BERUF Berufsbegleitendes Bachelorstudium - hlb Hochschullehrerbund
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Ausgabe 05-2021 FÜR ANWENDUNGSBEZOGENE WISSENSCHAFT UND KUNST Berufsbegleitendes Bachelorstudium BERUF STUDIU M Campusnotizen hlb aktuell Aus Wissenschaft Wissenswertes Ein Traum wird wahr hlb-Umfrage zur Meinungs- & Politik Hochschullehrende als und Wissenschaftsfreiheit Neun Mythen der digitalen Rechtsbeistände Bildung 4 20 33 36
2 Inhalt Campusnotizen Titelthema: hlb aktuell 4 Fachhochschule Münster: Berufsbegleitendes 20 Promotionsrecht: Berlin hat Seminar vertiefte internationale Bachelorstudium Promotionsrecht | Von PM hlb Berlin Zusammenarbeit 20 Auswertung der hlb -Umfrage Hochschule Neubrandenburg: Mehrheit sieht Meinungs- und Ein Sommer(nachts)traum geht in 8 Work-Based-Learning als Wissenschaftsfreiheit an HAW nicht in Erfüllung didaktisches Instrument Gefahr | Von Thomas Brunotte | Von Prof. Dr. Michael Ruf 5 Hochschule Fresenius: 23 hlb -Kolumne: Was ist eigentlich Berufsbegleitende Studiengänge in 12 Kein „Bachelor light“ im diese Digitalisierung? | Von Jörn Chemie und Biologie berufsbegleitenden Studium Schlingensiepen | Von Dr. Anke Wittich 6 Hochschule München: Sinkende Studiennachfrage: durch Service, 16 Berufsbegleitend Physiotherapie Kooperation und Weiterentwicklung in Osnabrück studieren | Von Dr. Wissenswertes aus der Krise Christoff Zalpour und Sabrina Friehe 7 Jade Hochschule: Ausbreitung von 36 Alles, was Recht ist Covid-19 und Armut 37 Neue Bücher von Kolleginnen Fachaufsätze und Kollegen 38 Neuberufene 24 Vom Kulturschock zur Aus Wissenschaft interkulturellen Kompetenz & Politik – chinesische Studierende in Deutschland | Von Prof. em. Dr. Standards 32 Nordrhein-Westfalen: Neues Günter Selzer, Prof. Dr. Michael Landesportal für Studium und Lehre Schüller und Margarete Hellmann 3 Editorial Hochschulallianzen: Großes 28 Code FREAK: Automatisches 35 Die Themen der nächsten Potenzial, aber unzureichende Feedback für die Programmier- Ausgaben & Impressum Unterstützung ausbildung | Von Prof. Dr.-Ing. Felix Woelk und Henning Kasch 40 hlb -Seminartermine 2021 33 Zukunft der Lehre: Mythen des digitalen Wandels 34 Bremen: Finanzielle Entlastung für Studierende und Hochschulen DAAD: Kolonialaufarbeitung 35 DZHW: Studierendenbefragung: Wie leben und studieren junge Menschen in Europa? 05 | 2021 DNH
Editorial 3 Mehr als die Summe der Teile Eine hohe Flexibilität bei den Lernzeiten ist eine offensichtliche Vorbedin- gung für ein erfolgreiches berufsbegleitendes Studium. Aber es braucht weitergehende Überlegungen und Maßnahmen, damit aus dem Nebenei- nander von Beruf und Studium ein Miteinander wird. Studieren, um im eigenen Berufsfeld Vorerfahrungen, fordert aber andererseits weiterzukommen, ist bei den Studieren- auch von Arbeitgeberseite ein höheres den unseres Hochschultyps immer schon Maß an Mitverantwortung ein (Seite 12). ein starkes Motiv gewesen, das wir mit Foto: Fotoladen Wedel großer Selbstverständlichkeit aufgenom- Christoff Zalpour präsentiert ein Studi- men haben und weiterhin aufnehmen. enangebot im Bereich Physiotherapie. Bei entsprechender Nachfrage gehen wir Grundsätzlich ist dabei eine Weiterqua- organisatorisch bereitwillig darauf ein – lifizierung bis hin zur Promotion möglich. Christoph Maas durch angepasste Präsenzzeiten und ein Einerseits steht das Fach hier exempla- Chefredakteur erweitertes Selbstlernpensum. Aber wie risch für die Akademisierung der Gesund- können wir erreichen, dass Studierende, heitsberufe. Andererseits werden auch die die in hohem Umfang, möglicherweise Lessons learned, die für das Gelingen des sogar in Vollzeit, berufstätig sind, gedank- Studiengangs entscheidend sind, nicht lich in der akademischen Welt ankom- ausgespart (Seite 16). men? Wodurch spüren sie den Unter- schied zwischen einer Lehrveranstaltung Weitere Studienprogramme finden sich an der Hochschule und dem Abarbeiten in der Rubrik „Campusnotizen“. Diese eines Kundenauftrags im Firmenalltag? Studienmöglichkeiten finden sich an unseren Hochschulen, während gleich- Michael Ruf geht diesen Fragen grund- zeitig der FH/HAW-Anteil an Studieren- sätzlich nach. Dabei betont er vor allem den im ersten Hochschulsemester der die Chance, die darin liegt, den Betrieb 50-Prozent-Marke zustrebt, wir also für zum Lernort zu machen. Dann bestimmt einen großen Anteil „klassisch“ Studie- nicht mehr die betriebliche Alltagspra- render das ganz normale Eingangstor xis das Denken in der Lehrveranstaltung, zur akademischen Welt werden. Es ist sondern die für die Hochschule typische eben typisch für uns, dass wir uns keine Art der Reflexion führt zu einem neuen Entweder-oder-Fragen stellen, sondern Blick auf das Geschehen am Arbeitsplatz. uns den akademischen Aufgaben in ihrer Was das konkret heißt? Lesen Sie selbst Vielfalt stellen. Forschen und lehren, (Seite 8)! Weiterqualifizierung und Studium nach Schulabschluss schließen sich für uns Zwei weitere Beiträge illustrieren nicht aus. Sie, liebe Kolleginnen und Entwicklungspfade anhand bestimmter Kollegen, zeigen tagtäglich, dass diese Berufsfelder: Anke Wittich stellt einen unterschiedlichen Aufgaben in Wech- Studiengang für Bibliotheksfachkräfte vor. selwirkung treten, sich gegenseitig inspi- Sie weisen eine weitgehend einheitliche rieren und unsere Hochschulen zu Orten Vorbildung auf und haben die Erwar- machen, die sich von Stätten akademi- tung, nach Studienabschluss in neuer scher Monokulturen so erfreulich unter- Funktion in die alte Arbeitsumgebung scheiden. zurückkehren zu können. Das erleichtert einerseits die Anerkennung beruflicher Weiter so! Ihr Christoph Maas DNH 05 | 2021
