Unangepasste Jungs Delegierte im Homeoffice - statt in Solothurn - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 7/8

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Unangepasste Jungs Delegierte im Homeoffice - statt in Solothurn - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 7/8
Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH   7/8 | 2021

Unangepasste Jungs
Delegierte im Homeoffice – statt in Solothurn

                                                              1
Unangepasste Jungs Delegierte im Homeoffice - statt in Solothurn - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 7/8
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Unangepasste Jungs Delegierte im Homeoffice - statt in Solothurn - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 7/8
7/8 | 2021
EDITORIAL

                                                      Liebe Leserinnen und Leser

Ausgabe 7/8 | 2021 | 29. Juni 2021                    Vor einem Jahr freuten wir uns auf die Ferien. Sogar sehr. Denn es war an-
Zeitschrift des LCH, 166. Jahrgang der
Schweizer Lehrerinnen- und Lehrerzeitung (SLZ)
                                                      strengend gewesen: Schulen zu, digitales Chaos zuweilen und dann noch
BILDUNG SCHWEIZ erscheint 11 Mal jährlich             die Angst um unsere Liebsten. Jetzt kommt die Auszeit erneut gerade recht.
                                                      Denn dieses Schuljahr hatte es wieder in sich. Doch neben diesem berech-
Impressum
                                                      tigten Stossseufzer keimt eine Ahnung: Das werden wir nicht so schnell
                                                      vergessen! Was Sie und Ihre Schülerinnen und Schüler geleistet haben, das
Herausgeber/Verlag
Dachverband Lehrerinnen und Lehrer                    war ausserordentlich. Und es wird die Schule verändern. Als Optimist würde
Schweiz LCH                                           ich sagen, zum Guten.
• Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin
• Franziska Peterhans, Zentralsekretärin
• Beat A. Schwendimann, Leiter der Pädagogischen      Wir wissen nun aus eigener Erfahrung, was persönliche Kontakte wert sind.
  Arbeitsstelle LCH
                                                      Aber wir haben auch digitale Hilfsmittel schätzen gelernt. Der digitale Gra-
Zentralsekretariat und Redaktion                      ben zwischen den Generationen ist keine unüberwindbare Schlucht mehr.
Pfingstweidstrasse 16, 8005 Zürich
Telefon 044 315 54 54
                                                      Wir haben uns darin geübt, flexibel zu sein. Kein Nachteil, würde ich sagen.
E-Mail: bildungschweiz@LCH.ch
Internet: www.LCH.ch, www.bildungschweiz.ch
Erreichbar Mo–Do, 8–12 Uhr und 13.30–16.45 Uhr,
                                                      Offen für Neues, geschätzte Leserinnen und Leser, möchte ich auch als
Fr bis 16 Uhr                                         neuer Chefredaktor von BILDUNG SCHWEIZ sein. Ich freue mich auf den
                                                      Weg, den wir als Redaktionsteam mit Ihnen vor uns haben. Als junger Lehrer
Redaktion
• Christoph Aebischer (ca), Chefredaktor              in den Neunzigerjahren sah ich mir die Filme des kanadisch-armenischen
• Deborah Conversano (dc), stv. leitende Redaktorin   Filmregisseurs Atom Egoyan an. Sein Verwirrspiel mit unterschiedlichen
• Maximiliano Wepfer (mw), Redaktor Print/Online
• Anna Walser (aw), Redaktorin Print/Online           Realitäten eines medialen Zeitalters faszinierte mich. Gekonnt verwischte
Ständige Mitarbeit: Adrian Albisser (Bildungsnetz),   er Grenzen und stellte Gewissheiten zur Disposition. Freilich hatte ich auch
Claudia Baumberger, Fiona Feuz,
Marcel Hegetschweiler, Marina Lutz (Cartoon),         Bedenken: Was macht das mit uns?
Christian Urech, Roger Wehrli, Christa Wüthrich,
Michael Merker/Lea Sturm (Schulrecht)
                                                      Mittlerweile stecken wir mittendrin in dieser Welt. Als langjähriger Jour-
Abonnemente/Adressen                                  nalist bei verschiedenen Tageszeitungen erlebte ich das hautnah und Sie
Bestellungen/Adressänderungen:
Zentralsekretariat LCH, 044 315 54 54,                als Lehrpersonen oder an Bildungsthemen Interessierte ebenso. Toll daran
adressen@LCH.ch                                       ist, dass dank digitalen Hilfsmitteln der Austausch über die eigene Blase
Adressänderungen auch im Internet:
www.bildungschweiz.ch                                 hinaus einfacher geworden ist. Weniger ideal ist die Tendenz, dass wir diese
Für Aktivmitglieder des LCH ist das                   Chance nicht unbedingt nutzen. Auch das eine Lehre aus der Pandemie.
Abonnement im Verbandsbeitrag
(CHF 82.– pro Jahr) inbegriffen                       Statt in einen Dialog zu treten und uns mit anderen Meinungen auseinan-
Jahresabonnement für Nichtmitglieder:                 derzusetzen, suhlen wir uns allzu oft in der eigenen «Bubble».
Schweiz CHF 108.50, Ausland CHF 183.50
Einzelexemplar CHF 10.25, ab dem 8. Expl.
CHF 7.20 (jeweils plus Porto und MwSt.)               Pluralismus und die Auseinandersetzung mit fremden Standpunkten sind
Dienstleistungen                                      aber wichtig. So kommen wir gemeinsam weiter. Gerne lade ich Sie zu die-
Bestellungen/Administration: Zentralsekretariat       sem Austausch ein, auch im Rahmen dieses Magazins. Einen Blick über die
LCH, 044 315 54 54, adressen@LCH.ch
Reisedienst: Jolanda Fraefel, j.fraefel@LCH.ch
                                                      «Bubble» der eigenen Schule oder des eigenen Landes hinaus bietet in die-
                                                      ser Ausgabe zum Beispiel der Bericht auf Seite 28 über das Bildungsprojekt
Inserate/Druck                                        «Enfócate» in Bolivien. Interessieren dürfte Sie ebenfalls, wie andere die
Inserateverkauf: Martin Traber, Fachmedien,
Zürichsee Werbe AG, Tel. 044 928 56 09                Zeit mit geschlossenen Schulen und Fernunterricht erlebt haben und wel-
martin.traber@fachmedien.ch                           che Schlüsse man daraus ziehen
Mediadaten: www.bildungschweiz.ch
Druck: FO-Zürisee, 8132 Egg ZH                        könnte. Mehr dazu lesen Sie auf
ISSN 1424-6880                                        Seite 32.
Verbreitete Auflage: 41 604 Exemplare
Total verkaufte Auflage: 41 593 Exemplare
(WEMF/KS-Beglaubigung)                                Ich wünsche Ihnen gute Lektüre,
                                                      und unbedingt: gute Erholung!

                                                      Christoph Aebischer
                                                      Chefredaktor
                                                                                           Christoph Aebischer ist seit dem 1. Juni Chefredaktor von
                                                                                           BILDUNG SCHWEIZ. Foto: Marc Renaud

                                                                                                                                                       3
Unangepasste Jungs Delegierte im Homeoffice - statt in Solothurn - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 7/8
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               12   Die DV LCH hat zwei neue
                Geschäftsleitungsmitglieder
                gewählt.

                                        20     Mädchen werden
                                        für Fleiss und Pflichtgefühl
                                        belohnt. Buben werden für
                                        ihr Verhalten häufiger
                                        bestraft. Bevorzugt unser
                                        Schulsystem die Mädchen?

                                                          34    Was
                                                          Knochen über
                                                          unsere Vorfah-
                                                          ren erzählen.

                          28   In Bolivien gibt es viele Teenie-
                          Schwangerschaften und viel häusliche
                          Gewalt. Jugendliche sollen starre
                          Geschlechterrollen hinterfragen.

