BBoo ddeenn sscc hhaattzz BBoo ddeenn sscc hhuuttzz - Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL - Bundesamt für Umwelt
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B u n d e s a m t f ü r U m w e l t , Wa l d u n d L a n d s c h a f t B U WA L 2/2004 UMWELT Bodenschatz Bodenschutz
EDITORIAL SCHWERPUNKT BODENSCHUTZ Die fruchtbaren Böden in der Schweiz sind über Jahrtau- Sorge tragen sende entstanden – zerstört sind sie im Extremfall in weni- zu unserem gen Sekunden. Als Hauptursachen der Bodenzerstörung gelten Versiegelung, Erosion, Verdichtung, Überdüngung Bodenschatz und Vergiftung. Der Bodenschutz will diese Gefahren mit einer breiten Palette von Massnahmen entschärfen. Dabei Wer von Boden spricht, meint damit meistens die Ober- ist er auf Partner angewiesen: Wer den Boden nutzt, trägt fläche. Wir denken an Bodenbeläge, Bodennebel, Boden- die Verantwortung für die langfristige Erhaltung dieser Lebensgrundlage und ihrer vielfältigen Funktionen. Dies haftung oder Bodenpreise. Doch wer etwas in die Tiefe gilt auf Baustellen ebenso wie in der Land- und Forstwirt- vordringt, erkennt, dass Boden mehr ist. Als feine Haut schaft oder bei Freizeitaktivitäten. schützt er die Erde, filtert Wasser und speichert es, bietet Der Themenschwerpunkt gibt einen Einblick in die faszinie- Pflanzen Halt und Nährstoffe, schützt archäologische rende Welt des Bodens, weist auf Bedrohungen hin und Zeugen, gestaltet die Landschaft und ist die Grundlage zeigt, wie wir diese lebenswichtige Ressource optimal unserer Ernährung. Und der Boden lebt! Billionen kleiner schützen können. Lebewesen bevölkern ihn und arbeiten für uns: Sie bauen Abfälle und Gifte ab, speichern Kohlenstoff und sorgen da- für, dass Wurzeln wachsen und Niederschläge abfliessen können. Trotzdem geht der Mensch zu sorglos mit dem Boden um: Er überzieht ihn hemmungslos mit Asphalt und Beton, mutet ihm eine Fülle unverdaulicher Stoffe zu, zerstört seine Struktur mit schweren Maschinen und lässt zu, dass ihn das Wasser von den Hängen spült. Zwar ist die Bodenzerstörung bei uns nicht so augen- 6 – 40 fällig wie in vielen Entwicklungsländern, die immer mehr Titelbild: Stefan Wicki, Luzern unersetzbares Kulturland an die Wüste verlieren. Doch BODENSCHÜTZER AUF DER BAUSTELLE auch in der Schweiz drohen dem Boden zahlreiche Gefah- ren. Weil die meisten Bodenschäden endgültig sind, steht Auf Grossbaustellen werden gewaltige Mengen an Boden die Vorsorge im Zentrum des Bodenschutzes. Damit ist je- umgelagert. Speziell ausgebildete Fachleute wachen da- rüber, dass der Boden dabei nicht zerstört wird. UMWELT der, der den Boden nutzt, auch für seinen Schutz verant- hat einen Baubegleiter bei seiner Arbeit beobachtet. wortlich. Dies gilt für die Bauwirtschaft ebenso wie für Bauern, Forstdienste, Gärtnereien oder Archäologen. Ihnen stehen die Bodenfachleute beratend, aber auch fordernd zur Seite. Ziel all dieser Bemühungen ist es, für die kommenden Generationen genügend gute Böden zu erhalten, die ihre Funktionen im Naturhaushalt erfüllen können und sich weiterhin ohne Gefährdung der Gesundheit nutzen lassen. Philippe Roch Direktor BUWAL 8 –13 2 UMWELT 2/04
INHALT Schwerpunkt Bodenschutz 2 Editorial: Der BUWAL-Direktor über den Umgang mit unserem Bodenschatz 6 Leitartikel: FRAGWÜRDIGE Bodenschutz – eine Existenzfrage «MELIORATION» 8 Baubegleitung: Geländemulden im Ackerland Ein Anwalt des Bodens auf der Baustelle erschweren die landwirtschaft- liche Bewirtschaftung. Deshalb 14 Raumplanung: Die fruchtbarsten Standorte besser schützen werden sie häufig aufgefüllt – oft ohne Bewilligung und mit 18 Raumplanung: Abfällen statt mit sauberem Kulturland unter Druck Aushubmaterial. 20 Geländeauffüllungen: 20 –21 Riskante Bodenverbesserungen 22 Landwirtschaft: SAURE WALDBÖDEN Bodenschonende Anbau- und Erntemethoden Unsere Waldböden werden 26 Bodenversauerung im Wald: immer saurer. Schuld daran Zu viel Nährstoffe aus der Luft sind Schadstoffe, welche die Bäume aus der Luft filtern. 30 Forstwirtschaft: Die Belastung beeinträchtigt Bei der Holzernte auch an den Waldboden denken die Bodenlebewesen im Wald 31 Kleine Bodenkunde: und schwächt die Baum- Einblicke in einen verborgenen Lebensraum wurzeln – Abhilfe tut not. 37 Partnerschaften: 26 –29 Mit vereinten Kräften für den Bodenschutz SPAREN MIT DER CO2-ABGABE 39 Schulgärten: Umweltpädagogik im Gemüsebeet Wer energiebewusst lebt, hat mehr Geld zur Verfügung, Weitere Themen wenn die CO2-Abgabe ein- 41 CO2-Abgabe: Umweltbewusste machen Kasse geführt wird. Familien mit 44 Wildtiere: Auf den Spuren der Nachtaktiven Kindern und ohne eigenes Auto profitieren am meisten 47 Zivildienst: Mehr Einsätze für Natur und Umwelt von der Rückverteilung der 51 Bahnlärm: Güterwagen sollen leiser werden Lenkungsabgabe. 41–43 54 Prix Ecosport: Umweltschutz wird zur Sportdisziplin Rubriken AUF SPURENSUCHE 4 Spots Die in der Schweiz heimischen 40 Bodenschutz ONLINE 56 UMWELT-Urteil Kleinraubtiere Wiesel, Iltis 56 UMWELT-Praxis und Marder sind nachtaktiv 60 UMWELT-Agenda und nur schwer zu beobachten. 61 Neue BUWAL-Publikationen Nun soll ein Forschungsprojekt 62 UMWELT-Aktiv klären, wie sie sich in der 63 UMWELT-Tipps heutigen Landschaft zurecht- finden. 44–46 Nächster Schwerpunkt: Umweltbildung
SPOTS Sortenreiner Kunststoff in hoher Qualität ist eine Spezialität der indischen Rezyklierer (links). Eine der unzähligen kleinen Recyclingfirmen in Entwicklungs- und Schwellenländern (rechts). Thomas Weibel Gefährlicher Computerschrott Computer enthalten Kupfer und Gold, die wertvoll und wieder sie einen interaktiven Elektroschrottführer ins Internet stellt. Die verwertbar sind, aber zum Teil auch hoch giftige Stoffe wie Website vereinigt Erfahrungen aus dem Ausland und das Wissen Schwermetalle. In vielen Entwicklungsländern wird der Elektro- aus der Schweiz und macht das Know-how für alle verfügbar. nikschrott unsachgemäss aufbereitet und so zu einer Bedro- Prof. Dr. Lorenz Hilty, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungs- hung für Mensch und Umwelt. Die Eidgenössische Material- anstalt EMPA, Lerchenfeldstrasse 5, 9014 St. Gallen, Tel. 071 274 73 45, prüfungs- und Forschungsanstalt EMPA bietet nun Hilfe, indem lorenz.hilty@empa.ch, www.empa.ch, www.ewaste.ch Energiesparmassnahmen im heissen Spülbad nach Eloxierung (Rero AG, Waldenburg). Schnell geprüft – viel gespart verbrennungsanlage in Basel: Dank der Analyse der Umwelttechnologen spart 2400 Franken kostet der «QuickScan» die Anlage nun jährlich rund zwei Mil- der Fachhochschule beider Basel FHBB. lionen Franken. Das Angebot wird vom Die halbtägige Analyse deckt Energie- BUWAL unterstützt. sparpotenziale