VAA Magazin Boden schützen - Chemie in Pflanzen
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Zeitschrift für Führungskräfte in der Chemie Ausgabe Juni 2014 VAA Magazin Interessenvertretung · Juristischer Service · Publikationen · Bildung · Netzwerk Chemie in Pflanzen: Boden schützen Tagung in Seeheim: Verband steuern
VAA Assekuranz Agentur GmbH Az_SBU_180x200mm_vaa-assekuranz_Layout 1 28.01.14 08:09 Seite 1 r Exklusive Vorteile fü VAA-Mitglieder und deren Angehörige. Lassen Sie Ihre Sorge einfach stehen: Mit der Gothaer Berufsunfähigkeitsversicherung. Günstigere Beiträge Nur zwei Gesundheitsfragen Einzigartiger Familienbonus Finanzielle Absicherung der Kinder bei schweren Krankheiten Hinweis: Dieses Angebot gilt nur für VAA-Mitglieder über die VAA Assekuranz Agentur GmbH. Fordern Sie unverbindlich Ihr persönliches Angebot bei uns an: VAA Assekuranz Agentur GmbH · Versicherungsmehrfachagentur für Mitglieder des VAA Postanschrift: Postfach 2080, 50210 Frechen · Tel. 02234 9632850 · Fax 02234 9632855 · info@vaa-assekuranz.de
Inhalt Spezial 06 Pflanzen- und Bodenschutz Anpassungsfähige Ackerkrume Foto: Anna E – Fotolia VAA 12 Delegiertentagung in Seeheim Vorstand neu gewählt 18 Podiumsdiskussion in Dresden 6 Standort Sachsen hat Zukunft 19 Aufsichtsratswahlen Erfolg bei Merck 20 Betriebsratswahlen Ergebnis von 2010 übertroffen 21 Altersvorsorge für Apotheker Rentenversicherung ändert Rechtsprechung BRANCHE 18 24 Globalisierung Interview mit Professor Holger Görg Meldungen 28 Kieler Forscher bauen Möbiusmolekül ULA Nachrichten 31 Sprecherausschusstag 2014 Industrie im digitalen Zeitalter 28 Management 39 Eignungsdiagnostik und Assessments Richtig rekrutieren Recht Coverfotos: MaxyM, Cody Wheeler – Shutterstock 42 Interview mit Ilga Möllenbrink Fallstricke im Aufhebungsvertrag 31 44 Erben und Vererben Unterhalt trotz Kontaktabbruch zu Eltern? Vermischtes 47 ChemieGeschichte(n) 48 Glückwünsche 49 Kreuzworträtsel, Sudoku 50 Leserbriefe, Termine, Vorschau, Impressum 44 VAA MAGAZIN Juni 2014 3
Chemie im Bild Gesunder Boden liefert gesunden Ertrag: Über die Hälfte der Fläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt. Auf einem Hektar werden dabei pro Jahr durchschnittlich neun Kilogramm Pflanzenschutzmittel und 2,5 Kilogramm Wirkstoffe eingesetzt. 2011 erhielten laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 691 Pflan- zenschutzmittel mit insgesamt 258 Wirkstoffen ihre Zulassung. Foto: Sunny studio – Fotolia
Editorial Gute Tradition Es ist Mitte Juni: für die meisten Menschen hierzulande die wohl schönste Zeit des Jahres. Der Frühling hinterlässt dem Frühsommer eine sattgrüne Farbenpracht. Die Sonnentage sind lang wie nie, die Nächte dafür noch nicht so unerträglich heiß wie in tropischen Sommerwochen. Die Erdbeerernte ist in vollem Gang. Dagegen wird die Spargelsaison schon sehr bald beendet – traditionell zum Johannistag am 24. Juni. Das wohl- schmeckende, laut Statistischem Bundesamt am häufigsten angebaute Freilandgemüse in Deutschland ist also schon fast vollständig abgeerntet. Mit einem hoffentlich guten Ertrag für die Landwirte. Aber wovon hängt dieser Ertrag überhaupt ab? Von gesunden Böden mit einer biologisch aktiven Mikroflora. Und da kommt die Chemie ins Spiel. Denn der chemische Foto: Leuschner – VAA Pflanzenschutz leistet in der Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag für eine produktive und ausgewogene Bodenchemie. Entgegen der meist kritischen öffentlichen Wahrnehmung ge- hen Pflanzen- und Bodenschutz nämlich Hand in Hand. Mehr Informationen hierzu im Heft – im aktuellen Spezial auf den Seiten sechs bis elf. So viel vorweg: Es kommt ganz auf den intelligenten, maßvollen und vielfältigen Einsatz an. Intelligent, maßvoll und vielfältig ist auch die Arbeit der VAA-Mandatsträger in den Betrieben. Mit Tatkraft und Verantwortung setzen sich die Verbandsvertreter in den Gremien der Mitbestimmung ein. Dies zahlt sich aus, nicht zuletzt bei Wahlen: ob zum Betriebsrat, zum Sprecherausschuss oder zum Aufsichtsrat. Die Kandidaten des VAA konnten Erfolge verbuchen. An dieser Stelle seien besonders die tollen Ergebnisse der zu Ende gegangenen Betriebsratswahlen hervorzuheben. Dazu ein ausführlicher Artikel auf Seite 20. Mancherorts werden die guten Resultate des VAA mit Skepsis aufgenommen. Dazu gibt es jedoch keinen Grund. Denn eine starke Stimme der außertariflichen und leitenden Angestellten kommt der betrieblichen Mitbe- stimmung und der Unternehmensmitbestimmung nur zugute! Ein starker, selbstbewusster VAA ist gut für das Klima in der Sozialpartnerschaft, die in der Chemie weiterhin vertrauensvoll und konstruktiv bleiben wird. Unsere Sozialpartner wissen genau, was sie am VAA haben. Sie wissen auch, dass es dem VAA um Ergänzung, und nicht um Konkurrenz geht – schon gar nicht um Kampfrhetorik. Nein, in der Chemie-Sozialpartnerschaft sorgt gerade der VAA für eine ausgewogene Vertretung aller Mitarbeiter. In der Chemie ist es gute Tradition, dass Branchen- und Berufsgewerkschaft kooperieren. Das soll auch so bleiben. Was ebenfalls dauerhaft bleibt, ist der zunehmend globale Charakter unserer Wirtschafts- und Arbeitswelt. Globali- sierung gehört für alle Unternehmen mittlerweile zum Kerngeschäft, ob Start-up oder Großindustrie. Globali- sierung bedeutet zugleich Verfügbarkeit der Arbeit rund um den Globus, rund um die Uhr. Warum Deutschland davon profitiert? Die Antwort gibt es im Magazin auf den Seiten 24 und 25. In diesem Sinne ist auch der VAA zu begreifen – fest in Deutschland verwurzelt, aber über seine Mitglieder global denkend und handelnd. Gerhard Kronisch VAA-Hauptgeschäftsführer VAA MAGAZIN Juni 2014 5
