Sommer- Heft No2 - FORUM Gas Wasser Wärme
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ZEITSCHRIFT DER ÖSTERREICHISCHEN VEREINIGUNG FÜR DAS GAS- UND WASSERFACH UND DES FACHVERBANDES DER GAS- UND WÄRMEVERSORGUNGSUNTERNEHMUNGEN Sommeor- Heft N 2 4/21 Im Brennpunkt Auf dem Weg zu P.b.b. – MZ 18Z041331 M nachhaltigen Lösungen Neue Wege für Wasserstoff | Versorgungssicherheit und Qualität bei Trinkwasser
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FORUM GAS WASSER WÄRME INHALT FORUM GAS WASSER WÄRME Heft 4/2021 18. Jahrgang | 102. Ausgabe | 9. August 2021 Die Zeitschrift der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach und des Fachverbandes der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen erscheint seit Grün- dung der ÖVGW im Jahr 1881. Seit 2004 trägt sie den Titel FORUM Gas Wasser Wärme. Cover: Sommerheft No. 2 ENERGIEFORUM 21 WASSERFORUM CNG für Schweizer Diskonter Lidl gibt Gas 6 29 22 Aufbau der europäischen Aspekte der Wasser- und Wasserstoffwirtschaft Grüngas-Offensive in Italien: Energiewirtschaft am 4,68 Mrd. kg Biogas bis 2030 Kaspischen Meer Studie der European Hydrogen Backbone-Initiative Interview mit CIB-Präsident Piero Gattoni Interview mit GCA-Geschäfts 32 führer Harald Stindl 10 24 Ärger im Paradies Wasserversorgung in Neuseeland 14 „Umweltfreundliches Gift“ und das „Three Waters Reform ÖVGW-Forschungsprojekt Solarenergie für Mohnanbau Programme“ in Afghanistan CO2 und Wasserstoff sorgen für mehr Grünes Gas 36 26 Entwurf zur Novelle des 16 Fernwärme-Projekte Aktionsprogramms Nitrat Methanemissionen Solarwärme für Mürzzuschlag 26 ÖVGW sieht Chancen für Verbes- Österreichs Gasleitungen Smart Anergy Quarter Baden 27 serungen beim Grundwasser- sind dicht schutz 18 38 Österreichs Wasserversorger im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz Portrait in Kraft Wassergenossenschaft Stellungnahme des FGW Hinterglemm 20 42 „Fit for 55“ Statistik Trinkwasser Maßnahmenpaket zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 Mitgliederumfragen der ÖVGW 4 FORUM GAS WASSER WÄRME 4/2021
FORUM GAS WASSER WÄRME INHALT 6 18 36 Große Potenziale an Wasserstoff Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz Entwurf für die Novelle des sind vorhanden – zur Nutzung ist in Kraft getreten. Der FGW kriti- AP Nitrat: Die ÖVGW sieht Chan- wird jetzt mit dem Ausbau der siert unzureichende Berücksichti- cen für Verbesserungen beim Infrastruktur begonnen. gung von erneuerbarem Gas. Grundwasserschutz. 43 VERBÄNDEFORUM 54 Wasser aktuell Infotage Trinkwasser 65 Jahre WLV Nördl. Burgenland Empfehlung PFAS-Analyse 49 55 ImFocus ÖVGW setzt verstärkt auf die 44 Die Bekämpfung des Klima Kommunalmesse Nachhaltigkeit zementgebun- wandels ist eine globale dener Sanierungssysteme für Herausforderung 55 Trinkwasserbehälter ÖVGW-Richtlinien Gas – 50 Neuerscheinung 9/2021 140 Jahre ÖVGW Im August 1881 wurde die Vereini- 55 gung als Interessenvertretung der Personalia Gaswirtschaft gegründet. VERANSTALTUNGS 56 FORUM 53 Die Prüfstellen der ÖVGW (6) Gremien der ÖVGW im Portrait Medizinische Universität Wien 47 TAK Gasqualität – Abteilung Wasserhygiene Webinar „Technikforum Wasserstoff Digital“ 47 Impressum: FORUM GAS WASSER WÄRME Offizielle Fachzeitschrift des Fachverbandes der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen (FGW) und der Ö sterreichischen Vereinigung für das Gas- und Was- Ordentliche Generalversamm- serfach (ÖVGW). Redaktion Tel.: (01) 548 27 88-23, Fax: (01) 548 27 88-26. Chefredaktion: Mag. H.M. Jobst, lung der ÖVGW – Einladung E-Mail: hjobst@forum-gww.at. Redaktionsteam: Mag. Christian Fell, Mag. Erich Johann Papp, Mag. Helmut Ruck. Verlag und Vertrieb Friedrich Druck & Medien GmbH, Linz und Wien. Anzeigenberatung und Me- dienkoordination ÖVGW, Mag. Marion Zeilhofer, 1010 Wien, Schubertring 14, Tel.: (01) 513 15 88-28, Fax: 48 (01) 513 15 88-25, E-Mail: zeilhofer@ovgw.at. Abonnement ÖVGW, 1010 Wien, Schubertring 14, Tel.: (01) 513 15 88-0, E-Mail: office@ovgw.at. Preis Einzelheft EUR 7,- Jahresabo (6 Hefte) EUR 40,- Auflage 5.000. Veranstaltungskalender OFFENLEGUNG NACH DEM MEDIENGESETZ: Medieninhaber Fachverband der Gas- und Wärmeversor- Ankündigungen: gungsunternehmungen (FGW), repräsentiert durch GF Mag. Michael Mock; Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW), repräsentiert durch GF Mag. Michael Mock, 1010 Wien, Schubertring 14, FGW Fernwärmetage, ÖVGW Werk Tel.: (01) 513 15 88-0, E-Mail: office@gaswaerme.at, E-Mail: office@ovgw.at. Herausgeber peripher.media. leitertagung, ÖVGW Gas Digital 1050 Wien, Grüngasse 16/18, Tel.: (01) 548 27 88-23, Fax: (01) 548 27 88-26, E-Mail: office@forum-gww.at. FORUM GAS WASSER WÄRME 4/2021 5
EN ER GIE F OR UM GCA Schwerpunkt Aufbau der europäischen Wasserstoffwirtschaft Eine Studie der European Hydrogen Backbone-Initiative zeigt auf, dass bereits 2040 genügend Grüner Wasserstoff für Industrie, Stromerzeugung, Mobilität und Raumwärme zur Verfügung stehen könnte. Notwendig dafür ist allerdings der massive Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung. W er am „Jubiläums-Radweg R1“ das Burgenland vom Norden bis Süden, von Kittsee bis Kalch, durch- quert, kommt auf etwa der Hälfte der Strecke in die recht fentlich auch eine Antwort auf die Frage gefunden, wel- che CO2-freien Energieträger in der heimischen Industrie zum Einsatz kommen. Aus heutiger Sicht scheint Wasser- idyllische, waldreiche Gegend rund um Oberpullendorf. stoff am besten geeignet, fossiles Erdgas im Hochtempe- Nur mehr trichterförmige Vertiefungen in den Wäldern raturbereich zu ersetzen. Allerdings