UMWELTBILDUNG UND -ERZIEHUNG IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN

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UMWELTBILDUNG UND -ERZIEHUNG IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN
Bayerisches Staatsministerium für
              Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen
                          Bayerisches Staatsministerium für
                                   Umwelt und Gesundheit

                             Familie und Jugend

UMWELTBILDUNG UND -ERZIEHUNG
  IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN
    AUSGEWÄHLTE THEMEN UND PROJEKTE
 BILDUNG FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG
UMWELTBILDUNG UND -ERZIEHUNG IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN
Umweltbildung und
            -erziehung in
Kindertageseinrichtungen
           Ausgewählte Themen und Projekte

 Handreichung für das pädagogische Personal
UMWELTBILDUNG UND -ERZIEHUNG IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN
Inhaltsverzeichnis

                     Vorwort                                                                            5

                     Umweltbildung / Bildung für nachhaltige Entwicklung                             6–9

                     Bildungsverständnis und Bildung für nachhaltige
                     Entwicklung im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan                       10 – 13

                     1 Boden/Erde
                       1.1 Hintergrundinformationen                                                14 – 15
                       1.2 Projektbeispiel „Wir erkunden den Boden“                                16 –25
                       In Zusammenarbeit mit dem Städtischen Kinderhaus,
                       Felicitas-Füss-Straße 14, München (Oberbayern)

                     2 Wasser
                       2.1 Hintergrundinformationen                                                26 –27
                       2.2 Projektbeispiel „Sauberes Wasser ist kostbar”                           28 –39
                       In Zusammenarbeit mit dem Städtischen Kindergarten Sonneneck,
                       Kaufbeuren (Schwaben)

                     3 Energie und Klima
                       3.1 Hintergrundinformationen                                                40 – 41
                       3.2 Projektbeispiel „Energie entdecken und Klima schützen“                  42 – 49
                       In Zusammenarbeit mit der Kindertageseinrichtung „Hand in Hand“,
                       Hemhofen bei Forchheim (Oberfranken)

                     4 Ernährung
                       4.1 Hintergrundinformationen                                                50 – 51
                       4.2 Projektbeispiel „Ist Schokoladencreme gesund?“                          52 – 59
                       In Zusammenarbeit mit dem Städtischen Kinderhaus,
                       Felicitas-Füss-Straße14, München (Oberbayern)

                     5 Biologische Vielfalt (Biodiversität)
                       5.1 Hintergrundinformationen                                                60 – 61
                       5.2 Projektbeispiel „Die Entdeckerwiese”                                    62 – 73
                       In Zusammenarbeit mit dem LBV Kindergarten arche noah,
                       Hilpoltstein (Mittelfranken)

                     6 Abfallwirtschaft, Verbraucherschutz und Konsum
                       6.1 Hintergrundinformationen Abfallwirtschaft                               74 – 75
                       6.2 Hintergrundinformationen Verbraucherschutz und Konsum                   76 – 77
                       6.3 Projektbeispiel „Wir wünschen uns ein Baumhaus”                         78 – 89
                       In Zusammenarbeit mit der Kindertageseinrichtung „Waldkinder-Regensburg“,
                       Pielenhofen bei Regensburg (Oberpfalz)

                     Bildnachweis                                                                      90

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UMWELTBILDUNG UND -ERZIEHUNG IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN
Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

Kinder sind von Natur aus neugierig und begeisterungsfähig. Sie haben ein besonderes
Gespür für ihre Umwelt und nehmen sie intensiv mit allen Sinnen wahr. Hier setzt die
Umweltbildung an. Kindertageseinrichtungen bieten den Kindern vielfältige Möglichkeiten,
ihre Umgebung zu entdecken. Spielerisch und altersgerecht werden sie an die Zusammen-
hänge der Natur herangeführt und ihre kindlichen Kompetenzen gestärkt. Sie lernen
verstehen, dass Natur und Umwelt wichtige Bestandteile vieler Bereiche des täglichen
Lebens sind und wir Menschen Verantwortung für sie tragen.

Umweltbewusstes und umweltgerechtes Denken und Handeln sind Voraussetzung für die
Bewahrung der natürlichen Lebensressourcen nachfolgender Generationen. Umweltbil-
dung und -erziehung sind in Bayern gesetzlich verankert (§ 8 AVBayKiBiG) und gehören
seit jeher zum Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen. Da die unterschiedlichsten
Lebensbereiche berührt sind, findet sich Umweltbildung als durchgängiges Prinzip in vielen
Bereichen des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans. Von „Werteorientierung und
Religiosität“ über „Gesundheit“, „Ästhetik, Kunst und Kultur“ bis hin zu „Naturwissenschaft
und Technik“.

Die Broschüre gibt neue Impulse bei der Arbeit in Kindertageseinrichtungen und der
Bildung für nachhaltige Entwicklung. Als Nachfolgeprojekt der 1997 aufgelegten und 2005
aktualisierten Broschüre „Umwelterziehung im Kindergarten. Gemeinsam geht es am
besten“ führt sie Sachinformationen und Zielvorstellungen sowie aktuelles pädagogisches
Fachwissen zusammen.

Für die pädagogische Arbeit stellt die Broschüre zentrale Themen aus dem Bildungsbereich
„Umwelt“ vor. Die Kapitel hierzu sind einheitlich gegliedert. Hintergrundinformationen
zeigen inhaltliche Ansatzpunkte für die Arbeit auf. Anschauliche Beispiele aus der Praxis
verdeutlichen, wie Kinder Zusammenhänge erkennen und verstehen und so einen nachhal-
tigen Lebensstil entwickeln können.

Die Broschüre richtet sich an alle, die Bildungsprozesse in Kindergarten- oder Grundschul-
einrichtungen begleiten. Sie soll Sie, liebe Leserinnen und Leser, dabei unterstützen,
umweltpädagogische Themen gemeinsam mit den Kindern zu erschließen.
Den an der Erstellung der Broschüre beteiligten Kindertageseinrichtungen, dem Landes-
bund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) und der Leuchtpol gGmbH danken wir für die
Bereitstellung der Projektbeispiele, dem LBV darüber hinaus für den Beitrag zur Umweltbil-
dung / Bildung für nachhaltige Entwicklung. Den Staatsministerien für Ernährung, Landwirt-
schaft und Forsten sowie der Justiz und für Verbraucherschutz danken wir für ihre fachliche
Unterstützung bei den Themen Ernährung, Verbraucherschutz und Konsum.

Wir wünschen Ihnen und vor allem den Kindern beim Gestalten und Umsetzen der Anre-
gungen in die Praxis viel Freude und Erfolg!

Christine Haderthauer MdL                       Dr. Marcel Huber MdL
Bayerische Staatsministerin für                 Bayerischer Staatsminister für
Arbeit und Sozialordnung,                       Umwelt und Gesundheit
Familie und Frauen
                                                                                                  5
UMWELTBILDUNG UND -ERZIEHUNG IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN
Umweltbildung /
    Bildung für nachhaltige Entwicklung