Spezial Pflanzen- und Bodenschutz Neues Leben aus der Krume 7,2 Milliarden Menschen leben zurzeit auf der Erde. Und mit der Weltbevölkerung wächst auch der Bedarf an Lebensmitteln. Anders sieht es mit der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus: Laut UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO standen 2013 weltweit 4,9 Milliarden Hektar zur Verfügung, davon allerdings nur 1,4 Milliarden Hektar Ackerland. Das Wachstumspotenzial? Begrenzt. Wie kann der steigende, mancherorts sprichwörtliche Hunger nach Agrarrohstoffen gedeckt werden? Eine wichtige Rolle spielt dabei der chemische Pflanzenschutz. Doch dieser bringt wenig, wenn nicht gleichzeitig Acht auf das wohl kostbarste Agrargut gegeben wird – den Boden. Von Timur Slapke Ein Archiv der besonderen Art: silbern aber desto höher die Wasserspeicherkapa- dem Leiter der Abteilung Umweltsicher- glänzende Kryotanks, in Reihen gestaffelt, zität“, erklärt Weinfurtner. In der Abtei- heit bei der Bayer CropScience AG Dr. Ri- mit Stickstoff gekühlt. So hoch wie ein aus- lung Ökologische Chemie am IME-Stand- chard Schmuck aus der Empirik keine Bei- gewachsener Mensch, würden locker fünf ort Schmallenberg forscht der studierte spiele bekannt, dass sich Wirkstoffkombi- Erwachsene hineinpassen. Doch gelagert Agrarwissenschaftler seit 2000. nationen negativ auf die Umwelt ausge- werden hier winzige Proben zu je zehn wirkt hätten: „In der weit überwiegenden Gramm. 200 pro Tank. Die Innentempera- Aber was genau sind eigentlich Pflanzen- Zahl der untersuchten Stoffgemische wur- tur von minus 150 Grad Celsius wird per- schutzmittel? Nichts anderes als organische, de deren Wirkung von der Toxizität einer manent elektronisch überwacht. Zuvor biologisch aktive Moleküle. Hinsichtlich ih- Einzelkomponente oder der additiven Wir- wird jede einzelne Probe, die im Archiv rer Wirkung auf den Boden führt Dr. Peter kung der darin enthaltenen Wirkstoffe be- der Umweltprobenbank am Fraunhofer-In- Burauel von der Rheinischen Friedrich-Wil- stimmt.“ Auch aus Hunderten von Feldver- stitut für Molekularbiologie und Ange- helms-Universität Bonn aus: „Ich sehe kei- suchen ließen sich keine Hinweise auf un- wandte Ökologie (IME) in Schmallenberg ne grundsätzliche Belastung der Böden mit erwartete, umweltrelevante Wirkungsstei- gelagert werden soll, in einer speziellen Pflanzenschutzmitteln, die kritisch ist.“ Vor gerungen von Testsubstanzen durch ande- Kryomühle vermahlen. allem auf dem Gebiet der Angewandten Ra- re Pflanzenschutzmittel oder chemische dioagronomie und des Verbleibs von Pflan- Stoffe ableiten. Idyllisch gelegen, auf einem Hügel, werden zenschutzmitteln im Agrarökosystem ist hier im tiefsten Sauerland neben unzähli- Burauel ein ausgewiesener Experte. Be- gen Tier- und Pflanzenproben aus unter- trachtet man auf einem Hektar Ackerland Adaptionskünstler Mikroorganismen schiedlichsten Ökosystemen auch Boden- die oberste Bodenschicht, auch Krume ge- proben aus ganz Deutschland aufbewahrt. nannt, dann beträgt der Gehalt an organi- Sechs bis sieben Millionen Bakterien leben Am Institut selbst führen Wissenschaftler schem Kohlenstoff ungefähr 1,2 Prozent. in nur einem Gramm Ackerboden. Dies Untersuchungen von Bodentypen, aber Burauel präzisiert: „Gerechnet auf einen sorgt für eine natürlich hohe Regenerati- auch von Pflanzenschutzmitteln durch. Hektar sind das circa 40.000 Tonnen orga- onsfähigkeit. Allerdings kennt die Wissen- Forscher wie Karlheinz Weinfurtner prü- nische Kohlenstoffe in der obersten Kru- schaft nur etwa fünf Prozent der Bodenmi- fen, wie viele Schadstoffe überhaupt ins menschicht.“ In diesen Pool werden in kroben. Sicher ist aber: Ihre Anpassungs- Wasser, in die Pflanze oder direkt zum Deutschland 1 bis maximal 1,5 Kilogramm fähigkeit ist enorm. Manche Böden setzen Menschen gelangen können. Dabei sind der Kohlenstoffe aus Pflanzenschutzmitteln daher Pflanzenschutzmittel so schnell um, Gehalt an organischer Substanz und der stammend eingebracht. Eine verschwindend dass die Mittel gar nicht erst ihre Wirkung pH-Wert des Bodens von großem Interes- geringe Menge. entfalten können. „In den USA gibt es sol- se. „Der Anteil von Sand, Schluff und Ton che problem soils“, berichtet Peter Burau- ist relevant für die Bindigkeit eines Bodens In der Industrie sieht man dies ähnlich, el aus eigener Erfahrung. Um die adaptive und für die Wasserleitfähigkeit. Je tonhal- auch hinsichtlich möglicher Kombinatio- Funktionalität der Bodenmikroflora weiß tiger, desto schlechter die Wasserleitung, nen unterschiedlicher Wirkstoffe. So sind auch Richard Schmuck, der von Haus
Beim Ökolandbau gibt es strengere Vorschriften über den Einsatz von chemischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln als in der herkömmlichen Landwirtschaft. Doch auf fruchtbaren Böden spricht aus wissenschaftlicher Sicht nur wenig gegen eine intensive Bewirtschaftung. Foto: jillchen – Fotolia aus Biologe ist. Bereits vor seiner Tätigkeit weise die Auswirkungen auf eine Reihe teresse, geforderte Standardtests durchzu- in der Industrie hat sich das langjährige von Nicht-Zielorganismen untersuchen, er- führen, sondern auch in kritischen Fällen VAA-Mitglied mit der Umweltrisikocha- klärt Fraunhofer-Bodenkundler Karlheinz die sich aus den spezifischen Eigenschaf- rakterisierung von Chemikalien und syn- Weinfurtner. „Nur wenn man den Nach- ten des Mittels ergebenden Bedenken thetischen Pflanzenschutzmitteln beschäf- weis erbringt, dass die abgeschätzten Kon- durch aufwändige Studien auszuräumen“, tigt. Zu Schmucks heutigen Aufgaben ge- zentrationen bei der Anwendung eines betont Weinfurtner. Allerdings berge eine hört die umfassende Bewertung der Aus- Mittels sicher unterhalb der Schadens- zu restriktive Zulassungsregulierung auch wirkungen aller von seinem Unternehmen schwelle für die empfindlichsten Organis- Gefahren, mahnt Richard Schmuck von vermarkteten Pflanzenschutztechnologien. men sind, wird ein Mittel zugelassen.“ Pe- Bayer CropScience. Die Anzahl der Wirk- ter Burauel bestätigt: „Wären weltweit sol- stoffe drohe so weiter abzunehmen und da- Bis ein Mittel auf den Markt kommt, che Bedingungen gültig, hätten wir kein mit die Option des Produktwechsels ein- braucht es einen langen Atem. Von der Problem.“ zuschränken. Erstsynthese bis zur Vermarktung dauert die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels In der Öffentlichkeit wird der Einsatz in der Regel zehn bis zwölf Jahre. Zum Risiken restriktiver Regulierung von Pflanzenschutzmitteln überwiegend Vergleich: Die durchschnittliche Nut- kritisch wahrgenommen. Die Vergangen- zungsdauer eines Wirkstoffes in der Land- Bei der Zulassung liegt die Nachweis- heit wirkt bis heute nach: Der großflächi- wirtschaft liegt zwischen 20 und 40 Jah- pflicht für die Unschädlichkeit bei der In- ge Einsatz von Herbiziden und Insekti- ren. Für die Entwicklung fallen Investitio- dustrie. Fehlen Studien oder sind diese aus ziden wie Atrazin oder DDT im vorigen nen von ungefähr 250 Millionen Euro an. Sicht der Regulationsbehörden nicht aus- Jahrhundert hat dauerhaft Ängste ge- In der EU sind die Zulassungsbedingungen reichend, wird keine Zulassung erteilt. weckt. So war im Fall des mittlerweile sehr straff geregelt. Man müsse beispiels- „Daher hat die Industrie nicht nur ein In- längst verbotenen Insektizids DDT zum 8 VAA MAGAZIN Juni 2014
