Umwelt - Geld bewegt 2/2017 - Bundesamt für Umwelt
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DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN < umwelt 2/2017 2/2017 umwelt Natürliche Ressourcen in der Schweiz Geld bewegt Dossier: Nachhaltigkeit im Finanzmarkt > Die Rolle des Bundes > Nachhaltige Finanzen in der Schweiz > Vom Nischenmarkt zum Mainstream Weitere Strengere Auflagen für Sprühflüge > Hänge in Bewegung > Arten unter Druck Themen: > Hoch hinaus mit Schweizer Bauholz > Verzicht auf Torf hilft den Mooren
umwelt 2/2017 Umwelt und Finanzwelt nähern sich an Das Naturkapital ist neben Magazin zeigt: Nachhaltig Investieren – und dem Finanz- und dem Human- zwar mit einem attraktiven Rendite-Risiko- kapital grundlegend für unser Verhältnis – ist nicht nur möglich, sondern Wirtschaften. Gleichzeitig unumgänglich für unsere Zukunft. Inspirierende belasten unsere heutigen Pro- Pionierleistungen aus der Schweiz im Bereich duktions- und Konsumweisen nachhaltiger Finanzen bestätigen, dass finanziell die natürlichen Ressourcen. erfolgreiche, innovative Finanzprodukte einen In den meisten Ländern hat positiven Umweltbeitrag leisten können. das Naturkapital laut dem Umweltprogramm Für eine erfolgreiche schweizerische Finanz- der Vereinten Nationen (UNEP) drastisch abge- markt- und Wirtschaftspolitik fokussiert der Bund nommen. Dies führt unter anderem dazu, dass sich auf das Setzen von Rahmenbedingungen, die Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten die eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung überschritten werden – wir sehen die Folgen: und Wohlstand ermöglichen und dabei die Klimawandel, Wasserknappheit oder Biodiver- Umweltauswirkungen unseres Konsums berück- sitätsverlust. sichtigen sowie den Wettbewerb zwischen den Der ökologische Handlungsbedarf ist gross. Wirtschaftsakteuren fördern. In diesem Sinne Der Übergang zu einer ressourcenschonenden begrüsst und unterstützt der Bund die derzeitigen zukunftsfähigen Weltwirtschaft kostet zwar, aber Bestrebungen des Finanzsektors in der Rolle des er bietet gleichzeitig Chancen, etwa für Inno- Fazilitators. Das BAFU hat schon 2014 gemeinsam vationen durch neue Geschäftsmodelle, für die mit weiteren Bundesämtern den Dialog mit Entwicklung und Vermarktung neuer sauberer Experten und Expertinnen aus dem Finanzsektor, Technologien (Cleantech) oder auch für umwelt- der Wissenschaft und von Nichtregierungsor- verträgliche Infrastrukturen. Gerade für Infra- ganisationen aufgenommen. Dabei bringt es in strukturen werden gemäss Schätzungen der OECD den Folgediskussionen seine Umweltexpertise bis 2030 rund 5000 Milliarden US-Dollar pro Jahr und entsprechende Methodologien zur Erhebung an Investitionen benötigt. Das Finanzsystem kann von Umweltdaten ein. Die in der Publikation hier eine wichtige Rolle spielen und gleichzeitig «Proposals for a Roadmap towards a Sustainable Geschäftsopportunitäten wahrnehmen, wenn es Financial System in Switzerland» vorgeschlagenen verstärkt ökologische Kriterien in Finanzierungs- Massnahmen (siehe Seite 17) sind ein wichtiges und Investitionsentscheide integriert. Ergebnis dieser fruchtbaren Zusammenarbeit. Die Nachhaltigkeitsdiskussion im Finanzbereich Wir sind alle Teil der Finanzwelt – mit unseren ist in der Schweiz und international im Gang. privaten Spareinlagen bei Banken und über die Weltweiten Schub gab das Pariser Klimaüber- Anlagestrategien unserer Vorsorgeeinrichtungen einkommen von 2015, das verlangt, dass die wie Pensionskassen und AHV. Aber auch unsere Finanzflüsse klimaverträglich ausgerichtet individuellen Investitions- und Finanzierungsent- werden sollen. Im Klimabereich wissen wir, dass scheide haben Auswirkungen auf die natürlichen das heutige Investitionsverhalten in der Schweiz Ressourcen. Ökologische Markttransparenz gilt es eher eine Erwärmung von vier bis sechs Grad statt für uns Konsumentinnen und Konsumenten auch das international vereinbarte Erwärmungsziel von punkto Finanzdienstleistungen einzufordern. maximal zwei Grad unterstützt (siehe Seite 12 ff.). Doch es geht auch anders, wie das vorliegende Marc Chardonnens, Direktor BAFU 2
umwelt 2/2017 Dossier nachhaltige Finanzen 4 Umwelt als Chance für die Finanzbranche Grusswort des Staatssekretariates für internationale Finanzfragen 6 «Jede Investition hat Wirkungen auch auf Umwelt und Gesellschaft» Ein Expertengespräch zum Begriffsverständnis sowie zu den Chancen und Herausforderungen nachhaltiger Finanzen 10 Die Rendite stimmt Mit Nachhaltigkeit erfolgreich 12 Fördert Ihr Geld Erdöl oder Cleantech? Die Bedeutung des Klimaabkommens von Paris 17 Erfolgreicher Dialog über die traditionellen Kreise hinaus 19 20 Vorschläge für ein nachhaltiges Finanzsystem ____ Auf dem Weg zu einer grünen Finanzwelt Natur als Vermögenswert 23 «Im nachhaltigen Investment steckt ein riesiges Potenzial» Ein Expertengespräch mit Sabine Döbeli von Swiss Sustainable Finance, Martin Hess von der Schweizerischen Bankiervereinigung und David Gerber vom Staatssekretariat für internationale Finanzfragen 27 Umweltkompetenzen für die Finanzbranche Nachhaltige Finanzen in der Bildung GASTBEITRÄGE 30__ Die Zukunft mitgestalten 33__ Verantwortungsbewusstes Investieren 31__ Strategie und Kreativität als Erfolgsfaktoren 34__ Im Zeichen der Zeit 32__ Nachhaltig bis ins hohe Alter 35__ Ein Handbuch für institutionelle Investoren Weitere Themen 39 Präzisionsarbeit am Boden und in der Luft 42 Neue Auflagen für Sprühflüge ____ Besserer Schutz vor Felsstürzen und Rutschungen Vollzugshilfe für den Umgang mit Massenbewegungen 46 Spezieller Schutz für spezielle Arten Artenförderung unter besonderen Umständen 50 Hoch hinaus mit Bauholz aus der Region Initiative des BAFU für Schweizer Holz Kantonsgeologie VS 54 Ein Rohstoff mit vielen Fragezeichen Umweltfreundliche Alternativen zu Torf Herausgeber: Bundesamt für Umwelt BAFU • 3003 Bern • +41 58 462 99 11 • www.bafu.admin.ch • info@bafu.admin.ch Gratisabo: www.bafu.admin.ch/leserservice • Das Magazin im Internet: www.bafu.admin.ch/magazine2017-2 Titelbild Rubriken 36__Vor Ort 60__Tipps Illustration: Ruth Schürmann 38__International 61__Impressum 57__Bildung 62__Intern 58__Recht 63__umwelt unterwegs 58__Publikationen 3