in Firmen auf. Den Ser- vice anfordern können Unternehmen, Jürg Walder, Fachhochschule beider Basel, die ihre Öko-Effizienz steigern und somit Institut für Umwelttechnik, Fichtenhagstrasse 4, Geld sparen wollen. Vom «QuickScan» 4132 Muttenz, Tel. 061 467 43 14, profitierte zum Beispiel die Kehricht- j.walder@fhbb.ch, www.fhbb.ch/umwelt FHBB Fluss auf Umwegen Die Auswirkungen der Klimaveränderung machen sich auch im Oberengadin be- merkbar: Intensivere Niederschläge, die selbst im Hochgebirge zunehmend als Regen statt Schnee fallen, führen immer öfter zu Hochwasser. Um das Dorf Same- Homepage dan besser vor Überschwemmungen zu schützen, haben Gemeinde und Kanton Zusammenfluss von Flaz und Inn: nach Projektende (rechts) auch eine Bereicherung für die Natur. eine innovative Lösung gefunden: Der Fluss Flaz wird verlegt. Nebst Hochwasserschutz soll das Projekt neue Flusslauf wird am 5. Juni 2004 offiziell eröffnet. auch eine Bereicherung für Natur und Mensch bringen. Es wird Reto Mettler, Bauverwaltung Gemeinde Samedan, 7503 Samedan, vom Bundesamt für Wasser und Geologie BWG begleitet. Der Tel. 081 851 07 07, bau@samedan.gr.ch, www.flaz.ch 4 UMWELT 2/04 SPOTS
Ecotour auf Festivals Der Sommer naht und damit auch die Zeit der Festivals. All- zu oft sind diese mit einem riesigen Abfallberg verbunden. In Gemeinsam für die Natur der Westschweiz geht die Stiftung «Summit Foundation» auch diesen Sommer auf «Ecotour» zu den grössten Festivals. An der internationalen Messe «Fischen – Jagen – Schiessen» Ziel ist, das Publikum für das Abfallproblem zu sensibilisieren. von Ende Februar in Bern hat die Sonderschau «Schutznies- Nebst Taschen-Aschenbechern verteilen die Umweltaktivi- sen» zu den Publikumsmagneten gezählt. Die Botschaft der sten Mini-Abfallsäcke und basteln mit Kindern Abfallobjekte. BUWAL-Ausstellung lautete: Umweltbehörden, Jagende und Auch das BUWAL setzt sich für die Verringerung des Müll- Fischende haben sehr oft die gleichen Ziele. Nur gemeinsam bergs bei öffentlichen Veranstaltungen ein. Das Bundesamt können die beanspruchten Lebensräume so geschützt wer- macht sich für eine schweizweite Anwendung von Mehrweg- den, dass die Natur auf Dauer erhalten bleibt und Jagd und bechern stark. Diese sind nicht nur beliebt bei Publikum und Fischerei auch den kommenden Generationen möglich sind. Veranstaltern, sondern lassen sich zudem auf äusserst ökolo- Der Ausstellungsführer «Schutzniessen» kann kostenlos bestellt werden gische Art reinigen. (siehe Seite 61). Marie-Amélie Ardiot, Abteilung Abfall, BUWAL, 3003 Bern, Tel. 031 323 03 57, marie-amelie.ardiot@buwal.admin.ch, www.umwelt-schweiz.ch, www.summit-foundation.org Der Hund im Schafspelz Auf Initiative von Schafzüchtern führt das Bündner Amt für Landwirtschaft ein Pilotprojekt zum Schutz von Schafherden durch. Auf drei Alpen werden speziell ausgebildete Hirten- hunde eingesetzt, welche die Schafe vor dem Wolf schützen sollen. Wie Erfahrungen aus dem ersten Pilotjahr zeigen, ist die Zahl der gerissenen Tiere deutlich zurückgegangen. Das Projekt wird 2004 weitergeführt und durch ein Kompetenz- zentrum erweitert, welches den Schafzüchtern mit Rat und Tat zur Seite steht. Die Kosten des Projektes trägt das BUWAL BUWAL/page-up gemeinsam mit dem Kanton. Valentin Luzi, Amt für Landwirtschaft, Grabenstrasse 8, 7001 Chur, Lukas und Tobias Schneider aus Schüpfen BE vor ihrer bevorzugten Land- Tel. 081 257 24 01, valentin.luzi@alsv.gr.ch, www.alsv.gr.ch, schaft: «Wir möchten auch heuer einen grossen Fisch fangen.» www.herdenschutzzentrum.ch Herdenschutzzentrum Wenn die Umwelt krank macht Menschen, die gesundheitliche Probleme auf Umweltbelas- tungen zurückführen, haben es schwer, kompetente Bera- tung zu finden. In einem Pilotprojekt erprobte die Universität Basel die praktische Durchführbarkeit eines solchen Bera- tungsangebots. 63 Patientinnen und Patienten wurden me- dizinisch, psychosomatisch und von der Umweltseite her untersucht. Die Hälfte dieser Personen ist mit dem Behand- lungserfolg zufrieden. 82 Prozent empfehlen, die interdis- ziplinäre Beratung weiterzuführen. Anke Huss, Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Basel, Steinengraben 49, 4051 Basel, Tel. 061 270 22 16, anke.huss@unibas.ch, www.unibas.ch/ispmbs UMWELT 2/04 SPOTS 5
BODENFRUCHTBARKEIT Nur intakte Böden sichern das Überleben Böden haben ein Langzeitgedächtnis und erholen sich nur schlecht von Beeinträchtigungen. Deshalb will der Bodenschutz Schäden durch Verdichtung, Erosion oder Schadstoffe möglichst verhindern. Auf globaler Ebene ist die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit eine der grössten menschlichen Herausforderungen. Ein Scheitern hätte den Verlust ganzer Lebensräume zur Folge. Auf Kosten der Landwirtschaft wächst Dazu genügt bereits der Raddruck eines Vorsorge beim Bodenschutz absolut die Siedlungsfläche in der Schweiz jede schweren Mähdreschers, wenn die Ern- zentral.» Stunde um über 3100 Quadratmeter. temaschine auf durchnässten Feldern Mangelndes Know-how und Fehl- Dies macht inzwischen rund 3000 eingesetzt wird. Das Zusammenpressen einschätzungen sind die Hauptursa- Quadratkilometer aus, was ungefähr der porenreichen Bodenkrümel, die chen für den zum Teil nach wie vor der Gesamtfläche der Kantone Genf, Wassererosion an Hanglagen, die Ver- sorglosen Umgang mit dem Boden. Neuenburg, Solothurn, Basel-Land- sauerung durch zu viel Stickstoff aus «Viele Nutzer wissen zu wenig über schaft, Schaffhausen und Nidwalden der Luft und die Belastung mit Schad- die Eigenschaften dieses empfindlichen entspricht. In den grossen Flusstälern stoffen sind – neben der Versiegelung – Lebensraums und gehen deshalb von des Mittellandes, wo die Böden am die grössten Gefahren, welche unseren falschen Voraussetzungen aus.» So füh- fruchtbarsten sind, werden sie durch Böden drohen. Sowohl auf landwirt- ren Nachlässigkeit und Unwissen zu das ausufernde Siedlungswachstum am schaftlich genutzten Flächen als auch einer Verschlechterung der Bodenqua- schnellsten zerstört. «Die Entstehung im Wald entstehen viele Bodenschäden lität und damit häufig auch zu Ertrags- einer fruchtbaren Bodenstruktur kann im Rahmen der «normalen» Bewirt- ausfällen. Jahrtausende dauern – vernichtet ist schaftung (vgl. Seite 24). sie im Extremfall in wenigen Sekun- Dramatische Folgen in der Dritten Welt den», erklärt Jürg Zihler, Leiter der Vorsorge ist zentral Die schleichende Bodenzerstörung hat BUWAL-Sektion Boden und allgemeine «Im Gegensatz zur Luft oder zu den vor allem in den Entwicklungsländern Biologie (vgl. S. 34). Fliessgewässern, die sich permanent er- dramatische Folgen, weil hier die Mehr- neuern, hat der Boden ein Langzeitge- heit der Bevölkerung unmittelbar von Bodenschäden durch die Nutzung dächtnis», stellt Jürg Zihler fest. «Stark der Landwirtschaft lebt. «Jedes Jahr Um einen fruchtbaren Boden zu ruinie- beeinträchtigte Böden sind oft auf Jahr- werden weltweit sechs Millionen Hek- ren, braucht es keine Strassenwalze. zehnte hinaus zerstört. Deshalb ist die taren an bebaubarem Land durch Wüs- Ruth Schürmann 6 UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ
tenbildung, abnehmende Bodenqua- als Lebensraum nutzen lassen. Es ge- Die eigenen Probleme lösen lität und sinkende landwirtschaftliche nügt aber nicht, die Nahrungsmittel- «Das nötige Engagement im Ausland Produktivität vernichtet», warnt UNO- produktion mit bodenschonenden An- befreit uns jedoch nicht von der Auf- Generalsekretär Kofi Annan. «135 bautechniken auf dem heutigen Niveau gabe, unsere eigenen Probleme zu Millionen Menschen, die mit der Land- zu halten. Vielmehr fordert die Welt- lösen», meint Jürg Zihler. «Es ist mora- wirtschaft ihren Lebensunterhalt ver- ernährungsorganisation FAO in den lisch nicht vertretbar, unsere Böden zu dienen, müssen damit rechnen, um- nächsten 25 Jahren eine Verdoppelung Grunde gehen zu lassen und die fehlen- gesiedelt zu werden.» der Ernten, um die wachsende Welt- den Nahrungsmittel dann zu impor- Laut Angaben der UNO erstreckt sich bevölkerung ernähren zu können. tieren. Damit würden sich bloss die die vom Menschen verursachte welt- Die schweizerische Entwicklungs- Bodenschäden in andern Ländern ver- weite Bodendegradation inzwischen zusammenarbeit stellt sich dieser Her- schärfen.» Zusätzliche Einfuhren ver- über nahezu zwei Milliarden Hektaren, ausforderung und engagiert sich im Sü- ursachen ausserdem als Folge des was der doppelten Gesamtfläche Euro- den mit einer Vielzahl von Projekten erhöhten Transportbedarfs noch mehr pas entspricht. Überweidung, nicht für eine bodenschonende Landwirt- Umweltprobleme. standortgerechte Anbausysteme, ver- schaft. Gefördert wird dabei auch der Bodenschutz ist weit mehr als die kürzte Brachzeiten, der Verlust einer Erfahrungsaustausch. Ein exemplari- langfristige Erhaltung der Ernährungs- permanenten Pflanzendecke sowie die sches Projekt ist das von der Universität grundlage. «Unsere Böden dienen nicht Zerstörung von Wäldern und Feucht- Bern initiierte Netzwerk WOCAT. Es nur der Produktion, sondern überneh- gebieten sind die Hauptgründe der Bo- sammelt systematisch Informationen men auch wichtige Funktionen im denzerstörung. Das Problem der fort- aus aller Welt über Technologien für Naturhaushalt», erklärt Jürg Zihler, «so schreitenden Wüstenbildung betrifft eine nachhaltige Nutzung der Boden- zum Beispiel als unverzichtbare Wasser- schon 1,2 Milliarden Personen oder rund und Wasserressourcen. Das entspre- speicher, Trinkwasserfilter, Verwerter einen Fünftel der Weltbevölkerung. chende Know-how steht allen Interes- organischer Abfälle und Klimafaktor.» sierten im Internet zur Verfügung. Mit Beat Jordi Bodenschutz ist der globalen Verbreitung geeigneter LINKS INFOS eine Existenzfrage Ansätze zur Bodenkonservierung will www.wocat.net www.sowap.org www.unccd.int In vielen Staaten der Dritten WOCAT vor allem in Entwicklungslän- Jürg Zihler Welt entscheiden Massnah- dern die Umsetzung bodenschonender Chef der Sektion Boden men für den Bodenschutz Techniken in die landwirtschaftliche und allgemeine Biologie, BUWAL darüber, ob sich ganze Regio- Praxis fördern und damit die Ernäh- Tel. 031 322 93 52 nen künftig überhaupt noch rungssicherheit verbessern helfen. juerg.zihler@buwal.admin.ch BUWAL/Docuphot Der Aufbau eines fruchtbaren Bodens dauert Jahrhunderte – zerstört ist er in wenigen Sekunden: Staunässe als Folge der Bodenverdichtung in einem geschädigten Acker. UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ 7
BAUBEGLEITUNG Ein Anwalt des Bodens auf der Baustelle Jede Baustelle ist ein massiver Eingriff ins natürliche Gefüge des über Jahrtausende gewachsenen Bodens. Bei Grossprojekten sollen spezialisierte Baubegleiter diese negativen Folgen deshalb mög- lichst in Grenzen halten. Nur so kann der Boden seine vielfältigen Funktionen nach einer Erholungs- phase wieder wahrnehmen. UMWELT hat den Fachmann Werner Rohr bei seiner Arbeit begleitet. Auf dem offenen Acker zwischen Her- Beobachtung. Zweimal jährlich findet wieder aufgebaut werden muss», betont zogenbuchsee und Langenthal im eine Begehung statt. Daran nimmt ne- Rohr. bernischen Oberaargau erinnert kaum ben dem Baubegleiter auch der Land- etwas an die gigantische Tagbaustelle wirt Urs Ryf teil. Er vertritt die von der «Matratze» schützt vor Verdichtung der «Bahn 2000», die hier noch im Grossbaustelle betroffenen Bauern, die Eine erste Massnahme schlägt Rohr be- Frühjahr 2002 eine tiefe Schneise in die sich hier in einer Pflegegemeinschaft reits auf der Zufahrtsstrasse vor: «Hier Landschaft schnitt. Für die SBB-Neu- zusammengeschlossen haben. Mit von braucht es ein Plastikband als Ab- baustrecke zwischen Bern und Olten schrankung, damit niemand die Stras- mussten 1,2 Millionen Kubikmeter Aushub bewegt werden. Inzwischen weist nur noch ein feines Zittern des Bodens auf die acht Meter unter der [ BODEN IST EIN KOMPLEXES, BELEBTES GANZES ] se verlässt, den frischen Boden befährt und diesen damit verdichtet.» Tat- sächlich haben bereits Fahrzeuge auf offenem Feld gewendet, wie die zenti- Erdoberfläche verkehrenden Züge hin. der Partie ist auch Ernst Schneider, der metertiefen Rillen beweisen. «Werden die Bodenbearbeitung im Lohnauftrag diese tiefen Fahrspuren erneut mit Erde Jahrelange Nachbetreuung ausführt. gefüllt, ohne den Boden vorher zu «Mit dem Abschluss der Bauarbeiten ist Zwar hat man den Unterboden wäh- lockern, sammelt sich darin Wasser, die Arbeit für uns allerdings noch lange rend der Bauphase getrennt vom darü- und der Boden verdichtet noch stärker nicht zu Ende», erklärt der Bodenspezi- ber liegenden Humus entfernt, korrekt – ein Teufelskreis», erklärt Werner Rohr. alist Werner Rohr vor Ort. Acht Jahre zwischengelagert und nach dem Tun- Urs Ryf und Ernst Schneider merken lang bleibt die rekultivierte Fläche auf nelbau wieder aufgetragen. «Doch der sich die Anweisungen des Spezialisten dem ehemaligen Baugelände während Boden ist eine komplexe, belebte Mate- und werden in den nächsten Wochen der Folgebewirtschaftung noch unter rie, die nach solchen Eingriffen erst die notwendigen Arbeiten ausführen. 8 UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ
Ortsbesichtigung auf dem rekultivierten Gelände des im Tagbau erstellten Tunnels Wichtigste Themen beim Boden- für die «Bahn 2000» bei Thunstetten BE: Baubegleiter Werner Rohr, der Landwirt schutz auf Baustellen sind der korrekte Urs Ryf und Lohnunternehmer Ernst Schneider (v. l. n. r.) besprechen die Folge- Abtrag, die Zwischenlagerung und der bewirtschaftung der landwirtschaftlich genutzten Flächen. Tief wurzelnde Pflan- Neuaufbau des Bodens mit den richti- zen – wie die Luzerne – helfen dem Boden, sich vom massiven Eingriff zu erholen. gen Maschinen sowie der Schutz vor Verdichtung. Schon bei der Planung wird der Baubegleiter einbezogen, um die beanspruchten Flächen möglichst klein zu halten, die verschiedenen Bo- denqualitäten fachkundig zu trennen und später wieder natürlich einzufü- gen. Um beim Bauen den Einsatz ange- passter Maschinen zu gewährleisten, benötigt der Fachmann eine Liste der eingesetzten Geräte. Zudem schreibt Rohr vor, dass etwa Bagger auf so ge- nannten Matratzen – einer Holzunter- lage aus 30 Zentimeter dicken Balken – arbeiten müssen, was den Boden vor unnötigem Druck schützt. Stufenweise Bodennutzung Alle Fotos: Patrick Lüthy Um den nach Abschluss der Rekultivie- rung noch lockeren Boden möglichst kulturen konkurrenzieren. Haben die einen weiteren Favoriten zieht er etwas zu schonen, erfolgt die erste Aussaat Rübsen den Boden stabilisiert, folgt die Rotklee aus der feuchten Erde, der den von Hand. Gesät wird zum Beispiel erste maschinelle Aussaat mit einer neu aufgebauten Boden mit Stickstoff Rübsen, eine winterharte tief wurzeln- nutzbaren Mischung aus Luzerne, Klee anreichert. Erst ab dem vierten Jahr de Ölpflanze, die den ungeschützten und Gras. «Die Luzerne ist eine phäno- sind Getreidepflanzen – nicht aber Boden dicht überwächst und so ver- menale Pflanze mit Pfahlwurzeln, die Hackfrüchte wie etwa Kartoffeln – zu- hindert, dass sich unerwünschte Wild- mehrere Meter ins Erdreich vordrin- gelassen. «Es braucht Zeit, bis das na- kräuter breit machen und spätere Nutz- gen», schwärmt der Bauer Urs Ryf. Als türliche Bodengefüge wieder aufgebaut UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ 9
Das Gewicht der schweren Baumaschinen kann die Böden verdichten und ihre Fruchtbar- keit zerstören. Um dies möglichst zu verhindern, ordnet der Baubegleiter vorsorgliche Schutzmassnahmen an. So verteilen etwa Holzbalken als Unterlage den Druck auf eine grössere Fläche. Pneufahrzeuge verkehren nur auf befestigten Flächen. Patrick Lüthy maschinell aus, bilden sich Fahrspuren, wird das rund 150 Jahre alte oberir- die Werner Rohr hier gleich mehrfach dische Trassee inzwischen nicht mehr entdeckt. Dabei gäbe es durchaus Alter- benötigt. Es ist eher ungewöhnlich, nativen zu herkömmlichen Traktoren: dass eine Gemeinde plötzlich Land zu- Fahrzeuge mit Doppelrädern oder mit rückerhält, statt Boden abtreten zu Breitreifen, deren Luftdruck sich auf müssen. Weil man das ursprüngliche dem Acker absenken lässt, was den Projekt einer Umfahrungsstrasse nicht Druck auf die frische Erde reduziert. weiter verfolgt hat und das Geld für «Wer zu früh auf viel Ertrag setzt und einen vollständigen Rückbau des Bahn- ist», erklärt der Landwirt. Für die Min- damit auf schlagkräftigen [ dererträge wird er von der SBB ent- Maschineneinsatz, erlebt ] WER ZU FRÜH AUF VIEL ERTRAG schädigt. je nach rekultivierter Bau- SETZT, KANN BÖSE stelle böse Überraschun- ÜBERRASCHUNGEN ERLEBEN Übereifer zahlt sich nicht aus gen», erklärt Werner Was auf dem Papier relativ unkompli- Rohr. In diesem Fall kann ziert aussieht, ist in der Praxis nicht im- der Bauherr die Entschädigungszahlun- damms fehlt, betreiben die SBB und die mer einfach umzusetzen. So sind ein- gen – zum Nachteil für den übereifrigen Standortgemeinde Thunstetten BE im zelne Ackerflächen noch übersät von Landwirt – einstellen oder vom Folge- konkreten Fall nur einen minimalen Steinen, die von Hand ausgelesen wer- bewirtschaftungsvertrag zurücktreten. Aufwand. Entfernt werden Schienen, den müssen – andernfalls nehmen die Schwellen und Schotter sowie zehn Maschinen Schaden. Hält sich ein Bau- Renaturierung des alten Bahndamms Zentimeter der obersten Humusdecke. er nicht an die Vorgabe und sät zu früh Durch die Neubaustrecke der Bahn 2000 Diese ist mit dem Schwermetall Kupfer 10 UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ
Krümelstruktur erhalten Die oberste Schicht eines natürlichen Bodens besteht nicht einfach aus Erde, sondern aus fein strukturierten Krümeln. Dieser Aufbau ist das Resultat eines Jahr- tausende dauernden Prozesses, zu dem Bodenlebewesen wie Pilze, Bakterien, Algen und Regenwürmer beitragen. Auch Pflanzenwurzeln scheiden Stoffe aus, die Feinsand, Schluff und Ton zu Krümeln verkleben. Die porenreiche Krümelstruktur fördert die Versickerung und ist ein idealer Wasserspeicher. Des- halb werden Ober- und Unterboden bei Erdbewegungen getrennt abgetragen. Damit der biologisch sehr aktive Ober- boden ausreichend mit Sauerstoff ver- sorgt ist, wird er in niedrigen Depots zwischengelagert. Um jegliche Boden- verdichtung zu vermeiden und die Krü- Umfassende Erneuerung des Golfplatzes in Unterseen BE: Für den Bau eines über 3000 Quadrat- melstruktur zu erhalten, darf der lockere meter grossen Sees müssen 20 000 Kubikmeter Erde entfernt und neu gelagert werden. Boden erst einige Jahre nach einer Rekultivierung wieder mit normalen landwirtschaftlichen Maschinen befah- belastet, das während Jahrzehnten bei nasser Witterung auch die Bagger ren werden. in feinsten Partikeln von der Ober- – auf einer speziell angelegten 250 leitung abgeschliffen wurde. Nach Meter langen Baupiste, die bis zur Beendigung der Arbeiten entstehen nächsten asphaltierten Strasse führt. hier Wald, Wiesen, Äcker und Ruderal- Direkt auf dem Rasen liegt eine Tex- flächen, die sich später allenfalls ge- tilabdeckung und darüber eine 50 werblich nutzen lassen. Zentimeter dicke Kiesschicht. «Damit verteilt sich der Druck der Fahrzeuge Erdbewegungen für einen Golfplatz besser, und der Boden nimmt nur we- Auch in Unterseen am Ostufer des nig Schaden», erläutert der Golfplatz- Thunersees ist Werner Rohr als Bau- Architekt. Wo der Boden wegkommt, begleiter auf einer Grossbaustelle en- wird in Zentimeterarbeit zuerst die gagiert. Hier arbeitet der schottische Grasnarbe entfernt oder zum Teil Golfplatz-Architekt John Chilver- auch ziegelförmig ausgestochen und Stainer an einer Anpassung der be- zur Begrünung der neuen Flächen reits 1966 erbauten Golfanlage an eingesetzt. Sowohl den humusrei- moderne Freizeitbedürfnisse. Neu chen Oberboden als auch den Unter- entsteht ein über 3000 Quadratmeter boden und den Untergrund des künf- grosser See. Dazu müssen 20 000 Ku- tigen Sees lagern die Bautrupps auf bikmeter Erde entfernt und neu gela- sauber getrennten niedrigen Längs- gert werden. Hinzu kommen Baum- depots ab. «Das meiste Bodenmate- fällungen und das Aufschütten und rial verwenden wir auf dem Platz Modellieren neuer Abschläge und selbst, sei es als Lärmschutzwall ge- Hindernisse. gen die Umfahrungsstrasse oder für Der Baubegleiter Werner Rohr und sein Element: Zum Schutz des Bodens vor Ver- die neu gestalteten Hügel», erklärt Arbeit im Dienste einer gesunden Bodenstruktur. dichtung rollen die Lastwagen – und John Chilver-Stainer. UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ 11