    Heftmitte
    Der LCH informiert über
    die wichtigsten Geschäfte
    im Verbandsjahr 2020/21.            Fotos auf diesen Seiten: Marc Renaud,
                                        iStock/alexsl, Pascal Frischknecht, Christian
                                        Urech, Anna Walser

                                        Titelbild: Die Delegiertenversammlung LCH
                                        fand in Solothurn und im Homeoffice statt.
                                        Foto: Marc Renaud

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INHALT

               AKTUELL | BILDUNGSPOLITIK

             6 Ein Digitalisierungsgraben zieht sich durch die Schweiz
             7 Jugendschutz gibt im Bundeshaus zu reden

               AUS DEM LCH | DELEGIERTENVERSAMMLUNG

         8     Bündner Lehrpersonen sind empört über Urteil gegen ihre Lohnklage
         10 Die digitale Versuchung – Fluch und Segen zugleich
         12 Neue Gesichter in der Geschäftsleitung

               INTEGRATIVE SCHULE

         15 Eine Schule für möglichst alle
         18 Wegweiser durch den Massnahmendschungel

               PÄDAGOGIK | BILDUNG INTERNATIONAL

         20 Oh boy!
         25 Warum sind wir nur so kurzsichtig?
         28 Bolivianische Jugendliche sollen Gewaltspirale durchbrechen

               BILDUNGSFORSCHUNG | AUSSTELLUNG

         32 Schulhaus geschlossen – Lernen aus dem Fernunterricht
         34 Grabfunde, die Geschichte(n) schreiben

               RUBRIKEN
                                                                   BÜROZEITEN IM SOMMER
             3 IMPRESSUM                                           Vom 12. Juli bis und mit 31. Juli
         27 SWISSDIDAC                                             sind der LCH und die Redaktion
                                                                   nur von 8 bis 12 Uhr erreichbar.
         36 SCHULRECHT
         39 BILDUNGSNETZ
         40 VERLAG LCH
         41 MEHRWERT LCH
         42 REISEN LCH
         44 BILDUNGSMARKT
         47 3 FRAGEN AN ... | BILDUNG SCHWEIZ demnächst

                   Das Wichtige lesen, wenn es noch neu ist.
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Ein Digitalisierungsgraben zieht sich
durch die Schweiz
Eine neue Schweizer Studie untersucht die Digitalisierung in der Bildung.
Erste Ergebnisse zeigen: Es gibt grosse Unterschiede zwischen den
Sprachregionen. In der Umfrage kamen Kinder und Jugendliche vom Zyklus 2
bis zur Sekundarstufe II zu Wort.

Benutzt du an der Schule        schungsinstitut gfs.bern im       zu den subjektiven Einschät-     WAS, WANN, WO
Computer? In einer repräsen-    Auftrag und in Zusammenar-        zungen der Schülerinnen und
tativen Studie beantworteten    beit mit der Schweizerischen      Schüler zur Nützlichkeit digi-
                                                                                                   Bildungsforschung und
88,5 Prozent der Schülerin-     Koordinationsstelle für Bil-      taler Anwendungen und
nen und Schüler von Zyklus 2    dungsforschung (SKBF).            Lernformen und zur Freude        -praxis auf Augenhöhe
bis Sekundarstufe II in der                                       im Umgang mit diesen.            Gute Beispiele für for-
Deutschschweiz diese Frage      Grosse Unterschiede zwi-                                           schungsorientierte Praxis
mit Ja. Dieser Wert steht im    schen den Sprachregionen          Weitere Ergebnisse betreffen     und praxisorientierte For-
Kontrast zu den Antworten       Das Ziel der Studie sei es, zu    die Abdeckung mit WLAN an        schung sichtbar zu machen,
aus der französischsprachi-     untersuchen, ob die Zeit des      den Schulen, Unterschiede in     das ist das Ziel der nächsten
gen Schweiz und dem Tessin:     Fernunterrichts als mögli-        der Nutzung je nach Fachbe-      Tagung von profilQ. Am
Dort bejahten 68,3 respektive   cher Katalysator für die Digi-    reich oder Unterschiede zwi-     15. September 2021 treffen
51,1 Prozent die Frage.         talisierung in der Bildung        schen den Geschlechtern.         sich in Zürich Lehrpersonen,
                                gewirkt hat, schreiben Chan-      Ausserdem halten die For-        Schulleitungen, Forschende
Langzeitstudie geplant          tal Oggenfuss und Stefan          schenden fest, dass generell     sowie Fachpersonen von
Die Angaben gehören zu den      Wolter. Sie sind das Autoren-     noch nicht von einer sehr        Schulbehörden und (kanto-
ersten Ergebnissen des          team des 25-seitigen «SKBF        grossen Nutzungsintensität       nalen) Verwaltungs- und
«Monitorings der Digitalisie-   Staff Paper», das im Mai          von digitalen Hilfsmitteln im    Schulentwicklungsstellen
rung der Bildung aus der        2021 erschienen ist und die       schulischen Umfeld gespro-       zum Thema «Bildungsfor-
Sicht der Schülerinnen und      ersten Ergebnisse zu-             chen werden könne.               schung und Bildungspraxis
Schüler». In einer Langzeit-    sammenfasst.                                                       auf Augenhöhe – so
studie sollen Informationen                                       Deborah Conversano               funktioniert’s!». Die Teilneh-
darüber gesammelt werden,       Die erwähnten grossen                                              menden diskutieren, wie die
wie digitale Medien in der      Unterschiede zwischen den                                          Partnerschaft zwischen Pra-
Bildung genutzt werden. Die     Sprachregionen zeigen sich        Weiter im Netz                   xis und Forschung gestaltet
erste Befragung fand im         in praktisch allen Aspekten:      www.skbf-csre.ch/bildungs-       sein muss, damit sie als
Oktober und November 2020       von den Neuanschaffungen          forschung/staff-papers/          zufriedenstellend erachtet
statt. Durchgeführt hat sie     über die Nutzungsintensität                                        wird. Weitere Informationen:
das Markt- und Meinungsfor-     und die Nutzungsform bis hin                                       www.profilqualite.ch

NEU IM AMT                      zell Ausserrhoden, zur neuen      strahlt. Beat A. Schwendi-       Tagung «Lesen 2030»
                                Regionalsekretärin der EDK-       mann, Leiter Pädagogische        Laut der letzten PISA-Studie
Alfred Stricker                 Ost gewählt. Sie folgt per        Arbeitsstelle LCH, ist Mit-      lesen Schweizer Schülerin-
neuer Präsident                 1. August 2021 auf Christoph      glied der Jury.                  nen und Schüler nicht nur
                                Zimmermann, Glarus. (pd)                                           schlechter als noch vor eini-
der EDK-Ost                                                       Kurse für Lehrpersonen           gen Jahren, sie lesen in der
Die Erziehungsdirektoren-                                         In diesem Jahr wurde erst-       Freizeit auch weniger Bücher.
Konferenz der Ostschweizer      PREISVERLEIHUNG                   mals eine Onlineschulung zu      Zugleich begegnen sie auf
Kantone und des Fürsten-                                          Lernfilmen für Lehrpersonen      digitalen Geräten täglich
tums Liechtenstein (EDK-        Rekordbeteiligung                 angeboten. 400 Personen          unterschiedlichsten Text-
Ost) hat am 28. Mai 2021        an Lernfilm estival               nutzten diese. Festivaldirek-    und Erzählformen. Wie wird
einen neuen Präsidenten                                           tor Fredi Althaus vermutet,      sich das literarische Lesen
gewählt. Alfred Stricker,       Albert Einstein beschäftigt       dass die Weiterbildung zur       bei Kindern und Jugendli-
Regierungsrat und Vorsteher     sich mit Urheberrecht und         hohen Beteiligung beigetra-      chen bis 2030 verändern?
des Departements Bildung        die «Tagesschau» macht Avo-       gen haben könnte. Die Schu-      Welche Auswirkungen haben
und Kultur des Kantons          cados zum Hauptthema: Die-        lung wird auch für das nächs-    die digitalen Entwicklungen
Appenzell Ausserrhoden,         se Ideen setzten Gewinnerin-      te Lernfilmfestival angeboten    auf die Kinder- und Jugend­
folgt auf Benjamin              nen und Gewinner des              und im neuen Schuljahr           literatur? Die diesjährige Jah-
Mühlemann.                      diesjährigen Lernfilmfesti-       ausgeschrieben.                  restagung des Instituts für
                                vals um. Für die neunte                                            Kinder- und Jugendmedien
Der Glarner Bildungsdirektor    Durchführung reichten Kin-        Deborah Conversano               (SIKJM) findet am Freitag,
Mühlemann übte das Amt          der und Jugendliche 700 Bei-                                       17. September 2021, im
seit Mai 2018 aus. Per Anfang   träge ein, doppelt so viele wie                                    Volks­haus Zürich und parallel
2021 wechselte er ins           üblich. Die Preisverleihung       Weiter im Netz                   online via Livestream statt.
Finanzdepartement Glarus.       fand in Kooperation mit «SRF      www.lernfilmfestival.ch          Eine Anmeldung ist bis Mitte
An der gleichen Sitzung wur-    mySchool» statt und wurde         www.srf.ch/myschool              August möglich. Weitere
de Daniela Ittensohn, Appen-    Anfang Juni auf SRF 1 ausge-                                       Informationen: www.sikjm.ch

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Unangepasste Jungs Delegierte im Homeoffice - statt in Solothurn - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 7/8
7/8 | 2021
BILDUNGSPOLITIK

Jugendschutz gibt im Bundeshaus
zu reden
Nach dem Nationalrat will nun auch der Ständerat die Einschränkungen für Tabakwerbung
lockern. Uneins waren sich die beiden Kammern in der Sommersession, ob sich der Staat in
das Ernährungsverhalten von jungen Menschen stärker einmischen müsste. Zudem will die
grosse Kammer die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stärken.