müssen die Weichen- deuten heute darauf hin, dass vor etwas mehr als 2.000 stellungen jetzt vorgenommen werden, um diesen Ener- Jahren in dieser Region eine rege industrielle Tätigkeit gieträger in ausreichenden Mengen herzustellen bzw. im- herrschte. Eisenerz wurde abgebaut und daraus Rohei- portieren zu können. sen hergestellt. Dieses Produkt, bekannt als „Norisches Eisen“, wurde für die Waffenproduktion benötigt und lie- Wie viel H2 wird gebraucht? ferte somit auch einen Beitrag zum militärischen Aufstieg des Römischen Reichs. Einen möglichen Weg für die zukünftige Bereitstellung Die damalige Eisenproduktion war nur möglich, weil von Wasserstoff stellt die „European Hydrogen Back- in der Nähe der Lagerstätten der in dieser Zeit wichtigs- bone-Initiative“ (EHB) dar. Dieses Vorhaben von 23 euro- te Energieträger überreichlich vorhanden war: Holz als päischen Erdgas-Fernleitungsnetzbetreibern verfolgt das Brennstoff für die Weiterverarbeitung des Erzes. Und Ziel, bis 2040 ein europäisches Wasserstoffnetz mit einer auch heute gilt noch: keine industrielle Produktion ohne Länge von 40.000 km aufzubauen, das 21 europäische ausreichende Energieressourcen. Wenn es bis 2040 ge- Länder miteinander verbindet. Dazu sollen auch Teile lingt, Österreich klimaneutral zu machen, hat man hof- der bereits bestens ausgebauten Gasinfrastruktur für den 6 FORUM GAS WASSER WÄRME 4/2021
ENE RGIE FORUM Wasserstofftransport umgerüstet werden. Die beiden hei- hen. Aber nicht nur in der Industrie werden künftig große mischen Fernleitungsnetzbetreiber Gas Connect Austria Mengen Wasserstoff benötigt, sondern auch für die Elek- und Trans Austria Gasleitung haben sich vor kurzem der trizitätserzeugung, als Kraftstoff vor allem im Schwer- Initiative angeschlossen. verkehr und auch im Raumwärmesektor. Die Studie geht Die Initiatoren des European Hydrogen Backbone ver- davon aus, dass bis Mitte des Jahrhunderts die jährliche öffentlichten im Juni eine Studie, die sich mit dem künf- Wasserstoffnachfrage in der EU und Großbritannien bei tigen Wasserstoffbedarf in der EU und in Großbritanni- ca. 2.300 TWh liegen wird (Schwankungsbreite der Schät- en, mit den Kosten der Erzeugung und dem Transport zungen 2.150–2.750 TWh). Das wird dann rd. 20–25 % von Wasserstoff befasst.1 Die Verfügbarkeit von Grünem des gesamten Endenergiebedarfs entsprechen (zum Ver- und Blauem Wasserstoff wird als entscheidender Faktor gleich: der derzeitige Gesamtenergiebedarf Österreichs für die Dekarbonisierung der Industrie in Europa angese- beträgt ca. 400 TWh). 1 2021 European Hydrogen Backbone – Analysing future demand, Industrie supply, and transport of hydrogen. Download: https://hydrogen- central.com/2021-european-hydrogen-backbone-demand-supply- Der jährliche industrielle Wasserstoffbedarf in der EU transport-hydrogen/ und Großbritannien wird dabei mit 1.200 TWh angenom- Europäisches H2-Backbone 2040 Bestehende Gas-Pipeline (umgewidmet) Neu errichtete H2-Pipeline Unterwasser-Pipeline (umgewidmet oder neu) Import/Export-Pipeline (umgewidmet) Potenzieller H2-Speicher Energy Island für offshore H2-Produktion Teilnehmende Staaten Wenn genügend erneuerbare Er- zeugungsanlagen errichtet wer- den, könnte schon ab 2040 der Bedarf an Grünem Wasserstoff WAG in Europa durch das vorhandene TAG Potenzial abgedeckt werden. Und das zu geringeren Kosten als für Grauen Wasserstoff oder fossile Energieträger, denen dann wohl europaweit ein CO2-Preis aufge- schlagen wird. Grafik: ÖVGW Europäisches H2-Backbone 2040: Flächendeckendes Transportnetz mit umgewidmeten Gas-Pipelines und neu errichteten Wasserstoff-Pipelines FORUM GAS WASSER WÄRME 4/2021 7
EN ER GIE F OR UM men, macht also etwa die Hälfte des Gesamtbedarfs aus. Europa auf diesen Bereich – sollen rund 300 TWh Was- Davon sollen 200 TWh für die Erzeugung von Prozess- serstoff zum Einsatz kommen. In dieser Zahl noch nicht wärme im Hoch- und Mitteltemperaturbereich eingesetzt enthalten ist der Wasserstoffbedarf für den Flugverkehr, werden. Rund 1.000 TWh sollen den Grauen Wasserstoff der in der Studie dem Industriebedarf zugerechnet wird. ersetzen, der heute vor allem als Grundstoff in der chemi- schen Industrie, in der Stahlerzeugung und bei der Erzeu- Raumwärme gung von Treibstoffen zum Einsatz kommt. Auch bei der Dekarbonisierung des Raumwärmemarktes sollen Wasserstoff und dekarbonisierte Gase eine bedeut- Stromerzeugung same Rolle spielen. Wie groß diese sein wird, hängt von Der Ausweitung der volatilen erneuerbaren Stromerzeu- einer Reihe von Faktoren ab – beispielsweise von der Re- gung mittels Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen wird novierungsrate, dem Wasserstoffanteil, der künftig dem vermehrt Aufrufe von Ausgleichsenergie zur Folge haben, Biomethan im Netz hinzugefügt werden wird, oder da- um in den europäischen Stromnetzen die nötige Frequenz von, welche Heiztechnologien künftig zum Einsatz kom- von 50 Hz garantieren zu können. Dafür wird man so wie men werden bzw. dürfen (vgl. auch FORUM GWW 2/2021, schon bisher Gaskraftwerke einsetzen. Allerdings soll da- S. 6ff.). Den Annahmen der Studie folgend wird 2050 der bei nicht fossiles Erdgas zum Einsatz kommen, sondern europaweite Wasserstoffbedarf für Raumwärme 600 TWh Grünes Gas, das zur Gänze oder zum Teil aus Wasserstoff betragen. Vielfach wird er in hybriden Heizsystemen Ver- bestehen wird. In der Studie wird angenommen, dass für wendung finden und bei Spitzenbedarf oder bei Tempera- die Sicherung der Stromversorgung durch Gaskraftwer- turen, bei denen Wärmepumpen nicht wirtschaftlich be- ke jährlich rund 650 TWh