Guter Boden verlängert die Spielzeit Weil der 44 Hektaren grosse Platz be- reits 2004 wieder bespielt werden soll, wurde auch im Winter gearbeitet. Umso wichtiger ist eine sorgfältige Planung in enger Absprache mit dem Baubegleiter. Selbstverständlich kann Werner Rohr nicht permanent vor Ort sein. Um das Geschehen dennoch kont- rollieren zu können, erhält er per Fax täglich ein so genanntes Entscheidblatt für sämtliche Bauarbeiten im Bodenbe- reich. Darauf finden sich die aktuellen Messergebnisse der Tensiometer, die auf allen grösseren Baustellen zur Messung der Bodenfeuchtigkeit im Einsatz ste- hen. Diese Angaben erteilen Auskunft über die Belastbarkeit des Bodens. Daneben beschreibt der Bauleiter die vorgesehenen Arbeiten. Beurteilt Werner Rohr das Risiko für den Boden als zu hoch, so greift er zum Telefon- hörer. «Wir sind nicht nur aus Umwelt- gründen daran interessiert, sorgfältig mit dem Boden umzugehen», betont John Chilver-Stainer. Es gehe dabei auch um die Eigeninteressen des Golf- clubs als Platzbesitzer. Nur ein trocke- ner Platz kann nämlich gut bespielt werden. Ist der Boden hingegen ver- dichtet, versickert der Regen schlecht, Alle Bilder: BUWAL/E. Ammon AURA sodass die Anlage länger gesperrt blei- Zur Schonung des Bodens fahren die Baumaschinen in Unterseen BE auf einer speziell ben muss. Zwar erfordere die genaue angelegten Kiespiste, die bis zur nächsten Strasse führt (oben links). Bei der Lagerung des Materialtrennung mehr Aufmerksam- Bodenmaterials werden unterschiedliche Qualitäten – wie der humusreiche Oberboden keit und eine gute Organisation, doch oder der mineralische Untergrund – sauber voneinander getrennt und separat gelagert. die Mehrkosten hielten sich in engen Grenzen, meint der Bauleiter. der Beizug einer Fachkraft für den Bo- Kurse. Die fachliche Aufsicht über- Beratung mit Fingerspitzengefühl denschutz bei allen grösseren Bauvor- nimmt im Auftrag des BUWAL die Bo- «Die Bauwirtschaft ist an einer engen haben praktisch die Regel. Neben dem denkundliche Gesellschaft der Schweiz Zusammenarbeit mit den Baubeglei- technischen Wissen bedingt die Aufga- BGS, die auf ihrer Website www.soil.ch tern interessiert, denn die- be auch eine gute Portion Sozialkom- auch eine Liste kompetenter Baubeglei- se treten als Berater und petenz. Auf Baustellen wird oft unter ter veröffentlicht. Die Bauwirtschaft LINKS nicht als Polizisten auf», Zeitdruck gearbeitet. In dieser Situa- und die kantonalen Bodenschutz- www.soil.ch www.baumeister.ch www.sanu.ch/boden.html > Umweltschutzvorschriften erläutert Jean-Pierre Clé- tion muss der Baubegleiter den richti- fachstellen arbeiten eng mit ihr zusam- ment von der Sektion gen Ton finden, um die Anliegen des men. «Diese Kooperation bietet Ge- Boden und allgemeine Bio- Bodenschutzes durchsetzen zu kön- währ, dass die Baubranche auch logie beim BUWAL. Seit der nen. Das erforderliche Know-how ver- künftig auf fähige Bodenschutzberater Revision der Verordnung mittelt zum Beispiel die auf Umwelt- zählen kann», meint Jean-Pierre Clé- über die Belastungen des berufe spezialisierte Ausbildungsstätte ment. Bodens VBBo von 1998 ist SANU in Biel im Rahmen spezifischer Pieter Poldervaart 12 UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ
Die ausgestochenen Rasenziegel dienen später zur Begrünung der neuen Aufschüttun- INFOS gen (oben). Dank den installierten Tensiometern (unten rechts) kann die Bodenfeuchtig- Jean-Pierre Clément keit bestimmt und so die jeweilige Belastbarkeit der zu bearbeitenden Flächen ermittelt werden. Sektion Boden und allgemeine Biologie, BUWAL Tel. 031 322 68 67 Tipps für den Bodenschutz jean-pierre.clement@buwal.admin.ch Verantwortlich für den Schutz des Bodens beim Bau von Golfplätzen sind LeSetIppS die Kantone. Um jedoch 26 Anweisungen mehr oder weniger gleichen · Bodenschutz beim Bauen. BUWAL, Reihe Leitfa- Inhalts zu vermeiden, haben verschiedene Kantone gemeinsam das den Umwelt, 2001, 83 Seiten, Preis: CHF 15.–, Merkblatt «Bodenschutz beim Bau von Golfanlagen» erarbeitet. Bestellnummer: LFU-10-D Bezug: www.umwelt-schweiz.ch/boden · Wegleitung Verwertung von ausgehobenem Boden. BUWAL, Reihe Vollzug Umwelt, 2001, Auf grossen Baustellen des Bundes sind oft archäologische Notgrabun- 20 Seiten, Bestellnummer: VU-4812-D gen erforderlich. Dabei kamen die Anliegen des Bodenschutzes nach · Bodenschutz auf der Baustelle. BUWAL, Leporello Meinung von Baufachleuten bisher oftmals zu kurz – meist aus Mangel und Video, 1999, Bestellnummer: DIV-4803-D an entsprechendem Know-how. Deshalb hat das BUWAL kürzlich das Bezug aller Publikationen: BUWAL, Merkblatt «Archäologie und Bodenschutz» herausgegeben. Die Publika- Dokumentation, 3003 Bern, Fax 031 324 02 16, tion ist erhältlich bei: www.buwalshop.ch, Bestellnummer: VU-4815-D. docu@buwal.admin.ch, www.buwalshop.ch UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ 13
RAUMPLANUNG Der Schutz der besten Standorte gewinnt an Boden Die Raumplanung hat dem Bodenschutz lange zu wenig Beachtung geschenkt. In Zukunft muss sich die Landnutzung stärker nach der Bodenqualität richten. Nur so lassen sich die fruchtbaren Böden und wertvollen Naturstandorte langfristig erhalten und dauerhafte Bodenschäden vermeiden. Der Kanton Basel-Landschaft ist ein Wegbereiter dieses planerischen Bodenschutzes. Im intensiv genutzten Mittelland und vorsorglichen Bodenschutzes im Rah- Bei Gebieten ohne Raster ist kein in den Talebenen, wo die Äcker am men der Raumplanung sensibilisiert. eindeutiger Entwicklungstrend vorge- fruchtbarsten sind, ist der Druck auf geben. Hier können allenfalls Erho- die Böden am stärksten. Industrie- Vorbildfunktion des Kantons Baselland lungsanlagen und Einrichtungen für und Dienstleistungsunternehmen, aber Etwa die Hälfte der Kantone bemüht die bodenunabhängige Landwirtschaft auch die Infrastrukturanlagen der öf- sich jetzt um die Qualitätserhaltung. entstehen oder Aufwertungsmassnah- fentlichen Hand wetteifern mit der Beispielhaft tut dies der Kanton Basel- men für die Natur greifen. Landwirtschaft um die Gunstlagen. So land. Zurzeit ist ein Richtplan in Arbeit, Unterschiedlich