umwelt 2/2017 > DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN GRUSSWORT DES STAATSSEKRETARIATES FÜR INTERNATIONALE FINANZFRAGEN Umwelt als Chance für die Finanzbranche Welche Rolle kann und soll der Finanzsektor zur Die Schweiz engagiert sich zudem aktiv auf in- Unterstützung der Nachhaltigkeit im Umwelt- ternationaler Ebene, insbesondere im Rahmen bereich spielen? Ökonomen verweisen gerne einer Arbeitsgruppe zu Umweltthemen – der darauf, dass der Annäherung an die Kostenwahr- «Green Finance Study Group» –, und zwar als heit von Umweltgütern eine zentrale Stellung Teil des Bereichs Finanzzusammenarbeit der zukommt. Marktmechanismen können dann Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und dafür sorgen, dass Preise für knappe Rohstoffe Schwellenländer (G20). Diese Arbeitsgruppe soll ihre Signalfunktion ausüben und letztlich einen ergründen, weshalb ökologische und andere effizienten Einsatz dieser Ressourcen bewirken. Nachhaltigkeitsfaktoren von Marktteilnehmern Dort, wo externe (Umwelt-)Wirkungen oder Lang- unvollständig berücksichtigt werden. Darüber hin- fristeffekte gut eingepreist werden, kann das Wirt- aus wird sie aufzeigen, wie Mittel für nachhaltige schaften nachhaltig sein. Die Finanzmärkte und Investitionen effektiver durch das Finanzsystem die von der Finanzbranche angebotenen Produkte mobilisiert werden könnten. Diese Arbeiten vermögen ein umweltgerechtes Handeln demnach profitieren vom Erfahrungsaustausch zwischen durchaus wirksam zu unterstützen. den Staaten und einer Bestandesaufnahme der Es ist angesichts der globalen Herausforderun- Aktivitäten der Marktteilnehmer. Es ist erfreulich, gen an die Umwelt nicht nur möglich oder sinn- dass die Arbeitsgruppe auch unter der deutschen voll, sondern sogar nötig, auch im Finanzgeschäft G20-Präsidentschaft im Jahr 2017 die Verbesse- die Anreize richtig zu setzen. Sowohl öffentliche rung der Datentransparenz und der Methoden zur Gelder als auch grosse private Anlagevolumen Abbildung von Umweltrisiken bei Finanzgeschäf- können damit in Richtung Nachhaltigkeit bewegt ten ins Zentrum gestellt hat. Die global tätigen werden. Besonders zweckmässig ist es, dort an- Schweizer Banken und Versicherer bringen sich zusetzen, wo die Preise von Finanzinstrumenten mit ihrer grossen Erfahrung und ihrem Know-how und -transaktionen hergeleitet werden, nämlich in die internationalen Diskussionen ein und sind bei der Verbesserung des öffentlichen Zugangs zu gefragte Ansprechpartner. umweltbezogenen Daten sowie bei der Analyse, Die Schweiz hat dank ihrer Expertise im Um- Modellierung und Bewertung von Umweltrisiken. weltbereich und dem über grosses Fachwissen Nicht in erster Linie statische regulatorische Vor- verfügenden Finanzsektor das Potenzial für gaben, sondern «Risk-Return»-Überlegungen sollen einen langfristigen Wettbewerbsvorteil im Bereich das Verhalten der Anleger leiten. der nachhaltigen Kapitalanlagen. Hier könnte Für den Bundesrat nimmt das Thema der ein neuer, wichtiger Finanzzweig entstehen. Die Nachhaltigkeit einen prominenten Platz in sei- Umweltthematik ist somit nicht nur als mögli- ner Finanzmarktpolitik ein. Er erkennt darin ein cherweise disruptive Kraft zu sehen. Vielmehr innovatives Potenzial für den Finanzplatz Schweiz, eröffnet sie der Finanzbranche auch Chancen welches die Branche nutzen kann. Der Staat soll zur Weiterentwicklung und Diversifikation. Ein mit seinen Rahmenbedingungen mithelfen, dass diesem Wandel förderliches Umfeld soll nicht auf sich nachhaltige Kapitalanlagen als weiteres weitere hoheitliche Regulierung setzen, sondern Standbein des Finanzplatzes etablieren können. sich die Marktkräfte auch für die Erfüllung der Das Staatssekretariat für internationale Finanz- Nachhaltigkeitsziele zunutze machen. fragen (SIF) bringt zusammen mit dem BAFU die DR. RENÉ WEBER interessierten öffentlichen und privaten Akteure Leiter der Abteilung Märkte des Finanzsektors regelmässig an einen Tisch, um und Botschafter, Staats- sekretariat für internationale deren Anliegen aufzunehmen und Handlungs- Weiterführende Links zum Artikel: Finanzfragen (SIF) möglichkeiten zukunftsgerichtet zu diskutieren. www.bafu.admin.ch/magazin2017-2-01 4
DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN < umwelt 2/2017 UMWELTTECHNOLOGIEFÖRDERUNG Über die Umwelttechnologieförderung leistet das BAFU wichtige Finanzhilfen für die Entwicklung von innovativen Technologien mit Umweltnutzen. Der Neubau der Monte-Rosa-Hütte in dieser Lage ermöglicht neuste Technologien unter Extrembedingungen zu testen. Bild: Lafargue Holcim Stiftung 5
umwelt 2/2017 > DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN Drei Experten an einem Tisch: (v. l.) Christoph Müller von der Nachhaltigkeits- ratingagentur Inrate, Rajna Gibson, Professorin für Finanzwissenschaften, und Stefan Schwager, zuständig für den Bereich Umweltfinanzierung im BAFU. GESPRÄCH «Jede Investition wirkt auch auf Umwelt und Gesellschaft» Nachhaltigkeit steht zunehmend im Fokus von Investoren. Doch was versteht man unter nachhaltigen Finanzen, und welche Herausforderungen sind damit verbunden? Wie lassen sich nachhaltige Finanzen zum Mainstream machen? Können sich die Finanzflüsse schnell genug anpassen? umwelt hat drei Experten zu einer Diskussions- runde eingeladen: Rajna Gibson, Professorin für Finanzwissenschaften an der Universität Genf, Christoph Müller von der Nachhaltigkeitsratingagentur Inrate und Stefan Schwager, der im BAFU für den Bereich Umweltfinanzie- rung zuständig ist. Interview: Cornélia Mühlberger de Preux; Bilder: Flurin Bertschinger, Ex-Press/BAFU 6
DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN < umwelt 2/2017 umwelt: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Müller: Nachhaltigkeit ist ein Konzept, nicht eine den heutigen Umweltproblemen und dem Geld, das ich Technik. Ihre Umsetzung ist je nach angewendeten bei einer Bank oder Pensionskasse anlege? Normen und von den Investoren verfolgten Zielen Rajna Gibson: Hält eine Bank oder eine Pensionskas- unterschiedlich und hängt von der Art der Inves- se in ihrem Portfolio Titel von Gesellschaften, die tition ab: Obligationen, Aktien oder Immobilien. zur Entwaldung beitragen oder im Abbau fossiler Daraus ergibt sich eine Vielfalt von Ansätzen. Für Energieträger tätig sind, begünstigt sie indirekt sol- jeden Investor und bei jeder Investition ist es mög- che Aktivitäten und trägt damit zum Verlust von lich, nachhaltig zu sein. Biodiversität und zur Verstärkung des Klimawandels bei. Über die Wahl ihrer Anlagen und das Angebot Doch wie wird Nachhaltigkeit gemessen? von umweltfreundlichen Finanzdienstleistungspro- Gibson: Es ist nicht leicht, die ESG-Wirkung eines dukten können die Finanzinstitute einen Beitrag Unternehmens zu analysieren und dann auch zur Erhaltung des Naturkapitals leisten. konsequent zu quantifizieren. CO2 lässt sich noch relativ einfach messen, während es um einiges Christoph Müller: Jede Investition