    Nachhaltige Entwicklung ist heute das            Nachhaltige Entwicklung ist ohne intensive
    allgemein anerkannte Leitbild, wirtschaft-       Bildungsarbeit nicht möglich. Im Kapitel 36,
    liche Leistungsfähigkeit, soziale Gerechtig-     S. 261 der Agenda 21 ist dazu festgehalten:
    keit, ökologische Verträglichkeit und demo-      „Bildung ist eine unerlässliche Vorausset-
    kratische Politikgestaltung zu verbinden         zung für die Förderung einer nachhaltigen
    und die Zukunftschancen unserer Gesell-          Entwicklung und die Verbesserung der
    schaft zu sichern.                               Fähigkeit der Menschen, sich mit Umwelt-
                                                     und Entwicklungsfragen auseinanderzu-
    Ausgangspunkt war die Agenda 21. 1992            setzen…“
    verpflichteten sich in diesem Aktionspro-
    gramm 178 Staaten auf der Konferenz der
    Vereinten Nationen in Rio de Janeiro,            UN-Dekade
    nachhaltige Entwicklung als Grundprinzip
    ihrer Politik einzuführen. Nachhaltige           Dieser Gedanke wurde auf der Konferenz
    Entwicklung ist damit das zentrale Leitbild      der Vereinten Nationen 2002 in Johannes-
    für die Gestaltung der Zukunft weltweit.         burg noch einmal aufgegriffen. Es wurde
    Der dadurch eingeleitete Wandlungsprozess        bekräftigt, dass auf Bildung für nachhaltige
    bezieht alle gesellschaftlichen Gruppen mit      Entwicklung nicht verzichtet werden darf,
    ein. Er ist sehr lang und letztendlich auf die   und der Beschluss gefasst, von 2005 bis
    Bereitschaft und den Beitrag eines jeden         2014 eine UN-Dekade „Bildung für nach-
    Einzelnen angewiesen.                            haltige Entwicklung“ auszurufen.
                                                     Ziel der Dekade ist es, die Idee der nach-
    Prinzipiell geht es bei nachhaltiger Entwick-    haltigen Entwicklung weltweit in den
    lung um zweierlei:                               nationalen Bildungssystemen zu verankern.
    t zum einen um die Herstellung von
       Verteilungsgerechtigkeit in der jetzigen      In der Bundesrepublik wurde auf Beschluss
       Generation und                                des Deutschen Bundestages 2004 ein
    t zum anderen um die Sicherung der              nationaler Aktionsplan entwickelt, der vier
       Entwicklungsmöglichkeiten kommender           strategische Ziele verfolgt:
       Generationen.                                 t Die gute Praxis der Bildung für nachhal-
    Derzeit verbrauchen die hochindustrialisier-        tige Entwicklung soll weiterentwickelt
    ten Länder des Nordens sehr viel mehr an            und auf ein breites Fundament gestellt
    Ressourcen als die weniger entwickelten             werden. Dabei sollen alle Bildungseinrich-
    Länder des Südens. Gleichzeitig tragen sie          tungen von der Kindertageseinrichtung
    zu einem weitaus höheren Schadstoffaus-             bis zur Weiterbildungsstätte eingebunden
    stoß weltweit bei. Raubbau an natürlichen           sein, aber auch das breite Spektrum der
    Ressourcen gilt es im Interesse der Entwick-        informellen Bildung soll erreicht werden.
    lungsmöglichkeiten zukünftiger Generatio-        t die Vernetzung der Akteure
    nen zu vermeiden. Klimawandel, der Verlust       t die Verbesserung der öffentlichen Wahr-
    der Artenvielfalt, die Ausbreitung der Wüsten       nehmung und
    oder die Tatsache, dass über 750 Millionen       t die Stärkung internationaler Kooperatio-
    Menschen keinen Zugang zu sauberem                  nen, da nachhaltige Entwicklung nicht an
    Wasser haben, sind traurige Belege für unser        Landesgrenzen Halt macht.
    derzeitiges nicht-nachhaltiges Verhalten.

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UMWELTBILDUNG UND -ERZIEHUNG IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN
Bayerischer Aktionsplan                         Schlagworten Kopf, Herz und Hand in der
                                                Praxis viele Anhänger fand.
Aufgrund des föderalen Bildungssystems
der Bundesrepublik Deutschland entschloss       Ziel der Bildung für nachhaltige Entwicklung
sich der Arbeitskreis Bildung für nachhal-      ist die Stärkung von Kompetenzen und
tige Entwicklung unter Federführung des         Werten im Sinne von Gestaltungskompe-
Bayerischen Staatsministeriums für Um-          tenz. Sie bezeichnet die Fähigkeit, Wissen
welt und Gesundheit, einen bayerischen          über nachhaltige Entwicklung anzuwenden
Aktionsplan zu entwickeln, der sich speziell    und Probleme nicht-nachhaltiger Entwick-
mit den Akteuren von Umwelt, Bildung und        lung zu erkennen. In einfachen Worten
Nachhaltigkeit im Freistaat befasst. Er zeigt   bedeutet Gestaltungskompetenz nichts
maßgeschneiderte Perspektiven für Bildung       anderes als: Hier nicht leben auf Kosten von
für nachhaltige Entwicklung in allen            anderswo und heute nicht auf Kosten von
Bildungsbereichen auf.                          morgen.

Ausgehend von der Tatsache, dass nachhal-
tige Entwicklung nur auf der Grundlage von      Bedeutung von BNE
Wissen und Werten erfolgen kann, wurden         im Elementarbereich
Perspektiven für alle Bildungsbereiche ent-
wickelt und 2009 der Öffentlichkeit vorge-      Bildung für nachhaltige Entwicklung will
stellt. Auf Seite 50 ist dort für den Elemen-   nicht von Erwachsenen verursachte Proble-
tarbereich zu lesen: „Die moderne Lern-         me in die Kindertageseinrichtung verlagern.
psychologie und Hirnforschung zeigt, dass       Im Gegenteil, Bildung für nachhaltige Ent-
Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren weit         wicklung bietet für die Kinder eine große
mehr bildungsbereit und bildungsfähig           Chance, zu entdecken, welche Potentiale für
sind, als man bisher angenommen hat.            sie in einer sich dynamisch entwickelnden
Wichtige Anlagen und Kompetenzen                und vielfältigen Welt liegen und welche
werden in diesem Zeitraum in sensiblen          Möglichkeiten zur Mitgestaltung vorhanden
Phasen angelegt und Werthaltungen               sind. Zuversicht mit Blick auf eine lebens-
etabliert. Aus diesem Grund ist es wichtig,     werte Zukunft erfahren Kinder vor allem
mit Inhalten und Methoden der Bildung für       durch das Vorbild von Erwachsenen, die
nachhaltige Entwicklung diese Kompeten-         sich engagiert für eine gesunde Umwelt
zen optimal zu fördern. Insbesondere sollen     einsetzen, und dadurch, dass sie sich selbst
Initiativen gefördert werden, die sich mit      am umweltgerechten Alltagshandeln in der
Bildung für nachhaltige Entwicklung im          Kindertageseinrichtung beteiligen. Auf diese
Elementarbereich befassen, die Aus- und         Weise entwickeln Kinder auch die Kompe-
Weiterbildung der Fachkräfte in diesem          tenz zur Problemlösung und die Bereit-
Bereich verstärkt und Öffentlichkeitsarbeit     schaft, Verantwortung für sich selbst, die
intensiviert werden.“                           Gemeinschaft und die Umwelt zu überneh-
                                                men. Bildung für nachhaltige Entwicklung
                                                fördert durch Partizipation, Situations- und
Umweltbildung / Bildung für                     Handlungsorientierung gerade in heteroge-
nachhaltige Entwicklung                         nen Gruppen die Suche nach konstruktiven
                                                Lösungen.
Ziel der Umweltbildung ist es, einen verant-
wortungsbewussten Umgang mit Umwelt             Konkrete Anknüpfungsmöglichkeiten bietet
und den natürlichen Ressourcen zu vermit-       unsere heimische Natur im Garten und im
teln. Dabei wird über einen ganzheitlichen      Umfeld der Kindertageseinrichtung. Hier
Ansatz die affektiv-emotionale Ebene, die       können Kinder als Entdecker und Erforscher
kognitive wie auch die aktionale Ebene          ihrer Welt tätig werden und all ihre Fähig-
berücksichtigt. Ein Ansatz, der mit den         keiten und Fertigkeiten stärken. Darüber

                                                                                               7
UMWELTBILDUNG UND -ERZIEHUNG IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN
hinaus hält der Kindergartenalltag vielfälti-   higen Kommune werden. Auch in diesem
    ge Möglichkeiten bereit, im demokratischen      Kontext gibt es zahlreiche Anknüpfungs-
    Miteinander Umweltprojekte zu planen,           punkte für die aktive Beteiligung von Kindern
    Schwerpunkte zu setzen und bei der Suche        und Eltern (Maßnahmen zur Abfallvermei-
    nach umweltgerechten Lösungen zu koope-         dung, Mülltrennung, Kompostierung, zur
    rieren. In der Zusammenarbeit mit fachkun-      Reduzierung von Energieverbrauch, Aus-
    digen Stellen (der lokalen Agenda 21, Um-       wahl ortsnaher Zulieferer etc.), um umwelt-
    welt- und Naturschutzverbänden, Umwelt-         verantwortliches Denken und Handeln zu
    stationen, Abfall- und Energieberatungs-        stärken.
    stellen, Forstämtern, Verbraucherschutz-
    organisationen etc.) werden die vielfältigen    Themenauswahl
    Möglichkeiten von nachhaltigem umwelt-
    bezogenen Denken und Handeln deutlich.          Bei der Auswahl der Themen für die vorlie-
                                                    gende Broschüre haben wir neben dem
    Mit Blick auf die anzustrebende Bildungs-       eindeutigen Bezug zur nachhaltigen Ent-
    und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern      wicklung vor allem darauf geachtet, dass sie
    ist es notwendig, dass sich diese mit den       sich im ganz normalen Alltag der Kinderta-
    Werthaltungen, die der Bildung für nachhal-     geseinrichtung umsetzen lassen, ohne zu
    tige Entwicklung zu Grunde liegen, ausein-      große Anforderungen an spezielle natur-
    anderzusetzen. Vor allem Beteiligungsmög-       räumliche Gegebenheiten oder das Spiel-
    lichkeiten, aber auch Informationen und ein     und Experimentiermaterial zu stellen.
    entsprechendes Angebot an Materialien
    tragen dazu bei, dass Eltern die Methoden
    der Bildung für nachhaltige Entwicklung         Boden/Erde
    auch im familiären Umfeld integrieren.
                                                    Als Grundlage menschlichen Lebens erfüllt
                                                    die Naturressource Boden unentbehrliche
                                    Ökologie
                                                    Funktionen wie z. B. Trinkwasserversorgung,
                                                    Nahrungsmittelproduktion oder dient als
                                                    Bau- und Rohstofflager. Darüber hinaus ist
                                     Soziales       der Boden aber Lebensraum zahlreicher
                                                    Lebewesen, seien es Mikroorganismen,
                                                    Bakterien, Pilze, Tiere oder höhere Pflanzen.
                                                    Hier wird der Boden zum Entdeckungsraum
                                                    für die tägliche Kindergartenarbeit und
                                    Ökonomie
                                                    bietet zahlreiche Erlebnis- und Untersu-
                                                    chungsmöglichkeiten.
    Die Kindertageseinrichtung als
    möglicher Modellort der zukunfts-
    fähigen Kommune                                 Wasser

