Sparkurs? Bildung braucht mehr - nds - die Zeitschrift der ...

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5-2016

                                                                                  Inklusive Schulentwicklungsplanung
                                                                                  G8: Die Wut des Bildungsbürgertums
                                                                                  Demokratielernen mit Urban Gardening
                                                                                  Tarifabschluss im öffentlichen Dienst
                                                                                  Gewerkschaftstag 2016: Rückblick
                                       DIE ZEITSCHRIFT DER BILDUNGSGEWERKSCHAFT   Hochschularbeit: Gut aufgestellt

                                                                                      Sparkurs?
                                                                           Bildung braucht mehr.
68. Jahrgang Mai 2016 ISSN 0720-9673
K 5141
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Illustration: artmeetsgraphik, tai111 / fotolia.com
PERSONALRATSWAHLEN 2016

GEW-Personalräte kämpfen für mehr Stellen
Bis vor Kurzem war man sich noch sicher, dass die demografische    zunehmend die Gefahr, dass sie als „Verfügungsmasse“ verwen-
Entwicklung eine dauerhafte und deutliche Absenkung der            det werden für alles, was unter der Überschrift individuelle
SchülerInnenzahl mit sich bringt – die Landesregierung sah hier    Förderung verstanden werden kann, wie Teach first oder die
ein willkommenes Einsparpotenzial. Diese Prognose war für die      Arbeit von Schulen im Netzwerk Zukunftsschulen NRW.
GEW NRW immer Anlass, sich dafür einzusetzen, dass trotz           (früher: „Komm mit! Fördern statt Sitzenbleiben“). Zu oft
SchülerInnenrückgangs die Stellen für die Lehrkräfte im System     kommen die Stunden, die jeder Schule zugewiesen werden
bleiben und der Erhalt der Stellen für bessere Arbeitsbedingun-    müssten, nicht bei den KollegInnen an, zum Beispiel in Form
gen an den Schulen genutzt werden sollte. Schließlich gibt es      einer Vertretungsreserve. Die Reduzierung der Mehrarbeit
genügend Herausforderungen an den Schulen, für deren               und die Schaffung von möglichst unbefristeten Arbeits-
Gestaltung wir dringend mehr Personal benötigen. Das Verspre-      verhältnissen sind weitere zentrale Forderungen der GEW NRW.
chen der Landesregierung, die Stellen im System zu erhalten,
muss auch nach 2017 gelten.

MEHR STELLEN FÜR INKLUSION
Die Annahme, dass die SchülerInnenzahlen zurückgehen werden,
ist inzwischen überholt: Durch Zuwanderung und den weniger             Gewerkschaft wirkt
starken Rückgang entwickeln sich die Vorhersagen und auch die
                                                                       Die Personalratswahlen sind angelaufen, Sie sollten Ihre
Verhältnisse in den Schulen vollkommen anders. Es werden keine
                                                                       Wahlunterlagen bereits in den Händen halten. Nutzen Sie
Stellen frei. Im Gegenteil: Im laufenden Schuljahr mussten sogar
                                                                       bis zum 15. Juni Ihr Recht, KollegInnen in den Personalrat
neue Stellen zur Deckung des Grundbedarfs und zur Beschulung
                                                                       zu wählen. Die Entscheidung, wer Ihre Interessen in den
der geflüchteten und neu zugewanderten Kinder und Jugend-
                                                                       kommenden vier Jahren gegenüber der
lichen geschaffen werden. Die GEW NRW fordert weitere 7.000
                                                                       Dienststelle vertritt, ist viel zu wichtig,
Stellen für die Inklusion, unter anderem zur Durchsetzung von
                                                                       um sie anderen zu überlassen. Es geht
kleineren Klassen und der Doppelbesetzung.
                                                                       um Ihre Rechte. Bestimmen Sie mit. Bei
VERTRETUNGSRESERVE SCHAFFEN                                            den KandidatInnen der GEW NRW
                                                                       können Sie sicher sein: Gewerkschaft
In dieser Stellenforderung noch nicht enthalten: die Stellen,
                                                                       wirkt!
die die Bildungsgewerkschaft für eine wirksame Vertretungsre-
serve in Höhe von sieben Prozent für jede Schule fordert. Die im                                                  Maike Finnern
Haushalt eingestellten 4.000 Stellen gegen Unterrichtsausfall                   Vorsitzende der Personalratswahlkampfkommission
und für individuelle Förderung reichen nicht aus. Zudem besteht                                                    der GEW NRW
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nds 5-2016 3

Mehr Demokratie –
mehr Staatsausgaben
   Über wie viel Geld soll der Staat verfügen? Wie hoch soll sein Anteil am Bruttoinlandsprodukt,
soll die Staatsquote sein? Für die Neoliberalen ist die Sache klar: Ihr Pionier Friedrich August von
Hayek fordert in seinem Aufsatz „Wohin zieht die Demokratie?“, eine vom Parlament getrennte
Einrichtung solle der Regierung fest begrenzte Mittel zuteilen, damit der Staatsanteil unabhängig
sei von den „schwankenden Moden und Leidenschaften einer wandelbaren Masse“. Die Demo-
kratie neige dazu, in eine „totalitäre Demokratie“ auszuarten. Das Unbehagen gegenüber einer
                                                                                                       Prof. Dr. Herbert Schui
hohen Staatsquote als Ausdruck von „totalitärer Demokratie“ besteht darin, dass der Staat in
Form einer kollektiven Willensbildung Einkommen zuteilt und mit seiner Nachfrage maßgeblich            Professor für Volkswirt-
darüber mitentscheidet, was und für wen produziert wird. Das soll nicht sein, denn damit könnte        schaftslehre; Mitbegründer
die Mehrheit der Bevölkerung der Unternehmerschaft als Minderheit ihren Willen aufzwingen. Ex-         der Arbeitsgruppe Alter-
kanzler Helmut Kohl war sich sicher: „Bei einer Staatsquote von 50 Prozent beginnt der Sozialismus.“   native Wirtschaftspolitik

Wenn der Staat sich aus der Verantwortung stiehlt
   Dieser Parole von der schleichenden Sozialisierung folgen die unterschiedlichen Regierungen
seit rund 40 Jahren. In Deutschland stieg die Staatsquote von 31,1 Prozent im Jahr 1950 auf 54,7
Prozent im Jahr 1995. 2014 waren es nur noch 44,3 Prozent. Hierbei beträgt 2014 der Anteil der
Gebietskörperschaften am Bruttoinlandsprodukt 25,3 Prozent, der Anteil der Sozialversicherungen
beläuft sich auf 19 Prozent. Eine geringere Staatsquote bedeutet dann, dass die gesetzliche Sozial-
versicherung abgelöst wird von privaten Versicherungen, etwa von der Riester-Rente, und dass die
Gebietskörperschaften staatliche Aufgaben an private Unternehmen abtreten. Ein Beispiel hierfür
sind die privaten Unternehmen für Nachhilfe oder Hausaufgabenbetreuung: Sie tun das, wofür
eigentlich die Schulen da sind, die aber aus Personalmangel ihren Aufgaben nicht vollständig
nachkommen können. Weniger Staatsquote bedeutet – allgemein gesprochen – weniger Sozialstaat.
   Politisch durchgesetzt wird die niedrigere Staatsquote, indem die Parlamente niedrigere
Staatseinnahmen beschließen. Das bedeutet geringere Unternehmenssteuern, keine Vermögens-
steuer und einen geringeren Spitzensteuersatz für hohe Einkommen privater Haushalte. Das soll
wohl das Totalitäre an der Demokratie beschränken. Die öffentlichen Kassen sind eben leer!
Verschulden soll sich der Staat auch nicht, denn das wäre Versündigung an den Kindern! Des-
wegen muss eine Schuldenbremse her – und für die EU dasselbe als Fiskalpakt. Dabei gibt es in
der Wirtschaftswissenschaft eine lange Tradition, die die Geldversorgung nicht gründen will auf
Schulden des Unternehmenssektors oder des Auslands bei der Zentralbank, das heißt Devisen,
sondern auf zinslose Kredite der Zentralbank an den Staat. Die Europäische Zentralbank betreibt
gegenwärtig eine solche Politik, wenngleich sehr verdruckst, weil sie im Grunde satzungswidrig
Staatsdefizite finanziert.
Gute Bildung lässt sich nicht kleinrechnen
   Die sinkende Bevölkerungszahl soll als Demografiedividende ein weiteres Argument für weniger
Staatsausgaben liefern. PolitikerInnen mit Kenntnissen in der Dreisatzrechnung veranschlagen nun
weniger Ausgaben für das Erziehungswesen. Falls eine demografische Rendite überhaupt noch
existiert, ist dieses Sparkonzept aus zwei Gründen Unsinn: Oft müssen die öffentlichen Ausgaben
je tausend EinwohnerInnen bei sinkender EinwohnerInnenzahl ansteigen. Das ist beispielsweise
so bei der ärztlichen Versorgung, aber auch bei Schulen und Kindergärten. Diese Einrichtungen
lassen sich nicht einfach zusammenlegen. Dann werden Wege zu lang. Wenn aber tatsächlich Geld
frei wird, kann Schule ihre Leistungen verbessern: kleinere Klassen, kein Unterrichtsausfall wegen
Krankheit, jede Form von Nachhilfe in der Schule – dort, wo es ausgebildete PädagogInnen gibt. //
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4 INHALT

