UMWELTBILDUNG UND -ERZIEHUNG IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN
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Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit Familie und Jugend UMWELTBILDUNG UND -ERZIEHUNG IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN AUSGEWÄHLTE THEMEN UND PROJEKTE BILDUNG FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG
Umweltbildung und -erziehung in Kindertageseinrichtungen Ausgewählte Themen und Projekte Handreichung für das pädagogische Personal
Inhaltsverzeichnis Vorwort 5 Umweltbildung / Bildung für nachhaltige Entwicklung 6–9 Bildungsverständnis und Bildung für nachhaltige Entwicklung im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan 10 – 13 1 Boden/Erde 1.1 Hintergrundinformationen 14 – 15 1.2 Projektbeispiel „Wir erkunden den Boden“ 16 –25 In Zusammenarbeit mit dem Städtischen Kinderhaus, Felicitas-Füss-Straße 14, München (Oberbayern) 2 Wasser 2.1 Hintergrundinformationen 26 –27 2.2 Projektbeispiel „Sauberes Wasser ist kostbar” 28 –39 In Zusammenarbeit mit dem Städtischen Kindergarten Sonneneck, Kaufbeuren (Schwaben) 3 Energie und Klima 3.1 Hintergrundinformationen 40 – 41 3.2 Projektbeispiel „Energie entdecken und Klima schützen“ 42 – 49 In Zusammenarbeit mit der Kindertageseinrichtung „Hand in Hand“, Hemhofen bei Forchheim (Oberfranken) 4 Ernährung 4.1 Hintergrundinformationen 50 – 51 4.2 Projektbeispiel „Ist Schokoladencreme gesund?“ 52 – 59 In Zusammenarbeit mit dem Städtischen Kinderhaus, Felicitas-Füss-Straße14, München (Oberbayern) 5 Biologische Vielfalt (Biodiversität) 5.1 Hintergrundinformationen 60 – 61 5.2 Projektbeispiel „Die Entdeckerwiese” 62 – 73 In Zusammenarbeit mit dem LBV Kindergarten arche noah, Hilpoltstein (Mittelfranken) 6 Abfallwirtschaft, Verbraucherschutz und Konsum 6.1 Hintergrundinformationen Abfallwirtschaft 74 – 75 6.2 Hintergrundinformationen Verbraucherschutz und Konsum 76 – 77 6.3 Projektbeispiel „Wir wünschen uns ein Baumhaus” 78 – 89 In Zusammenarbeit mit der Kindertageseinrichtung „Waldkinder-Regensburg“, Pielenhofen bei Regensburg (Oberpfalz) Bildnachweis 90 4
Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, Kinder sind von Natur aus neugierig und begeisterungsfähig. Sie haben ein besonderes Gespür für ihre Umwelt und nehmen sie intensiv mit allen Sinnen wahr. Hier setzt die Umweltbildung an. Kindertageseinrichtungen bieten den Kindern vielfältige Möglichkeiten, ihre Umgebung zu entdecken. Spielerisch und altersgerecht werden sie an die Zusammen- hänge der Natur herangeführt und ihre kindlichen Kompetenzen gestärkt. Sie lernen verstehen, dass Natur und Umwelt wichtige Bestandteile vieler Bereiche des täglichen Lebens sind und wir Menschen Verantwortung für sie tragen. Umweltbewusstes und umweltgerechtes Denken und Handeln sind Voraussetzung für die Bewahrung der natürlichen Lebensressourcen nachfolgender Generationen. Umweltbil- dung und -erziehung sind in Bayern gesetzlich verankert (§ 8 AVBayKiBiG) und gehören seit jeher zum Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen. Da die unterschiedlichsten Lebensbereiche berührt sind, findet sich Umweltbildung als durchgängiges Prinzip in vielen Bereichen des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans. Von „Werteorientierung und Religiosität“ über „Gesundheit“, „Ästhetik, Kunst und Kultur“ bis hin zu „Naturwissenschaft und Technik“. Die Broschüre gibt neue Impulse bei der Arbeit in Kindertageseinrichtungen und der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Als Nachfolgeprojekt der 1997 aufgelegten und 2005 aktualisierten Broschüre „Umwelterziehung im Kindergarten. Gemeinsam geht es am besten“ führt sie Sachinformationen und Zielvorstellungen sowie aktuelles pädagogisches Fachwissen zusammen. Für die pädagogische Arbeit stellt die Broschüre zentrale Themen aus dem Bildungsbereich „Umwelt“ vor. Die Kapitel hierzu sind einheitlich gegliedert. Hintergrundinformationen zeigen inhaltliche Ansatzpunkte für die Arbeit auf. Anschauliche Beispiele aus der Praxis verdeutlichen, wie Kinder Zusammenhänge erkennen und verstehen und so einen nachhal- tigen Lebensstil entwickeln können. Die Broschüre richtet sich an alle, die Bildungsprozesse in Kindergarten- oder Grundschul- einrichtungen begleiten. Sie soll Sie, liebe Leserinnen und Leser, dabei unterstützen, umweltpädagogische Themen gemeinsam mit den Kindern zu erschließen. Den an der Erstellung der Broschüre beteiligten Kindertageseinrichtungen, dem Landes- bund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) und der Leuchtpol gGmbH danken wir für die Bereitstellung der Projektbeispiele, dem LBV darüber hinaus für den Beitrag zur Umweltbil- dung / Bildung für nachhaltige Entwicklung. Den Staatsministerien für Ernährung, Landwirt- schaft und Forsten sowie der Justiz und für Verbraucherschutz danken wir für ihre fachliche Unterstützung bei den Themen Ernährung, Verbraucherschutz und Konsum. Wir wünschen Ihnen und vor allem den Kindern beim Gestalten und Umsetzen der Anre- gungen in die Praxis viel Freude und Erfolg! Christine Haderthauer MdL Dr. Marcel Huber MdL Bayerische Staatsministerin für Bayerischer Staatsminister für Arbeit und Sozialordnung, Umwelt und Gesundheit Familie und Frauen 5
Umweltbildung / Bildung für nachhaltige Entwicklung Nachhaltige Entwicklung ist heute das Nachhaltige Entwicklung ist ohne intensive allgemein anerkannte Leitbild, wirtschaft- Bildungsarbeit nicht möglich. Im Kapitel 36, liche Leistungsfähigkeit, soziale Gerechtig- S. 261 der Agenda 21 ist dazu festgehalten: keit, ökologische Verträglichkeit und demo- „Bildung ist eine unerlässliche Vorausset- kratische Politikgestaltung zu verbinden zung für die Förderung einer nachhaltigen und die Zukunftschancen unserer Gesell- Entwicklung und die Verbesserung der schaft zu sichern. Fähigkeit der Menschen, sich mit Umwelt- und Entwicklungsfragen auseinanderzu- Ausgangspunkt war die Agenda 21. 