BBoo ddeenn sscc hhaattzz BBoo ddeenn sscc hhuuttzz - Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL - Bundesamt für Umwelt

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B u n d e s a m t f ü r U m w e l t , Wa l d u n d L a n d s c h a f t    B U WA L

                                                          2/2004
                                                                         UMWELT
 Bodenschatz
 Bodenschutz
BBoo ddeenn sscc hhaattzz BBoo ddeenn sscc hhuuttzz - Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL - Bundesamt für Umwelt
EDITORIAL

                                                                               SCHWERPUNKT BODENSCHUTZ

                                                               Die fruchtbaren Böden in der Schweiz sind über Jahrtau-
                  Sorge tragen                                 sende entstanden – zerstört sind sie im Extremfall in weni-
                  zu unserem                                   gen Sekunden. Als Hauptursachen der Bodenzerstörung
                                                               gelten Versiegelung, Erosion, Verdichtung, Überdüngung
                  Bodenschatz                                  und Vergiftung. Der Bodenschutz will diese Gefahren mit
                                                               einer breiten Palette von Massnahmen entschärfen. Dabei
Wer von Boden spricht, meint damit meistens die Ober-          ist er auf Partner angewiesen: Wer den Boden nutzt, trägt
fläche. Wir denken an Bodenbeläge, Bodennebel, Boden-          die Verantwortung für die langfristige Erhaltung dieser
                                                               Lebensgrundlage und ihrer vielfältigen Funktionen. Dies
haftung oder Bodenpreise. Doch wer etwas in die Tiefe
                                                               gilt auf Baustellen ebenso wie in der Land- und Forstwirt-
vordringt, erkennt, dass Boden mehr ist. Als feine Haut
                                                               schaft oder bei Freizeitaktivitäten.
schützt er die Erde, filtert Wasser und speichert es, bietet   Der Themenschwerpunkt gibt einen Einblick in die faszinie-
Pflanzen Halt und Nährstoffe, schützt archäologische           rende Welt des Bodens, weist auf Bedrohungen hin und
Zeugen, gestaltet die Landschaft und ist die Grundlage         zeigt, wie wir diese lebenswichtige Ressource optimal
unserer Ernährung. Und der Boden lebt! Billionen kleiner       schützen können.

Lebewesen bevölkern ihn und arbeiten für uns: Sie bauen
Abfälle und Gifte ab, speichern Kohlenstoff und sorgen da-
für, dass Wurzeln wachsen und Niederschläge abfliessen
können.
    Trotzdem geht der Mensch zu sorglos mit dem Boden
um: Er überzieht ihn hemmungslos mit Asphalt und
Beton, mutet ihm eine Fülle unverdaulicher Stoffe zu,
zerstört seine Struktur mit schweren Maschinen und lässt
zu, dass ihn das Wasser von den Hängen spült.
    Zwar ist die Bodenzerstörung bei uns nicht so augen-       6 – 40
fällig wie in vielen Entwicklungsländern, die immer mehr                                       Titelbild: Stefan Wicki, Luzern

unersetzbares Kulturland an die Wüste verlieren. Doch
                                                               BODENSCHÜTZER AUF DER BAUSTELLE
auch in der Schweiz drohen dem Boden zahlreiche Gefah-
ren. Weil die meisten Bodenschäden endgültig sind, steht       Auf Grossbaustellen werden gewaltige Mengen an Boden
die Vorsorge im Zentrum des Bodenschutzes. Damit ist je-       umgelagert. Speziell ausgebildete Fachleute wachen da-
                                                               rüber, dass der Boden dabei nicht zerstört wird. UMWELT
der, der den Boden nutzt, auch für seinen Schutz verant-
                                                               hat einen Baubegleiter bei seiner Arbeit beobachtet.
wortlich. Dies gilt für die Bauwirtschaft ebenso wie
für Bauern, Forstdienste, Gärtnereien oder Archäologen.
Ihnen stehen die Bodenfachleute beratend, aber auch
fordernd zur Seite.
    Ziel all dieser Bemühungen ist es, für die kommenden
Generationen genügend gute Böden zu erhalten, die ihre
Funktionen im Naturhaushalt erfüllen können und sich
weiterhin ohne Gefährdung der Gesundheit nutzen
lassen.

                                             Philippe Roch
                                           Direktor BUWAL       8 –13

2      UMWELT 2/04
BBoo ddeenn sscc hhaattzz BBoo ddeenn sscc hhuuttzz - Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL - Bundesamt für Umwelt
INHALT                   Schwerpunkt Bodenschutz
                                                                 2    Editorial: Der BUWAL-Direktor über den Umgang
                                                                      mit unserem Bodenschatz

                                                                 6    Leitartikel:
FRAGWÜRDIGE                                                           Bodenschutz – eine Existenzfrage
«MELIORATION»
                                                                 8    Baubegleitung:
Geländemulden im Ackerland                                            Ein Anwalt des Bodens auf der Baustelle
erschweren die landwirtschaft-
liche Bewirtschaftung. Deshalb                                  14    Raumplanung:
                                                                      Die fruchtbarsten Standorte besser schützen
werden sie häufig aufgefüllt –
oft ohne Bewilligung und mit                                    18    Raumplanung:
Abfällen statt mit sauberem                                           Kulturland unter Druck
Aushubmaterial.
                                                                20    Geländeauffüllungen:
                         20 –21                                       Riskante Bodenverbesserungen

                                                                22    Landwirtschaft:
SAURE WALDBÖDEN                                                       Bodenschonende Anbau- und Erntemethoden
                                 Unsere Waldböden werden
                                                                26    Bodenversauerung im Wald:
                                 immer saurer. Schuld daran
                                                                      Zu viel Nährstoffe aus der Luft
                                 sind Schadstoffe, welche die
                                 Bäume aus der Luft filtern.    30    Forstwirtschaft:
                                 Die Belastung beeinträchtigt         Bei der Holzernte auch an den Waldboden denken
                                 die Bodenlebewesen im Wald
                                                                31    Kleine Bodenkunde:
                                 und schwächt die Baum-
                                                                      Einblicke in einen verborgenen Lebensraum
                                 wurzeln – Abhilfe tut not.
                                                                37    Partnerschaften:
 26 –29                                                               Mit vereinten Kräften für den Bodenschutz

SPAREN MIT DER CO2-ABGABE                                       39    Schulgärten:
                                                                      Umweltpädagogik im Gemüsebeet
                                 Wer energiebewusst lebt,
                                 hat mehr Geld zur Verfügung,   Weitere Themen
                                 wenn die CO2-Abgabe ein-       41    CO2-Abgabe: Umweltbewusste machen Kasse
                                 geführt wird. Familien mit
                                                                44    Wildtiere: Auf den Spuren der Nachtaktiven
                                 Kindern und ohne eigenes
                                 Auto profitieren am meisten    47    Zivildienst: Mehr Einsätze für Natur und Umwelt
                                 von der Rückverteilung der
                                                                51    Bahnlärm: Güterwagen sollen leiser werden
                                 Lenkungsabgabe.
 41–43                                                          54    Prix Ecosport: Umweltschutz wird zur Sportdisziplin

                                                                Rubriken
AUF SPURENSUCHE                                                  4    Spots
Die in der Schweiz heimischen                                   40    Bodenschutz ONLINE
                                                                56    UMWELT-Urteil
Kleinraubtiere Wiesel, Iltis
                                                                56    UMWELT-Praxis
und Marder sind nachtaktiv
                                                                60    UMWELT-Agenda
und nur schwer zu beobachten.
                                                                61    Neue BUWAL-Publikationen
Nun soll ein Forschungsprojekt
                                                                62    UMWELT-Aktiv
klären, wie sie sich in der
                                                                63    UMWELT-Tipps
heutigen Landschaft zurecht-
finden.                           44–46
                                                                Nächster Schwerpunkt: Umweltbildung
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SPOTS
    Sortenreiner Kunststoff in hoher
    Qualität ist eine Spezialität der
       indischen Rezyklierer (links).
        Eine der unzähligen kleinen
Recyclingfirmen in Entwicklungs-
    und Schwellenländern (rechts).
                                                                                                                                    Thomas Weibel

Gefährlicher Computerschrott
Computer enthalten Kupfer und Gold, die wertvoll und wieder          sie einen interaktiven Elektroschrottführer ins Internet stellt. Die
verwertbar sind, aber zum Teil auch hoch giftige Stoffe wie          Website vereinigt Erfahrungen aus dem Ausland und das Wissen
Schwermetalle. In vielen Entwicklungsländern wird der Elektro-       aus der Schweiz und macht das Know-how für alle verfügbar.
nikschrott unsachgemäss aufbereitet und so zu einer Bedro-           Prof. Dr. Lorenz Hilty, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungs-
hung für Mensch und Umwelt. Die Eidgenössische Material-             anstalt EMPA, Lerchenfeldstrasse 5, 9014 St. Gallen, Tel. 071 274 73 45,
prüfungs- und Forschungsanstalt EMPA bietet nun Hilfe, indem         lorenz.hilty@empa.ch, www.empa.ch, www.ewaste.ch

                                             Energiesparmassnahmen im heissen Spülbad nach Eloxierung (Rero AG, Waldenburg).