    Wird der Begriff der nachhaltigen Entwick-      Aufgrund der Tatsache, dass unsere Erde zu
    lung auf die Betriebsführung, die Auswahl       drei Viertel von Wasser bedeckt ist, wird sie
    der Lieferanten oder die Gestaltung von         gerne auch als blauer Planet bezeichnet.
    Außengelände und Gebäude ausgedehnt,            Scheinbarer Wasserüberfluss relativiert sich
    so müssen Träger und politische Entschei-       schnell, wenn wir die Salzwasser- von den
    dungsträger in der Gemeinde bzw. Kommu-         Süßwasservorräten der Erde trennen und
    ne einbezogen werden. Wird das Innova-          sehen, wie wichtig der Zugang zu sauberem
    tionspotential der Bildung für nachhaltige      Trinkwasser für uns Menschen ist. Über den
    Entwicklung genutzt, kann die Kindertages-      achtsamen Umgang mit diesem Element
    einrichtung zum Modellort einer zukunftsfä-     hinaus bietet aber Wasser als Lebensraum

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UMWELTBILDUNG UND -ERZIEHUNG IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN
viele Möglichkeiten, die besondere Tier- und    Biologische Vielfalt (Biodiversität)
Pflanzenwelt darin zu entdecken, und
Gelegenheiten für einfache naturwissen-         Die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist
schaftliche Versuche.                           für uns Menschen überlebensnotwendig.
                                                Zum einen gehen alle Nutztiere und Nutz-
                                                pflanzen auf wildlebende Arten zurück, aber
Energie und Klima                               auch viele Wirkstoffe der Medizin lassen
                                                sich auf Pflanzen zurückführen. Nicht nur die
Woher kommt unsere Energie? Warum sind          besondere Bedeutung als Lebensgrundlage
wir manchmal energiegeladen oder eher           für den Menschen macht biologische Vielfalt
schlapp? Woher bekommen Tiere und               so faszinierend, sondern auch das Entde-
Pflanzen Energie? Welche Rolle spielt die       cken der unterschiedlich angepassten Tiere
Sonne? Das Thema Energie lässt sich auf         und Pflanzen in unserer unmittelbaren
vielfältige Weise in der Kindertageseinrich-    Umgebung. Wie sehr die verschiedenen
tung erlebbar machen. Der sparsame Um-          Arten voneinander abhängen, macht die
gang mit Energie und das Entdecken von          Beschäftigung mit dem Thema biologische
neuen Möglichkeiten zum Energiesparen           Vielfalt facettenreich und spannend.
machen das Thema auch über einen länge-
ren Zeitraum im Kindergarten interessant.
                                                Abfallwirtschaft, Verbraucher-
                                                schutz und Konsum
Ernährung
                                                Der Frage nachzugehen, was mit den
Woher kommt all unser Essen? Ernähren           Dingen geschieht, die wir nicht mehr
wir uns gesund? Wie ernähren sich Kinder        brauchen, und gleichzeitig zu überlegen,
in anderen Teilen der Welt? Mit diesen          ob es Abfall in der Natur gibt, eröffnet ein
Fragen ist man schon mittendrin im span-        weites Feld von Betrachtungsmöglichkeiten
nenden Thema Ernährung und nachhaltige          über unseren Umgang mit den Dingen des
Entwicklung. Geruchs- und Geschmackssinn        täglichen Lebens. Ob bei Ernährung,
führen direkt zu einer aufschlussreichen        Bekleidung oder Spielzeug – was passiert
Auseinandersetzung, wie weit z. B. unsere       damit, wenn es nicht mehr gebraucht wird?
Lebensmittel reisen müssen oder welche          Reparieren oder neu kaufen – hier ist man
Köstlichkeiten eine bunte Blumenwiese für       schnell bei der Suche nach einem nachhalti-
uns zu bieten hat.                              gen Lebensstil.

   Quellen:

   t Zukunftsfähigkeit im Kindergarten vermitteln: Kinder stärken, nachhaltige Entwick-
     lung befördern; Ein Diskussionsbeitrag der Deutschen UNESCO-Kommission
     im Rahmen der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung (2005 – 2014)“;
     Herausgeber: Deutsche UNESCO-Kommission e. V. (DUK); Bonn; 2010

   t Akteure, Wege, Perspektiven: Bildung für nachhaltige Entwicklung in Bayern,
     Aktionsplan im Rahmen der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung
     2005-2014, Herausgeber: Arbeitskreis Bildung für nachhaltige Entwicklung unter
     Federführung des StMUG in Bayern, Kempten, 2009

   t Nationaler Aktionsplan für Deutschland, UN-Dekade „Bildung für nachhaltige
     Entwicklung“ 2005 – 2014, V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Gerhard de Haan, Freie Universität
     Berlin, 2005

                                                                                                9
UMWELTBILDUNG UND -ERZIEHUNG IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN
Bildungsverständnis und Bildung für nachhaltige
     Entwicklung im Bayerischen Bildungs- und Erzie-
     hungsplan

     Auf Bildung für nachhaltige Entwicklung        Gemeinschaft vorfindet, sich eingebunden
     ist im Bayerischen Bildungs- und Erzie-        fühlt und Stärkung seiner Kompetenzen
     hungsplan (BayBEP) Bezug genommen              erfährt (Basiskompetenzen/BayBEP S. 54ff).
     im themenbezogenen Bildungs- und
     Erziehungsbereich „Umwelt“. Neben den          Einen emotionalen Zugang zur Umwelt
     Bildungszielen „Naturbegegnung“ und            erhalten die Kinder, wenn sie die natürliche
     „Nachsorgender Umweltschutz“ erscheint         Umwelt als Quelle der Freude und Ent-
     Bildung für nachhaltige Entwicklung als        spannung erleben. Kinder unter 3 Jahren
     weitere wichtige Dimension von Umweltbil-      brauchen deshalb vielfältige Möglichkeiten
     dung und -erziehung. „Bereits junge Kinder     z.B. zum Staunen über die Artenvielfalt,
     bringen die Voraussetzungen dafür mit,         zum Gestalten mit Naturmaterialien und zu
     diesem Ziel im Rahmen entwicklungsange-        stärkenden Erfahrungen bei der Übernahme
     messener Lernprozesse zu entsprechen.“         von Verantwortung (z. B. Blumenpflege).
     (BayBEP, 2010, S. 292). Kinder sollen sich     Durch Ausprobieren können sie selbsttätig
     deshalb schon in der Familie und in Kinder-    Antworten auf ihre „Warum-Fragen“ fin-
     tageseinrichtungen in Kooperation mit an-      den. Auch in Projekte können Kinder schon
     deren für eine gesunde Umwelt engagieren       sehr früh aktiv eingebunden werden. Das
     und dabei Denken und Handeln im Sinne          gemeinsame Tun mit Anderen lässt sie
     der Bildung für nachhaltige Entwicklung        in die Lerngemeinschaft der „Größeren“
     einüben (vgl. BayBEP, S. 292f).                hineinwachsen, in der Denkweisen nachhal-
                                                    tiger Entwicklung durch Dialog und sozialen
                                                    Austausch ko-konstruiert werden.
     Prinzip der Entwicklungs-
     angemessenheit                                 Tragend hierbei ist gegenseitige Achtung
                                                    und Wertschätzung. Das sind auch die Wer-
     Der BayBEP vertritt folgende Grundannah-       te, die Grundlage der Bildung für nachhal-
     men oder folgendes Bild vom Kind: Es ist       tige Entwicklung sind. Nur in einem sozial
     von Geburt an reich an Ressourcen und          gerechten Klima kann sich ein Bewusstsein
     Kompetenzen, es geht von Anfang an neu-        für umweltverantwortliches Denken und
     gierig und wissenshungrig auf die Welt zu,     Handeln entwickeln. Darüber hinaus müs-
     es will die Welt verstehen und hat Freude      sen umweltpädagogische Bildungsprozesse
     daran, sie mitzugestalten (vgl. BayBEP, S.     anknüpfen an die speziellen Bedürfnisse
     23ff). Aufgabe von Kindertageseinrichtun-      und den aktuellen Entwicklungs- und Lern-
     gen ist es, diese Lernfreude zu erhalten und   stand des einzelnen Kindes. Gelingt beides,
     mit Prozessen zu verbinden, die Kinder zu      kann in Kindertageseinrichtungen eine
     selbsttätigem und verantwortlichem Han-        Lernkultur wachsen, in der Kinder ermu-
     deln in der sozialen Gemeinschaft befähi-      tigt werden, miteinander zu forschen und
     gen. Voraussetzung hierfür ist, dass das       selbsttätig Lösungen für umweltgerechtes
     Kind ein positives emotionales Klima in der    Denken und Handeln zu finden.