benötigt werden. Nur Wasser- trieben werden können, zum Einsatz kommen. Bei einer stoff kann aus heutiger Sicht in diesen großen Mengen hohen Ausweitung der Biomethanproduktion und wenn zu relativ günstigen Investitionskosten gespeichert wer- Wasserstoff nur zu relativ geringen Teilen beigemischt den, sodass im Bedarfsfall darauf zurückgegriffen wer- wird, könnten am Raumwärmemarkt allerdings auch le- den kann. diglich 150 TWh benötigt werden. Mobilität Wie viel H2 gibt es in Europa? Bei der Dekarbonisierung des Verkehrs – ein großer Teil des Treibhausgasausstoßes entfällt in Österreich und in Die Studie stellt für die EU und GB ein beträchtliches Po- 150 Wasserstoff-Bedarf EU/Großbritannien bis 2050 TWh Wasserstoff kann entscheidend dazu beitragen, dass Europa ein klimaneutraler Kontinent wird. Für die Europäische Union und Großbritannien könnte bis 2050 die Nachfrage nach Wasserstoff rund 2.300 TWh (die Bandbreite der Schätzungen reicht von 2.150–2.750 TWh) ausmachen: Rund 150–600 TWh (abhängig von der Höhe der Renovierungsrate und dem Ausmaß der Biomethanproduktion) sollen für die Bereit 2.300 Quelle: 2021 European Hydrogen Backbone 650 stellung von Raumwärme eingesetzt werden. 1.200 (2.150−2.750) TWh TWh TWh Für die Sicherung der Stromerzeugung werden rund 650 TWh nötig sein. 300 TWh Wasserstoff sollen als Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs direkt oder als Beimischung zu Kraftstoffen eingesetzt wer- den. 300 TWh In der Industrie werden rund 1.200 TWh an Wasserstoff benötigt, 200 TWh davon für Hochtemperatur-Wärme für industrielle Prozesse. 8 FORUM GAS WASSER WÄRME 4/2021
ENE RGIE FORUM European H2-Backbone und Österreich Die EHB-Initiative möchte ein Wasserstoffnetz mit ei- toren zu Italien, Slowenien und Ungarn entstehen, die ner Länge von fast 40.000 km bis zum Jahr 2040 reali- den Wasserstoff-Transport von Nordafrika und der Ukrai- sieren, das 21 europäische Länder verbindet. Etwa 69 % ne nach Slowenien, Ungarn und via Slowakei und Tsche- des vorgeschlagenen Wasserstoffnetzes werden aus be- chien nach Deutschland ermöglichen. reits vorhandener Gasinfrastruktur bestehen. Die verblei- Bis 2040 könnte eine zusätzliche Verbindung nach benden 31 % neu zu bauender Leitungen werden für den Deutschland hinzukommen, indem die WAG-Pipeline der Anschluss neuer Abnehmer benötigt und befinden sich in GCA vollständig umgerüstet wird. Somit wäre eine alter- Ländern mit heute kleinen Gasnetzen, jedoch mit hohem native Transportroute für ukrainischen Wasserstoff nach erwarteten zukünftigen Wasserstoffbedarf und -angebot. Deutschland vorhanden. Nach Fertigstellung wäre das ös- In Österreich wird auf das Potenzial der bestens etablier- terreichische Netz bereit, als effiziente und flexible Was- ten Gas-Routen und insbesondere auf die Gas-Drehschei- serstoff-Drehscheibe in der Region zu fungieren. An allen be Baumgarten der beiden Fernleitungsnetzbetreiber Kopplungspunkten bestünde die Möglichkeit, Wasser- GCA und TAG zurückgegriffen. stoff in beide Richtungen zu transportieren. Neben dem Transit könnte über das Netz der GCA auch kostengünsti- Österreich als Wasserstoff-Drehscheibe ger Wasserstoff zu österreichischen Verbrauchern gelan- Bis 2035 könnte einer der parallelen Stränge der TAG- gen, wie z.B. zu einem der größten Stahlwerke Europas, Pipeline umgewidmet werden, um Wasserstoff in beide der VOEST in Linz, das bereits Versuche zur wasserstoff- Richtungen (von Norden nach Süden und umgekehrt) zu basierten Stahlerzeugung durchführt, sowie zur Raffine- transportieren. Außerdem könnten bereits 3 Interkonnek- rie in Schwechat nahe Wien. tenzial für die Produktion von Grünem Wasserstoff fest. die in den Nationalen Klima- und Energieplänen an die Wie viel es wirklich sein wird, hängt letztendlich vom EU-Kommission gemeldet wurden. Es braucht daher den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung ab. 2030 soll massiven Ausbau von erneuerbaren Erzeugungsanlagen, das mögliche Angebot 450 TWh betragen, bereits 2.100 weit über das Maß hinaus, das ohnehin nötig ist, um kon- TWh sind es laut Studie im Jahr 2040 und 4.000 TWh im ventionelle Kraftwerke zu ersetzen. Jahr 2050. Bei der Abschätzung dieses Potenzials wurde Für den Fall, dass genügend erneuerbare Erzeugungs- der steigende Bedarf an erneuerbarer Elektrizität (z.B. in anlagen errichtet werden, könnte nach den Annahmen der Mobilität und der Raumwärme) ebenso berücksich- der Studie aber schon ab 2040 der Bedarf an Grünem tigt wie die Verfügbarkeiten von Flächen für die Errich- Wasserstoff in Europa durch das vorhandene P otenzial tung der Anlagen (das gilt besonders für PV-Anlagen) und abgedeckt werden – und das zu geringeren Kosten als mögliche Beschränkungen durch Umweltauflagen. für Grauen Wasserstoff oder fossile Energieträger, de- Will man die Potenziale für Grünen Wasserstoff er- nen dann wohl europaweit ein CO2-Preis aufgeschlagen schließen, so ist ein rascher und ambitionierter Ausbau wird. 2050 könnte beinahe das gesamte angenommene der erneuerbaren Solar- und Windkraft-Kapazitäten not- Potenzial von 4.000 TWh zu einem Preis von weniger als wendig – und zwar zusätzlich zu den ohnehin beträcht- 2 Euro/kg erzeugt werden, 2.500 TWh davon mit weniger lichen Kapazitäten, die zur Abdeckung des steigenden als 1,5 Euro/kg und 600 TWh zu weniger als 1,0 Euro/kg.2 direkten Elektrizitätsbedarfs notwendig sind. So müss- Um den angenommenen Bedarf an Grünem Wasserstoff ten im Jahr 2030 erneuerbare Erzeugungskapazitäten im im Ausmaß von 2.150–2.750 TWh abdecken zu können, Ausmaß von 1.900 GW vorliegen, 2040 würden 3.200 GW würden 2.900–3.800 TWh an Elektrizität benötigt (zum benötigt und 2050 4.500 GW. Schon allein die 1.900 GW, Vergleich: die gesamte installierte Leistung aller Stromer- die 2030 für die Erschließung des Potenzials für Grünen zeugungsanlagen in der EU und in GB betrug im Jahr 2017 Wasserstoff im Ausmaß von 450 TWh erforderlich sind, bedeuten mehr als eine Verdoppelung der Kapazitäten, 2 1 kg H2 entspricht einer Energiemenge von 33,33 kWh. FORUM GAS WASSER WÄRME 4/2021 9