gerasterte Flächen verschwinden beste Ackerböden unter der die Qualität und das Entwicklungs- im Richtplanentwurf stehen für drei Lagerhallen, und an den begehrten potenzial der Böden mitberücksichtigt. Kategorien von Vorrangnutzungen: Südhängen müssen immer mehr wert- So wird das Land ausserhalb der Bau- • Die Vorranggebiete Boden wollen volle Magerwiesen neuen Wohnbauten zonen und des Waldes nicht mehr nach der Landwirtschaft die tiefgründi- weichen. Die vom Landverschleiss be- traditioneller Art grossflächig in Land- gen, fruchtbaren, gut zu bearbeiten- drängten Bauern dehnen ihre Intensiv- wirtschafts- und Freihaltegebiete aufge- den und wenig belasteten Böden produktion vermehrt auf Trocken- sichern. Diese Flächen sollen weder hänge und Feuchtgebiete aus, die besser der Natur vorbehalten blie- ben. [ IN ZUKUNFT SOLL DER BODEN IN SEINER GANZEN TIEFE ZÄHLEN ] als Bauzonen noch für Masthallen und Gewächshäuser der bodenun- abhängigen Landwirtschaft bean- sprucht werden. Auch die Bodenqualität schützen teilt. Vielmehr ist die offene Landschaft • Die Vorranggebiete Natur sollen «Bis heute hat die Raumplanung diese mit einem Mosaik aus verschiedenen Trockenstandorte und Feuchtgebiete wenig nachhaltige Bodennutzung lei- Rastern überzogen, die dem Boden eine – also Magerwiesen, Extensivweiden der nicht verhindert», erklärt Jürg Zih- vorrangige Nutzung zuordnen. und Amphibienbiotope – vor ande- ler vom BUWAL. Die Qualität und «Der Bodenschutz darf sich nicht ren Nutzungsinteressen schützen. Funktion der Böden fanden bei planeri- auf die Schadstoffproblematik be- Dies können Naturschutzgebiete schen Entscheiden nämlich kaum Be- schränken, denn viele Bodenprobleme sein, aber auch von Bauern bewirt- achtung. «In Zukunft sollen nicht nur ergeben sich aus Nutzungskonflikten», schaftete inventarisierte Objekte. die Quadratmeter zählen, sondern auch erklärt Roland Bono, Leiter der kan- • Die Vorranggebiete Landschaft be- die Kubikmeter, also der Boden in sei- tonalen Bodenschutz-Fachstelle. «Wir zeichnen ästhetisch hochwertige, ner ganzen Tiefe.» Nur so lässt sich ver- müssen unser Wissen über die Emp- kleinräumig gegliederte sowie re- hindern, dass wertvolle Böden weiter- findlichkeit und Belastbarkeit der Bö- gionaltypische Gegenden, deren hin Schaden nehmen. Das BUWAL hat den in die Raumplanung einfliessen Qualität man erhalten und fördern die Kantonsbehörden in jüngster Zeit lassen, sonst haben wir bald keine zu will. verschiedentlich für das Anliegen des schützenden Böden mehr.» Fortsetzung Seite 17 14 UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ
Am Anfang steht der Stein Die Geschichte jedes Bodens beginnt mit dem Ausgangsgestein. Wie mächtig und Streuschicht fruchtbar er ist, entscheidet sich deshalb im Untergrund. Ob Kalk oder Granit, Ur- A-Horizont gestein oder Sediment, Gletscher- oder Flussablagerung – je nachdem sind die Weichen anders gestellt. Spezielle Boden- karten dokumentieren diese Vielfalt. B-Horizont Im Mittelland bilden meist Ablagerun- gen der Gletscher und Flüsse das Aus- gangsmaterial. Die Entwicklung nahm ihren Anfang mit den ersten hoch speziali- sierten Pflanzenarten, die auf dem nackten Schotter Wurzeln schlagen konnten. Gleichzeitig begann das von der Eisdecke befreite Gestein zu verwittern. Boden C-Horizont wächst also von oben und von unten. Im Bodenprofil unterscheidet man grundsätzlich vier Horizonte: Ruth Schürmann • Die oberste Streuschicht besteht aus Jeder Boden besteht aus vier Horizonten – von der obersten Streuschicht aus totem pflanzlichem totem pflanzlichem Material in begin- Material bis zum steinigen Untergrund (oben). nender Zersetzung. • Darunter liegt der humose Oberboden Im Kanton Baselland gibt die Bodenkarte (unten) Auskunft über die unterschiedlichen Standort- – oder A-Horizont –, in dem das eigenschaften und Bodenqualitäten. Aus den Farben und Buchstabenfolgen in den Feldern lassen Bodenleben den grössten Teil der sich Informationen über den Wasserhaushalt, den Bodentyp sowie die Mächtigkeit, Zusammen- Abbauarbeit leistet. setzung und Geländeform der jeweiligen Standorte ablesen – hier am Beispiel eines Ausschnitts in • Der mineralienreiche Unterboden wird der Gemeinde Aesch BL. als B-Horizont bezeichnet. • Unter ihm liegt der steinige Unter- grund oder C-Horizont. Grundbausteine eines lebendigen Bo- dens sind die Krümel. Es handelt sich dabei um komplizierte Aggregate aus Ton-Humus-Komplexen im Oberboden. Diese werden durch Bakterien- und Al- genschleim, das Geflecht der Pilze sowie chemisch-physikalische Kräfte zusammen- gehalten. Die Oberfläche der Krümel ist enorm und kann pro Hektare insgesamt 500 000 Quadratkilometer erreichen. An dieser Grenzschicht spielen sich die bio- logischen und chemischen Prozesse im Boden ab. Die Bildung der Ton-Humus-Komplexe dauert 10 bis 50 Jahre. Dagegen sind die B-Horizonte der hiesigen Böden 100 bis 10 000 Jahre alt. Landwirtschaftliches Zentrum Ebenrain BL UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ 15
Richtplanausschnitt, 1 verwaltungsinterner Entwurf, in Diskussion. 1 Braun-getreifte Flächen gehören zu den Vorranggebieten Boden, sind also tiefgründige, 3 fruchtbare Böden. 2 Grün-karierte Flächen bezeichnen die Vorranggebiete 2 Natur, also etwa Trockenstandorte und Feuchtgebiete. 3 Grün-gestreifte Flächen sind Vorranggebiete Landschaft und bezeichnen ästhetisch hoch- wertige, kleinräumig gegliederte sowie regionaltypische Standorte. 16 UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ Luftaufnahme des Bundesamtes für Landestopografie vom 24.4.2000, Luftbildarchiv FD/KSL/Fluglinie 013 272, Bild Nr. 5275
Am Anfang stand die Bodenkarte Einerseits sind gewisse Diffe- des Bodenschutzes tut das weh», Für die Festlegung der besonders renzierungen der Bodenschutz- kommentiert Roland Bono. «Aber schützenswerten Böden konnten karte erst auf der Ebene der Zonen- es ist eine Realität, dass dies unter sich die Planer in Baselland auf planung in der Gemeinde relevant. bestimmten Bedingungen gesetz- eine Erhebung der Bodeneigen- Andererseits wählte der Kanton mässig erlaubt ist. Wir müssen schaften im Landwirt- deshalb gute Grundlagen [ schaftsgebiet stützen. Die liefern für die letztlich ] UNTERSCHIEDLICHE daraus abgeleitete Karte der politische Interessenab- NUTZUNGSINTERESSEN PRALLEN besonders schutzwürdigen wägung.» Flächen weist beispielsweise AUFEINANDER Besonders brisant ist Böden aus, die spezielle die Forderung bei den Standorteigenschaften für die Bio- mehrere Stufen bis zum Richtplan. hervorragenden Lössböden in topentwicklung haben. Erfasst sind Vorerst erarbeitete die Verwaltung Stadtnähe. Interessenkonflikte