Zum Pflanzenschutz gehört auch die Untersuchung von Pflanzen wie Soja oder Mais in speziellen Gewächshäusern. Foto: Bayer CropScience AG damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht ab- Streng genommen sind Boden- und Pflan- den, erläutert Peter Burauel. Es ist ein ein- sehbar, dass sich das Pflanzenschutzmit- zenschutz zwei völlig verschiedene Regula- facher evolutiver Prozess: Wenn ein hoher tel weltweit verteilt und in der Nahrungs- tionsbereiche. Während man beim Pflan- Druck entsteht, wirkt sich dies auf eine Po- kette akkumuliert. Denn Beurteilungen zenschutz wirkstoffbezogen vorgeht, ist Bo- pulation aus, wodurch schneller Resisten- der Wirksamkeit und der Toxikologie denschutz eine medienbezogene Betrach- zen ausgebildet werden. Burauel beruhigt: können immer nur nach dem jeweils ak- tung. Man schützt nicht den Boden an sich, „Diesen Druck können wir jedoch durch tuellen Stand der Wissenschaft erfolgen. sondern dessen Funktionen. IME-Wissen- Pflanzenschutzmittelvielfalt vermindern.“ Gerade da sei man in den letzten Deka- schaftler Karlheinz Weinfurtner erklärt den den aber unglaublich gut geworden, be- Unterschied: „Wir betrachten die Schadstof- Zum Bodenschutz gehört auch der Grund- teuert Pflanzenschutzexperte Burauel. fe nicht anhand ihrer absoluten Gehalte, wasserschutz: Denn die landwirtschaftliche Auch im Landwirtschaftszentrum Mon- sondern anhand ihrer Wirkungspfade.“ Nutzfläche ist gleichzeitig ein Schutzschild heim bei Bayer CropScience ist man sich für das Grundwasser. Daher dürfen aus der über die Notwendigkeit strenger ökolo- Was aber sind die effektivsten Methoden, Ackerkrume keine Chemikalien in tiefere gischer Verträglichkeits- und Effektivi- um Böden zu schützen? Vielfalt. Und zwar Bodenschichten eintreten und möglicher- t ätspr üf u ngen bew usst. R ichard sowohl bei den Kulturpflanzen als auch bei weise Grundwasserressourcen verunreini- Schmuck betont: „Die im Bereich Pflan- den eingesetzten Pflanzenschutzmitteln. gen. Während die Belastung durch Indust- zenschutz tätigen Unternehmen verste- Problematisch wird es nämlich dann, wenn riechemikalien für die Bodendegradation hen sich als Partner der Landwirtschaft etwa bei resistenten Sorten ein Pflanzen- weltweit nur zu einem Prozent eine Rolle und sorgen durch umfangreiche und schutzmittel direkt, in hoher Dosis und spielt, ist die Erosion durch Regen oder sorgfältige Untersuchungen ihrer Pro- mehrere Jahre hintereinander appliziert Wind der Hauptgrund für Bodendegradati- dukte dafür, dass keine unvertretbaren wird. Das widerspreche der Umsetzungsfä- on. Pro Kopf der Weltbevölkerung geht es Auswirkungen auf die Böden auftreten.“ higkeit und Selbstreinigungskraft der Bö- da um 4,1 Tonnen erodierende VAA MAGAZIN Juni 2014 9
Spezial Bodenpartikel. Peter Burauel warnt: „Mit zunehmenden Trockenperioden, Sturmereig- nissen und starken Regenfällen wird sich die Erosionsgefahr weltweit verstärken.“ Es wird also immer wichtiger, die Ackerkrume geschützt und bedeckt zu lassen. „Durch Erosion der Krume wird auch der Kohlen- stoff weggetragen, wodurch die Böden ver- armen und weniger fruchtbar werden“, sagt Burauel. Bei einem abnehmenden Kohlen- stoffgehalt im Boden werde auch die Filter- und Pufferfunktion beeinträchtigt. Daher komme es besonders auf das Verständnis der verschiedenen Funktionen des Bodens an, der eben nicht ausschließlich Erträge liefern soll. Demografieprognosen der UN gehen von ei- nem weltweiten Bevölkerungsanstieg auf über neun Milliarden Menschen bis 2050 aus. Nimmt man den Klimawandel und Ressour- cenmangel hinzu, ist eine Steigerung der Ag- rarproduktivität um jährlich ein bis zwei Pro- zent nötig, um zumindest den Anteil der hun- gernden Bevölkerung nicht ausweiten zu las- sen. Ein weiterer Hebel: die Reduzierung des Fleischkonsums. Darin sind sich Experten wie Peter Burauel und Karlheinz Weinfurt- ner, aber auch viele Industrievertreter wie Ri- chard Schmuck einig. So würde die Intensi- tät beim Pflanzenanbau und der Bodenbear- Erst die Dosis macht das Gift: Um Böden zu schützen und deren Fruchtbarkeit beitung verringert. Das Problem liegt in der nachhaltig zu gewährleisten, kommt es vor allem auf Streuung und Vielfalt an, gesellschaftlichen Akzeptanz. Zudem ist ge- sowohl beim Anbei der Pflanzenkulturen als auch beim Einsatz von rade in Schwellenländern die umgekehrte Pflanzenschutzmitteln. Foto: Thomas Kauffelt – Deere & Company Tendenz zu beobachten. 10 VAA MAGAZIN Juni 2014
Spezial „Bei der Mittelvielfalt haben wir in Zukunft sicherlich noch Nachholbedarf.“ Dr. Peter Burauel, Privatdozent für Bodenkunde und Radioag- ronomie an der Universität Bonn und Leiter der Stabsstelle ZukunftsCampus am Forschungszentrum Jülich. Können Agrar- und Agrochemieindustrie sind. Stoffe zu speichern und umzuwandeln grenzt sind die weltweiten Anbauflächen. vielleicht vom ökologischen Landbau ler- ist die Hauptfunktion.“ Kritisch wird es im- Im Gegenteil: „Wir verlieren global immer nen? In der Tat. So könnte man sich im In- mer dann, wenn die Belastungen durch Che- mehr Flächen durch Erosionen und Degra- tensivlandbau überlegen, ob Fruchtfolgen mikalien oder Umwelteinflüsse so massiv dationen“, so Weinfurtner. „Da ist Mitteleu- wieder aufgelockert und mehr Kulturpflan- werden, dass sie zu einem Abbau des Koh- ropa eine paradiesische Ausnahme.“ Doch zen in eine Fruchtfolge aufgenommen wer- lenstoffgehalts führen. So sind in Deutsch- auch in Deutschland, vor allem im Osten, den. Bei Pflanzenschutzmitteln sollte sich land die Waldböden weitgehend und stark sind klimabedingte Schwierigkeiten zu er- die Industrie um eine bessere Beleuchtung versauert – ein Vermächtnis aus der starken warten. Für einen effektiven Bodenschutz von Umweltwirkungen und Genaktivität industriellen Schadstoffbelastung bis in die braucht man künftig also noch mehr Daten der Kulturpflanzen bemühen, um die Effi- späten Siebziger Jahre. „In diesem Punkt ist und Informationsverzahnungen, um Wir- zienz der Wirkstoffe zu steigern. „Bei der die Regenerationsfähigkeit des Bodens ei- kungen und Wirkstoffkombinationen bes- Mittelvielfalt haben wir in Zukunft sicher- gentlich nicht vorhanden“, stellt Weinfurt- ser abschätzen können. Weinfurtner gibt zu: lich noch Nachholbedarf“, ergänzt Peter ner fest. Dieses Problem kriege man nur „Das ist eine Herausforderung für die Wis- Burauel, der seit 2012 außerdem die Stabs- noch durch technische Maßnahmen wie senschaft und auch für die Industrie, die wir stelle ZukunftsCampus am Forschungs- Waldkalkung in den Griff. Landwirte kal- gemeinsam bearbeiten müssen.