Das Tabakproduktegesetz           Tabakkontrolle (FCTC)
machte den Auftakt für die        erfüllen.
aus Sicht des LCH interes-
santen Geschäfte der Som-         Dagmar Rösler, Zentralpräsi-
mersession, die am Freitag,       dentin LCH, ist enttäuscht
18. Juni 2021, zu Ende ging.      über die Beschlüsse des
Der Ständerat hat beschlos-       Ständerats. «Es scheint so,
sen, den Gesetzesentwurf als      dass das Parlament weiter-
indirekten Gegenvorschlag         hin die Interessen der Indust-
mit der Volksinitiative «Ja       rie und der Werbung über die
zum Schutz der Kinder und         allgemeine Gesundheit und
Jugendlichen vor Tabakwer-        besonders über die unserer
bung» zu verknüpfen. Darü-        Kinder und Jugendlichen
ber hinaus hielt er an seinem     stellt. Wenn wir verhindern
Entscheid fest, wonach die        wollen, dass Kinder und
Kantone jeweils strengere         Jugendliche mit dem Tabak-
Vorschriften für Werbung,         konsum beginnen, braucht         In der Sommersession 2021 wurden gleich mehrere Vorstösse behandelt,
Sponsoring und Verkaufsför-       die Schweiz einen griffigen      welche die Jugend betreffen. Bild: Parlamentsdienste 3003 Bern
derung erlassen können.           Jugendschutz, der seinen
                                  Namen auch verdient.» Noch
Ausnahmeregelungen für            sind die Beschlüsse nicht        tiative ab. Im Gegenzug hat           Zugleich soll er Massnahmen
Werbung bleiben bestehen          definitiv, die Vorlage geht      der Nationalrat ein Postulat          vorschlagen, damit die psy-
Ansonsten folgte die kleine       zurück an den Nationalrat.       zum selben Thema deutlich             chische Gesundheit gewahrt
Kammer der Version des                                             angenommen. Der Bundesrat             wird. Der Nationalrat hat sich
Nationalrats. So soll Werbung     Einmal Ja und einmal Nein        muss nun darlegen, welche             klar für ein Postulat mit die-
für Tabakprodukte in der          für Jugend und Ernährung         nationalen und kantonalen             sen Forderungen ausgespro-
Presse und auf Internetsei-       Uneins waren sich die beiden     Angebote im Bereich «Jugend           chen. Für die Bündner SP-
ten, die nicht für Minderjähri-   Kammern in einem weiteren        und Ernährung» bestehen,              Nationalrätin Sandra Locher
ge bestimmt sind, weiterhin       Thema, das die Jugend            wie diese finanziert werden           Benguerel, frisch gewähltes
erlaubt sein. Zudem wurde         betrifft. Nach dem Vorbild       und an welche Zielgruppe sie          Mitglied der Geschäftslei-
die Pflicht für Tabakfirmen       von «Jugend und Sport»           sich wenden.                          tung LCH, ist dies der erste
gestrichen, ihre Ausgaben für     wollte eine parlamentarische                                           Schritt in die richtige Rich-
Werbung, Verkaufsförderung        Initiative in einem Programm     Mehr Hilfe bei psychischen            tung: «Dadurch können
und Sponsoring zu melden.         «Jugend und Ernährung» jun-      Problemen                             gezielte Massnahmen unter
Damit würde die Schweiz           gen Menschen Kenntnisse          Der Bundesrat soll aufzeigen,         Einbezug der Fachpersonen
nicht einmal mehr die Mini-       über Ernährung vermitteln        welche Auswirkungen die               geplant werden.»
malvoraussetzung zur Ratifi-      und damit zur Gesundheits-       Coronakrise auf die psychi-
zierung der internationalen       förderung beitragen. Der         sche Gesundheit von Kindern           Maximiliano Wepfer
Rahmenkonvention über die         Ständerat lehnte aber die Ini-   und Jugendlichen hat.

SONDERPÄDAGOGIK                   REVOS ist eine logische orga-    halb werden die Spezial-              darf entfällt damit die ner-
                                  nisatorische Folge des Integ-    lehrpersonen neu direkt von           venaufreibende Suche nach
Bern integriert                   rationsziels, das seit 2008 im   den Schulen angestellt und            einem Schulplatz.
Sonderschule                      Volksschulgesetz verankert       in die Lehrerkollegien integ-
                                  ist. Dieses besagt, dass auch    riert. Bislang hatte ein Teil         Zusätzlich zur Sonderpäda-
Im Kanton Bern kommen die         Schülerinnen und Schüler         dieser Lehrpersonen schul­            gogik beinhaltet REVOS auch
Sonderschulen neu unter das       mit besonderen Bedürfnis-        extern und oft in teuren Eins-        den Ausstieg des Kantons
Dach der Bildungsdirektion.       sen möglichst nicht in sepa-     zu-eins-Situationen                   Bern aus der Beteiligung an
Die weitgehend unbestritte-       raten Institutionen unterrich-   gearbeitet.                           Lehrmittelverlagen. Bei den
ne Integration der Sonderpä-      tet werden sollen.                                                     Tagesschulen sprach sich der
dagogik in die Volksschule                                         Künftig sollen bis auf wenige         Grosse Rat dafür aus, dass
bildet das Kernstück der          Speziallehrpersonen werden       Ausnahmen alle Kinder                 die Regierung Minimalvor-
Revision des Volksschulge-        Teil des Kollegiums              innerhalb der Regel­schule            schriften zu Qualitätsstan-
setzes (REVOS 2020), das der      Mit der Gesetzesrevision         von sonderpädagogischen               dards erlässt. REVOS soll auf
Grosse Rat des Kantons Bern       wechselt der Sonderschulbe-      Fördermassnahmen profitie-            den Beginn des Schuljahres
am 10. Juni 2021 mit 147 zu       reich von der Gesundheits-       ren. Für Eltern von Kindern           2022/2023 umgesetzt wer-
3 Stimmen verabschiedete.         zur Bildungsdirektion. Des-      mit besonderem Förderbe-              den. (pd/mw)

                                                                                                                                          7
Unangepasste Jungs Delegierte im Homeoffice - statt in Solothurn - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 7/8
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Bündner Lehrpersonen sind empört
über Urteil gegen ihre Lohnklage
Das Bündner Verwaltungsgericht hat die Lohnklage des Verbands Lehrpersonen
Graubünden (LEGR) abgewiesen. Das ist ein herber Rückschlag, aufgeben will der
Verband deshalb noch lange nicht.

Weil er eine Diskriminierung    oberflächliche Behandlung      würden. Für das Urteil seien            das Urteil nicht einfach so
in den Löhnen auf der Kinder-   eines Parteigutachtens»        die Löhne der Kindergarten-             hinnehmen: «Es werden
gartenstufe sah, zog der Ver-   gestützt, schreibt der LEGR    lehrpersonen durch die                  mögliche weitere Schritte
band Lehrpersonen Graubün-      in seiner Medienmitteilung.    Gegenpartei nicht mit den               intensiv geprüft.» Laura Lutz
den (LEGR) mit der Frauenzen-   «Das ist inakzeptabel. Nach    Löhnen der Vergleichsberufe             bestätigte dies gegenüber
trale Graubünden und Einzel-    wie vor wird in Graubünden     verglichen worden, sondern              dem Radio Südostschweiz:
klägerinnen vor Gericht. Nach   einem längst überholten        mit jenen von Werkmeistern,             «Wir werden jetzt auf jeden
dreieinhalb Jahren hat das      Berufsbild der Kindergarten-   Revierförstern und Baulei-              Fall den politischen Weg ein-
Verwaltungsgericht des Kan-     lehrperson nachgehangen.»      tern. «In Glarus wurde der              schlagen, unabhängig davon,
tons Graubünden nun ein         Dabei verharre das Verwal-     Vergleich durch eine neutrale           ob wir vor Bundesgericht zie-
Urteil gefällt. Es lehnte die   tungsgericht in der Ansicht,   Instanz gemacht und die Löh-            hen oder nicht.»
Klage ab, da keine Diskrimi-    dass der Beruf der Kinder-     ne der Kindergartenlehrper-
nierung in den Löhnen der       gartenlehrperson keiner ech-   sonen wurden auf das Niveau             Anna Walser
Kindergartenlehrpersonen zu     ten Qualifizierung bedarf.     von Primarschullehrperso-
erkennen sei.                                                  nen angehoben», hielt Lutz
                                Kein neutraler Vergleich       fest.                                   Weiter im Netz
Urteil inakzeptabel             Gegenüber Radio Südost-                                                bit.ly/2U3NPb4 – «Der LEGR
Die klagenden Verbände zei-     schweiz sagte Laura Lutz,      Verband gibt nicht auf                  ist empört» (Medienmittei-
gen sich «schockiert» über      Präsidentin des LEGR, dass     Wie der LEGR in seiner                  lung)
das Urteil. Nach mehr als       die Löhne von Bündner Kin-     Medienmitteilung weiter
                                                                                                       bit.ly/3xvUuJt – «Wir werden
dreieinhalb Jahren Wartezeit    dergartenlehrpersonen im       schreibt, werden die Kinder-
                                                                                                       jetzt den politischen Weg ein-
habe das Verwaltungsgericht     schweizweiten Vergleich        gartenlehrpersonen, der
                                                                                                       schlagen» (Südostschweiz)
sein Urteil auf eine «sehr      «ganz zuhinterst» liegen       LEGR und die Frauenzentrale