1992 setzen…“ verpflichteten sich in diesem Aktionspro- gramm 178 Staaten auf der Konferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro, UN-Dekade nachhaltige Entwicklung als Grundprinzip ihrer Politik einzuführen. Nachhaltige Dieser Gedanke wurde auf der Konferenz Entwicklung ist damit das zentrale Leitbild der Vereinten Nationen 2002 in Johannes- für die Gestaltung der Zukunft weltweit. burg noch einmal aufgegriffen. Es wurde Der dadurch eingeleitete Wandlungsprozess bekräftigt, dass auf Bildung für nachhaltige bezieht alle gesellschaftlichen Gruppen mit Entwicklung nicht verzichtet werden darf, ein. Er ist sehr lang und letztendlich auf die und der Beschluss gefasst, von 2005 bis Bereitschaft und den Beitrag eines jeden 2014 eine UN-Dekade „Bildung für nach- Einzelnen angewiesen. haltige Entwicklung“ auszurufen. Ziel der Dekade ist es, die Idee der nach- Prinzipiell geht es bei nachhaltiger Entwick- haltigen Entwicklung weltweit in den lung um zweierlei: nationalen Bildungssystemen zu verankern. t zum einen um die Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit in der jetzigen In der Bundesrepublik wurde auf Beschluss Generation und des Deutschen Bundestages 2004 ein t zum anderen um die Sicherung der nationaler Aktionsplan entwickelt, der vier Entwicklungsmöglichkeiten kommender strategische Ziele verfolgt: Generationen. t Die gute Praxis der Bildung für nachhal- Derzeit verbrauchen die hochindustrialisier- tige Entwicklung soll weiterentwickelt ten Länder des Nordens sehr viel mehr an und auf ein breites Fundament gestellt Ressourcen als die weniger entwickelten werden. Dabei sollen alle Bildungseinrich- Länder des Südens. Gleichzeitig tragen sie tungen von der Kindertageseinrichtung zu einem weitaus höheren Schadstoffaus- bis zur Weiterbildungsstätte eingebunden stoß weltweit bei. Raubbau an natürlichen sein, aber auch das breite Spektrum der Ressourcen gilt es im Interesse der Entwick- informellen Bildung soll erreicht werden. lungsmöglichkeiten zukünftiger Generatio- t die Vernetzung der Akteure nen zu vermeiden. Klimawandel, der Verlust t die Verbesserung der öffentlichen Wahr- der Artenvielfalt, die Ausbreitung der Wüsten nehmung und oder die Tatsache, dass über 750 Millionen t die Stärkung internationaler Kooperatio- Menschen keinen Zugang zu sauberem nen, da nachhaltige Entwicklung nicht an Wasser haben, sind traurige Belege für unser Landesgrenzen Halt macht. derzeitiges nicht-nachhaltiges Verhalten. 6
Bayerischer Aktionsplan Schlagworten Kopf, Herz und Hand in der Praxis viele Anhänger fand. Aufgrund des föderalen Bildungssystems der Bundesrepublik Deutschland entschloss Ziel der Bildung für nachhaltige Entwicklung sich der Arbeitskreis Bildung für nachhal- ist die Stärkung von Kompetenzen und tige Entwicklung unter Federführung des Werten im Sinne von Gestaltungskompe- Bayerischen Staatsministeriums für Um- tenz. Sie bezeichnet die Fähigkeit, Wissen welt und Gesundheit, einen bayerischen über nachhaltige Entwicklung anzuwenden Aktionsplan zu entwickeln, der sich speziell und Probleme nicht-nachhaltiger Entwick- mit den Akteuren von Umwelt, Bildung und lung zu erkennen. In einfachen Worten Nachhaltigkeit im Freistaat befasst. Er zeigt bedeutet Gestaltungskompetenz nichts maßgeschneiderte Perspektiven für Bildung anderes als: Hier nicht leben auf Kosten von für nachhaltige Entwicklung in allen anderswo und heute nicht auf Kosten von Bildungsbereichen auf. morgen. Ausgehend von der Tatsache, dass nachhal- tige Entwicklung nur auf der Grundlage von Bedeutung von BNE Wissen und Werten erfolgen kann, wurden im Elementarbereich Perspektiven für alle Bildungsbereiche ent- wickelt und 2009 der Öffentlichkeit vorge- Bildung für nachhaltige Entwicklung will stellt. Auf Seite 50 ist dort für den Elemen- nicht von Erwachsenen verursachte Proble- tarbereich zu lesen: „Die moderne Lern- me in die Kindertageseinrichtung verlagern. psychologie und Hirnforschung zeigt, dass Im Gegenteil, Bildung für nachhaltige Ent- Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren weit wicklung bietet für die Kinder eine große mehr bildungsbereit und bildungsfähig Chance, zu entdecken, welche Potentiale für sind, als man bisher angenommen hat. sie in einer sich dynamisch entwickelnden Wichtige Anlagen und Kompetenzen und vielfältigen Welt liegen und welche werden in diesem Zeitraum in sensiblen Möglichkeiten zur Mitgestaltung vorhanden Phasen angelegt und Werthaltungen sind. Zuversicht mit Blick auf eine lebens- etabliert. Aus diesem Grund ist es wichtig, werte Zukunft erfahren Kinder vor allem mit Inhalten und Methoden der Bildung für durch das Vorbild von Erwachsenen, die nachhaltige Entwicklung diese Kompeten- sich engagiert für eine gesunde Umwelt zen optimal zu fördern. Insbesondere sollen einsetzen, und dadurch, dass sie sich selbst Initiativen gefördert werden, die sich mit am umweltgerechten Alltagshandeln in der Bildung für nachhaltige Entwicklung im Kindertageseinrichtung beteiligen. Auf diese Elementarbereich befassen, die Aus- und Weise entwickeln Kinder auch die Kompe- Weiterbildung der Fachkräfte in diesem tenz zur Problemlösung und die Bereit- Bereich verstärkt und Öffentlichkeitsarbeit schaft, Verantwortung für sich selbst, die intensiviert werden.“ Gemeinschaft und die Umwelt zu überneh- men. Bildung für nachhaltige Entwicklung fördert durch Partizipation, Situations- und Umweltbildung / Bildung für Handlungsorientierung gerade in heteroge- nachhaltige Entwicklung nen Gruppen die Suche nach konstruktiven Lösungen. Ziel der Umweltbildung ist es, einen verant- wortungsbewussten Umgang mit Umwelt Konkrete Anknüpfungsmöglichkeiten bietet und den natürlichen Ressourcen zu vermit- unsere heimische Natur im Garten und im teln. Dabei wird über einen ganzheitlichen Umfeld der Kindertageseinrichtung. Hier Ansatz die affektiv-emotionale Ebene, die können Kinder als Entdecker und Erforscher kognitive wie auch die aktionale Ebene ihrer Welt tätig werden und all ihre Fähig- berücksichtigt. Ein Ansatz, der mit den keiten und Fertigkeiten stärken. Darüber 7
hinaus hält der Kindergartenalltag vielfälti- higen Kommune werden. Auch in diesem ge Möglichkeiten bereit, im demokratischen Kontext gibt es zahlreiche Anknüpfungs- Miteinander Umweltprojekte zu planen, punkte für die aktive Beteiligung von Kindern Schwerpunkte zu setzen und bei der Suche und Eltern (Maßnahmen zur Abfallvermei- nach umweltgerechten Lösungen zu koope- dung, Mülltrennung, Kompostierung, zur rieren. In der Zusammenarbeit mit fachkun- Reduzierung von Energieverbrauch, Aus- digen Stellen (der lokalen Agenda 21, Um- wahl ortsnaher Zulieferer etc.), um umwelt- welt- und Naturschutzverbänden, Umwelt- verantwortliches Denken und Handeln zu stationen, Abfall- und Energieberatungs- stärken. stellen, Forstämtern, Verbraucherschutz- organisationen etc.) werden die vielfältigen Themenauswahl Möglichkeiten von nachhaltigem umwelt- bezogenen Denken und Handeln deutlich. Bei der Auswahl der Themen für die vorlie- gende Broschüre haben wir neben dem Mit Blick auf die anzustrebende Bildungs- eindeutigen Bezug zur nachhaltigen Ent- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern wicklung vor allem darauf geachtet, dass sie ist es notwendig, dass sich diese mit den sich im ganz normalen Alltag der Kinderta- Werthaltungen, die der Bildung für nachhal- geseinrichtung umsetzen lassen, ohne zu tige Entwicklung zu Grunde liegen, ausein- große Anforderungen an spezielle natur- anderzusetzen. Vor allem Beteiligungsmög- räumliche Gegebenheiten oder das Spiel- lichkeiten, aber auch Informationen und ein und Experimentiermaterial zu stellen. entsprechendes Angebot an Materialien tragen dazu bei, dass Eltern die Methoden der Bildung für nachhaltige Entwicklung Boden/Erde auch im familiären Umfeld integrieren. Als Grundlage menschlichen Lebens erfüllt die Naturressource Boden unentbehrliche Ökologie Funktionen wie z. B. Trinkwasserversorgung, Nahrungsmittelproduktion oder dient als Bau- und Rohstofflager. Darüber hinaus ist Soziales der Boden aber Lebensraum zahlreicher Lebewesen, seien es Mikroorganismen, Bakterien, Pilze, Tiere oder höhere Pflanzen. Hier wird der Boden zum Entdeckungsraum für die tägliche Kindergartenarbeit und Ökonomie bietet zahlreiche Erlebnis- und Untersu- chungsmöglichkeiten. Die Kindertageseinrichtung als möglicher Modellort der zukunfts- fähigen Kommune Wasser Wird der Begriff der nachhaltigen Entwick- Aufgrund der Tatsache, dass unsere Erde zu lung auf die Betriebsführung, die Auswahl drei Viertel von Wasser bedeckt ist, wird sie der Lieferanten oder die Gestaltung von gerne auch als blauer Planet bezeichnet. Außengelände und Gebäude ausgedehnt, Scheinbarer Wasserüberfluss relativiert sich so müssen Träger und politische Entschei- schnell, wenn wir die Salzwasser- von den dungsträger in der Gemeinde bzw. Kommu- Süßwasservorräten der Erde trennen und ne einbezogen werden. Wird das Innova- sehen, wie wichtig der Zugang zu sauberem tionspotential der Bildung für nachhaltige Trinkwasser für uns Menschen ist. Über den Entwicklung genutzt, kann die Kindertages- achtsamen Umgang mit diesem Element einrichtung zum Modellort einer zukunftsfä- hinaus bietet aber Wasser als Lebensraum 8
viele Möglichkeiten, die besondere Tier- und Biologische Vielfalt (Biodiversität) Pflanzenwelt darin zu entdecken, und Gelegenheiten für einfache naturwissen- Die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist schaftliche Versuche. für uns Menschen überlebensnotwendig. Zum einen gehen alle Nutztiere und Nutz- pflanzen auf wildlebende Arten zurück, aber Energie und Klima auch viele Wirkstoffe der Medizin lassen sich auf Pflanzen zurückführen. Nicht nur die Woher kommt unsere Energie? Warum sind besondere Bedeutung als Lebensgrundlage wir manchmal energiegeladen oder eher für den Menschen macht biologische Vielfalt schlapp? Woher bekommen Tiere und so faszinierend, sondern auch das Entde- Pflanzen Energie? Welche Rolle spielt die cken der unterschiedlich angepassten Tiere Sonne? Das Thema Energie lässt sich auf und Pflanzen in unserer unmittelbaren vielfältige Weise in der Kindertageseinrich- Umgebung. Wie sehr die verschiedenen tung erlebbar machen. Der sparsame Um- Arten voneinander abhängen, macht die gang mit Energie und das Entdecken von Beschäftigung mit dem Thema biologische neuen Möglichkeiten zum Energiesparen Vielfalt facettenreich und spannend. machen das Thema auch über einen länge- ren Zeitraum im Kindergarten interessant. Abfallwirtschaft, Verbraucher- schutz und Konsum Ernährung Der Frage nachzugehen, was mit den Woher kommt all unser Essen? Ernähren Dingen geschieht, die wir nicht mehr wir uns gesund? Wie ernähren sich Kinder brauchen, und gleichzeitig zu überlegen, in anderen Teilen der Welt? Mit diesen ob es Abfall in der Natur gibt, eröffnet ein Fragen ist man schon mittendrin im span- weites Feld von Betrachtungsmöglichkeiten nenden Thema Ernährung und nachhaltige über unseren Umgang mit den Dingen des Entwicklung. Geruchs- und Geschmackssinn täglichen Lebens. Ob bei Ernährung, führen direkt zu einer aufschlussreichen Bekleidung oder Spielzeug – was passiert Auseinandersetzung, wie weit z. B. unsere damit, wenn es nicht mehr gebraucht wird? Lebensmittel reisen müssen oder welche Reparieren oder neu kaufen – hier ist man Köstlichkeiten eine bunte Blumenwiese für schnell bei der Suche nach einem nachhalti- uns zu bieten hat. gen Lebensstil. Quellen: t Zukunftsfähigkeit im Kindergarten vermitteln: Kinder stärken, nachhaltige Entwick- lung befördern; Ein Diskussionsbeitrag der Deutschen UNESCO-Kommission im Rahmen der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung (2005 – 2014)“; Herausgeber: Deutsche UNESCO-Kommission e. V. (DUK); Bonn; 2010 t Akteure, Wege, Perspektiven: Bildung für nachhaltige Entwicklung in Bayern, Aktionsplan im Rahmen der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005-2014, Herausgeber: Arbeitskreis Bildung für nachhaltige Entwicklung unter Federführung des StMUG in Bayern, Kempten, 2009 t Nationaler Aktionsplan für Deutschland, UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ 2005 – 2014, V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Gerhard de Haan, Freie Universität Berlin, 2005 9
Bildungsverständnis und Bildung für nachhaltige Entwicklung im Bayerischen Bildungs- und Erzie- hungsplan Auf Bildung für nachhaltige Entwicklung Gemeinschaft vorfindet, sich eingebunden ist im Bayerischen Bildungs- und Erzie- fühlt und Stärkung seiner Kompetenzen hungsplan (BayBEP) Bezug genommen erfährt (Basiskompetenzen/BayBEP S. 54ff). im themenbezogenen Bildungs- und Erziehungsbereich „Umwelt“. Neben den Einen emotionalen Zugang zur Umwelt Bildungszielen „Naturbegegnung“ und erhalten die Kinder, wenn sie die natürliche „Nachsorgender Umweltschutz“ erscheint Umwelt als Quelle der Freude und Ent- Bildung für nachhaltige Entwicklung als spannung erleben. Kinder unter 3 Jahren weitere wichtige Dimension von Umweltbil- brauchen deshalb vielfältige Möglichkeiten dung und -erziehung. „Bereits junge Kinder z.B. zum Staunen über die Artenvielfalt, bringen die Voraussetzungen dafür mit, zum Gestalten mit Naturmaterialien und zu diesem Ziel im Rahmen entwicklungsange- stärkenden Erfahrungen bei der Übernahme messener Lernprozesse zu entsprechen.