EN ER GIE F OR UM „Das Know-how der Gaswirtschaft nutzen!“ Die heimischen Fernleitungsnetzbetreiber sind bereit am Aufbau eines europäischen Wasser- stoffnetzes mitzuwirken. Nötig sind dafür geeignete Rahmenbedingungen sowie einheitliche Gasqualitätsstandards für den grenzüberschreitenden Handel und Transport. FORUM GWW: Herr Dr. Stindl, warum beteiligt sich die Gas sungen der bestehenden Infrastruktur erfolgen. Wesentlich Connect Austria am Projekt „H2-Backbone“? wird auch die Einbindung der Gasspeicher sein. Stindl: Wir sind der Initiative im Bewusstsein beigetreten, dass Wasserstoff im künftigen Energiesystem Europas – und Welche Weichenstellungen bzw. gesetzlichen Rahmen damit auch für Österreich – eine wichtige Rolle spielen wird. bedingungen benötigt die GCA, damit der Umbau der Infra- Die GCA hat sich in der Folge an den Studien zum Aufbau struktur für den Wasserstofftransport durchgeführt werden eines europaweiten Wasserstoffnetzes beteiligt. Der Grund kann? unseres Engagements – und auch jenem der TAG GmbH – Die österreichische Gasinfrastruktur ist an das europäische Dr. Harald Stindl ist Ge- ist, Österreichs Potenzial für eine Verbindung durch eine eu- Gasnetz angeschlossen und mit den Speichern und den In- schäftsführer der Gas Connect Austria GmbH, ropäische Nord/Süd- sowie Ost/West-Achse aufzuzeigen. dustriegebieten als wichtigen Wasserstoffsenken verbun- Mitglied im Aufsichtsrat Damit könnten Regionen mit guten Voraussetzungen für die den. Somit ist sie eine wichtige Transport-, Speicher- und der Trans Austria Gaslei- Wasserstoffproduktion wie z.B. die Ukraine, Süditalien oder Handelsdrehscheibe in Zentraleuropa. Naheliegend ist da- tung GmbH und Mitglied Nordafrika mit großen potenziellen Wasserstoffabnehmern her, dass dieses Know-how sowohl für Pilotprojekte bei Po- im Fachverbandsaus- – auch in Österreich – verbunden werden. wer-to-Gas-Anlagen genutzt wird als auch für den Betrieb schuss des FGW. von Wasserstoffleitungen und den Aufbau einer Wasser- Sollte die künftige Wasserstoffnachfrage ausschließlich stoffwirtschaft. mit Grünem Wasserstoff abgedeckt werden oder sollten auch „andere Farben“ zum Zug kommen? Unterstützt das Erneuerbaren Ausbau-Gesetz den Aufbau Die politischen Absichtserklärungen zielen vordergründig einer Wasserstoffinfrastruktur? auf den Einsatz von Grünem Wasserstoff ab. Der ist auf ab- Es ist nicht hilfreich, dass es P2G-Anlagen von der Förde- sehbare Zeit jedoch weder in ausreichenden Mengen, noch rung ausschließt, wenn sie in das Gasnetz einspeisen. Netz- zu wettbewerbsfähigen Bedingungen herstellbar. Er wird betreiber sollen Wasserstoffnetze besitzen und betreiben wohl – wie auch viele andere erneuerbare Energieformen – dürfen – entweder neu erbaut oder als umgerüstete Erdgas- so lange ein Subventionsfall sein, bis positive Skalierungs- leitungen. Mit dem Wachsen der Wasserstoffwirtschaft ist effekte eintreten bzw. bis CO2-Steuern und die Kosten für auch eine schrittweise Regulierung sinnvoll und – je nach Treibhausgaszertifikate die fossilen Alternativen verteuern. Kundenstruktur – unter Umständen auch eine adäquate So- Bis dahin sollten auch andere dekarbonisierte Spielarten zialisierung der Wasserstoff-Infrastrukturkosten zwischen in Erwägung gezogen werden. Allein schon, damit sich eine Erdgas und Wasserstoff. So könnten anfangs die Transport- Wasserstoffwirtschaft für Anwendungen in der Industrie, und Speichertarife in realistischen Höhen gehalten werden. dem Verkehr, der Raumwärme und der Energiewirtschaft Nachdem wir eng mit dem europäischen Gasnetz verbun- entwickeln kann. den sind und Österreichs Potenzial für Grünen Wasserstoff begrenzt ist, ist für den grenzüberschreitenden Handel und Welche Rolle kann die Gasinfrastruktur beim Aufbau einer Transport grüner und kohlenstoffarmer Gase eine EU-weit Wasserstoffwirtschaft spielen? einheitliche Regelung zu Gasqualitätsstandards, Limits von Unsere Aufgabe ist es, die Wasserstoffproduktion mit der Wasserstoff im Erdgas sowie Herkunfts- und Nachhaltig- Wasserstoffnachfrage auf verlässliche und sichere Weise keitsnachweisen notwendig. Der beste Weg die Zukunft vor- sowie zu leistbaren Konditionen zu verbinden. Es wird sich herzusagen, ist sie mitzugestalten, und hier bemüht sich die zeigen, in welcher Form wir den Wasserstoff künftig trans- Gaswirtschaft seit Jahren nach Kräften, ihren Beitrag für die portieren. Am Beginn wird es wohl ein Erdgas-Wasserstoff- optimale klimaneutrale Lösung zu leisten. Mix sein, danach immer häufiger reiner Wasserstoff. Je nach Wasserstoffanteil werden mehr oder weniger große Anpas- Vielen Dank für das Gespräch. 10 FORUM GAS WASSER WÄRME 4/2021