THEMA
Sparkurs?
Bildung braucht mehr.
„Sparzwänge“ im Bildungs-
bereich: Muss das sein?     17
Demografische Rendite:
Vom Ende einer Hoffnung     20
Expertenmeinung:
Bildung auf Sparflamme?     22
Mehr in Bildung investieren:
Härtere Zeiten nach harten        S. 17
Zeiten?24

                                  S. 8

                                  Schulentwicklungsplanung in Duisburg:
BILDUNG                           Vom Spielbrett zur inklusiven Planung
                                  Landtagsfraktionen auf dem Prüfstand:
                                                                                  8

                                  Wahlkampfthema Bildung                        10
                                  Debatte um G8: Die Wut des Bildungsbürgertums 11
                                  Umfrage der SchülerInnenvertretung der
                                  Erich-Fried-Gesamtschule Herne: SchülerInnen
                                  unter Stress und Überforderung                12
                                  Urban Gardening: Demokratie wachsen lassen    14
                                  Kongress gegen Rechts 2016 des DGB NRW:
                                  Solidarität statt Rechtsruck                  16
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         ARBEITSPLATZ
        Tarifabschluss für den öffentlichen
        Dienst bei Bund und Kommunen:
        Gute Streikbeteiligung –
        guter Kompromiss                 25
        Gewerkschaftstag 2016:
        Gewerkschaft wirkt.              26
        Leitthema des Gewerkschafts-
        tags „Handeln gegen Rechts-
        populismus“: Erziehung zu
S. 25   Gleichwertigkeit28
        GEW-Hochschulinformations-
        büros in NRW: Richtig gut
        aufgestellt30

S. 30

        IMMER IM HEFT
          nachrichten6
          weiterbildung32
          jubilare33
          infothek34
          termine38
          impressum39
S. 12
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6 NACHRICHTEN

Befristete Beschäftigung im öffentlichen Dienst
                                                                                                                    Im Fokus der Untersuchung des Instituts für
  Befristungsanteile nach Alter, Bildung und Geschlecht (Auszug, in Prozent)
                                                                                                                Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundes-
                                      PRIVATWIRTSCHAFT                  ÖFFENTLICHER DIENST                     agentur für Arbeit (IAB) standen Ausmaß, Ent-
                                            Gesamt             Gesamt       BeamtInnen      Arbeitnehmer-
                                                                                            Innen               wicklung und Struktur befristeter Beschäftigung
  15–24 Jahre                                20,8               23,7            10,3            25,8            im öffentlichen Dienst. Im Beobachtungszeit-
  25–34 Jahre                                10,5               22,8             8,1            28,3            raum von 2004 bis 2014 wurde unter anderem
  35–44 Jahre                                  6,5               8,4             1,9            11,7            festgestellt: Bei gemeinsamer Betrachtung von
  45–54 Jahre                                  4,6               4,1             0,5             5,4
                                                                                                                BeamtInnen und ArbeitnehmerInnen sind die Be-
                                                                                                                fristungsanteile in den Kommunen am höchsten.
  55 Jahre oder älter                          3,8               2,6             0,9             3,3
                                                                                                                Der Befristungsanteil von ArbeitnehmerInnen
  weiblich                                     7,8               8,6             2,3            10,6
                                                                                                                unter 35 Jahren ist mehr als doppelt so hoch
  männlich                                     6,6               8,4             2,5            11,9
                                                                                                                wie in den übrigen Altersgruppen. Generell liegt
  ohne beruflichen Abschluss                 11,8               11,4             8,2            11,7            das Niveau befristeter Arbeitsverträge in der
  mit beruflichen Abschluss                    6,4               8,4             2,3            11,0            Wissenschaft deutlich über dem des restlichen
  Hochschulabschluss                           9,0              14,3             3,0            27,6            öffentlichen Dienstes. Die Untersuchung zeigt
  Promotion                                  10,9               28,2             6,8            39,1            insgesamt, dass befristete Arbeitsverträge im
  Gesamt                                       7,1               8,5             2,4            11,0            öffentlichen Dienst eine größere Rolle spielen
                                                                                                                als in der Privatwirtschaft.          krü / IAB
Quelle: IAB-Forschungsbericht 12/2015; Mikrozensus 2014, hochgerechnete Werte

                                         Personalratstour                              Große Tarifaktion der GEW NRW
                                            Im Vorfeld der Personalratswah-               Die GEW fordert weiterhin eine bessere Bezahlung der tarifbeschäftigten
            Begreifen                    len im Juni 2016 kam der Vorsit-              Lehrkräfte. Der Deutsche Beamtenbund hat vor einem Jahr mit den Arbeit-
        zum Eingreifen                   zende des DGB NRW, Andreas                    gebern, der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, einen unzureichenden
                               www.
                                         Meyer-Lauber, im Rahmen seiner                Tarifvertrag abgeschlossen, den die GEW nicht unterschrieben hat, da er
 Gerecht verteilen                       unterstützenden Personalratstour              die zentralen Forderungen der Bildungsgewerkschaft nicht erfüllt. Für eine
 DGB-Referatsleiter Robby Riedel         unter anderem mit GEW-Vertrete-               gerechte Bezahlung bleibt die GEW weiter am Ball! Gemeinsam fordern
 nimmt in der GEGENBLENDE                rInnen der Hauptpersonalräte im               wir die NRW-Landesregierung dazu auf, ihre Verantwortung gegenüber
 die Verteilungssituation in
                                         Schulbereich ins Gespräch. Mit der            den Tarifbeschäftigten endlich ernst zu nehmen und sich auf Bundesebene
 Deutschland auseinander und er-
 läutert das Problem der Ungleich-       Tour unterstrich der DGB-NRW-Chef:            für sie einzusetzen! Die Aktion mit Redebeiträgen unter anderem von der
 heit sowie die damit verbundenen        „Auch im öffentlichen Dienst müs-             GEW-Landesvorsitzenden Dorothea Schäfer findet am 8. Juni 2016 ab
 Konsequenzen für Gesellschaft,          sen die Beschäftigten ihre Rechte             15.00 Uhr in Düsseldorf auf der Landtagswiese statt. Alle Lehrkräfte,
 Demokratie und Wirtschaft.
                                         durchsetzen und schützen. Dazu                egal ob verbeamtet oder tarifbeschäftigt, sind dazu aufgefordert teilzu-
 Bildung für alle
                               www.      brauchen sie starke Personalräte“.            nehmen. Gerne auch gemeinsam mit Klassen oder Kursen – Tarifpolitik
                                         www.nrw.dgb.de/oeffentlicher-                 hautnah erleben! Zur besseren Planung bitten wir um Anmeldung mit
 Im Interview mit dem Magazin
 Mitbestimmung berichtet die             dienst/personalratswahlenkrü                 Angabe der Personenzahl an susanne.lange@gew-nrw.de.abe
 stellvertretende Vorsitzende des
 DGB Elke Hannack von ihrem
 Verhältnis zur CDU, betont die
                                         Geschichte                                    Unterschriften gegen Belastung
 Wichtigkeit der Mitbestimmung
 und unterstreicht, dass Bildung            Mit dem neuen Portal www.                     Im Rahmen der Kampagne „Belastung senken – GrundschullehrerInnen
 für alle offenstehen muss.              gewerkschaftsgeschichte.de steht              gerecht bezahlen“, die vom Fachgruppenausschuss Grundschule der GEW
                               www.
                                         jetzt umfassend die Geschichte der            NRW landesweit koordiniert wird, haben VertreterInnen der GEW Münster
 Bildung im Aufbau
                                         deutschen Gewerkschaftsbewegung               eine Liste mit 401 Unterschriften von Lehrkräften an 34 Grundschulen
 „Noch nie wurde so viel Geld            im Netz. Die Hans-Böckler-Stiftung            an die Münsteraner Landtagsabgeordnete und nordrhein-westfälische
 für Bildung ausgegeben wie              macht in Kooperation mit dem Ar-              Wissenschaftsministerin Svenja Schulze überreicht. Damit unterstützen
 heute“ – das betont die Politik
 gern. In absoluten Zahlen mag           chiv der sozialen Demokratie Ge-              über 50 Prozent der GrundschullehrerInnen in Münster die Forderungen
 das stimmen, doch was steckt            schichte multimedial und interaktiv           der GEW NRW: Anrechnungsstunden für alle Lehrerräte und Ansprech-
 hinter den Millionen? GEW-Or-           erfahrbar: Hunderte historische               partnerinnen für Gleichstellung, mindestens zehn Anrechnungsstunden
 ganisationsbereichsleiter Ansgar        Fotos und Dokumente, originale                pro Grundschule als Sockel plus weitere Stunden je nach Schulgröße
 Klinger verrät im Interview mit
 den NachDenkSeiten, was die             Tonaufnahmen und Videos sowie                 und eine Bezahlung nach A 13 / EG 13 für alle Grundschullehrkräfte.
 GEW-Studie „Bildungsfinanzie-           persönliche Geschichten zahlreicher           „Die nur noch historisch zu begründende schlechtere Besoldung der
 rung der öffentlichen Hand“             GewerkschafterInnen warten auf                Grundschullehrkräfte empfinden wir als fehlende Wertschätzung unserer
 herausgefunden hat.
                                         die NutzerInnen.        krü / hbs            Arbeit“, heißt es in der Resolution.bp
Sparkurs? Bildung braucht mehr - nds - die Zeitschrift der ...
nds 5-2016 7