“ von Verantwortung (z. B. Blumenpflege). (BayBEP, 2010, S. 292). Kinder sollen sich Durch Ausprobieren können sie selbsttätig deshalb schon in der Familie und in Kinder- Antworten auf ihre „Warum-Fragen“ fin- tageseinrichtungen in Kooperation mit an- den. Auch in Projekte können Kinder schon deren für eine gesunde Umwelt engagieren sehr früh aktiv eingebunden werden. Das und dabei Denken und Handeln im Sinne gemeinsame Tun mit Anderen lässt sie der Bildung für nachhaltige Entwicklung in die Lerngemeinschaft der „Größeren“ einüben (vgl. BayBEP, S. 292f). hineinwachsen, in der Denkweisen nachhal- tiger Entwicklung durch Dialog und sozialen Austausch ko-konstruiert werden. Prinzip der Entwicklungs- angemessenheit Tragend hierbei ist gegenseitige Achtung und Wertschätzung. Das sind auch die Wer- Der BayBEP vertritt folgende Grundannah- te, die Grundlage der Bildung für nachhal- men oder folgendes Bild vom Kind: Es ist tige Entwicklung sind. Nur in einem sozial von Geburt an reich an Ressourcen und gerechten Klima kann sich ein Bewusstsein Kompetenzen, es geht von Anfang an neu- für umweltverantwortliches Denken und gierig und wissenshungrig auf die Welt zu, Handeln entwickeln. Darüber hinaus müs- es will die Welt verstehen und hat Freude sen umweltpädagogische Bildungsprozesse daran, sie mitzugestalten (vgl. BayBEP, S. anknüpfen an die speziellen Bedürfnisse 23ff). Aufgabe von Kindertageseinrichtun- und den aktuellen Entwicklungs- und Lern- gen ist es, diese Lernfreude zu erhalten und stand des einzelnen Kindes. Gelingt beides, mit Prozessen zu verbinden, die Kinder zu kann in Kindertageseinrichtungen eine selbsttätigem und verantwortlichem Han- Lernkultur wachsen, in der Kinder ermu- deln in der sozialen Gemeinschaft befähi- tigt werden, miteinander zu forschen und gen. Voraussetzung hierfür ist, dass das selbsttätig Lösungen für umweltgerechtes Kind ein positives emotionales Klima in der Denken und Handeln zu finden. 10
Bildung für nachhaltige Ent- (vgl. Vygotsky, 1987). Kinder oder Erwach- wicklung durch Lernen im Dialog sene, die mehr über einen bestimmten und sozialen Austausch (Ko-Kon- Sachverhalt wissen, die weiterführende Fra- struktion) gen stellen, die das Nachdenken anregen, die neue Perspektiven auf einen Sachverhalt Der Bayerische Bildungs- und Erziehungs- öffnen, können das Kind zum Denken auf plan baut auf einem ko-konstruktiven Lern- dem nächsthöheren Niveau herausfordern. ansatz auf (vgl. BayBEP, 2010, S. 31ff). Dabei Wird diese „Zone der nächsten Entwick- wird davon ausgegangen, dass sich der Auf- lung“ betreten, wird die Entwicklung beste- bau von Wissen und das Verstehen von Ge- hender Problemlösefähigkeiten unterstützt. gebenheiten, Situationen, Deutungen und Bedeutungen im sozialen Austausch voll- Aufgabe der pädagogischen Fachkraft ist es, ziehen. In offenen Dialogen, im Austausch im sozialen Austausch mitzuwirken und ihn von Perspektiven und Vorstellungen werden gleichzeitig zu unterstützen. Durch weiterfüh- gemeinsame Ziele ausgehandelt und eine rende Fragen ermutigt sie die Kinder Hypo- Verständigung auf das für alle Bedeutsame thesen aufzustellen (z. B. über den Grund herbeigeführt. An Ko-Konstruktionsprozes- dafür, dass Raupen sich an Brennnesseln sen sind Kinder und Erwachsene (Erzieher, nicht verbrennen), regen zur Auseinanderset- Eltern, Experten u. a.) zugleich aktiv beteiligt zung mit verschiedenen Vorstellungen und (Demokratieprinzip/BayBEP S. 34f). zum Finden gemeinsamer Lösungen an. Die Qualität des individuellen Lernfortschritts ist Jedes einzelne Kind bereichert den Ko- dabei von der Qualität der Zusammenarbeit Konstruktionsprozess mit seiner ganz und der Interaktionen zwischen den Beteilig- eigenen Perspektive auf einen Sachverhalt. ten beeinflusst. Insofern werden Sprache und Vielfältige und unterschiedliche Perspekti- Gespräch zu zentralen, Lern- und Bildungs- ven können so zur Erweiterung individueller prozesse steuernden Elementen (vgl. Textor, Denk- und Handlungsmöglichkeiten beitra- 2000; Siraj-Blatchford, 2007). gen und ebenso zur Entwicklung der Denk- und Handlungsmöglichkeiten der Lernge- Umweltpädagogische Ansätze, die allein die meinschaft führen. Entscheidend für den Begegnung mit der Natur, die Erfahrungen Lernertrag des einzelnen Kindes ist, dass es mit Tieren und Pflanzen und den Umgang mit seinen ganz speziellen Erfahrens- und mit Naturmaterialien ins Zentrum stellen, Denkweisen, seinen Wissensvoraussetzun- greifen vor diesem Hintergrund zu kurz. gen, Interessen und lebensweltlichen und Auch Ansätze, die die sozialen Interaktionen kulturellen Bezügen an die gemeinsamen der Kinder untereinander als das allein Ent- Überlegungen anknüpfen kann und zu scheidende sehen, sind aus dieser Perspek- weiterführenden Reflexionen angeregt wird. tive nicht hinreichend, (umweltpädagogi- Nur wenn die „ganze Perspektive“ des Kin- sche) Bildungsprozesse anzuregen. Bildung des im Lernprozess Berücksichtigung findet, für nachhaltige Entwicklung greift die Prinzi- wenn Aufgaben individuell anschlussfähig pien des ko-konstruktiven Lernansatzes auf sind, will und kann das Kind sich in vollem und trägt dazu bei, dass Kinder ein tiefer Umfang seinen Aufgaben zuwenden (vgl. gehendes Verständnis von Lebenszusam- Hellfritsch, 2007). menhängen entwickeln, in Verbindung mit der Orientierung an Werten selbstgesteuer- Erwachsene bzw. kompetentere Lernpartner tes Denken aufbauen und die erworbenen werden beim Lernen durch sozialen Aus- Kompetenzen in verantwortungsvolles tausch als die wichtigsten Mittler bei der Alltagshandeln umsetzen können (Lernme- Wissenskonstruktion des Kindes gesehen thodische Kompetenz/BayBEP S. 66ff). 11
Lernen in Projekten Projekte eignen sich hervorragend dazu, um umweltpädagogische Entwicklungsprozesse Eine hervorragende Möglichkeit, in sozialen in Gang zu setzen. Kinder können im Verlauf Austauschprozessen zu lernen und die ge- der Projekte umweltgerechtes und wert- nannten Fähigkeiten zu unterstützen, ist das orientiertes Denken und Handeln erkennen, Lernen in Projekten. Kinder und Erwachsene ausprobieren und in ihren Alltagsbezügen bestimmen gleichermaßen die Themen und umsetzen. Die Quellen der Bildungsarbeit den Projektprozess. Am Anfang steht eine sind auch hier Vermutungen, Hypothesen Idee, ein Impuls, eine Frage, der die Kinder und Fragestellungen. Diese werden im gemeinsam mit der Erzieherin und ande- sozialen Austausch überdacht und geprüft. ren Erwachsenen im Verlauf des Projekts Das Verstehen der Zusammenhänge führt auf den Grund gehen. Dabei sind vielfäl- zu nachhaltigen Lösungen. tige Herangehensweisen an das gewählte Thema und die ins Auge gefassten Inhalte möglich. Es können vielfältige Bezüge zu Auswahl der Projekte den explizit als zentral bestimmten Bil- dungsbereichen und den integrierten oder Die nachfolgend ausgeführten Projekt- impliziten Bildungsbereichen hergestellt beispiele aus verschiedenen Kindertages- und bildungsbereichsübergreifendes Lernen einrichtungen stellen jeweils eines