Die Turbine wird digital ca. 1.000 GW, die Bruttostromerzeugung ca. 3.250 TWh). Um derartige Mengen erzeugen zu können, ist nicht nur ein ambitionierter Ausbau der Erzeugungskapazitäten er- Natürlich dreht sich auch hier ein forderlich, sondern wohl auch viel Überzeugungsarbeit, Turbinenrad - aber alles andere um die öffentliche Akzeptanz für die Errichtung der An- lagen zu erreichen. ist elektronisch und das Zählwerk kann bis 10 m vom Messwerk Hohe Potenziale für Blauen Wasserstoff entfernt sein. Abgesehen vom Grünen Wasserstoff weist Europa auch hohe Potenziale für die Erzeugung von Blauem Wasser- stoff auf. Er wird aus fossilem Erdgas hergestellt, wobei das bei der Produktion anfallende CO2 abgeschieden und entweder genutzt oder im Untergrund gespeichert, jeden- falls nicht in die Atmosphäre emittiert wird. Es gibt sogar genügend Erdgasreserven und Speichermöglichkeiten, um den gesamten prognostizierten Wasserstoffbedarf TME 400-VC: mittels CCS- bzw. CCU-Technologie abdecken zu können. Der Kompakte für Die Kosten für die Erzeugung von Blauem Wasserstoff Betriebsmessungen werden in der Studie bei moderaten Erdgas- und CO2- Preisen mit 1,4–2 Euro/kg angenommen; bei in der Folge steigenden CO2-Preisen könnten sie auf 1,6–2 Euro/kg an- steigen. Länder mit Gasvorkommen könnten den Blauen Wasserstoff bereits zum Kilopreis von 1 Euro herstellen. Der Einsatz von Blauem Wasserstoff könnte zu einer raschen Reduktion der CO2-Emissionen führen und das Tempo des Übergangs zu einer Wasserstoffwirtschaft be- schleunigen. Das gilt besonders für die Startphase ab 2030. Zu diesem Zeitpunkt wird es noch nicht überall ge- TME 400-VCF: nügend Grünen Wasserstoff geben, um den Bedarf ab- Der Präzise, mit zudecken. Der Grund liegt darin, dass ein europaweites MID-Zulassung Wasserstoffnetz – der European Hydrogen Backbone – zu diesem Zeitpunkt noch nicht voll ausgebaut ist. für Abrechnungs- Das Potenzial für die Produktion von Grünem und messungen Blauem Wasserstoff ist also sehr hoch, allerdings geht der Ausbau langsam vor sich. Die Kapazität der geplanten Projekte für die kommenden Jahre bis 2030 macht erst 230 TWh aus und ab 2035 und später 380 TWh. Mehr als zwei Drittel dieser Produktionsanlagen sollen in Großbritan- nien und den Niederlanden errichtet werden. Nach 2030 Mit Durchflussanzeige, integrierter könnten neue Projekte für die Erzeugung von Blauem Umwertefunktion und Bediensoftware. Wasserstoff zunehmend Konkurrenz durch Grünen Was- serstoff bekommen, da größere Mengen davon zu gerin- ... und natürlich H2-ready! geren Preisen auf den Markt gelangen werden. Bereits in Betrieb genommene Anlagen für Blauen Wasserstoff wer- den aber auch nach 2030 eine wichtige Rolle spielen: ei- nerseits zur Abdeckung des Spitzenbedarfs, andererseits zur Bereitstellung der Grundlast, um die volatile grüne Wasserstoff-Erzeugung auszugleichen. FORUM GAS WASSER WÄRME 4/2021 RMG Messtechnik GmbH www.rmg.com
EN ER GIE F OR UM Bedeutung des EHB für den Aufbau eines EU-Wasserstoff- die energiepolitische Bedeutung des im Aufbau befind- marktes lichen Backbones erhöhen, zumal die regionalen Unter- schiede bei der Versorgung mit der Zeit – soll heißen bei Bei den Plänen zum Aufbau des EHB kommt, wie er- wachsendem Bedarf – noch deutlicher zu Tage treten, wähnt, der Erdgasinfrastruktur eine besondere Bedeu- wenn sich der Markt entwickelt. tung zu. Umgerüstete Pipelines können in einem ersten Wasserstoff-Pipelines sind die am meisten kosteneffizi- Schritt Wasserstoffangebot und -nachfrage zusammen- ente Möglichkeit, um große Mengen über weite Strecken bringen. Um 2030 werden Länder mit – verglichen zum zu transportieren. In der Studie werden dafür Kosten im Bedarf – geringen Produktionskapazitäten (in der Studie Bereich von 0,11–0,21 €/kg (3,3–6,3 €/MWh) pro 1.000 km werden als Beispiele Deutschland und Belgien genannt) angenommen. Der Transport mit Schiffen innerhalb Eu- Wasserstoff importieren müssen. Diese Importe werden ropas bzw. aus benachbarten Regionen würde weit mehr kosten. Die dafür nötigen Technologien wie die Umwand- lung in Ammonium, die Verflüssigung von Wasserstoff oder die Umwandlung in flüssige Wasserstoffträgermedi- en – die sog. LHOCs (flüssige organische Verbindungen, die Wasserstoff aufnehmen und auch wieder abgeben H2-Farbenlehre können) – sind zudem mit hohen Investitionskosten ver- Als Rohstoffe kommen bei der Wasserstofferzeugung v.a. Wasser, Methan bunden. Der Transport mit Schiffen aus Nordafrika oder oder andere Kohlenwasserstoffe zum Einsatz, als Energiequelle dient che- Saudiarabien wäre um das 3- bis 5-Fache teurer als über mische Energie oder zugeführte elektrische, thermische oder solare Ener- Pipelines. Für Importe aus Australien müsste man mit gie. Je nach Produktionsart werden unterschieden: Transportkosten von 1 €/kg Wasserstoff rechnen. Grüner Wasserstoff: Wasserstoff, für dessen Erzeugung keine fossi- Aber warum überhaupt den Strom in Wasserstoff um- len Energieträger verwendet werden. Die Produktion in Elektrolyse- wandeln, um ihn dann über weite Strecken zu transpor- Anlagen mit erneuerbarem Strom ist derzeit die wichtigste Technolo- tieren? Wäre es nicht günstiger, leistungsfähige Hoch- gie für die Erzeugung von Wasserstoff ohne CO2-Emissonen. spannungsleitungen und dort, wo der Wasserstoff benö- Grauer Wasserstoff: Mittels Dampf-Reformierung in der Regel aus tigt wird, Elektrolyseanlagen zu errichten? In der Studie Methan erzeugt. Die weltweit am meisten angewendete Produkti- wurde auch diese Frage untersucht. Ergebnis: Der Trans- onsmethode. Nach Schätzungen werden jährlich ca. 600 Mrd. m3 Wasserstoff als Rohstoff für chemische Prozesse hergestellt. Das bei port von Wasserstoff über Pipelines – umgewidmet oder der Produktion anfallende CO2 wird meist nicht genutzt. neu errichtet – ist 2- bis 4-mal so günstig wie die Varian- te mit Elektrolyse vor Ort. Speicherkosten wurden dabei Blauer Wasserstoff: Von blauem Wasserstoff spricht man, wenn das bei der Produktion (z.B. bei der Dampf-Reformierung) anfallen- nicht