                                             Schnell geprüft – viel gespart                  verbrennungsanlage in Basel: Dank der
                                                                                             Analyse der Umwelttechnologen spart
                                             2400 Franken kostet der «QuickScan»             die Anlage nun jährlich rund zwei Mil-
                                             der Fachhochschule beider Basel FHBB.           lionen Franken. Das Angebot wird vom
                                             Die halbtägige Analyse deckt Energie-           BUWAL unterstützt.
                                             sparpotenziale in Firmen auf. Den Ser-
                                             vice anfordern können Unternehmen,              Jürg Walder, Fachhochschule beider Basel,
                                             die ihre Öko-Effizienz steigern und somit       Institut für Umwelttechnik, Fichtenhagstrasse 4,
                                             Geld sparen wollen. Vom «QuickScan»             4132 Muttenz, Tel. 061 467 43 14,
                                             profitierte zum Beispiel die Kehricht-          j.walder@fhbb.ch, www.fhbb.ch/umwelt
FHBB

Fluss auf Umwegen
Die Auswirkungen der Klimaveränderung
machen sich auch im Oberengadin be-
merkbar: Intensivere Niederschläge, die
selbst im Hochgebirge zunehmend als
Regen statt Schnee fallen, führen immer
öfter zu Hochwasser. Um das Dorf Same-
                                                                                                                                                    Homepage

dan besser vor Überschwemmungen zu
schützen, haben Gemeinde und Kanton Zusammenfluss von Flaz und Inn: nach Projektende (rechts) auch eine Bereicherung für die Natur.
eine innovative Lösung gefunden: Der
Fluss Flaz wird verlegt. Nebst Hochwasserschutz soll das Projekt neue Flusslauf wird am 5. Juni 2004 offiziell eröffnet.
auch eine Bereicherung für Natur und Mensch bringen. Es wird Reto Mettler, Bauverwaltung Gemeinde Samedan, 7503 Samedan,
vom Bundesamt für Wasser und Geologie BWG begleitet. Der Tel. 081 851 07 07, bau@samedan.gr.ch, www.flaz.ch

4         UMWELT 2/04 SPOTS
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Ecotour auf Festivals
                      Der Sommer naht und damit auch die Zeit der Festivals. All-
                      zu oft sind diese mit einem riesigen Abfallberg verbunden. In
                                                                                           Gemeinsam für die Natur
                      der Westschweiz geht die Stiftung «Summit Foundation»
                      auch diesen Sommer auf «Ecotour» zu den grössten Festivals.          An der internationalen Messe «Fischen – Jagen – Schiessen»
                      Ziel ist, das Publikum für das Abfallproblem zu sensibilisieren.     von Ende Februar in Bern hat die Sonderschau «Schutznies-
                      Nebst Taschen-Aschenbechern verteilen die Umweltaktivi-              sen» zu den Publikumsmagneten gezählt. Die Botschaft der
                      sten Mini-Abfallsäcke und basteln mit Kindern Abfallobjekte.         BUWAL-Ausstellung lautete: Umweltbehörden, Jagende und
                      Auch das BUWAL setzt sich für die Verringerung des Müll-             Fischende haben sehr oft die gleichen Ziele. Nur gemeinsam
                      bergs bei öffentlichen Veranstaltungen ein. Das Bundesamt            können die beanspruchten Lebensräume so geschützt wer-
                      macht sich für eine schweizweite Anwendung von Mehrweg-              den, dass die Natur auf Dauer erhalten bleibt und Jagd und
                      bechern stark. Diese sind nicht nur beliebt bei Publikum und         Fischerei auch den kommenden Generationen möglich sind.
                      Veranstaltern, sondern lassen sich zudem auf äusserst ökolo-         Der Ausstellungsführer «Schutzniessen» kann kostenlos bestellt werden
                      gische Art reinigen.                                                 (siehe Seite 61).
                      Marie-Amélie Ardiot, Abteilung Abfall, BUWAL, 3003 Bern,
                      Tel. 031 323 03 57, marie-amelie.ardiot@buwal.admin.ch,
                      www.umwelt-schweiz.ch, www.summit-foundation.org

                      Der Hund im Schafspelz
                      Auf Initiative von Schafzüchtern führt das Bündner Amt für
                      Landwirtschaft ein Pilotprojekt zum Schutz von Schafherden
                      durch. Auf drei Alpen werden speziell ausgebildete Hirten-
                      hunde eingesetzt, welche die Schafe vor dem Wolf schützen
                      sollen. Wie Erfahrungen aus dem ersten Pilotjahr zeigen, ist
                      die Zahl der gerissenen Tiere deutlich zurückgegangen. Das
                      Projekt wird 2004 weitergeführt und durch ein Kompetenz-
                      zentrum erweitert, welches den Schafzüchtern mit Rat und
                      Tat zur Seite steht. Die Kosten des Projektes trägt das BUWAL
                                                                                                                                                          BUWAL/page-up
                      gemeinsam mit dem Kanton.
                      Valentin Luzi, Amt für Landwirtschaft, Grabenstrasse 8, 7001 Chur,   Lukas und Tobias Schneider aus Schüpfen BE vor ihrer bevorzugten Land-
                      Tel. 081 257 24 01, valentin.luzi@alsv.gr.ch, www.alsv.gr.ch,        schaft: «Wir möchten auch heuer einen grossen Fisch fangen.»
                      www.herdenschutzzentrum.ch
Herdenschutzzentrum

                                                                                           Wenn die Umwelt krank macht
                                                                                           Menschen, die gesundheitliche Probleme auf Umweltbelas-
                                                                                           tungen zurückführen, haben es schwer, kompetente Bera-
                                                                                           tung zu finden. In einem Pilotprojekt erprobte die Universität
                                                                                           Basel die praktische Durchführbarkeit eines solchen Bera-
                                                                                           tungsangebots. 63 Patientinnen und Patienten wurden me-
                                                                                           dizinisch, psychosomatisch und von der Umweltseite her
                                                                                           untersucht. Die Hälfte dieser Personen ist mit dem Behand-
                                                                                           lungserfolg zufrieden. 82 Prozent empfehlen, die interdis-
                                                                                           ziplinäre Beratung weiterzuführen.
                                                                                           Anke Huss, Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Basel,
                                                                                           Steinengraben 49, 4051 Basel, Tel. 061 270 22 16,
                                                                                           anke.huss@unibas.ch, www.unibas.ch/ispmbs

                                                                                                                                    UMWELT 2/04 SPOTS                 5
BBoo ddeenn sscc hhaattzz BBoo ddeenn sscc hhuuttzz - Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL - Bundesamt für Umwelt
BODENFRUCHTBARKEIT

Nur intakte Böden sichern das Überleben
Böden haben ein Langzeitgedächtnis und erholen sich nur schlecht von Beeinträchtigungen. Deshalb
will der Bodenschutz Schäden durch Verdichtung, Erosion oder Schadstoffe möglichst verhindern.
Auf globaler Ebene ist die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit eine der grössten menschlichen
Herausforderungen. Ein Scheitern hätte den Verlust ganzer Lebensräume zur Folge.

Auf Kosten der Landwirtschaft wächst      Dazu genügt bereits der Raddruck eines       Vorsorge beim Bodenschutz absolut
die Siedlungsfläche in der Schweiz jede   schweren Mähdreschers, wenn die Ern-         zentral.»
Stunde um über 3100 Quadratmeter.         temaschine auf durchnässten Feldern              Mangelndes Know-how und Fehl-
Dies macht inzwischen rund 3000           eingesetzt wird. Das Zusammenpressen         einschätzungen sind die Hauptursa-
Quadratkilometer aus, was ungefähr        der porenreichen Bodenkrümel, die            chen für den zum Teil nach wie vor
der Gesamtfläche der Kantone Genf,        Wassererosion an Hanglagen, die Ver-         sorglosen Umgang mit dem Boden.
Neuenburg, Solothurn, Basel-Land-         sauerung durch zu viel Stickstoff aus            «Viele Nutzer wissen zu wenig über
schaft, Schaffhausen und Nidwalden        der Luft und die Belastung mit Schad-        die Eigenschaften dieses empfindlichen
entspricht. In den grossen Flusstälern    stoffen sind – neben der Versiegelung –      Lebensraums und gehen deshalb von
des Mittellandes, wo die Böden am         die grössten Gefahren, welche unseren        falschen Voraussetzungen aus.» So füh-
fruchtbarsten sind, werden sie durch      Böden drohen. Sowohl auf landwirt-           ren Nachlässigkeit und Unwissen zu
das ausufernde Siedlungswachstum am       schaftlich genutzten Flächen als auch        einer Verschlechterung der Bodenqua-
schnellsten zerstört. «Die Entstehung     im Wald entstehen viele Bodenschäden         lität und damit häufig auch zu Ertrags-
einer fruchtbaren Bodenstruktur kann      im Rahmen der «normalen» Bewirt-             ausfällen.
Jahrtausende dauern – vernichtet ist      schaftung (vgl. Seite 24).
sie im Extremfall in wenigen Sekun-                                                    Dramatische Folgen in der Dritten Welt
den», erklärt Jürg Zihler, Leiter der     Vorsorge ist zentral                         Die schleichende Bodenzerstörung hat
BUWAL-Sektion Boden und allgemeine        «Im Gegensatz zur Luft oder zu den           vor allem in den Entwicklungsländern
Biologie (vgl. S. 34).                    Fliessgewässern, die sich permanent er-      dramatische Folgen, weil hier die Mehr-
                                          neuern, hat der Boden ein Langzeitge-        heit der Bevölkerung unmittelbar von
Bodenschäden durch die Nutzung            dächtnis», stellt Jürg Zihler fest. «Stark   der Landwirtschaft lebt. «Jedes Jahr
Um einen fruchtbaren Boden zu ruinie-     beeinträchtigte Böden sind oft auf Jahr-     werden weltweit sechs Millionen Hek-
ren, braucht es keine Strassenwalze.      zehnte hinaus zerstört. Deshalb ist die      taren an bebaubarem Land durch Wüs-