er- auch Bodenformationen, die auf Grund der diversen land- geben sich aber auch, wenn auf wegen ihrer Seltenheit zu schützen schaftsbezogenen Vorgaben ein Fruchtfolgeflächen Golfplätze oder sind. Zudem haben die Behörden Landschaftsentwicklungskonzept. andere Freizeitanlagen entstehen Böden mit hoher Verdichtungs- Danach entstand ein Konzept sollen. Letztlich wird das kantona- empfindlichkeit oder Erosions- der räumlichen Entwicklung, das le Parlament entscheiden müssen, gefährdung bezeichnet und die be- sämtliche Nutzungsinteressen – ob man auf besten Böden künftig sondere Eignung für Ackerbau oder also auch Mobilität, Siedlungsbau, spielen oder produzieren will. Grünlandnutzung festgehalten. Erholungsnutzung, Deponien und weitere – einbezieht. Dieses Kon- Beatrix Mühlethaler Verknüpfung mit zept lieferte die verbindlichen Leit- anderen Interessen linien für den Richtplanentwurf, Diese Grundlage hat nicht voll- dem nun ein ausführliches Ver- LeSetIpp ständig Eingang in den Richtplan- nehmlassungsverfahren bevorsteht. Konzept räumliche Entwicklung entwurf gefunden. «Der Boden- Kanton Basel-Landschaft (KORE). schutz kann nicht erwarten, dass Ringen um den Boden Bezug: Amt für Raumplanung BL, die Raumplanung besondere Bo- Zwangsläufig prallen die Nut- 4410 Liestal, Tel. 061 925 59 33, denschutzgebiete definiert», meint zungsinteressen bei der Bodenpla- www.baselland.ch Roland Bono dazu. «Wir versuchen nung hart aufeinander, sodass Auskunft: Martin Huber vielmehr, die Bodenschutzinte- Kompromisse unumgänglich sind. ressen mit anderen Be- Dabei erleidet auch der Boden- INFOS LINK dürfnissen zu verknüp- schutz Abstriche. So akzeptieren Roland Bono fen. So können etwa bäuerliche Kreise zum Beispiel Amt für Umweltschutz www.bl.ch/boden besonders erosionsan- nicht, dass die fruchtbarsten Bö- und Energie BL fällige Böden Anlass für den der bodenabhängigen Land- Tel. 061 925 61 11 Massnahmen zur Auf- wirtschaft vorbehalten bleiben roland.bono@bud.bl.ch wertung der Landschaft sollen, weil sie auch dort Mast- sein.» hallen erstellen wollen. «Aus Sicht Jürg Zihler, BUWAL, siehe Seite 7 UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ 17
RAUMPLANUNG Siedlungsflächen verdrängen das Kulturland Das Siedlungswachstum verschlingt viel Boden und überwuchert die Landschaft. Im Durchschnitt der letzten Jahre mussten jährlich gut 27 Quadratkilometer Wiesen und Äcker neuen Siedlungen weichen. Die Arealstatistik des Bundes zeigt auf, wie stark das Kulturland unter Druck steht. VOR 1909 K. Lüdin, Fotoarchiv Druckerei Lüdin AG, Liestal Wer von einem Hügel am Rand der Agglomeration die Land- mit der ungebrochenen Nachfrage nach Einfamilienhäusern schaft überblickt, sieht fast überall Baukrane. Immer weiter zusammen. Besonders stark ist der Trend im Umfeld der dehnen sich die Quartiere ins Kulturland hinaus – neue Wohn- Agglomerationen sowie in den Ferienkantonen Wallis, Tessin überbauungen, Einkaufszentren, Freizeitparks, Industriegebäu- und Graubünden, wo sich der Bau von Zweitwohnungen de oder Golfplätze verdrängen Äcker und Wiesen. Da und dort auswirkt. Das von der Raumplanung angestrebte verdichtete graben Bagger Schneisen für Zufahrten und Umfahrungs- Bauen hat sich ausserhalb der Städte also noch kaum durch- strassen. gesetzt. Dezentrale Wohngebiete sind mit dem öffentlichen Verkehr nur schwer zu erschliessen und ziehen deshalb neue Immer mehr Siedlungsfläche pro Person Strassenbauten nach sich. Zwei Erhebungen der Arealstatistik über die Bodennutzung in Mit einem Wachstum von nahezu 25 Prozent ist auch der den Zeiträumen von 1979/85 und 1992/97 dokumentieren die zusätzliche Flächenverbrauch für Industriegebäude überdurch- tiefgreifenden Veränderungen. Trotz Rezession ist die Sied- schnittlich hoch. «Durch eine sinnvolle Umnutzung der zahlrei- lungsfläche innerhalb von zwölf Jahren um rund 13 Prozent chen Industriebrachen in den Städten liesse sich diese oder 327 Quadratkilometer gewachsen. Dies entspricht unge- Entwicklung stoppen», erklärt Jürg Zihler vom BUWAL. fähr der Grösse des Kantons Schaffhausen. Neben den Gebäu- dearealen erfasst das Bundesamt für Statistik BFS unter ande- 482 km2 weniger Kulturland rem auch Grünanlagen und Verkehrsflächen. Wo sich Siedlungen ausbreiten, schwindet die offene Land- Der Bodenverbrauch für Wohnzwecke hat stärker zugenom- schaft und es geht Boden für die landwirtschaftliche Produk- men als die Wohnbevölkerung. Dies liegt einerseits an der tion verloren. In der Vergleichsperiode zwischen 1979/85 und wachsenden Zahl von Kleinhaushalten und hängt andererseits 1992/97 ist das Kulturland um 482 Quadratkilometer oder 18 UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ
1999 Karl Martin Tanner, Seltisberg Der Blick vom Liestaler Aussichtsturm auf Frenkendorf BL zeigt die mas- sive Veränderung der Landschaft: Vor 1909 (links) prägten tausende von Feldobstbäumen das Landschafts- bild. 1999 (rechts) sind die Kirschbäume grösstenteils verschwunden. Ur- sachen dafür sind der Verlust von Kulturland durch das starke Wachstum der Siedlungsflächen, aber auch die Rationalisierung in der Landwirtschaft. rund drei Prozent geschrumpft. Dieser Verlust geht LINKS zu fast 62 Prozent auf das Konto der Bautätigkeit. www.are.admin.ch www.statistik.admin.ch > Fachbereiche > Raum und Umwelt Über ein Drittel der Fläche haben die Bauern selbst © Arealstatistik Schweiz aufgegeben. Es handelt sich dabei vorwiegend um Entwicklung der Gebäudeareale (ohne Industrie) 1979/85 – 1992/97. abgelegene und schwer zu bewirtschaftende Alpflä- chen, die verbuschen und wieder zu Wald werden. LeSetIpp Während der überwachsene Boden seinen Natur- Bodennutzung im Wandel. Arealstatistik Schweiz. wert behält, ist überbauter Boden fast unwieder- Publikumsbroschüre BFS, 2001, Bezug: Bundesamt für Statistik, bringlich geschädigt. «Deshalb ist die Siedlungs- 2010 Neuenburg, Tel. 032 713 60 60 entwicklung nach innen und die Erneuerung bestehender Bauten endlich stärker zu fördern», INFOS meint Jürg Zihler. «Nur so werden spätere Generatio- Anton Beyeler, Sektion Thierry Nippel, Sektion nen noch über genügend offenen Boden verfügen, Geoinformation, BFS (D) Geoinformation, BFS (F) den sie nach ihren Bedürfnissen bewirtschaften kön- Tel. 032 713 61 61 Tel. 032 713 69 76 nen.» Beatrix Mühlethaler anton.beyeler@bfs.admin.ch thierry.nippel@bfs.admin.ch UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ 19