IN EIGENER SACHE                Digital Publi­sher an der      sowie der vierzehntäglich               Team. Das Redaktionsteam
                                Hochschule für Wirtschaft in   erscheinende Newsletter                 und die Mitarbeitenden des
Redaktion unter                 Zürich. In früheren Jahren     LCH gehören in die Zustän-              Zentralsekretariats LCH freu-
neuer Leitung                   war er Lehrer, drei Jahre an   digkeit der Redaktions-                 en sich auf die Zusammenar-
                                der Primarstufe, danach        leitung.                                beit mit dem neuen Kollegen.
Die Geschäftsleitung LCH (GL    während seines Geografie-
LCH) hat Christoph Aebischer    studiums in verschiedenen      Zählen darf der 50-jährige              Ich gratuliere Christoph Aebi-
zum neuen Leiter der Redak-     Teilpensen und Stellvertre-    Christoph Aebischer auf ein             scher zu seiner Wahl und
tion gewählt. Er folgt auf      tungen. Der grosse journa-     exzellentes Redaktionsteam:             heis­se ihn beim LCH herzlich
Belinda Meier, die diese Auf-   listische Leistungsausweis,    Deborah Conversano, Maxi-               willkommen.
gabe per Ende März 2021         die Erfahrung als Lehrer       miliano Wepfer und Anna
abgegeben hat. Zusammen         sowie seine sozialen Kompe-    Walser sind ein äusserst                Franziska Peterhans,
mit der ganzen GL LCH heisse    tenzen haben die GL LCH        kompetentes, engagiertes                Zentralsekretärin LCH
ich Christoph Aebischer als     überzeugt. Aus über 30         und bestens eingearbeitetes
Chefredaktor von BILDUNG        Bewerbungen ist Christoph
SCHWEIZ und Leiter der          Aebischer als klarer Favorit
Kommunikationsabteilung         aus dem Auswahlverfahren
herzlich willkommen. Er hat     hervorgegangen und einstim-
am 1. Juni 2021 seine Stelle    mig in seine wichtige neue
angetreten und folgt damit      Aufgabe gewählt worden.
auf die ehemalige Redakti-
onsleiterin Belinda Meier       «BILDUNG SCHWEIZ landet
sowie die Leiterin ad interim   auf meinem Tisch. Das ist
Deborah Conversano.             eine der wenigen Konstanten
                                in meiner bisherigen Funkti-
Christoph Aebischer war bis     on als Journalist.» Dieser
zu seinem Wechsel zum LCH       Satz stammt aus dem Bewer-
als Redaktor und Storymana-     bungsschreiben von Chris-
ger beim «Bund» angestellt.     toph Aebischer. Nun wird er
Er hat über 20 Jahre Erfah-     die Zeitschrift zusammen mit
rung im Tagesjournalismus       der Redaktion verantworten.
und absolvierte vor zwei Jah-   Aber auch die Newsbeiträge
ren seine Ausbildung zum        auf der Website des LCH
                                                               Die Redaktion BILDUNG SCHWEIZ in neuer Formation. Foto: Philipp Baer

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Unangepasste Jungs Delegierte im Homeoffice - statt in Solothurn - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 7/8
Die Projektwoche
                       Food
    und das Dossier zu
                      unter
     Waste finden Sie
                        h/
      www.swissmilk.c
              schule

                                             PROJEKTWOCHE
                                         «FRISCH AUF DEN TISCH»
                                         Wochenplan für den Unterricht
                                          Ihre Schülerinnen und Schüler erfahren Spannen-
                                          des rund um die Produktion, die Verarbeitung und
                                          den Konsum landwirtschaftlicher Erzeugnisse aller
                                          Art, mit einem besonderen Fokus auf Milch und
                                          Milchprodukte.

Unterrichtsmaterial und                                                          Flexibel und modular
Vorbereitungshilfen                                                              Die Materialien und Hilfen
Die Inhalte sind auf die Lehrplanziele                                           der Projektwoche «Frisch
der Zyklen 1 bis 3 abgestimmt. Pro                                               auf den Tisch» sind modu-
Zyklus und Wochentag steht online                                                lar einsetzbar, sei es für
unter www.swissmilk.ch/schule eine                                               Einzellektionen, Werkstatt-
Auswahl an Unterrichtsmaterialien                                                unterricht oder Exkursionstage.
und Vorbereitungshilfen zur                                                      Die Organisation und Durchführung
Verfügung.                                                                       der Projektwoche obliegt den Lehr-
                                                                                 personen selbst.

                                                                                                             Food Waste für den Zyklus 3
                                    Mit allen Sinnen lernen                                                  und WAH
                                    Die Schülerinnen und Schüler                                             Was lässt sich dagegen tun?
                                    erhalten Einblicke in das Leben und                                      Gehen Sie mit Ihrer Klasse die-
                                    Arbeiten von Bauernfamilien. Sie erfahren,                               ser Frage auf den Grund. Bei
                                    wie landwirtschaftliche Produkte erzeugt                                 Swissmilk finden Sie ein Dossier
                                    und verarbeitet werden, welche Nährstoffe                                für drei Doppellektionen mit
                                    sie enthalten und wie man sie haltbar                                    Arbeitsblättern, einem Lehrfilm,
                                    macht. Die Schülerinnen und Schüler ver-                                 Rezepten und vielen weiterfüh-
                                    kosten die Produkte, experimentieren und                                 renden Informationen.
                                    kochen oder backen damit.
Unangepasste Jungs Delegierte im Homeoffice - statt in Solothurn - Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH 7/8
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                                                                                               DELEGIERTENVERSAMMLUNG
                                                                                                                RUBRIK

Die digitale Versuchung –
Fluch und Segen zugleich
Text: Christoph      Ohne digitale Hilfsmittel wäre die Delegiertenversammlung des LCH am
Aebischer
                     12. Juni unmöglich gewesen. Insofern sind sie ein Segen. In Solothurn
Fotos: Marc          erfuhren die Delegierten, was die Hirnforschung von Computern und
Renaud
                     Internet hält.

Eigentlich finde die diesjährige Delegiertenversammlung in        Die Macht der Emotionen
Solothurn statt, sagte Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin          Letztlich, das mag Lehrpersonen ernüchtern, beschrieb
LCH, am 12. Juni 2021 im Saal des Landhauses. Und holte           Häusel den Menschen als ein von Emotionen gesteuertes
zu einer Beschreibung des Offensichtlichen aus: «Die Aare         Wesen. Das ist aber gut zu wissen: Schon der Anblick eines
fliesst direkt am Tagungsort im Landhaus vorbei.»                 Tablets beispielsweise versetzt uns demnach in den «Play
    Das war durchaus nötig. Denn sehen konnten das nur            and Goal»-Modus und weckt damit verbundene Erwartun-
rund 25 Personen aus der Geschäftsleitung des Dachver-
bands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH), des Zen-
tralsekretariats und der Gastgebersektion. Alle anderen
Delegierten, rund 80 Personen, sassen zu Hause vor dem
Bildschirm und mussten sich mit einer Videoschaltung in
den Saal des Landhauses begnügen. Eine Präsenzveranstal-
tung im üblichen Rahmen war wie schon 2020 auch 2021
nicht möglich.

Fastfood fürs Gehirn
Corona bestimmte indirekt auch den Schwerpunkt des
Morgenprogramms. Hans-Georg Häusel, Psychologe und
Experte in Marketing, Verkaufs- und Management-Hirnfor-
 schung, vermittelte in einem unterhaltsamen Referat poin-
 tiert, was digitale Hilfsmittel mit uns machen: «Digitale
Medien sind Fastfood für unser Gehirn», sagte er. Sie sind
 also höchst attraktiv, aber nicht unbedingt effektiv und im
Übermass ungesund.
    Aus der Realität, das zeigt das vergangene Schuljahr mit
 aller Deutlichkeit, sind sie aber nicht mehr wegzudenken.
Wo Vertiefung angestrebt werde, empfahl der Experte,
­brauche es aber weiterhin analoge Methoden, die verschie-
 dene Sinne ansprechen. Diese Kombination könne eine
 bis zu zehnmal höhere Wirkung auf das Gehirn ausüben
 als simple Stimulation. Entsprechend verleihe das Gehirn
 dem Vermittelten mehr Relevanz mit Auswirkungen auf
 den Lernerfolg.
    Digital schlägt Analog hingegen laut Häusel dort, wo es
 um räumliche Vorstellung oder um zeitnahe Feedbacks geht
 oder wo Lerninhalte spielerisch vermittelt werden können,
 in der sogenannten Gamification.
                                                                  Zentralpräsidentin Dagmar Rösler begrüsst die LCH-Delegierten – den
                                                                  grösseren Teil davon via Bildschirm im Homeoffice.