Systematische Entwicklung                                                              Mitbestimmung positiv bewertet
   Nach dem Erfolg der 18 Grundschulen aus Essen und Mülheim an der                       Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) hat 1.904
Ruhr, die bereits seit 2014 an der RuhrFutur-Maßnahme „Systematische                   Erwerbstätige zum Thema „Mitbestimmung“ befragt: Die Bewertungen
Grundschulentwicklung“ teilnehmen, machten sich jetzt 28 weitere                       sind im Durchschnitt ausgesprochen positiv. Nur knapp 13 Prozent stimmen
Grundschulen aus den fünf RuhrFutur-Kommunen Dortmund, Essen,                          der Aussage zu, dass Mitbestimmung falsch sei, weil sie die Rechte der
Gelsenkirchen, Herten und Mülheim an der Ruhr gemeinsam auf den                        ArbeitgeberInnen einschränke. 62 Prozent der Befragten sind der Auffas-
Weg, die Qualität ihres Unterrichts nachhaltig zu verbessern. Erfahrene                sung, ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen sollten gleichviel Einfluss
SchulentwicklungsberaterInnen unterstützen die Schulen in den nächsten                 haben. Vor allem gewerkschaftlich organisierte ArbeitnehmerInnen weisen
zwei Jahren dabei, sich unter anderem mit Fragen der Unterrichtsgestal-
                                                                                       eine überdurchschnittlich positive Einstellung auf, ArbeitgeberInnen mit
tung, des Lernklimas und des Umgangs mit heterogenen Klassen aus-
                                                                                       mindestens fünf Beschäftigten hingegen haben zum Teil eine ablehnende
einanderzusetzen. Aber auch Themen wie Ganztag, Ressourcenplanung
                                                                                       Einstellung. www. tinyurl.com/WSI-Mitbestimmung               krü / WSI
und Personaleinsatz stehen auf der Agenda der Schulleitungen und
Lehrkräfte. www.tinyurl.com/RuhrFutur-Grundschule krü / RuhrFutur                     Einstellungen zu Mitbestimmung nach Erwerbsposition und
                                                                                       Qualifikation (Auszug, in Prozent)

SchulabgängerInnen ohne Abschluss                                                                                           Mitbestimmung ist
                                                                                                                            falsch
                                                                                                                                                Angestellte sollten
                                                                                                                                                gleich viel oder mehr
                                                                                                                                                Einfluss haben
                                                                                       ArbeiterInnen (FacharbeiterInnen,
   Im Sommer 2015 gingen in NRW 11.054 SchülerInnen ohne Haupt-                        MeisterInnen etc.)                       18,3                    75,9
schulabschluss von einer allgemeinbildenden Schule ab, das waren 5,5                   Angestellte (qualifiziert,
                                                                                                                                 9,2                    66,9
                                                                                       hochqualifiziert)
Prozent weniger als 2014. Der Anteil der SchülerInnen ohne Hauptschul-
                                                                                       Angestellte (leitende)                   11,1                    56,5
abschluss an allen SchulabgängerInnen sank 2015 auf 5,3 Prozent (2014:
                                                                                       Auszubildende (betrieblich)              10,2                    60,7
5,5 Prozent). 6,2 Prozent der männlichen und 4,5 Prozent der weiblichen
                                                                                       FreiberuflerInnen / Selbstständige
AbgängerInnen verließen im Sommer 2015 ohne Hauptschulabschluss                        mit min. 5 Beschäftigten                 36,2                    36,8
die Schule.                                              krü / IT.NRW                 keine Hochschulreife                     16,6                    70,8
                                                                                       Hochschulreife                            9,5                    59,7
Minderjährige Geflüchtete in NRW                                                       n                                       1.885                  1.871
                                                                                       Quelle: WSI Mitteilung 3/2016; Werner Nienhüser, Esther Glück und Heiko Hoßfeld
   Seit 1. November 2015 werden unbegleitete minderjährige Geflüch-
tete gleichmäßig auf Bundesländer und Kommunen verteilt. Aktuell
leben rund 67.500 junge Geflüchtete in Deutschland, die ohne Eltern                    Lehrerstellen für SoR – SmC
oder Sorgeberechtigte eingereist sind. 13.100 von ihnen sind in NRW
                                                                                          Für eine Tätigkeit in der Landeskoordination „Schule ohne Rassismus –
untergebracht (19,5 Prozent). Das Bundesland erfüllt damit rund 92
                                                                                       Schule mit Courage“ (SoR – SmC) sollen zwei neue Lehrkräfte – angesiedelt
Prozent der nach Königsteiner Schlüssel festgelegten Aufnahmequote
                                                                                       bei der Landeskoordination der Kommunalen Integrationszentren (LaKI)
und gehört zu den Ländern, die weitere unbegleitete Minderjährige
                                                                                       in Dortmund – gewonnen werden. Zudem wird eine Stelle beim DGB-
aufnehmen. Die Schließung der Balkanroute macht sich jedoch auch in
                                                                                       Bildungswerk NRW in Düsseldorf e. V. neu besetzt. SoR – SmC ist ein landes-
NRW bemerkbar: Während im November 2015 noch rund 2.400 junge
                                                                                       weites Netzwerk von SchülerInnen, für das die Landesregierung drei halbe
Menschen untergebracht werden mussten, waren es im März 2016 nur
                                                                                       Stellen aus dem Schulbereich zur Verfügung stellt. Aktuell unterstützen
noch rund 600. Ein Großteil der Kinder und Jugendlichen, die Jugend-
                                                                                       Renate Bonow und Julia Kilian Schulen auf ihrem Weg, eine Courage-
ämter in NRW unterbringen, sind männlich (92 Prozent). Über 80 Prozent
                                                                                       Schule zu werden und bieten zahlreiche Veranstaltungen an. So konnten
stammen aus Afghanistan (42 Prozent), Syrien (28 Prozent) oder dem
                                                                                       in diesem Schuljahr bei Landes-, Regional- und Lokaltreffen bereits über
Irak (11 Prozent).                                          krü / LVR
                                                                                       700 Aktive der Netzwerkschulen ihre Weiterarbeit in Workshops zu ver-
Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in NRW                          schiedenen Themen der diversitätssensiblen Bildungsarbeit diskutieren
                                                                                       und gemeinsame Aktionen planen. In Rundbriefen und auf der Facebook-
        Dortmund
       Soll: 441                                                                       Seite der Landeskoordination werden die Aktivitäten der Courage-Schulen
        Ist: 899
                                                                                       dokumentiert. Zum Aufgabenprofil gehört die Mitarbeit in der Geschäftsstelle
                             204  %                               186  %
   Aachen
                                                                                       der Landeskoordination, die Beratung und Betreuung von Schulen und
Soll: 185
                                                                           Bielefeld
                                                                                       die Organisation von Titelverleihungen. Die Stelle beim DGB-Bildungswerk
 Ist: 562
                                                                           Soll: 250   NRW e. V. dient dazu, Fortbildungsprogramme für LehrerInnen zu entwickeln.
                                                                           Ist: 466
                                                                                       Neben zentral angebotenen Seminaren werden zunehmend Inhouse-Ver-
             304  %
                                                                                       anstaltungen mit Bildungseinrichtungen vereinbart. Weitere Informationen
                                                                                       zur Mitarbeit in der Geschäftsstelle des DGB-Bildungs-werks NRW e. V. zur
                                                 132  %           Köln                 Unterstützung von SoR – SmC durch Fortbildungsangebote für pädagogische
                                                                  Soll: 795
                                                                  Ist: 1052            Fachkräfte erteilen telefonisch und per E-Mail: Renate Bonow, 02931–
                                                                                       8252 14, renate.bonow@bra.nrw.de; Julia Kilian, 02931-8252 09, julia.kili-
Soll: Aufnahmepflicht; Ist: Bereits aufgenommen; Prozentangabe: Quotenerfüllung        an@bra.nrw.de und Manfred Diekenbrock, 0211-17523 182, mdiekenbrock@
Quelle: Landschaftsverband Rheinland (LVR)                                             dgb-bildungswerk-nrw.de. www.schule-ohne-rassismus.org Manfred Diekenbrock
Sparkurs? Bildung braucht mehr - nds - die Zeitschrift der ...
8 BILDUNG

Schulentwicklungsplanung in Duisburg

Vom Spielbrett
zur inklusiven Planung
Die Umsetzung von Inklusion stellt Schulen und
kommunale Schulträger vor komplexe Heraus-
forderungen. Mit Hilfe von Planspielen versucht
die Stadt Duisburg, eine erfolgreiche Umsetzung

                                                                                                                                                                   Foto: ebednarek / fotolia.com
der Inklusion anzustoßen. Wie funktionieren
Planspiele und wie können sie sinnvoll in der
Schulentwicklungsplanung eingesetzt werden?