10
UMWELTBILDUNG UND -ERZIEHUNG IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN
Bildung für nachhaltige Ent-                       (vgl. Vygotsky, 1987). Kinder oder Erwach-
wicklung durch Lernen im Dialog                    sene, die mehr über einen bestimmten
und sozialen Austausch (Ko-Kon-                    Sachverhalt wissen, die weiterführende Fra-
struktion)                                         gen stellen, die das Nachdenken anregen,
                                                   die neue Perspektiven auf einen Sachverhalt
Der Bayerische Bildungs- und Erziehungs-           öffnen, können das Kind zum Denken auf
plan baut auf einem ko-konstruktiven Lern-         dem nächsthöheren Niveau herausfordern.
ansatz auf (vgl. BayBEP, 2010, S. 31ff). Dabei     Wird diese „Zone der nächsten Entwick-
wird davon ausgegangen, dass sich der Auf-         lung“ betreten, wird die Entwicklung beste-
bau von Wissen und das Verstehen von Ge-           hender Problemlösefähigkeiten unterstützt.
gebenheiten, Situationen, Deutungen und
Bedeutungen im sozialen Austausch voll-            Aufgabe der pädagogischen Fachkraft ist es,
ziehen. In offenen Dialogen, im Austausch          im sozialen Austausch mitzuwirken und ihn
von Perspektiven und Vorstellungen werden          gleichzeitig zu unterstützen. Durch weiterfüh-
gemeinsame Ziele ausgehandelt und eine             rende Fragen ermutigt sie die Kinder Hypo-
Verständigung auf das für alle Bedeutsame          thesen aufzustellen (z. B. über den Grund
herbeigeführt. An Ko-Konstruktionsprozes-          dafür, dass Raupen sich an Brennnesseln
sen sind Kinder und Erwachsene (Erzieher,          nicht verbrennen), regen zur Auseinanderset-
Eltern, Experten u. a.) zugleich aktiv beteiligt   zung mit verschiedenen Vorstellungen und
(Demokratieprinzip/BayBEP S. 34f).                 zum Finden gemeinsamer Lösungen an. Die
                                                   Qualität des individuellen Lernfortschritts ist
Jedes einzelne Kind bereichert den Ko-             dabei von der Qualität der Zusammenarbeit
Konstruktionsprozess mit seiner ganz               und der Interaktionen zwischen den Beteilig-
eigenen Perspektive auf einen Sachverhalt.         ten beeinflusst. Insofern werden Sprache und
Vielfältige und unterschiedliche Perspekti-        Gespräch zu zentralen, Lern- und Bildungs-
ven können so zur Erweiterung individueller        prozesse steuernden Elementen (vgl. Textor,
Denk- und Handlungsmöglichkeiten beitra-           2000; Siraj-Blatchford, 2007).
gen und ebenso zur Entwicklung der Denk-
und Handlungsmöglichkeiten der Lernge-             Umweltpädagogische Ansätze, die allein die
meinschaft führen. Entscheidend für den            Begegnung mit der Natur, die Erfahrungen
Lernertrag des einzelnen Kindes ist, dass es       mit Tieren und Pflanzen und den Umgang
mit seinen ganz speziellen Erfahrens- und          mit Naturmaterialien ins Zentrum stellen,
Denkweisen, seinen Wissensvoraussetzun-            greifen vor diesem Hintergrund zu kurz.
gen, Interessen und lebensweltlichen und           Auch Ansätze, die die sozialen Interaktionen
kulturellen Bezügen an die gemeinsamen             der Kinder untereinander als das allein Ent-
Überlegungen anknüpfen kann und zu                 scheidende sehen, sind aus dieser Perspek-
weiterführenden Reflexionen angeregt wird.         tive nicht hinreichend, (umweltpädagogi-
Nur wenn die „ganze Perspektive“ des Kin-          sche) Bildungsprozesse anzuregen. Bildung
des im Lernprozess Berücksichtigung findet,        für nachhaltige Entwicklung greift die Prinzi-
wenn Aufgaben individuell anschlussfähig           pien des ko-konstruktiven Lernansatzes auf
sind, will und kann das Kind sich in vollem        und trägt dazu bei, dass Kinder ein tiefer
Umfang seinen Aufgaben zuwenden (vgl.              gehendes Verständnis von Lebenszusam-
Hellfritsch, 2007).                                menhängen entwickeln, in Verbindung mit
                                                   der Orientierung an Werten selbstgesteuer-
Erwachsene bzw. kompetentere Lernpartner           tes Denken aufbauen und die erworbenen
werden beim Lernen durch sozialen Aus-             Kompetenzen in verantwortungsvolles
tausch als die wichtigsten Mittler bei der         Alltagshandeln umsetzen können (Lernme-
Wissenskonstruktion des Kindes gesehen             thodische Kompetenz/BayBEP S. 66ff).

                                                                                                     11
Lernen in Projekten                            Projekte eignen sich hervorragend dazu, um
                                                    umweltpädagogische Entwicklungsprozesse
     Eine hervorragende Möglichkeit, in sozialen    in Gang zu setzen. Kinder können im Verlauf
     Austauschprozessen zu lernen und die ge-       der Projekte umweltgerechtes und wert-
     nannten Fähigkeiten zu unterstützen, ist das   orientiertes Denken und Handeln erkennen,
     Lernen in Projekten. Kinder und Erwachsene     ausprobieren und in ihren Alltagsbezügen
     bestimmen gleichermaßen die Themen und         umsetzen. Die Quellen der Bildungsarbeit
     den Projektprozess. Am Anfang steht eine       sind auch hier Vermutungen, Hypothesen
     Idee, ein Impuls, eine Frage, der die Kinder   und Fragestellungen. Diese werden im
     gemeinsam mit der Erzieherin und ande-         sozialen Austausch überdacht und geprüft.
     ren Erwachsenen im Verlauf des Projekts        Das Verstehen der Zusammenhänge führt
     auf den Grund gehen. Dabei sind vielfäl-       zu nachhaltigen Lösungen.
     tige Herangehensweisen an das gewählte
     Thema und die ins Auge gefassten Inhalte
     möglich. Es können vielfältige Bezüge zu       Auswahl der Projekte
     den explizit als zentral bestimmten Bil-
     dungsbereichen und den integrierten oder       Die nachfolgend ausgeführten Projekt-
     impliziten Bildungsbereichen hergestellt       beispiele aus verschiedenen Kindertages-
     und bildungsbereichsübergreifendes Lernen      einrichtungen stellen jeweils eines der
     unterstützt werden.                            ausgewählten Themen in den Mittelpunkt.
                                                    Sie wollen aufzeigen, wie Erzieherinnen
     Die kooperative Auseinandersetzung mit         und Erzieher umweltpädagogische Bil-
     Themen und das gemeinsame Finden               dungsprozesse vor dem Hintergrund des
     von Lösungsansätzen und -strategien            ko-konstruktiven Ansatzes begleiten und
     verbinden die Stärkung personaler und          Kinder zu gemeinsam ausgehandelten und
     sozialer Kompetenzen mit der Vertiefung        verantworteten Lösungen führen können.
     von inhaltlichem Wissen. Lernmethodische       Das ist auch der Weg, auf dem sich selbsttä-
     Kompetenzen werden durch die regelmä-          tiges Denken und wertorientiertes Handeln
     ßige Reflexion auf gemeinsame Erlebnisse       aufbaut.
     und Erkenntnisse, auf Lösungsstrategien
     und Lernwege ausgebaut. Unterstützend          Jedem der sechs Projekte sind Hintergrund-
     dabei wirkt die fortlaufende Dokumentation     informationen vorangestellt. Sie führen
     der Lernprozesse durch Aufzeichnungen,         die Inhalte der jeweiligen Themenbereiche
     Fotos, Tagebücher etc. Sie bietet Kindern,     umfassend aus und sind als Hilfe und Anre-
     Fachkräften und Eltern die Möglichkeit         gung für die Entwicklung eigener Projekte
     sich an den Prozessverlauf zu erinnern, zu     gedacht.
     reflektieren, sich mitzuteilen und sich über
     Aktivitäten und Erfahrungen auszutauschen.
     Kinder blicken mit Stolz auf die Arbeitser-
     gebnisse, entwickeln im Austausch neue
     Fragestellungen, die zu neuen Aktivitäten
     herausfordern.

