Unentgeltlich und in Uniform Eine Erfolgsgeschichte mit Hindernissen
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Zeitschrift der Bundespolizei 01|2019 46. Jahrgang ISSN 2190-6718 Unentgeltlich und in Uniform Eine Erfolgsgeschichte mit Hindernissen Mein erster Einsatz – und gleich ins Haus der Mafia Verwaltungsbeamtin begleitet Spezialkräfte 20 Ein Welpe wird Polizeihund Der Diensthund – nicht irgendein Einsatzmittel 28 World Martial Arts Championship 2018 Weltmeisterschaft im Kickboxen 40
Inhalt Inhalt 30 40 06 32 44 16 28 34 Inhalt 01|2019 Editorial 18 Gedenken 28 Ein Welpe wird Polizeihund Sport & Gesundheit an verstorbene Kolleginnen und Der Diensthund – nicht irgendein Kollegen 2018 Einsatzmittel 40 World Martial Arts Titelthema Championship 2018 30 Influencer und Nachwuchswerber Weltmeisterschaft im Kickboxen 06 Unentgeltlich und in Uniform Redakteur in Gefahr im Nebenamt Eine Erfolgsgeschichte mit Hindernissen Ein neues Gesicht in der Bundes- 42 Fit im Einsatz 20 Mein erster Einsatz – und gleich bereitschaftspolizei 14 Kolumne ins Haus der Mafia Siegfried Verwaltungsbeamtin begleitet Spezial- 32 Unsere Kollegen Zu guter Letzt kräfte im Ermittlungsverfahren Pollino 44 Wie man mit 81,51 Euro mehr als In- & Ausland Portrait eine Million Menschen berührt Personal & Haushalt „Heilige Nacht(schicht)“ wird erfolg- 15 Mit Uniform in Bus und Straßenbahn 34 Katrin Meinke reichster Kurzfilm der Bundespolizei Die unentgeltliche Beförderung im 24 Personalentwicklungskonzept Sportfoto des Jahres 2001 Nahverkehr der Bundespolizei Ein Erfahrungsbericht Leserbrief und 16 Unterstützung kann so einfach sein! Recht & Wissen Korrektur zur Ausgabe 06|2018 Botschaftsdienst einmal anders 27 5 Fragen an Thomas Fiedler 38 Wer im Recht nicht sattelfest ist ... Inspektionsleiter Bundespräsidialamt Bahnfahren in Uniform Impressum 02 Bundespolizei kompakt 01|2019 Bundespolizei kompakt 01|2019 03
Editorial Editorial Liebe Leserinnen und Leser, während ich diese Zeilen noch im alten Jahr schreibe, Statt dem „Arbeitstag in Bildern“ zu folgen, werden Sie werden Sie sie erst im neuen Jahr 2019 lesen. Manch künftig über „Unsere Kollegen“ lesen (Seite 32). Und guter Vorsatz ist dann vielleicht schon wieder Geschich- dann wollen wir uns im Genre Satire ausprobieren. Der te. So ähnlich verhält es sich auch mit unserer Zeit- erste Versuch ist schon mal ordentlich nach hinten los- schrift. Ideen werden geboren und manchmal wieder gegangen und der Beitrag musste in letzter Minute wie- verworfen. Bewährtes behalten wir bei, ergänzen, strei- der aus dem Blatt genommen werden. Es ist eben ein chen und verändern ein bisschen. Anderes machen wir dünner Grat, auf dem der Redakteur wandelt. Zwischen von Grund auf neu. berechtigter Kritik an einem Missstand und tatsächlicher und gefühlter Verantwortlichkeit ist das Eis manchmal Eines gilt jedoch auch im neuen Jahr: Wir wollen Sie sehr dünn. Da braucht es noch ein bisschen Übung. kurzweilig unterhalten, Ihnen aufregende Geschichten erzählen und Wissenswertes vermitteln – verpackt in Das mögen Sie uns nachsehen, besteht doch das Re- ein ansprechendes Layout. Zum Beispiel gestalten daktionsteam nicht aus gelernten Journalisten, sondern wir ab dieser Ausgabe unseren hinteren Umschlag aus Kollegen, die Spaß am Schreiben und Recherchie- neu. Sie finden dort nun Ihre Fotos aus dem Alltag der ren haben. Sie alle geben stets ihr Bestes und engagie- Bundespolizei. ren sich mit Herzblut für jede Ausgabe der kompakt . So auch unsere beiden Neuzugänge: Judith Haase und In einer neuen Rubrik „Redakteur in Gefahr“ nehmen Marcus Büchner. Und von Ronny von Bresinski lesen wir Sie mit auf spannende Einsätze oder zu einem Sie in dieser Ausgabe über die Entstehung des Sport- für den Redakteur ungewohnten Arbeitsplatz. In der fotos 2001 (Seite 34). ersten Reportage haben wir uns vom Schreibtisch in Potsdam auf den Weg zur Beweissicherungs- Viel Vergnügen sowie ein gesundes und erfolgreiches und Festnahmehundertschaft nach Sankt Augustin neues Jahr! gemacht und Bundespolizisten in einer europaweit koordinierten Aktion gegen die italienische Mafia- Ihre Helvi Abs Organisation ’Ndrangheta begleitet. Das war alles Redaktion Bundespolizei kompakt andere als ein alltägliches Erlebnis (Seite 20). 04 Bundespolizei kompakt 01|2019 Bundespolizei kompakt 01|2019 05
Titelthema Titelthema Unentgeltlich und in Uniform Eine Erfolgsgeschichte mit Hindernissen Ein Großteil der Bundespolizisten ist in Dienststellen in deutschen Großstädten eingesetzt. Bezahlbarer Wohn- raum ist hier oft Fehlanzeige. Viele Kollegen folgten daher dem allgemeinen Trend und zogen ins Umland. Auch die Entwicklungen der letzten Jahre – Reformen, Personalent- wicklungskonzept, Abordnungen, Versetzungen – brachten es mit sich, dass nur noch bei sehr wenigen Kollegen der Wohn- und Dienstort die gleiche Postleitzahl haben. Im Gegenteil. Entfernungen von weit mehr als 50 Kilometern zwischen den beiden Orten sind nicht selten. Tag für Tag verbringen unsere Kollegen daher Minuten, ja gar Stunden im Pkw, im Bus oder auf dem Rad. Die meisten wohl aber in der Bahn. Unentgeltlich und in Uniform, wie es im Erlass des Bundes- innenministeriums aus dem Jahre 1997 heißt. Die mittler- weile so selbstverständlich gewordene Möglichkeit der kostenlosen Fahrt mit der Bahn gibt es nämlich noch nicht immer. Vor dem 1. Oktober 1997 war sie ausschließlich Beamten der Bahnpolizei vorenthalten. Diese erhielten dienstlich die sogenannten Fahrkarten C. Damit konnten sie, auch in zivil, vom Wohnort zum Dienst fahren. In geringem Umfang waren sogar private Fahrten möglich. Kollegen aus anderen Bereichen des damaligen Bundes- grenzschutzes kamen seinerzeit nicht in den Genuss und mussten für die Fahrten vom und zum Dienst den vollen Fahrpreis bezahlen. Ein nicht zu verachtender Posten. Im September 1997 schloss das BMI mit der Deutschen Bahn AG die bis heute gültige Vereinbarung. Diese war zunächst nur für zwei Jahre gültig. Ziel war es, die sicht- bare Präsenz von Polizisten in den Zügen und Bahnhöfen zu steigern. Daher galt und gilt die Vereinbarung nur für ausgebildete Polizeivollzugsbeamte in Dienstkleidung. Das Mitführen der Dienstpistole – heute hoffentlich selbst- verständlich – war freigestellt, eine Mitfahrt nur in der 2. Klasse gestattet und einen Anspruch auf einen Sitzplatz gab es und gibt es nicht. Das Auftreten und das Erschei- nungsbild hatten den Erwartungen des Dienstherrn und des Bürgers an einen Polizeivollzugsbeamten zu ent- sprechen. Das ist auch noch heute so. Die Vereinbarung wurde zwischenzeitlich ergänzt und erweitert. Es gibt Verhaltensregeln und Handlungshilfen für das polizeiliche Einschreiten. Wie wichtig diese sein können, schildern unsere Kollegen auf den folgenden Seiten. 06 Bundespolizei kompakt 01|2019 Bundespolizei kompakt 01|2019 07