hat nebst finanziel- schwieriger ist, das Wohlbefinden von Angestellten lem Risiko und Rendite stets auch Wirkungen auf Umwelt und Gesellschaft. Nachhaltige Investitionen betreffen diese Dimensionen in ihrer Gesamtheit. «Ist einmal in ein Kohlekraftwerk oder eine Pipeline investiert worden, bleibt diese Stefan Schwager: Geld ist an und für sich neutral. Erst durch die Art und Weise, wie es eingesetzt wird, ent- Investition für Jahrzehnte gebunden und da- faltet Geld Wirkung. Wir haben beispielsweise die mit auch die Auswirkungen auf die Umwelt.» Wahl, in Fotovoltaik oder in Kohle zu investieren. Stefan Schwager, BAFU Weil der Finanzsektor im Gegensatz zur Industrie keine unmittelbaren Emissionen in die Umwelt zu beurteilen, handelt es sich doch dabei um etwas verursacht – beispielsweise keine giftigen Abwässer «Abstraktes», das nur schwer in Zahlen ausgedrückt oder Abfälle –, ist die Kausalkette zwischen dem Fi- werden kann. Für Investoren ist dies eine Heraus- nanzsektor und der Umwelt schwieriger zu erfassen forderung. Hinzu kommt, dass es in gewissen Fällen als etwa der Zusammenhang zwischen einer Fabrik, um reines Marketing geht. Deshalb ist es so wichtig, wo etwas hergestellt wird, und der Verschmutzung die ESG-Normen zu vereinheitlichen. von Wasser oder Luft. Müller: Messen ist eine komplexe Aufgabe, und der Wie lässt sich nachhaltiges Investieren definieren? Standardisierungsprozess auf globaler Ebene dürfte Gibson: Die verschiedenen Definitionen laufen im lange dauern. Die Publikation von Daten durch Allgemeinen auf zwei Schlüsselelemente hinaus. Unternehmen ist sicherlich ein Fortschritt, doch wir Der eine Ansatz ist auf eine langfristige Sichtweise sind noch lange nicht am Ziel angekommen. Der ausgerichtet – im Gegensatz zur vorherrschenden Investor benötigt unabhängige Datenanalysen, um Praxis der kurzfristigen Gewinnmaximierung. Der seine Ziele zu implementieren und Nachhaltigkeit andere Ansatz will Umwelt-, Sozial- und Unterneh- in die Anlagen einzubauen. mensführungskriterien – auf Englisch «Environ- mental, Social and Governance Criteria», kurz ESG- Wer kann helfen, nachhaltige Finanzen in den Kriterien – in finanzielle Entscheide integrieren. Mainstream zu führen? Dazu zählen beispielsweise die Energieeffizienz, die Gibson: An der Universität Genf haben wir Nach- Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern haltigkeit in die Finanzlehrgänge integriert und oder die Diversität bei der Zusammensetzung und im Jahr 2008 am Geneva Finance Research In- Funktionsweise des Verwaltungsrats. stitute (GFRI) das Kompetenzzentrum «Finanzen und Gesellschaft» geschaffen. Die Universität Genf Schwager: Wichtiger noch, als sich auf eine Definition verfügt zudem über einen Lehrstuhl «Nachhaltige zu einigen, scheint mir, über Daten zu verfügen, die Finanzen». Die akademische Forschung kann die Vergleiche und Transparenz zulassen. Diese Daten Vorteile und die Grenzen von Finanzprodukten mit müssen für die Finanzindustrie relevant sein. Man ESG-Ausrichtung aufzeigen und insbesondere mit muss sie zudem einfach erheben und anwenden dem Vorurteil aufräumen, dass deren Performance können. vergleichsweise geringer sei, denn dies trifft nicht 7
umwelt 2/2017 > DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN zu. Neueste Studien unseres Instituts weisen nach, Climate Finance Leadership Alliance» werden global dass die Wirkung langfristig gesehen immer positiv allein für die Errichtung der klimakompatiblen In- ist. Aus Sicht der Risikodiversifizierung ist es höchst frastrukturen in den Städten bereits in den nächsten interessant festzustellen, dass die Volatilität von ESG- 15 Jahren 93 000 Milliarden US-Dollar benötigt. Das Portfolios verglichen mit herkömmlichen Portfolios sind enorme Beträge! Doch das Geld ist vorhanden. tiefer liegt. Man muss aber schnell handeln, nicht nur auf Ebene der traditionellen Rolle der Banken, sondern auch Müller: Ratingagenturen spielen eine wesentliche Rol- bei den grossen institutionellen Kunden. Es gilt, die le, indem sie die ESG-Wirkungen von Unternehmen Finanzmarktregulierung und Umweltregulierung in Wert setzen und versuchen, sie auf möglichst ob- aufeinander abzustimmen. jektive Weise zu beurteilen. Damit ermöglichen sie es den Investoren, diese besser zu analysieren und sie in ihre Anlagestrategie zu integrieren. Ratingagenturen bieten Unterstützung beim Konzipieren oder bei der Wahl von Investitionen gemäss gewünschter Rich- tung und vorgegebenem Inhalt. Dies verlangt nach einer qualitativ hochstehenden Datenanalyse sowie einer zuverlässigen Darstellung und Beurteilung. Wir benötigen also die Ergebnisse der Wissenschaft, aber auch den Zugang zu Informationen aufseiten des Marktes und der Unternehmen. Schwager: Nachhaltige Finanzen erfordern ein ge- meinsames Engagement und eine geteilte Verant- wortung. Im Wissen, dass sich der Finanzsektor mit seinen riesigen Finanzströmen stark auf den Zustand und die Entwicklung der Umwelt auswirkt, ist das Christoph Müller Rajna Gibson BAFU seit mehreren Jahren entsprechend aktiv. Das ist Verwaltungsratspräsident der ist Professorin für Finanzwissenschaften Bundesamt ist zwar nicht Regulierungsbehörde für unabhängigen Nachhaltigkeitsrating- an der Universität Genf und Inhaberin agentur Inrate. Er ist Spezialist für eines Lehrstuhls des Swiss Finance den Finanzmarkt, doch es kann in seinen Zuständig- Institute (SFI) sowie Stellvertretende Anlagepolitik und taktische Asset- keitsbereichen die Verfügbarkeit von Umweltdaten Allokation und verfügt über langjähri- Direktorin am Geneva Finance Research sicherstellen, die für den Finanzmarkt wichtig sind, ge Erfahrung im Bereich nachhaltiges Institute (GFRI). Zudem ist sie Mitglied oder, wie in den letzten Jahren, Grundlagen verfügbar Investment. des Verwaltungsrates von Swiss Re. machen. Dies zeigt sich unter anderem prominent in der Publikation der Studie zu den Kohlenstoffri- siken für den Finanzplatz Schweiz. Diesbezüglich «Ratingagenturen spielen eine wesentliche Rolle, arbeitet das BAFU mit anderen Bundesämtern, etwa mit den beiden Staatsekretariaten für internationale indem sie die ESG-Wirkungen von Unternehmen Finanzfragen (SIF) oder für Wirtschaft (SECO), sowie in Wert setzen.» Christoph Müller, Inrate dem Privatsektor zusammen. Welche Hebel sind zu aktivieren? Und welche nachhaltigen Finanzprodukte stehen Gibson: Letztlich geht es darum, die Öffentlichkeit, die zur Verfügung? Kleinanleger und Bankkunden, aber allen voran die Gibson: Wir müssen zwischen Produkten und Anla- institutionellen Anleger wie Pensionskassen dafür zu gestilen unterscheiden. Zu den Produkten zählen sensibilisieren, wie bedeutend ihr aktives Engagement beispielsweise die sogenannten «grünen Anleihen», durch die Wahl ihrer Anlagenstrategie ist. die die Finanzierung von Projekten mit ökologischer Ausrichtung ermöglichen sollen. Bei den Anlagestilen Schwager: Im Klimaübereinkommen von Paris haben geht es beim «Exclusion-Ansatz» um den Ausschluss die Staaten vereinbart, die Finanzflüsse so auszu- von Unternehmen, welche die ESG-Kriterien nicht richten, dass damit eine treibhausgasarme Entwick- berücksichtigen. Beim «Best in Class»-Ansatz werden lung gefördert und die Anpassungsfähigkeit an ein dagegen diejenigen Unternehmen bevorzugt, welche verändertes Klima verbessert werden. Gemäss «Cities die besten sind in Bereichen wie Bekämpfung des 8
DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN < umwelt 2/2017 «Werden Banken und Pensionskassen in der Lage und damit auch die Auswirkungen auf die Umwelt. Das ist der sogenannte «Lock-in effect». Aus diesem sein, auf die Politik eines Unternehmens in Bezug Grunde ist es wichtig, dass die Politik die Richtung auf die ESG einzuwirken, bevor es zu spät ist?» vorgibt und auf Kurs bleibt. Rajna Gibson, Professorin für Finanzwissenschaften Müller: Der Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft benötigt Investitionsvolumen von beeindruckender Klimawandels oder soziale Wohlfahrt. Neuerdings Grössenordnung. Diese Herausforderung lässt sich ist ein Trend zu beobachten, den unter anderem der mit Zusatzfinanzierung alleine nicht bewältigen. norwegische Staatsfonds verfolgt: das aktive Engage- Vielmehr gilt es, die Investitionsströme in zukunfts- ment. Dabei nehmen ein oder mehrere trächtige und nachhaltige Bereiche umzulenken. institutionelle Investoren gemeinsam Dazu müssen auch für Kleinsparer einigermassen ihre Stimmrechte als Aktionäre wahr sichere und kostengünstige Investitionsmöglichkei- und suchen den Dialog mit der Unter- ten, beispielsweise in «grüne» Infrastrukturen, zur nehmensführung, um Nachhaltigkeits- Auswahl stehen. «Green Bonds» – Obligationen themen voranzutreiben. für grüne Anliegen – sind für mich eine positive Entwicklung in die richtige Richtung. Müller: Es existiert eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen, Gibson: Auf internationaler Ebene besteht Hoffnung. die sich an den Zielen für nachhal- In den nordischen Ländern investieren die Pensions- tige Entwicklung – den «Sustain- fonds einen Grossteil ihrer Portfolios in Anlagen able Development Goals (SDGs) – mit hohen ESG-Ratings. Auch in den USA greift orientieren und via Investitionskon- diese Tendenz. Der weltgrösste Vermögensverwalter zept wirtschaftliche Aktivitäten mit BlackRock verzeichnet beispielsweise eine wachsen- positiver Wirkung in den Bereichen de institutionelle Kundschaft, die die Berücksichti- Wasser, erneuerbare Energien, Res- gung der ESG-Kriterien in ihrem Portfolio fordert. Stefan Schwager sourceneffizienz und nachhaltige Ent- Trotz der jüngsten geopolitischen Entwicklungen von der Abteilung Internationales wicklung verfolgen. Dies kann über denke ich, dass die Tendenz positiv ist und bleiben des BAFU ist im Amt für den Bereich nahezu alle Anlageklassen wie Aktien wird, und dass sich nachhaltige Finanzierungs- internationale Umweltfinanzierung oder Obligationen erfolgen. Zudem und Investitionsentscheide durchsetzen werden. zuständig und vertritt die Schweiz im Globalen Umweltfonds (GEF). gibt es Produkte, die speziell auf den Die Frage lautet: Wird die Wirkung stark und Klimawandel fokussieren oder sich schnell genug sein? Anders ausgedrückt: Werden auf «Carbon Divestment» ausrichten, Banken und Pensionskassen in der Lage sein, auf also den Abzug von Kapital aus Unternehmen, deren die Politik eines Unternehmens in Bezug auf die Geschäftsfeld fossile Energieträger sind. ESG – ganz besonders im Bereich der Klimaerwär- mung – einzuwirken, bevor es zu spät ist? Was für Investitionen müssen wir heute tätigen, um neun Milliarden Menschen, die im Jahr 2050 die Welt Müller: In der Schweiz sind viele Einzelne bereit, bevölkern werden, ein menschenwürdiges Leben zu sich für nachhaltige Finanzen zu engagieren. Das ist gewährleisten? eine Chance. Doch es sollte inhaltlich klarer kom- Schwager: Die öffentlichen Mittel werden nicht aus- muniziert und gezeigt werden, wie sich nachhaltig reichen, um sämtliche für die Sicherstellung einer investieren lässt, was möglich ist. Nachhaltige, gut nachhaltigen Entwicklung unseres Planeten erforder- konzipierte Produkte sind nicht teurer. Die Inves- lichen Massnahmen zu ergreifen. Es braucht privates toren könnten mehr tun, als sie denken. Kapital! So sind in Afrika erst zehn Prozent der bis 2050 benötigten Infrastruktur vorhanden. Das heisst, Weiterführende Links zum Artikel: 90 Prozent der Infrastruktur für Verkehr, Energie, www.bafu.admin.ch/magazin2017-2-02 Kommunikation, Wasser- und Abfallbewirtschaftung sind noch zu errichten. Deshalb ist es entscheidend, KONTAKT nachhaltige Lösungen zu finden, denn täglich wer- Romina Schwarz Sektion Ökonomie den Anlageentscheide getroffen. Ist einmal in ein BAFU Kohlekraftwerk oder eine Pipeline investiert worden, +41 58 462 75 52 bleibt diese Investition für Jahrzehnte gebunden romina.schwarz@bafu.admin.ch 9
umwelt 2/2017 > DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN PERFORMANCE VON NACHHALTIGEN ANLAGEN Die Rendite stimmt Das Vorurteil vieler Investoren und Vermögensberater, Nachhaltigkeit gehe auf Kosten der Rendite, hält sich hartnäckig. Studien belegen aber, dass nachhaltige Geldanlagen mindestens genauso gut abschneiden wie herkömmliche Anlageformen. Dabei nehmen klimaverträgliche Anlagen eine Vorreiterfunktion ein. Text: Gregor Klaus und Lucienne Rey Zahlreiche Investoren und Anleger fragen sich, Zum gleichen Ergebnis kam eine noch umfangrei- ob in nachhaltigen Finanzanlagen mehr guter chere Übersichtsstudie des Vermögensverwalters Wille als Rendite steckt. Diese Bedenken sind Deutsche Asset Management mit Unterstützung wichtige Gründe dafür, dass sich Investoren da- der Universität Hamburg. Fachexperten haben vor scheuen, Umwelt- und Sozialfaktoren sowie dazu wissenschaftliche Resultate aus mehr als Aspekte guter Unternehmensführung – die soge- 2200 empirischen Studien zusammengeführt. nannten ESG-Kriterien – in ihre Entscheidungen Sie konnten nachweisen, dass der Business Case, zu integrieren. Doch die Sorge, dass die so inves- der ein bestimmtes Geschäftsszenario hinsicht- tierten Gelder mit Renditeeinbussen einhergehen, lich Rentabilität einer Investitionsmöglichkeit ist unbegründet. untersucht, für nachhaltiges Investieren sehr valide ist. Dieser positive Zusammenhang ist Mit Nachhaltigkeit erfolgreich über einen langen Zeitraum stabil. Dass ein Forscher der Universität Oxford und des Vermö- entsprechendes Geschäftsmodell sich auch in gensverwalters Arabesque haben 2014 zahlreiche einer besseren Entwicklung des Aktienkurses Studien ausgewertet, die die Profitabilität von niederschlägt, haben Forschende der Harvard Unternehmen untersucht hatten. 