4 Campusnotizen Fachhochschule Münster Seminar vertiefte internationale Zusammenarbeit Wer Materials Science and Engineering Kommilitonen einmal intensiver auszu- eigenes Leben aufzubauen, gleichzeitig an der FH Münster studiert, tut das in tauschen und sie besser kennenzulernen. aber auch die Erwartungen seiner Fami- einem internationalen Umfeld: Zwei „Wir kommen jetzt ins dritte Semester lie zu erfüllen“, erklärt die Dozentin. In Drittel der Studierenden des interdiszip- und ich habe mich zuvor mit bestimmt sogenannten Break-out-Sessions konnten linären Master-Programms stammen aus 80 Prozent noch nie richtig unterhal- die Studierenden schließlich miteinan- dem Ausland – von Kolumbien bis Südko- ten können“, erklärt er. „Ich fand es der ins Gespräch kommen und sich über rea, von Ghana bis Polen. Wo verschie- vor allem spannend, wie die internatio- ihre jeweiligen Erfahrungen unterhalten. dene Kulturen aufeinandertreffen, kann nalen Studierenden uns Deutsche gese- „Viele haben sich darüber gewundert, dass es schon mal zu Missverständnissen hen haben.“ Denn da fanden sich einige man auf dem Land – zum Beispiel hier in kommen. Deshalb hat Dr. Eika Auschner Klischees bestätigt: Die berüchtigte deut- Steinfurt – auch Fremde auf der Straße im Seminar „Intercultural Communication sche Pünktlichkeit, außerdem seien Deut- grüßt“, erinnert sich Rohr. and Competence“ die Studierenden digi- sche schlecht im Small Talk und sehr auf tal zusammengebracht, um ihnen kultu- ihre Arbeit fokussiert. „Da habe ich mich Die Teilnehmerinnen und Teilneh- relle Unterschiede zu vermitteln. Einer von schon etwas ertappt gefühlt“, sagt er und mer hatten darüber hinaus die Aufga- ihnen war Fabian Rohr, der sich beson- muss grinsen. be, ein Interview mit Studierenden der ders über die Gelegenheit gefreut hat, Universidad Pontificia Bolivariana (UPB) sich mit seinen Kommilitoninnen und Zwölf Studierende haben an dem in Kolumbien zu führen und eine Grup- Blockseminar teilgenommen: vier aus penarbeit mit US-amerikanischen Studie- Fabian Rohr studiert Deutschland, vier aus Indien, zwei aus renden zu machen. „Man muss einmal Materials Science and Mexiko und zwei aus Brasilien. Auschner selbst erlebt haben, mit Menschen aus vermittelte den Studierenden verschie- dem Ausland zusammenzuarbeiten, um Foto: FH Münster/Frederik Tebbe Engineering an der FH Münster. Im Semi- dene wissenschaftliche Modelle über wirklich zu begreifen, was interkulturel- nar „Intercultural kulturelle Unterschiede und interkultu- le Kommunikation ausmacht“, so Ausch- Communication and Competence“ lern- relle Kommunikation. „Wir gingen zum ner, die selbst eine Weile in Kolumbien te er den Austausch Beispiel der Frage nach, was es eigentlich verbracht und an der UPB gelehrt hat. mit internationalen bedeutet, aus dem Ausland nach Deutsch- Studierenden kennen. land zu kommen und sich hier ein neues, FH Münster Hochschule Neubrandenburg Ein Sommer(nachts)traum geht in Erfüllung Vier Jahre Vorbereitung des Projekts „Inklu- junge Menschen begrüßen, die ab dem Sie werden den Studierenden des Landes sive Bildung Mecklenburg-Vorpommern“ 15. September 2021 an der Hochschule Mecklenburg-Vorpommern (MV) künftig fanden am 30. August 2021 ihren aktu- Neubrandenburg mit der Qualifizierung Inklusionskompetenz vermitteln – aus ihrer ellen Höhepunkt: Wir konnten sechs zu Bildungsfachkräften begonnen haben. Perspektive, mit ihrem spezifischen Wissen und ihren Bedürfnissen. Die Stiftung Drachensee, Kiel, entwickel- te ein Modellvorhaben, um Beschäftigten der Werkstatt für Menschen mit Behin- derungen eine Möglichkeit zur Quali- fizierung für den allgemeinen Arbeits- Foto: Projekt Inklusive Bildung M-V markt zu geben. Inhalte und Ziele der dreijährigen Qualifizierung beziehen sich auf die Planung und Durchführung von Bildungsangeboten an Fach- und Hoch- schulen. Die neu geschaffene Tätigkeits- bezeichnung – von Beruf kann noch nicht gesprochen werden – lautet „Bildungs- fachkraft“. v. l. hinten: Christoph Biallas, Sophia Brückner, Erdmute Finning, Jan Zutz, Bengta Leopold, Prof. Dr. Steffi Kraehmer, Prof. Dr. Anke S. Kampmeier v. l. vorne: Johannes Siepert, Franziska Reschke, Julia Kilb, Christin Heimler, Mila Scheffler 05 | 2021 DNH
5 Von der Idee bis zum Start des Projekts Lehrenden und Studierenden ihre Sicht Behinderungen, Eingliederungshilfe), die in M-V brauchte es von 2017 bis 2021. auf ein Leben mit Einschränkungen gemäß gesetzlichen und verordnungsmäßigen Im Dezember 2020 bewilligte das Inte- dem Motto „Nichts über uns ohne uns“ Vorgaben, die bisherige stark gegliederte grationsamt MV den Projektantrag. Die vermitteln. Die größte gesellschaftliche und separierte Praxis der Unterstützung Finanzierung erfolgt aus den Mitteln der Aufgabe wird die Anstellung der zertifi- von Menschen mit Behinderungen sowie Ausgleichsabgabe. Nun konnten wir Stel- zierten Bildungsfachkräfte auf dem ersten die notwendige Bereitschaft für Neues len ausschreiben und alles an der Hoch- Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vorpom- erschweren den Zugang der Menschen, schule Neubrandenburg vorbereiten. mern sein. Da dies in anderen Bundeslän- die sich für die Qualifizierung erfolg- Unser Team besteht aus einem Projektlei- dern bereits gelungen ist, können wir auf reich beworben haben, zur Hochschu- ter, einer Projektkoordinatorin, zwei Quali- Beispiele und Erfahrungen zurückgreifen. le Neubrandenburg. Diese Erfahrun- fizierungsleiterinnen, sechs zu qualifizie- gen bereiten uns auf die Schaffung von renden Bildungsfachkräfte sowie Anke Wer neue Wege gehen will, muss alte Arbeitsplätzen für zukünftige Bildungs- S. Kampmeier und Steffi Kraehmer als Pfade verlassen. Unsere Energie und unser fachkräfte vor: Wenn wir es bis hierhin wissenschaftlichen Leiterinnen. Neben Optimismus wurden bzw. werden jedoch geschafft haben, schaffen wir auch das. der Qualifizierung werden wir ein Netz- zum Teil stark gebremst. Die Komplexi- Wer Neues sehen will, muss Neues tun! werk der Hochschulen des Landes aufbau- tät des sogenannten Regelsystems (z. B. en, in denen die neuen Bildungsange- Hochschule) in Kombination mit dem Prof. Dr. Anke S. Kampmeier, Prof. bote stattfinden und verstetigt werden. sogenannten Rehabilitationssystem Dr. Steffi Kraehmer Die Bildungsfachkräfte werden bei den (z. B. Werkstätten für Menschen mit Hochschule Neubrandenburg Hochschule Fresenius Berufsbegleitende Studiengänge in Chemie und Biologie Die Hochschule Fresenius