betrachtet. Zudem geht es hier nicht nur um eine de CO2 nicht in die Atmosphäre entweicht, sondern im Untergrund wirtschaftliche Frage, sondern auch um soziale Akzep- gespeichert wird (Carbon Capture and Storage – CCS) oder einer tanz. Eine unterirdisch verlegte Wasserstoffleitung mit ei- Nutzung zugeführt wird (Carbon Capture and Utilization – CCU). Die nem Durchmesser von 48 Inch (ca. 122 cm) kann dieselbe Wirtschaftlichkeit dieser Technologien hängt von der Höhe der CO2- Energiemenge transportieren wie 7 oberirdische Strom- Bepreisung und dem Vorhandensein von Transport- und Speicher- übertragungsleitungen. möglichkeiten ab. Kann aufgrund des Aufbaus der dafür nötigen Infrastruktur und der Versorgungsketten ein Türöffner für eine grüne Wasserstoffwirtschaft sein. Importregionen für Wasserstoff Türkiser Wasserstoff: Wasserstoff, der über die thermische Spal- tung von Methan (Methanpyrolyse) hergestellt wurde. Anstelle von Der EHB ist auch eine Chance, die Wasserstoff-Potenzia- CO2 entsteht dabei fester Kohlenstoff. Voraussetzungen für die CO2- le außerhalb der Region EU/GB zu nutzen. In der Studie Neutralität des Verfahrens sind die erneuerbare Wärmeversorgung wird davon ausgegangen, dass auf diese Weise bis 2040 des Hochtemperaturreaktors und die dauerhafte Bindung des anfal- Grüner Wasserstoff aus der Ukraine und aus Nordafri- lenden Kohlenstoffs. ka zu Kosten von 1,5–2,5 €/kg zur Verfügung steht. Sol- Pinker Wasserstoff (auch roter Wasserstoff genannt): Wasserstoff, che Importe wären möglicherweise auch eine Lösung für der durch Elektrolyse mittels Atomstrom gewonnen wird. die Probleme mit der Flächenverfügbarkeit und der sozi- Weißer Wasserstoff: Nicht künstlich erzeugter, sondern natürlich alen Akzeptanz – z.B. bei der Errichtung von Photovolta- im Untergrund vorkommender Wasserstoff. ik- und Windkraftanlagen –, die in vielen Ländern der EU auftauchen werden. ◂ 12 FORUM GAS WASSER WÄRME 4/2021
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EN ER GIE F OR UM Grafik: Ruck CO2 und Wasserstoff sorgen für mehr Grünes Gas Durch Nutzung des im Rohbiogas enthaltenen Kohlenstoffdioxids kann der Methanertrag von Biogasanlagen erhöht werden. I m Juli wurde das Erneuerbaren Ausbau-Gesetz beschlossen. Es sieht Förderungen vor, um bei bestehenden Biogasanlagen die Aufberei- tung des Rohbiogases zu Biomethan zu ermöglichen. Dabei muss das – chemisch zu Methan und Wasserdampf umgewandelt. Dieser Vor- gang erfolgt bei Temperaturen zwischen 300 und 500 °C und Druck- verhältnissen, die zwischen 5 und 15 bar liegen. im Rohbiogas enthaltene CO2 abgetrennt werden, um Grünes Gas mit Wird bei diesem Prozess genügend Wasserstoff eingesetzt, kann das dem notwendigen Methangehalt in das Erdgasnetz einspeisen zu kön- im Biogas enthaltene CO2 praktisch vollständig zu Methan umgesetzt nen. werden. Bevor das Synthesegas in das Gasnetz eingespeist werden Je nach eingesetztem Substrat macht CO2 20–55 % des Biogasvolu- kann, muss der darin enthaltene Wasserdampf abgetrennt werden. Je mens aus. Doch das CO2 kann auch genutzt werden, um durch Zugabe nach geltender Einspeise-Richtlinie muss unter Umständen auch der von Grünem Wasserstoff synthetisches Methan herzustellen. Auf die- Wasserstoffgehalt des Synthesegases reduziert werden. In Österreich se Weise kann der Methanertrag von Biogasanlagen in erheblichem darf seit 1. Juni nur Gas mit maximal 10%igem Wasserstoffanteil in das Ausmaß gesteigert werden. Wird der Wasserstoff für die Methanisie- Netz eingespeist werden. rung in einer mit erneuerbarem Strom betriebenen Wasserelektrolyse erzeugt, spricht man von einer Power-to-Gas-Technologie, die Strom- Biologische Methanisierung und Gasnetze koppelt (zusammenführt) und erneuerbaren Strom in Form von Grünem Gas speichert. Bei der biologischen Methanisierung kommen bei der Methanerzeu- In der ÖVGW-Publikation Gasforschung (GF) 60 „Standardisierte gung speziell gezüchtete Archaeen, das sind einzellige Organismen, Biogasaufbereitung und Methanisierung“ werden zwei Methoden be- zum Einsatz. Sie nutzen das im Rohbiogas enthaltene CO2 und den zu- schrieben, mit denen CO2 aus Biogasanlagen genutzt werden kann, gesetzten Wasserstoff als Nahrung und wandeln diese Bestandteile in um unter Zugabe von Wasserstoff synthetisches Methan zu erzeugen: Methan um. Dieser Vorgang findet bei Temperaturen von 40 bis 70 °C die katalytische und die biologische Methanisierung. und leichtem Überdruck statt. Der Prozess ist also weniger energie intensiv als die katalytische Methanisierung. Er läuft langsamer ab, Katalytische Methanisierung und man benötigt größere Reaktoren und längere Verweilzeiten. Die biologische Methanisierung kann direkt im Biogasreaktor (in-si- Bei der katalytischen Methanisierung wird das CO2 mit Wasserstoff an tu Betrieb) oder in einem separaten biologischen Methanisierungsre- einem Katalysator – zumeist wird dafür das Metall Nickel verwendet aktor (ex-situ Betrieb) erfolgen. Als Reaktoren werden am häufigsten 14 FORUM GAS WASSER WÄRME 4/2021