12
Selbstgesteuertes Denken und verantwortungsvolles Handeln

                                                                          M. Hellfritsch
                                                                     Lernen in Projekten

Quellen:
t Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen,
  Staatsinstitut für Frühpädagogik, München (Hrsg) (2010): Der Bayerische Bildungs-
  und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung.
  4. Aufl. Berlin: Cornelson Scriptor

t Hellfritsch, M. (2007): Fachkongress „Bildung und Erziehung in Deutschland“. IFP-
  Infodienst (1/2), S. 51f)

t Siraj-Blatchford, I. (2007): Effektive Bildungsprozesse: Lehren in der frühen Kindheit.
  In: F. Becker-Stoll & M. Textor (Hrsg.): Die Erzieherin-Kind-Beziehung. Berlin, Düssel-
  dorf, Mannheim: Cornelson

t Textor, M. R. (2000): Lew Wygotski. In: Fthenakis, W. E., Textor, M. R. (Hrsg) Pädago-
  gische Ansätze im Kindergarten S. 71ff). Weinheim, Basel: Beltz

t Vygotsky, Lew (1987): Ausgewählte Schriften. Band 2: Arbeiten zur psychischen
  Entwicklung der Persönlichkeit. S. 252ff). Berlin: Volk & Wissen

                                                                                            13
1 Boden / Erde
     1.1 Hintergrundinformationen

     Besonderheit und Vielfalt des                  Der Boden ist eine belebte Materie. In ihm
     Bodens                                         leben unzählige Klein- und Kleinstlebewe-
                                                    sen wie Maulwürfe, Regenwürmer und
     Direkt unter unseren Füßen liegt ein eigener   Springschwänze, die durch ihre grabende
     Kosmos, in dem es Spannendes und               und wühlende Tätigkeit zur Bodenverbesse-
     Interessantes zu entdecken gibt. Der Boden     rung und zur Bodenfruchtbarkeit beitragen.
     und die obersten Erdschichten sind für den     Ohne grabbare Böden könnten viele Wild-
     Menschen und das Leben auf der Erde als        tiere, wie Hase, Fuchs und Dachs, ihre
     Teil unseres Ökosystems von zentraler          Erdhöhlen nicht bauen.
     Bedeutung.
                                                    Natürliche und naturnahe Flächen besitzen
     Die Böden bilden den Lebensraum für            auch eine wichtige Funktion für die Erho-
     Menschen, Tiere und Pflanzen gleicherma-       lung und den Tourismus. Für den Menschen
     ßen. Alle drei Lebensformen sind von dem       dienen Böden zusammen mit ihren umge-
     verschiedenartigen, durch Poren und Klüfte     benden Gesteinsschichten als Lagerstätten
     durchsetzten Aufbau der Böden und seiner       für Rohstoffe und als Basis für den Straßen-
     Fähigkeit, Wasser und Nährstoffe zu spei-      und Siedlungsbau. Auch als Archive der
     chern und zu transportieren (Nährstoff-        Menschheitsgeschichte und der Erd- und
     Wasser-Kreislauf), abhängig. Für unser         Klimaentwicklung sind Böden wichtige
     Grund- und Trinkwasser – dem wichtigsten       Informationsquellen.
     Lebensmittel – übernehmen die Böden mit
     ihrer Fähigkeit, Schadstoffe zu binden, eine
     außerordentlich bedeutsame Schutzfunktion.     Gefährdung von Böden

     Als Standort für Pflanzen sind Böden Er-       Die natürlichen Funktionen von Böden
     nährungsgrundlage für Mensch und Tier.         können durch Einwirkungen von außen
     Böden spielen somit eine wesentliche Rolle     gefährdet sein. Vor allem Industrie und
     für die land- und forstwirtschaftliche Nut-    Landwirtschaft können durch Eintrag
     zung und prägen das Erscheinungsbild           schädlicher Stoffe, wie z. B. Schwermetalle
     unserer Kulturlandschaft maßgeblich.           oder organische Problemstoffe, den Boden
                                                    belasten. Problematisch ist aber auch die
                                                    flächendeckende Versiegelung natürlicher
                                                    Böden und der damit einhergehende
                                                    Flächenverbrauch (z. B. durch Straßen- und
                                                    Siedlungsbau). Außerdem gehen jährlich
                                                    Tonnen von fruchtbarem Ackerboden durch
                                                    Wind- und Starkregenabtrag verloren.

14
Boden / Erde

Wie kann der Boden geschützt                  Ziele nachhaltiger Bildung
werden?
                                              Um Boden nachhaltig zu schützen, ist nicht
Ziel des vorsorgenden Bodenschutzes           nur ein sorgsamer Umgang mit der Res-
ist es, Schadstoffe im Boden, Abtragung       source „Boden“ notwendig, wir müssen ihn
und Verdichtung zu vermeiden (z. B. durch     auch als lebensnotwendige Grundlage
Einbau von Industriefiltern, umweltverträg-   begreifen und uns über seine Bedeutung
liche Landwirtschaft), den Flächenverbrauch   bewusst werden:
einzudämmen (z. B. durch Flächenrecycling,    t als Lebensraum von Bodenlebewesen
d. h. Nutzung industrieller Brachflächen         (Regenwurm, Maulwurf)
zur Schonung der „grünen Wiese“) und          t als Wasser- und Nährstoffspeicher
verschmutzte oder verseuchte Böden zu         t als Pflanzenstandort für Land- und Forst-
sanieren (durch Bodenaustausch, Altlasten-       wirtschaft
sanierung).                                   t als Schadstoffpuffer und beim Schadstoff-
                                                 abbau

                                                                                                     15
1.2 Projektbeispiel „Wir erkunden den Boden”
           In Zusammenarbeit mit dem Städtischen Kinderhaus Felicitas-Füss-Straße 14,
           München (Oberbayern)