                                                                                                                                 Ruth Schürmann

6     UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ
BBoo ddeenn sscc hhaattzz BBoo ddeenn sscc hhuuttzz - Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL - Bundesamt für Umwelt
tenbildung, abnehmende Bodenqua-                als Lebensraum nutzen lassen. Es ge-             Die eigenen Probleme lösen
                 lität und sinkende landwirtschaftliche          nügt aber nicht, die Nahrungsmittel-             «Das nötige Engagement im Ausland
                 Produktivität vernichtet», warnt UNO-           produktion mit bodenschonenden An-               befreit uns jedoch nicht von der Auf-
                 Generalsekretär Kofi Annan. «135                bautechniken auf dem heutigen Niveau             gabe, unsere eigenen Probleme zu
                 Millionen Menschen, die mit der Land-           zu halten. Vielmehr fordert die Welt-            lösen», meint Jürg Zihler. «Es ist mora-
                 wirtschaft ihren Lebensunterhalt ver-           ernährungsorganisation FAO in den                lisch nicht vertretbar, unsere Böden zu
                 dienen, müssen damit rechnen, um-               nächsten 25 Jahren eine Verdoppelung             Grunde gehen zu lassen und die fehlen-
                 gesiedelt zu werden.»                           der Ernten, um die wachsende Welt-               den Nahrungsmittel dann zu impor-
                     Laut Angaben der UNO erstreckt sich         bevölkerung ernähren zu können.                  tieren. Damit würden sich bloss die
                 die vom Menschen verursachte welt-                  Die schweizerische Entwicklungs-             Bodenschäden in andern Ländern ver-
                 weite Bodendegradation inzwischen               zusammenarbeit stellt sich dieser Her-           schärfen.» Zusätzliche Einfuhren ver-
                 über nahezu zwei Milliarden Hektaren,           ausforderung und engagiert sich im Sü-           ursachen ausserdem als Folge des
                 was der doppelten Gesamtfläche Euro-            den mit einer Vielzahl von Projekten             erhöhten Transportbedarfs noch mehr
                 pas entspricht. Überweidung, nicht              für eine bodenschonende Landwirt-                Umweltprobleme.
                 standortgerechte Anbausysteme, ver-             schaft. Gefördert wird dabei auch der                Bodenschutz ist weit mehr als die
                 kürzte Brachzeiten, der Verlust einer           Erfahrungsaustausch. Ein exemplari-              langfristige Erhaltung der Ernährungs-
                 permanenten Pflanzendecke sowie die             sches Projekt ist das von der Universität        grundlage. «Unsere Böden dienen nicht
                 Zerstörung von Wäldern und Feucht-              Bern initiierte Netzwerk WOCAT. Es               nur der Produktion, sondern überneh-
                 gebieten sind die Hauptgründe der Bo-           sammelt systematisch Informationen               men auch wichtige Funktionen im
                 denzerstörung. Das Problem der fort-            aus aller Welt über Technologien für             Naturhaushalt», erklärt Jürg Zihler, «so
                 schreitenden Wüstenbildung betrifft             eine nachhaltige Nutzung der Boden-              zum Beispiel als unverzichtbare Wasser-
                 schon 1,2 Milliarden Personen oder rund         und Wasserressourcen. Das entspre-               speicher, Trinkwasserfilter, Verwerter
                 einen Fünftel der Weltbevölkerung.              chende Know-how steht allen Interes-             organischer Abfälle und Klimafaktor.»
                                                                 sierten im Internet zur Verfügung. Mit                                             Beat Jordi
                                 Bodenschutz ist                 der globalen Verbreitung geeigneter
            LINKS                                                                                                INFOS
                                 eine Existenzfrage              Ansätze zur Bodenkonservierung will
                 www.wocat.net
                 www.sowap.org
                 www.unccd.int

                                 In vielen Staaten der Dritten   WOCAT vor allem in Entwicklungslän-             Jürg Zihler
                                 Welt entscheiden Massnah-       dern die Umsetzung bodenschonender              Chef der Sektion Boden
                                 men für den Bodenschutz         Techniken in die landwirtschaftliche            und allgemeine Biologie, BUWAL
                                 darüber, ob sich ganze Regio-   Praxis fördern und damit die Ernäh-             Tel. 031 322 93 52
                                 nen künftig überhaupt noch      rungssicherheit verbessern helfen.              juerg.zihler@buwal.admin.ch
BUWAL/Docuphot

                                                                   Der Aufbau eines fruchtbaren Bodens dauert Jahrhunderte – zerstört ist er in wenigen Sekunden:
                                                                   Staunässe als Folge der Bodenverdichtung in einem geschädigten Acker.

                                                                                                                            UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ            7
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BAUBEGLEITUNG

Ein Anwalt des Bodens auf der Baustelle
Jede Baustelle ist ein massiver Eingriff ins natürliche Gefüge des über Jahrtausende gewachsenen
Bodens. Bei Grossprojekten sollen spezialisierte Baubegleiter diese negativen Folgen deshalb mög-
lichst in Grenzen halten. Nur so kann der Boden seine vielfältigen Funktionen nach einer Erholungs-
phase wieder wahrnehmen. UMWELT hat den Fachmann Werner Rohr bei seiner Arbeit begleitet.

Auf dem offenen Acker zwischen Her-        Beobachtung. Zweimal jährlich findet         wieder aufgebaut werden muss», betont
zogenbuchsee und Langenthal im             eine Begehung statt. Daran nimmt ne-         Rohr.
bernischen Oberaargau erinnert kaum        ben dem Baubegleiter auch der Land-
etwas an die gigantische Tagbaustelle      wirt Urs Ryf teil. Er vertritt die von der   «Matratze» schützt vor Verdichtung
der «Bahn 2000», die hier noch im          Grossbaustelle betroffenen Bauern, die       Eine erste Massnahme schlägt Rohr be-
Frühjahr 2002 eine tiefe Schneise in die   sich hier in einer Pflegegemeinschaft        reits auf der Zufahrtsstrasse vor: «Hier
Landschaft schnitt. Für die SBB-Neu-       zusammengeschlossen haben. Mit von           braucht es ein Plastikband als Ab-
baustrecke zwischen Bern und Olten                                                        schrankung, damit niemand die Stras-
mussten 1,2 Millionen Kubikmeter
Aushub bewegt werden. Inzwischen
weist nur noch ein feines Zittern des
Bodens auf die acht Meter unter der
                                           [   BODEN IST EIN KOMPLEXES,
                                                   BELEBTES GANZES                  ]     se verlässt, den frischen Boden befährt
                                                                                          und diesen damit verdichtet.» Tat-
                                                                                          sächlich haben bereits Fahrzeuge auf
                                                                                          offenem Feld gewendet, wie die zenti-
Erdoberfläche verkehrenden Züge hin.       der Partie ist auch Ernst Schneider, der     metertiefen Rillen beweisen. «Werden
                                           die Bodenbearbeitung im Lohnauftrag          diese tiefen Fahrspuren erneut mit Erde
Jahrelange Nachbetreuung                   ausführt.                                    gefüllt, ohne den Boden vorher zu
«Mit dem Abschluss der Bauarbeiten ist         Zwar hat man den Unterboden wäh-         lockern, sammelt sich darin Wasser,
die Arbeit für uns allerdings noch lange   rend der Bauphase getrennt vom darü-         und der Boden verdichtet noch stärker
nicht zu Ende», erklärt der Bodenspezi-    ber liegenden Humus entfernt, korrekt        – ein Teufelskreis», erklärt Werner Rohr.
alist Werner Rohr vor Ort. Acht Jahre      zwischengelagert und nach dem Tun-           Urs Ryf und Ernst Schneider merken
lang bleibt die rekultivierte Fläche auf   nelbau wieder aufgetragen. «Doch der         sich die Anweisungen des Spezialisten
dem ehemaligen Baugelände während          Boden ist eine komplexe, belebte Mate-       und werden in den nächsten Wochen
der Folgebewirtschaftung noch unter        rie, die nach solchen Eingriffen erst        die notwendigen Arbeiten ausführen.