“ zentrum Jülich leitet. ken ihre Böden schon seit Jahrzehnten. Auch wenn die Landwirtschaft sehr viele Ein verbessertes Verständnis von Struktur- Während man Luft- und Wasserverschmut- Stoffe in die Böden einbringt: Sie entnimmt und Funktionskopplung sollte zum langfris- zungen sieht und riecht, nimmt man Boden- gleichzeitig nicht weniger durch die Ernte. tigen Erhalt der Bodenleistung erheblich verschmutzungen oft gar nicht oder nur in- Für die Landwirte gilt daher: Vielfalt, Vor- beitragen, ist sich Richard Schmuck von direkt wahr. Die schleichende Belastung der sicht und Augenmaß beim Einsatz von Dün- Bayer CropScience sicher. Nicht außen vor Böden mit Schadstoffen sieht man auch heu- ge- und Pflanzenschutzmitteln. gelassen werden dürfe auch das erhebliche te noch nicht. So gibt es erst seit 1999 ein Potenzial im Bereich des Digital Farmings, Bodenschutzgesetz. Weinfurtner erklärt das das gezieltere Düngung und Pflanzenschutz Dilemma: „Böden vertragen über sehr lan- Neue Wirkstoffklassen nötig unter Berücksichtigung kleinsträumiger ge Zeit sehr viel mehr als Luft und Wasser, Gegebenheiten ermögliche. Beim Pflanzen- doch ist der kritische Punkt erst erreicht, Eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben der schutz selbst werde man sich noch stärker sind sie erschöpft. Dann schafft man es auch Industrie ist die Entwicklung neuer Wir- um die Integration verfügbarer Technologi- nicht, sie in kurzer Zeit wiederherzustellen.“ kungswege und -mechanismen. Ähnlich en zum optimalen Pf lanzenschutz bei wie bei Antibiotika nimmt die Entwick- gleichzeitiger Minimierung der Ressour- Grundsätzlich ist ein Boden dann gesund, lungsrate neuer Wirkstoffklassen ab. Das cen- und Umweltbeanspruchung bemühen. wenn er seine Funktionen erfüllen kann. müsse aber das Ziel sein, meint Fraunhofer- Agrarwissenschaftler Peter Burauel fasst Karlheinz Weinfurtner resümiert: „Wir al- Forscher Karlheinz Weinfurtner. Man kön- zusammen: „Generell brauchen wir den le leben davon, dass Böden zur Durchfüh- ne die Dosierung von Pflanzenschutzmit- chemischen Pflanzenschutz, er muss nur in- rung von Transferprozessen in der Lage teln nicht unbegrenzt erhöhen. Ebenfalls be- telligent angewandt werden.“ VAA MAGAZIN Juni 2014 11
Bruns, Dr. Rola nd Leroux, Dr. Daniele näch ste Legi slatu rper iode : Rainer Nachtra b, 2. Vorsitzender, Don ié. Foto s: Leuschner – VAA Im VAA-Vor stand für die tin Bewersdorf und Dr. Frédéric k, Dr. Thom as Fisc her, 1. Vors itzender, Schatzmeister Dr. Mar Dr. Wolfram Uzic Delegiertentagung in Seeheim Neuer Vorstand gewählt Für die nächsten drei Jahre hat der VAA einen neuen Vorstand, turnusgemäß gewählt von den Delegierten Anfang Mai auf ihrer Tagung im Lufthansa Training & Conference Center Seeheim. Außerdem hat das oberste Verbandsorgan zahlreiche politische Beschlüsse gefasst und Strategien für die Zukunft diskutiert. Am Vorabend eröffnete der Trendforscher Matthias Horx mit seinem Vortrag „Kreativer Kapitalismus“ die Veranstaltung. der politischen n si ch an de r Diskussion elegierte habe Wilfried Robe rs von der Zahlreiche D nter auch Dr. te ilig t, da ru Anträge be Westfalen. Landesgruppe 12 VAA MAGAZIN Juni 2014
VAA 10. Mai An der Tagung am 0 nahmen rund 20 leg ier te au s de n Werks- De up pe n teil. und Landesgr „Hier teilen wir vieles miteinander: Erfahrungen, Strategien oder auch Kritik.“ Dr. Thomas Fischer in seiner Eröffnungsrede zur Delegiertentagung. In se ine r An sp ra ch e ho b de r 1. VA Ab sc hn eid en be A-Vo rs itzen de Dr i de n Au fsi chtsr . Th om as Fis ch at s- un d Betri eb er da s gu te he rvor. De s Weit sr at swah len in za er en sp ra ch Fis hlr eic he n Betri eb Gl ob ali sie ru ng ch er die Ta rif-, En er gie - en un d ak tu ell e Pr oje un d Re nten po liti kte de s VA A an k sowi e die . VAA MAGAZIN Juni 2014 13
VAA ährend Gespräch w a Madaus im und Angelik M an ue la Rousseau Prof. n (v. l.). af feepause einer der K Beschlüsse der Tagung Industriepolitik Die deutsche Industrie muss im globalen Wettbewerb durch eine spürbare Verbesserung der Rahmenbedingungen gestärkt werden, um die Standortattraktivität zu sichern. Erneuerbare-Energien-Gesetz Bei der EEG-Reform ist ein vollständiger Bestandsschutz für industrielle Eigenstromerzeugungsanlagen zu garantieren. Tarifeinheit Die Chemie-Sozialpartner sind gefordert, eine trilaterale Verein- barung zur Verankerung der branchenspezifischen Tarifpluralität unter dem Dach der Tarifeinheit abzuschließen. Kalte Progression Das verfügbare Nettoeinkommen darf nicht durch die kalte Progression geschmälert werden. Teilzeit Die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten für alternative Arbeitszeitmodelle wie Teilzeit müssen von den Unternehmen besser genutzt werden. Beschäftigungsfähigkeit An öffentlichen Bildungseinrichtungen müssen zertifizierte iten deutlich mehr als Führungskräfte in der Chemie arbe Prof. Wolfgang Appel in Weiterbildungsangebote für hochqualifizierte Arbeitnehmer mit der Bevölkerungsdurchschnitt, so halten von Managern anerkannten Abschlüssen entstehen. seinem Vortrag zum Arbeitszeitver am 10. Mai in Seeheim. auf der VAA-Delegiertentagung 14 VAA MAGAZIN Juni 2014
VAA In seinem Vortrag am Vorabend der Delegier tentagung analysie rte Matthias Horx die Wechselwirkungen von sozialen, technologischen und wirtschaftlichen Trends in Bezug auf die aktuellen gesellschaftspolitischen Debatte n. Trendjäger Horx erklärt Zukunft der Arbeitswelt Unter dem Titel „Kreativer Ka- pitalismus“ präsentierte der „Kreativität ist langsam und ‚umständlich‘.“ renommierte Trend- und Zu- kunftsforscher Matthias Horx Matthias Horx vom Zukunftsinstitut beim bei der Vorabendveranstal- Vortrag über kreativen Kapitalismus am tung der Delegiertentagung Vorabend der Delegiertentagung. seine Sicht auf die Zukunft der Arbeitswelt. Der Gründer des „Zukunftsinstituts“ analy- sierte in seinem Vortrag die Wechselwirkungen von sozi- alen, technologischen, öko- nomischen und politischen Trends in Bezug auf die aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten. Dabei thematisierte Horx, der seit 2007 als Dozent an der Zeppelin Universität in Fried- richshafen Prognostik und Früherkennung lehrt und sich der Weiterentwicklung der „Futurologie” zu einer Consulting-Dis- ziplin widmet, auch generelle Überlegungen zu Entstehung wichtiger Trends: „Zukunft entsteht nicht linear, sondern im- mer aus einer Bewegung, aus einer Schleife heraus.“ Häufig entstehe aus einem Trend und einem Gegentrend schließlich ein Synthesetrend, der die weitere Entwicklung maßgeblich be- einflusst. Als einen zentralen Trend für die zukünftige Arbeit in der Wissensgesellschaft arbeitete Horx die steigende Bedeu- tung der Kreativität heraus. Diese Entwicklung werde auch durch bestimmte Megatrends befördert: „Die Globalisierung hat die ökonomischen Prozesse massiv beeinflusst. Wir gera- ten in einen starken Innovationsdruck, weil auch der Rest der VAA -Hau ptge schä ftsfü hrer Gerh Welt unser Wohlstandsniveau erreichen will.“ Für die Zukunft ard Kron isch , Tagu ngsl eiter Dr. Roland Leroux und Vorstand der Menschheit insgesamt gab Horx eine grundsätzlich opti- smitglied Dr. Wolfram Uzick (v. l.). mistische Prognose ab: „Kein ausgehender Rohstoff wird die Menschheit zurück in die Steinzeit katapultieren. Die Steinzeit ist auch nicht an einem Mangel an Steinen zu Ende gegangen.“ Fotos: Leuschner – VAA VAA MAGAZIN Juni 2014 15