Titelthema Titelthema Feuer im Intercity Evakuierung auf der Schnellfahrstrecke Wer wie ich zwischen Sankt Augustin und len. Als ich aus dem Fenster sehe, erkenne „Gehen Sie so schnell wie möglich und ohne Thomas Schmitt, Frankfurt am Main pendelt, ist auf schnelle ich in der Dunkelheit eine helle Reflexion an Gepäck so weit wie möglich im Zug nach vorne! Angehöriger der Zugverbindungen angewiesen. Fast täglich der seitlichen Böschung, welche nur vom Zug Bewahren Sie Ruhe!“, fordere ich die Reisen- Mobilen Kontroll- und bin ich daher im Intercity-Express (ICE) auf ausgehen kann – der ICE hat bei voller Fahrt den auf. Diese reagieren besonnen sowie äu- Nachdem die Evakuierung des hinteren Zugteils Überwachungseinheit der Schnellfahrtstrecke von Siegburg/Bonn Feuer gefangen! ßerst diszipliniert und können aus den hinteren bereits abgeschlossen ist, treffen die ersten Auf diesem Bild ist Frankfurt am Main nach Frankfurt am Main unterwegs. So auch drei Wagen zügig in den vorderen Bereich Kräfte der Feuerwehr ein. Mir fällt ein riesiger der Brandherd im am 12. Oktober 2018. „Wir müssen diesen Zug stoppen und die Leute evakuiert werden. Stein vom Herzen, als ich dem Einsatzleiter der vorletzten Waggon hier rausbekommen“, ist mein erster Gedanke. Feuerwehr melden kann: „Alle Personen aus gut zu erkennen. Vom Waggon des ICE Pünktlich um 6:09 Uhr steige ich wie gewohnt Ich renne nach vorn. Dort habe ich beim Einstei- Um die Evakuierung aus dem Zug zu koordi- dem hinteren Zugteil evakuiert – keine Toten bleibt nur noch ein in den letzten Wagen des hinteren Zugteils ein. gen die Zugchefin gesehen und nehme Kontakt nieren, bewege ich mich rasch in Richtung des oder Verletzten.“ Gerippe übrig. Das Nach etwa 15-minütiger Fahrt zerreißt ein mark- zu ihr auf, um Maßnahmen abzusprechen. Ich Zugkopfes. In jedem Wagen frage ich dabei Zeitweise wurde die Ausmaß der Zerstörung erschütternder Knall die morgendliche Stille im schildere ihr meine Beobachtungen und weise laut, ob sich Mitarbeiter von Feuerwehr oder Dass dieses Unglück letztlich so glimpflich aus- Autobahn 3 komplett und die enorme Hitze- Zug. Eine Explosion? Der ICE geht merklich sie an, einen sofortigen Nothalt einzuleiten, Rettungsdiensten an Bord befinden. Tatsächlich gegangen ist, war dem Zusammentreffen vieler gesperrt. Die Einsatz- entwicklung werden kräfte der Feuerwehr „in die Knie“, wird in seine Federung gedrückt. eine Streckensperrung zu veranlassen und die geben sich ein Feuerwehrmann und eine Kran- glücklicher Umstände geschuldet. Wenn ich hier deutlich. konnten den Einsatz- Auf diesem Streckenabschnitt fährt er normaler- Oberleitung vom Strom zu nehmen. kenschwester zu erkennen, die mich in der Fol- mir im Nachgang die Bilder des völlig ausge- ort dadurch gut weise mit einer Geschwindigkeit von 250 bis ge maßgeblich und professionell unterstützen. brannten Wagens anschaue, bin ich unendlich erreichen. 300 km/h und mir ist sofort klar, dass hier Während wir gemeinsam zurück in den letzten froh, dass hier niemand ernsthaft zu Schaden etwas nicht stimmen kann. Wagen rennen, um mit der Evakuierung der Alle Personen evakuiert gekommen ist. Fahrgäste zu beginnen, informiere ich bereits Der ICE hat inzwischen in einem speziell für Wir müssen die Leute hier rausbekommen die Einsatzleitstelle meiner Dienststelle und bitte solche Fälle vorgesehenen Streckenabschnitt Thomas Schmitt Ich schaue mich in meinem Abteil um, kann darum, schnellstmöglich Rettungskräfte und angehalten und wir beginnen gemeinsam, die aber zunächst keine Beschädigungen feststel- Feuerwehr zu alarmieren. Reisenden zu evakuieren. 08 Bundespolizei kompakt 01|2019 Bundespolizei kompakt 01|2019 09
Titelthema Titelthema „Ich wollte nur eine Haltestelle fahren.“ Wenn Worte nicht mehr weiterhelfen Nach dem Ende seiner Spätschicht wollte der Bundespolizist Manuel Lesch die S-Bahn nach Hause nehmen. Auf dem Weg zum Bahnsteig wurde er jedoch in eine Auseinandersetzung mit drei stark alkoholisierten Personen verwickelt. Nur mit Mühe und seinem Schlagstock konnte er die Angreifer auf Abstand halten und Hilfe holen. Den 2. März 2017 vergisst Manuel Lesch nicht so schnell. und wollte sich auf ihn stürzen. Im letzten Moment konnte Der 41-Jährige war für fünf Wochen vom Bundes- Manuel Lesch ihn mit seinen ausgestreckten Armen abweh- verfassungsgericht in Karlsruhe zum Flughafen Stuttgart ren. Als nun eine weitere Person auf ihn zurannte, suchte er abgeordnet. Er unterstützte die dortige Bundespolizei- an seinem Gürtel nach Hilfe. „Mit der rechten Hand musste inspektion als Kontroll- und Streifenbeamter bei Aufgaben ich den Mann auf Abstand halten und mit der linken meinen der Luftsicherheit und Grenzpolizei. Bis zu diesem Tag Schlagstock ziehen“, erzählt Lesch. „Mit diesem musste ich fuhr er die kurze Strecke von seiner Wohnung in Filder- dann auch die Hand eines Angreifers abwehren.“ Jemand stadt zum Flughafen immer mit dem Auto. Da das am anderes aus der Gruppe fing an, das Geschehen zu filmen. besagten Freitag aber in der Werkstatt war, beschloss Manuel Lesch, nach der Spätschicht ausnahmsweise die Rückzug über die Rolltreppe S-Bahn zu nehmen. „Ich wollte nur eine Haltestelle fahren. Manuel Lesch beschloss, sich rückwärts vom fast men- Das hätte fünf Minuten gedauert“, erzählt er derkompakt . schenleeren Bahnsteig zurückzuziehen. Verfolgt von mittlerweile drei Männern hastete er die Treppen hinauf in Die Situation eskaliert ein Terminal des Flughafens. „Ich musste schnell hoch“, Auf der Treppe zum unterirdischen Haltepunkt des Stutt- erinnert er sich. „Ich wusste ja nicht, ob sie mir weiter garter Flughafens wurde er von einer Gruppe Männer an- folgen oder von mir ablassen würden.