GELÄNDEAUFFÜLLUNGEN Bauernfängerei mit belastetem Aushub Immer wieder dienen Geländemulden in der Landwirtschaftszone als illegale Bauschuttdeponien. Die vermeintliche Melioration erweist sich in der Folge als Gefahr für die Bodenfruchtbarkeit und das Grundwasser. Neben der Umwelt bezahlen vor allem betroffene Bauern die Zeche. Bei einer Routineinspektion stösst der Thurgauer Abfallinspektor in einer Landwirtschaftszone auf Ziegelsteine, Betonabbruch, Teerstücke, Asphalt- platten und Plastikplanen. Offensicht- lich ist hier Bauschutt missbräuchlich zur Aufschüttung einer Geländemulde verwendet worden. Nach einer Mel- dung an Ursin Ginsig vom Ressort Boden und Altlasten im kantonalen Amt für Umwelt wird rasch klar, dass ein Bauunternehmer das Aushubmate- rial illegal, aber in Absprache mit dem betroffenen Bauern entsorgt hat. Solche Auffüllungen sind Kant. Amt für Umwelt, Thurgau nämlich nur mit unbelaste- Wie hier im Kanton Thurgau werden Bauabfälle immer wieder illegal als Auffüllmaterial für das Ein- tem Erdreich erlaubt und set- ebnen von Geländemulden in der Landwirtschaftszone eingesetzt. Bauschutt, Betonabbruch, Ziegel, zen zwingend eine kantonale Asphalt und Kunststoffe mussten in diesem Fall nach der Entdeckung durch die Behörden gesetzeskon- Bewilligung voraus. Diese form entsorgt werden. Ursin Ginsig, wird nur unter der Bedingung kantonales Amt einer tatsächlichen Boden- schen Verfahrens muss das belastete für Umwelt verbesserung erteilt. Dabei Material deshalb wieder ausgegraben Thurgau dürfen Böden, Grundwasser und umweltgerecht entsorgt werden. und Bodenfruchtbarkeit keinesfalls be- Der Bauer und sein Aushublieferant einträchtigt werden. haben mit einer Busse zu rechnen. Gefahr für die Nutzpflanzen Umgehung von Entsorgungskosten Im konkreten Fall gefährden die im Das Thurgauer Beispiel ist kein Einzel- Bauschutt enthaltenen Schadstoffe fall. Im Gegensatz zu grösseren Firmen neben den Naturgütern auch die Nutz- verfügen viele kleinere Bauunterneh- pflanzen. Deren Wachstum und men meistens nicht über eigene Kies- Qualität wird durch die mögliche Auf- gruben, wo sie ihren Bauaushub kos- nahme von ausgeschwemmten Gift- tenlos deponieren können. Müssen sie stoffen empfindlich beeinträchtigt. unbelastetes Material in fremden Gru- «Zusätzlich droht die Gefahr, dass der ben entsorgen, so kostet sie dies 5 bis Boden seine natürliche Fähigkeit zur 8 Franken pro Kubikmeter. Für leicht Anreicherung und Abgabe von Nähr- belasteten Aushub bezahlt man 18 bis stoffen verliert und die Funktion zur 35 Franken je m3. Und drängt sich gar Reinigung des Sickerwassers einbüsst», die Ablagerung auf einer Reaktor- oder erklärt Jean-Pierre Clément vom Reststoffdeponie auf, so steigt der Preis BUWAL. Nach Einleitung eines juristi- auf 160 Franken pro m3. Da ist die Ver- 20 UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ
Angebliche Melioration: Auch die Asche suchung gross, es bei der Triage des Bau- dieses Brandplatzes belastet den Boden. Neben der Kontrolle des Aushubmate- schutts nicht allzu genau zu nehmen rials wird dabei auf eine fachkundige Bo- oder eine billige Ersatzlösung zu suchen denschichtung geachtet. «Nicht nur die – vor allem wenn es um einige zehntau- Verwendung von ungeeignetem Mate- send Kubikmeter geht, wie sie bereits bei rial, sondern auch Erdbewegungen bei mittelgrossen Bauvorhaben anfallen. feuchtem Boden, zu schwere Maschinen oder falsche Arbeitsabläufe können den Falsche Erwartungen der Bauern geschütteten Boden verdichten und so Bei manchen Landwirten stossen die dessen Fruchtbarkeit beeinträchtigen», Angebote zur Auffüllung von Mulden warnt Jean-Pierre Clément. auf offene Ohren, weil Senken in Acker- flächen die maschinelle Bewirtschaf- Ernüchternde Resultate tung erschweren. Dies gilt speziell, Selbst wenn nicht gepfuscht wird, darf wenn ein Bauunternehmer dafür noch der Bauer das neu gewonnene Land Geld anbietet. «Gesucht Aushubde- während mindestens fünf Jahren nur ponie» heisst es im Inseratenteil eines sehr behutsam bewirtschaften. Und es landwirtschaftlichen Fachblatts. Offe- dauert weitere fünf Jahre, bis ein sol- riert wird eine finanzielle Entschädi- cher Boden seine volle Fruchtbarkeit gung, doch ist von der zwingend not- erlangt. Eine Zürcher Studie zeigt, dass wendigen Bewilligung keine Rede. Sie nur eine Minderheit der Bauern diese wäre für die Deponierung von Aushub Geduld aufbringt – sofern die Aufschüt- Betonabbruch kann Grundwasser mit Chrom VI auch nicht zu haben, hält Ursin Ginsig tung überhaupt sachgerecht ausgeführt belasten (oben). In der Auffüllung mit Bauschutt, fest: «Das ist ganz klar gesetzeswidrig.» worden ist. In zehn untersuchten Fäl- Beton und Schwarzbelag ist kein geschichteter Der Kanton Thurgau lehnt etwa die Aufbau des Bodens mehr zu erkennen (unten). len von vermeintlichen Bodenverbes- Hälfte der jährlich rund 40 Gesuche für serungen liess sich keine positive Ent- «Bodenverbesserungen» ab, weil die wicklung feststellen – vielmehr gab es Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die sogar eine Verschlechterung der Bo- landwirtschaftlich genutzten Flächen denfruchtbarkeit. Trotzdem waren die müssen nämlich so beschaffen sein, Bauern von einer Verbesserung über- dass sich tatsächlich eine Bodenverbes- zeugt, weil sie das aufgeschüttete Land serung aufdrängt und diese als Folge besser bearbeiten konnten. Jean-Pierre der Massnahmen effektiv zu erwarten Clément hält dies «für einen Trug- ist. Die Fachleute sprechen dabei von schluss, denn oft lässt sich die ge- «Bodenhorizonten» (siehe Seite 15). Der wünschte Fruchtbarkeit nur mit dem A-Horizont umfasst die rund 30 Zenti- Einsatz von grossen Düngermengen er- meter dicke Humusschicht. schlimmer. In solchen Fällen wäre eine reichen». LINK Der darunter liegende B-Hori- einfache Drainage die beste Lösung.» Noch schlimmer sieht es aus, wenn > Bodenschutz > Terrainveränderungen www.zug.ch/afu > Drucksachen zont ist 60 Zentimeter bis ei- unter dem Acker Altlasten lagern. Für nen Meter mächtig und hat Zahlreiche Risiken deren zwingende Beseitigung und kor- eine wichtige Funktion als Bei Gesuchen für grössere Terrain- rekte Entsorgung ist immer der Grund- Wasserfilter. Häufig hätten auffüllungen geht es freilich auch um eigentümer verantwortlich, auch wenn Bauern die Erwartung, ein Fragen des Natur- und Landschafts- er bestenfalls den verantwortlichen Boden, der das Wasser schlecht schutzes, die nicht in den Verantwor- Bauunternehmer haftbar machen kann. ableite, lasse sich mit einer tungsbereich der Bodenschutzfach- Urs Fitze Auffüllung sanieren, stellt Ur- stellen fallen. Diese erstellen reine sin Ginsig fest. «Oft ist jedoch Fachgutachten und prüfen bei einer INFOS das Gegenteil der Fall – es wird Bewilligung die korrekte Ausführung. Jean-Pierre Clément, BUWAL, siehe Seite 13 UMWELT 2/04 BODENSCHUTZ 21
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