8     UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ
BBoo ddeenn sscc hhaattzz BBoo ddeenn sscc hhuuttzz - Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL - Bundesamt für Umwelt
Ortsbesichtigung auf dem rekultivierten Gelände des im Tagbau erstellten Tunnels
    Wichtigste Themen beim Boden-
                                                            für die «Bahn 2000» bei Thunstetten BE: Baubegleiter Werner Rohr, der Landwirt
schutz auf Baustellen sind der korrekte                     Urs Ryf und Lohnunternehmer Ernst Schneider (v. l. n. r.) besprechen die Folge-
Abtrag, die Zwischenlagerung und der                        bewirtschaftung der landwirtschaftlich genutzten Flächen. Tief wurzelnde Pflan-
Neuaufbau des Bodens mit den richti-                        zen – wie die Luzerne – helfen dem Boden, sich vom massiven Eingriff zu erholen.
gen Maschinen sowie der Schutz vor
Verdichtung. Schon bei der Planung
wird der Baubegleiter einbezogen, um
die beanspruchten Flächen möglichst
klein zu halten, die verschiedenen Bo-
denqualitäten fachkundig zu trennen
und später wieder natürlich einzufü-
gen. Um beim Bauen den Einsatz ange-
passter Maschinen zu gewährleisten,
benötigt der Fachmann eine Liste der
eingesetzten Geräte. Zudem schreibt
Rohr vor, dass etwa Bagger auf so ge-
nannten Matratzen – einer Holzunter-
lage aus 30 Zentimeter dicken Balken –
arbeiten müssen, was den Boden vor
unnötigem Druck schützt.

Stufenweise Bodennutzung
                                                       Alle Fotos: Patrick Lüthy
Um den nach Abschluss der Rekultivie-
rung noch lockeren Boden möglichst        kulturen konkurrenzieren. Haben die              einen weiteren Favoriten zieht er etwas
zu schonen, erfolgt die erste Aussaat     Rübsen den Boden stabilisiert, folgt die         Rotklee aus der feuchten Erde, der den
von Hand. Gesät wird zum Beispiel         erste maschinelle Aussaat mit einer              neu aufgebauten Boden mit Stickstoff
Rübsen, eine winterharte tief wurzeln-    nutzbaren Mischung aus Luzerne, Klee             anreichert. Erst ab dem vierten Jahr
de Ölpflanze, die den ungeschützten       und Gras. «Die Luzerne ist eine phäno-           sind Getreidepflanzen – nicht aber
Boden dicht überwächst und so ver-        menale Pflanze mit Pfahlwurzeln, die             Hackfrüchte wie etwa Kartoffeln – zu-
hindert, dass sich unerwünschte Wild-     mehrere Meter ins Erdreich vordrin-              gelassen. «Es braucht Zeit, bis das na-
kräuter breit machen und spätere Nutz-    gen», schwärmt der Bauer Urs Ryf. Als            türliche Bodengefüge wieder aufgebaut

                                                                                                       UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ            9
BBoo ddeenn sscc hhaattzz BBoo ddeenn sscc hhuuttzz - Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL - Bundesamt für Umwelt
Das Gewicht der schweren Baumaschinen kann die Böden verdichten und ihre Fruchtbar-
                                   keit zerstören. Um dies möglichst zu verhindern, ordnet der Baubegleiter vorsorgliche
                                   Schutzmassnahmen an. So verteilen etwa Holzbalken als Unterlage den Druck auf eine
                                   grössere Fläche. Pneufahrzeuge verkehren nur auf befestigten Flächen.

                                   Patrick Lüthy

                                                   maschinell aus, bilden sich Fahrspuren, wird das rund 150 Jahre alte oberir-
                                                   die Werner Rohr hier gleich mehrfach dische Trassee inzwischen nicht mehr
                                                   entdeckt. Dabei gäbe es durchaus Alter- benötigt. Es ist eher ungewöhnlich,
                                                   nativen zu herkömmlichen Traktoren: dass eine Gemeinde plötzlich Land zu-
                                                   Fahrzeuge mit Doppelrädern oder mit rückerhält, statt Boden abtreten zu
                                                   Breitreifen, deren Luftdruck sich auf müssen. Weil man das ursprüngliche
                                                   dem Acker absenken lässt, was den Projekt einer Umfahrungsstrasse nicht
                                                   Druck auf die frische Erde reduziert. weiter verfolgt hat und das Geld für
                                                   «Wer zu früh auf viel Ertrag setzt und einen vollständigen Rückbau des Bahn-
ist», erklärt der Landwirt. Für die Min-           damit auf schlagkräftigen

                                                                               [
dererträge wird er von der SBB ent-                Maschineneinsatz, erlebt

                                                                                                                            ]
                                                                                     WER ZU FRÜH AUF VIEL ERTRAG
schädigt.                                          je nach rekultivierter Bau-
                                                                                           SETZT, KANN BÖSE
                                                   stelle böse Überraschun-
                                                                                      ÜBERRASCHUNGEN ERLEBEN
Übereifer zahlt sich nicht aus                     gen»,     erklärt  Werner
Was auf dem Papier relativ unkompli-               Rohr. In diesem Fall kann
ziert aussieht, ist in der Praxis nicht im-        der Bauherr die Entschädigungszahlun- damms fehlt, betreiben die SBB und die
mer einfach umzusetzen. So sind ein-               gen – zum Nachteil für den übereifrigen Standortgemeinde Thunstetten BE im
zelne Ackerflächen noch übersät von                Landwirt – einstellen oder vom Folge- konkreten Fall nur einen minimalen
Steinen, die von Hand ausgelesen wer-              bewirtschaftungsvertrag zurücktreten.   Aufwand. Entfernt werden Schienen,
den müssen – andernfalls nehmen die                                                        Schwellen und Schotter sowie zehn
Maschinen Schaden. Hält sich ein Bau-              Renaturierung des alten Bahndamms       Zentimeter der obersten Humusdecke.
er nicht an die Vorgabe und sät zu früh            Durch die Neubaustrecke der Bahn 2000 Diese ist mit dem Schwermetall Kupfer

10      UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ
Krümelstruktur
 erhalten
 Die oberste Schicht eines natürlichen
 Bodens besteht nicht einfach aus Erde,
 sondern aus fein strukturierten Krümeln.
 Dieser Aufbau ist das Resultat eines Jahr-
 tausende dauernden Prozesses, zu dem
 Bodenlebewesen wie Pilze, Bakterien,
 Algen und Regenwürmer beitragen.
 Auch Pflanzenwurzeln scheiden Stoffe
 aus, die Feinsand, Schluff und Ton zu
 Krümeln verkleben. Die porenreiche
 Krümelstruktur fördert die Versickerung
 und ist ein idealer Wasserspeicher. Des-
 halb werden Ober- und Unterboden bei
 Erdbewegungen getrennt abgetragen.
 Damit der biologisch sehr aktive Ober-
 boden ausreichend mit Sauerstoff ver-
 sorgt ist, wird er in niedrigen Depots
 zwischengelagert. Um jegliche Boden-
 verdichtung zu vermeiden und die Krü-            Umfassende Erneuerung des Golfplatzes in Unterseen BE: Für den Bau eines über 3000 Quadrat-
 melstruktur zu erhalten, darf der lockere        meter grossen Sees müssen 20 000 Kubikmeter Erde entfernt und neu gelagert werden.
 Boden erst einige Jahre nach einer
 Rekultivierung wieder mit normalen
 landwirtschaftlichen Maschinen befah-            belastet, das während Jahrzehnten              bei nasser Witterung auch die Bagger
 ren werden.                                      in feinsten Partikeln von der Ober-            – auf einer speziell angelegten 250
                                                  leitung abgeschliffen wurde. Nach              Meter langen Baupiste, die bis zur
                                                  Beendigung der Arbeiten entstehen              nächsten asphaltierten Strasse führt.
                                                  hier Wald, Wiesen, Äcker und Ruderal-          Direkt auf dem Rasen liegt eine Tex-
                                                  flächen, die sich später allenfalls ge-        tilabdeckung und darüber eine 50
                                                  werblich nutzen lassen.                        Zentimeter dicke Kiesschicht. «Damit
                                                                                                 verteilt sich der Druck der Fahrzeuge
                                                  Erdbewegungen für einen Golfplatz              besser, und der Boden nimmt nur we-
                                                  Auch in Unterseen am Ostufer des               nig Schaden», erläutert der Golfplatz-
                                                  Thunersees ist Werner Rohr als Bau-            Architekt. Wo der Boden wegkommt,
                                                  begleiter auf einer Grossbaustelle en-         wird in Zentimeterarbeit zuerst die
                                                  gagiert. Hier arbeitet der schottische         Grasnarbe entfernt oder zum Teil
                                                  Golfplatz-Architekt John Chilver-              auch ziegelförmig ausgestochen und
                                                  Stainer an einer Anpassung der be-             zur Begrünung der neuen Flächen
                                                  reits 1966 erbauten Golfanlage an              eingesetzt. Sowohl den humusrei-
                                                  moderne Freizeitbedürfnisse. Neu               chen Oberboden als auch den Unter-
                                                  entsteht ein über 3000 Quadratmeter            boden und den Untergrund des künf-
                                                  grosser See. Dazu müssen 20 000 Ku-            tigen Sees lagern die Bautrupps auf
                                                  bikmeter Erde entfernt und neu gela-           sauber getrennten niedrigen Längs-
                                                  gert werden. Hinzu kommen Baum-                depots ab. «Das meiste Bodenmate-
                                                  fällungen und das Aufschütten und              rial verwenden wir auf dem Platz
                                                  Modellieren neuer Abschläge und                selbst, sei es als Lärmschutzwall ge-
                                                  Hindernisse.                                   gen die Umfahrungsstrasse oder für
Der Baubegleiter Werner Rohr und sein Element:        Zum Schutz des Bodens vor Ver-             die neu gestalteten Hügel», erklärt
Arbeit im Dienste einer gesunden Bodenstruktur.   dichtung rollen die Lastwagen – und            John Chilver-Stainer.