in Idstein bietet Semester, um der parallel ausgeübten Berufs- seit 2011 berufsbegleitende Bachelor-Studi- tätigkeit Rechnung zu tragen. Alle Veran- Foto: Hochschule Fresenius engänge in Chemie und Biologie an. Seit- staltungen werden so angeboten, dass das dem haben über 60 Absolventen den Fach- Studium auch in sechs Semestern absol- bereich Chemie und Biologie verlassen, viert werden kann. Dies ist möglich, weil knapp 50 Studierende sind aktuell imma- die Pflichtmodule mit denjenigen der Voll- trikuliert. Welche Maßnahmen bewäh- zeitstudiengänge identisch sind. Jeder berufs- ren sich für den Studienerfolg, ohne die begleitend Studierende entscheidet je nach Abbildung 1: Beispiel für einen wöchentlichen fachlichen Anforderungen zu verwässern? beruflicher und persönlicher Situation selbst, Präsenzblock von 1,5 Tagen welche und wie viele Module im laufenden Laborpraktika Semester zur Prüfung angemeldet werden. Der Umfang der praktischen Fähigkeiten gewährleistet werden, dass sich die Studie- muss den Erwartungen des Arbeitsmark- Präsenzpflicht und Stundenplan renden gelöst von der Berufswelt in diesem tes und der Öffentlichkeit genügen, dass Eine minimale Präsenzquote ist nur kurzen Präsenzblock voll auf das Studium Chemiker und Biologen Experten für den verpflichtend, wenn die Veranstaltung konzentrieren können. Selbstverständlich Umgang mit gefährlichen (Bio-)Stoffen aus einer Zusammenschau studentischer können nicht alle Berufsbegleitenden in sind. Wer dies vor und während des laufen- Seminarbeiträge besteht, die gleichzei- jeder Woche vom Arbeitgeber freigestellt den Studiums nachweislich erwirbt, muss tig die Prüfungsleistung darstellen. Den werden. Die Hochschule bietet eine elek- es nicht im Studium doublieren. Studieren- Nachweis, dass sie einen Überblick zu allen tronische Lernplattform an, um fehlende de, die eine abgeschlossene Chemie- bzw. Seminarthemen erworben haben, können Präsenzen zu überbrücken. Biologie-Berufsausbildung und danach ein Studierende ersatzweise auch durch einen Jahr Berufspraxis nachweisen, die außer- schriftlichen Test führen. Das Curriculum Prüfungswiederholungen dem während des Studiums ihren Beruf ist so verstetigt, dass auch Studierende, die In den Modulen der ersten vier Fach- zu mindestens 40 Prozent einer Vollzeit- den Abschluss in sechs Semestern anstre- semester (120 ECTS) können bis zu vier stelle weiter ausüben, können die Anrech- ben, nicht mehr als 16 bis 17 SWS Vorle- reguläre Prüfungsversuche und eine letzt- nung von Laborpraktika beantragen. In die sungen und Seminar absolvieren müssen. malige Einzelprüfung angetreten werden. Ermittlung der Gesamtnote gehen dann Diese Vergleichmäßigung kommt auch Dies lehnt sich an die Regelungen der nur die theoretischen Modulprüfungen ein. den Vollzeitstudierenden mit derselben Diplom-Studiengänge an, in denen Studi- Stundentafel zugute. Diese Veranstaltun- enleistungen beliebig oft angetreten werden Regelstudienzeit gen werden zusammenhängend an 1,5 konnten und erst für Vordiplomprüfun- Die Regelstudienzeit für diese berufsbe- Tagen wöchentlich angeboten (Abbil- gen eine Begrenzung der Wiederholbar- gleitenden Bachelorstudiengänge mit dung). Damit soll (im Unterschied zu keit galt. Diese erhöhte Zahl von Prüfungs- 180 ECTS-Leistungspunkten beträgt zehn täglicher Präsenz von 2 bis 4 Stunden) versuchen soll den Studierenden das
6 Campusnotizen „Studierenlernen“ ermöglichen und gilt Prüfungsversuche. Erfahrungsgemäß Sicherheitsmanagement bewirkt offenbar für berufsbegleitend wie in Vollzeit Studie- müssen berufsbegleitend Studierende trotz ein höheres Maß an Selbstorganisation und rende. Ein Anreiz, Prüfungen aufzuschie- der Doppelbelastung tendenziell weniger Zeitmanagement. ben, wird vermieden, indem einmal ange- oft eine letztmalige Prüfung in Anspruch meldete Prüfungen binnen 18 Monaten nehmen. Die permanente Einbindung in Prof. Dr. Reinhard Wagener nach Anmeldung bestanden sein müssen, eine betriebliche Organisation mit strik- Hochschule Fresenius unabhängig von der Zahl der angetretenen ten Vorgaben zum Qualitäts-, Kosten- und Hochschule München Sinkende Studiennachfrage: durch Service, Kooperation und Weiterent- wicklung aus der Krise Der berufsbegleitende Bachelorstudien- Arbeitsbereichen möchten wir aus der Krise erhöhen und zu steigenden Bewerberzah- gang „Internationales Projektmanage- gestärkt hervorgehen: len führen. Mit ähnlichen Studienange- ment“ (IPM) an der Hochschule München boten im Ausland können wir über virtu- hat zum Wintersemester 2015/16 die 1. Service elle Lehrveranstaltungen, den Austausch ersten Studierenden immatrikuliert. Viele Anfragen von Studierenden müssen noch von Dozierenden und Forschungsprojek- Studierende der ersten beiden Jahrgän- flexibler als bisher beantwortet werden. te kooperieren. Der Studiengang wird so ge haben ihr Studium abgeschlossen Bei Studienproblemen müssen schnelle zu einer Austauschplattform für unter- und erfolgreich ihr Berufsleben fortge- und unbürokratische Lösungen gefun- schiedliche Stakeholder und lässt attrak- setzt. IPM ist inhaltlich zweigeteilt: Zum den werden, um die Studienzufriedenheit tive Synergien entstehen. einen besteht er aus Modulen, die zum zu steigern und einen Studienabbruch zu Rahmen des internationalen Projektma- vermeiden. Flexible Zahlungsmodalitäten 3. Weiterentwicklung nagements gehören, z. B. fünf Projektma- für Studiengebühren werden z. B. mit den Die regelmäßige Evaluation und die Eruie- nagement-, fünf Sprach-, drei Kultur- und Studierenden vereinbart. rung neuer Bedarfe führt zur stetigen zwei Rechtsmodule. Zum anderen spezi- Weiterentwicklung von IPM. Da der Studi- alisieren sich die Studierenden in einer Die Online-Lehre wird auch nach der engang neun Fachsemester umfasst und von zwei Vertiefungsrichtungen. Derzeit Corona-Pandemie ein integraler Bestand- dieser Zeitraum für im Beruf Stehende nur werden „BWL und Unternehmensfüh- teil des Studiums sein. Sie kommt den schwer zu überblicken ist, wird ein Zerti- rung“ und „Kultur“ angeboten. Studierenden entgegen, da sie sich