“ Noch außer Atem gesprochen. Diese kamen gerade von einer Veranstaltung trommelte er gegen die Scheibe des nahen Reviers und der nahe gelegenen Messe und waren betrunken. Einer bat die Kollegen um die dringend benötigte Hilfe. Symbolfoto von ihnen lag bereits auf dem Boden, während die anderen versuchten, ihm hochzuhelfen. Sie sprachen Manuel Lesch Wenige Minuten später waren seine Angreifer von mehre- Personenunfall an, aber dieser entschied, dass drei Männer genug seien, ren Streifen gestellt. Manuel Lesch überstand die Situation um einen Einzelnen aufzuheben. „Zu diesem Zeitpunkt ohne Verletzungen und konnte die nächste Bahn nach habe ich die Gruppe noch gegrüßt und mir natürlich über- Filderstadt nehmen. Die Situation ihres Freundes war den haupt keine Gedanken gemacht“, erinnert er sich später. drei Männern übrigens weniger wichtig. Sie ließen ihn Mit dieser Entscheidung schien die Gruppe nicht einver- einfach auf dem Boden liegen. Einsatz im Gleis statt Heimfahrt standen zu sein. Einer der Männer rannte ihm hinterher Benjamin Fritsche 2. Oktober 2015, unser Kollege den Zug. Christian geht sofort zum baren sind. Erste Hilfe ist nicht mehr Christian Voß sitzt in der Bahn von Lokführer des Unfallzuges. Der steht möglich. Sie ist tot. Er hält kurz inne. Hamburg nach Tornesch. Er hatte sichtlich unter Schock, er zittert. „Ich Manuel Lesch bei Frühdienst und will nach Hause. habe eine Frau überfahren. Sie hatte Dann geht er zurück zum Lokführer. seiner Arbeit am Der 39-Jährige trägt seine Uniform. sich am rechten Rand versteckt und Der ist noch immer im Schockzu- Bundesverfassungs- war plötzlich auf die Gleise gelaufen. stand. Christian versucht, ihn zu gericht in Karlsruhe Kurz hinter dem Bahnhof Prisdorf Ich war bei 120 km/h, habe noch beruhigen. Es misslingt. Eine Streife (Schleswig-Holstein) bremst der Zug gebremst, aber ich konnte nicht mehr der Polizei Schleswig-Holstein trifft sehr stark und kommt zum Halten. halten“, sagt er, dann schweigt er. ein. Kurz darauf Feuerwehr und Ret- Christian sitzt im ersten Wagen. Er Christian will nicht weiter fragen. Er tungskräfte. Christian weist sie in die sucht Blickkontakt zum Triebfahrzeug- geht den Zug ab, auf der Suche nach Lage ein. Danach geht er wieder in führer. „Der Gegenzug hat gerade der Frau. Vielleicht lebt sie ja noch. seinen Zug und setzt sich auf seinen eine Person erfasst. Es geht erstmal Hoffentlich ... Platz. Die Reisenden starren ihn an. nicht weiter“, lautet seine knappe Nach einer Stunde geht es weiter, Aussage. Christian sieht den Zug in Etwa 100 Meter hinter dem Zug sieht er nach Hause. 100 Metern Entfernung stehen. Er plötzlich die Überreste eines mensch- verständigt die Leitstelle. Niemand lichen Körpers am Bahndamm liegen. Ronny von Bresinski kann ihm sagen, ob die Person ge- Er nähert sich. Es ist die Frau. Schnell tötet wurde. Er versichert sich, dass erkennt er, dass die Verletzungen der die Gleise gesperrt sind und verlässt Frau mit dem Leben nicht zu verein- 10 Bundespolizei kompakt 01|2019 Bundespolizei kompakt 01|2019 11
Titelthema Titelthema Symbolfoto Gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen Wie aus einer Bahnfahrt ein ungewöhnlicher Einsatz wurde „Die Bullen sitzen nebenan und checken ned, dass ich Gras dabei hab, haha!“ Mit diesem Satz eines jungen Mannes im Nachbarabteil ihres Zuges sollte für die Polizeimeisterin Bianca etwa drei Monate nach Lauf- bahnabschluss der erste richtige Fall ihres jungen Polizistinnen-Lebens beginnen – und ihr großes Lob der damaligen Dienstgruppenleitung einbringen. Dabei war sie nicht mal im Dienst. Die heute 22-Jährige war gerade auf dem Weg von ihrem Heimatort zu ihrer früheren Dienststelle am Münchner Flughafen. Sie hatte die Möglichkeit der kostenlosen Beförderung der Bahn in Uniform genutzt – komplett „aufgerödelt“ mit allen Führungs- und Einsatzmitteln. „Das versteht sich von selbst“, lässt mich Bianca wissen. Ich treffe Bianca in der Bundespolizeiinspektion (BPOLI) Kempten. Hier ist sie seit April 2018 Kontroll- und Strei- Pfeffersprayangriff fenbeamtin. Zuvor war sie gleich nach der Ausbildung für ein Jahr zum Münchner Flughafen abgeordnet gewesen. „Zwischen den Schichtblöcken bin ich damals in Uniform mit dem Zug zwischen meinem Heimatort Feuchtwangen Eine Fahrt mit Nachwirkungen und München gependelt“, erzählt Bianca schon mit einem Lächeln auf den Lippen. Später sollte ich verstehen warum. Bianca hat gleich nach Abschluss ihrer Ausbildung eine wirklich kuriose Geschichte im ICE erlebt. Januar 2013. Der Bundespolizist Kai der Schwarzfahrer die Flucht. Kai Kai spült seine Augen aus und fährt Dummdreiste Gespräche über Drogen und die Sie und der bayerische Kollege sollten beim Beschuldig- Peters (Name geändert) fährt nach reagiert sofort und kann ihn festhal- nach Hause. Doch die Ereignisse ahnungslose Polizei nebenan ten sowie auch später die telefonisch alarmierten Kollegen dem Nachtdienst mit der Regional- ten. Aber nur kurz. Plötzlich verspürt lassen ihn nicht mehr los. Er fährt An einem Abend im Sommer 2017 war Bianca wieder der BPOLI am Münchner Hauptbahnhof in dessen Gepäck bahn von Hamburg nach Hause. er starke Schmerzen und kann kaum weiter mit der Bahn nach Hamburg einmal im ICE auf dem Weg zum fernen Dienstort. In noch einige Päckchen „Gras“ und entsprechendes Zube- Eine fast zweistündige Reise liegt vor noch atmen. Der Mann hat ihm aus zum Dienst. Aber es ist nicht mehr Nürnberg gesellte sich ein Kollege der bayerischen Polizei hör finden. ihm. Er ist kurz vorm Ziel, als sich kurzer Distanz mit einem Pfefferspray so wie früher. Er reagiert auf jedes zu ihr ins Abteil, man unterhielt sich nett. „Die Tür des der Zugbegleiter bei ihm meldet. Ein direkt ins Gesicht gesprüht. Kai wird Geräusch, beobachtet jeden Fahr- Abteils war offen. Kurz vor München hörten wir aus dem Den Rest der Fahrt standen der Kollege und sie auf dem Fahrgast macht Probleme. Er habe schwindelig, er kann nichts mehr gast, ist immer in Alarmbereitschaft. Nachbarabteil Gespräche zwischen zwei Männern über Gang, während die beiden Männer sich im Abteil befan- keine Fahrkarte und sei sehr unhöf- sehen und muss sich hinknien. Kai kann nachts nicht mehr schlafen. Joints und Drogen. Dann lief ein Typ am Gang vorbei. Der den. „Bei der Ankunft in München haben die zwei auf lich. Darüber hinaus spreche er nur führte offenbar ein Facetime-Gespräch und filmte uns mit einmal mit ihren Koffern nach uns geschmissen. Getrof- russisch. Kai geht zusammen mit dem Nach einer gefühlten Ewigkeit kann Irgendwann geht es nicht mehr. Er dem Handy“, schildert mir die 22-Jährige den Beginn des fen haben sie nur die Tür, weil ich die vor lauter Schreck Zugbegleiter durch den Zug. Im Tür- er die Augen wieder leicht öffnen und sucht einen Arzt auf. Der nimmt ihn Erlebnisses. „Als der Typ wieder im Abteil war, hab ich einfach zugezogen habe“, erzählt sie grinsend. Mit einem bereich eines Wagens treffen sie den sieht zwei Männer auf dem Bahnsteig sofort aus dem Dienst. Verdacht auf gehört, wie er sagte, dass er Marihuana dabeihabe und Lachen entfährt ihr dann noch: „Die waren einfach irgend- Mann. Kai spricht ihn auf Englisch an. liegen. Es handelt sich um den Zug- posttraumatische Belastungsstörung wir – die Polizei – nebenan nichts mitbekommen würden“, wie komplett dämlich, sorry!