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gen. Ein Buch hingegen wird mit Entspannung assoziiert.               gierten. Er legte dabei den Fokus auf die gesellschaftliche
Dass es nichts bringt, sich dem Wandel zu verschliessen,              Polarisierung, die mit der Coronapandemie einhergeht. Ankli
ja gar ihn zu verteufeln, illustrierte Häusel mit einem Blick         wollte aber nicht bloss schwarzmalen, denn die intensive
zurück. Jedes neue Medium wurde bei seinem Aufkom-                    Auseinandersetzung sei auch Ausdruck von Betroffenheit.
men abgelehnt, angefangen mit der Schrift in der Antike               «Im Idealfall wächst daraus ein politischer Gestaltungswille
                                                                      heran», meinte er. «Lehrpersonen nehmen hier eine wichtige
«Hie und da eine Stunde am Tablet                                     Aufgabe wahr.» Sie vermittelten Schülerinnen und Schülern
                                                                      das nötige Wissen, sollten sie zu Mitgefühl befähigen und
spielen ist in Ordnung, wenn sich das                                 ihnen beibringen, auch Widersprüche aushalten zu können.
Kind viermal länger sensomotorisch                                    Explizit bedankte er sich für den Beitrag der Lehrpersonen
                                                                      in dieser schwierigen Zeit, damit die Schulen auch während
betätigt.»                                                            der Pandemie offen bleiben konnten.
                                                                         Mathias Stricker, Präsident des Verbands Lehrerinnen
über den Buchdruck im Mittelalter oder das Fernsehen                  und Lehrer Solothurn (LSO), bot den Delegierten eine
im 20. Jahrhundert bis eben heute zu den Vorbehalten bei              Premiere: ein kurzes Promotionsvideo, in dem sich die
digitalen Medien.                                                     Gastgebersektion vorstellt. In drei Minuten rückt der LSO
   Trotz der digitalen Schwelle aus dem Homeoffice ins                seine vielfältigen Dienstleistungen ins rechte Licht. Zum
Landhaus regte das Thema zu vielen Fragen an, die Fran-               Beispiel gibt es auch dank seines Engagements im Kanton
ziska Peterhans, Zentralsekretärin LCH, an Hans-Georg                 Solothurn einen Gesamtarbeitsvertrag, in den die Lehrper-
Häusel richtete. Auf die Frage, wie viel Digitales er vier- bis       sonen eingebunden sind.
achtjährigen Kindern zumuten würde, antwortete er: «Mal                  Stricker ermunterte andere Sektionen, das Video als
eine Stunde am Tablet spielen ist in Ordnung, wenn sich das           Grundlage zur eigenen Mitgliederwerbung zu verwenden.
Kind viermal länger sensomotorisch zum Beispiel draussen              Zu sehen ist es auf Youtube, Interessierte können sich bei
beim Ballspielen betätigt.»                                           Stricker melden. ■
   Beat A. Schwendimann, Leiter Pädagogische Arbeitsstelle
LCH, nahm den von Häusel gesponnenen Faden auf. Er
stellte eine neue Arbeitsgruppe unter seiner Leitung vor, die         Weiter im Netz
                                                                      Mehr Impressionen unter www.LCH.ch > Der LCH > Über uns >
in den nächsten vier Jahren Empfehlungen für die digitale
                                                                      Veranstaltungen LCH
Transformation der Schule erarbeiten will.                            www.youtube.com/watch?v=pFmFq2hbayk – Promotionsvideo des
                                                                      LSO
Polarisierung und Bildung
Der Bildungsdirektor des Gastgeberkantons Solothurn
Remo Ankli wandte sich mit einem Grusswort an die Dele-

Gastreferent Hans-Georg Häusel räumt mit    Der Solothurner Bildungsdirektor Remo Ankli        LSO-Präsident Mathias Stricker ermutigt die
Illusionen über unsere Wahrnehmung auf.     bedankt sich für den Einsatz der Lehrpersonen.     Sektionen zur Mitgliederwerbung per Videoclip.

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Neue Gesichter in der Geschäftsleitung
Die Delegiertenversammlung LCH fand am 12. Juni 2021 in kleinem Rahmen in Solothurn und online statt.
Die Delegierten genehmigten die Jahresrechnung des abgelaufenen Geschäftsjahrs, die positiv abgeschlossen
hat, und wählten Sandra Locher Benguerel und Daniel Gebauer per August 2022 in die Geschäftsleitung.

Hybrid war das Stichwort für die statu-             Nachfolge für Franziska Peterhans                   gewählt wird. Diese ausserordentliche DV
tarische Delegiertenversammlung (DV)                gesucht                                             findet am 22. Januar 2022 statt, weil die
des LCH: Sie fand sowohl online als                 Dagmar Rösler erläuterte das geplante               beiden ordentlichen DV von 2021 und
auch physisch vor Ort im historischen               Vorgehen der Findungskommission                     2022 zeitlich ungünstig liegen. Die neue
Landhaus in Solothurn statt. Diese hyb-             (FiKo) für die Nachfolge von Zentralse-             Person nimmt ihre Arbeit mit Beginn des
ride Form bedeutete zugleich, dass die              kretärin LCH Franziska Peterhans, die               neuen Schuljahrs am 1. August 2022 auf
Wahlen und Beschlüsse auf schriftlichem             am 31. August 2022 pensioniert wird.                und profitiert so während des Einführungs-
Weg erfolgen mussten. «Aus rechtlicher              «Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, eine           monats vom Know-how der abtretenden
Sicht sind sie auf diese Weise wasserdicht          würdige Nachfolge für Franziska Peter-              Zentralsekretärin.
und abgesichert», erklärte Dagmar Rös-              hans zu finden. Sie tritt nach mehr als                Franziska Peterhans stellte den neuen
ler. Die Zentralpräsidentin LCH skizzierte          15 Jahren in der Schaltzentrale des LCH             Chefredaktor von BILDUNG SCHWEIZ
den Fahrplan für die Arbeitsgruppe (AG)             in den Slowdown», unterstrich Rösler.               und Leiter Kommunikation LCH Chris-
Formation.CH, die in der Vernehmlassung             Nach Ablauf der Bewerbungsfrist wird                toph Aebischer vor. Für die Einarbeitung
für einen gesamtschweizerischen Dachver-            sich die FiKo im September treffen, um              könne Aebischer auf ein kompetentes und
band Inputs zu verschiedenen Szenarien              die Kandidatinnen und Kandidaten für die            eingespieltes Redaktionsteam zählen, das
abgeholt hat. An der Präsidentenkonfe-              Bewerbungsgespräche auszuwählen. Im                 für Kontinuität stehe. «Gleichzeitig wer-
renz vom September wird die AG über die             November wird sie den Wahlvorschlag                 den wir seinen Blick von aussen zu nutzen
Rückmeldungen informieren. «Wir geben               zuhanden der ausserordentlichen DV                  wissen», versicherte Peterhans. Aebischer
alles, damit sich alle integriert fühlen», ver-     beschliessen, an der die künftige Zentralse-        hielt fest, dass BILDUNG SCHWEIZ ein
sicherte Rösler.                                    kretärin oder der künftige Zentralsekretär          Forum für alle Mitglieder des LCH sei:

Zentralpräsidentin LCH Dagmar Rösler sprach an der Delegiertenversammlung sowohl für die Anwesenden im Landhaus in Solothurn als auch für diejenigen,
welche die Veranstaltung dank Streaming von zu Hause aus verfolgten. Fotos: Marc Renaud