Fahrt- fikat, das aus ausgewählten Modulen des wege sparen und sogar vom Büro aus an Studiengangs besteht, entwickelt. Teilneh- Vor allem im Angebot der Vertiefungs- Lehrveranstaltungen teilnehmen. mende können das Zertifikat zum einen richtungen gab es seit Anlauf des Studi- als eigenständigen Weiterbildungsbau- engangs Veränderungen. So konnte aus Für Studieninteressierte bieten wir neben stein zur beruflichen Entwicklung nutzen. Kapazitätsgründen eine Vertiefung nicht regelmäßigen Informationsveranstaltun- Zum anderen kann es als „Schnupperstu- weiter angeboten werden; bei einer anderen gen auch individuelle Beratungsgespräche dium“ fungieren, dessen Module ange- Vertiefung war die Nachfrage zu gering. Die an. Den Bewerbungszeitraum verlängern rechnet werden, wenn der Studiengang Vertiefungsrichtung „Kultur“, in der es u. a. wir bis nahe an den Beginn der Vorle- als Ganzes aufgenommen wird. um Kulturmanagement und -vermittlung sungszeit, um auch Spätentschlossenen geht, wurde neu entwickelt und läuft seit den Zugang zum Studium zu ermöglichen. Schließlich möchten wir mittelfristig dem Wintersemester 2020/21. Derzeit beob- eine neue Vertiefungsrichtung entwickeln. achten wir, dass die Bewerberzahlen für das 2. Kooperation Über sie werden neue Zielgruppen erreicht, Wintersemester 2021/22 um ca. 40 Prozent Besonders im Marketing setzen wir kurze oder mittelfristige Schwankungen/ zurückgegangen sind, was auch andere verstärkt auf die Zusammenarbeit mit Trends aufgefangen und der Studiengang kostenpflichtige Studiengänge betrifft. Als inhaltlich und organisatorisch ähnlich auf ein breiteres Fundament gestellt. Hauptursache wird die unsichere Zukunfts- angelegten Studiengängen der Hoch- planung der Zielgruppe in Zeiten der Coro- schule. Gemeinsame Maßnahmen Peter Jandok, Simone Kaminski na-Pandemie vermutet. Mithilfe von drei sollen die Bekanntheit der Studiengänge Hochschule München Die Meldungen in dieser Rubrik, soweit sie nicht namentlich gekennzeichnet sind, basieren auf Pressemitteilungen der jeweils genannten Institutionen. 05 | 2021 DNH
7 Jade Hochschule Ausbreitung von Covid-19 und Armut Wie verändert die Corona-Pandemie Mit dem Ausbruch von Covid-19 ist als Ursache für Armut. Sander konnte das Leben der Menschen sowie die sichtbar geworden, dass eine Infekti- in ihrer Untersuchung jedoch statistisch Wirtschaft und die Wissenschaft welt- onskrankheit auch im 21. Jahrhundert nicht belegen, dass vor allem arme und weit? Werden durch den Ausbruch der noch die ganze Welt treffen kann und sozial benachteiligte Bevölkerungsgrup- Krankheit Covid-19 regionalökonomi- sich durch die Globalisierung innerhalb pen stärker unter den Auswirkungen der sche Ungleichheiten verstärkt? Und kürzester Zeit zur Pandemie ausbreitet. Corona-Pandemie leiden. Die Absolven- gibt es eine Verbindung zur weltwei- „Auch wenn in vielen Teilen der Welt in tin kommt daher zu dem Ergebnis, dass es ten Armutssituation? Diesen Fragen den letzten Jahren Erfolge und Verbesse- von besonderem Interesse sei, die Verzö- ging Geoinformationswissenschaftle- rungen hinsichtlich der medizinischen gerungen der Ausbreitung des Virus und rin Marie Sander in ihrer Masterarbeit Versorgung gemacht wurden, besteht den Einfluss auf die Zusammenhänge zu an der Jade Hochschule nach. Sie unter- durch den Ausbruch einer Pandemie sozioökonomischen Faktoren zu beobach- suchte die Wechselwirkungen zwischen die Gefahr eines rückläufigen Trends“, ten. Sander geht aufgrund ihrer Unter- der Ausbreitung von Covid-19 und erläutert Sander. Dieses Phänomen sei suchungen davon aus, dass ein direk- Armut mithilfe von räumlich-statisti- durch den Ausbruch der Corona-Pande- ter Zusammenhang zwischen Covid-19 schen Analysemethoden. Zu den Grund- mie sichtbar geworden. So litten im Jahr und Armut erst in einigen Jahren deut- rechten aller Menschen gehört es laut 2020 im Vergleich zum Vorjahr wieder licher wird, wenn genügend Impfstoffe der Organization for Economic Coope- mehr Menschen an Hunger. und Behandlungsmöglichkeiten verfüg- ration and Development (OECD), den bar sind. Dann könne untersucht werden, höchsten erreichbaren Gesundheitszu- Um eine Bevölkerung tatsächlich vor ob diese in allen Teilen der Welt gleicher- stand genießen zu dürfen. In der Reali- Krankheiten zu schützen, reicht es nicht maßen Anwendung finden und ob alle tät zeigt sich allerdings, dass Menschen, aus, armen Menschen einen besseren Bevölkerungsschichten gleichermaßen die in Armut leben, durch einen limi- Zugang zum Gesundheitswesen zu ermög- Zugang zu diesen haben werden. tierten Zugang zu Gesundheitseinrich- lichen. Es muss darüber hinaus in höhe- tungen und eingeschränktem sozialen re Einkommen, bessere Bildungschancen, Jade Hochschule Schutz häufiger gesundheitlichen Risi- gute Nahrungsmittelversorgung, saube- ken ausgesetzt sind, früher sterben und res Trinkwasser, sanitäre Anlagen und eine höhere Kindersterblichkeit aufwei- Suchtpräventionen investiert werden. sen. Auch die Geschlechterungleichheit Armut gilt als Ursache für Krankheiten spielt dabei immer noch eine Rolle. und andersherum gelten Krankheiten Darstellung: Marie Sander Covid-19 Fälle je Million Einwohnerinnen und Einwohner und Entwicklung des Brutto- inlandsproduktes als Armuts- oder Wohlstandsindikator, Datenquellen: Johns Hopkins Universität und International Monetary Fund DNH 05 | 2021