   Der Anspruch an schulische Inklusion gemäß           jeweiligen lokalen Schulen sowie VertreterInnen      der Schulen standen. So fanden sich zum Beispiel
dem 2013 beschlossenen 9. Schulrechtsände-              der Schulaufsicht, der Bezirksregierung und der      deutlich mehr SozialarbeiterInnen in Regionen
rungsgesetz sieht vor, dass Kinder mit sonderpä-        Stadtverwaltung.                                     mit einer benachteiligten Bevölkerung. Bei der
dagogischem Unterstützungsbedarf – unter der               Die Planspiele brachten diese Personen an         räumlichen Bewertung sah sich ein großer Anteil
Maßgabe des Elternwunsches – eine Regelschule           einen „(Spiel-)Tisch“ mit dem Ziel, zunächst         der Schulen als nicht ausreichend ausgestattet:
besuchen können. Die Herausforderungen, eine            gemeinsam die bestehende (inklusive) Schul-          Mehr als jede zweite Grundschule zeigte einen
erfolgreiche Inklusion sicherzustellen, sind vielfäl-   landschaft zu erschließen. Darauf aufbauend          Mangel an notwendigen Differenzierungsräumen
tig: Sie umfassen pädagogische Aspekte, Aspekte         sollten verschiedene Szenarien durchgespielt         an. Es wurde aber auch deutlich, dass viele Schu-
der sächlichen und personellen Ausstattung der          werden, wie die schulische Inklusion sich entwi-     len – je nach Förderschwerpunkt – sich selbst
Schulen sowie verwaltungstechnische Aspekte             ckeln könnte. Gespielt wurde in insgesamt drei       als barrierefrei klassifizierten (siehe Abbildung).
wie die Empfehlung und Zuweisung von Schü-              Phasen auf einem großformatigen Stadtplan               Ergänzt wurde die erste Spielphase durch
lerInnen mit sonderpädagogischem Unterstüt-             von Duisburg.                                        ein unverbindliches Votum der Schulvertrete-
zungsbedarf. Hinzu kommen schulplanerische                                                                   rInnen, welche Förderschwerpunkte sie abdecken
                                                        Die Spielphasen: Inventur –
Aspekte wie die (Weiter-)Entwicklung und ge-                                                                 könnten. Hier zeigte sich insgesamt eine große
                                                        Szenarien – Positionierung
gebenenfalls die Schließung von Förderschulen                                                                Bereitschaft, eine inklusive Schullandschaft
sowie der Aus- und Umbau von Regelschulen.                 In der ersten Spielphase – der Inventur –         entlang der Förderschwerpunkte stadtweit
Hier zeigt sich: Eine Vielzahl von Akteuren mit         wurden ausgewählte inklusionsrelevante Rah-          umzusetzen.
sehr unterschiedlichen Fragestellungen ist in die       menbedingungen für jede einzelne Schule                 Die zweite Spielphase wagte einen Blick in
Gestaltung und Planung der schulischen Inklusi-         zusammengetragen. Alle SchulvertreterInnen           mögliche zukünftige Entwicklungen der Beschu-
on einzubinden. Um erfolgreich und nachhaltig           setzten dazu entsprechende Spielsteine neben         lung von Kindern mit sonderpädagogischem
planen zu können, ist eine möglichst genaue             ihre Schule auf den Spielplan, die anzeigten,        Unterstützungsbedarf. Da zu diesem frühen
Kenntnis der Rahmenbedingungen und der                  ob die Schule bereits das Gemeinsame Lernen          Zeitpunkt noch nicht abzusehen war, in wel-
konkreten Bedarfslage vor Ort notwendig.                anbietet – falls ja, mit Angabe der Anzahl der       chem Umfang die Eltern von dem Recht der
                                                        momentan beschulten Kinder mit Unterstüt-            gemeinsamen Beschulung Gebrauch machen
Übersicht verschaffen –                                 zungsbedarf –, ob SeiteneinsteigerInnen be-          würden, wurden drei mögliche Szenarien vorge-
Informationen sammeln im Planspiel                      schult werden, ob der Schule SozialarbeiterInnen     geben: „Alle Kinder mit Förderbedarf besuchen
   Der Duisburger Planungsprozess begann                zugeteilt sind und ob es sich um eine Offene         eine Regelschule!“, „Jedes zweite Förderkind
daher mit einer Bestandsaufnahme im Hinblick            Ganztagsschule handelt.                              besucht eine Regelschule!“ und „Jedes fünfte
auf die weiteren Schritte in Richtung einer                Auch die schulräumliche Situation wurde           Förderkind besucht eine Regelschule!“ Unter der
inklusiven Schullandschaft. Als Planungsinstru-         beurteilt. Auf Setztafeln wurden auf einer drei-     Fragestellung „Was wäre wenn?“ wurde simu-
ment wurden dafür Planspiele durchgeführt, die          stufigen Skala von „gut“ bis „nicht ausreichend“     liert, wie aufnahmefähig das Regelschulsystem
unter dem Dach von sogenannten Regionalen               das Angebot an Differenzierungsräumen und            jeweils ist und an welchen Stellen Anpassungen
Planungsforen stattfanden. Vier solcher Pla-            Aspekte der Barrierefreiheit bewertet. In den Rah-   und Erweiterungen notwendig sind. Auch die
nungsforen wurden eingerichtet, die sich jeweils        menbedingungen zeigten sich – wie zu erwarten        Auslastung der Förderschulen wurde beleuchtet.
auf ein Teilgebiet der Stadt bezogen. Die Teilneh-      war – deutliche innerstädtische Unterschiede,        Spielsteine stellten die prognostizierte Schüle-
merInnen der Planungsforen und damit „Spiele-           die in einem engen Zusammenhang mit den              rInnenzahl dar, die in dem jeweiligen Szenario
rInnen“ der Planspiele waren Schulleitungen der         jeweiligen sozialstrukturellen Einzugsgebieten       auf die Schulen verteilt wurden.
Sparkurs? Bildung braucht mehr - nds - die Zeitschrift der ...
nds 5-2016 9