der unterstützt werden. ausgewählten Themen in den Mittelpunkt. Sie wollen aufzeigen, wie Erzieherinnen Die kooperative Auseinandersetzung mit und Erzieher umweltpädagogische Bil- Themen und das gemeinsame Finden dungsprozesse vor dem Hintergrund des von Lösungsansätzen und -strategien ko-konstruktiven Ansatzes begleiten und verbinden die Stärkung personaler und Kinder zu gemeinsam ausgehandelten und sozialer Kompetenzen mit der Vertiefung verantworteten Lösungen führen können. von inhaltlichem Wissen. Lernmethodische Das ist auch der Weg, auf dem sich selbsttä- Kompetenzen werden durch die regelmä- tiges Denken und wertorientiertes Handeln ßige Reflexion auf gemeinsame Erlebnisse aufbaut. und Erkenntnisse, auf Lösungsstrategien und Lernwege ausgebaut. Unterstützend Jedem der sechs Projekte sind Hintergrund- dabei wirkt die fortlaufende Dokumentation informationen vorangestellt. Sie führen der Lernprozesse durch Aufzeichnungen, die Inhalte der jeweiligen Themenbereiche Fotos, Tagebücher etc. Sie bietet Kindern, umfassend aus und sind als Hilfe und Anre- Fachkräften und Eltern die Möglichkeit gung für die Entwicklung eigener Projekte sich an den Prozessverlauf zu erinnern, zu gedacht. reflektieren, sich mitzuteilen und sich über Aktivitäten und Erfahrungen auszutauschen. Kinder blicken mit Stolz auf die Arbeitser- gebnisse, entwickeln im Austausch neue Fragestellungen, die zu neuen Aktivitäten herausfordern. 12
Selbstgesteuertes Denken und verantwortungsvolles Handeln M. Hellfritsch Lernen in Projekten Quellen: t Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, Staatsinstitut für Frühpädagogik, München (Hrsg) (2010): Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung. 4. Aufl. Berlin: Cornelson Scriptor t Hellfritsch, M. (2007): Fachkongress „Bildung und Erziehung in Deutschland“. IFP- Infodienst (1/2), S. 51f) t Siraj-Blatchford, I. (2007): Effektive Bildungsprozesse: Lehren in der frühen Kindheit. In: F. Becker-Stoll & M. Textor (Hrsg.): Die Erzieherin-Kind-Beziehung. Berlin, Düssel- dorf, Mannheim: Cornelson t Textor, M. R. (2000): Lew Wygotski. In: Fthenakis, W. E., Textor, M. R. (Hrsg) Pädago- gische Ansätze im Kindergarten S. 71ff). Weinheim, Basel: Beltz t Vygotsky, Lew (1987): Ausgewählte Schriften. Band 2: Arbeiten zur psychischen Entwicklung der Persönlichkeit. S. 252ff). Berlin: Volk & Wissen 13
1 Boden / Erde 1.1 Hintergrundinformationen Besonderheit und Vielfalt des Der Boden ist eine belebte Materie. In ihm Bodens leben unzählige Klein- und Kleinstlebewe- sen wie Maulwürfe, Regenwürmer und Direkt unter unseren Füßen liegt ein eigener Springschwänze, die durch ihre grabende Kosmos, in dem es Spannendes und und wühlende Tätigkeit zur Bodenverbesse- Interessantes zu entdecken gibt. Der Boden rung und zur Bodenfruchtbarkeit beitragen. und die obersten Erdschichten sind für den Ohne grabbare Böden könnten viele Wild- Menschen und das Leben auf der Erde als tiere, wie Hase, Fuchs und Dachs, ihre Teil unseres Ökosystems von zentraler Erdhöhlen nicht bauen. Bedeutung. Natürliche und naturnahe Flächen besitzen Die Böden bilden den Lebensraum für auch eine wichtige Funktion für die Erho- Menschen, Tiere und Pflanzen gleicherma- lung und den Tourismus. Für den Menschen ßen. Alle drei Lebensformen sind von dem dienen Böden zusammen mit ihren umge- verschiedenartigen, durch Poren und Klüfte benden Gesteinsschichten als Lagerstätten durchsetzten Aufbau der Böden und seiner für Rohstoffe und als Basis für den Straßen- Fähigkeit, Wasser und Nährstoffe zu spei- und Siedlungsbau. Auch als Archive der chern und zu transportieren (Nährstoff- Menschheitsgeschichte und der Erd- und Wasser-Kreislauf), abhängig. Für unser Klimaentwicklung sind Böden wichtige Grund- und Trinkwasser – dem wichtigsten Informationsquellen. Lebensmittel – übernehmen die Böden mit ihrer Fähigkeit, Schadstoffe zu binden, eine außerordentlich bedeutsame Schutzfunktion. Gefährdung von Böden Als Standort für Pflanzen sind Böden Er- Die natürlichen Funktionen von Böden nährungsgrundlage für Mensch und Tier. können durch Einwirkungen von außen Böden spielen somit eine wesentliche Rolle gefährdet sein. Vor allem Industrie und für die land- und forstwirtschaftliche Nut- Landwirtschaft können durch Eintrag zung und prägen das Erscheinungsbild schädlicher Stoffe, wie z. B. Schwermetalle unserer Kulturlandschaft maßgeblich. oder organische Problemstoffe, den Boden belasten. Problematisch ist aber auch die flächendeckende Versiegelung natürlicher Böden und der damit einhergehende Flächenverbrauch (z. B. durch Straßen- und Siedlungsbau). Außerdem gehen jährlich Tonnen von fruchtbarem Ackerboden durch Wind- und Starkregenabtrag verloren. 14
Boden / Erde Wie kann der Boden geschützt Ziele nachhaltiger Bildung werden? Um Boden nachhaltig zu schützen, ist nicht Ziel des vorsorgenden Bodenschutzes nur ein sorgsamer Umgang mit der Res- ist es, Schadstoffe im Boden, Abtragung source „Boden“ notwendig, wir müssen ihn und Verdichtung zu vermeiden (z. B. durch auch als lebensnotwendige Grundlage Einbau von Industriefiltern, umweltverträg- begreifen und uns über seine Bedeutung liche Landwirtschaft), den Flächenverbrauch bewusst werden: einzudämmen (z. B. durch Flächenrecycling, t als Lebensraum von Bodenlebewesen d. h. Nutzung industrieller Brachflächen (Regenwurm, Maulwurf) zur Schonung der „grünen Wiese“) und t als Wasser- und Nährstoffspeicher verschmutzte oder verseuchte Böden zu t als Pflanzenstandort für Land- und Forst- sanieren (durch Bodenaustausch, Altlasten- wirtschaft sanierung). t als Schadstoffpuffer und beim Schadstoff- abbau 15