VAA-Delegiertentagung 2014 Mit freundlichen Grüßen Dr. Angela Merkel, CDU Innovationsnation in Europa. Unser Land ist heute die führende sten in Europa, die Arbeits- Unser Wachstum ist eines der höch Deutschland das einzige Land losenquote die zweitniedrigste und amthaushalt die letzten zwei der EU, in dem der öffentliche Ges ausgekommen ist. Gleichzeitig Jahre ohne zusätzliche Schulden drei Prozent des Brut toinlands- werden in Deutschland nahezu icklung investier t. Damit erfüllen produktes in Forschung und Entw ches Ziel. Wir wollen dies en er- Sigmar Gabriel, SPD wir ein gemeins ame s europäis n und setzen dabei auch auf Sie, folgreichen Weg weiter fortsetze Unternehmen haben es in der Han Führ ung skrä fte der deu tsch en d, Fachkräften attraktive Bedingu die leite nde n Ang este llten und zu bieten: durc h ange mes sene ngen Verg ütun g ihre r Arbe it, durc h Chemieindustrie. Verhältnisse am Arbeitsplatz und faire durch eine innovationsfreundliche Atm osphäre. Die Verbände spie len in diesem Konzept der Sozi Marktwirtschaft eine wichtige Rolle alen . „Wir tschaftspolitik für den Men schen“ heißt auch, Sozialpartne - rschaft und unternehmerische Vera wortung gleichermaßen zu stärk nt- en. Ihr Verband steht für das Leitb verantwortungsbewusster Unte ild rnehmen. Ich bin Ihnen dankbar öffentliches Bekenntnis zur Arbeitneh für Ihr merfreizügigkeit in Europa und Ihre Unterstützung beim Elterngeld Plus . Und noch eine andere Besonder zeichnet Ihre Unternehmen aus: heit Mit hocheffizienten Industrieanla und einem innovationsreichen Prod gen uktkatalog sind Sie wichtige Akte für das Gelingen der Energiewende ure . Deshalb bitte ich Sie: Mischen sich ein und gestalten Sie als Expe Sie rtinnen und Experten unsere Ges schaft mit! ell-
Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen e Produkte können nur Viele neue, innovative, klimafreundlich entwickel t werd en. Ich mit Hilfe der chemische n Indu strie Der Klimaschutz braucht möchte es in aller Deutlichkeit sagen: helfen, Gebäude zu Sie und Ihre Innovationen. Chemie kann den Verkehr sauberer dämmen, Solarstrom zu erzeugen oder die chemische Indus- zu gestalten. Auch beim Recycling trägt Rohstoffe wie seltene Er- trie entscheidend dazu bei, wertvolle ngigkeit von Rohstoffim- den wiederzugewinnen und die Abhä zur Erhöhung der Ener- porten zu verringern. Die Potenziale . gie- und der Materialef fizienz sind hoch Katja Kipping, DIE LINKE Gemeinsam mit Ihnen glauben wir, dass gute Arbeitsbedingungen, die Vermeidung von Stres s am Arbe itsplatz und Arbeitszeiten, die eine Vereinbarkeit von Familie, Freizeitak tivitäten und Beruf ermög- lichen, die großen Herausforderungen unserer Zeit sind. Um diese Herausforderungen anzugehe n, brau cht es mehr Mitbestimmung des Einzelnen und der Betriebsräte bei Fragen der Gestaltung der Arbeitsaufgabe und der Arbeitsorganis ation, des Arbeitsumfeldes und bei der pers onell en Ausg estal tung des Arbe itsbe reich s. Wir brauchen zudem eine Ausrichtung der Arbeitszeit an den Bedürfnissen der Beschäftigten. Es bedarf verbindlic her Ansprüche der Beschäf- Horst Seehofer, CSU Foto: Stephan Erfurt – Deutscher Bundestag tigte n auf familienge rechte Arbe itsze iten; Arbe it und Priva tlebe n müssen vereinbar sein. Di e ch em isc he Ind us tri e ist Zuku nft ak tuell wird uns un d ha t Zuku nft. wieder bewusst, Ge rad e Deutschland hat. we lch e be sondere n St Da zu zählt insbeso ärken trie als eine der tra ndere die chemisc ditionsreichsten Sä he Ind us- zum Wohlstand un ulen, die seit Gene d Er folg Deutschlan rat ion en Kompetenz, Forsc ds beiträgt. Er fah hung und Entwick rung und von Unternehmen lung, ein enges Mi , Hochschulen un teinander gewachsenen Struk d Ge sellschaft – unsere turen sind erfolgrei derar t bewundernd anerk ch und werden int annt. ern ati onal
VAA Podiumsdiskussion in Dresden Standort Sachsen stärken Rund 50 Gäste aus Politik und Wirtschaft haben sich Mitte Mai in Dresden getroffen, um über Geschichte, Rahmenbedingungen, Wettbewerbsfähigkeit und Zukunft der Pharmabranche am traditionsreichen Standort Sachsen zu sprechen. Im Mittelpunkt der Diskussion mit sächsischen Landtagsabgeordneten: die Interessen der Chemie- Führungskräfte in den neuen Bundesländern. Zum Thema „Großraum Dresden – Zentrum der mit telständischen che misch-pharmazeutische Industrie?“ debattiert n en: Prof. Thomas Beiss Tor sten Herbst, MdL wenger, FDP, Aline Fiedler, Md Moderatorin Katharina L CDU, Gerlach, Dr. Jana Pin DIE LINKE, Prof. Claus ka, MdL Rüger, TU Dresden (v. l.). umriss Professor am 15. Mai in Dresden In seinem Impulsvor trag rau sfo rde rungen wie die die zahlreichen He Thomas Beisswenger erserkrankungen, klung, zunehmende Alt demografische Entwic armaindustrie eine der , aufgrund derer die Ph Antibiotikaresistenzen ranchen darstellt. wichtigsten Zukunftsb Nach der Podiumsdiskussion blieben zahlreiche Gäste bis in die späten Abendstunden zum Netzwerken im Hotel Elbflorenz in der Dresdner Altstadt. Fotos: Dehlis – VAA 18 VAA MAGAZIN Juni 2014