   Während bei einer Beschulung von jedem
fünften Kind mit Förderbedarf an den Regel-
schulen in den Regionen zumeist die beste-
henden (Raum-)Ressourcen ausreichten, wurde
es bei einer Beschulung von jedem zweiten
Kind bereits eng. Auch der Anspruch an eine
möglichst wohnortnahe Beschulung konnte
in diesem Szenario nicht überall sichergestellt
werden. Für die Grundschulen der nördlichen
Planungsregion wurde zum Beispiel deutlich,
dass mit dem aktuellen Angebot der Schulen
des Gemeinsamen Lernens 132 Kinder inklusiv
beschult werden könnten, aber gemäß dem
Szenario von einem Bedarf von etwa 170 Kin-
dern auszugehen wäre. Eine Anpassung der
baulichen als auch personellen Infrastruktur
wäre demnach nötig. Die Simulation zeigte so
allen Akteuren anschaulich die Potenziale der
jeweiligen Region, aber auch die ganz konkreten
Defizite vor Ort.
   In der abschließenden dritten Spielphase
wurden die Schulen gebeten, sich bezüglich
ihrer zukünftigen Rolle im Inklusionsprozess –
ausgehend von ihren bisherigen Erfahrungen
und Möglichkeiten – zwischen „beobachtend“
und „Schwerpunktschule“ zu positionieren. Das
deutliche Ergebnis: Viele Schulen waren bereit,
                                                   In der ersten Spielphase werden inklusionsrelevante Rahmenbedingungen für jede Schule auf einem Duisburger
sich den neuen Herausforderungen zu stellen        Stadtplan zusammengetragen.                                                           Foto: Stadt Duisburg
und positionierten sich als zukünftige inklusive
Schule.                                            ◆◆ Der spielerische Aspekt ermöglichte den             Stadt Duisburg – haben sich die Planspiele als
                                                      Schulleitungen eine erste unverbindliche            Analyse- und Partizipationsinstrument bewährt.
Gemeinsames Wissen
                                                      Einschätzung der Möglichkeiten der Beschu-          Auch im weiteren Prozess sollen sie bei Bedarf
und Raum für Neues schaffen
                                                      lung von Kindern mit Förderbedarf und der           und gegebenenfalls mit angepassten Frage-
   Das Durchspielen dieser drei Phasen führte         jeweiligen Rahmenbedingungen an ihren               stellungen und Spielmechanismen wiederholt
zu einer umfassenden Übersicht für alle Akteure       Schulen.                                            werden. //
und stellte einen grundlegenden Einstieg in die    ◆◆ Der Abgleich der Einschätzungen unter-
Inklusionsthematik dar. Schon während des             einander bot zudem die Gelegenheit, die
Planspiels zeigte die Methodik Wirkung:               eigene Positionierung in Relation zu denen                    Stadt Duisburg: Inklusive Schulentwick-
◆◆ So unterschiedlich die Akteure in Bezug auf        der anderen zu setzen und gegebenenfalls             PDF      lungsplanung Duisburg. Erste Umset-
   ihre Rolle, Erwartungen und Ziele zu Beginn                                                                      zungsschritte und Perspektive.
                                                      zu modifizieren.                                              www.tinyurl.com/Inklusion-Duisburg
   der Planungsforen waren, am Spieltisch wurde    ◆◆ Die spielerische Atmosphäre schuf den Rah-
                                                                                                                    Eva Kaewnetara, Tobias Terpoorten: Zu
   ihre Aufmerksamkeit auf die sich potenziell        men für weitere Gespräche zwischen den                        Tisch bitte! Der Duisburger Prozess zu
                                                                                                           PDF
   entwickelnde inklusive Schullandschaft ge-         Schulen über Vorgehensweisen, Probleme                        einer inklusiven Schullandschaft. (Veröf-
   bündelt.                                           und bereits erprobte Lösungen.                                fentlicht in einer Broschüre von ISA e. V.)
                                                                                                                    www.tinyurl.com/ISA-Broschuere
◆◆ Der Austausch zwischen ExpertInnen des          ◆◆ Das Planspiel bot den Raum für überra-
   Gemeinsamen Lernens an Regelschulen so-            schende Lösungen, ohne sofort auf ein vorab
   wie denen aus Förderschulen, die bereits           festgelegtes Resultat zu zielen. Dies erwies                        Eva Kaewnetara
   umfangreiches Wissen einbringen konnten,           sich gerade in schwierigen und unlösbar                             Leiterin der Abteilung Kommunale
                                                                                                                          Schulentwicklung im Amt für Schu-
   und denen, die bisher kaum mit Themen              erscheinenden Situationen als hilfreich.                            lische Bildung der Stadt Duisburg
   der inklusiven Beschulung in Berührung          Damit Planspiele wie auch die praktische Um-
   gekommen waren, konnte so methodisch            setzung ihrer Ergebnisse in der Praxis erfolgreich
   gehändelt werden.                               sein können, müssen die Akteure in der Lage                            Dr. Tobias Terpoorten
◆◆ Durch das stadtweite Sichtbarmachen der         sein, fachlichen Austausch und Rollenerwar-                            Referent im Bereich der Schulentwick-
                                                                                                                          lungsplanung im Amt für Schulische
   Strukturen und der möglichen Konsequenzen       tungen allseits transparent und gestalterisch
                                                                                                                          Bildung der Stadt Duisburg
   der Inklusion wurde das Verständnis einer       auszubalancieren. Im Ergebnis – und das zeigt
   gemeinsamen Bildungsregion geschärft.           auch der inklusive Schulentwicklungsplan der
Sparkurs? Bildung braucht mehr - nds - die Zeitschrift der ...
10 BILDUNG

Landtagsfraktionen auf dem Prüfstand

Wahlkampfthema Bildung

                                                                                                                                                       Foto: AndreasF. / photocase.de
„Schule NRW: Ein Jahr vor der Wahl“ – unter diesem Motto hatte das Bündnis                                 als auch bei den Fragen zu den Folgen des
„Länger gemeinsam lernen NRW“ ins Pädagogische Institut der Evangelischen                                  Schulkonsenses. Die in der Bildungskonferenz
Kirche von Westfalen nach Villigst eingeladen. Der Einladung waren gut 50                                  vereinbarte Kultur des Behaltens hat noch keine
Interessierte aus unterschiedlichen Bildungsbereichen gefolgt. Ein Jahr vor der                            vollständige Umsetzung im Schulgesetz oder in
Landtagswahl im Mai 2017 bezogen die bildungspolitischen Sprecherinnen der                                 den Prüfungsordnungen gefunden. Während
NRW-Landtagsfraktionen Stellung zu den wichtigsten bildungspolitischen Themen.                             Sigrid Beer auf die gesetzliche Regelung verwies,
                                                                                                           einen Hauptschulzweig an der Realschule zu
   Zum Einstieg stellte Erziehungswissenschaft-       auch keine Schwarz-Weiß-Diskussion führen: Bei       bilden und die Ablehnung von Gymnasialver-
ler Prof. Dr. Hans-Günter Rolff den Unterschied       verschiedenen Anhörungen im Landtag zum The-         bänden gegen Änderungen bei den Gymnasien
zwischen Chancengleichheit und Chancen-               ma sei klar geworden, dass nachgesteuert werden      bedauerte, betonte Anette Bunse den notwen-
gerechtigkeit dar. Er erinnerte an die Erkenntnisse   müsse, man solle aber „ideologiefrei“ streiten.      digen Blick auf die Kinder.
nach den ersten PISA- und IGLU-Untersuchungen,        Fürs Gymnasium – so die SPD – müssten zudem
                                                                                                           Ganz oben auf der Agenda: Bildung
die den engen Zusammenhang zwischen so-               andere Bildungsgänge ermöglicht werden.
zialer Herkunft und Schulerfolg beschrieben                                                                    In den je 90-sekündigen Antworten der Po-
                                                      Sozialindex einführen                                litikerinnen ergaben sich ein Jahr vor der Land-
hatten. Die Begleitforschung habe darüber
hinaus ergeben, dass die vor einigen Jahren              Die Einführung einer sozialindizierten Ressour-   tagswahl kaum Streitpunkte oder gegensätzliche
eingeführte Auflösung der Schuleinzugsbezirke         cenausstattung der Schulen halten SPD, Grüne         Positionen. Vielmehr waren alle Beteiligten
für die Grundschulen in NRW zu einer größeren         und Piraten für sinnvoll. Eva-Maria Voigt-Küppers    bemüht, eher die Gemeinsamkeiten als die
Entmischung und einer Verstärkung der sozialen        plädierte auch für die Wiedereinführung von          Unterschiede in ihren Positionen herauszustellen.
Trennung führe. Der viel gelobte Schulkonsens in      Schulbezirksgrenzen. Sigrid Beer bewertete den       Dabei spielt zum einen sicher der 2011 zwischen
NRW, der Schulentwicklung an die Kommunen             Sozialindex als wichtiges Mittel, hob gleichzeitig   CDU, SPD und Grünen gefundene Schulkonsens
                                                      aber auch die Leistungen der derzeitigen Lan-        eine Rolle. Zum anderen können so alle Mög-
delegiert, habe zu einem fünfgliedrigen Schul-
                                                      desregierung hervor: Es seien 17.700 zusätzliche     lichkeiten für unterschiedliche Regierungsko-
system in NRW und zu sehr unterschiedlichen
                                                                                                           alitionen offengehalten werden. Vielleicht ist
Entwicklungen in den Regionen geführt. Das sei        Stellen für Lehrkräfte geschaffen worden, es
                                                                                                           aber auch die Zeit vorbei, in der ideologische
ein Fehler, denn Schulstrukturentscheidungen          gebe 220 neue Schulen mit längerem Gemein-
                                                                                                           Debatten um die richtige Bildungspolitik geführt
müsse das Land treffen. Die innere Schulent-          samen Lernen und auch der Aufbau des neuen
                                                                                                           werden. Wenn im Ergebnis alle Parteien das
wicklung müsse mehr in den Blick genommen             Landesinstituts QUA-LiS sei positiv zu werten.
                                                                                                           Thema Bildung und die bessere Finanzierung
werden, forderte Prof. Dr. Rolff.
                                                      Kooperationsverbot aufheben                          ganz oben auf ihrer Agenda haben, ist das gut
   Für die Landtagsfraktionen stellten sich Sigrid
                                                         Einigkeit bestand darin, dass der Bund an         und bestätigt uns als GewerkschafterInnen in
Beer (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Anette Bunse
                                                      der Finanzierung von Bildungsausgaben stärker        unserem Einsatz für mehr Chancengleichheit
(CDU), Monika Pieper (Piraten) und Eva-Maria
                                                      beteiligt werden muss. Die Aufhebung des Ko-         und eine bessere Bildungsfinanzierung. Mehr
Voigt-Küppers (SPD) den Fragen. Bildungsge-
                                                      operationsverbots fordern die Piraten, während       Geld für Bildung ist für die Verbesserung der
rechtigkeit, Inklusion, schulische Bildungsgänge,
                                                      Sigrid Beer sich eher skeptisch zu den Chancen       Lern- und Arbeitsbedingungen dringend erfor-
Ganztagsschulentwicklung, Schulzeitverkürzung,
                                                      einer Aufhebung zeigte. Der Bund beteilige sich      derlich – dafür setzt sich die GEW NRW mit
Ausbildungsgarantie, der Schulkonsens von 2011
                                                      bereits am Bildungs- und Teilhabepaket und           Nachdruck ein. //
und Integration von geflüchteten Kindern und
Jugendlichen lauteten die Stichworte.                 damit an der Finanzierung der Schulsozialarbeit.
                                                                                                                         Dorothea Schäfer
Inklusion verbessern                                  Kultur des Behaltens fördern                                       Vorsitzende der GEW NRW
   Die Herausforderung der Inklusion sehen              Vor allem von der CDU wurde auf das Ernst-
alle als größte Baustelle und als bisher tiefsten     nehmen des Elternwillens hingewiesen – sowohl
Eingriff in die Schulentwicklung. Man dürfe aber      den weiteren Ausbau des Ganztags betreffend
nds 5-2016 11