1.2 Projektbeispiel „Wir erkunden den Boden” In Zusammenarbeit mit dem Städtischen Kinderhaus Felicitas-Füss-Straße 14, München (Oberbayern) Entstehung des Projekts – und wie auf dem Feldweg anhört. „Beim Themenfindung Asphalt klappert es mehr“, stellt ein Kind fest. Später ergänzt ein anderes: „Und auf Die Idee zu dem Projekt entwickelte sich in dem Waldboden sinkt der Stock ein!“ Wild der „Freilandgruppe“ des Kinderhauses. probieren das alle Stockbesitzer aus. Diese Gruppe besteht seit ca. 14 Jahren zu- „Halt!“, ruft ein Kind, „da können Tiere sätzlich zu den „Hausgruppen“ und wurde drunter sein!“ mit dem Ziel eingerichtet, Kindern mehr Freiraum für Bewegung, für Kreativität und Um nachschauen zu können, ritzen einige soziales Lernen zu bieten. Durch die Öff- Kinder mit ihren Stöcken in den Boden, nung der Kindergartenräume und des Kin- andere graben mit ihren Händen. Sie dergartengeländes nach draußen erweitert kommen nicht sehr tief und stoßen nur die Freilandpädagogik den Erlebnisraum auf eine Schicht mit Laub, Tannennadeln, der Kinder und ermöglicht natürliche bzw. Holzteilen und Moos. „Das ist die Streu- naturnahe Erfahrungen. Im Unterschied schicht!“, weiß der 6-jährige Arthur aus zur Waldpädagogik ist der Aufenthalt nicht einem vorausgegangenen Regenwurm- auf Waldgebiete eingegrenzt. Aufgesucht projekt. Er erklärt den anderen Kindern werden ganz bewusst Orte im unmittelba- auch, dass ren Lebensumfeld der Kinder. In der Aus- t herabgefallene Blätter von Bodenlebe- einanderssetzung mit vielfältigen Alltagssi- wesen zersetzt werden, tuationen und Begegnungen erwerben die t die Bodenlebewesen, und besonders Kinder selbsttätig Kompetenzen, die sie in der Regenwurm, die Erde auflockern, ihrer Selbständigkeit, geistigen Flexibilität, t der Regenwurmkot wichtig ist für die Widerstandsfähigkeit und Verantwortungs- Fruchtbarkeit des Bodens, übernahme stärken. t der Regenwurm Gänge gräbt und da- durch das Regenwasser besser in die Kinder graben gerne, möchten schaufeln, Erde dringen kann, buddeln, matschen, Steine entdecken und t der Regenwurm „Regenwurm” heißt, Kleintiere anfassen. Vor allem in Großstäd- weil er bei Regen unter der Erde keine ten sind die Böden auf öffentlichen Plätzen Luft bekommt und auf die Erdoberfläche und Wegen jedoch weitgehend versiegelt. kriecht. Kinder finden dort kaum Gelegenheit zum Graben und sich auf diese Weise die Welt Arthur bietet an, mit interessierten Kindern unter ihren Füßen zugänglich zu machen. noch einmal den beim Vorgängerprojekt Die Freilandgruppe hat die Möglichkeit gebauten Regenwurmkasten auszustatten sowohl asphaltierte Straßen, fest getretene (Glaskasten, Erde, abgefallene Blätter, Wur- Feldwege, Ackerböden, Wiesen- und Wald- zelreste, Regenwürmer), um das Verhalten böden bewusst wahrzunehmen. von Regenwürmern genau beobachten zu können (in den nächsten Tagen führt Arthur Auf dem Weg in den Wald nehmen einige mit einer Kleingruppe dieses Kleinprojekt Kinder Stöcke auf und benutzen sie als parallel selbstständig durch). Wanderstäbe. Sie probieren aus, wie sich das Stochern mit den Stöcken auf Asphalt 16
Boden / Erde Planung und Vorbereitung Durchführung des Projekts Die Erzieherin schlägt vor, am nächsten Tag Am nächsten Tag wird ein Grabungsort im Wald ein „Forschungsloch“ zu graben ausgesucht. Gemeinsam mit der Erziehe- und dann weiter nach Bodenbewohnern rin stechen die Kinder ein ca. 60 cm tiefes zu suchen. Spatenrelief aus (d. h., mit einem Spaten wird 60 cm tief in die Erde gestochen und Erfahren durch viele vorangegangene ein Stück Boden ausgehoben) und legen es Forschungsvorhaben stellen die Kinder auf die mitgebrachte Plastikplane. Sie heben im Kinderhaus selbständig eine Forscher- vorsichtig die obere Bodenschicht an und kiste zusammen: Spaten für die Erzieherin, entdecken verschiedene Kleinlebewesen. einen Handspaten aus Metall für jedes Kind, Einige (mutige) Kinder lassen die Tierchen Eimer, Siebe, Becher, Dosen, Schachteln, über ihre Hände kriechen, andere sortieren Becherlupen, andere Lupen, eine Plastik- sie schnell in die mitgebrachten Behälter. plane und ein Bestimmungsbuch. Mit Lupen werden die Kriech- und Krab- beltiere genau untersucht und unbekann- Am Projekt können sich alle interessierten te Bodenbewohner mit Hilfe des Buches Kinder beteiligen. Es werden dafür zwei bestimmt. Die Kinder bitten die Erzieherin in Monate im Herbst angesetzt. das Forschungsnotizbuch einzutragen: 17
„Die Kinder entdeckten im Spatenrelief Kä- „Ganz unten sind lauter kleine Steinchen“, ferlarven, Ringelwürmer, Steinläufer, Asseln, bemerkt ein Kind. Nacktschnecken und Regenwürmer.“ Die Kinder wollen eine Fotografie machen Einem Kind fällt auf: „Der Boden unter dem vom Aufbau des Erdstücks. Da der Foto- Laub ist ja fast schwarz!“ apparat vergessen wurde, wollen sie den Erdaufbau in Zeichnungen festhalten (Stifte „Das ist der Boden, der entstanden ist durch und Papier hat die Freilandgruppe immer die verfaulten Pflanzen und die ‚Arbeit’ der dabei). An den Zeichnungen lässt sich er- Bodentierchen“, weiß ein Kind. kennen, dass die Kinder den Aufbau in Schichten schon erkannt haben. Auf die „Gibt es weiter unten auch was zu sehen?“, oberste Schicht malen einige Kinder noch fragt die Erzieherin. frisches Gras und Moos. So wird deutlich, dass es sich um ein Waldbodenprofil handelt. Die Kinder stellen fest: t „Der Boden wird immer heller!“ Nele schlägt vor, je eine Probe der ver- t „Schau mal, da sind ganz viele Wurzeln!“ schiedenen Schichten abzunehmen, sie Die Kinder schauen sich die ineinander mit ins Kinderhaus zu nehmen und dort verschlungenen Wurzeln genau an und nach weiteren Informationen zum Bau des befühlen sie vorsichtig. Bodens zu suchen. Bevor alle gemeinsam 18
Boden / Erde zurückgehen, werden die Kleintiere in ihren Lebensraum zurückgebracht und das Loch wieder zugeschaufelt. In der Kindertageseinrichtung kleben die Kinder die Proben der verschiedenen Bo- denschichten auf Karton und untersuchen sie noch einmal genau. Sie finden vier unterschiedliche Schichten: t die „Streuschicht“ mit Laub, Moos und Holzteilchen t die dunkle, humusreiche Schicht t eine hellere Schicht, in der auch Wurzeln zu finden sind t eine noch hellere Schicht mit kleinen Steinchen Mit Hilfe der Erzieherin tragen die Kinder noch einmal Informationen aus den Fachbü- chern und dem Internet zusammen. Das, was Arthur und die anderen Experten schon wussten, wird bestätigt: t Die Kleinlebewesen im Boden stehen alle in wechselseitiger Beziehung zueinander. t Sie beteiligen sich alle an der Zersetzung von Pflanzen, der Humusbildung, der Durchmischung und Durchlüftung des Bodens. t Die Regenwürmer sind Erdfresser. Sie scheiden Erde und faulende Pflanzenteil- chen zur Verbesserung der Erde wieder aus. t Mit ihrem Gangsystem verbessern sie die Bodendurchlüftung und bieten den Pflanzen dadurch gute Bedingungen zum Durchwurzeln des Bodens. t Die Bodenschichten bilden sich nach und nach. Zusammen ergeben sie das Boden- profil. t Die Entstehung von neuem Boden dauert mehrere tausend Jahre. „Wer ist was?“ Einige Kinder nehmen in den nächsten Ta- gen regelmäßig ihre Becherlupen mit hinaus ins Freiland und achten darauf, dass der Fo- toapparat mitgenommen wird. Sie schauen bei allen Gelegenheiten nach Krabbel- und Kriechtieren in der ersten Bodenschicht und fotografieren sie, nachdem sie sie eingefan- gen haben. Die Tiere, die sie vor Ort nicht bestimmen können, nehmen sie mit zum 19