VAA Aufsichtsratswahlen bei Merck Erfolg auf ganzer Linie Mit einem Paukenschlag sind die Aufsichtsratswahlen bei der Merck KGaA in Darmstadt zu Ende gegangen: VAA-Kandidaten konnten die Hälfte aller zur Wahl stehenden Sitze gewinnen. Vier von acht Sitzen im neu gewählten Merck-Aufsichtsrat gingen an die Kandi- daten des VAA. Während die Vorsitzen- de der Werksgruppe Merck Dr. Mechthild Auge erneut als eine von insgesamt fünf Arbeitnehmervertretern gewählt wurde, konnte Dr. Gabriele Eismann einen zu- sätzlichen Arbeitnehmersitz für den Ver- band erringen. „Es ist uns gelungen, un- ser Ergebnis im Vergleich zur letzten Auf- sichtsratswahl zu verdoppeln“, so die frisch wiedergewählte Aufsichtsrätin Mechthild Auge. „Dieser Erfolg geht auf das Konto eines überzeugenden Konzep- tes und auf die gute Teamarbeit des Wahl- kampfteams.“ Das Kompliment gelte al- len Beteiligten, sowohl vor Ort in Darm- stadt als auch in der VAA-Kampagnen- zentrale in Köln. Erstmals ist es dem VAA zudem gelun- gen, einen der beiden Gewerkschaftssit- ze zu gewinnen. Der bisherige Vertreter der leitenden Angestellten im Aufsichts- rat Dr. Karl Heinz Scheider konnte die- sen Erfolg für sich verbuchen. Auf den freigewordenen, einzigen Sitz der Leiten- den neu gewählt wurde mit dem Vorsit- zenden des Sprecherausschusses bei Merck Dr. Dietmar Oeter ebenfalls der Kandidat des VAA. Schon das Wahlplakat macht den Schwerpunkt der VAA-Kampagne zu den „Ohne Übertreibung kann man bei den Aufsichtsratswahlen bei Merck deutlich: die richtige Mischung. Die Expertise aus den Aufsichtsratswahlen bei Merck von ei- Geschäftsbereichen Pharma und Chemie zusätzlich zu den Funktionären aus Gewerkschaft nem wirklich großartigen Ergebnis spre- und Betriebsrat hat die Wähler überzeugt. Fotos: MPI für Polymerforschung, Merck chen“, bestätigt der Stellvertretende Hauptgeschäftsführer des VAA Manfred Franke. Die hohen Erwartungen vonsei- ert die Wahlkampfaktivitäten für die müdlichen Einsatzes haben die VAA- ten des Kampagnenteams seien übertrof- Aufsichtsrats- und Betriebsratswahlen Kandidaten in Darmstadt auf ganzer Li- fen worden. Franke koordiniert die Auf- vonseiten der VAA-Geschäftsstelle. nie überzeugt. Dies zeigt: Engagement sichtsratsarbeit des Verbandes und steu- „Dank ihrer Kompetenz und ihres uner- lohnt sich!“ VAA MAGAZIN Juni 2014 19
VAA Ergebnisse der Betriebsratswahlen VAA baut Stellung aus In den meisten Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie sind die Betriebsratswahlen 2014 bereits vorbei. Dabei zeichnet sich ein klarer Erfolgstrend für den VAA ab: Bei Redaktionsschluss standen für die VAA-Kandidaten 227 Mandate in 106 Betrieben zu Buche. Zur Erinnerung: Ende 2010 hatten Verbandsmitglieder insgesamt 213 Mandate in 118 Betrieben erringen. „Wenn sich unsere Annahmen realisieren In derzeit 14 Betrieben ist der VAA erst- stieg sie bei der Roche Diagnostics GmbH lassen, gehen wir diesmal von über 230 malig oder seit Langem wieder vertreten, in Mannheim von drei auf vier und in Mandaten aus“, schätzt der Stellvertreten- so zum Beispiel bei der B. Braun Mel- Penzberg von vier auf sechs Mandate. Ei- de VAA-Hauptgeschäftsführer Manfred sungen AG. Dort haben die VAA-Kandi- nen Anstieg von einem Mandat auf drei Franke. „Damit hätten wir unsere Position daten aus dem Stand vier Mandate ge- Mandate meldet die VAA-Liste bei der in den Betrieben weiter gestärkt.“ Im VAA holt. Gleiches ist dem Verband bei der Wacker Chemie AG in Burghausen. In der ist Franke verantwortlich für die Koordi- Aur ubis AG in Hamburg gelungen. Daiichi Sankyo Gruppe ist die Mandats- nierung der Betriebsratsarbeit und die Be- Ebenfalls auf Anhieb hat der VAA drei zahl betriebsübergreifend von drei auf treuung der Betriebsratswahlkampagne. Betriebsratsmandate in der Betriebsstät- acht angestiegen, bei der Siemens AG in Schon jetzt liege man mit den Ergebnissen te Nord Ost der TÜV SÜD Chemie Ser- Frankfurt am Main von drei auf vier. merklich über der Planke des Vergleichs- vice GmbH gewonnen. zeitraums der letzten Betriebsratswahlen Seine Stellung ausgebaut hat der VAA im im Jahr 2010. Besonders hervorzuheben ist das Wahler- Heraeus Konzern: In den Standorten in gebnis bei der Deutz AG Hanau und Leverkusen sicherten sich die in Köln: Erstmals in die- Kandidaten insgesamt sieben Betriebs- sem Metallbetrieb ange- ratssitze. Bemerkenswert dabei: Allein im treten, hat der VAA direkt Gemeinschaftsbetrieb Rhein Main gelang drei Mandate errungen. ein gewaltiger Sprung von einem Mandat Auch bei der Pricewater- auf nunmehr fünf Mandate. Einen Zu- houseCoopers Wi r t- wachs um zwei auf jetzt drei Mandate gibt schaftspr üf ungsgesell- es unter anderem bei der Solvay Acetow schaft AG in Düsseldorf GmbH in Freiburg. Dabei ist der Verband konnten VAA-Kandidaten dort überhaupt erst seit 2010 vertreten. sofort drei Mandate ge- winnen. „Das zeigt, dass Die Positivliste ließe sich noch weiter fort- der VAA auch branchen- setzen, meint Manfred Franke. Alles in al- übergreifend eine starke lem seien die Wahlergebnisse ein Beleg für Vertretung für AT-Ange- die hervorragende Arbeit der VAA-Be- stellte bietet“, kommen- triebsräte in den Betrieben vor Ort. Auch tiert VAA-Betriebsratsex- der Vorsitzende der Kommission Betriebs- perte Franke das Ergebnis räte Dr. Theodor Reuters (im Bild) bestä- in den „chemiefernen“ tigt: „AT-Arbeit im Betriebsrat bringt ei- Betrieben. nen echten Mehrwert und zahlt sich aus: sowohl für das Unternehmen als auch die Fest verwurzelt in Chemie Belegschaft als auch unseren Verband.“ und Phar ma kann der VAA eine deutliche Stei- Für die endgültige Analyse der Betriebs- gerung in vielen Unter- ratswahlergebnisse werden Werksgruppen nehmen seiner Stamm- und Einzelmitglieder gebeten, die Resul- branche vermelden: Wäh- tate – soweit noch nicht geschehen – an die rend die Mandatszahl bei VAA-Geschäftsstelle in Köln unter der der BASF SE von fünf auf E-Mail-Adresse claudia.klein@vaa.de Foto: Wim Woeber – VAA sieben gewachsen ist, zu melden. 20 VAA MAGAZIN Juni 2014
VAA versicherungspflicht Rentenversicherung ändert Befreiungspraxis Mitglieder der sogenannten verkammerten Berufe – dazu gehören Apotheker, Mediziner, Architekten und Juristen – sind verpflichtet, Beiträge an das jeweilige Versorgungswerk ihres Berufsstandes abzuführen und erhalten dafür entsprechende Rentenanwartschaften. Unter bestimmten Voraussetzungen entfällt dann die Pflichtmitgliedschaft in der Gesetzlichen Rentenversicherung. Nun hat die Deutsche Rentenversicherung Bund ihre Befreiungspraxis geändert und damit die Befreiung vieler Apotheker und Mediziner in der chemischen Industrie von der Versicherungspflicht infrage gestellt. Bereits Ende 2011 hatte die Deutsche Ren- tenversicherung Bund (DRV) im Rahmen einer Betriebsprüfung bei einem Pharma- betrieb festgestellt, dass die dort beschäf- tigten Apotheker aus ihrer Sicht nicht die für die Befreiung von der Gesetzlichen Rentenversicherung erforderlichen Vor- aussetzungen erfüllen. Die DRV begrün- dete dies im Wesentlichen damit, dass ei- ne zur Befreiung von der gesetzlichen Ren- tenversicherungspflicht berechtigende be- rufsspezifische Beschäftigung nur dann in Durch die geänderte Befreiungspraxis steht die Befreiung vieler Apotheker und Mediziner in Betracht komme, wenn die Approbation als der chemischen Industrie von der Rentenversicherungspflicht infrage. Foto: Merck Apotheker objektiv unabdingbare Voraus- setzung für die fragliche