                                                                                                        UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ          11
Guter Boden verlängert die Spielzeit
   Weil der 44 Hektaren grosse Platz be-
   reits 2004 wieder bespielt werden soll,
   wurde auch im Winter gearbeitet.
   Umso wichtiger ist eine sorgfältige
   Planung in enger Absprache mit dem
   Baubegleiter. Selbstverständlich kann
   Werner Rohr nicht permanent vor Ort
   sein. Um das Geschehen dennoch kont-
   rollieren zu können, erhält er per Fax
   täglich ein so genanntes Entscheidblatt
   für sämtliche Bauarbeiten im Bodenbe-
   reich. Darauf finden sich die aktuellen
   Messergebnisse der Tensiometer, die auf
   allen grösseren Baustellen zur Messung
   der Bodenfeuchtigkeit im Einsatz ste-
   hen. Diese Angaben erteilen Auskunft
   über die Belastbarkeit des Bodens.
       Daneben beschreibt der Bauleiter
   die vorgesehenen Arbeiten. Beurteilt
   Werner Rohr das Risiko für den Boden
   als zu hoch, so greift er zum Telefon-
   hörer. «Wir sind nicht nur aus Umwelt-
   gründen daran interessiert, sorgfältig
   mit dem Boden umzugehen», betont
   John Chilver-Stainer. Es gehe dabei
   auch um die Eigeninteressen des Golf-
   clubs als Platzbesitzer. Nur ein trocke-
   ner Platz kann nämlich gut bespielt
   werden. Ist der Boden hingegen ver-
   dichtet, versickert der Regen schlecht,               Alle Bilder: BUWAL/E. Ammon AURA

   sodass die Anlage länger gesperrt blei-
                                                         Zur Schonung des Bodens fahren die Baumaschinen in Unterseen BE auf einer speziell
   ben muss. Zwar erfordere die genaue
                                                         angelegten Kiespiste, die bis zur nächsten Strasse führt (oben links). Bei der Lagerung des
   Materialtrennung mehr Aufmerksam-                     Bodenmaterials werden unterschiedliche Qualitäten – wie der humusreiche Oberboden
   keit und eine gute Organisation, doch                 oder der mineralische Untergrund – sauber voneinander getrennt und separat gelagert.
   die Mehrkosten hielten sich in engen
   Grenzen, meint der Bauleiter.
                                               der Beizug einer Fachkraft für den Bo-           Kurse. Die fachliche Aufsicht über-
  Beratung mit Fingerspitzengefühl             denschutz bei allen grösseren Bauvor-            nimmt im Auftrag des BUWAL die Bo-
  «Die Bauwirtschaft ist an einer engen        haben praktisch die Regel. Neben dem             denkundliche Gesellschaft der Schweiz
  Zusammenarbeit mit den Baubeglei-            technischen Wissen bedingt die Aufga-            BGS, die auf ihrer Website www.soil.ch
             tern interessiert, denn die-      be auch eine gute Portion Sozialkom-             auch eine Liste kompetenter Baubeglei-
             se treten als Berater und         petenz. Auf Baustellen wird oft unter            ter veröffentlicht. Die Bauwirtschaft
  LINKS nicht als Polizisten auf»,             Zeitdruck gearbeitet. In dieser Situa-           und die kantonalen Bodenschutz-
              www.soil.ch
       www.baumeister.ch
  www.sanu.ch/boden.html

> Umweltschutzvorschriften

             erläutert Jean-Pierre Clé-        tion muss der Baubegleiter den richti-           fachstellen arbeiten eng mit ihr zusam-
             ment von der Sektion              gen Ton finden, um die Anliegen des              men. «Diese Kooperation bietet Ge-
             Boden und allgemeine Bio-         Bodenschutzes durchsetzen zu kön-                währ, dass die Baubranche auch
             logie beim BUWAL. Seit der        nen. Das erforderliche Know-how ver-             künftig auf fähige Bodenschutzberater
             Revision der Verordnung           mittelt zum Beispiel die auf Umwelt-             zählen kann», meint Jean-Pierre Clé-
             über die Belastungen des          berufe spezialisierte Ausbildungsstätte          ment.
             Bodens VBBo von 1998 ist          SANU in Biel im Rahmen spezifischer                                         Pieter Poldervaart

   12                UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ
Die ausgestochenen Rasenziegel dienen später zur Begrünung der neuen Aufschüttun-
                                                                                          INFOS
gen (oben). Dank den installierten Tensiometern (unten rechts) kann die Bodenfeuchtig-
                                                                                          Jean-Pierre Clément
keit bestimmt und so die jeweilige Belastbarkeit der zu bearbeitenden Flächen ermittelt
werden.                                                                                   Sektion Boden und
                                                                                          allgemeine Biologie, BUWAL
                                                                                          Tel. 031 322 68 67
Tipps für den Bodenschutz                                                                 jean-pierre.clement@buwal.admin.ch

Verantwortlich für den Schutz des Bodens beim Bau von Golfplätzen sind
                                                                                          LeSetIppS
die Kantone. Um jedoch 26 Anweisungen mehr oder weniger gleichen                          ·   Bodenschutz beim Bauen. BUWAL, Reihe Leitfa-
Inhalts zu vermeiden, haben verschiedene Kantone gemeinsam das                                den Umwelt, 2001, 83 Seiten, Preis: CHF 15.–,
Merkblatt «Bodenschutz beim Bau von Golfanlagen» erarbeitet.                                  Bestellnummer: LFU-10-D
Bezug: www.umwelt-schweiz.ch/boden                                                        ·   Wegleitung Verwertung von ausgehobenem
                                                                                              Boden. BUWAL, Reihe Vollzug Umwelt, 2001,
Auf grossen Baustellen des Bundes sind oft archäologische Notgrabun-                          20 Seiten, Bestellnummer: VU-4812-D
gen erforderlich. Dabei kamen die Anliegen des Bodenschutzes nach                         ·   Bodenschutz auf der Baustelle. BUWAL, Leporello
Meinung von Baufachleuten bisher oftmals zu kurz – meist aus Mangel                           und Video, 1999, Bestellnummer: DIV-4803-D
an entsprechendem Know-how. Deshalb hat das BUWAL kürzlich das                            Bezug aller Publikationen: BUWAL,
Merkblatt «Archäologie und Bodenschutz» herausgegeben. Die Publika-                       Dokumentation, 3003 Bern, Fax 031 324 02 16,
tion ist erhältlich bei: www.buwalshop.ch, Bestellnummer: VU-4815-D.                      docu@buwal.admin.ch, www.buwalshop.ch

                                                                                                       UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ            13
RAUMPLANUNG

Der          Schutz der besten
                 Standorte gewinnt an Boden
Die Raumplanung hat dem Bodenschutz lange zu wenig Beachtung geschenkt. In Zukunft muss sich
die Landnutzung stärker nach der Bodenqualität richten. Nur so lassen sich die fruchtbaren Böden
und wertvollen Naturstandorte langfristig erhalten und dauerhafte Bodenschäden vermeiden. Der
Kanton Basel-Landschaft ist ein Wegbereiter dieses planerischen Bodenschutzes.