88 Prozent der Business School nachgewiesen. So entwickeln Studien zeigten, dass Firmen, die beispielswei- sich die Aktien von nachhaltigen Unternehmen se auf umweltschonende Produktionsprozesse insgesamt besser als die der Vergleichsgruppe. und auf die Zufriedenheit ihrer Mitarbeitenden Mit anderen Worten: Nachhaltiges Investieren achten, bessere Resultate in ihrem operativen zahlt sich auch finanziell aus und ist mit einem Kerngeschäft erzielen als Unternehmen, denen Zusatznutzen auf sozialer und ökologischer Ebene verbunden. Fachleute konnten nachweisen, dass der Business Nachhaltigkeit reduziert das Risiko Case, der ein bestimmtes Geschäftsszenario In einer aktuellen Studie haben Prof. Rajna Gibson Brandon und Prof. Philipp Krüger vom hinsichtlich Rentabilität einer Investitionsmöglich- Swiss Finance Institute an der Universität Genf keit untersucht, für nachhaltiges Investieren die Rendite verschiedener institutioneller An- sehr valide ist. leger ins Verhältnis zum eingegangenen Risiko gesetzt. Die Forschenden konnten zeigen, dass Investoren, deren Portfolios nachhaltiger sind, Nachhaltigkeit ein Fremdwort ist. 80 Prozent geringere Risiken eingehen und langfristig höhe- der Studien attestierten zudem einen positiven re Renditen generieren. Die bessere risikoadjus- Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitsprak- tierte Investitionsperformance von nachhaltige- tiken und Anlageperformance. Konkret heisst ren institutionellen Investoren ist vor allem auf das: Wenn Unternehmen auch ökologische und deutlich geringere Kursschwankungen von nach- soziale Kriterien berücksichtigen, können sie auf haltigen Anlagen zurückzuführen. Natürlich ist lange Sicht erfolgreicher sein. auch bei diesem Investment Vorsicht geboten. 10
DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN < umwelt 2/2017 Wer blind in einen Wind- oder Solarfonds oder in Erhebliche Unterschiede in der Klimawirksamkeit eine einzelne Firma investiert, kann schnell mit Aber Achtung: Nicht alle dieser Investitionsstra- leeren Händen dastehen. Auch hier gilt: Je höher tegien bringen dem Klima gleich viel. Gegenüber die in Aussicht gestellte Rendite, desto grösser das ihren konventionellen Pendants verringern sie Risiko, und die Grundregeln – beispielsweise zur die Emissionsintensität je nach gewählter Index- Diversifikation – sind nach wie vor zu beachten. strategie um 10 bis zu 90 Prozent. So bleiben etwa bei den «Kohlenstoffgewichteten Indizes» alle Klimafreundliche Anlagen zahlen sich aus Unternehmen aus dem herkömmlichen Index im Viele Investoren verfolgen sogenannte passive Portfolio, allerdings werden Unternehmen mit Investitionsstrategien, das heisst, sie orientie- geringem Kohlenstoffausstoss stärker gewichtet. ren sich an existierenden Indizes. Dies gilt bei- Bei den «Ausschluss-Indizes» hingegen werden spielsweise für Pensionskassen, die allein in der die kohlenstoffintensivsten Unternehmen ganz Schweiz ein Vermögen von mehreren hundert ausgeschlossen. Am klimafreundlichsten sind Milliarden Franken verwalten und damit eine natürlich die sogenannten thematischen Indizes, überaus wichtige Gruppe von Akteuren auf dem die den Investitionsfokus gezielt auf klimafreund- hiesigen Finanzmarkt sind (siehe Gastbeiträge liche Unternehmungen legen und beispielsweise Seiten 32 und 33). Klimafreundliche Anlagestra- nur erneuerbare Energien beinhalten. Diese tegien sollten Investoren aber nicht nur im Hin- eignen sich aus Diversifikationsgründen jedoch blick auf die Reduktion der globalen Erwärmung weniger für beispielsweise Pensionskassen. interessieren, sondern auch auf die Minimierung Die marktkonforme Rendite treibhausgasarmer des Risikos von finanziellen Verlusten (siehe Aktieninvestitionsstrategien zeigt, dass ernst Seite 12). zu nehmende klimafreundliche Alternativen Mittlerweile gibt es einige Indizes, die explizit für den Schweizer Finanzmarkt zur Verfügung klimafreundlich ausgerichtet sind. Aber wie steht stehen. Zudem existieren Methoden für zahlrei- es um die Rendite? Das BAFU hat dazu die Studie che weitere Anlageklassen, um Klimaaspekte in «Klimafreundliche Investitionsstrategien und Per- Investitionsentscheide einzubeziehen. formance» in Auftrag gegeben und zusammen «Wir wollen mit unseren Grundlagenarbei- mit dem Staatssekretariat für internationale Fi- ten die Investoren darin unterstützen, für ihre nanzfragen fachlich begleitet. Insgesamt wurden Anlagen die Klimaverträglichkeit und die Kli- elf unterschiedliche klimafreundliche Indizes marisiken zu identifizieren und die Suche nach der marktrelevanten Indexanbietern MSCI und klimafreundlichen Produkten zu erleichtern», STOXX analysiert und mit konventionellen Indi- unterstreicht Silvia Ruprecht-Martignoli. Nebst zes verglichen. Es zeigte sich, dass die Renditen der marktkonformen Rendite, die sich Anleger nachhaltiger Anlagen keineswegs den Vergleich von klimaschonenden Investitionen versprechen mit traditionellen Anlagen scheuen müssen. dürfen, winkt ihnen ausserdem ein handfester Die überwiegende Mehrheit, nämlich zehn Nutzen für ihre Reputation: Auch umweltsensib- der elf betrachteten Indizes, erzielten in der le Sparer und Anlegerinnen dürften sich zuneh- Untersuchungsperiode 2011 bis 2015 gegenüber mend dafür interessieren, wie klimafreundlich ihren konventionellen Vergleichsindizes eine ihr Altersguthaben erwirtschaftet wurde. überdurchschnittliche Rendite. Zwar wurde in sieben der elf Fälle ein etwas höheres Diversifi- Weiterführende Links zum Artikel: kationsrisiko festgestellt; wird der Gewinn jedoch www.bafu.admin.ch/magazin2017-2-03 mit dem Risiko in Beziehung gesetzt, schneiden immer noch acht der elf Fälle besser ab als ihre jeweiligen Vergleichsindizes. «Der Investor wur- de also in den meisten Fällen für das zusätzlich eingegangene Risiko durch eine entsprechende Mehrrendite entschädigt», sagt Silvia Ruprecht- Martignoli von der Sektion Klimapolitik beim KONTAKT BAFU und Leiterin der Studie. Allerdings standen Silvia Ruprecht-Martignoli Sektion Klimapolitik für die Untersuchung nur Daten für vier Jahre BAFU zur Verfügung. +41 58 462 60 30 silvia.ruprecht@bafu.admin.ch 11