Tätigkeit ist. Die gerichtliche Auseinandersetzung darüber eine sogenannte „Vertrauensschutzrege- Als Reaktion auf diese Praxis fordern die Ar- vor den Sozialgerichten dauert noch an. lung“ veröffentlicht. Daraus geht hervor, beitgeber die betroffenen Arbeitnehmer nun dass für jede nach dem 31. Oktober 2012 vermehrt auf, sofort neue Befreiungsanträge Hiervon unabhängig hat das Bundessozi- neu aufgenommene Beschäftigung ein zu stellen. Wird ein solcher Antrag abgelehnt, algericht (BSG) in einer Entscheidung vom neuer Antrag auf Befreiung von der Versi- weil der Arbeitnehmer in den letzten Jahren 31. Oktober 2012 (Aktenzeichen: B 12 R cherungspflicht gestellt werden muss. aus Sicht der DRV keine befreiungsfähige 3/11 R) klargestellt, dass die einmal ausge- Tätigkeit ausgeübt hat, muss der Arbeitgeber sprochene Befreiung von der gesetzlichen Außerdem beschreibt die Mitteilung die für bis zu vier Jahre Beiträge an die Renten- Rentenversicherungspflicht nicht auf Dau- Vorgehensweise bei Beschäftigungen, die versicherung nachentrichten. Der Verjäh- er erfolgt, sondern nur für die jeweilige Tä- vor diesem Stichtag aufgenommen wur- rungszeitraum wird kalenderjährlich berech- tigkeit gilt, für die sie beantragt wurde. Bei den. Besonders bedeutsam sind die Aussa- net und umfasst bei einer im Jahr 2014 abge- jedem Wechsel der Tätigkeit ist daher ein gen über Arbeitnehmer, die in der Vergan- lehnten Befreiung das angefangene Jahr 2014 neuer Befreiungsantrag bei der DRV zu genheit zwar für die Ausübung einer klas- sowie die Jahre 2010 bis 2013. stellen, wobei der Antrag binnen drei Mo- sischen berufsspezifischen Tätigkeit befreit naten nach dem Tätigkeitswechsel gestellt worden waren, in der Zwischenzeit aber die Wer von seinem Arbeitgeber aufgefordert werden muss. Andernfalls ist eine erneute Beschäftigung gewechselt haben, ohne ei- wird, die Befreiung von der gesetzlichen Befreiung nur noch ab dem Zeitpunkt der ne neue Befreiung beantragt zu haben, al- Rentenversicherung neu zu beantragen, Antragstellung wirksam, unabhängig da- so nicht im Besitz einer aktuell gültigen sollte dem nachkommen. Gegen negative von, ob die materiellen Befreiungsvoraus- Befreiung sind. In diesen Fällen weist die Bescheide können Arbeitnehmer bei den setzungen bereits zuvor vorgelegen haben. DRV den jeweiligen Arbeitgeber bei Be- Sozialgerichten vorgehen. VAA-Mitglieder triebsprüfungen darauf hin, dass bei der können dabei die besondere Expertise der Als Umsetzung des BSG-Urteils hat die nächsten Betriebsprüfung eine neue Be- VAA-Juristen beim Befreiungsrecht in An- DRV im Januar 2014 auf ihrer Homepage freiung vorgelegt werden müsse. spruch nehmen. VAA MAGAZIN Juni 2014 21
Wirtschaft in Zahlen Renteneintrittsalter: Reformen zeigen Wirkung 64,5 64,0 63,5 63,0 62,5 62,0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Durchschnittliches Zugangsalter gesetzliche Altersrente Durchschnittliches Zugangsalter gesetzliche Altersrente – Männer Durchschnittliches Zugangsalter gesetzliche Altersrente – Frauen Quelle: Deutsche Rentenversicherung, Foto: auremar – Fotolia Rentenpolitik: Einfluss heißt Verantwortung Zwischenruf Es gibt nicht viele Bereiche, in denen sich scheidungen, dass diese auch Wirkung zei- politische Entscheidungen so direkt und gen. Dieser direkte Einfluss bedeutet aber spürbar auf das Arbeitsleben auswirken, auch, dass die Politik mit den Instrumenten Foto: VAA wie es in der Rentenpolitik der Fall ist. Das der Rentenpolitik besonders verantwor- gilt insbesondere im Hinblick auf die ge- tungsvoll umgehen muss! Und gerade die- Dr. Thomas setzliche Regelaltersgrenze. Am Verlauf sem Anspruch wird die Rente mit 63 nicht Fischer des durchschnittlichen Zugangsalters in die gerecht. Die volkswirtschaftliche Fragwür- gesetzliche Altersrente seit dem Jahr 2000 digkeit dieses Vorhabens haben die „Wirt- ist 1. Vorsitzender des VAA. lässt sich dieser Einfluss ablesen. So wur- schaftsweisen“ unlängst in ihrem Früh- de beispielsweise der Weg in die vorzeitige jahrsgutachten aufgezeigt. Rente durch die Verkürzung der Bezugs- jenigen Arbeitnehmer, die durch ihre kör- zeiten des Arbeitslosengeldes im Rahmen Dass es vor dem Hintergrund des demo- perlich anspruchsvollen Berufsbilder nur der Hartz-Gesetze 2006 und 2008 deutlich grafischen Wandels nicht sinnvoll sein selten auf 45 Beitragsjahre kommen und erschwert. Auch die schrittweise Anhebung kann, die mühsam errungene Abkehr von häufig Erwerbsminderungsrenten in An- des Regelrentenalters auf 67 Jahre entfaltet der Frühverrentungspolitik durch ein ge- spruch nehmen müssen, profitieren hinge- bereits ihre Wirkung. Eine aktuelle Studie genteiliges Signal in Frage zu stellen, liegt gen kaum von dieser Rentenreform. Auch des Deutsches Institutes für Wirtschaftsfor- auf der Hand. Bleibt der Aspekt der Ge- die Generationengerechtigkeit bleibt au- schung in Berlin zeigt: Rentenreformen ha- rechtigkeit, der von den Befürwortern der ßen vor, denn mittelfristig wird die Ren- ben erheblichen Einfluss auf das Verhalten Rente mit 63 immer wieder ins Feld ge- te mit 63 die Beitragssätze stärker steigen der Menschen beim Renteneintritt. Das ist führt wird: Von der Möglichkeit zum ab- lassen. Im Ergebnis bleibt also festzuhal- für Rentenpolitiker sicherlich einerseits ein schlagsfreien Renteneintritt nach 45 Bei- ten: Das Rentenpaket der Großen Koaliti- Grund zur Freude: Denn bestimmt wün- tragsjahren werden vor allem ohnehin gut on ist weder ökonomisch sinnvoll noch ist schen sie sich bei ihren politischen Ent- verdienende Facharbeiter profitieren. Die- es gerecht. 22 VAA MAGAZIN Juni 2014