Im intensiv genutzten Mittelland und        vorsorglichen Bodenschutzes im Rah-              Bei Gebieten ohne Raster ist kein
in den Talebenen, wo die Äcker am           men der Raumplanung sensibilisiert.          eindeutiger Entwicklungstrend vorge-
fruchtbarsten sind, ist der Druck auf                                                    geben. Hier können allenfalls Erho-
die Böden am stärksten. Industrie-          Vorbildfunktion des Kantons Baselland        lungsanlagen und Einrichtungen für
und Dienstleistungsunternehmen, aber        Etwa die Hälfte der Kantone bemüht           die bodenunabhängige Landwirtschaft
auch die Infrastrukturanlagen der öf-       sich jetzt um die Qualitätserhaltung.        entstehen oder Aufwertungsmassnah-
fentlichen Hand wetteifern mit der          Beispielhaft tut dies der Kanton Basel-      men für die Natur greifen.
Landwirtschaft um die Gunstlagen. So        land. Zurzeit ist ein Richtplan in Arbeit,       Unterschiedlich gerasterte Flächen
verschwinden beste Ackerböden unter         der die Qualität und das Entwicklungs-       im Richtplanentwurf stehen für drei
Lagerhallen, und an den begehrten           potenzial der Böden mitberücksichtigt.       Kategorien von Vorrangnutzungen:
Südhängen müssen immer mehr wert-           So wird das Land ausserhalb der Bau-         • Die Vorranggebiete Boden wollen
volle Magerwiesen neuen Wohnbauten          zonen und des Waldes nicht mehr nach            der Landwirtschaft die tiefgründi-
weichen. Die vom Landverschleiss be-        traditioneller Art grossflächig in Land-        gen, fruchtbaren, gut zu bearbeiten-
drängten Bauern dehnen ihre Intensiv-       wirtschafts- und Freihaltegebiete aufge-        den und wenig belasteten Böden
produktion vermehrt auf Trocken-                                                            sichern. Diese Flächen sollen weder
hänge und Feuchtgebiete aus, die
besser der Natur vorbehalten blie-
ben.
                                       [             IN ZUKUNFT SOLL
                                                  DER BODEN IN SEINER
                                                 GANZEN TIEFE ZÄHLEN
                                                                                         ]  als Bauzonen noch für Masthallen
                                                                                            und Gewächshäuser der bodenun-
                                                                                            abhängigen Landwirtschaft bean-
                                                                                            sprucht werden.
Auch die Bodenqualität schützen             teilt. Vielmehr ist die offene Landschaft    • Die Vorranggebiete Natur sollen
«Bis heute hat die Raumplanung diese        mit einem Mosaik aus verschiedenen              Trockenstandorte und Feuchtgebiete
wenig nachhaltige Bodennutzung lei-         Rastern überzogen, die dem Boden eine           – also Magerwiesen, Extensivweiden
der nicht verhindert», erklärt Jürg Zih-    vorrangige Nutzung zuordnen.                    und Amphibienbiotope – vor ande-
ler vom BUWAL. Die Qualität und                 «Der Bodenschutz darf sich nicht            ren Nutzungsinteressen schützen.
Funktion der Böden fanden bei planeri-      auf die Schadstoffproblematik be-               Dies können Naturschutzgebiete
schen Entscheiden nämlich kaum Be-          schränken, denn viele Bodenprobleme             sein, aber auch von Bauern bewirt-
achtung. «In Zukunft sollen nicht nur       ergeben sich aus Nutzungskonflikten»,           schaftete inventarisierte Objekte.
die Quadratmeter zählen, sondern auch       erklärt Roland Bono, Leiter der kan-         • Die Vorranggebiete Landschaft be-
die Kubikmeter, also der Boden in sei-      tonalen Bodenschutz-Fachstelle. «Wir            zeichnen ästhetisch hochwertige,
ner ganzen Tiefe.» Nur so lässt sich ver-   müssen unser Wissen über die Emp-               kleinräumig gegliederte sowie re-
hindern, dass wertvolle Böden weiter-       findlichkeit und Belastbarkeit der Bö-          gionaltypische Gegenden, deren
hin Schaden nehmen. Das BUWAL hat           den in die Raumplanung einfliessen              Qualität man erhalten und fördern
die Kantonsbehörden in jüngster Zeit        lassen, sonst haben wir bald keine zu           will.
verschiedentlich für das Anliegen des       schützenden Böden mehr.»
                                                                                                                   Fortsetzung Seite 17

14       UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ
Am Anfang steht der Stein
Die Geschichte jedes Bodens beginnt mit
dem Ausgangsgestein. Wie mächtig und
                                                                                        Streuschicht
fruchtbar er ist, entscheidet sich deshalb
im Untergrund. Ob Kalk oder Granit, Ur-
                                                                                        A-Horizont
gestein oder Sediment, Gletscher- oder
Flussablagerung – je nachdem sind die
Weichen anders gestellt. Spezielle Boden-
karten dokumentieren diese Vielfalt.
                                                                                        B-Horizont
   Im Mittelland bilden meist Ablagerun-
gen der Gletscher und Flüsse das Aus-
gangsmaterial. Die Entwicklung nahm
ihren Anfang mit den ersten hoch speziali-
sierten Pflanzenarten, die auf dem nackten
Schotter Wurzeln schlagen konnten.
Gleichzeitig begann das von der Eisdecke
befreite Gestein zu verwittern. Boden                                                   C-Horizont
wächst also von oben und von unten.
   Im Bodenprofil unterscheidet man
grundsätzlich vier Horizonte:                                                                                                             Ruth Schürmann
• Die oberste Streuschicht besteht aus       Jeder Boden besteht aus vier Horizonten – von der obersten Streuschicht aus totem pflanzlichem
   totem pflanzlichem Material in begin-     Material bis zum steinigen Untergrund (oben).
   nender Zersetzung.
• Darunter liegt der humose Oberboden        Im Kanton Baselland gibt die Bodenkarte (unten) Auskunft über die unterschiedlichen Standort-
   – oder A-Horizont –, in dem das           eigenschaften und Bodenqualitäten. Aus den Farben und Buchstabenfolgen in den Feldern lassen
   Bodenleben den grössten Teil der          sich Informationen über den Wasserhaushalt, den Bodentyp sowie die Mächtigkeit, Zusammen-
   Abbauarbeit leistet.                      setzung und Geländeform der jeweiligen Standorte ablesen – hier am Beispiel eines Ausschnitts in
• Der mineralienreiche Unterboden wird       der Gemeinde Aesch BL.
   als B-Horizont bezeichnet.
• Unter ihm liegt der steinige Unter-
   grund oder C-Horizont.

   Grundbausteine eines lebendigen Bo-
dens sind die Krümel. Es handelt sich
dabei um komplizierte Aggregate aus
Ton-Humus-Komplexen im Oberboden.
Diese werden durch Bakterien- und Al-
genschleim, das Geflecht der Pilze sowie
chemisch-physikalische Kräfte zusammen-
gehalten. Die Oberfläche der Krümel ist
enorm und kann pro Hektare insgesamt
500 000 Quadratkilometer erreichen. An
dieser Grenzschicht spielen sich die bio-
logischen und chemischen Prozesse im
Boden ab.
   Die Bildung der Ton-Humus-Komplexe
dauert 10 bis 50 Jahre. Dagegen sind die
B-Horizonte der hiesigen Böden 100 bis
10 000 Jahre alt.
                                                                                                                  Landwirtschaftliches Zentrum Ebenrain BL

                                                                                                       UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ                      15
Richtplanausschnitt,                                                                1
verwaltungsinterner
Entwurf, in Diskussion.

1 Braun-getreifte Flächen
gehören zu den
Vorranggebieten Boden,
sind also tiefgründige,
                                    3
fruchtbare Böden.

2 Grün-karierte Flächen
bezeichnen die Vorranggebiete
                                        2
Natur, also etwa Trockenstandorte
und Feuchtgebiete.

3 Grün-gestreifte Flächen
sind Vorranggebiete Landschaft
und bezeichnen ästhetisch hoch-
wertige, kleinräumig gegliederte
sowie regionaltypische Standorte.