8 Berufsbegleitendes Bachelorstudium Work-Based-Learning als didaktisches Instrument In berufsbegleitenden Bachelorprogrammen sehen sich Hochschulen mit spezifischen Bedürfnissen der Studierenden konfrontiert. Daraus erwachsen Anforderungen an die didaktische Ausgestaltung dieser Studienprogramme im Hinblick auf die Verknüpfung der beiden Sphären „Arbeiten“ und „Lernen“. | Von Prof. Dr. Michael Ruf Berufsbegleitende Studiengänge wurden didaktische Inputvariable und anderer- lange Zeit eher als eine Randerscheinung seits die Betriebspraxis gleichzeitig einen der Hochschulausbildung in Deutschland integralen Bestandteil des Studienkon- gesehen. Eine der größten Hürden, die zepts darstellt. Zugangsregelungen zum Hochschulstu- Foto: HS-Heilbronn dium, wurde 2009 mit dem Öffnungs- beschluss der Kultusministerkonferenz Lernen als der Aufbau kognitiver beseitigt. Mit dieser länderübergreifen- Strukturen den Grundlage wurde den beruflich Aus- Prof. Dr. Michael Ruf und Fortgebildeten – den sogenannten Die konstruktivistische Lerntheorie Professor für internationales „beruflich Qualifizierten“ – der Zugang beschreibt als gemeinsames Merkmal Personalmanagement zum Hochschulstudium ermöglicht und allen Lernens die Erfahrungsbildung der & Weiterbildungsbeauftragter diesen Personengruppen ein Aufstieg Lernenden in der Auseinandersetzung der Hochschule Heilbronn durch Bildung eröffnet. Trotz dieser mit ihrer Umwelt, die in der Zukunft größeren Durchlässigkeit im Bildungs- die weiteren Aktivitäten der Lernenden Hochschule Heilbronn system sind noch vielfältige Weiterent- wiederum beeinflusst. Dies korrespondiert Max-Planck-Straße 39 wicklungen und Verbesserungsschritte mit den Erkenntnissen sowie Schlussfol- 74081 Heilbronn notwendig, um das berufsbegleitende gerungen der kognitiven Lernpsycho- Studium als einen festen Bestandteil des logie, nach denen „Denken“ (Studi- michael.ruf@hs-heilbronn.de lebenslangen Lernens in der Hochschul- um) und „Tun“ (Arbeit) nicht in einem welt zu etablieren. dualistischen Zusammenhang zueinan- www.hs-heilbronn.de/weiterbildung der stehen, sondern vielmehr zwischen Dies betrifft mit Blick auf die Perso- ihnen eine Wechselwirkung zu verzeich- nengruppe der beruflich Qualifizierten in nen ist. Durch Reflexionsprozesse werden besonderem Maße die berufsbegleitenden Strukturmuster der vollzogenen Hand- Bachelorprogramme. Hierdurch ergeben lung abstrahiert und verinnerlicht. Das sich neue Anforderungen hinsichtlich Ergebnis stellen sogenannte „Handlungs- deren didaktisch-curricularen Ausge- schemata“ dar, d. h. allgemeines Wissen staltung. Zentral ist dabei die Frage, mit über typische Zusammenhänge in einem welchen didaktischen Instrumenten die Realitätsbereich. Damit wird der Lernpro- Lernorte Hochschule (Studium) und zess verstanden als die bewusste Erweite- Unternehmen (Arbeit bzw. berufliche rung und Verfeinerung der Handlungs- Tätigkeit) sinnvoll miteinander verknüpft schemata und deren kritisch-reflektierte werden können, um einen erfolgreichen Anwendung in praktischen Handlungs- Theorie-Praxis-Transfer mit dem Ziel eines situationen. individuellen Kompetenzaufbaus der berufsbegleitend Studierenden zu gewähr- Daraus ergeben sich für den Kompe- leisten. Bei der Frage nach diesen didak- tenzaufbau zwei notwendige Transfer- tischen Gestaltungsmerkmalen berufsbe- leistungen (Kremer, Sloane 2001): Einer- gleitender Bachelorprogramme ist davon seits die Übertragung des vorhandenen auszugehen, dass die Berufserfahrung der Wissens auf spezifische Anwendungssi- beruflich Qualifizierten einerseits eine tuationen (Anwendungstransfer im Sinne 05 | 2021 DNH
9 „Der Lernort Unternehmen darf HÖ RSA AL AR nicht auf das einfache Anwenden B E I T S PL des theoretischen Wissens reduziert und mit einer Ableitungslogik A TZ verbunden werden.“ Foto: marsono/123rf.com von „Lernen, um anzuwenden“) und andererseits Handlungsschemata auftreten. Diese Diskrepanzer- die Verallgemeinerung singulärer Lernerfahrungen lebnisse fordern die Studierenden auf, sich mit der im Sinne eines Wissensaufbaus (Integrationstransfer Situation auseinanderzusetzen und zu versuchen, im Sinne von „Anwenden, um zu lernen“). Damit durch die Gewinnung bzw. die Verarbeitung von ergibt sich eine zentrale Forderung an ein didakti- (neuen) wissenschaftlichen Erkenntnissen ggf. aus sches Konzept, welches die berufliche Handlungs- unterschiedlichen Fachgebieten eine adäquate Pro- kompetenz der Studierenden als Zielgröße definiert: blemlösung herbeizuführen. Die im Zuge des Prob- Kompetenzentwicklung kann nur in selbstorgani- lemlösungsprozesses vollzogenen Handlungen bilden sierter Form und bei der Bewältigung realer Heraus- dabei wiederum die Ausgangsbasis für Prozesse der forderungen erfolgen und ist folglich als „selbstor- Abstraktion sowie der Neukombination bekannter ganisierte Aneignungsbewegung“ (Sauter 2017) zu und der Integration neuer Informationen zur Erzeu- konzeptualisieren. gung zunehmend differenzierterer kognitiver Hand- lungsstrukturen. Damit dies gelingt, ist es aber zwin- Berufsbegleitende Bachelorprogramme weisen für gend notwendig, dass die Studierenden die durch die Umsetzung eines solchen Lernkonzepts auf den ihr Handeln in der Unternehmenspraxis gewonne- ersten Blick geradezu ideale Ausgangsbedingungen nen Erfahrungen aus der Beobachterperspektive mit auf. Ein didaktischer Ansatz für diese Studienpro- dem Ziel reflektieren, diese zu systematisieren, auf gramme muss daher das Lernen der Studierenden in wissenschaftliche Konzepte, Theorien und Modelle den Vordergrund stellen und im Sinne einer „Ermög- zu beziehen und in übergeordnete Zusammenhänge lichungsdidaktik“ (Sauter 2017) konzipiert sein, um einzugliedern. Erst dann geht die praktische Hand- „Denken und Tun, Aktion und Reflexion im Sinne lung in eine „Lernhandlung“ über. eines handlungsorientierten Lernens miteinander zu verzahnen“ (Euler und Hahn 2004). Erpenbeck und Mit Blick auf das Lernen am Arbeitsplatz bzw. in Sauter (2017) definieren diesbezüglich drei Anfor- der betrieblichen Praxis kann davon ausgegangen derungen an ein Lehr-Lern-Arrangement, welches werden, dass vielerorts der Reflexion im Vergleich als Orientierung für die didaktische Ausgestaltung zur Anwendung noch zu wenig Beachtung geschenkt berufsbegleitender Bachelorprogramme dienen kann. wird. Entsprechend werden Ansätze notwendig, die reflexive Lernphasen systematisch initiieren und diese begleiten. Mit speziellen Coaching-Instrumen- Lernen in der Praxis-Phase ten können derartige Reflexionsprozesse institutio- nalisiert und die Studierenden dabei zielorientiert Berufsbegleitend Studierende treffen in ihrem tägli- unterstützt werden. chen Arbeitsprozess fortlaufend auf reale Praxis- bzw. Anwendungssituationen und überprüfen durch ihr berufliches Handeln die Brauchbarkeit der im Studi- Lernen in der Coaching-Phase um (neu) erworbenen Handlungsschemata. Sie setzen sich mit Anforderungen der Betriebspraxis unter Kompetenzentwicklung benötigt selbstgesteuerte Zuhilfenahme bisher generierter Handlungsschemata Lernerfahrungen und regelmäßige Rückbesinnung auseinander und versuchen diese zu meistern. Dabei bzw. Reflexion dieser Erfahrungen. Daher besitzen ist anzunehmen, dass Diskrepanzen zwischen dem die Reflexionsphasen im Lernprozess eine entschei- Anforderungscharakter bestimmter Handlungssitua- dende Rolle und können durch ein Lerncoaching tionen im Unternehmen und den bisher verfügbaren unterstützt werden. Unter Coaching kann hier die DNH 05 | 2021