Kinderhaus, um das mit Hilfe der dort vor- schiedene Bereiche aus. Genauer unter- handenen Medien nachzuholen. sucht werden sollen: eine Fichtenmonokul- Die entwickelten Fotos pinnt die Erzieherin tur, ein Stillwasserbiotop, ein Biotop am auf die Dokumentationswand. Gemeinsam Kieswerksee, am Hohlweg und eines an der mit der Erzieherin beschriften die Kinder Eti- Bahnanlage. ketten mit den dazu gehörenden Bezeichnun- gen. Diese kleben sie zum passenden Foto. Der Kieswerksee in Trudering wird zum Forschungslabor. Die Kinder teilen sich in Spatenreliefs und Biotope kleine Gruppen ein und legen fest, welche Die Kinder schlagen vor, Spatenreliefs auch Gruppe die Beobachtungsbeschreibung für von anderen Gebieten zu nehmen. Sie wol- welches Biotop übernimmt. Der Aushand- len wissen, ob sie überall gleich aussehen. lungsprozess dauert eine Weile, führt aber Sie laden den Biologen, der schon oft mit letztlich zum Ziel. ihnen zusammengearbeitet hat, telefonisch ein und bitten ihn sie auch dieses Mal fach- Jede Gruppe fertigt eine Momentaufnahme kundig zu begleiten. (Zeichnung) von ihrem Biotop an und führt ihre Beobachtungen durch. Der Experte Am nahen Kieswerksee in Trudering setzt unterstützt bei offenen Fragen durch Fach- sich das Projekt fort. Der Biologe vertieft informationen. Anschließend werden die über mehrere Tage mit den Kindern das Namen der Pflanzenarten und Kleinlebe- Bodenthema im Zusammenhang mit wesen zusammengetragen, die in den ver- Biotopen. Er wählt mit den Kindern ver- schiedenen Biotopen gefunden wurden. 20
Boden / Erde Aus jedem Biotop stechen die Kinder Der Biologe betrachtet mit den Kindern die gemeinsam mit einem Erwachsenen ein Teilchen im Boden genauer. Die Kinder Stück Boden aus und stellen es auf eine erkennen einige Unterschiede (z. B. sandi- Plastikkiste. Der jeweilige Oberflächen- ger, lehmiger, mehr Steinchen). Er erklärt bewuchs wird auf dem ausgestochenen ihnen: Spatenprofil belassen. Die Kinder können t Die Mischung im Boden bestimmt die sehr schön sehen, Bodenart und damit die vorherrschenden t wie der Bewuchs seine Wurzeln im Boden Bodenverhältnisse. schlägt, t Der Pflanzenbewuchs gibt einen Hinweis t dass Lebewesen im Boden leben und auf die vorherrschenden Bodenverhältnis- t wie das jeweilige Biotop im Querschnitt se, d.h. auf die Bodenart und die Boden- aufgebaut ist. qualität. Es lassen sich t Regenwurmgänge nachverfolgen. Der Experte bespricht mit den Kindern die t Gerüche von Humus mit Braunerde Besonderheiten der jeweiligen Lebensräu- vergleichen. me, z. B.: t die Wurzeln der Pflanzen befühlen. t Glockenblumen und Margeriten wachsen auf Magerböden. Die Kinder erkennen gut den Schichtenauf- t In stickstoffreichen Böden machen sich bau bei allen Bodenstücken und sind stolz, schnellwüchsige Pflanzen wie z. B. Löwen- dass sie ihr Wissen, das sie mit dem ersten zahn breit. Aushub im Wald aufgebaut haben (z. B. über t Hier finden Schmetterlinge und Insekten die Arbeitsleistung des Regenwurms bei der wenig Nahrung, was die Vielfalt ein- Entstehung des Humus), abrufen können. schränkt. „Trotzdem sehen die innen drin anders aus“, „Da ist ja sogar Bauschutt drin!“, ruft ein bemerkt ein Kind. Kind entsetzt. 21
Die Kinder wissen, dass Abfall im Boden Ein neues, spannendes Projekt kann sich weder für die Pflanzen noch für die Tiere gut hier anschließen: sein kann. t Besuch bei einem Biobauer oder der Zusammenhang von Bodenqualität, Bewirt- „Zum Glück ist das kein Acker. Sonst würde schaftungsmethoden und Qualität von der Dreck ins Korn kommen!“, stellt ein Nahrungsmitteln. Junge beruhigt fest. Damit die Kinder eine Vorstellung davon bekommen, welche gravierenden Folgen Abschluss des Projekts Umweltverschmutzung auf den Boden hat, erklärt der Biologe: Zum Abschluss der mehrtägigen Exkur- t Schwer abbaubarer Abfall z. B. schadet sion erstellen die Erzieherinnen mit dem dem Boden nachhaltig. Es dauert Jahre, Experten noch am Kieswerksee eine große bis er sich wieder erholt. Pinnwand. Alle Biotope und die wichtigen t In unserem Klima dauert es 100 bis 300 Hintergrundinformationen sind hier festge- Jahre, bis eine Humusschicht von 1 cm halten (Fotos, Zeichnungen, Beschriftungen, Dicke entsteht. Texte etc.). Die Pinnwand und die Profile t Die fruchtbare Schicht eines Ackerbodens werden in das Kinderhaus transportiert. sollte 30 – 40 cm dick sein. Die den Aufzeichnungen beigestellten Pro- file und Arbeitsgeräte machen das Thema auch für Noch-nicht-Experten greifbar. Die anschauliche Dokumentation zeigt die For- schungsleistung der Kinder und den Weg zu ihren Erkenntnissen. Die Kinder besprechen ihre Ergebnisse mit Kindern aus anderen Gruppen und präsentieren sie selbstbe- wusst auch ihren Eltern. Einordnung in einen größeren Zusammenhang Das Thema Boden / Erde steht in dem grö- ßeren Zusammenhang von „Wachstum und Vergänglichkeit“ sowie „Nährstoffkreislauf“. Für die Kinder werden Zusammenhänge des Lebens erfahrbar. Sie verstehen, dass der Boden/die Erde neben Wasser und Luft zu den Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen gehören. Anhand der Nahrungskette wird den Kindern einsichtig, dass der Mensch eine seiner Lebensgrund- lagen selbst zerstört, wenn er dem Boden Schaden zufügt, ihn umweltschädlich be- wirtschaftet oder gar verseucht. Die Projekt- ergebnisse können Ausgang sein für weiter- gehende Fragestellungen im Rahmen des Bodenschutzes. Themen wie umweltverträg- liche Landwirtschaft, biologischer Landbau, bewusste Abfallwirtschaft und bewusstes Konsumverhalten sind anschlussfähig. 22
Boden / Erde Talia, 5 Jahre Talia, 5 Jahre Dokumentation und Reflexion Zentrale Bildungsbereiche Die Dokumentation ist im Verlauf des Umwelt Projekts gewachsen. Die Informationen, Die Kinder verstehen, dass das Leben auf Werkstücke und Sammlungen werden im und in der Erde voneinander abhängt und Kinderhaus auf für alle zugängliche Pinn- der Mensch dafür verantwortlich ist, dass wände und in Themenecken präsentiert. das Ineinandergreifen der Prozesse nicht Die Kinder können hier auf ihre Lernpro- gestört oder gar zerstört wird. Den Kin- zesse zurückgreifen und den Projektverlauf dern wird bewusst, dass auch sie selbst nachvollziehen. Für jedes Kind wird eine zum Schutz des Bodens beitragen kön- Lernfortschrittsmappe geführt. Hier werden nen, indem sie z. B. Abfall vermeiden oder Text-, Bild- und zum Teil auch Videoszenen entsorgen. Der Boden/die Erde wird als ein mit aufgenommen. Sie ist für jedes Kind schützenswertes Ökosystem begreifbar. frei zugänglich, so dass es jederzeit auf Auch der Problembereich „flächendeckende seine Lernprozesse und Erfolge reflektieren Versiegelung natürlicher Böden“ steht dazu kann. Eingesetzt wird die Mappe auch als anschaulich in Bezug. Grundlage für Entwicklungsgespräche der Erzieherinnen mit den Eltern. Naturwissenschaften und Technik In der Hausbibliothek werden die Bilder- Durch die Erkundung des Spatenreliefs und Sachbücher regelmäßig themenspezi- lernen die Kinder den Schichtaufbau des fisch angepasst. Sie sind dort weit über die Bodens kennen. Sie erkennen, dass Erde Laufzeit der Projekte ausleihbar. Die Kinder und Boden Lebensraum für eine VielzahI finden dort sowohl die Bücher, die in das von Lebewesen ist und dass diese wichtige Projekt einbezogen waren, als auch weiter- Funktionen bei der Entstehung von (Mutter-) führende Literatur. Je nach Interesse und Boden haben. Sie lernen unterschiedliche Motivation können die Kinder die Themen- Bodenarten kennen (z. B. Sand, Lehm, Ton). bereiche noch vertiefen. Über die Erkundungen im Zusammenhang 23