16        UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ           Luftaufnahme des Bundesamtes für Landestopografie vom 24.4.2000, Luftbildarchiv FD/KSL/Fluglinie 013 272, Bild Nr. 5275
Am Anfang stand die Bodenkarte           Einerseits sind gewisse Diffe- des Bodenschutzes tut das weh»,
Für die Festlegung der besonders renzierungen der Bodenschutz- kommentiert Roland Bono. «Aber
schützenswerten Böden konnten karte erst auf der Ebene der Zonen- es ist eine Realität, dass dies unter
sich die Planer in Baselland auf planung in der Gemeinde relevant. bestimmten Bedingungen gesetz-
eine Erhebung der Bodeneigen- Andererseits wählte der Kanton mässig erlaubt ist. Wir müssen
schaften     im     Landwirt-                                                       deshalb gute Grundlagen

                             [
schaftsgebiet stützen. Die                                                          liefern für die letztlich

                                                                              ]
                                          UNTERSCHIEDLICHE
daraus abgeleitete Karte der                                                        politische Interessenab-
                                   NUTZUNGSINTERESSEN PRALLEN
besonders schutzwürdigen                                                            wägung.»
Flächen weist beispielsweise                   AUFEINANDER                               Besonders brisant ist
Böden aus, die spezielle                                                            die Forderung bei den
Standorteigenschaften für die Bio- mehrere Stufen bis zum Richtplan. hervorragenden Lössböden in
topentwicklung haben. Erfasst sind Vorerst erarbeitete die Verwaltung Stadtnähe. Interessenkonflikte er-
auch     Bodenformationen,      die auf Grund der diversen land- geben sich aber auch, wenn auf
wegen ihrer Seltenheit zu schützen schaftsbezogenen Vorgaben ein Fruchtfolgeflächen Golfplätze oder
sind. Zudem haben die Behörden Landschaftsentwicklungskonzept.             andere Freizeitanlagen entstehen
Böden mit hoher Verdichtungs-             Danach entstand ein Konzept sollen. Letztlich wird das kantona-
empfindlichkeit oder Erosions- der räumlichen Entwicklung, das le Parlament entscheiden müssen,
gefährdung bezeichnet und die be- sämtliche Nutzungsinteressen – ob man auf besten Böden künftig
sondere Eignung für Ackerbau oder also auch Mobilität, Siedlungsbau, spielen oder produzieren will.
Grünlandnutzung festgehalten.        Erholungsnutzung, Deponien und
                                     weitere – einbezieht. Dieses Kon-       Beatrix Mühlethaler
Verknüpfung mit                      zept lieferte die verbindlichen Leit-
anderen Interessen                   linien für den Richtplanentwurf,
Diese Grundlage hat nicht voll- dem nun ein ausführliches Ver- LeSetIpp
ständig Eingang in den Richtplan- nehmlassungsverfahren bevorsteht. Konzept räumliche Entwicklung
entwurf gefunden. «Der Boden-                                              Kanton Basel-Landschaft (KORE).
schutz kann nicht erwarten, dass Ringen um den Boden                       Bezug: Amt für Raumplanung BL,
die Raumplanung besondere Bo- Zwangsläufig prallen die Nut- 4410 Liestal, Tel. 061 925 59 33,
denschutzgebiete definiert», meint zungsinteressen bei der Bodenpla- www.baselland.ch
Roland Bono dazu. «Wir versuchen nung hart aufeinander, sodass Auskunft: Martin Huber
vielmehr, die Bodenschutzinte- Kompromisse unumgänglich sind.
           ressen mit anderen Be- Dabei erleidet auch der Boden- INFOS
 LINK dürfnissen zu verknüp- schutz Abstriche. So akzeptieren Roland Bono
           fen. So können etwa bäuerliche Kreise zum Beispiel Amt für Umweltschutz
      www.bl.ch/boden

           besonders erosionsan- nicht, dass die fruchtbarsten Bö- und Energie BL
           fällige Böden Anlass für den der bodenabhängigen Land- Tel. 061 925 61 11
           Massnahmen zur Auf- wirtschaft vorbehalten bleiben roland.bono@bud.bl.ch
           wertung der Landschaft sollen, weil sie auch dort Mast-
           sein.»                    hallen erstellen wollen. «Aus Sicht Jürg Zihler, BUWAL, siehe Seite 7

                                                                             UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ       17
RAUMPLANUNG

Siedlungsflächen verdrängen das Kulturland
Das Siedlungswachstum verschlingt viel Boden und überwuchert die Landschaft. Im Durchschnitt
der letzten Jahre mussten jährlich gut 27 Quadratkilometer Wiesen und Äcker neuen Siedlungen
weichen. Die Arealstatistik des Bundes zeigt auf, wie stark das Kulturland unter Druck steht.

                                                                                                                        VOR 1909

                                                                                                    K. Lüdin, Fotoarchiv Druckerei Lüdin AG, Liestal

Wer von einem Hügel am Rand der Agglomeration die Land-         mit der ungebrochenen Nachfrage nach Einfamilienhäusern
schaft überblickt, sieht fast überall Baukrane. Immer weiter    zusammen. Besonders stark ist der Trend im Umfeld der
dehnen sich die Quartiere ins Kulturland hinaus – neue Wohn-    Agglomerationen sowie in den Ferienkantonen Wallis, Tessin
überbauungen, Einkaufszentren, Freizeitparks, Industriegebäu-   und Graubünden, wo sich der Bau von Zweitwohnungen
de oder Golfplätze verdrängen Äcker und Wiesen. Da und dort     auswirkt. Das von der Raumplanung angestrebte verdichtete
graben Bagger Schneisen für Zufahrten und Umfahrungs-           Bauen hat sich ausserhalb der Städte also noch kaum durch-
strassen.                                                       gesetzt. Dezentrale Wohngebiete sind mit dem öffentlichen
                                                                Verkehr nur schwer zu erschliessen und ziehen deshalb neue
Immer mehr Siedlungsfläche pro Person                           Strassenbauten nach sich.
Zwei Erhebungen der Arealstatistik über die Bodennutzung in        Mit einem Wachstum von nahezu 25 Prozent ist auch der
den Zeiträumen von 1979/85 und 1992/97 dokumentieren die        zusätzliche Flächenverbrauch für Industriegebäude überdurch-
tiefgreifenden Veränderungen. Trotz Rezession ist die Sied-     schnittlich hoch. «Durch eine sinnvolle Umnutzung der zahlrei-
lungsfläche innerhalb von zwölf Jahren um rund 13 Prozent       chen Industriebrachen in den Städten liesse sich diese
oder 327 Quadratkilometer gewachsen. Dies entspricht unge-      Entwicklung stoppen», erklärt Jürg Zihler vom BUWAL.
fähr der Grösse des Kantons Schaffhausen. Neben den Gebäu-
dearealen erfasst das Bundesamt für Statistik BFS unter ande-   482 km2 weniger Kulturland
rem auch Grünanlagen und Verkehrsflächen.                       Wo sich Siedlungen ausbreiten, schwindet die offene Land-
    Der Bodenverbrauch für Wohnzwecke hat stärker zugenom-      schaft und es geht Boden für die landwirtschaftliche Produk-
men als die Wohnbevölkerung. Dies liegt einerseits an der       tion verloren. In der Vergleichsperiode zwischen 1979/85 und
wachsenden Zahl von Kleinhaushalten und hängt andererseits      1992/97 ist das Kulturland um 482 Quadratkilometer oder

18      UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ
1999

  Karl Martin Tanner, Seltisberg

  Der Blick vom Liestaler Aussichtsturm auf Frenkendorf BL zeigt die mas-
  sive Veränderung der Landschaft:
  Vor 1909 (links) prägten tausende von Feldobstbäumen das Landschafts-
  bild. 1999 (rechts) sind die Kirschbäume grösstenteils verschwunden. Ur-
  sachen dafür sind der Verlust von Kulturland durch das starke Wachstum
  der Siedlungsflächen, aber auch die Rationalisierung in der Landwirtschaft.

                                                             rund drei Prozent geschrumpft. Dieser Verlust geht
LINKS
                                                             zu fast 62 Prozent auf das Konto der Bautätigkeit.
                                          www.are.admin.ch
  www.statistik.admin.ch > Fachbereiche > Raum und Umwelt

                                                             Über ein Drittel der Fläche haben die Bauern selbst                                                             © Arealstatistik Schweiz

                                                             aufgegeben. Es handelt sich dabei vorwiegend um        Entwicklung der Gebäudeareale (ohne Industrie) 1979/85 – 1992/97.
                                                             abgelegene und schwer zu bewirtschaftende Alpflä-
                                                             chen, die verbuschen und wieder zu Wald werden.         LeSetIpp
                                                                Während der überwachsene Boden seinen Natur-        Bodennutzung im Wandel. Arealstatistik Schweiz.
                                                             wert behält, ist überbauter Boden fast unwieder-       Publikumsbroschüre BFS, 2001, Bezug: Bundesamt für Statistik,
                                                             bringlich geschädigt. «Deshalb ist die Siedlungs-      2010 Neuenburg, Tel. 032 713 60 60
                                                             entwicklung nach innen und die Erneuerung
                                                             bestehender Bauten endlich stärker zu fördern»,        INFOS
                                                             meint Jürg Zihler. «Nur so werden spätere Generatio-   Anton Beyeler, Sektion              Thierry Nippel, Sektion
                                                             nen noch über genügend offenen Boden verfügen,         Geoinformation, BFS (D)             Geoinformation, BFS (F)
                                                             den sie nach ihren Bedürfnissen bewirtschaften kön-    Tel. 032 713 61 61                  Tel. 032 713 69 76
                                                             nen.»                           Beatrix Mühlethaler    anton.beyeler@bfs.admin.ch          thierry.nippel@bfs.admin.ch

                                                                                                                                                     UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ                  19
GELÄNDEAUFFÜLLUNGEN