“ Er will seinen Ausweis nicht zeigen. begleiter und den Schwarzfahrer. Kai lautet die erste Diagnose. Er wird fährt sie fort und fügt an, dass der Betreffende auch noch „I don’t have ID“, „yes“ und „no“ sind ruft laut. Er will andere Fahrgäste auf behandelt und fällt fast ein Jahr lang über die Situation gelacht hatte. Schließlich bat sie den Viel Lob für die Kollegen vom Münchner Hauptbahn- die einzigen Worte, die Kai hört. Er die Situation aufmerksam machen. Es aus. Langsam findet er den Weg Kollegen, mit ihr die beiden Männer im Nachbarabteil zu hof und die eigene Dienstgruppenleitung spricht mit starkem deutschen Akzent, gelingt. Einem Fahrgast gibt er seine zurück. Im Dezember 2015 ist er kontrollieren. Zum Schluss hat Bianca noch viel Lob für die Kollegen der unterbricht ihn immer wieder. Offen- Handschellen. Gemeinsam mit dem wieder voll dienstfähig. Der Angriff BPOLI München und auch für ihre damalige Dienstgrup- sichtlich ist er kein Russe, sondern Zugbegleiter können sie den Mann wird nach langer Prüfung als qualifi- „Die waren irgendwie komplett dämlich, sorry!“ penleitung übrig. Ich merke, dass es ihr sehr wichtig ist. Deutscher. Beim nächsten Halt soll fesseln. Kai versucht, den Polizeinotruf zierter Dienstunfall anerkannt. 2017 Was nun folgte, erzählt sie sichtlich amüsiert. „Als wir ins „Bei unserer Ankunft waren schon mehrere Kollegen am der Schwarzfahrer den Zug verlassen. zu wählen, doch die Augen brennen zu wird er versetzt, in die Heimat. Lange Abteil der beiden Männer schauten, sah ich schon den Bahnsteig, die waren total lieb, haben mir bei allem gehol- Doch es kommt anders. stark. Er kann nichts sehen. Ein weite- Bahnfahrten scheut er noch heute. ersten Joint auf dem Tisch liegen.“ Auch unverkennbarer fen. Das war echt cool“, lässt sie mich mit einem Leuchten rer Fahrgast hilft und wählt den Notruf. Cannabisduft habe in der Luft gelegen. Sie belehrte die in den Augen wissen. Auch dass sich ihre Dienstgruppen- Die Regionalbahn muss außerplan- Ronny von Bresinski beiden sofort, danach habe der Kollege mit der Durch- leitung super um sie gekümmert und sie so sehr gelobt mäßig an einem anderen Bahnhof Kurz darauf trifft eine Streife der suchung begonnen. „Dabei hat der Beschuldigte sofort hat, hat bis heute Eindruck hinterlassen. halten. Der Zugbegleiter öffnet die Landespolizei ein. Die Kollegen über- zugegeben, dass er noch mehr Marihuana in seinen Türen. Als sie offen sind, ergreift nehmen den Sachverhalt. Koffern hat“, erinnert sich die junge Bundespolizistin. Bianca Mazurowska/Christian Köglmeier 12 Bundespolizei kompakt 01|2019 Bundespolizei kompakt 01|2019 13
Titelthema In- & Ausland Mit Uniform in Bus und Straßenbahn Kolumne Die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr Nach Bus und Bahn Siegfried Auch in Bussen, Straßen- und U-Bahnen erhöht die Präsenz von Polizisten die Sicherheit. In den Einsatzmitteln gibt es nicht. Dennoch sollte dem Thema Eigensicherung auch hier ein besonderes Augenmerk – jetzt auch noch Boot? Vereinzelt ist auch auf dem Wasser die meisten Nahverkehrsmitteln ist zukommen. kostenfreie Mitfahrt in Uniform möglich. daher eine kostenlose Mitfahrt in Ein gutes Beispiel ist die direkte Verbindung Vor einigen Jahren nahm ich eine Ich war alleine im Zug. Kein Kollege es sein, Siegfried. Als Jugendlicher Uniform möglich. Unterschiede Oft sind Nahverkehrsmittel deutlich zwischen den beiden Bodenseestädten Stelle in Bremen an. 120 Kilometer an meiner Seite, der mich im Ernstfall hatte ich die Nibelungensage ge- zum Bahnfahren gibt es nicht. In ausgelasteter als Züge im Fernver- Konstanz und Friedrichshafen. Auch hier entfernt von meinem Wohnort. Meine unterstützen konnte. Keine zweite lesen. Dort gab es einen Helden, jedem Fall sollte vor einer Fahrt kehr. Nicht selten steht man dicht werden während der jeweils etwa ein- Frau hatte ihre Zustimmung seiner- Streife als Verstärkung. Niemand, der den besagten Siegfried. Er hatte aber ein Blick in die Beförderungs- gedrängt mit anderen Reisenden, stündigen Überfahrt die Vorteile der zeit von zwei Bedingungen abhängig mit anpackt, Hilfe holt. Ich war allein einen Drachen getötet und dann in bedingungen der Verkehrsunter- welche Pistole und Schlagstock des Polizeipräsenz genutzt. gemacht. Erstens wir ziehen nicht und musste die Lage mit meinen dessen Blut gebadet. Das machte nehmen geworfen werden. Beamten in Griffweite haben. Im schon wieder um und zweitens du Führungs- und Einsatzmitteln lösen. ihn unbesiegbar. Jetzt verstand ich Einzelfall können die Einsatzmittel kommst jeden Tag nach Hause. Da es Es war nicht immer einfach, hat aber erst, warum der Kollege keine Waffen In den Jahren 2009 und 2010 wegen Platzmangel vielleicht auch gar in Eilzu- für den Hausfrieden besser war, fuhr meistens funktioniert. tragen musste. beschäftigten sich die Verkehrs- und nicht eingesetzt werden. Dann muss ständigkeit ich also fortan tagtäglich mehr als drei Innenministerkonferenzen mit der man sich allein auf seine körperlichen tun. Das bedeutet, Stunden mit der Bahn nach Bremen Vor einigen Wochen fuhr ich nach Wahnsinn, dass ich den mal treffe. Sicherheit im öffentlichen Personen- Fähigkeiten verlassen können. Wer dass lediglich unaufschiebbare und zurück, immer in Uniform. Mit langer Zeit wieder mit der Bahn. Ganz Voller Ehrfurcht stand ich auf und nahverkehr. Dabei wurden auch die nun noch viel Reisegepäck dabei hat, Maßnahmen getroffen werden dürfen. dem Auto hätte es noch länger ge- privat und in zivil. Mit mir im Wagen wollte ihn nach einem Selfie fragen. bis dahin gesammelten Erfahrungen kann schnell den Überblick verlieren. Verwarngelder für Ordnungswidrig- dauert und wäre auch richtig ins Geld saß ein Kollege. Sofort beim Betreten Doch die Sprechanlage machte mir mit der kostenfreien Nutzung durch keiten können somit nicht ausgestellt gegangen. Ohne die Möglichkeit der des Wagens war mir das schimmern- wieder einen Strich durch die Rech- uniformierte Polizisten thematisiert. Im Gegensatz zum Streckennetz der werden. In jedem Fall sollte über die kostenfreien Bahnfahrt hätte ich die de Mützenband seiner Dienstmütze nung: „Falls ein Polizist im Zug ist, Aufgrund der erkannten Vorteile Deutschen Bahn befinden sich Busse örtliche Bundespolizeidienststelle der Stelle wohl auch nicht angenommen. aufgefallen. Er hatte sie in die Ge- dann bitte in Wagen drei kommen.