umwelt 2/2017 > DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN KLIMARISIKEN FÜR DEN SCHWEIZER FINANZPLATZ Fördert Ihr Geld Erdöl oder Cleantech? Heutige Investitionen sind mitentscheidend bei der Frage, wie viele Treibhausgase künftig freigesetzt werden. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich im Übereinkommen von Paris 2015 dazu verpflichtet, die Finanzflüsse klimaverträglich auszurichten. Der Finanzplatz Schweiz steht vor grossen Herausforderungen. Text: Nicolas Gattlen Es ist nur ein kleiner Satz, doch seine Bedeu- keinem Kontoauszug. Auch die Jahresberichte tung ist immens: Der Zielartikel 2.1.c des Klima- der Pensionskassen und Versicherungen verraten abkommens von Paris, welches im November 2016 wenig über deren Anlagestrategien, denn es gibt in Kraft trat, verpflichtet die Vertragsparteien, die keine gesetzliche Auskunftspflicht. Sollte es dem Finanzflüsse klimaverträglich – also in Einklang interessierten Sparer trotzdem gelingen, die in mit einem Weg hin zu einer treibhausgasarmen den Fonds gelisteten Firmen zu eruieren, bleibt und gegenüber Klimaänderungen widerstands- ihm in der Regel verborgen, wie sich die Aktivi- fähigen Entwicklung – zu gestalten. Damit täten der Unternehmen auf das Klima auswirken. stehen erstmals auch die Anleger in der Pflicht. Denn viele Investoren berücksichtigen heute diese Indem sie mehr Geld in zukunftsgerichtete und Auswirkungen bei ihren konkreten Anlageent- weniger in treibhausgasintensive Technologien scheiden kaum, obschon es mittlerweile viele und Energieträger investieren, sollen sie dazu Informationen dazu gibt. Dies zeigen auch die beitragen, die globale Erwärmung auf deutlich beiden Studien «Kohlenstoffrisiken für den Fi- unter 2 °C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit nanzplatz Schweiz» (2015) und «Klimafreundliche zu begrenzen. Diese Anpassung ist auch deshalb Investitionsstrategien und Performance» (2016), dringlich, weil bei einem «Weiter wie bisher»- die das BAFU erarbeiten liess (siehe Seiten 10/11). Szenario langfristig horrende volkswirtschaft- liche Kosten anfallen (siehe Box Seite 15). Fiebrige Welt ist kaum mehr versicherbar Die Studien bringen Licht in die Blackbox. Sie legen dar, dass die heutigen Finanzströme der Der Zielartikel 2.1.c des Klimaabkommens von Schweiz statt des 2 °C-Zieles eher ein globales Klimawandelszenario von 4 bis 6 °C unterstützen. Paris, welches im November 2016 in Kraft trat, Für die Studie zu den Kohlenstoffrisiken wur- verpf lichtet die Vertragsparteien, die den Aktieninvestitionen im Umfang von rund Finanzf lüsse klimaverträglich zu gestalten. 280 Milliarden Franken detailliert untersucht – das entspricht 80 Prozent des gesamten Aktien- fondsmarktes in der Schweiz. Die Bilanz: Dieser Die Neuausrichtung der Finanzströme setzt Markt bindet in seinen Kapitalanlagen nochmals voraus, dass die Anleger über entsprechende ebenso viele Emissionen wie die Schweiz als Land Informationen verfügen. Für Sparer und private derzeit jährlich ausstösst. Anleger ist es heute schwierig herauszufinden, Das ist umso bemerkenswerter, als der Aktien- welche Firmen und Tätigkeiten mit ihrem Geld fondsmarkt lediglich rund fünf Prozent der am finanziert werden. Ob die Bank mit dem Geld der Finanzplatz Schweiz getätigten Investitionen Privatkunden zum Beispiel Kohleunternehmen umfasst. Die Studie «Klimafreundliche Investi- fördert oder in Windanlagen investiert, steht auf tionsstrategien und Performance» hat daher auch 12
DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN < umwelt 2/2017 KLIMAVERTRÄGLICHKEIT Ohne zusätzliche Massnahmen könnte die globale Temperatur bis 2100 um bis zu 6 °C ansteigen. 60 bis 80 Prozent der heute noch in der Schweiz vorhandenen Gletscherfläche drohen bis dann verloren zu gehen. Laut einer vom BAFU in Auftrag ge- gebenen Studie tragen auch die hie- sigen Finanzströme zur starken Erwärmung bei. Das BAFU gibt bis Mitte Juli 2017 allen inländischen Pensionskassen und Versicherungen die Möglichkeit, ihre Aktien- und Unternehmensanleihen-Portfolien als Pilotprojekt kostenlos auf deren Klimaverträglichkeit testen zu lassen. Bild: Michel Roggo 13
umwelt 2/2017 > DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN TECHNOLOGIEFONDS Mit einem Technologiefonds fördert der Bund Innovationen, die Treibhausgase oder den Ressourcenverbrauch reduzie- ren, den Einsatz erneuerbarer Energien begünstigen und die Energieeffizienz erhöhen. Der Fonds vergibt Darlehens- bürgschaften an kleine und mittlere Unternehmen aus der Schweiz, die einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Bild: Keystone/Laif 14
DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN < umwelt 2/2017 Volkswirtschaftliche Kosten zu setzen und gleichzeitig die Kohlenstoffrisiken zu senken, die mit regulatorischen Eingriffen der Klimaerwärmung zum Schutz des Klimas verbunden sind und als «Carbon-Bubble» (Kohlenstoffblase) bezeichnet Der «Stern-Report» machte 2006 prominent auf werden. die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimawandels aufmerksam. Er wurde im Auftrag der britischen Risikoreiche Kohlenstoffblase Regierung vom ehemaligen Weltbank-Chefökono- Im Übereinkommen von Paris haben sich neu alle men Nicholas Stern verfasst und rechnete vor, dass Staaten verpflichtet, zur Treibhausgasreduktion der Klimawandel die Länder im 21. Jahrhundert beizutragen. Werden weltweit vermehrt Reduk- jährlich zwischen 5 und 20 Prozent ihres Brutto- tionsmassnahmen ergriffen, die den Verbrauch inlandproduktes kosten würde – falls nicht rasch fossiler Energien einschränken oder direkt gehandelt wird. Gleichzeitig hält der Bericht fest, verteuern (beispielsweise über eine CO2-Abgabe dass die Vorteile eines frühen Handelns die dafür oder strengere Emissionsvorschriften), verlieren nötigen Kosten deutlich überwiegen. Obschon die betroffene Firmen an Wert. Von diesen Transi- Zahlen aus dem Dokument kontrovers diskutiert tionsrisiken sind insbesondere Investitionen in wurden, ist sich die Mehrheit der Wissenschaft- CO2-intensive Branchen betroffen. lerinnen und Wissenschaftler einig, dass sich ein Die BAFU-Studie «Kohlenstoffrisiken für den frühes Handeln lohnt. Finanzplatz Schweiz» zeigt, dass in der Regel Im Bericht «Better Growth, Better Climate» zwei Branchen (konventionelle Energieversor- (2014) legen Nicholas Stern sowie weitere For- gung und Industrie) durchschnittlich 50 Prozent schende einen 10-Punkte-Plan für ein klimaver- aller über die Aktienfonds finanzierten CO2- trägliches Wirtschaftswachstum vor. In den