    Bauernfängerei
              mit belastetem Aushub
    Immer wieder dienen Geländemulden in der Landwirtschaftszone als illegale Bauschuttdeponien. Die
    vermeintliche Melioration erweist sich in der Folge als Gefahr für die Bodenfruchtbarkeit und das
    Grundwasser. Neben der Umwelt bezahlen vor allem betroffene Bauern die Zeche.
      Bei einer Routineinspektion stösst der
      Thurgauer Abfallinspektor in einer
      Landwirtschaftszone auf Ziegelsteine,
      Betonabbruch, Teerstücke, Asphalt-
      platten und Plastikplanen. Offensicht-
      lich ist hier Bauschutt missbräuchlich
      zur Aufschüttung einer Geländemulde
      verwendet worden. Nach einer Mel-
      dung an Ursin Ginsig vom Ressort
      Boden und Altlasten im kantonalen
      Amt für Umwelt wird rasch klar, dass
      ein Bauunternehmer das Aushubmate-
      rial illegal, aber in Absprache mit dem
                 betroffenen Bauern entsorgt
                 hat. Solche Auffüllungen sind                                                                                 Kant. Amt für Umwelt, Thurgau
                 nämlich nur mit unbelaste-
                                                 Wie hier im Kanton Thurgau werden Bauabfälle immer wieder illegal als Auffüllmaterial für das Ein-
                 tem Erdreich erlaubt und set-   ebnen von Geländemulden in der Landwirtschaftszone eingesetzt. Bauschutt, Betonabbruch, Ziegel,
                 zen zwingend eine kantonale     Asphalt und Kunststoffe mussten in diesem Fall nach der Entdeckung durch die Behörden gesetzeskon-
                 Bewilligung voraus. Diese       form entsorgt werden.
Ursin Ginsig,    wird nur unter der Bedingung
kantonales Amt
                 einer tatsächlichen Boden-                                                         schen Verfahrens muss das belastete
für Umwelt
                 verbesserung erteilt. Dabei                                                        Material deshalb wieder ausgegraben
Thurgau
                 dürfen Böden, Grundwasser                                                          und umweltgerecht entsorgt werden.
      und Bodenfruchtbarkeit keinesfalls be-                                                        Der Bauer und sein Aushublieferant
      einträchtigt werden.                                                                          haben mit einer Busse zu rechnen.

    Gefahr für die Nutzpflanzen                                                                     Umgehung von Entsorgungskosten
    Im konkreten Fall gefährden die im                                                              Das Thurgauer Beispiel ist kein Einzel-
    Bauschutt enthaltenen Schadstoffe                                                               fall. Im Gegensatz zu grösseren Firmen
    neben den Naturgütern auch die Nutz-                                                            verfügen viele kleinere Bauunterneh-
    pflanzen. Deren Wachstum und                                                                    men meistens nicht über eigene Kies-
    Qualität wird durch die mögliche Auf-                                                           gruben, wo sie ihren Bauaushub kos-
    nahme von ausgeschwemmten Gift-                                                                 tenlos deponieren können. Müssen sie
    stoffen empfindlich beeinträchtigt.                                                             unbelastetes Material in fremden Gru-
    «Zusätzlich droht die Gefahr, dass der                                                          ben entsorgen, so kostet sie dies 5 bis
    Boden seine natürliche Fähigkeit zur                                                            8 Franken pro Kubikmeter. Für leicht
    Anreicherung und Abgabe von Nähr-                                                               belasteten Aushub bezahlt man 18 bis
    stoffen verliert und die Funktion zur                                                           35 Franken je m3. Und drängt sich gar
    Reinigung des Sickerwassers einbüsst»,                                                          die Ablagerung auf einer Reaktor- oder
    erklärt Jean-Pierre Clément vom                                                                 Reststoffdeponie auf, so steigt der Preis
    BUWAL. Nach Einleitung eines juristi-                                                           auf 160 Franken pro m3. Da ist die Ver-

    20       UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ
Angebliche Melioration: Auch die Asche
  suchung gross, es bei der Triage des Bau-   dieses Brandplatzes belastet den Boden.             Neben der Kontrolle des Aushubmate-
  schutts nicht allzu genau zu nehmen                                                             rials wird dabei auf eine fachkundige Bo-
  oder eine billige Ersatzlösung zu suchen                                                        denschichtung geachtet. «Nicht nur die
  – vor allem wenn es um einige zehntau-                                                          Verwendung von ungeeignetem Mate-
  send Kubikmeter geht, wie sie bereits bei                                                       rial, sondern auch Erdbewegungen bei
  mittelgrossen Bauvorhaben anfallen.                                                             feuchtem Boden, zu schwere Maschinen
                                                                                                  oder falsche Arbeitsabläufe können den
  Falsche Erwartungen der Bauern                                                                  geschütteten Boden verdichten und so
  Bei manchen Landwirten stossen die                                                              dessen Fruchtbarkeit beeinträchtigen»,
  Angebote zur Auffüllung von Mulden                                                              warnt Jean-Pierre Clément.
  auf offene Ohren, weil Senken in Acker-
  flächen die maschinelle Bewirtschaf-                                                            Ernüchternde Resultate
  tung erschweren. Dies gilt speziell,                                                            Selbst wenn nicht gepfuscht wird, darf
  wenn ein Bauunternehmer dafür noch                                                              der Bauer das neu gewonnene Land
  Geld anbietet. «Gesucht Aushubde-                                                               während mindestens fünf Jahren nur
  ponie» heisst es im Inseratenteil eines                                                         sehr behutsam bewirtschaften. Und es
  landwirtschaftlichen Fachblatts. Offe-                                                          dauert weitere fünf Jahre, bis ein sol-
  riert wird eine finanzielle Entschädi-                                                          cher Boden seine volle Fruchtbarkeit
  gung, doch ist von der zwingend not-                                                            erlangt. Eine Zürcher Studie zeigt, dass
  wendigen Bewilligung keine Rede. Sie                                                            nur eine Minderheit der Bauern diese
  wäre für die Deponierung von Aushub                                                             Geduld aufbringt – sofern die Aufschüt-
                                              Betonabbruch kann Grundwasser mit Chrom VI
  auch nicht zu haben, hält Ursin Ginsig                                                          tung überhaupt sachgerecht ausgeführt
                                              belasten (oben). In der Auffüllung mit Bauschutt,
  fest: «Das ist ganz klar gesetzeswidrig.»                                                       worden ist. In zehn untersuchten Fäl-
                                              Beton und Schwarzbelag ist kein geschichteter
  Der Kanton Thurgau lehnt etwa die           Aufbau des Bodens mehr zu erkennen (unten).         len von vermeintlichen Bodenverbes-
  Hälfte der jährlich rund 40 Gesuche für                                                         serungen liess sich keine positive Ent-
  «Bodenverbesserungen» ab, weil die                                                              wicklung feststellen – vielmehr gab es
  Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die                                                         sogar eine Verschlechterung der Bo-
  landwirtschaftlich genutzten Flächen                                                            denfruchtbarkeit. Trotzdem waren die
  müssen nämlich so beschaffen sein,                                                              Bauern von einer Verbesserung über-
  dass sich tatsächlich eine Bodenverbes-                                                         zeugt, weil sie das aufgeschüttete Land
  serung aufdrängt und diese als Folge                                                            besser bearbeiten konnten. Jean-Pierre
  der Massnahmen effektiv zu erwarten                                                             Clément hält dies «für einen Trug-
  ist. Die Fachleute sprechen dabei von                                                           schluss, denn oft lässt sich die ge-
  «Bodenhorizonten» (siehe Seite 15). Der                                                         wünschte Fruchtbarkeit nur mit dem
  A-Horizont umfasst die rund 30 Zenti-                                                           Einsatz von grossen Düngermengen er-
           meter dicke Humusschicht.          schlimmer. In solchen Fällen wäre eine              reichen».
LINK Der darunter liegende B-Hori-            einfache Drainage die beste Lösung.»                    Noch schlimmer sieht es aus, wenn
    > Bodenschutz > Terrainveränderungen
           www.zug.ch/afu > Drucksachen

           zont ist 60 Zentimeter bis ei-                                                         unter dem Acker Altlasten lagern. Für
           nen Meter mächtig und hat          Zahlreiche Risiken                                  deren zwingende Beseitigung und kor-
           eine wichtige Funktion als         Bei Gesuchen für grössere Terrain-                  rekte Entsorgung ist immer der Grund-
           Wasserfilter. Häufig hätten        auffüllungen geht es freilich auch um               eigentümer verantwortlich, auch wenn
           Bauern die Erwartung, ein          Fragen des Natur- und Landschafts-                  er bestenfalls den verantwortlichen
           Boden, der das Wasser schlecht     schutzes, die nicht in den Verantwor-               Bauunternehmer haftbar machen kann.
           ableite, lasse sich mit einer      tungsbereich der Bodenschutzfach-                                                     Urs Fitze
           Auffüllung sanieren, stellt Ur-    stellen fallen. Diese erstellen reine
           sin Ginsig fest. «Oft ist jedoch   Fachgutachten und prüfen bei einer                  INFOS
           das Gegenteil der Fall – es wird   Bewilligung die korrekte Ausführung.                Jean-Pierre Clément, BUWAL, siehe Seite 13

                                                                                                          UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ              21
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