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DELEGIERTENVERSAMMLUNG

«Wir machen das Magazin für Sie.» Der         wurden. «Das war eine richtige und auch
ehemalige Primarlehrer erinnerte sich auch    nachhaltige Entscheidung, der Abschluss
daran, dass zu seiner Zeit die Türen der      ist positiv, die Beitragserhöhung greift.»
Klassenzimmer verschlossen waren. Seit-       Die Jahresrechnung 2019/2020 wurde
her habe sich viel verändert und die Türen    schliesslich einstimmig angenommen.
stünden häufiger offen. «Mit dieser Offen-
heit, auch für andere Meinungen, kommen       Tendenz zum Rückgang bei den
wir zusammen weiter», ist er überzeugt.       zahlenden Mitgliedern
                                              Positiv war auch das Jahresbudget
Jahresrechnung schliesst mit positivem        2021/2022, für das über alle Sparten gese-
Ergebnis ab                                   hen ein Gesamtgewinn von beinahe 30 000
Für Samuel Zingg gehört es zu den schö-       Franken resultiert. Die Budgetierung sei       Zentralsekretärin LCH Franziska Peterhans war
                                                                                             zufrieden mit der positiven Jahresrechnung.
nen Aufgaben als Vizepräsident LCH,           kein einfaches Unterfangen gewesen,
den Gremienbericht genehmigen zu las-         erklärte Franziska Peterhans. «Vieles ist
sen. Dabei könnten sich die Delegierten       ungewiss, wir stecken noch mitten in der
den Applaus gleich selber zu Hause geben,     Coronapandemie. Sie hat sich nun zwar
denn sie hätten in diesem schwierigen Jahr    verändert, ist aber noch nicht vorbei.»
viel geleistet, betonte er. Anspruchsvoller   Zunächst berichtete Peterhans von den mit
als der einstimmig genehmigte Gremienbe-      rund drei Millionen Franken budgetierten
richt präsentierte sich die Jahresrechnung    Mitgliedererträgen. Die Mitgliederzahlen
des LCH 2019/2020. Diese stand im Zei-        würden wohl steigen, aber nicht unbedingt
chen eines Übergangsjahres für die Rech-      die Erträge. «Es nimmt vor allem die Zahl
nungslegung, weil die ursprünglichen vier     nichtzahlender Mitglieder wie Pensionier-
Nebenrechnungen zusammengelegt und in         ter zu, die zahlenden Mitglieder sind dage-
ein neues Modell überführt wurden. Trotz      gen eher rückläufig», präzisierte Peterhans.
des grossen Aufwands sei dies eine nach-      Die sich hier abzeichnende Tendenz will        Die Bündnerin Sandra Locher Benguerel wurde
haltige Lösung, befand Franziska Peter-       die Zentralsekretärin schnell kehren. Sie      für den GL-Sitz Zyklus 2 gewählt.
hans. «Zum einen sind wir zeitgemässer in     forderte deshalb Anstrengungen von allen
der Rechnungsdarstellung geworden und         Mitgliedern, um die Höhe der Mitglieder-
zum anderen wird Ivo Haug, Buchhalter         beiträge zu halten.
des LCH, spürbar entlastet.» Dies sei sehr        In der Folge griff Franziska Peterhans
sinnvoll angesichts weiterer geplanter Pro-   einzelne Punkte aus dem Budget auf. So
jekte wie der Digitalisierung der ganzen      ist zum Beispiel der Schweizer Bildungs-
Buchhaltung, an deren Umsetzung der           tag selbsttragend, denn alle Kosten sol-
LCH bereits dran sei.                         len durch Sponsoringerträge finanziert
   Peterhans ging auf die coronabeding-       werden. Obwohl in der Kommunikation
ten Abweichungen zum Budget ein, wie          erneut mit guten Erträgen gerechnet wird,
beispielsweise den tieferen Finanzertrag      wurde ein kleiner Verlust budgetiert. Die
oder die Gremienkosten, die aufgrund der      Mehrkosten ergeben sich aus der anste-
vielen abgesagten Veranstaltungen gerin-      henden Digitalisierung von BILDUNG             Daniel Gebauer von Bildung Bern übernimmt den
ger ausgefallen sind. Zudem hob sie das       SCHWEIZ. «Diese Aufgabe müssen wir             GL-Sitz Zyklus 3.
hervorragende Ergebnis von BILDUNG            angehen, wenn wir zukunftsfähig sein
SCHWEIZ hervor, wo mit Fremdeinnah-           wollen. Immer mehr Mitglieder möchten
men in Form von Inseraten und Beilagen        die Zeitschrift nur noch digital lesen, auch
rund 1,1 Millionen Franken erwirtschaftet     wenn es sie weiterhin in der Printversion
wurden. Insgesamt ist der Verband finan-      geben wird», stellte Peterhans klar. Die
ziell gut aufgestellt, aus der Gesamtkos-     Delegierten folgten ihrer Empfehlung und
tenstellenrechnung resultiert ein Gewinn      nahmen das Budget 2021/2022 an.
von rund 88 000 Franken. Dies, nachdem
der LCH jahrelang mit einem strukturellen     Zwei Kandidatinnen stellen sich
Defizit gelebt hatte. In diesem Zusammen-     zur Wahl
hang würdigte die Zentralsekretärin den       Um die Zukunft des LCH ging es ebenfalls
Beschluss der DV, zunächst die Bilanzaus-     bei den Wahlen in die Geschäftsleitung
gleichsreserve aufzubrauchen, bevor die       (GL). Zwei Sitze werden nach dem Rück-         Bruno Rupp, der die GL per Ende Juli 2021 ver-
Mitgliederbeiträge vor zwei Jahren erhöht     tritt von Ruth Fritschi und Samuel Zingg       lässt, wurde gebührend verabschiedet.

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per 31. Juli 2022 frei. Zunächst konnten
sich alle Kandidatinnen und Kandidaten
live vor der Kamera während maximal
zehn Minuten vorstellen. Darauf folgten
Unterstützungsvoten der nominierenden
Sektionen per Videoschaltung und Fra-
gen der Delegierten per Chat. Nach dem
Rückzug einer Person verblieben zwei
Kandidatinnen, die sich zur Wahl um den
GL-Sitz Zyklus 2 stellten: Sandra Locher
Benguerel, ehemalige Präsidentin von
Lehrpersonen Graubünden (LEGR), und
Rita Marty, Vizepräsidentin von Lehre-
rinnen und Lehrer Kanton Schwyz (LSZ).
   Sandra Locher Benguerel stellte sich
unter verschiedenen Perspektiven vor:
«Bei allen zieht sich die Bildung wie ein
roter Faden durch mein Leben.» Als Leh-
rerin im Zyklus 2 interessierte sie sich für
standespolitische Fragen und engagierte
sich in unterschiedlichen Gremien des
LEGR. Als Politikerin spürte die heutige       Einer der grossen Vorteile von Präsenzveranstaltungen ist und bleibt der persönliche Austausch.
SP-Nationalrätin, dass ihre Leidenschaft
wuchs, die Eckwerte der Bildung politisch
mitzugestalten und festzulegen. Als GL-        ein wertvolles Netzwerk aufzubauen, sagte             zum Einsitz im Rat für deutsche Recht-
Mitglied könne sie ihr Bildungswissen          er. Zusätzlich ist Gebauer als Schulleiter            schreibung. Dank seiner Französisch­
und ihr nationales Netzwerk zugunsten          tätig. Dies helfe ihm, sein eigenes Han-              kenntnisse bildete er eine wichtige
                                               deln als Lehrer besser zu begreifen und               Brückenverbindung zu den Lehrerinnen
                                               ein besseres Verständnis für die Bildung              und Lehrern in der Romandie. Rösler
«Die Bildungslandschaft ist                    im Allgemeinen aufzubringen. «Die Bil-                unterstrich Rupps Qualitäten als beson-
wie ein Mobile. Wenn                           dungslandschaft ist wie ein Mobile. Wenn              nener Zuhörer, der im entscheidenden
                                               irgendwo daran gezogen oder herumge-                  Moment die richtigen Fragen gestellt
irgendwo daran gezogen oder                    schraubt wird, dann bewegt sich nicht                 habe. «Er geht sachlich an die Dinge
herumgeschraubt wird, dann                     allein dieser Teil, sondern das Ganze gerät           heran und kann mit feinem Humor und
                                               in Bewegung.» Zum Schluss erinnerte er                gutem Gespür für die Menschen auch das
bewegt sich nicht allein dieser                sich an seinen Mentor zu Beginn seiner                nicht Offensichtliche sehen.» Mit tosen-
Teil, sondern das Ganze gerät                  Lehrerlaufbahn. In dessen Klassenzimmer               dem Applaus und einer Standing Ovation
                                               hing stets eine Krawatte, die er dann anzog,          drückten die Anwesenden ihre Wertschät-
in Bewegung.»                                  wenn er den Schülerinnen und Schülern                 zung für Bruno Rupp aus, der sich tief
                                               etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Gebauer            berührt für die intensive, spannende und
des LCH einbringen und sich für attraktive     zog ebenfalls eine Krawatte an und bekräf-            bereichernde Zeit in der GL bedankte.
Arbeitsbedingungen einsetzen. «Diese sind      tigte seinen Willen, die anspruchsvolle                  Die nächste ordentliche DV findet am
nicht gegeben, sondern erfordern ein lau-      Aufgabe in der GL zu übernehmen. Die                  11. Juni 2022 in Luzern statt – hoffentlich
fendes Engagement», unterstrich Locher         Delegierten wählten ihn schliesslich mit              in gewohnter Manier vor Ort mit allen
Benguerel. Sie wurde mit klarem Mehr als       überwiegendem Mehr in die GL.                         Delegierten.
neues GL-Mitglied gewählt.                         Zum Schluss der Versammlung ver-
                                               abschiedete Dagmar Rösler GL-Mitglied                 Maximiliano Wepfer
Ist die Krawatte an, wird’s ernst              Bruno Rupp, der nach elf Jahren per
Für die Neubesetzung des GL-Sitzes Zyk-        31. Juli 2021 das Gremium verlässt. «Wer
lus 3 hatte einzig Daniel Gebauer von Bil-     sich deine Ämtli-Liste anschaut, kann
dung Bern kandidiert. Der 42-jährige, im       sofort erfassen, welch grosses Engagement
Emmental wohnhafte Hobby-Ornithologe           du für den LCH geleistet hast», betonte
engagiert sich erst seit zwei Jahren in der    Rösler. Rupps Mandate reichen von SRF
Standespolitik. Gleichwohl habe er sich        mySchool über verschiedene Vertretungen
schnell zurechtgefunden und sei nun daran,     des LCH in kantonalen Sektionen bis hin

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                                                                                | 2021 | STEHSATZ
INTEGRATIVE SCHULE
RUBRIK

Eine Schule für
möglichst alle
Text und Fotos:           Integration ist für die Klassenlehrerin Fabienne Odermatt und den
Anna Walser
                          Schulischen Heilpädagogen Frank Schaufuss Teamarbeit. Seit elf
                          Jahren arbeiten sie in Cham (ZG) zusammen. Diese Reportage zeigt,
                          wie sie mit Heterogenität umgehen.