10 Berufsbegleitendes Bachelorstudium „Die Lehre muss durch aktivierende Lehr- Lern-Methoden und eine konsequente Problemorientierung, die an die berufs- biografischen Erfahrungen der Studierenden anknüpft, ihren Beitrag zum positiven Anwendungs- und Integrationstransfer leisten.“ Beratung und Begleitung einer Person (Coachee) es kann vielmehr auch festgehalten werden, dass mit verstanden werden, die diesen in Folge bei der diesen On-the-Job-Projekten die Sphären Studium Ausübung komplexer Handlungen befähigen, opti- (Denken) und Arbeiten (Anwenden) fließend und male Ergebnisse selbstorganisiert hervorzubringen. mehrwertstiftend ineinander übergehen. Es handelt sich dabei überwiegend um arbeitsbezo- gene Selbstreflexion (Erpenbeck, Sauter 2017). Dabei übernehmen Coaches die Aufgabe der „Transferpa- Lernen in der Vorlesungsphase ten“, indem sie die Studierenden bei der praktischen Anwendung des Gelernten unterstützen (Anwen- Um Lernprozesse im Sinne einer vollständigen Lern- dungstransfer) und im Rahmen des Reflexionspro- handlung zu realisieren, müssen in Folge auch die zesses (Integrationstransfer) begleiten. Ein solcher Vorlesungen in berufsbegleitenden Bachelorprogram- Ansatz, welcher ein Lernen durch Coaching-Un- men didaktisch angepasst werden. Diese sollten die terstützung ermöglicht und Reflexion im Rahmen individuellen und teilweise sehr heterogenen beruf- berufsbegleitender Bachelorprogramme instituti- lichen Vorerfahrungen der Studierenden als zentra- onalisiert, wurde in Form von „On-the-Job-Pro- le didaktische Inputgröße mitberücksichtigen, damit jekten“ am Heilbronner Institut für Lebenslanges neues Wissen möglichst gut mit dem individuellen Lernen (HILL) entwickelt (Köster et al. 2014) und Vorwissen verknüpft wird. Dieser Forderung liegt die mittlerweile in allen berufsbegleitenden Studienan- lerntheoretische Erkenntnis zugrunde, dass bei einer geboten der Hochschule Heilbronn etabliert. Das vernetzten Wissensstruktur in späteren Anwendungs- an der Hochschule vermittelte theoretisch-fachli- situationen die Aktivierung eines kognitiven Netz- che Wissen wird in den On-the-Job-Projekten auf knotens genügt, um das komplette Netzwerk abzu- individuelle Problemstellungen aus der Betriebspra- rufen. Dies impliziert auch, dass der Nutzungs- und xis übertragen und Gelerntes kann auf diese Weise Anwendungskontext (betriebliche Praxis) schon im direkt in die Praxis umgesetzt werden (Anwendungs- Lernfeld (Hochschule) zu thematisieren ist. Damit transfer). Dies geschieht parallel zur Vermittlung ist für das Lernen in den Lehrveranstaltungen neben des theoretisch-fachlichen Wissens in den Lehrver- dem Einsatz studentenaktivierender und handlungs- anstaltungen, sodass Studierende schrittweise das orientierter Lehr-Lern-Methoden insbesondere eine Erlernte umsetzen und diesbezügliche Erfahrungen verstärkte Problemorientierung mit kollaborativen wieder in die Theorie zurückspiegeln können (Inte- Fallbearbeitungsmethoden wichtig. Notwendige grationstransfer). Um den systematischen Reflexi- Voraussetzungen für ein solches Lehrveranstaltungs- onsprozess zu unterstützen, werden jedem Studieren- konzept sind kleine Gruppengrößen und Lehrende den zwei Betreuer (Coaches) zur Seite gestellt – einer mit einschlägigen Praxiserfahrungen. aus der Hochschule, einer aus dem Unternehmen bzw. aus dem direkten Arbeitsumfeld. Damit können Jedoch dürfen sich auch die o. g. Reflexionspha- notwendige Transferleistungen im Rahmen eines sen nicht nur auf den Lernort Betrieb beschränken definierten Projekts über die Dauer eines Semes- und ausschließlich zum Gegenstand des Lernens in ters in beide Richtungen (sowohl hinsichtlich der der Coaching-Phase gemacht werden. In Lehrveran- Anwendung als auch der Integration) sinnvoll durch staltungen müssen die Erfahrungen der Studieren- die Transferpaten unterstützt werden, wobei die den aus der Betriebspraxis und insbesondere ihre Reflexion einen wichtigen Coaching-Schwerpunkt Diskrepanzerlebnisse als Ausgangspunkte herange- darstellt. Damit wird nicht nur eine hohe Individu- zogen werden. Mit diesem „perspektivenorientierten alisierung des Lernprozesses erreicht mit einer nach- Lehren“ (Braun und Hillebrecht 2021, S. 22) werden weislich positiven Wirkung auf den Kompetenzer- singuläre Lernerfahrungen abstrahiert und in einen werb der Studierenden (Köster et al. 2014). Sondern übergeordneten Zusammenhang gebracht. 05 | 2021 DNH