mit Biotopen verstehen die Kinder, dass Erde“) als Basis unseres Lebens zu schät- Pflanzen einen Hinweis geben können auf zen. Sie staunen über die Schöpfung mit die vorherrschenden Bodenverhältnisse, ihren intelligent aufeinander abgestimmten d.h. auf die Bodenart und -qualität. Prozessen. Sie fühlen sich als wichtiger Teil dem Ganzen zugehörig und werden sich Gemeinsam mit den Erzieherinnen und ihrer Verantwortung für die Gesunderhal- Experten suchen sie Antworten auf ihre tung der Natur bewusst. Fragen. Sie eignen sich aktiv forschend Wissen an und überprüfen ihre Thesen mit Emotionalität, soziale Beziehungen und „wissenschaftlichen“ Forschungsmethoden Konflikte (z. B. Bodenproben entnehmen, untersu- Die Betonung der Selbsttätigkeit bei der chen, Beobachtungen durchführen, sam- Projektentwicklung (und im Konzept der meln, sortieren, analysieren, klassifizieren). Freilandpädagogik überhaupt) stärkt die Selbstregulationsfähigkeit der Kinder. Eigenverantwortung und lebenspraktische Integrierte Bildungsbereiche Kompetenzen können täglich eingeübt werden. Die Kinder werden sehr ernst ge- Werteorientierung und Religiosität nommen mit ihren Fähigkeiten. In diesem Die Kinder lernen den Boden (die „Mutter Projekt konnten z.B. dem schon sehr kom- 24
Boden / Erde petenten Arthur besondere Aufgaben bei der Beratung einer Kleingruppe übertragen werden. Sprache und Literacy Das Projekt ist auf sprachlichen Austausch angelegt. Die Kinder besprechen Vermutun- gen und tauschen sich über Erfahrungen und Erkenntnisse aus. Auf diesem Weg werden Kommunikations- und Interaktions- kompetenzen gestärkt. Ihr Wortschatz wird erweitert durch das Kennenlernen und Verstehen neuer Begriffe (z. B. Bodenprofil); auch die Recherche in Literatur und Bild trägt dazu bei. Gesundheit und Bewegung Schon durch das Konzept der Freilandpäda- gogik (siehe Entstehung des Projekts) sind täglich vielfältige Bewegungsmöglichkeiten garantiert. Das freie Gelände ist Trainings- feld für die Wahrnehmung der Möglichkei- ten und Fähigkeiten des eigenen Körpers. Die Kinder sind bei jedem Wetter draußen. Ausgestattet mit angepasster Kleidung sind sie unterschiedlichen Witterungsverhält- nissen ausgesetzt, was ihre Abwehrkräfte stärkt. Quellen t Prokop, E.; Österreicher, H. (2006): Kinder wollen draußen sein. Natur entdecken, erforschen und erleben. Seelze: Kallmeyer t Österreicher, H. (2009): Expedition Leben: Biotope, Pflanzen, Tiere. Hintergrundwis- sen, Lernziele, Experimente und Versuche zur naturwissenschaftlichen Bildung im Kindergarten. Troisdorf: Bildungsverlag EINS. t Reidelhuber, A. (2000): Umweltbildung. Staatsinstitut für Frühpädagogik (Hrsg.). Freiburg im Breisgau: Lambertus t Österreicher, H.: www.Kinderfreiland.de t Staatsinstitut für Frühpädagogik: Programm Konsultationseinrichtungen http://www.ifp.bayern.de/projekte/laufende/konsultation.html 25
2 Wasser 2.1 Hintergrundinformationen Bedeutung des Wassers Wasser als Naturgefahr Wasser ist als essentieller Bestandteil des Wasser kann aber auch in unterschiedlicher Naturhaushalts die Grundlage allen Lebens. Form zur Bedrohung für den Menschen Für den Menschen ist Wasser insbesondere werden. Hochwasserereignisse an Wild- für Trink- und Gebrauchszwecke unentbehr- bächen und entlang von Flüssen sind in lich. Gleichzeitig ist Wasser lebensnotwen- diesem Zusammenhang genauso zu dig für Tier und Pflanze und bietet einigen nennen wie alpine Naturgefahren durch davon den spezifischen Lebensraum. Lawinen, Rutschungen und Murenabgänge. Bayern ist mit seinen rund 100.000 Kilo- Aufgabe der Wasserwirtschaft ist es daher metern an Flüssen und Bächen und etwa auch, durch ein breites Netz aus Informa- 50 größeren und einer Vielzahl kleinerer tions- und Warndiensten (Hochwassernach- natürlicher Seen eine der wasserreichsten richtendienst, Lawinenwarndienst, Grund- Regionen der Erde. Durch günstige natürli- wasserstände, überschwemmungsgefährdete che Voraussetzungen und wirksame Schutz- Gebiete), aber auch durch gezielte Baumaß- maßnahmen zeichnen sich die bayerischen nahmen (z. B. Hochwasserschutzdeiche oder Gewässer durch eine insgesamt hervorra- -mauern, Rückhaltebecken) sowie durch gende Wasserqualität aus. Fast das gesamte Renaturierungsmaßnahmen (z. B. Wieder- Trinkwasser – ungefähr 92 Prozent – kann herstellung natürlicher Überschwemmungs- aus gut geschütztem Grundwasser oder bereiche durch Deichrückverlegungen) die aus Quellen – meistens ohne Aufbereitung – Risiken von wasserbedingten Naturkatastro- gewonnen werden. Diesen Naturreichtum phen auf ein Minimum zu beschränken. gilt es zu erhalten und für kommende Ge- nerationen zu bewahren. Wie kann hohe Wasserqualität Wasser ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, erhalten werden? sowohl bei der Erzeugung von Industriegü- tern als auch für die Binnenschifffahrt oder Damit die hohe Wasserqualität erhalten bei der Nutzung der Wasserkraft zur Ener- bleibt und Schadstoffbelastungen des giegewinnung. Daneben ist Wasser auch Grundwassers (z. B. Nitrat) bzw. Einträge für die Erholung und den Tourismus von von Schadstoffen aller Art in das Oberflä- Bedeutung. chenwasser vermieden werden, sind umfangreiche Schutzmaßnahmen erfor- derlich. Dazu gehört die Ausweisung von Wasserschutzgebieten zum Schutz des Trinkwassers ebenso wie der weitere Ausbau der kommunalen und industriell- gewerblichen Abwasserentsorgung durch entsprechende Abwasseranlagen (Kanäle und Kläranlagen). Auch viele kleine private Hauskläranlagen müssen noch verbessert sowie diffuse Einträge von Nährstoffen, z. B. aus der Landwirtschaft, verringert werden. 26
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