Während die Klasse von Fabienne Odermatt ihre grosse               zu zweit. Leon und Alina arbeiten allein. Ihr Midi-Projekt
Pause geniesst, betritt der Schulische Heilpädagoge (SHP)          wird auch nicht benotet wie beim Rest der Klasse, denn
Frank Schaufuss das Schulzimmer. In der Hand hält er ein           beide haben Lernzielanpassungen. Leon erhält verstärkte
Holzbrett von ungefähr einem Meter Länge. «Heute messen            Massnahmen in Form einer Integrativen Sonderschulung
wir Handys, wir machen eine Handybox für die Klasse»,              in der Regelklasse (IS). Alina soll ebenfalls bald verstärkte
sagt er. Das Brett mit 22 Feldern hat Schaufuss von einem          Massnahmen erhalten, wie Frank Schaufuss erklärt. «Es
Kollegen erhalten. Analog zu diesem möchte er eines für            ist eine sehr heterogene Klasse», sagt Fabienne Odermatt,
Fabienne Odermatts Klasse herstellen. «Die heutigen Han-           die damit nicht nur Leon und Alina meint. «Wir sind auf
dys passen hier nicht mehr hinein. Deswegen wird Leon*             der Sekundarstufe I in Cham in Jahrgangsteams organisiert.
heute Morgen einige Geräte seiner Mitschülerinnen und              Grundsätzlich betreut ein Heilpädagoge oder eine Heilpäda-
Mitschüler ausmessen.»                                             gogin ein solches Team, das in jedem Schulhaus aus drei bis
                                                                   vier Klassen besteht», erklärt Luzia Traxel, Schulleiterin der
Förderung für besondere Bedürfnisse                                Sekundarschule Röhrliberg I. Im Kanton Zug wird pro circa
In der nächsten Doppellektion Deutsch arbeitet die zweite          100 Schülerinnen und Schüler ein 100-Prozent-SHP-Pensum
Realschulklasse an ihrem sogenannten Midi-Projekt. «Wir            gesprochen. Darin eingeschlossen sind die Timeout-Klasse
schreiben in Zweierteams eine Arbeit über ein Land unserer         und Angebote der Begabtenförderung. Ein Teil der Ressour-
Wahl. Am Schluss müssen wir einen Vortrag darüber hal-             cen fliesst auch in die Kunst- und Sportklassen, die in Cham
ten», erklärt eine Schülerin. Nicht alle schreiben die Arbeit      seit 2010 geführt werden.

                                                                   Einzelne Jugendliche brauchen viel Ressourcen
                                                                   In Fabienne Odermatts Klasse ist Frank Schaufuss acht
                                                                   Lektionen ausschliesslich für Leon da. Etwa zwei Lektionen
                                                                   arbeitet er speziell mit Dominik, einem Jugendlichen mit
                                                                   einer Autismus-Spektrum-Störung. Die restlichen Lektionen
                                                                   für die Integrative Förderung (IF) teilt er auf das Jahrgangs­
                                                                   team auf.
                                                                      Während die Achtklässlerinnen und -klässler an ihrem
                                                                   Midi-Projekt arbeiten, macht ihre Klassenlehrerin die Runde,
                                                                   fragt nach ihren Fortschritten und schaut, ob sie Hilfe benö-
                                                                   tigen. Frank Schaufuss unterstützt indessen Alina, die ihre
                                                                   Arbeit über Japan schreibt. Sie hat bereits viele schöne Bilder
                                                                   von Tokio eingefügt – unter anderem von der bekannten
                                                                   Shibuya-Kreuzung und von Kirschblütenbäumen in einem
                                                                   Park. Leon geht einer anderen Aufgabe nach und misst
                                                                   verschiedene Handys für die Handybox aus. Frank Schau-
                                                                   fuss hat ihm hierfür eine Liste erstellt, in die er Länge und
                                                                   Breite der Mobiltelefone eintragen kann. Leon zeigt dem
Frank Schaufuss plant mit Leon ein Ablagefach für Mobiltelefone.

                                                                                                                               15
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Heilpädagogen nach jedem neuen Eintrag die Liste, bis er                          Eine alternative Aufgabe für Leon
sie schliesslich komplett ausgefüllt hat. «Einige meiner Schü-                    Am darauffolgenden Tag hat die Klasse WAH-Unterricht.
lerinnen und Schüler kennen Leon schon seit acht Jahren.                          Dominik möchte gebratenen Reis machen. «Da Dominik
Für sie ist es normal, dass Kinder wie er dazugehören»,                           jedoch krank ist, werden Leon und ich nachher den Reis
erklärt Fabienne Odermatt. «Es stört sie auch nicht, dass                         kochen», erklärt der Heilpädagoge. Für gebratenen Reis
er teils ‹spassigere› Aufgaben lösen darf als sie», ergänzt                       empfiehlt es sich nämlich, keinen frischen, warmen Reis,
                                                                                  sondern ausgekühlte Reste zu verwenden. So klebt er weni-
                                                                                  ger und die Konsistenz ist nicht zu breiig. In der grossen
«Der Erfolg der Integration liegt nicht                                           modernen Küche kocht die WAH-Lehrerin Jeannette Hür-
nur beim Modell, sondern auch bei den                                             limann mit einer Halbklasse. An einem Kochblock steht
                                                                                  bereits alles für Leon bereit. Er muss lediglich noch den
Menschen, die beteiligt sind.»                                                    Reis abmessen, die richtige Menge Wasser zum Kochen
                                                                                  bringen und den Reis schliesslich ziehen lassen. «Weisst
Frank Schaufuss. Leon wiederum störe es nicht, dass er                            du noch, was wir machen müssen, damit das Wasser nicht
schulisch nicht mit seinen Gspänli mithalten kann. «Seit                          überkocht?», fragt Frank Schaufuss den Schüler. Leon kann
diesem Schuljahr merken wir aber, dass er sich in der Frei-                       sich nicht mehr erinnern und das Wasser sprudelt schon
zeit weniger mit seinen Klassenkameraden verabredet», so                          gefährlich nah am Deckel. Schliesslich kocht das Wasser
der Heilpädagoge. «Diese Beobachtung machen wir immer                             über. Nachdem die beiden alles getrocknet haben, versuchen
wieder. Je älter die Jugendlichen werden, desto mehr gehen                        sie die optimale Einstellung für den Herd zu finden. Als der
ihre Interessen auseinander», berichtet Odermatt.                                 Reis fertig ist, gehen die beiden zurück in die Klasse. Dort

Leon misst Wasser und Reis ab. Es stört ihn nicht, dass er einfachere Aufgaben löst als seine Klassengspänli.

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INTEGRATIVE SCHULE

sollen alle Schülerinnen und Schüler berichten, wie weit
sie mit ihrer Projektarbeit gekommen sind, bevor sie in die
Mittagspause entlassen werden.