     Entstehung des Projekts –                        und wie auf dem Feldweg anhört. „Beim
     Themenfindung                                    Asphalt klappert es mehr“, stellt ein Kind
                                                      fest. Später ergänzt ein anderes: „Und auf
     Die Idee zu dem Projekt entwickelte sich in      dem Waldboden sinkt der Stock ein!“ Wild
     der „Freilandgruppe“ des Kinderhauses.           probieren das alle Stockbesitzer aus.
     Diese Gruppe besteht seit ca. 14 Jahren zu-      „Halt!“, ruft ein Kind, „da können Tiere
     sätzlich zu den „Hausgruppen“ und wurde          drunter sein!“
     mit dem Ziel eingerichtet, Kindern mehr
     Freiraum für Bewegung, für Kreativität und       Um nachschauen zu können, ritzen einige
     soziales Lernen zu bieten. Durch die Öff-        Kinder mit ihren Stöcken in den Boden,
     nung der Kindergartenräume und des Kin-          andere graben mit ihren Händen. Sie
     dergartengeländes nach draußen erweitert         kommen nicht sehr tief und stoßen nur
     die Freilandpädagogik den Erlebnisraum           auf eine Schicht mit Laub, Tannennadeln,
     der Kinder und ermöglicht natürliche bzw.        Holzteilen und Moos. „Das ist die Streu-
     naturnahe Erfahrungen. Im Unterschied            schicht!“, weiß der 6-jährige Arthur aus
     zur Waldpädagogik ist der Aufenthalt nicht       einem vorausgegangenen Regenwurm-
     auf Waldgebiete eingegrenzt. Aufgesucht          projekt. Er erklärt den anderen Kindern
     werden ganz bewusst Orte im unmittelba-          auch, dass
     ren Lebensumfeld der Kinder. In der Aus-         t herabgefallene Blätter von Bodenlebe-
     einanderssetzung mit vielfältigen Alltagssi-        wesen zersetzt werden,
     tuationen und Begegnungen erwerben die           t die Bodenlebewesen, und besonders
     Kinder selbsttätig Kompetenzen, die sie in          der Regenwurm, die Erde auflockern,
     ihrer Selbständigkeit, geistigen Flexibilität,   t der Regenwurmkot wichtig ist für die
     Widerstandsfähigkeit und Verantwortungs-            Fruchtbarkeit des Bodens,
     übernahme stärken.                               t der Regenwurm Gänge gräbt und da-
                                                         durch das Regenwasser besser in die
     Kinder graben gerne, möchten schaufeln,             Erde dringen kann,
     buddeln, matschen, Steine entdecken und          t der Regenwurm „Regenwurm” heißt,
     Kleintiere anfassen. Vor allem in Großstäd-         weil er bei Regen unter der Erde keine
     ten sind die Böden auf öffentlichen Plätzen         Luft bekommt und auf die Erdoberfläche
     und Wegen jedoch weitgehend versiegelt.             kriecht.
     Kinder finden dort kaum Gelegenheit zum
     Graben und sich auf diese Weise die Welt         Arthur bietet an, mit interessierten Kindern
     unter ihren Füßen zugänglich zu machen.          noch einmal den beim Vorgängerprojekt
     Die Freilandgruppe hat die Möglichkeit           gebauten Regenwurmkasten auszustatten
     sowohl asphaltierte Straßen, fest getretene      (Glaskasten, Erde, abgefallene Blätter, Wur-
     Feldwege, Ackerböden, Wiesen- und Wald-          zelreste, Regenwürmer), um das Verhalten
     böden bewusst wahrzunehmen.                      von Regenwürmern genau beobachten zu
                                                      können (in den nächsten Tagen führt Arthur
     Auf dem Weg in den Wald nehmen einige            mit einer Kleingruppe dieses Kleinprojekt
     Kinder Stöcke auf und benutzen sie als           parallel selbstständig durch).
     Wanderstäbe. Sie probieren aus, wie sich
     das Stochern mit den Stöcken auf Asphalt

16
Boden / Erde

Planung und Vorbereitung                      Durchführung des Projekts

Die Erzieherin schlägt vor, am nächsten Tag   Am nächsten Tag wird ein Grabungsort
im Wald ein „Forschungsloch“ zu graben        ausgesucht. Gemeinsam mit der Erziehe-
und dann weiter nach Bodenbewohnern           rin stechen die Kinder ein ca. 60 cm tiefes
zu suchen.                                    Spatenrelief aus (d. h., mit einem Spaten
                                              wird 60 cm tief in die Erde gestochen und
Erfahren durch viele vorangegangene           ein Stück Boden ausgehoben) und legen es
Forschungsvorhaben stellen die Kinder         auf die mitgebrachte Plastikplane. Sie heben
im Kinderhaus selbständig eine Forscher-      vorsichtig die obere Bodenschicht an und
kiste zusammen: Spaten für die Erzieherin,    entdecken verschiedene Kleinlebewesen.
einen Handspaten aus Metall für jedes Kind,   Einige (mutige) Kinder lassen die Tierchen
Eimer, Siebe, Becher, Dosen, Schachteln,      über ihre Hände kriechen, andere sortieren
Becherlupen, andere Lupen, eine Plastik-      sie schnell in die mitgebrachten Behälter.
plane und ein Bestimmungsbuch.                Mit Lupen werden die Kriech- und Krab-
                                              beltiere genau untersucht und unbekann-
Am Projekt können sich alle interessierten    te Bodenbewohner mit Hilfe des Buches
Kinder beteiligen. Es werden dafür zwei       bestimmt. Die Kinder bitten die Erzieherin in
Monate im Herbst angesetzt.                   das Forschungsnotizbuch einzutragen:

                                                                                                      17
„Die Kinder entdeckten im Spatenrelief Kä-      „Ganz unten sind lauter kleine Steinchen“,
     ferlarven, Ringelwürmer, Steinläufer, Asseln,   bemerkt ein Kind.
     Nacktschnecken und Regenwürmer.“
                                                     Die Kinder wollen eine Fotografie machen
     Einem Kind fällt auf: „Der Boden unter dem      vom Aufbau des Erdstücks. Da der Foto-
     Laub ist ja fast schwarz!“                      apparat vergessen wurde, wollen sie den
                                                     Erdaufbau in Zeichnungen festhalten (Stifte
     „Das ist der Boden, der entstanden ist durch    und Papier hat die Freilandgruppe immer
     die verfaulten Pflanzen und die ‚Arbeit’ der    dabei). An den Zeichnungen lässt sich er-
     Bodentierchen“, weiß ein Kind.                  kennen, dass die Kinder den Aufbau in
                                                     Schichten schon erkannt haben. Auf die
     „Gibt es weiter unten auch was zu sehen?“,      oberste Schicht malen einige Kinder noch
     fragt die Erzieherin.                           frisches Gras und Moos. So wird deutlich,
                                                     dass es sich um ein Waldbodenprofil handelt.
     Die Kinder stellen fest:
     t „Der Boden wird immer heller!“               Nele schlägt vor, je eine Probe der ver-
     t „Schau mal, da sind ganz viele Wurzeln!“     schiedenen Schichten abzunehmen, sie
     Die Kinder schauen sich die ineinander          mit ins Kinderhaus zu nehmen und dort
     verschlungenen Wurzeln genau an und             nach weiteren Informationen zum Bau des
     befühlen sie vorsichtig.                        Bodens zu suchen. Bevor alle gemeinsam

18
Boden / Erde

zurückgehen, werden die Kleintiere in ihren
Lebensraum zurückgebracht und das Loch
wieder zugeschaufelt.

In der Kindertageseinrichtung kleben die
Kinder die Proben der verschiedenen Bo-
denschichten auf Karton und untersuchen
sie noch einmal genau. Sie finden vier
unterschiedliche Schichten:
t die „Streuschicht“ mit Laub, Moos und
   Holzteilchen
t die dunkle, humusreiche Schicht
t eine hellere Schicht, in der auch Wurzeln
   zu finden sind
t eine noch hellere Schicht mit kleinen
   Steinchen

Mit Hilfe der Erzieherin tragen die Kinder
noch einmal Informationen aus den Fachbü-
chern und dem Internet zusammen.
Das, was Arthur und die anderen Experten
schon wussten, wird bestätigt:
t Die Kleinlebewesen im Boden stehen alle
   in wechselseitiger Beziehung zueinander.
t Sie beteiligen sich alle an der Zersetzung
   von Pflanzen, der Humusbildung, der
   Durchmischung und Durchlüftung des
   Bodens.
t Die Regenwürmer sind Erdfresser. Sie
   scheiden Erde und faulende Pflanzenteil-
   chen zur Verbesserung der Erde wieder aus.
t Mit ihrem Gangsystem verbessern sie die
   Bodendurchlüftung und bieten den
   Pflanzen dadurch gute Bedingungen zum
   Durchwurzeln des Bodens.
t Die Bodenschichten bilden sich nach und
   nach. Zusammen ergeben sie das Boden-
   profil.
t Die Entstehung von neuem Boden dauert
   mehrere tausend Jahre.