11 Um zu gewährleisten, dass die Präsenzphasen berufsbegleitenden Studienprogrammen. Wenn die intensiv genutzt werden können, erfolgt im Vorfeld beiden Sphären „Arbeiten“ und „Lernen“ auf didak- der Lehrveranstaltungen aller berufsbegleitender tischer Ebene zielorientiert verknüpft werden sollen, Bachelorprogramme der Hochschule Heilbronn dann werden Gestaltungsanforderungen an beide die Ausgabe von sogenannten „Pre-Assignments“. Lernorte gestellt: Es wurde einerseits deutlich, dass in Mit diesen Aufgabenstellungen bereiten sich die diesem Kontext der Lernort Unternehmen nicht auf Studierenden auf die jeweiligen Veranstaltungen das „einfache“ Anwenden des theoretischen Wissens inhaltlich vor. Eine Zielsetzung besteht darin, dass reduziert und mit einer Ableitungslogik verbunden bei heterogenen Studierendengruppen von annä- werden darf. Durch die Bereitstellung von Zeitres- hernd vergleichbaren Wissensständen ausgegan- sourcen und professioneller Transferunterstützung gen und unmittelbar in die Thematik eingestie- im Sinne eines Coachings können spezifische Refle- gen werden kann. Beispielsweise setzt sich dieser xionspotenziale auch im täglichen Arbeitsprozess Aufgabenbestandteil aus der Lektüre ausgewähl- ermöglicht werden. Denn für einen Kompetenzauf- ter Literatur und diesbezüglichen Übungsaufgaben bau müssen berufspraktische Erfahrungen wissen- zusammen. Zudem enthalten die Pre-Assignments schaftlich durchdrungen werden und Praxisprozes- immer auch eine Reflexions- oder Transferaufgabe, se müssen theoriegeleitet sein. Andererseits muss damit individuelle Erfahrungen in einem Themen- auch die Lehre in berufsbegleitenden Bachelorpro- gebiet bereits im Vorfeld der Präsenzphase zielge- grammen durch aktivierende Lehr-Lern-Methoden leitet reflektiert und dokumentiert werden. Diese und eine konsequente Problemorientierung, die an Dokumentationen sind dann wiederum integraler die berufsbiografischen Erfahrungen der Studieren- Bestandteil der sich anschließenden Lehrveranstal- den anknüpft, ihren Beitrag zum positiven Anwen- tung. Darauf aufbauend kann dann durch systema- dungs- und Integrationstransfer leisten. tische Kontexterweiterung bzw. Problemvariation in der Lehrveranstaltung das Lernen über die nächst- Es kann festgehalten werden, dass die Anforde- höhere Komplexitätsstufe erfolgen, indem darüber- rungen von Wissenschaftlichkeit einer an der Hoch- hinaus gehende und weiterführende wissenschaft- schule installierten Weiterbildung und den Anfor- liche Erkenntnisse und Lösungsansätze erarbeitet derungen der Arbeitswelt nach Praxisorientierung werden. Damit wird wiederum dem wissenschaftli- und Anwendbarkeit der Inhalte damit grundsätzlich chen Anspruch der Hochschule nach einer wissen- keinen Widerspruch darstellen. Vielmehr können schaftlich-akademischen Weiterbildung Rechnung diese sinnvoll und mehrwertstiftend verbunden getragen. werden, wenn es gelingt, die Praxiserfahrung der Studierenden vor dem Hintergrund theoretischer Inhalte zu reflektieren. Die Stärken eines derartigen Fazit Lehr-Lern-Arrangements zeigen sich nicht nur im Kompetenzaufbau, sondern insbesondere auch in Berufspraktische Erfahrungen und diesbezügli- der hohen Akzeptanz und den positiven Rückmel- che Handlungen bilden einen notwendigen und dungen der Studierenden selbst und deren Arbeit- integrativen Bestandteil des Lernprozesses in gebern zur hohen Praxistauglichkeit. https://doi.org/10.5281/zenodo.5530365 Literatur Braun, Ellen; Hillebrecht, Steffen: Studentische Erfahrungen als Lernbasis – perspektivorientiert lehren. In: DNH Die Neue Hochschu- le, H. 3 (2021), S. 22–25. Erpenbeck, John; Sauter, Werner: Kompetenzentwicklung im Netz. In dies.: Handbuch Kompetenzentwicklung im Netz. Bausteine einer neuen Lernwelt. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2017, S. 1–39. Euler, Dieter; Hahn, Angela: Wirtschaftsdidaktik. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt, 2004. Köster, Kathrin et al.: Von Wissen zu Kompetenz – Erfahrungen mit dem Work-Based-Learning Ansatz in den berufsbegleitenden Studienprogrammen der Hochschule Heilbronn. In: Hochschule und Weiterbildung, H. 2 (2014), S. 73–78. Kremer, Hugo-H.; Sloane, Peter F. E.: Lernfelder implementieren. Zur Entwicklung und Gestaltung fächer- und lernortübergreifender Lehr-/Lernarrangements im Lernfeldkonzept. Paderborn: Eusl-Verlag, 2001. Sauter, Werner: Lernen und Arbeiten verbinden. In: Weiterbildung. Zeitschrift für Grundlagen, Praxis und Trends, H. 3 (2017), S. 13–16. DNH 05 | 2021
12 Berufsbegleitendes Bachelorstudium Kein „Bachelor light“ im berufsbegleitenden Studium Berufsbegleitend studieren bedeutet maximale Selbstorganisation und maximale Selbststeuerung für Studierende, fördert Teilnehmende in fachlicher und persönlicher Hinsicht und fordert Hochschulen organisatorisch und strukturell heraus. | Von Dr. Anke Wittich Seit 40 Jahren werden an der Hochschule nur max. drei Studierende mit dieser Hannover Bibliothekarinnen und Biblio- neuen Regelung zur Offenen Hochschu- thekare ausgebildet. Sie absolvieren im le zugelassen werden. Die Gruppe der aktuellen Curriculum ein Bachelorstudium interessierten Studierenden ist wesent- „Informationsmanagement“ und erlan- lich größer. Der zu erwartende Fachkräfte- gen mit der Wahl geeigneter Lehrveran- mangel in wissenschaftlichen und öffent- Foto: privat staltungen und einem speziell definierten lichen Bibliotheken wies auch zu diesem Praktikum in einer großen wissenschaftli- Zeitpunkt den Weiterqualifizierungsbedarf chen Bibliothek die Laufbahnbefähigung von FaMIs auf. Ein Studium ist in der regu- Dr. Anke Wittich für die Laufbahngruppe 2 (ehemals Geho- lären Studiengruppe für diese Zielgruppe Studiengangskoordinatorin und bener Dienst). In jedem Jahrgang wurden allerdings nicht umsetzbar. Gerade erst Lehrkraft für besondere Aufgaben auch Studierende mit einer abgeschlosse- erlangte feste Stellen, bereits gesichertes nen Berufsausbildung als Fachangestell- Einkommen und u. U. familiäre Bindung Hochschule Hannover te für Medien- und Informationsdienste, stehen einem regulären Studium entgegen. Fakultät III, Abteilung IK Schwerpunkt Bibliothek (FaMI), zugelassen. Expo Plaza 12 Diese Studierenden haben sich direkt nach 2012 startete daher eine erste Gruppe 30539 Hannover dem Abitur zunächst für eine Ausbildung berufsbegleitend Studierender in einer entschieden. Im Anschluss daran erkennen Pilotphase als separat organisierte Grup- anke.wittich@hs-hannover.de sie allerdings die fachlich eingeschränk- pe innerhalb des regulären Studiengangs, ten Tätigkeiten und die damit verbunde- 2014 erfolgte die erste eigenständige https://f3.hs-hannover.de/studium/ ne geringe Bezahlung in den Bibliothe- Akkreditierung. Jährlich starten seither ca. bachelor-studiengaenge/ ken. Diese Studierenden bringen mit den 25 Studierende mit Berufsausbildung und informationsmanagement- Kompetenzen der Ausbildung und der Abitur (schulische