Die ganze Schule macht mit
Wäre Dominik nicht krank gewesen, hätte er mit dem
Heilpädagogen Reis gekocht. Leon hätte dann wie seine
Mitschülerinnen und Mitschüler am Projekt über sein Hei-
matland Kosovo gearbeitet. «Das Ziel ist, dass Leon an
denselben Themen wie die Klasse arbeitet, allerdings her-
untergebrochen auf sein Niveau», erklärt Fabienne Oder-
matt. Die Klassenlehrerin unterrichtet seit elf Jahren an der
Sekundarschule Röhrliberg. Seither arbeiten sie und Frank
Schaufuss als Team. Zu diesem Zeitpunkt nahm er seine
Ausbildung zum Schulischen Heilpädagogen in Angriff.
Bereits in ihrer ersten eigenen Klasse hatte Odermatt eine
in die Realklasse integrierte Werkschülerin. «Wir haben
gemeinsam unsere ersten Erfahrungen mit der Integrativen
                                                                  Die Klassenlehrerin Fabienne Odermatt und der Schulische Heilpädagoge
Förderung gemacht und so die Haltung aufgebaut, die es
                                                                  Frank Schaufuss sind ein eingespieltes Team.
dafür braucht», erzählt Frank Schaufuss. «Diese integrative
Haltung ist grundlegend», betont seine Kollegin. Nicht nur
die Schulleitung stehe dahinter, sondern das ganze Team.          sonen erfahren auch sehr viel Wertschätzung seitens der
«Das ist das Schöne, wenn die ganze Schule mitmacht. Sogar        Eltern, die den grossen Einsatz für ihr Kind meist nicht als
                                                                  selbstverständlich nehmen.»
«Je älter die Jugendlichen werden,                                Integrative Haltung ist keine Selbstverständlichkeit
desto mehr gehen ihre Interessen                                  Auf der Sekundarstufe I in Cham werden die Schülerinnen
                                                                  und Schüler in 25 Real- und Sekundarschulklassen in den
auseinander.»                                                     Schulhäusern Röhrliberg I und II unterrichtet. Das Team
                                                                  besteht aus 60 Lehrpersonen, darunter sechs Heilpädagogen
unser mittlerweile pensionierter Hauswart dachte an Leon          und Heilpädagoginnen. «Die integrative Haltung ist keine
und fand immer wieder kleine Arbeiten, die für Leon geeig-        Selbstverständlichkeit, sondern ein Prozess, in dem sich
net und lehrreich waren», freut sich der Heilpädagoge. Dem        auch unsere Schule nach wie vor befindet», sagt die Schul-
neuen Hauswart haben sich Frank Schaufuss und Leon                leiterin zusammenfassend. Und Frank Schaufuss fügt hinzu:
bereits vorgestellt.                                              «Der Erfolg der Integration liegt nicht nur beim Modell,
                                                                  sondern auch bei den Menschen, die beteiligt sind.» Durch
Der grosse Einsatz wird geschätzt                                 das Engagement verschiedener Seiten sei es so gelungen, ein
Trotz der gemeinsamen integrativen Haltung sei die Integ-         Berufsfindungsjahr für Jugendliche mit IS ins Leben zu rufen.
ration für Fachlehrpersonen nicht immer ganz einfach, weil        Ein ehemaliger IS-Schüler von Fabienne Odermatt absolviert
sie die Schülerinnen und Schüler teilweise nur einmal in          nun eine Ausbildung in der Migros. «Leon ist ein grosser
der Woche sehen, so Schaufuss. «Ihnen fehlt der tägliche          Fan von ihm. Er durfte bereits in der Migros schnuppern.
Austausch, wie wir ihn haben.» Diesen Eindruck bestätigt          Laut der dortigen Filialleiterin muss er aber noch an sich
die Schulleiterin Luzia Traxel. In solchen Fällen erhielten sie   arbeiten, bis er bereit ist für eine berufliche Ausbildung», sagt
deshalb zusätzliches Coaching durch die SHP. Im Allgemei-         Schaufuss in Hinblick auf das kommende letzte Schuljahr. ■
nen mache man gute Erfahrungen mit der Integration. «Die
Mitschülerinnen und Mitschüler erleben sie als alltäglich und     * Namen der Schülerinnen und Schüler von der Redaktion
normal. Unsere Lehrpersonen erachten die Integration als           geändert
Teil ihres pädagogischen Auftrags und leben eine integrative
Haltung», so die Schulleiterin. «Die SHP und die Lehrper-

                                                                                                                                          17
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Wegweiser durch den
Massnahmendschungel
Wo gibt es welche separativen und integrativen schulischen Massnahmen?
Erstmals geben eine digitale Landkarte und ein eBook einen Überblick über
Massnahmen für Lernende mit besonderem Förderbedarf.

Welche Kantone in der Schweiz führen          gegeben. Bei einer Datenrecherche stellte             beispielsweise entscheidend sein, in wel-
Einführungsklassen? Und wo muss zwin-         sie fest, wie schwierig es ist, vergleichbare         chen Kantonen eine Fördermassnahme
gend das Gutachten einer anerkannten          Daten zu erhalten. «In manchen Kantonen               im Zeugnis erscheint oder nicht. Für eine
Fachstelle vorliegen, damit ein Kind einen    sind verschiedene Personen für die Mass-              Fachperson der Schulischen Heilpädagogik
Nachteilsausgleich erhält? Antworten auf      nahmen und deren Vergabe zuständig.                   ist hingegen relevant, welche Formen der
solche Fragen musste man bisher müh-          Zudem variieren die Bezeichnungen der                 Förderung im Anstellungskanton angebo-
sam zusammensuchen – wenn man sie             Massnahmen stark», erklärt sie.                       ten werden können, auch wenn es teils
überhaupt fand.                                  Gemeinsam mit dem SZH lancierte                    grosse Unterschiede in der Umsetzung gibt.
    Transparenz schafft seit Kurzem eine      Sahli Lozano eine Umfrage bei den Kanto-              Das eBook liefert diesbezüglich ergänzend
digitale Landkarte der häufigsten Massnah-    nen, stellte die Ergebnisse zusammen und              zu den Kantonsporträts eine kantonsüber-
men im Förderbereich. Sie ist unter dem       vereinheitlichte die Informationen. Appen-            greifende Darstellung.
Stichwort «Integrative und separative schu-   zell Innerhoden und Solothurn haben bis-                  Mit der Publikation ist die Arbeit für
lische Massnahmen» oder kurz «InSeMa»         her nicht an der Befragung teilgenommen.              Caroline Sahli Lozano und ihr Team nicht
auf der Website des Schweizer Zentrums        Als die Kantone eingeladen wurden, ihre               abgeschlossen – die Landkarte soll jährlich
für Heil- und Sonderpädagogik (SZH) zu        Angaben einzugeben und dann zu über-                  aktualisiert und weitere Bereiche wie die
finden. Das Projekt InSeMa wurde vom          prüfen, erhielt sie sehr unterschiedliche             Schulassistenzmodelle erforscht und trans-
                                              Reaktionen. «Mit manchen kantonalen                   parent gemacht werden.
                                              Verantwortlichen war die Kooperation toll
«In manchen Kantonen sind                     und sie wollen unseren Link kantonsintern              Deborah Conversano
verschiedene Personen für die                 weiterverbreiten. Bei anderen Kantonen
Massnahmen und deren Ver-                     war die Kooperation schwieriger.»
                                                                                                    Weiter im Netz
gabe zuständig. Zudem                         Transparenz schaffen                                   https://www.szh.ch/de/phberninsema#/ –
                                              Seit dem 9. Juni 2021 stehen Landkarte                 interaktive Landkarte
variieren die Bezeichnungen
                                              und eBook kostenfrei zur Verfügung. Die
der Massnahmen stark.»                        Landkarte ist auch für Menschen mit
                                                                                                    Weiter im Text
                                              Behinderung nutzbar, eine Anforderung                  Caroline Sahli Lozano, Stefanie Crameri,
SZH zusammen mit der Pädagogischen            des Eidgenössischen Büros für die Gleich-              Dshamilja Adeifio Gosteli: «Integrative und
Hochschule Bern (PHBern) durchgeführt.        stellung von Menschen mit Behinderungen,               separative schulische Massnahmen in der
Die Landkarte soll Diskussionen rund          das die Publikationen gemeinsam mit dem                Schweiz (InSeMa). Kantonale Vergabe- und
um Chancengleichheit, Partizipation und       SZH finanziert. Die Daten können nun von               Umsetzungsrichtlinien», 2021, Edition
Inklusion anregen.                            allen Beteiligten im Schulbereich genutzt              SZH, Bern. Das eBook ist kostenlos down-
                                              werden. Für betroffene Familien kann es                loadbar unter www.szh-csps.ch/b2021-01
Vergleichen und erklären
Die gewünschten Angaben lassen sich auf
der Landkarte mit verschiedenen Filterein-
stellungen finden. So kann man für einen
einzelnen Kanton alle integrativen oder
separativen Massnahmen darstellen, zwei
oder mehr Kantone einander gegenüber-
stellen oder sich die Verbreitung einzel-
ner Massnahmen auf der Schweizer Karte
anzeigen lassen. Die interaktive Landkarte
und das vertiefende eBook bieten einen
weiteren Nutzen. Sie zeigen, was unter
den jeweiligen Massnahmen zu verstehen
ist und wie sie in den Kantonen benannt
werden. So gibt es für ein vergleichbares
Angebot beispielsweise die synonymen
Begriffe integrative Förderung, ambu-
lante sonderpädagogische Förderung oder
Förderangebot.
    Caroline Sahli Lozano, Leiterin des
Schwerpunktprogramms Inklusive Bildung
der PHBern, hat den Anstoss für InSeMa
                                              Die digitale Landkarte zeigt zum Beispiel, dass es aktuell in zwölf Kantonen Einführungsklassen gibt.
                                              Grafik: InSeMa-Website

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