“, beschloss man, auf eine bundesweite und Straßenbahnen grundsätzlich Kontakt zur Polizei vor Ort gesucht päckablage gelegt. Ich setzte mich war zu hören. Umsetzung hinzuwirken. außerhalb der Zuständigkeit der Bun- werden. Doch es gab diese Möglichkeit und in die Sitzreihe neben ihm und nickte despolizei. Wer bei Problemen ein- ich war froh, nach oftmals mehr als ihm zu. Er schaute verdutzt, aber Siegfried wurde blass. Er klappte lang- Aus diesem Grund traf die Bundes- schreiten muss, wird dies in der Regel Benjamin Fritsche zwölf Stunden Dienst in die Bahn nickte zurück. Ich hatte vergessen, sam sein G-FAHb zu, nahm seine Müt- polizei 2011 eine gemeinsame einzusteigen und mich entspannt dass ich keine Uniform trug. Eine Zeit- ze und ging in Richtung Wagen drei. Erklärung mit dem Verband deutscher nach Hause fahren zu lassen. lang beobachtete ich ihn. Er arbeitete Verkehrsunternehmen (VDV). Den Mit Uniform unterwegs in den zehn größten deutschen Städten So der Grundgedanke. an seiner SINA-Workstation. So nennt Ich musste wieder an die Sage Mitgliedern des VDV wurde empfoh- man die dienstlichen Notebooks, mit denken. Siegfried hatte nämlich eine len, die kostenfreie Fahrt in Uniform Stadt Verkehrsverbund Unentgeltliche Beförderung für Mit der Zeit stellte ich jedoch fest, denen man außerhalb der Dienststel- Schwachstelle. Beim Bad im Dra- in den Beförderungsbedingungen Verkehrsverbund Berlin Polizeivollzugsbeamte (PVB) dass das mit dem Sitzen und mit dem len auf die dienstlichen Anwendungen chenblut hatte sich ein Feigenblatt oder Tarifbestimmungen zu verankern. Berlin-Brandenburg (VBB) „entspannt“ wohl ein Trugschluss zugreifen kann. Man hätte sie auch zwischen seinen Schultern befunden. Genau dort sollte sich auch jeder vor in Uniform mit Dienstausweis, Hamburger Verkehrs- keine Diensthunde war. Mindestens zweimal wöchentlich Geräte, die den Feierabend abschaf- An die Stelle kam kein Blut und er war seiner Fahrt informieren, ob im Einzel- Hamburg verbund (HVV) tönte es durch die Sprechanlage des fen und die Arbeit mit nach Hause dort verwundbar. Sein Gegner Hagen fall nicht doch ein Ticket benötigt wird. Zuges: „Falls sich ein Polizeibeamter bringen, nennen können. Aber es von Tronje verletzte ihn damals im Wer als Diensthundeführer mit seinem Münchner Verkehrs- und PVB in Uniform mit Dienstausweis, München im Zug befindet, dann bitte einmal zu wäre wahrscheinlich eine umständ- Kampf an genau dieser Stelle. Vierbeiner reisen möchte, sollte ganz Tarifverbund (MVV) auch Diensthunde Wagen ... Wir benötigen dort Unter- liche Abkürzung wie zum Beispiel besonders hinschauen. Die Mitnah- Verkehrsverbund Köln stützung.“ Also kurzerhand den Dienst G-FAHb oder so ähnlich geworden. „Viel Glück Siegfried und denk an das me von Diensthunden ist durch die Rhein-Sieg (VRS) PVB in Uniform mit Dienstausweis, verlängert oder früher begonnen. Egal, ich schweife ab. Feigenblatt“, rief ich ihm hinterher. Er Unternehmen sehr unterschiedlich Rhein-Main-Verkehrs- keine Diensthunde drehte sich um und schaute fragend. geregelt. Frankfurt am Main verbund (RMV) Bei diesen Einsätzen war alles dabei, Er kam mir bekannt vor. Ich überlegte Sein Blick verhieß nichts Gutes. Viel- Verkehrs- und Tarif- PVB in Uniform mit Dienstausweis, was das Strafgesetzbuch so zu bieten woher, aber kam nicht drauf. Sollte leicht hätte er doch besser seine Füh- Besonderheiten in der Eigen- Stuttgart verbund Stuttgart (VVS) auch Diensthunde hat. Vom Schwarzfahren bis zum ich ihn fragen? Nein, der hatte vorhin rungs- und Einsatzmittel mitgenommen. sicherung und Zuständigkeit Widerstand. Von der Beleidigung bis schon so komisch geschaut. Und Wie bei Fahrten in den Fernverkehrs- Düsseldorf zur Gefangenenbefreiung. Mehrfach wie ich ihn so beobachtete, fiel mir Ronny von Bresinski zügen der Deutschen Bahn gilt auch Verkehrsverbund Rhein- PVB in Uniform mit Dienstausweis, Dortmund hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, auf, dass der G-FAHb sein einziges im Nahverkehr die unentgeltliche Be- Ruhr (VRR) keine Diensthunde Essen mit einer Horde Fußballfans im Führungs- und Einsatzmittel zu sein förderung nur für die 2. Wagenklasse. gleichen Zug zu fahren. Ja klar, alles schien. Er trug keine Weste und sein Der Autor (41) ist Dienstgruppenleiter in der Als Legitimation muss der Dienstaus- Mitteldeutscher PVB in Uniform mit Dienstausweis, Leipzig Sachverhalte, welche ich im Dienst Gürtel war blank. Plötzlich fiel mir ein, Bundespolizeiinspektion Hamburg und seit 2014 weis mitgeführt werden. Bindende Verkehrsverbund (MDV) auch Diensthunde auch hatte. Mit einem Unterschied: woher ich ihn kannte. Ja, er musste Redakteur derkompakt . Regelungen zu den mitzuführenden Stand: 14. November 2018. Gemäß den jeweils geltenden Beförderungs- und Tarifbestimmungen. 14 Bundespolizei kompakt 01|2019 Bundespolizei kompakt 01|2019 15
In- & Ausland In- & Ausland Auf dem Markt kauften sie mit Hilfe eines guten bereitgestellt, Getränke besorgt und sogar ein malischen Freundes Schuhe und Sportkleidung. Mikrofon für eine kleine Ansprache organisiert. Die Unterstützung des Einheimischen erwies sich hierbei als cleverer Schachzug. Durch sein Zur Übergabe erschienen die Bundespolizisten geschicktes Handeln und seine Ortskenntnisse in ihren Uniformen. „Wir wollten es einerseits konnte weit mehr gekauft werden, als das ohne ein wenig offizieller aussehen lassen, um ganz ihn jemals gelungen wäre. bewusst die Bundespolizei und somit auch Deutschland zu repräsentieren. Außerdem hoff- Als die neuen SAV hörten, dass auch die Elek- ten wir, weitere Kollegen weltweit zu ähnlichen tronik der Straßenlaternen auf dem Platz defekt Projekten animieren zu können“, sagt SAV-Leiter war, organisierten sie einen Elektriker, der alles Michael Hering. wieder instand setzte und die kaputten Glüh- Achim Lippert bei der birnen austauschte. „Es war ein sehr gelungener, interessanter Arbeit und für uns auch ein sehr befriedigender Tag“, Nach und nach funktionierte alles wieder und erinnert sich Sebastian Seik. „Wer das Lächeln der Übergabe des Platzes stand nichts mehr in den Gesichtern der Kinder sah, wusste: Hilfe Anbringung der im Wege. Kinder und Coach fieberten dieser kann so einfach sein!