„Wer ist was?“
Einige Kinder nehmen in den nächsten Ta-
gen regelmäßig ihre Becherlupen mit hinaus
ins Freiland und achten darauf, dass der Fo-
toapparat mitgenommen wird. Sie schauen
bei allen Gelegenheiten nach Krabbel- und
Kriechtieren in der ersten Bodenschicht und
fotografieren sie, nachdem sie sie eingefan-
gen haben. Die Tiere, die sie vor Ort nicht
bestimmen können, nehmen sie mit zum

                                                        19
Kinderhaus, um das mit Hilfe der dort vor-       schiedene Bereiche aus. Genauer unter-
     handenen Medien nachzuholen.                     sucht werden sollen: eine Fichtenmonokul-
     Die entwickelten Fotos pinnt die Erzieherin      tur, ein Stillwasserbiotop, ein Biotop am
     auf die Dokumentationswand. Gemeinsam            Kieswerksee, am Hohlweg und eines an der
     mit der Erzieherin beschriften die Kinder Eti-   Bahnanlage.
     ketten mit den dazu gehörenden Bezeichnun-
     gen. Diese kleben sie zum passenden Foto.        Der Kieswerksee in Trudering wird zum
                                                      Forschungslabor. Die Kinder teilen sich in
     Spatenreliefs und Biotope                        kleine Gruppen ein und legen fest, welche
     Die Kinder schlagen vor, Spatenreliefs auch      Gruppe die Beobachtungsbeschreibung für
     von anderen Gebieten zu nehmen. Sie wol-         welches Biotop übernimmt. Der Aushand-
     len wissen, ob sie überall gleich aussehen.      lungsprozess dauert eine Weile, führt aber
     Sie laden den Biologen, der schon oft mit        letztlich zum Ziel.
     ihnen zusammengearbeitet hat, telefonisch
     ein und bitten ihn sie auch dieses Mal fach-     Jede Gruppe fertigt eine Momentaufnahme
     kundig zu begleiten.                             (Zeichnung) von ihrem Biotop an und führt
                                                      ihre Beobachtungen durch. Der Experte
     Am nahen Kieswerksee in Trudering setzt          unterstützt bei offenen Fragen durch Fach-
     sich das Projekt fort. Der Biologe vertieft      informationen. Anschließend werden die
     über mehrere Tage mit den Kindern das            Namen der Pflanzenarten und Kleinlebe-
     Bodenthema im Zusammenhang mit                   wesen zusammengetragen, die in den ver-
     Biotopen. Er wählt mit den Kindern ver-          schiedenen Biotopen gefunden wurden.

20
Boden / Erde

Aus jedem Biotop stechen die Kinder           Der Biologe betrachtet mit den Kindern die
gemeinsam mit einem Erwachsenen ein           Teilchen im Boden genauer. Die Kinder
Stück Boden aus und stellen es auf eine       erkennen einige Unterschiede (z. B. sandi-
Plastikkiste. Der jeweilige Oberflächen-      ger, lehmiger, mehr Steinchen). Er erklärt
bewuchs wird auf dem ausgestochenen           ihnen:
Spatenprofil belassen. Die Kinder können      t Die Mischung im Boden bestimmt die
sehr schön sehen,                                Bodenart und damit die vorherrschenden
t wie der Bewuchs seine Wurzeln im Boden        Bodenverhältnisse.
   schlägt,                                   t Der Pflanzenbewuchs gibt einen Hinweis
t dass Lebewesen im Boden leben und             auf die vorherrschenden Bodenverhältnis-
t wie das jeweilige Biotop im Querschnitt       se, d.h. auf die Bodenart und die Boden-
   aufgebaut ist.                                qualität.
Es lassen sich
t Regenwurmgänge nachverfolgen.              Der Experte bespricht mit den Kindern die
t Gerüche von Humus mit Braunerde            Besonderheiten der jeweiligen Lebensräu-
   vergleichen.                               me, z. B.:
t die Wurzeln der Pflanzen befühlen.         t Glockenblumen und Margeriten wachsen
                                                 auf Magerböden.
Die Kinder erkennen gut den Schichtenauf-     t In stickstoffreichen Böden machen sich
bau bei allen Bodenstücken und sind stolz,       schnellwüchsige Pflanzen wie z. B. Löwen-
dass sie ihr Wissen, das sie mit dem ersten      zahn breit.
Aushub im Wald aufgebaut haben (z. B. über    t Hier finden Schmetterlinge und Insekten
die Arbeitsleistung des Regenwurms bei der       wenig Nahrung, was die Vielfalt ein-
Entstehung des Humus), abrufen können.           schränkt.

„Trotzdem sehen die innen drin anders aus“,   „Da ist ja sogar Bauschutt drin!“, ruft ein
bemerkt ein Kind.                             Kind entsetzt.

                                                                                                     21
Die Kinder wissen, dass Abfall im Boden         Ein neues, spannendes Projekt kann sich
     weder für die Pflanzen noch für die Tiere gut   hier anschließen:
     sein kann.                                      t Besuch bei einem Biobauer oder der
                                                     Zusammenhang von Bodenqualität, Bewirt-
     „Zum Glück ist das kein Acker. Sonst würde      schaftungsmethoden und Qualität von
     der Dreck ins Korn kommen!“, stellt ein         Nahrungsmitteln.
     Junge beruhigt fest.
     Damit die Kinder eine Vorstellung davon
     bekommen, welche gravierenden Folgen            Abschluss des Projekts
     Umweltverschmutzung auf den Boden hat,
     erklärt der Biologe:                            Zum Abschluss der mehrtägigen Exkur-
     t Schwer abbaubarer Abfall z. B. schadet       sion erstellen die Erzieherinnen mit dem
        dem Boden nachhaltig. Es dauert Jahre,       Experten noch am Kieswerksee eine große
        bis er sich wieder erholt.                   Pinnwand. Alle Biotope und die wichtigen
     t In unserem Klima dauert es 100 bis 300       Hintergrundinformationen sind hier festge-
        Jahre, bis eine Humusschicht von 1 cm        halten (Fotos, Zeichnungen, Beschriftungen,
        Dicke entsteht.                              Texte etc.). Die Pinnwand und die Profile
     t Die fruchtbare Schicht eines Ackerbodens     werden in das Kinderhaus transportiert.
        sollte 30 – 40 cm dick sein.                 Die den Aufzeichnungen beigestellten Pro-
                                                     file und Arbeitsgeräte machen das Thema
                                                     auch für Noch-nicht-Experten greifbar. Die
                                                     anschauliche Dokumentation zeigt die For-
                                                     schungsleistung der Kinder und den Weg zu
                                                     ihren Erkenntnissen. Die Kinder besprechen
                                                     ihre Ergebnisse mit Kindern aus anderen
                                                     Gruppen und präsentieren sie selbstbe-
                                                     wusst auch ihren Eltern.

                                                     Einordnung in einen größeren
                                                     Zusammenhang

                                                     Das Thema Boden / Erde steht in dem grö-
                                                     ßeren Zusammenhang von „Wachstum und
                                                     Vergänglichkeit“ sowie „Nährstoffkreislauf“.
                                                     Für die Kinder werden Zusammenhänge
                                                     des Lebens erfahrbar. Sie verstehen, dass
                                                     der Boden/die Erde neben Wasser und Luft
                                                     zu den Lebensgrundlagen von Menschen,
                                                     Tieren und Pflanzen gehören. Anhand der
                                                     Nahrungskette wird den Kindern einsichtig,
                                                     dass der Mensch eine seiner Lebensgrund-
                                                     lagen selbst zerstört, wenn er dem Boden
                                                     Schaden zufügt, ihn umweltschädlich be-
                                                     wirtschaftet oder gar verseucht. Die Projekt-
                                                     ergebnisse können Ausgang sein für weiter-
                                                     gehende Fragestellungen im Rahmen des
                                                     Bodenschutzes. Themen wie umweltverträg-
                                                     liche Landwirtschaft, biologischer Landbau,
                                                     bewusste Abfallwirtschaft und bewusstes
                                                     Konsumverhalten sind anschlussfähig.

22
Boden / Erde

                                 Talia, 5 Jahre                                   Talia, 5 Jahre

Dokumentation und Reflexion                       Zentrale Bildungsbereiche

Die Dokumentation ist im Verlauf des              Umwelt
Projekts gewachsen. Die Informationen,            Die Kinder verstehen, dass das Leben auf
Werkstücke und Sammlungen werden im               und in der Erde voneinander abhängt und
Kinderhaus auf für alle zugängliche Pinn-         der Mensch dafür verantwortlich ist, dass
wände und in Themenecken präsentiert.             das Ineinandergreifen der Prozesse nicht
Die Kinder können hier auf ihre Lernpro-          gestört oder gar zerstört wird. Den Kin-
zesse zurückgreifen und den Projektverlauf        dern wird bewusst, dass auch sie selbst
nachvollziehen. Für jedes Kind wird eine          zum Schutz des Bodens beitragen kön-
Lernfortschrittsmappe geführt. Hier werden        nen, indem sie z. B. Abfall vermeiden oder
Text-, Bild- und zum Teil auch Videoszenen        entsorgen. Der Boden/die Erde wird als ein
mit aufgenommen. Sie ist für jedes Kind           schützenswertes Ökosystem begreifbar.
frei zugänglich, so dass es jederzeit auf         Auch der Problembereich „flächendeckende
seine Lernprozesse und Erfolge reflektieren       Versiegelung natürlicher Böden“ steht dazu
kann. Eingesetzt wird die Mappe auch als          anschaulich in Bezug.
Grundlage für Entwicklungsgespräche der
Erzieherinnen mit den Eltern.
                                                  Naturwissenschaften und Technik
In der Hausbibliothek werden die Bilder-          Durch die Erkundung des Spatenreliefs
und Sachbücher regelmäßig themenspezi-            lernen die Kinder den Schichtaufbau des
fisch angepasst. Sie sind dort weit über die      Bodens kennen. Sie erkennen, dass Erde
Laufzeit der Projekte ausleihbar. Die Kinder      und Boden Lebensraum für eine VielzahI
finden dort sowohl die Bücher, die in das         von Lebewesen ist und dass diese wichtige
Projekt einbezogen waren, als auch weiter-        Funktionen bei der Entstehung von (Mutter-)
führende Literatur. Je nach Interesse und         Boden haben. Sie lernen unterschiedliche
Motivation können die Kinder die Themen-          Bodenarten kennen (z. B. Sand, Lehm, Ton).
bereiche noch vertiefen.                          Über die Erkundungen im Zusammenhang