                                                                                                                                                                         Foto: Lucas1989 / photocase.de
Debatte um G8

Die Wut des Bildungsbürgertums
Sollte es noch eines Belegs bedurft haben, dass die Befriedung des Streits um das acht-                        zung der Zahl der Klassenarbeiten auf zwei pro
jährige Gymnasium (G8) in Nordrhein-Westfalen gescheitert ist – jetzt liegt er auf                             Woche, niedrigere Richtwerte für Hausaufga-
dem Tisch. Die Landeselternschaft der Gymnasien hat eine Mammutumfrage                                         benzeiten und weniger Nachmittagsunterricht.
präsentiert.                                                                                                   Die Entlastung stockt noch in der Frage einer
                                                                                                               Jahresobergrenze für Klassenarbeiten.
   Mehr als 48.000 Personen nahmen an der             Bildungspolitische Gratwanderung                            Sylvia Löhrmann, die stets betont, die Schul-
Erhebung teil; in einem repräsentativen Teil              Deshalb ist das Ganze für Schulministerin            entwicklung müsse dem Willen der Eltern folgen,
wurden 1.310 Gymnasialeltern befragt. Von             Sylvia Löhrmann so gefährlich. Eine mobili-              und die sich ausgerechnet in diesem Großkonflikt
ihnen votierten 79 Prozent für die Rückkehr           sierungsstarke Gruppe (2015 sammelte eine                gegen die Elternmehrheit stellt, ist nun von den
zum neunjährigen Gymnasium (G9). Das bestä-           Volksinitiative fast 100.000 Unterschriften für          Gymnasien abhängig. Sie müssen – das ist immer
tigt zwar frühere Umfragen, hat aber aus drei         G9), darunter natürlich AnhängerInnen von                noch nicht überall geschehen – ihre Kultur an
Gründen eine besondere Brisanz.                       SPD und Grünen, stellt den Grundsatz rot-grüner          G8 anpassen: Mut zur exemplarischen Vermitt-
                                                      Gymnasialpolitik infrage. Wer das Abitur nach            lung entwickeln, eigene konkrete Fachlehrpläne
Keine Kompromisse
                                                      neun Jahren wolle, könne sein Kind ja auf eine           ausarbeiten. Daran wird sich entscheiden, ob
   Der erste ist der Zeitpunkt – in einem Jahr        Gesamtschule schicken. Für die G8-GegnerInnen            G8 in NRW noch eine Chance hat. //
wird in NRW gewählt und die Wahrscheinlichkeit        ist diese Alternative keine, sondern bloß ein Trick,
steigt, dass dabei das „Turbo-Abi“ zum Thema          um das Gymnasium zu schwächen.
wird. Mit G8 lässt sich keine Landtagswahl                Natürlich weist Sylvia Löhrmann das weit von                         Dr. Frank Vollmer
gewinnen. Gegen G8 schon eher.                        sich. Sie mahnt zur Geduld – die Entlastungen,                           Stellvertretender Ressortleiter Politik
   Der zweite Grund ist die Wut, mit der die Kritik                                                                            der Rheinischen Post, unter anderem
                                                      die der Runde Tisch 2014 empfahl, müssten
                                                                                                                               zuständig für das Thema Schulpolitik
vorgetragen wird. Die Fronten sind verhärtet:         wirken. Tatsächlich hat das Ministerium das                              Foto: A. Andreas Krebs / RP
44 Prozent der G9-BefürworterInnen bezeichnen         meiste rechtlich umgesetzt, etwa die Begren-
sich selbst als kompromisslos, fast doppelt so
viele wie unter den G8-AnhängerInnen. Das
Potenzial für eine Ausgleichslösung schwindet.
   Den dritten Grund hat die Erhebung des                GEW NRW fordert grundlegende Reform
Bildungsforschers Rainer Dollase, eines erklärten        Der Rückwärtsgang ist keine Option
G9-Befürworters, der G8 auch schon mal mit
                                                         Viele Eltern in Nordrhein-Westfalen wollen weg        legende Reformschritte an den Gymnasien in NRW:
der DDR vergleicht, erstmals statistisch greifbar        von G8 und zum Abitur nach neun Jahren zurück-        Die Sekundarstufe I muss an allen Schulformen wie-
gemacht: Die G8-GegnerInnen sind klassisches             kehren – das ergab eine von der Landeseltern-         der sechsjährig sein, alle Bildungsabschlüsse der
Bildungsbürgertum, die Klientel des Gymnasi-             schaft der Gymnasien in Auftrag gegebene Um-          Sekundarstufe I müssen an Gymnasien vergeben
                                                         frage. Ist das die Chance für ein breites Bündnis     werden können. Die gymnasiale Oberstufe muss
ums. Sie setzen auf Leistung. Nachhilfe für ihre                                                               dahingehend reformiert werden, dass sie unter-
                                                         zur Reform des derzeitigen G8 unter Einschluss
Kinder begründen sie meist mit Notenoptimie-             der GEW NRW? Eher nicht.                              schiedlich lange Lernwege von zwei bis vier Jahren
rung, nicht mit der Sicherung der Versetzung.                                                                  ermöglicht. Die Gleichwertigkeit aller angebotenen
                                                         Die Bildungsgewerkschaft sieht mit Befremden den      Fächer muss wiederhergestellt werden, um den
Die G8-GegnerInnen wollen nicht, dass das                Wunsch nach der Rückkehr zu den „guten alten          SchülerInnen mehr Möglichkeiten zur individuellen
Gymnasium seine Standards senkt, um das                  Zeiten“, in denen bei Weitem nicht alles gut war.     Schwerpunktsetzung zu bieten. Der gebundene
„Turbo-Abi“ verträglicher zu machen. Sie sind            Eine konservative Reform – wie sie Rainer Dollase     Ganztag muss weiter ausgebaut werden, um allen
                                                         offenbar befürwortet – mit 13 Jahren bis zum Abi-     SchülerInnen – egal aus welchem Elternhaus sie
sehr skeptisch, ob man Hausaufgaben oder die
                                                         tur am Halbtagsgymnasium lehnt sie entschieden        stammen – die gleichen Chancen zur Partizipation
Stundenzahl reduzieren sollte. Sie wollen aber           ab. Zwar stimmte die GEW NRW dem am Runden            an Bildung zu ermöglichen. Letztlich müssen alle
unbedingt, dass ihr Kind neun Jahre an einem             Tisch G8 /G9 entstandenen Maßnahmenpaket zur          Gymnasien auf dem Weg zu mehr Chancengerech-
Gymnasium verbringt. Die Gesamtschule ist bei            Weiterentwicklung des achtjährigen Bildungsgangs      tigkeit bei der Bildungsbeteiligung schrittweise zu
                                                         als einen notwendigen Schritt zu unmittelbaren Ver-   Ganztagsgymnasien ausgebaut werden.
ihnen noch viel unbeliebter als ein reformiertes
                                                         besserungen für LehrerInnen und SchülerInnen zu.                                             Frauke Rütter,
G8-Gymnasium. All das steht in Rainer Dollases           Sie fordert aber darüber hinaus langfristig grund-              Referentin für Schulpolitik der GEW NRW
Erhebung.
12 BILDUNG

Umfrage der SchülerInnenvertretung der Erich-Fried-Gesamtschule Herne

SchülerInnen leiden unter
Stress und Überforderung
Würden Sie Ihre Tochter zu Veranstaltungen schicken, die psychische
Probleme verursachen? Würden Sie Ihren Sohn Bedingungen aussetzen,

                                                                                                                                                            Foto: suze / photocase.de
die Kopfschmerzen oder Konzentrationsprobleme auslösen? Nein?
Warum schicken Sie Ihr Kind dann in die Schule? Zugegeben – die Ver-
gleiche sind zugespitzt, aber im Wesentlichen treffen sie die Erfahrungen
vieler Heranwachsender. Die SchülerInnenvertretung der Erich-Fried-
Gesamtschule Herne hat die Klagen über Schulstress zum Anlass für eine
überregionale Online-Umfrage genommen. Jetzt liegen Ergebnisse vor.