“ „neuen“ Körbe genauso entgegen wie die Bundespolizisten. SAV Gruppe Bamako Übergabe des Platzes und der Trainings- Christian Winkler bekleidung Sebastian Seik Alle gemeinsam haben Basketballturniere für Michael Hering sämtliche Altersgruppen organisiert, Stühle Unterstützung kann so einfach sein! Botschaftsdienst einmal anders In der deutschen Botschaft in Bamako (Mali) versammelten sich Abend für Abend mindes- Der Trainer des verrichten drei sogenannte Sicherheits- tens 40 bis 50 Kinder zum Basketballspielen. Basketballteams beamte an deutschen Auslandsvertretungen Eine kleine Abwechslung zum harten Leben in (SAV) ihren Dienst. Sie begegnen tagtäglich Mali. Menschen, die freundlich und fröhlich sind. Sebastian Seik mit Allerdings zählt das westafrikanische Land Lippert sprach den Trainer an. Dieser erzählte einem der Kinder zu den ärmsten Ländern Afrikas. Kein Wun- ihm, dass er ehrenamtlich sieben Tage in der der also, wenn sich jemand eigeninitiativ Woche für die Kinder da sei, um sie anzuleiten kümmern und etwas verbessern und und zu trainieren. Staatliche Unterstützung für bewegen möchte. ihn oder die Pflege des Platzes gab es nicht. Gruppenfoto Also war Eigeninitiative gefragt und Lippert Achim Lippert, der von August 2017 bis April wollte helfen. Kurzerhand besorgte er Zement, 2018 als SAV in Bamako eingesetzt war, traf Holz und Farbe und „spuckte“ kräftig in die Ausbesserung des während einer Erkundungsfahrt auf eine Gruppe Hände. Spielfelds von Kindern und Jugendlichen. Sie spielten unter Leitung eines Trainers auf einem unzumut- Schuhe und Sportbekleidung für die Kinder baren Platz Basketball. Als nach und nach die SAV wechselten, legte Lippert jedem neuen ans Herz, sich doch auch Abwechslung vom Alltag ein wenig zu engagieren. Die ließen sich nicht Die Körbe bestanden aus zusammengebun- lange bitten und überlegten, was die Kinder denen Brettern. Auf der Spielfläche klafften dringend benötigen würden. Viele von ihnen riesige Löcher im Beton. Von den vier Straßen- spielten ohne Schuhe oder in ärmlichster laternen, die als Beleuchtung dienen sollten, Trainingskleidung. So war die Entscheidung funktionierte nur noch eine einzige. Trotzdem schnell getroffen. 16 Bundespolizei kompakt 01|2019 Bundespolizei kompakt 01|2019 17
Wir gedenken unserer Polizeihauptkommissar Günter Stora im Alter von 47 Jahren Polizeihauptmeister Volker Rosenbach im Alter von 59 Jahren im vergangenen Jahr im aktiven Dienstverhältnis Polizeihauptmeister Mario Schrader Polizeimeisteranwärter Lukas Schwinn verstorbenen Kolleginnen und Kollegen im Alter von 48 Jahren im Alter von 18 Jahren Polizeihauptmeister Mario Kiesler Polizeihauptmeister Jörg Kalau im Alter von 56 Jahren im Alter von 57 Jahren Regierungshauptsekretär Peter Altmann Polizeihauptkommissar Ronald-Andreas Klein Tarifbeschäftigte Sabrina Goergen Polizeihauptkommissar Harald Hemmer im Alter von 52 Jahren im Alter von 59 Jahren im Alter von 56 Jahren im Alter von 56 Jahren Polizeioberkommissar Mirko Koch Regierungsamtsfrau Anke Mandel Polizeiobermeister Heiko Hoja Polizeihauptkommissarin Daniela Heike Biewer im Alter von 51 Jahren im Alter von 50 Jahren im Alter von 43 Jahren im Alter von 40 Jahren Polizeiobermeister Ingolf Hering Polizeihauptmeister Jörg Plohmann Polizeihauptkommissar Michael Vogt Polizeioberkommissar Josef Anton Bichler im Alter von 45 Jahren im Alter von 51 Jahren im Alter von 56 Jahren im Alter von 60 Jahren Polizeihauptmeister Axel Stronczek Polizeimeisteranwärter Daniel Dirkes Polizeihauptmeister Joachim Wegner Polizeihauptmeister Maik Rothe im Alter von 58 Jahren im Alter von 20 Jahren im Alter von 61 Jahren im Alter von 50 Jahren Leitender Regierungsdirektor Heinz-Georg Schulte Polizeihauptmeister Roman Knaak Polizeihauptmeister Ralf Groppe Tarifbeschäftigter William Serrano-Heredia im Alter von 61 Jahren im Alter von 52 Jahren im Alter von 57 Jahren im Alter von 63 Jahren Tarifbeschäftigte Ruth Schulz Polizeihauptmeister Dieter Wolfgang Wittmann Polizeioberkommissar Rudolf Kurt Seling Polizeioberkommissar Günter Reyelt im Alter von 63 Jahren im Alter von 52 Jahren im Alter von 60 Jahren im Alter von 60 Jahren Bundespolizeiliche Unterstützungskraft Elke Schöneck Polizeihauptmeister Thomas-Georg Botradi Polizeihauptmeister Daniel Szybicki Tarifbeschäftigte Heike Schröder im Alter von 58 Jahren im Alter von 41 Jahren im Alter von 46 Jahren im Alter von 54 Jahren Tarifbeschäftigte Ina Becker Regierungshauptsekretär Michael Derse Polizeihauptmeister Jens-Uwe Finger Tarifbeschäftigter Michael Boeck im Alter von 57 Jahren im Alter von 47 Jahren im Alter von 55 Jahren im Alter von 59 Jahren Polizeioberkommissar Peter Chlipek Tarifbeschäftigte Edith Maria Andres Polizeihauptmeister Herbert Stielow Regierungsamtsrat Mirko Klenke im Alter von 51 Jahren im Alter von 53 Jahren im Alter von 59 Jahren im Alter von 46 Jahren Polizeihauptmeister Andreas Meyer Polizeihauptmeister Emmeram Herrmann Polizeihauptkommissar Christian Schmidt Polizeiobermeister Uwe Lange im Alter von 53 Jahren im Alter von 59 Jahren im Alter von 46 Jahren im Alter von 52 Jahren Polizeihauptmeister Burkhard Dudkowiak Polizeihauptkommissar Stefan Schellig Polizeihauptmeister Andree Zimmermann Polizeidirektor Ulrich Seidel im Alter von 62 Jahren im Alter von 54 Jahren im Alter von 47 Jahren im Alter von 57 Jahren Polizeiobermeister Michael Burat Tarifbeschäftigter Peter Hein Tarifbeschäftigte Christel Kleinfeldt im Alter von 36 Jahren im Alter von 38 Jahren im Alter von 56 Jahren 18 Bundespolizei kompakt 01|2019 Bundespolizei kompakt 01|2019 19
Redakteur in Gefahr Redakteur in Gefahr Knarre unterm Kopfkissen vor und ballert wild um sich. So jedenfalls schießen mir die Gedanken durch den Kopf. Meine Kollegen sind ganz ruhig, allerdings hochkonzen- triert. Für sie ist der Einsatz fast Routine, die sie immer wieder üben. Für diesen hat sie das Bundeskriminalamt (BKA) um Unterstützung gebeten – im Zuge des Ermitt- lungsverfahrens (EV) Pollino. Zweieinhalb Jahre hat das BKA ermittelt. EV Pollino richtet sich gegen die italienische Mafiaorganisation ’Ndrangheta und läuft in Deutschland unter Federführung des BKA. Das EV ist Teil eines euro- päischen Großeinsatzes. Der Verdacht lautet banden- mäßiges Handeln mit Betäubungsmitteln mit Schwerpunkt Kokain, Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer ausländi- schen kriminellen Vereinigung. Heute werden in Deutsch- land 65 Objekte durchsucht und am Ende des Tages 14 Verdächtige festgenommen. Bei einem der 14 stehen wir inzwischen im Wohnzimmer. Mit einem Brecheisen hat der Trupp die Jalousie aufge- stemmt und sich durch splitterndes Glas gekämpft. Es ist kurz nach 4 Uhr und die Hünen brüllen: „Polizei! Sofort Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Vor Sekunden habe auf den Boden! Polizei!