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Branche Interview mit Professor Holger Görg Globalisierung: Deutschland profitiert Die Globalisierung gilt als einer der entscheidenden Megatrends der Gegenwart. Aber welche volkswirtschaftlichen Mechanismen verbergen sich hinter diesem Phänomen? Und wie wirkt sich die zunehmende Verflechtung der Weltwirtschaft auf die deutsche Wirtschaft aus? Das VAA Magazin sprach darüber mit Professor Holger Görg, Leiter des Forschungsbereichs „Internationale Arbeitsteilung“ am Institut für Weltwirtschaft in Kiel. VAA Magazin: Globalisierung ist als Begriff VAA Magazin: Wie wirkt sich die Globali- Das relativ einfache „Zusammenschrauben“ in aller Munde. Was sich aber genau dahin- sierung der Weltwirtschaft auf die deut- wird immer mehr in andere Länder verla- ter verbirgt, bleibt häufig unklar. Wie wird sche Wirtschaft aus? Sind wir eher Gewin- gert. Nehmen wir das Beispiel Deutschland das Phänomen aus wirtschaftswissen- ner oder Verlierer? und China: Deutschland hat die Vorausset- schaftlicher Sicht definiert? zungen bei der Infrastruktur und bei der Be- Görg: Generell ist Deutschland natürlich schäftigungsstruktur, um forschungsinten- Görg: Der Begriff „Globalisierung“ wird ein Land, das sehr stark in der Globalisie- sive Produkte herstellen zu können. China in der Tat sehr häufig und mit unter- rung drin steckt. Die deutsche Wirtschaft hat jedenfalls im Moment noch den großen schiedlichen Bedeutungen benutzt. Aus ist sehr exportintensiv, wir importieren Vorteil, dass es dort billige Arbeitskräfte wissenschaftlicher, aber auch aus unter- aber auch sehr viele Vorleistungen, Dienst- gibt. Dann ist es natürlich sinnvoll, dass die nehmerischer Sicht bedeutet Globalisie- leistungen und Güter aus anderen Ländern. arbeitsintensiven Stufen der Produktion rung zunächst einmal die wachsende und Aber auch was den Austausch von Wissen dorthin verlagert werden. Das ist für die chi- immer wichtiger werdende Verflechtung angeht, sind wir international sehr stark nesische Volkswirtschaft gut, die sich dar- von internationalen Beziehungen. Es verflochten. Deutschland ist also ganz ge- auf spezialisieren kann, und das ist für die geht dabei um internationalen Handel, wiss eines der Länder, die von der Globa- deutsche Volkswirtschaft gut, die sich auf internationale Kapitalflüsse, Migration lisierung profitieren. Denken Sie an die Fi- die forschungsintensiven Aspekte der Pro- und auch um den Transfer von Wissen. nanzkrise, die einige Länder stark getrof- duktion konzentrieren kann. Das ist jeden- Also die zunehmende internationale Ver- fen hat. Deutschland hat gut dagestanden. falls die Theorie und in der Praxis sieht man netzung von Personen, Unternehmen und Dafür gibt es natürlich viele Faktoren, aber zumindest die klare Tendenz dazu. Staaten. zu einem Teil ist das sicherlich der inter- nationalen Vernetzung und der Exportstär- VAA Magazin: Was geschieht, wenn die jet- ke zu verdanken. zigen Schwellenländer technologisch auf- holen? VAA Magazin: Welche wirtschaftlichen Me- chanismen verbergen sich hinter diesen Görg: Natürlich stellen Länder wie China, Globalisierungsvorteilen? Brasilien oder Indien inzwischen auch hö- herwertige Produkte her und investieren Görg: Grundsätzlich ist die Idee ganz ein- mehr in Forschung und Entwicklung. Sie fach: Es geht bei der Globalisierung darum, klettern sozusagen die Leiter der Pro- Foto: privat dass sich Unternehmen, die in einem be- duktqualität langsam nach oben. Das hat Prof. Holger stimmten Land produzieren, auf das spezi- auch Implikationen für Länder wie Deutsch- Görg alisieren, was sie besonders gut können. land. Bislang ist diese Entwicklung aber noch Gleichzeitig werden andere Aspekte, die für auf einem sehr niedrigen Niveau und es ist ist Leiter des Forschungsbereichs „In- die Produktion ebenfalls wichtig sind, in an- für die Schwellenländer auch nicht ohne Pro- ternationale Arbeitsteilung“ am Institut dere Länder ausgelagert, in denen diese As- bleme, dabei weiterzukommen. Deutschland für Weltwirtschaft in Kiel und Professor pekte besser gemacht werden können. In operiert nach wie vor an der Technology für Außenwirtschaft an der Christian- Deutschland geht der Trend eindeutig hin Frontier, also der Grenze dessen, was tech- Albrechts-Universität zu Kiel. zu forschungs- und entwicklungsintensiven nologisch möglich ist. Die Herausforderung Produkten, aber auch zu Dienstleistungen. für unser Land und die hier ansässigen Un- 24 VAA MAGAZIN Juni 2014
ternehmen ist es, dort zu bleiben. Also wei- VAA Magazin: Welchen Beitrag kann die ich schon angesprochen habe. Wenn sich terhin hochwertige Forschung und Entwick- Wirtschaftspolitik dazu leisten, dass an dieser Struktur etwas zum Negativen lung zu leisten, neue Innovationen zu entwi- Deutschland weiterhin zu den Gewinnern hin ändert, hat das natürlich gerade in ei- ckeln und diese auf den Markt zu bringen. der Globalisierung gehört? ner globalisierten Volkswirtschaft Aus- wirkungen. Wenn es die hochqualifizier- VAA Magazin: Wie wichtig sind aus Ihrer Görg: Politik muss die Rahmenbedingun- ten Beschäftigten, die forschen und ent- Sicht die industriepolitischen Rahmenbe- gen dafür schaffen, dass Unternehmen und wickeln können, in Deutschland nicht dingungen für die Standortentscheidungen Personen an der Globalisierung teilnehmen mehr in ausreichender Zahl gibt, stellt sich von Unternehmen? können. In der Finanzkrise hat sich die für Unternehmen die Frage, ob sie etwas deutsche Bundesregierung zu Recht nicht anderes herstellen, weil sie international Görg: Wenn man sich eine Volkswirtschaft allzu sehr von Forderungen in Richtung nicht mehr wettbewerbsfähig sind, oder generell und die Standortentscheidungen Protektionismus treiben lassen. In anderen ob sie diese Stufen der Produktion im von Unternehmen anschaut, sind dabei Ländern wurden da teilweise deutlich mehr Ausland ansiedeln. hauptsächlich die wirtschaftlichen Grund- Maßnahmen in dieser Richtung ergriffen. faktoren ausschlaggebend. Es muss eine Unternehmen müssen frei und ohne große Es gibt inzwischen sicherlich in einem ge- gute Infrastruktur geben, man muss in die- Probleme investieren und importieren kön- wissen Maße einen Fachkräftemangel, aber sem Land ohne Risiko arbeiten können und nen, sich im Ausland niederlassen und wie- zumindest im Moment ist das aus meiner es muss gut ausgebildete Beschäftigte ge- der zurückkommen können. Sicht noch kein großes Problem. Längerfris- ben. Wenn diese fundamentalen Faktoren tig könnte es durch den demografischen da sind und sich ein Land dadurch abhebt, VAA Magazin: Werden die Auswirkungen Wandel aber ein Problem werden. Das ist al- dass es vielleicht zusätzlich eine gute For- der demografischen Entwicklung im Hin- lerdings insofern schwierig zu prognostizie- schungsförderung hat, kann das natürlich blick auf die Globalisierung für den Stand- ren, weil es dabei auch darauf ankommt, wie ein Bonus sein. Auf der Ebene der Gesamt- ort Deutschland zum Problem? ein Land mit Migration umgeht. Denn Ar- wirtschaft ist das aus meiner Sicht aber beitskräfte kann man ja bekanntermaßen eher das Tüpfelchen auf dem i. Für einzel- Görg: Problem würde ich es nicht nennen, nicht nur aus der einheimischen Bevölke- ne Unternehmen können solche Faktoren aber die Beschäftigungsstruktur ist eben rung rekrutieren, sondern man kann sie allerdings durchaus ausschlaggebend sein. einer dieser fundamentalen Faktoren, die auch aus dem Ausland „herlocken“. Foto: Siever – Fotolia
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