergleicht, wird sofort klar, dass in der franzö- Eine solide bodenkundliche Grundausbildung Die UBB wird schon seit mehr als zehn Jahren sischen Schweiz der Bodenschutz nicht mit ist unabdingbar. Aber auch auf den Gebieten auf Grossbaustellen eingesetzt. Seit Ende 2000 der gleichen Wirkung vollzogen werden kann Pflanzenkunde, Klima, Land- und Bautechnik gibt es eine entsprechende Norm dazu. Proble- wie in der Deutschschweiz. sowie Vertragsrecht ist Grundwissen notwen- matisch scheint mir, dass unerfahrene UBB dig. Andernfalls wird der auf Nachhaltigkeit nicht wissen, dass die BBB wegen ihres engen Wie geht es dem Boden im Kanton Zürich aus ausgerichtete Bodenschutz durch kurzfristige Bezugs zur Projektierung und Ausführung der der Sicht eines BBB? ökonomische Interessen «überrollt». Schliess- Bauarbeiten ein separates Mandat erfordert. Der «Druck» auf den Boden ist gross. Ich neh- lich braucht es so etwas wie die «Wanderjah- Während der Bauausführung ist die Bauleitung me eine intensive bauliche Nutzung von re» bei den Zimmerleuten. Das theoretische auf direkte Beratung der BBB bei der Qualitäts- natürlich gewachsenen Böden wahr und da- Fachwissen wird idealerweise durch die Praxis sicherung und bei unvorhergesehenen oder mit einhergehend die unwiederbringliche in einem Betrieb mit erfahrenen Fachleuten kritischen Situationen angewiesen. Veränderung ihrer Funktionen als Filter ergänzt. Theorie in die Praxis umsetzen Ich möchte darauf hinweisen, dass eine un- (Schadstoffe), Puffer (Hochwasser) und Spei- benötigt Übung. sachgemässe oder organisatorisch nicht opti- cher (Nährstoffe, Wasser) durch Kompres- male Beratung auf der Baustelle Unverständ- sion, Vermischung oder falsche Lagerung. Ist die BBB eine Schweizer Erfindung? nis und Widerstand seitens Bauleitung und Ich glaube schon. Bei der letzten Ausbildung im Unternehmung auslösen kann. So würde eine Welches war Ihr erster Auftrag als BBB? Rahmen eines mehrtägigen sanu-Kurses waren effiziente bodenkundliche Begleitung er- Mein erster Einsatz als BBB war 1993 beim auch zwei deutsche Teilnehmer dabei. Aus deut- schwert, und der Bodenschutz verliert seine Neubau der N5 zwischen Solothurn und Biel. schen Bodenschutzkreisen weiss ich, dass die Akzeptanz mit negativen Folgen für Bauherr Davor hatte ich schon bei der Erarbeitung von Schweiz um das Instrument BBB beneidet wird. und Landwirt. verschiedenen Umweltverträglichkeitsberich- ten mitgewirkt. Was hat sich seit damals verändert? Anfänglich wurde der BBB als «Ärgernis» wahrgenommen bzw. als eine Person, die ei- nen «grünen Job» machen wollte. Es gab noch wenig tradierte Erfahrung in Form von bodenschützerischen Normen (z. B. VSS-Nor- men). Eine Ausnahme war das Nomogramm (s. Kasten S. 15). Um eine baustellentaugliche Beratung leisten zu können, mussten wir da- mals zahlreiche Messungen zur Auswirkung «Eine BBB lohnt sich auch für den Bauherrn. Eine Totalsanierung kommt viel teurer», von Baumaschinen auf den fruchtbaren Bo- sagt Werner Rohr. den ausführen. Es erforderte auch eine ver- Quelle: Fachstelle Bodenschutz 14 UMWELTPRAXIS Nr. 55 / Dezember 2008 www.umweltschutz.zh.ch
Boden Lärm lichen Funktionen nicht mehr erfüllen. Interview mit einem jungen Bodenkundlichen Baubegleiter: Vor genau zehn Jahren wurde auf Bun- Fachlich fundiert begründen desebene die Verordnung über Belas- tungen des Bodens (VBBo) eingeführt. Matias Laustela ist seit fünf Jahren diplomier- ren Rahmen durchgeführt, durch die sanu. Für Damit wurde für den physikalischen Bo- ter Geograf mit Schwerpunkt in Bodenkunde. mich hat sich die Teilnahme wirklich gelohnt. denschutz eine wichtige Grundlage ge- Heute arbeitet er bei Friedlipartner AG und Ich stellte erfreut fest, dass ein sehr offener schaffen. Die Qualität von Bodenrekul- hat letztes Jahr die sanu-Ausbildung zum Bo- Austausch gepflegt wurde und dank der Teil- tivierungen konnte seither stetig ver- denkundlichen Baubegleiter absolviert. Die nahme von erfahrenen BBB auf einem hohen bessert werden. Ein wichtiges Instru- Annerkennung des Titels BBB-BGS wird in fachlichen Niveau diskutiert werden konnte. ment bei der Ausführung von grösseren den nächsten Wochen erwartet. Bodenrekultivierungen ist der Einsatz Wie empfinden Sie die Akzeptanz für BBB auf einer Bodenkundlichen Baubegleitung Wie kamen Sie zum Beruf des Bodenkundli- der Baustelle? (BBB). Als Fach-Bauleitung unterstützt chen Baubegleiters (BBB)? Meist herrscht bei einem Erstkontakt eine ge- sie die örtliche Bauleitung bei der Erar- Während des Studiums wurde uns in einem wisse Zurückhaltung