“ Der Mann, der gerade die Treppe ich mit einem Trupp Bundespolizisten über eine Teleskop- herunterkam, liegt umgehend auf dem schwarzen Stein- leiter die kleine Mauer zum Garten des unauffälligen boden und wird mit Plastikhandfesseln fixiert. Ein kleines Reihenendhauses überwunden. Unter der Sturmhaube Blutrinnsal bahnt sich auf seinem Nasenrücken einen atme ich kaum. Gern hätte ich neben der Schutzweste Weg. Er ist ruhig. Wird abgetastet und über seine Rechte einen Helm, eine Pistole und ein Gewehr, wie sie meine belehrt. Er fragt nach seiner Frau, den Kindern. Kollegen tragen. Aber als Verwaltungsbeamtin darf ich nur begrenzt ausgestattet werden. Dafür bekomme ich einen Die Anspannung der letzten Stunden fällt langsam von mir persönlichen Beschützer zur Seite gestellt. Er ist stellver- ab. Der Einsatz ist geglückt, das Objekt gesichert. tretender Hundertschaftsführer in der Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaft (BFHu) Sankt Augustin. Ein äußerst erfahrener Beamter, ein echter Profi, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt, sagt man. Mit insgesamt fünf martialisch aussehenden Männern stehe ich jetzt im Dunkeln vor einer Jalousie, eine große graue Fläche aus Kunststoff. Die Jalousie schützt Fenster und Glastür, durch die wir gleich mit viel Geschick, bei der Spezialeinheit GSG 9 geborgter Technik und roher Gewalt ins Haus eindringen werden. Ich denke mir noch: Wie seltsam, die Mafia hat Angst vor Einbrechern. Trotz der sternenklaren Nacht ist es finster – und es ist kalt um Mein erster Einsatz – 4 Uhr morgens, Anfang Dezember. Mir klappern die Zähne. Die Bundespolizisten checken das Umfeld mit geübtem Blick. Einer hat die obere Etage im Auge, ein anderer die Nachbarn von gegenüber. und gleich ins Haus der Mafia Und dann geht alles blitzschnell. Auf das Kommando des Truppführers wird die Jalousie zerstört und das Glas durchbrochen. Es dauert gerade mal zehn Sekunden. Verwaltungsbeamtin begleitet Spezialkräfte der Beweissicherungs- Aber mir kommt es wie eine halbe Ewigkeit vor. Schließ- lich wollen wir uns bei einem Mitglied der Mafia Zutritt und Festnahmehundertschaft im Ermittlungsverfahren Pollino verschaffen. Der holt doch beim ersten Geräusch seine 20 Bundespolizei kompakt 01|2019 Bundespolizei kompakt 01|2019 21
Redakteur in Gefahr Redakteur in Gefahr „Von uns bekommt das BKA das Rundum-sorglos-Paket“, aber unterschiedlich ausgestattet werden und drei verschie- sagt mir der Hundertschaftsführer der BFHu in der Bundes- dene Erschwerniszulagen erhalten: BFE+ 250 Euro, Tat- polizeiabteilung Sankt Augustin. Gemeint ist, dass sich beobachter 188 Euro – und der überwiegende Teil erhält seine Männer um den Verdächtigen von der Festnahme keine Zulage. Da stellen sich Fragen zur Wertschätzung. bis zur Vorführung beim Haftrichter in der JVA kümmern. Davor haben sie ausgiebig Gegend und Objekt erkundet. Während mir mein Betreuer bei einem Rundgang die „Wir tun das gern, auch wenn die Belastung extrem hoch Kollegen vorstellt, staune ich nicht schlecht. Bob (Name ist“, sagt mein Gegenüber. „Wir sind so dünn besetzt, dass geändert) zum Beispiel checkt das in der BFHu konstru- Einsätze in Ermittlungsverfahren inklusive Vor- und Nachbe- ierte „modifizierte Hundefangnetz“. „In dem Objekt, in das reitung und alle anderen Einsätze, wie Demonstrationen, ich morgen mit meinen Kollegen eindringe, lebt ein Hund. Fußballspiele etc., von denselben Leuten getragen werden Den wollen wir nicht erschießen, aber uns auch nicht müssen. Da bleibt kaum Freizeit und die Möglichkeit, die den Einsatz durch ihn versauen lassen.“ Im Raum, wo die Mehrarbeit in der vorgegebenen Zeit auszugleichen.“ Besondere Aufbauorganisation (BAO) zusammenkommt, haben sich die Männer und wenigen Frauen ebenfalls Erzählt hat er mir das bereits gestern. Ich war von meinem eigene Lösungen geschaffen. Ich wundere mich, dass Potsdamer Schreibtisch im Bundespolizeipräsidium zur die BFHu so hochwertige Einsätze leistet, jedoch der BFHu nach Sankt Augustin gereist. Dort treffe ich auf Beamer in dem Besprechungsraum auf Umzugskisten meinen Betreuer1 (Bodyguard). Als ich ihm das erste Mal platziert werden muss. Auf meine Frage, warum das so ist, begegne, steht er verschwitzt in Sportklamotten vor mir. bekomme ich zur Antwort, dass der BFHu kein BAO-Raum Er entschuldigt sich und flitzt unter die Dusche. Andere im zusteht und sie deshalb auch nicht die Ausstattung erhält. Haus sehen das gelassener. Sport ist Teil ihres Jobs. Sie Ein an der Decke installierter, drehbarer Beamer wurde müssen oftmals schnell und meistens ausdauernd rennen längst beantragt, jedoch bisher ohne Erfolg. Auch zu können. Bis zu 25 Kilo und mehr wiegt die komplette Weihnachten wird es wohl nichts geben. Ausstattung. Kein Wunder, dass die meisten wie Bodybuil- der aussehen. Dafür arbeiten sie nicht nur hart, sondern Keinem ist eine meiner Fragen zu dumm, keine Vorführung wir rausfunken, dass alles gesichert und „sauber“ ist. Haar. Stur und in gebrochenem Deutsch weicht er allen auch kreativ und legen schon mal in Eigeninitiative einen zu aufwendig. Ich bekomme alles erklärt und gezeigt – in Der Funkspruch erfolgt um 4:05 Uhr, nachdem die Fragen aus. „Eiscafe? Schlüssel? Nein, weiß nicht wo. CrossFit-Park an. In dem Großstandort Sankt Augustin einer Gelassenheit, die mir auch am nächsten Tag den Zielperson verhaftet und das Haus gesichert ist. Die Rufen meinen Cousin an“, versucht er sich aus der sind Trainingsstätten für alle ansässigen (Spezial-)Einhei- Stress im Einsatz erleichtert. Ich spreche meinen Betreuer Beamten des BKA treten durch die Haustür ein. Sie hatten Schlinge zu ziehen. Und ich bewundere, wie ruhig und ten Mangelware. darauf an. „Das ist Teil unserer Ausbildung. Professionelle in einer Nebenstraße in ihren Fahrzeugen gewartet. Von höflich die Beamten versuchen, winzigste Informationen Gelassenheit.“ oben ist Kinderweinen zu hören. Kollegen sind bereits in aus ihm heraus zu kitzeln. Haftbefehl und Durchsuchungs- Die Beamten sind hoch motiviert bei der Sache und leisten der nächsten Etage, wo sie die Ehefrau vorfinden, eine beschluss werden ihm schriftlich in italienischer Ausfüh- ihren Dienst gerne in der BFHu. Unzufrieden sind sie nur Er ist als stellvertretender Hundertschaftsführer für die junge Italienerin mit langen schwarzen Haaren. Als wir rung vorgelegt. „Verstehen Sie alles? Wissen Sie, was damit, dass sie zu 95 Prozent die gleichen Einsätze leisten, Fortbildung der Hundertschaft zuständig. „Nach einer BFE nach oben kommen, sitzt sie mit ihrem Jüngsten im Arm Ihnen vorgeworfen wird?“, fragt der Beamte. „Kokain?“, kommt keiner mehr“, beschreibt er den harten Job. Er auf dem Bett. In dem kauern noch drei weitere Jungs, „Amsterdam?“, „Verstehe nicht. Hab damit nix zu tun“, 1 Z um Schutz der eingesetzten Kollegen wird auf die Nennung der wünscht sich wieder eine Uniform, die seine Beamten von kaum älter als sieben, acht Jahre. Die sind allerdings nur sind die spärlichen Antworten. Klarnamen verzichtet anderen unterscheidet. Dies hat früher durchaus einen kurz verschreckt. Der eine will weiterschlafen, der andere präventiven Effekt auf das Gegenüber gehabt. Solche grinst, der dritte ist neugierig – und ich verstehe die Welt Mein Betreuer tippt mir auf die Schulter: „Wir müssen psychologischen Aspekte wurden jedoch zugunsten der nicht mehr: Warum schlottern so einem Dreikäsehoch los!