                                                                                                           23
mit Biotopen verstehen die Kinder, dass          Erde“) als Basis unseres Lebens zu schät-
     Pflanzen einen Hinweis geben können auf          zen. Sie staunen über die Schöpfung mit
     die vorherrschenden Bodenverhältnisse,           ihren intelligent aufeinander abgestimmten
     d.h. auf die Bodenart und -qualität.             Prozessen. Sie fühlen sich als wichtiger Teil
                                                      dem Ganzen zugehörig und werden sich
     Gemeinsam mit den Erzieherinnen und              ihrer Verantwortung für die Gesunderhal-
     Experten suchen sie Antworten auf ihre           tung der Natur bewusst.
     Fragen. Sie eignen sich aktiv forschend
     Wissen an und überprüfen ihre Thesen mit         Emotionalität, soziale Beziehungen und
     „wissenschaftlichen“ Forschungsmethoden          Konflikte
     (z. B. Bodenproben entnehmen, untersu-           Die Betonung der Selbsttätigkeit bei der
     chen, Beobachtungen durchführen, sam-            Projektentwicklung (und im Konzept der
     meln, sortieren, analysieren, klassifizieren).   Freilandpädagogik überhaupt) stärkt die
                                                      Selbstregulationsfähigkeit der Kinder.
                                                      Eigenverantwortung und lebenspraktische
     Integrierte Bildungsbereiche                     Kompetenzen können täglich eingeübt
                                                      werden. Die Kinder werden sehr ernst ge-
     Werteorientierung und Religiosität               nommen mit ihren Fähigkeiten. In diesem
     Die Kinder lernen den Boden (die „Mutter         Projekt konnten z.B. dem schon sehr kom-

24
Boden / Erde

petenten Arthur besondere Aufgaben bei
der Beratung einer Kleingruppe übertragen
werden.

Sprache und Literacy
Das Projekt ist auf sprachlichen Austausch
angelegt. Die Kinder besprechen Vermutun-
gen und tauschen sich über Erfahrungen
und Erkenntnisse aus. Auf diesem Weg
werden Kommunikations- und Interaktions-
kompetenzen gestärkt. Ihr Wortschatz wird
erweitert durch das Kennenlernen und
Verstehen neuer Begriffe (z. B. Bodenprofil);
auch die Recherche in Literatur und Bild
trägt dazu bei.

Gesundheit und Bewegung
Schon durch das Konzept der Freilandpäda-
gogik (siehe Entstehung des Projekts) sind
täglich vielfältige Bewegungsmöglichkeiten
garantiert. Das freie Gelände ist Trainings-
feld für die Wahrnehmung der Möglichkei-
ten und Fähigkeiten des eigenen Körpers.
Die Kinder sind bei jedem Wetter draußen.
Ausgestattet mit angepasster Kleidung sind
sie unterschiedlichen Witterungsverhält-
nissen ausgesetzt, was ihre Abwehrkräfte
stärkt.

   Quellen

   t Prokop, E.; Österreicher, H. (2006): Kinder wollen draußen sein. Natur entdecken,
     erforschen und erleben. Seelze: Kallmeyer

   t Österreicher, H. (2009): Expedition Leben: Biotope, Pflanzen, Tiere. Hintergrundwis-
     sen, Lernziele, Experimente und Versuche zur naturwissenschaftlichen Bildung im
     Kindergarten. Troisdorf: Bildungsverlag EINS.

   t Reidelhuber, A. (2000): Umweltbildung. Staatsinstitut für Frühpädagogik (Hrsg.).
     Freiburg im Breisgau: Lambertus

   t Österreicher, H.: www.Kinderfreiland.de

   t Staatsinstitut für Frühpädagogik: Programm Konsultationseinrichtungen
     http://www.ifp.bayern.de/projekte/laufende/konsultation.html

                                                                                                    25
2 Wasser
     2.1 Hintergrundinformationen

     Bedeutung des Wassers                          Wasser als Naturgefahr

     Wasser ist als essentieller Bestandteil des    Wasser kann aber auch in unterschiedlicher
     Naturhaushalts die Grundlage allen Lebens.     Form zur Bedrohung für den Menschen
     Für den Menschen ist Wasser insbesondere       werden. Hochwasserereignisse an Wild-
     für Trink- und Gebrauchszwecke unentbehr-      bächen und entlang von Flüssen sind in
     lich. Gleichzeitig ist Wasser lebensnotwen-    diesem Zusammenhang genauso zu
     dig für Tier und Pflanze und bietet einigen    nennen wie alpine Naturgefahren durch
     davon den spezifischen Lebensraum.             Lawinen, Rutschungen und Murenabgänge.

     Bayern ist mit seinen rund 100.000 Kilo-       Aufgabe der Wasserwirtschaft ist es daher
     metern an Flüssen und Bächen und etwa          auch, durch ein breites Netz aus Informa-
     50 größeren und einer Vielzahl kleinerer       tions- und Warndiensten (Hochwassernach-
     natürlicher Seen eine der wasserreichsten      richtendienst, Lawinenwarndienst, Grund-
     Regionen der Erde. Durch günstige natürli-     wasserstände, überschwemmungsgefährdete
     che Voraussetzungen und wirksame Schutz-       Gebiete), aber auch durch gezielte Baumaß-
     maßnahmen zeichnen sich die bayerischen        nahmen (z. B. Hochwasserschutzdeiche oder
     Gewässer durch eine insgesamt hervorra-        -mauern, Rückhaltebecken) sowie durch
     gende Wasserqualität aus. Fast das gesamte     Renaturierungsmaßnahmen (z. B. Wieder-
     Trinkwasser – ungefähr 92 Prozent – kann       herstellung natürlicher Überschwemmungs-
     aus gut geschütztem Grundwasser oder           bereiche durch Deichrückverlegungen) die
     aus Quellen – meistens ohne Aufbereitung –     Risiken von wasserbedingten Naturkatastro-
     gewonnen werden. Diesen Naturreichtum          phen auf ein Minimum zu beschränken.
     gilt es zu erhalten und für kommende Ge-
     nerationen zu bewahren.
                                                    Wie kann hohe Wasserqualität
     Wasser ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor,    erhalten werden?
     sowohl bei der Erzeugung von Industriegü-
     tern als auch für die Binnenschifffahrt oder   Damit die hohe Wasserqualität erhalten
     bei der Nutzung der Wasserkraft zur Ener-      bleibt und Schadstoffbelastungen des
     giegewinnung. Daneben ist Wasser auch          Grundwassers (z. B. Nitrat) bzw. Einträge
     für die Erholung und den Tourismus von         von Schadstoffen aller Art in das Oberflä-
     Bedeutung.                                     chenwasser vermieden werden, sind
                                                    umfangreiche Schutzmaßnahmen erfor-
                                                    derlich. Dazu gehört die Ausweisung von
                                                    Wasserschutzgebieten zum Schutz des
                                                    Trinkwassers ebenso wie der weitere
                                                    Ausbau der kommunalen und industriell-
                                                    gewerblichen Abwasserentsorgung durch
                                                    entsprechende Abwasseranlagen (Kanäle
                                                    und Kläranlagen). Auch viele kleine private
                                                    Hauskläranlagen müssen noch verbessert
                                                    sowie diffuse Einträge von Nährstoffen, z. B.
                                                    aus der Landwirtschaft, verringert werden.

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