    „Wie geht es dir in der Schule?“, steht seit     Schule körperliche beziehungsweise psychische       und zwar nahezu übereinstimmend bei allen
etwa einem Jahr über einem Link auf der Home-        Belastungen zu verbinden. Auch hier genauer:        Schulformen. In den Abschlussjahrgängen fal-
page der Schule, der zu einem Fragebogen mit         77 Prozent geben Müdigkeit und Erschöpfung          len die Bekundungen bei allen abgefragten
24 Unterpunkten führt. Mittlerweile haben            an, 68 Prozent Kopfschmerzen, über 52 Prozent       Aspekten um circa fünf Prozent extremer aus
landesweit über 1.000 Kinder und Jugendliche         Schlaflosigkeit und 35 Prozent Traurigkeit. Be-     – ein deutlicher Trend.
aus den Jahrgangsstufen 5 bis 13 an der Online-      sonders zynisch: Bei 57 Prozent der Jugendlichen       Die Angaben der Beratungsstellen und
Umfrage teilgenommen. Die meisten Rückmel-           verursacht Schule Konzentrationsprobleme.           Einrichtungen der Jugendarbeit passen sehr
dungen kamen aus dem mittleren Ruhrgebiet.              80 Prozent der Jugendlichen bekunden, dass       stimmig zu den Ergebnissen der SchülerInnen-
Das Mitmachen ist freiwillig, eine Auswahl der       lange Unterrichtszeiten und viele Klausuren stark   befragung. Viele Beratungsstellen geben an,
TeilnehmerInnen nach repräsentativen Kriterien       bis sehr stark zu diesen Belastungen beitragen.     dass die schulischen Belastungssymptome in
findet nicht statt. Dennoch ergeben die Daten        Über die Hälfte gibt an, dass auch ihre familiäre   den letzten zehn Jahren „häufiger und heftiger“
ein Bild, welches aufmerken lässt. Parallel zur      Situation durch die Schule belastet wird. Nur       geworden seien. 75 Prozent der Jugendein-
SchülerInnenbefragung wurden auch psycho-            ungefähr ein Drittel fühlt sich in der Schule       richtungen sehen die Breite der Angebote für
logische, psychiatrische und allgemeine medizi-      wohl oder ist glücklich. Diese positiven Gefühle    die Zukunft aufgrund der sich verändernden
nische Beratungsstellen sowie Institutionen der      werden fast überwiegend mit der Anwesenheit         Mitglieder- und Besucherzahlen sowie fehlender
Kinder- und Jugendarbeit, der Sportjugendarbeit      von FreundInnen (87 Prozent) oder der Teilnahme     ehrenamtlicher MitarbeiterInnen als stark bis
und der Musik- oder Kunstpädagogik befragt.          an Klassenfahrten (70 Prozent) oder Ausflügen       sehr stark gefährdet an.
Ausgewählte Ergebnisse:                              begründet. Immerhin nennt auch knapp ein            Schule löst keine Probleme –
Stress, Angst und wenig Freizeit                     Drittel in diesem Zusammenhang das gute             sie ist Teil des Problems
   Fast 60 Prozent der befragten SchülerInnen        Verhältnis zu LehrerInnen.                             Traut man den Angaben der SchülerInnen
geben an, sich von ihrer derzeitigen Schulsitu-         Ungefähr die Hälfte der befragten Jugend-        und nimmt sie ernst, dann stellt sich Schule in
ation stark oder sehr stark belastet zu fühlen,      lichen treibt keinen regelmäßigen Sport und         vielen Aspekten nicht als Teil von Lösungen im
hinzu kommen weitere fast 20 Prozent, die sich       besucht keine Jugendgruppen. 60 Prozent wür-        Leben junger Menschen dar, sondern als Teil
eher belastet als nicht belastet fühlen. Fragt man   den dies zwar gerne tun, haben aber keine Zeit      zahlreicher Probleme. Schule wird von ihren
an dieser Stelle detaillierter nach, verbinden       dafür. 86 Prozent geben an, für ehrenamtliche       KlientInnen deutlich als belastend wahrgenom-
die Heranwachsenden mit Schule Stress (81            Arbeit keine Zeit zu haben, obwohl 40 Prozent       men und das in einem Umfang, der mehr als
Prozent), Druck (75 Prozent) und Überforderung       davon sich gerne in diesem Bereich engagie-         besorgniserregend erscheint. Zahlreiche Untersu-
(54 Prozent). Ein Drittel gibt hier Angst an, fast   ren würden. Insgesamt sagen 65 Prozent der          chungen und Veröffentlichungen thematisieren
25 Prozent sogar Ausweglosigkeit. Positiv be-        Befragten, dass sie wegen der Schule eher zu        die alarmierenden Zahlen von Jugendlichen mit
setzte Assoziationen werden lediglich mit neun       wenig oder sogar viel zu wenig Zeit für Freizeit-   Schlaf- und Essstörungen, mit Drogenproblemen
Prozent (Glück), vier Prozent (Ausgelassenheit)      beschäftigungen haben.                              oder psychischen Belastungen. Die Befragung
und 3,5 Prozent (Entspannung) angegeben,                Die dargestellten Angaben dramatisieren          der Herner SchülerInnenvertretung zeigt, dass
einzig deutlich stärker positiv assoziiert werden    sich noch, betrachtet man ausschließlich die        viele Jugendliche Schule als eine Institution
FreundInnen mit 57 Prozent.                          Angaben aus den Abschlussklassen 10 bis 13.         wahrnehmen, die ihnen in diesen Bereichen
   Als Folgen dieser Belastungssituation geben       90 Prozent dieser Jugendlichen assoziieren mit      nicht nur unzureichend hilft, sondern diese
über 60 Prozent der Teilnehmenden an, mit            Schule Stress und 64 Prozent Überforderung –        Probleme mit verursacht.
nds 5-2016 13

   Für den Lebensbereich Schule geben die Be-        Paradoxe Zielsetzungen
fragten auch positive Rückmeldungen. Sie fühlen         Die Schulpolitik formuliert immer wieder             Ausgezeichnet
sich in Schule also auch wohl. Diese Aussagen        hochrangige Ziele, schafft aber gleichzeitig
beziehen sich aber fast ausschließlich auf indivi-   Strukturen, die das Erreichen dieser Vorgaben
duelle, personalisierte und zwischenmenschliche      unmöglich machen. Will Schule demokratisch
Zusammenhänge wie FreundInnen oder das               handelnde Menschen heranbilden, dann müs-
gute Verhältnis zu LehrerInnen. Systemische          sen Strukturen geschaffen werden, die diesen
Setzungen – etwa die Anzahl von Klausuren,           Menschen Teilhabe ermöglichen. Es reicht nicht
die Länge der Schultage, Menge und Inhalt            aus, zu betonen, wie wichtig ehrenamtliches
des Unterrichtsstoffs oder die Ausstattung von       Engagement ist oder wie bedeutsam die Mit-
Schule – leisten hier kaum einen Beitrag. So kann    gliedschaft in Sportvereinen, wenn gleichzeitig         Die Umfrage „Wie geht es dir in der Schule?“
die These lauten: Die aufgezeigten Probleme          ein großer Teil der Jugendlichen wegen der              der SchülerInnenvertretung der Erich-Fried-
ergeben sich durch systemische Setzungen, die                                                                Gesamtschule Herne wurde im März 2016 als
                                                     Schule gar keine Zeit mehr dafür hat. Einerseits        besonders förderungswürdig durch das Pro-
Lösungen werden aber in weiten Teilen perso-         werden große Summen in vorbildliche Projekte            gramm „Demokratisch Handeln“ ausgezeich-
nalisiert, also auf einzelne Personen abgewälzt.     wie „Jedem Kind ein Instrument“ investiert,             net. Im Rahmen der „Lernstatt Demokratie“ in
   Dass die wahrgenommenen Bedingungen               andererseits werden Bedingungen geschaffen,             Mönchengladbach hatten zwei Schülerinnen der
für die Umsetzung schulsystemischer Setzungen                                                                SchülerInnenvertretung die Gelegenheit, Schul-
                                                     die eine Weiterführung der gelegten Grundlagen          ministerin Sylvia Löhrmann einen Teil der Ergeb-
völlig unzureichend sind – etwa bei der Inklusion    torpedieren. Schulische Bedingungen tragen              nisse der Befragung vorzutragen. Die Umfrage
oder der Integration von SeiteneinsteigerInnen –,    dazu bei, dass Sportvereine, Kirchengemeinden           dauert an: www.tinyurl.com/EFG-Umfrage
ist längst kein Geheimnis mehr. Bei der im           oder Jugendverbände weniger Ehrenamtliche
Februar 2016 veröffentlichten forsa-Umfrage          finden. Hier wird oft Gutes gesagt, aber das
zur Zufriedenheit im Lehrerberuf lässt sich zum      Gegenteil getan. Offensichtlich braucht es nicht
Beispiel einerseits die hohe Arbeitsmotivation       nur wesentlich bessere personelle, räumliche und
von Lehrkräften nachlesen, während gleichzeitig      sächliche Bedingungen, es braucht in gleichem                 Erich-Fried-Gesamtschule: Ergebnisse der
die Schulpolitik fatal bewertet wird – in NRW mit                                                          PDF     Umfrage „Wie geht es dir in der Schule?“
                                                     Ausmaß auch deutlich andere Ausrichtungen,                    - Alle Jahrgangsstufen
der Schulnote 4,2. Lernende und Lehrende sitzen      orientiert an einem tatsächlich ganzheitlichen                  www.tinyurl.com/EFG-Gesamt
hier im selben Boot, denn in schwierigen Situa-      Bildungsverständnis. //                                       - Jahrgangsstufen 10 bis 13
tionen mit schlechten Gelingensbedingungen                                                                 PDF       www.tinyurl.com/Abschlussklassen
sind die Kinder oftmals ebenso überfordert wie                                                                     - Psychologische, psychiatrische und allge-
die LehrerInnen. Für SchülerInnen kann dies                        Carsten Piechnik                        PDF       meine medizinische Beratungsstellen
                                                                   Schülervertretungslehrer an der                   www.tinyurl.com/Psychologie-Beratung
zu Stress und Überforderung beitragen, denn
                                                                   Erich-Fried-Gesamtschule in Herne               - Institutionen der Kinder- und Jugend-
zu einem nicht unwesentlichen Teil sind sie
                                                                                                           PDF       arbeit, der Sportjugendarbeit und der
diejenigen, die personalisiert die systemischen                                                                      Musik- oder Kunstpädagogik
Mängel mit lösen (müssen).                                                                                           www.tinyurl.com/Vereine-Verbaende