“ In einem anderen der zehn in Nordrhein-Westfalen „Einheitlichkeit“ aufgegeben. nicht die Knie vor Angst? durchsuchten Objekte haben die Kollegen ein weiteres Krypto-Handy gefunden. Das BKA verfügt nur über eine Wir reden noch dies und das, bevor ich mein Bett im In der Wohnstube, deren schwarzer Steinboden übersät begrenzte Anzahl der speziellen Behältnisse. Also müssen Polizeiwohnheim beziehe. Gar nicht so unkomfortabel, wie ist mit den Glassplittern der Terrassentür, befragen bereits wir das Handy in Windeseile von Wuppertal hierherholen. ich es mir vorgestellt hatte. Aber ich kann nicht schlafen, zwei BKAler den Beschuldigten. Es zieht eiskalt durch das hauptsächlich aus Angst zu verschlafen. Um 1:30 Uhr riesige Loch in der Scheibe und die Beamten bieten ihm Alles geht gut. Als wir nach ein paar Stunden wieder in treffe ich meinen Betreuer im Büro. Um uns herum an, wärmere Kleidung zu holen. Während Bundespolizisten Sankt Augustin eintreffen, läuft mir Bob über den Weg. geschäftiges Treiben. Die Männer trudeln ein, rüsten alles sichern, stellen weitere Teams des BKA das Haus Er konnte den Hund unverletzt gefangen nehmen. „Beim auf. Manche machen Scherze. Sie fahren zu unterschied- komplett auf den Kopf. Sie finden Bargeld in vierstelliger Gassigehen habe ich ihn noch ein bisschen erzogen. Der lichen Einsatzorten. Höhe, Schlüssel zu anderen Objekten und belastende Un- weiß jetzt, dass er mich zuerst durch die Tür gehen lassen terlagen sowie mehrere Handys, darunter ein abhörsicheres muss“, erzählt er mir. Für uns geht es um 2 Uhr los. Wir steigen in verschiedene Mobiltelefon. Dieses sogenannte Krypto-Handy wird sofort Wagen und fahren durch die Nacht. Nächster Treffpunkt in einem speziellen Behältnis gesichert. So kann nichts per Unser Verdächtiger wurde in der Zwischenzeit dem Haft- ist eine gute Stunde später ein Parkplatz in Duisburg nahe Fernzugriff gelöscht werden und sämtliche Daten und Mit- richter vorgeführt. dem Zielobjekt. Hier legen die Polizisten die vom Truppfüh- teilungen bleiben für die Untersuchungen erhalten. rer vorab festgelegte Einsatzkleidung an. Heute sind das Während sich bei mir langsam der frühe Dienstbeginn be- Bein- und Armschoner, Schutzweste SK 4. Beamte vom Weniger erfolgreich sind die Ermittler in ihrer Befragung. merkbar macht, übernehmen die Beamten der BFHu noch BKA treffen ein und alle besprechen sich ein letztes Mal. Sie beißen sich die Zähne aus an dem hoch aufgeschos- den Gefangenentransport eines Hauptbeschuldigten in die Die Kriminaler werden das Zielobjekt erst betreten, wenn senen, drahtigen Italiener mit dem kurz geschorenen JVA Bielefeld. Respekt! 22 Bundespolizei kompakt 01|2019 Bundespolizei kompakt 01|2019 23
Personal & Haushalt Personal & Haushalt macht. Trotzdem hätte ich bei einer Ausschrei- Personalentwicklungskonzept bung niemals den Zuschlag bekommen. Mir fehlte für diesen höherwertigen Dienstposten eine weitere zweijährige Verwendung. im gehobenen Dienst der Bundespolizei So fordert es das PEK. In kleinen Dienststellen mit „nur“ einer Aufgabe Ein Erfahrungsbericht ist es fast ausgeschlossen, eine zweite Ver- wendung zu bekommen. Grundsätzlich wäre es zwar möglich, diese auch in der Führungs- gruppe oder im Ermittlungsdienst der eigenen Dienststelle zu absolvieren. Jedoch können Seit 2014 gibt es das Personalentwick- sammen mit meinen Kollegen aus der heutigen insbesondere die kleinen Dienststellen nicht Woldemar Lieder lungskonzept (PEK) der Bundespolizei. Schicht. Sie zeigen mir ein selbst gedrehtes allen förderungswürdigen Mitarbeitern die in seinem Revier in Was in der Theorie so einfach klingt, ist es Video mit einem eigens komponierten Lied. Der Möglichkeit einräumen. Dass würde die Dienst- einvernehmlich. Ich glaube, die Verantwortli- Hamburg in der Praxis oft nicht. Zu einer Entwicklung Film lässt meine letzten Jahre in Hamburg Re- gruppen zu sehr schwächen. Und die Plätze im chen haben erkannt, dass es auch Vorteile für Auch die Migrations- gehört auch immer ein Wechsel der Pers- vue passieren. Ich bin einfach nur traurig – trau- Ermittlungsdienst und den Führungsgruppen die Dienststellen haben kann. einsätze an der Süd- pektive. Bei kleinen Dienststellen der rig, eine funktionierende und motivierte Truppe, sind auch begrenzt. grenze gehören jetzt Medienbegleitung im Bundespolizei bedeutet dies meist eine die man über einen längeren Zeitraum geprägt Der erste Einsatz zu seinen Aufgaben. Hamburger Haupt- räumliche Veränderung. Woldemar Lieder und mitentwickelt hat, verlassen zu müssen. Somit war klar, dass ich eine neue dienstliche Nach dieser emotionalen Verabschiedung bahnhof. von der Bundespolizeiinspektion Hamburg Postleitzahl in Kauf nehmen muss. Das fiel mir begann das Jahr 2018 für mich in Uelzen. Der hat diesen Schritt gewagt und nicht bereut. Aber ich muss, das Personalentwicklungs- schwer, denn ich wäre gern geblieben. Nach erste Einsatz ließ nicht lange auf sich warten. Es Woldemar als Einfach war es dennoch nicht. konzept will es so. Ob ich will oder nicht. langer Suche stand Ende 2017 fest: Ich werde ging gleich ganz in den Süden. Zum Migrations- Gruppenleiter im Zugführer in der Bundesbereitschaftspolizei- einsatz nach Freilassing. Ich kannte weder die Einsatz in Hamburg 19. Dezember 2017, diesen Tag werde ich wohl Obwohl ich den Dienstposten eines Kontroll- abteilung Uelzen – kein Selbstläufer und nur Namen noch die Arbeitsweise der neuen nie vergessen. Ich bin Gruppenleiter im Bundes- und Streifenbeamten habe, war ich in den möglich aufgrund viel eigener Initiative und Kollegen. Worauf hatte ich mich da eingelassen? polizeirevier am Hamburger Hauptbahnhof und letzten Monaten Gruppenleiter. Der Dienst- Kooperationen zwischen den Dienststellen- sitze in meinem Büro. Mein Dienstgruppenleiter posten war lange nicht besetzt und ist es auch leitern. Mittlerweile gibt es glücklicherweise An den ersten beiden Einsatztagen „beschnup- bittet mich zu einem Gespräch in den Aufent- heute noch nicht. Er wird aktuell nicht neu ein Netzwerk zwischen den Inspektionen, den perten“ wir uns vorsichtig. Danach lief es aber. haltsraum. Als ich in den Raum gehe bin ich kurz ausgeschrieben, da er nicht systemrelevant ist. Bereitschaftsabteilungen und auch den Aus- Ich war erstaunt, wie sehr ich meine Hamburger sprachlos. Kollegen, mit denen ich in den letzten Ich durfte aber die Aufgabe wahrnehmen, habe und Fortbildungszentren der Bundespolizei. Vorerfahrungen im Einsatz einbringen konnte. fünf Jahren sehr eng zusammengearbeitet habe, es gerne und – wenn ich meinen Vorgesetzten Die Personalmaßnahmen laufen zum Großteil Dadurch wuchs die Akzeptanz bei den neuen sind privat angereist und begrüßen mich zu- glauben kann – auch nicht allzu schlecht ge- 24 Bundespolizei kompakt 01|2019 Bundespolizei kompakt 01|2019 25
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