ENE RGIE FORUM Methanisierung 2-stufig Gas- Gas- Reinigung H2 Aufbereitung Roh- SNG Gasnetz biogas P=10 bar H2O H2S H2O NH3 Produktgas (R1) Teilrückführung Retentat Rückführung (H2) Schema katalytische Methanisierung Methanisierung Gasreinigung Gas- H2 & Trocknung Aufbereitung SNG Andreas Klingl Rohbiogas Gasnetz CH4 / CO2 H2S Nährstoff Wärme H2O Rest CO2 In der biol0gischen Methanisierung eingesetzte Archaeen Abwasser- kontinuierliche Rührkessel verwendet, vereinzelt werden aufbereitung ÖVGW auch Trickle Bed-Reaktoren und Blasensäulen eingesetzt. Auch bei der biologischen Methanisierung ist eine Reini- Schema biologische Methanisierung gung des gewonnen Produktgases notwendig. Zusätzlich zur Entfernung des Wasserdampfes muss auch die Ab- ÖVGW GF 60: Standardisierte Biogasaufbereitung und Methanisierung trennung von Schwefelverbindungen erfolgen. In diesem Forschungsprojekt wurden katalytische und biologische Methanisierung zur Aufbereitung von Biogas für die Einspeisung in das Gasnetz verglichen. Ergebnis: Die biologische Methanisierung bringt in dieser Anwendungsumgebung Vorteile, weil der Wegfall einer Gasreinigung den Gesamtauf- Investitionskosten wand deutlich verringert. Die katalytische Methansierung ist hingegen vor allem bei größeren Anlagen (> 1 MWth) zu bevorzugen. Bei einer Integration in eine bestehende Biogasanlagen- infrastruktur (in-situ Betrieb) ist die biologische Metha- nisierung aus technischer und ökonomischer Sicht bis zu einer Anlagengröße von 1 MW geeignet. Bei größeren An- lagen ist die katalytische Methanisierung zu bevorzugen. Die Investitionskosten für eine „Power-to-Gas“-Anlage zur Methanisierung von Biogas hängen von der Anlagen- größe und von der Art der Methanisierung ab. Derzeit Auf den Punkt gebracht sind für die biologische Methanisierung um knapp 50 % • Rohbiogas enthält CO2. Für die Einspeisung ins Gasnetz muss dieses CO2 höhere Investitionen nötig als bei der katalytischen Me- abgeschieden werden. thanisierung. Auch bei größeren Anlagen verringert sich • Durch die Zugabe von Wasserstoff kann jedoch das im Rohbiogas enthaltene dieser Unterschied – allerdings nur im geringen Ausmaß. CO2 zur Methanerzeugung genutzt werden. Durch Lerneffekte und Skaleneffekte (größere Anlagen • Dadurch steigt der Methanertrag von Biogasanlagen – und ihre Wirtschaftlichkeit. können vergleichsweise günstiger errichtet werden) ist in • Stammt der eingesetzte Wasserstoff aus Power-to-Gas-Anlagen, wird damit auch den kommenden Jahren eine Verringerung der Investiti- ein Beitrag zur Sektorkopplung geleistet. onskosten zu erwarten. ◂ FORUM GAS WASSER WÄRME 4/2021 15
EN ER GIE F OR UM Das österreichische Gasnetz: rd. 44.700 Kilometer (ohne Fernleitungen) Grafik: GCA Methanemissionen Österreichs Gasleitungen sind dicht N ach der Greenpeace-Pressemitteilung von Septem- ber letzten Jahres1 zeigt nun der ORF in seinem Be- richt „Gaslecks als unsichtbare Klimakiller“ erneut Lecks valent ausgemacht. Somit ist die Gaswirtschaft für weni- ger als 0,3 Prozent der gesamten österreichischen Treib- hausgasemissionen verantwortlich. ÖVGW-Geschäftsfüh- bei Produktionsanlagen in Österreich. Die ÖVGW weist rer Michael Mock folgert: „Gasleitungen sind dicht. Daher in diesem Zusammenhang darauf hin, dass lediglich 0,3 ist auch die Forderung nach einem Ausbaustopp für die Prozent aller österreichischen Treibhausgasemissionen Gasinfrastruktur im Zusammenhang mit Methanemissi- auf die Gaswirtschaft zurückzuführen sind. Ein weitaus onen verfehlt.“ Denn die heimische Gaswirtschaft unter- größeres Problem sind Methanemissionen aus der Verrot- nimmt laufend große Anstrengungen, um die im interna- tung von Reststoffen der Landwirtschaft – hier fordert die tionalen Vergleich guten Werte weiter zu verbessern. ÖVGW den Bau von Biogasanlagen, um Reststoffe sinn- Es wurde und wird viel investiert, um die Infrastruktur voll zu verwerten und um Biogas herzustellen. sowohl sicherheitstechnisch als auch im Sinne von Emis- sions-Reduktion zu optimieren. Neben umfangreichen Gute internationale Werte Erneuerungen, zum Beispiel durch den Austausch alter Rohrleitungen durch moderne isolierte Stahl- oder Kunst- Von den 79 Mio. Tonnen Treibhausgasen haben die Me- stoffrohre, wurde und wird kontinuierlich an der Weiter- thanemissionen aus der Gewinnung, Speicherung und entwicklung der Verfahren gearbeitet. Weiters überwa- Verteilung von Gas 2018 exakt 0,24 Mio. Tonnen CO2-Äqui- chen die Leitungsnetzbetreiber die Leitungen und An- 1 Vgl. dazu auch unseren Bericht in FORUM Gas Wassser Wärme lagen standardmäßig periodisch, um auch kleinste Un- 5/2020, S. 19f. dichtheiten aufzuspüren und zu beheben. 16 FORUM GAS WASSER WÄRME 4/2021
ENE RGIE FORUM Die Methan-Strategie der EU Im Oktober 2020 hat die EU-Kommission die Methan- und landwirtschaftliche Gemeinschaften. Strategie vorgelegt. Ziel ist es, die Methanemissionen in • Förderung bewährter Verfahren und Technologien, den Bereichen Energie, Landwirtschaft und Abfall zu ver- Veränderungen bei Futtermitteln und in der Tierhal- ringern. tung sowie einer klimaeffizienten Landwirtschaft zur Bis zu 95 % der von Menschen verursachten weltwei- Verringerung der Emissionen aus der Landwirtschaft. ten Methanemissionen werden in der Landwirtschaft, in • Eine Verpflichtung zur Verbesserung der Erkennung der Abfallwirtschaft und im Energiesektor erzeugt. Der und Reparatur von Leckagen in der gesamten Infra- Energiesektor ist in Europa für 19 % der Methanemissio- struktur für fossiles Gas, also bei dessen Erzeugung, nen verantwortlich, die Abfallwirtschaft für 26 % und die Transport und Nutzung. Landwirtschaft für 53 %. • Mögliche künftige Rechtsvorschriften über das Ab- lassen und Abfackeln von Gasen sowie Standards für Im Strategiepapier der EU-Kommission wird eine Reihe die gesamte Versorgungskette und Unterstützung der von wirksamen Emissionsverringerungs-Maßnahmen an- „Zero Flaring“-Initiative der Weltbank zur Abschaffung geführt: des Abfackelns. • Gezielte Unterstützung zur Beschleunigung der Ent- • Eine Überprüfung der Richtlinie über Abfalldeponien, wicklung des Marktes für Biogas aus nachhaltigen der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Quellen, einschließlich Pilotprojekten für ländliche Abwasser und der Klärschlammrichtlinie. Bessere Nutzung landwirtschaftlicher Reststoffe Laut dem Klimaschutzbericht 2020 des Umweltbundes- amtes sind 72 Prozent der Methanemissionen in Öster- reich auf die Landwirtschaft und 18 Prozent auf die Ab- fallwirtschaft zurückzuführen. Hier sieht Mock Hand- lungsbedarf: „Die hohen Methanemissionen der Land- wirtschaft müssten nicht sein. Errichten wir österreich- weit neue Biogasanlagen, wo landwirtschaftliche Rest- stoffe kontrolliert vergären, ziehen wir daraus doppelten Quelle: Umweltbundesamt Nutzen: Die Treibhausgase gelangen nicht mehr unkon trolliert in die Atmosphäre, und zugleich gewinnen wir heimisches Grünes Gas.