                       Versichern und Bausparen                    Traditioneller Partner des öffentlichen Dienstes

                                                      NEU                                                                      Debeka-Landesgeschäftsstellen

                                                             Chancenorientierte                                                in Nordrhein-Westfalen
                                                                                                                               44135 Dortmund
                                                             Privatrente                                                       Telefon (02 31) 61 01 - 0
                                                                                                                               40210 Düsseldorf
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                                                                                                                               48136 Münster
                                                                        Lebensve
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                                                                                      in
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                                                                                               anders als andere
Foto: Helgi / photocase.de
14 BILDUNG

Urban Gardening

Demokratie wachsen lassen
„Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, ich würde heute noch
ein Apfelbäumchen pflanzen“, sagte Martin Luther. Aber warum warten bis die
Welt untergeht, wenn man doch gleich mit dem Pflanzen anfangen kann und
damit genau diesen Untergang verhindert? In Tunesiens Hauptstadt setzen
einige Kinder- und Jugendeinrichtungen auf Urban Gardening als Lernfeld für
Demokratie und zivilgesellschaftliche Tugenden – und pflegen engen Kontakt
nach Köln.

   Mit dabei sind auch ein Berufskolleg mit          zeugungen spielen keine Rolle. Funktionieren        den damit verbundenen Herausforderungen
Schwerpunkt Bautechnik (Ibn Sina) sowie Vertre-      kann das Ganze nur, wenn alle zusammenstehen        auch gewachsen sind.
terInnen der Stadtverwaltung und der Regierung.      und gemeinsam anpacken.                                Dafür ist das Medium Garten ideal: Auf viel-
Eine zehnköpfige Delegation aus Tunis besuchte           Im Großen taten das die vier tunesischen        fältige Weise können hier Selbstwirksamkeit und
im August 2015 für eine Woche ihre Partnerstadt      PreisträgerInnen des Friedensnobelpreises           Verbundenheit erlebt werden. Die Abstimmung,
Köln, um sich zu den Themen Urban Gardening,         2015 und machten damit den Anfang. Nun              welche Pflanzen gesetzt werden, trainiert Kon-
Schulgarten und Essbare Stadt zu informieren.        sind alle BürgerInnen Tunesiens gefordert, die      sensfähigkeit. Mit jeder Tomate wird auch immer
Herzstück des Fachkräfteaustauschs war ein           große Vision in kleinen Schritten in ihrem All-     etwas Hoffnung gesät. Ihre Reifezeit lehrt, dass
dreitägiger Workshop mit den MacherInnen             tagsleben umzusetzen. Hier zeigt sich schnell,      Veränderungen nicht mit einem kurzen Klick
der Gartenwerkstadt Ehrenfeld, einem Urban           dass es mit der Freiheit nicht immer so einfach     oder einer einmaligen Anstrengung zu haben
Gardening Projekt in Köln-Ehrenfeld. Hier be-        ist, denn sie hat zwei Seiten: Die Freiheit von     sind, dass sie aber – wenn man dranbleibt – sehr
kamen sie konkretes Fachwissen an die Hand –         Unterdrückung und Machtmissbrauch und die           wohl Früchte tragen können. Mit einem Fest,
von Bodenkunde über Kompost und Wasser-              Freiheit für die Entscheidung, an welcher Stelle    bei dem die Ernte gemeinsam zubereitet und
speicherung bis zur Samenernte.                      ich meine bürgerliche Verantwortung für das         gegessen wird, können Erfolge gefeiert und
   Mindestens ebenso wichtig wie das Fach-           Gemeinwohl einbringe. Es handelt sich dabei         Verbundenheit geschaffen werden. SchülerInnen
wissen ist aber das logistische Management           um einen Lernprozess der gesamten Gesell-           mit wenig Aussicht auf Ausbildung und junge
im Hintergrund, damit die freiwillig Aktiven         schaft. Noch fehlt es an konkreten Vorbildern       Erwachsene ohne Arbeit können im Umgang
sinnvoll tätig werden können. In diesem Zusam-       und Orientierungshilfen, wie Demokratie im          mit Pflanzen Erfolgserlebnisse verbuchen, die
menhang betonte der Geologe und Vorsitzende          Alltagsleben praktiziert werden kann. Eltern,       ihr Selbstbewusstsein wieder aufrichten.
der Gartenwerkstadt Ehrenfeld Dr. Volker Emert,      LehrerInnen und BildungspolitikerInnen sind
                                                                                                         Berührungsängste abbauen
wie enorm wichtig die Konsensfindung sei. Aus        hier deshalb besonders gefordert.
diesem Grund waren die Psychologin Kaouther                                                                 In jedem Fall bietet Urban Gardening eine
                                                     Selbstwirksamkeit erfahren                          Horizonterweiterung. Nicht nur was gärtne-
Eltaief von Ibn Sina und ihre MitstreiterInnen aus
den Jugendzentren von Tunis so begeistert vom           Die Demokratie als Staatsform ist in Tune-       risches Fachwissen angeht, sondern auch in
Urban Gardening: „Dieses Projekt greift starke       sien ja selbst gerade erst in der Pubertät: Sie     Bezug auf Menschen, mit denen man ansonsten
soziale Komponenten wie Gruppendynamik und           weiß genau, was schiefläuft und löst sich von       wenige oder gar keine Berührungspunkte teilt. So
Community Building auf.“                             den autoritären Strukturen. Aber tatsächlich        wie im Projekt von Kaouther Eltaief. Sie leitet das
                                                     Verantwortung zu übernehmen, die Einsicht zu        Gartenprojekt am Berufskolleg Ibn Sina in Tunis.
Gärtnern im Geist                                    gewinnen, dass dies notwendig ist, und dann         Gemeinsam mit den StudentInnen entstand das
der Französischen Revolution                         die Bereitschaft und Fähigkeit zur Umsetzung        Motto: „Deine Stadt – Deine Verantwortung“.
   Die Parole der Französischen Revolution, die      zu entwickeln – das sind Prozesse, die Zeit brau-   Ein Flyer erläuterte die konkrete Projektidee. Mit
der Impulsgeber für die erste Demokratie der         chen. Und wie beim Umgang mit pubertären            ihm zogen die jungen Leute in Zweierteams von
Neuzeit war, beschreibt den Kern des Urban           Jugendlichen ist auch hier das Wichtigste: im       Haus zu Haus und warben um Teilnahme der
Gardening treffend. Denn auch hier geht es um        Gespräch bleiben. Angebote entwickeln, die Lust     AnwohnerInnen. Über den Erfolg ihrer Aktion
die Freiheit, sich jeden Tag neu entscheiden zu      machen auf das Abenteuer Leben. Strategien          waren sie am Ende selbst überrascht. „Eigentlich
können, ob man mitmachen möchte oder nicht.          ausarbeiten, die auch in dieser schwierigen         habe ich nicht wirklich daran geglaubt, dass
Auch Gleichheit gehört systemimmanent dazu:          Phase Erfolgserlebnisse generieren und so die       wir es schaffen, die Nachbarschaft zu mobili-
Alter, Gesellschaftsschicht oder religiöse Über-     Zuversicht fördern, dass die jungen Menschen        sieren. Und das noch an einem Wochenende!“,
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