seitens Bauherren, Pro- beitung von Lösungen im Bereich «Spe- Praxisexkurs zum Thema Bodenschutzvollzug jektverfasser und Bauleiter. Bei der Klärung der zialbauwerk Bodenrekultivierung». unter anderem das Berufsbild des BBB ver- Funktion und der organisatorischen Einbin- mittelt. Nach einem Praktikum bei der Fach- dung der BBB wird man als sogenannte Fach- stelle Bodenschutz war für mich klar, dass ich bauleitung jedoch gut akzeptiert. Wichtigste Der Boden braucht Dolmetscher auf diesem Gebiet tätig werden möchte. Voraussetzung für eine reibungslose Projekt- Mein erster Auftrag war die Begleitung der abwicklung ist eine frühzeitige Integration der Eingriffe in den fruchtbaren Boden aus- Folgebewirtschaftung von temporär bean- BBB. Noch immer wird der Boden zum Teil ver- serhalb der Bauzonen bedürfen einer spruchten Flächen durch den Bau der Bahn- gessen. Denkt man z.B. nicht rechtzeitig an die kantonalen Bewilligung. Diese wird im 2000-Strecke zwischen Inkwil und Derendin- Flächenausscheidung für Bodenzwischende- Kanton Zürich unter Auflage der kanto- gen. Gleichzeitig lief auf einer anderen SBB- pots, sind Probleme unausweichlich. nalen Richtlinien für Bodenrekultivie- Baustelle der Rückbau von fünf Kilometern rungen erteilt. Beansprucht ein Bauvor- temporärer Baupiste auf Landwirtschafts- Haben Sie Wünsche an die Fachstelle Boden- haben eine Fläche von mehr als 5000 m2, land. Heute füllen BBB-Aufträge etwa ein schutz? wird zusätzlich eine Bodenkundliche Drittel meiner Arbeitszeit aus. Ich wünschte mir eine verstärkte Präsenz auf Baubegleitung (BBB) verlangt. Dabei ist den Baustellen. Die Vollzugsbehörde muss die BBB vor allem Dolmetscher, welche Das Annerkennungsreglement der BGS (siehe unbedingt wissen, was «an der Front» läuft. die Sprache des Bodens versteht und Kasten Seite 13) schreibt einen Hochschulab- Andernfalls läuft sie Gefahr, dass ihre Vorga- diese in den Baustellenjargon überset- schluss vor. Ist das aus Ihrer Sicht zwingend? ben am Ziel vorbeischiessen. Zudem sollte die zen kann. Denn die Sprache des Bodens Eine solide naturwissenschaftliche Grund- FaBo gegenüber den BBB klarstellen, dass die ist komplex und nur für Eingeweihte ausbildung ist unerlässlich. Bauherren bzw. Vorgaben in den Richtlinien für Bodenrekulti- ausreichend verständlich. Die beiden ihre Vertreter wollen bodenschützerische vierungen nicht in jedem Fall absolut zu ver- Interviews schildern Erfahrungen mit Spezialmassnahmen fachlich fundiert be- stehen sind. Abweichungen von diesen Vor- dieser Übersetzungsarbeit vor Ort. gründet haben. Zudem werden stets massge- gaben sind bei fachlich ausreichender Be- schneiderte Lösungen gefordert. Allein die gründung möglich. Aufgabe der BBB ist ja ge- Dimensionierung einer temporären Baupiste rade, im Einzelfall eine bodenverträgliche Lö- Infotipp ist nicht ganz trivial, gilt es doch Faktoren wie sung zu finden. Nomogramm die «Vorbelastung des zu überschüttenden Das im Bodenschutz verwendete Nomo- Bodens», Bewehrung (z.B. mit Geotextil), Be- Die Richtlinien für Bodenrekultivierungen gramm ist ein zweidimensionales Dia- lastungen auf der Piste und Tragfähigkeit des schreiben eine BBB für Vorhaben ab 5000 m2 gramm, an dem die Tragfähigkeit eines Bo- Schüttmaterials richtig zu erfassen und in die zwingend vor, ist das aus Ihrer Sicht sinnvoll? dens in Abhängigkeit von der Bodenfeuch- Berechnung miteinzubeziehen. An und für Ja, sinnvoll schon. Ich sehe das Problem an ei- te und des Maschinengewichts pro Fläche sich ist das eine typische Aufgabe für einen nem anderen Ort. Seriös ausgeführte Boden- (Flächenpressung) abgelesen werden kann. Geotechniker, aber ein kompetenter BBB tut rekultivierungen – mit oder ohne BBB – sind Nützliche Internetadressen gut daran, wenigstens die grundlegenden Zu- aufwändig und kurzfristig gesehen teuer. Ak- www.soil.ch/doku/bbb_liste.pdf (Liste der sammenhänge zu verstehen. tuell gibt es meines Erachtens noch zu viele BBB mit BGS-Anerkennung) Bauherren, die insbesondere Unterboden www.soil.ch/doku/bbb_regl.pdf (BBB-An- Gibt es einen institutionalisierten BBB-Erfah- nicht als Ressource verwerten, sondern mit erkennungsreglement BGS) rungsaustausch? dem restlichen Aushub in eine Grube fahren. www.boden.zh.ch «Service und Dienst- Meines Wissens wurde dieses Jahr zum ers- Dieser Boden ist verloren. Da nützt auch ein leistungen» «Vollzugshilfsmittel» ten Mal eine solche Veranstaltung im grösse- BBB nichts. UMWELTPRAXIS Nr. 55 / Dezember 2008 www.umweltschutz.zh.ch 15
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