“ Gerade was die biologischen Gasemissionen anlangt, ist die Gaswirtschaft bestrebt, diese Energiepotenziale aus der Land- und Abfallwirtschaft auszuschöpfen, um Auf die Gewinnung, Speicherung und Verteilung von Gas entfallen in Österreich lediglich 0,3 % der fossiles Gas schrittweise durch Grünes Gas (Biogas und Treibhausgasemissionen Wasserstoff) zu ersetzen. Die Erzeugung von Biogas stellt eine Win-win-Situation dar, da einerseits Methanemissio- nen aus der Land- und Abfallwirtschaft minimiert werden und andererseits fossiles Gas durch erneuerbares Gas er- setzt und damit ein entscheidender Betrag zur Erreichung der Klimaziele geleistet werden kann. ◂ FORUM GAS WASSER WÄRME 4/2021 17
EN ER GIE F OR UM Erneuerbaren- Ausbau-Gesetz in Kraft Der FGW begrüßt das Investitionspaket für Fernwärme, kritisiert jedoch das Fehlen nachhaltiger Anreize zur Einspeisung von Grünem Gas und Wasserstoff ins Gasnetz. M it 28. Juli ist das Erneuerbaren-Ausbau-Paket in Kraft getreten. Mit dem Paket wird das Bundesgesetz über den Ausbau von Energie aus erneuerbaren Quellen (EAG) neu erlassen sowie eine Rei- sätzlich herangezogen werden, d.h. dadurch würde sich das jährliche Fördervolumen für Grünes Gas erhöhen. Die Investitionsförderung für Biogas wird weiterhin ausschließlich durch einen Aufschlag auf die he energiewirtschaftlicher Gesetze novelliert. Auf diese Weise soll der Netztarife der Gaskunden (Grüngas-Förderbeitrag) finanziert. Ökostromausbau für die nächsten 10 Jahre gesichert werden (27 TWh). Bis 2030 soll der Strombedarf in Österreich bilanziell zur Gänze aus Investitionsförderung für Wasserstoff nachhaltigen Energiequellen gedeckt werden und bis 2040 soll das Kritisch zu beurteilen ist, dass die Beimengung von Wasserstoff in die Land klimaneutral sein. bestehende Gasinfrastruktur sowie Anlagen von Netzbetreibern wei- In einigen Punkten konnte der FGW noch deutliche Verbesserungen terhin von der Förderung ausgeschlossen sind. Dies erscheint insbe- erreichen. Zu begrüßen ist der Abbau der Warteschlangen für Fern- sondere vor dem Hintergrund der gewünschten Sektorkopplung sach- wärmeprojekte sowie die Bereitstellung von neuen Mitteln für Fern- lich nicht gerechtfertigt und innovationshemmend. Kleine H2-Anla- wärmeprojekte, die der FGW seit Jahren fordert. Grundsätzlich gutzu- gen mit einer Mindestleistung von 0,5 MW und einer Höchstleistung heißen ist auch die Einführung von Investitionsförderungen für Bio- von unter 1 MW hingegen können nunmehr gefördert werden. gasanlagen und Anlagen zur Umwandlung vom Strom in Wasserstoff. Allerdings bleiben die Einspeisung von Wasserstoff in die bestehende Abbau der Warteliste und weiterer Ausbau der Fernwärme Gasinfrastruktur sowie Power-to-Gas Anlagen, die von Netzbetreibern Mit 110 Mio. Euro soll der Rückstau der Projekte beim Ausbau der betrieben werden, von den Investförderungen ausgeschlossen. Fernwärme in Österreich über das Fernwärme- und -kälteleitungs- ausbaugesetz (WKLG) abgearbeitet werden. Das betrifft insgesamt 173 Finanzierung der Grüngas-Investförderungen Projekte, die teilweise seit 2011 auf eine Förderzusage warten. Die Um- In Summe steht ein Fördervolumen von 80 Mio. Euro jährlich für Bio- weltförderung im Inland wird das zentrale Förderinstrument für den gas und Wasserstoff zur Verfügung – 40 Mio. für Wasserstoff und wei- Ausbau der Fernwärme in den nächsten 10 Jahren – damit kann dieser tere 40 Mio. für Biogas (davon 15 Mio. für Umrüstung von Biogasan- weiterhin wirtschaftlich und auch sozialgerecht erfolgen. So sollen in lagen und 25 Mio. für neue Biogasanlagen), die ursprünglich aus- den nächsten 10 Jahren insgesamt bis zu 300 Mio. Euro für die Fern- schließlich von den Gaskunden finanziert werden sollten. Hier konnte wärme bereitgestellt werden. eine Verbesserung erreicht werden: Die Fördermittel für Wasserstoff sind nunmehr zu 50 % über Ökostromzuschläge (Erneuerbaren-För- Überwachungsbehörde für Preistransparenz der Fernwärme derpauschale und Erneuerbaren-Förderbeitrag) sowie 50 % über den Das BM für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Grüngas-Förderbeitrag durch die Gaskunden aufzubringen. Technologie (BMK) ist für die Überwachung der Verpflichtungen zur Zur Abdeckung der Aufwendungen für Wasserstoff und erneuerba- Preistransparenz der Fernwärme- und -kälteunternehmen zuständig. re Gase können auch Bundesmittel herangezogen werden, wodurch Diese Tätigkeit darf das BMK zwar an Dritte auslagern, allerdings dezi- sich die Kostenbelastung für die Netzkunden weiter reduzieren lässt. diert nicht an die Regulierungsbehörde, die ursprünglich vorgesehen Unionsmittel, insbesondere aus dem EU-Recovery Fonds, können zu- war. Diese Formulierung wird vom FGW ausdrücklich begrüßt. 18 FORUM GAS WASSER WÄRME 4/2021
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