nächsten Emissionen verursachen. Dabei machen diese 15 Jahren stünden weltweit 93 000 Milliarden Branchen zusammen bloss 8 bis 15 Prozent des US-Dollar an Investitionen in Städten, für Land- Gesamtwerts der Portfolios aus. Ein Ausstieg aus nutzungen und im Energiesektor an. Diese Summe besonders emissionsintensiven Branchen oder ein gelte es in Effizienzsteigerung und regenerative Umstieg auf klimafreundlichere Unternehmen Energien zu investieren. (nig) im gleichen Sektor würde die Risikostreuung (Diversifikation) also nur wenig beeinträchtigen und in vielen Fällen erst noch höhere Gewinne ermöglichen. abgeschätzt, wie es um die Emissionsintensität weiterer Anlageklassen bestellt ist. Die Resultate Sollten infolge der Klimaerwärmung vermehrt deuten darauf hin, dass insbesondere Investiti- Stürme, Dürren und Überschwemmungen onen in Unternehmensobligationen eher noch CO2-intensiver sein dürften. auftreten, betrifft dies die Produktionsanlagen Ein Strategiewechsel ist auch aus wirtschaft- und Wertschöpfungsketten unzähliger lichen Gründen erforderlich. Sollten infolge der Klimaerwärmung vermehrt Stürme, Dürren und Unternehmen. Überschwemmungen auftreten, betrifft dies die Produktionsanlagen und Wertschöpfungsketten Helvetischer Finanzplatz hinkt hinterher unzähliger Unternehmen. So wies Christian «Die Zahlen zeigen, dass die indirekten Wirkun- Thimann, Vorstandsmitglied des Versicherers gen der Investitionen auf das Klima von den Axa, in einem Interview mit der Wochenzeitung meisten Investoren auf dem Schweizer Finanz- «Die Zeit» darauf hin, dass eine um 4 °C wärme- markt nicht aktiv in ihre Anlageentscheide mit re Welt «kaum mehr versicherbar» sei. Axa hat einbezogen werden», analysiert Silvia Ruprecht- allein im Jahr 2014 weltweit etwa eine Milliarde Martignoli von der Sektion Klimapolitik des Euro für Schäden ausgezahlt, die mit Klimaer- BAFU. Ein aktueller Bericht des Verbandes Swiss eignissen zusammenhängen. Der Konzern hat Finance Institute, dem Banken, spezialisierte 2015 entschieden, seine Kohlebeteiligungen zu Dienstleister, Investoren, Universitäten und Or- verkaufen, um – kurz vor den Verhandlungen ganisationen der öffentlichen Hand angehören, in Paris – «ein Zeichen für mehr Klimaschutz» stützt ihre Aussage: Bei der Berücksichtigung von 15
umwelt 2/2017 > DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN Klimarisiken ist der schweizerische Finanzplatz In der am 30. November 2016 zu Ende gegan- im internationalen Vergleich ein Nachzügler. genen Vernehmlassung über die zukünftige Zudem scheint der hiesige Finanzmarkt in der Klimapolitik der Schweiz schlägt der Bundesrat verstärkt geführten internationalen Diskussion vor, das internationale Ziel der klimaverträgli- in diesem Bereich wenig präsent. Angesichts des chen Finanzflüsse hierzulande durch freiwillige hohen Anteils des Finanzsektors am gesamten Massnahmen der Finanzbranche umzusetzen. Bruttoinlandsprodukt (12,9 Prozent) und der So können die Finanzmarktakteure entspre- internationalen Bedeutung des Schweizer Fi- chende Strategien verfolgen, die am besten nanzplatzes besteht Handlungsbedarf. zu ihren Zielsetzungen passen. Die Erhebung In anderen Ländern wurden bereits Mass- von aussagekräftigen Daten zu den Klimaaus- nahmen ergriffen. In Frankreich etwa sind wirkungen von verschiedenen Geldanlagen, institutionelle Vermögensbesitzer seit 2017 Unternehmensbeteiligungen und -finanzie- verpflichtet, über die Klimaverträglichkeit ihrer rungen können allerdings ziemlich aufwendig Finanzanlagen und über ihre Klimastrategien sein. Der Bund will hier Unterstützung bieten zu berichten. In Schweden veröffentlichen die und methodische Grundlagen zur Beurteilung staatlichen Pensionskassen ihre Beteiligungen der Klimaverträglichkeit erarbeiten. Mit einer auf Empfehlung der Regierung. Und in den international vergleichbaren Berichterstattung USA verlangt das Aktiengesetz, dass Invest- auf freiwilliger Basis erhält die Öffentlichkeit mentfonds, Versicherer und institutionelle ein konsistentes Bild der indirekten Wirkungen von Finanzierungen und Investitionen auf das Im Rahmen eines Pilotprojektes gibt das BAFU Klima. Im Rahmen eines Pilotprojektes gibt das bis Mitte Juli 2017 allen Schweizer Pensions- BAFU daher bis Mitte Juli 2017 allen Schwei- kassen und Versicherungen die Möglichkeit, zer Pensionskassen und Versicherungen die Möglichkeit, freiwillig und kostenlos ihre freiwillig und kostenlos ihre Aktien- und Aktien- und Unternehmensanleihen auf deren Unternehmensanleihen auf deren Klimaver- Klimaverträglichkeit begutachten zu lassen. Die träglichkeit begutachten zu lassen. Tests werden mit einem Modell durchgeführt, das durch Forschungsmittel der EU erarbeitet und bereits von über 100 Investoren erprobt Anleger ihre Beteiligungen teilweise öffentlich wurde. Nach Fertigstellung soll das Modell im ausweisen. Nichtregierungsorganisationen wie Markt unentgeltlich zur Verfügung stehen. Die CERES in den USA und der WWF in Schweden vertraulichen Analyseberichte erhalten die Teil- nutzen diese Angaben, um für die Anleger nehmenden direkt von «2°Investing Initiative», Entscheidungshilfen für klimafreundliche In- dem unabhängigen, gemeinnützigen Think- vestitionen aufzubereiten. Tank, der die Tests durchführt. Das BAFU wird Ein zusätzlich wichtiger Aspekt sind kurz- nur eine anonymisierte Meta-Analyse erhalten. fristige Anlagen im Vergleich zu langfristigen Diese wird voraussichtlich im Oktober 2017 Klimarisiken. Auch die von Financial Stability veröffentlicht werden. Damit bekommen auch Board eingesetzte und von Vertretenden der die Versicherten mehr Handlungsspielraum: Sie Finanzindustrie geleitete Task Force on Climate- können bei ihren Pensionskassen und Versiche- related Financial Disclosures (TCFD) empfiehlt, rungen nachfragen, ob diese sich testen lassen klimabedingte Finanzrisiken zu messen und und die Resultate veröffentlichen. offenzulegen. Transparenz alleine reicht jedoch nicht aus, um die Finanzflüsse klimaverträglich zu gestalten. Zudem verhindern häufig kurz- Weiterführende Links zum Artikel: fristig angelegte Anreize im Finanzsystem den www.bafu.admin.ch/magazin2017-2-04 wirksamen Einbezug der langfristigen Klimawir- kungen in Anlageentscheide. KONTAKT Silvia Ruprecht-Martignoli Sektion Klimapolitik Bundesrat setzt auf freiwillige Massnahmen BAFU Mit dem Klima-Übereinkommen von Paris ist +41 58 462 60 30 nun auch die schweizerische Politik gefordert. silvia.ruprecht@bafu.admin.ch 16
DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN < umwelt 2/2017 NACHHALTIGKEIT IM FINANZSYSTEM Erfolgreicher Dialog über die traditionellen Kreise hinaus 20 Massnahmen für mehr Nachhaltigkeit im Schweizer Finanzsystem: Diese sind das Ergebnis eines fruchtbaren Dialogs zwischen Finanzsektor, Bund und Wissenschaft. Text: Romina Schwarz und Philipp Röser Seit 2014 führt der Bund einen Dialog mit Expertinnen und Experten aus dem Finanzsektor, der Wissenschaft und von Nichtregierungsorganisationen. Initiiert wur- de er vom BAFU, um einen internationalen Beitrag an die UNO-Initiative für ein nachhaltiges Finanzsystem (UNEP Inquiry) zu liefern. Das Ergebnis des Dialogs ist die Publikation «Proposals for a Roadmap towards a Sustainable Financial System in Switzerland», mit 20 Massnahmenvorschlägen für ein nachhaltigeres Finanzsystem in der Schweiz. Diese wurden am 14. Juni 2016 an der Jahresversammlung des Vereins Swiss Sustainable Finance präsentiert und stiessen auf eine breite Resonanz. Die Massnahmen betreffen die fünf Kernbereiche Asset & Wealth Management, Institutionelle Anleger, Kreditgeschäfte, Kapitalmärkte sowie Forschung & Ausbildung und laden die relevanten Akteure zur Diskussion und Umsetzung ein. Das Ziel ist die Breitenwirkung. Deshalb wurde der Schulterschluss aller Akteure gesucht. Vertreter und Vertreterinnen von Universalbanken und Pioniere im Nachhaltig- keitsbereich haben ebenso Ideen beigesteuert wie Experten von Bundesämtern, Universitäten und Non-Profit-Organisationen. Der Bericht zeigt Chan- cen auf, um den hiesigen Finanzplatz durch einen Nachhaltigkeitsfokus in seiner Positionierung zu schärfen: durch innovative, ressourcenschonende Investitionsformen, eine Verbesserung des Risiko- managements, der Beraterqualität, der Kundenbin- dung und auch der Produktivität. Loa Buchli, Chefin der Sektion Ökonomie beim BAFU, erklärt: «Im Fokus der Diskussionen steht die Integration von Umwelt-, Sozial- und Gouvernanzkriterien in Finanzierungs- und Investitionsentscheide. Dadurch profitiert letzt- lich auch die Umwelt – unsere Lebensgrundlage. KONTAKT So kann der Finanzsektor eine Schlüsselrolle bei der Loa Buchli Sektionschefin Ökonomie Beschleunigung der Transformation hin zu einer BAFU ressourcenschonenden, zukunftsfähigen Wirtschaft +41 58 462 93 29 spielen.» loa.buchli@bafu.admin.ch 17
umwelt 2/2017 > DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN NATURAL CAPITAL FINANCE ALLIANCE Mit der Natural Capital Finance Alli- ance unterstützt das SECO eine vom Finanzsektor geschaffene Plattform, welche sich zum Ziel gesetzt hat, Überlegungen zum Naturkapital in Finanzprodukte zu integrieren und neue Instrumente und Methoden zur Bewertung ökologischer Risiken zu entwickeln. Bild: Michel Roggo 18
DOSSIER NACHHALTIGE FINANZEN < umwelt 2/2017 NATURKAPITAL Auf dem Weg zu einer grünen Finanzwelt Unternehmen müssten ein grosses Eigeninteresse daran haben, die Biodiversität sowie Boden, Luft und Wasser als Naturkapital umfassend zu erhalten und zu fördern. Denn so können sie ihr Geschäfts- modell nachhaltig gestalten, Risiken reduzieren und Wettbewerbsvorteile generieren. Um den Faktor Natur- kapital in Finanzierungs- und Investitionsentscheide von Finanzinstituten zu integrieren, wurde auf Initiative des Finanzsektors die Natural Capital Finance Alliance ins Leben gerufen. Text: Kaspar Meuli Die Damen im Deuxpièces, die Herren im dunklen genswerte darstellen. Zweitens hält es fest, dass Businessanzug, professionelle Power-Point-Präsen- diese Naturgüter Ökosystemleistungen erbringen, tationen und in den Pausen angeregtes Networ- ohne die wir Menschen nicht leben können. Der king – rein äusserlich unterschied sich das im Boden wirkt zum Beispiel als Wasserfilter, und na- Herbst 2016 in der Nähe des Zürcher Paradeplatzes turnahe Landschaften dienen als Erholungsgebiete. abgehaltene Treffen in nichts von all den Tagungen, Und drittens will das Konzept der Natur (und ihren die jeweils im UBS-Konferenzgebäude Grünenhof Ökosystemleistungen) einen ökonomischen Wert stattfinden. Das Thema des Anlasses – der Druck beimessen. So sollen diese zentralen, aber bis auf natürliche Ressourcen und Risiken fürs Bank- heute meist vernachlässigten Produktionsfaktoren geschäft – hatte es allerdings in sich. «Das Bewusst- endlich einflussreicher in wirtschaftliche Entschei- sein im Finanzsektor in Bezug auf den Stellenwert dungen einfliessen. von Umweltthemen nimmt rasch zu», sagt Liliana de Sá Kirchknopf vom Staatssekretariat für Wirt- Ökologische Risiken bewerten schaft (SECO), das den Anlass mitorganisiert hatte. Die Überlegungen, die sich die Finanzwelt neuer- «Noch vor zwei bis drei Jahren wäre es undenk- dings zu Fragen der Nachhaltigkeit macht, gehen bar gewesen, für eine solche Tagung 120 Finanz- weit über Anlagemöglichkeiten für Kunden mit grü- spezialisten aus 80 Firmen und Institutionen nem Gewissen hinaus. Im Zentrum steht die Frage, zusammenzubringen.» wie ökologische Risiken berücksichtigt werden kön- Tatsächlich mehren sich die Zeichen, dass Fragen nen, um Wertverluste bei Finanzprodukten, etwa bei der Nachhaltigkeit in der internationalen Finanz- Krediten, zu vermeiden und um letztendlich einen marktpolitik stark an Bedeutung gewinnen. So Beitrag zur Stabilität von Banken leisten zu können. hat die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Dabei geht es um ganz konkrete Fragen: Wie hoch Schwellenländer (G20) im vergangenen Jahr die müssen beispielsweise die Zinsen für einen Kredit an «Green Finance Study Group» ins Leben gerufen, einen Baumwollhersteller sein, wenn dieser damit in dem auch die Schweiz vertreten ist. «Auf einmal an einem Produktionsstandort investieren will, an sind Umweltfachleute in der Finanzwelt gefragt, dem sich Wasserknappheit abzeichnet? Der Hin- das ist neu», meint Loa Buchli, Leiterin der Sektion tergrund: Die Herstellung von Baumwolle benötigt Ökonomie im BAFU. «Das Klimaabkommen von sehr viel Wasser. Wenn dieses durch Erschöpfung Paris hat dieser Entwicklung zusätzlichen Schub von Oberflächen- und/oder Grundwasserreserven verliehen.» künftig knapp und damit teurer wird, könnte das Mehr und mehr hält in der Finanzindustrie der Geschäftsmodell von Baumwollherstellern in ariden Begriff Naturkapital Einzug. Mit dieser Bezeich- Gebieten unrentabel werden. Für einen Kreditgeber nung ist ein mehrschichtiges Konzept gemeint: Es steigt damit das Risiko, sein Geld zu verlieren. Positiv umfasst erstens die Vorstellung, dass Biodiversität auf dieses Risiko und damit zinssenkend könnte sich sowie Boden, Luft und Wasser natürliche Vermö- hingegen auswirken, wenn ein Baumwollhersteller 19
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