Hochschulzugangsbe- berufsbegleitend-bib/ begleitenden Berufserfahrung gute Studi- dingung) oder in der 3+3-Regelung (beruf- envoraussetzungen mit. Sie verfügen alle liche Hochschulzugangsbedingung) aus über eine schulische Hochschulzugangs- allen Bibliothekstypen und deutschland- berechtigung. weit parallel berufstätig im Studiengang „Informationsmanagement – berufsbe- Mit der Änderung des Niedersächsi- gleitend“ (BIB). Der Studiengang BIB ist schen Hochschulgesetzes und der Zulas- nah am regulären Studiengang „Informa- sung mit einer beruflichen Hochschulzu- tionsmanagement“ organisiert. Prinzipi- gangsberechtigung eröffneten sich neue ell werden identische Inhalte gelehrt und Perspektiven für FaMIs ohne Abitur. Sie identische Prüfungsleistungen angebo- können seit 2007 in Niedersachsen mit ten. Alle Pflichtfächer werden in diesem der sogenannten 3+3-Regelung „Offe- Programm übernommen, Wahlpflicht- ne Hochschule“ (3-jährige bundesweit fächer nach den Bedarfen für die beruf- einheitliche Ausbildung und anschlie- liche Praxis aus dem Gesamtprogramm ßend 3-jährige einschlägige Berufstätig- des Studiengangs ausgewählt. Die Studi- keit) in ihrem Fach zugelassen werden.1 endauer beträgt, wie im regulären Studi- Diese Änderung bietet den Interessen- engang, sieben Semester. In der aktuel- ten eine persönliche Weiterentwicklung len Akkreditierung können 36 Credits mit Perspektive.2 Im bestehenden Studi- aufgrund der Berufsausbildung pauschal engang „Informationsmanagement“ anerkannt werden. Ergänzend können können laut Zugangsordnung allerdings 30 Credits für die erste Praxisphase des 05 | 2021 DNH
13 PE RS P FA H R U N G EK TIV R E E Foto: aminfahmi89/123rf.com begründet sich auf engagierte Studierende, gute Aufstiegschancen im Anschluss an das Studium und einer guten Planung und Struktur auf der Seite der „Der Erfolg dieses Studien- Studierenden und der Hochschule. programms gründet auf Das Studienangebot hat sich in den jetzt zehn Jahren etabliert. Die Nachfrage auf die Studienplät- engagierten Studierenden, ze ist steigend, was sich sicherlich auf den drohenden Fachkräftemangel zurückführen lässt. In der Studien- guten Aufstiegschancen beratung melden sich nicht nur Studieninteressierte, sondern auch Personalabteilungen, die Mitarbeiter im Anschluss an das Studium im Studium fördern möchten. Verstärkt kann beob- achtet werden, dass Studierenden bereits zum nahen- und einer guten Planung den Studienabschluss höherwertige Stellen angebo- ten werden. Zahlenmaterial hierzu liegt nicht vor, und Struktur auf der Seite ganz sicher wird auch nicht jede frei werdende Stel- le neu besetzt; gänzlich unbesetzt werden die Stellen der Studierenden und der allerdings auch nicht bleiben. Eine Wiederbesetzung kann dann mit eigenen, fortgebildeten Mitarbeiten- Hochschule.“ den gesteuert erfolgen. Die Studiengruppe ist mit der absolvierten Ausbil- dung recht homogen in der beruflichen Haltung. Curriculums individuell anerkannt werden. Diese Identisch sind z. B. Gründe für die Wahl des Berufs- Anerkennung erfolgt im Abgleich zu einem poten- feldes und vermittelte Inhalte aus der Berufsschule. tiell absolvierten Praktikum regulär Studierender in Abweichende Kompetenzen, z. B. in angebotenen der entsprechenden Einrichtung. Im Regelfall bringen Dienstleistungen, werden in der Studiengruppe auf Studierende in Öffentlichen Bibliotheken ausreichend hohem Niveau diskutiert. „Das ist in meiner Biblio- Kompetenzen mit, in wissenschaftlichen Bibliotheken thek aber ganz anders, weil …!“ kann auf ein State- sind vielfach Hospitationen in einigen Spezialabtei- ment einer Kommilitonin, eines Kommilitonen oder lungen erforderlich. auch eines Lehrenden eingeworfen werden. Im Alter ist die Gruppe demgegenüber divers. Einige Studie- Berufsbegleitend Studierende sollen in jedem Fall rende nehmen das Studium direkt im Anschluss an den regulär Studierenden gleichgestellt werden, in die Ausbildung auf (soweit sie die schulische Hoch- den fachlichen Inhalten an der Hochschule (iden- schulzugangsberechtigung nachweisen können), tische Prüfungen) und in der Praxiserfahrung. Die andere Studierende können auf zahlreiche Berufs- verbleibenden Studieninhalte werden aktuell in jahre zurückblicken und nutzen die aus ihrer Sicht fünf bis sechs Präsenzphasen pro Semester jeweils vielleicht letzte Chance für eine berufliche Neuori- donnerstags bis samstags an der Hochschule vermit- entierung. So ergänzen sich Berufserfahrung auf der telt. Prüfungen vor Ort finden in der Prüfungsphase in einen Seite und unvoreingenommene Sicht auf Struk- einem weiteren Präsenzblock, z. T. mit Studierenden turen auf der anderen Seite. Lernen von- und mitei- aus dem regulären Studiengang, statt. Die Seminare, nander hat in dieser Studiengruppe eine herausra- Vorlesungen und Übungen werden allerdings sepa- gende Stellung. Die Lernzeit an der Hochschule wird rat angeboten. Der Erfolg dieses Studienprogramms als fachlich und persönlich bereichernd empfunden. DNH 05 | 2021
14 Berufsbegleitendes Bachelorstudium Berufsbegleitende Studiengänge Persönliche Weiterbildung: • Fachliche Höherqualifizierung mit beruflicher Perspektive Studierende • Selbstmotivation – Selbstreflektion – Anstrengungsbereitschaft Personalentwicklungs- maßnahme: • Fachkräftesicherung: Zielgruppenorientiertes frühzeitig kommunizierte Studienangebot: Berufsperspektive Arbeitgeber Hochschule • Verlässliche Planung Grafik: Eigene Abbildung • Eigenanteil: Freistellung, • Anerkennung von Unterstützung, Beteiligung Studienleistungen an Projekten und aktueller • Bildungsurlaub strategischer Entwicklung Abbildung 1: Herausforderungen in berufsbegleitenden Studiengängen Auf Wunsch der Studierenden wird die Anzahl der Vereinbarungen mit ihren Einrichtungen. In weiteren Präsenzphasen im bisherigen Umfang beibehalten, Fällen reduziert ein Teil der Studierenden die Arbeits- um den gegenseitigen Austausch zu ermöglichen. zeit; im Studienprogramm ist dies nicht verpflich- tend vorgesehen. Ein weiterer Teil der Studierenden Herausforderungen bestehen in der Organisation arbeitet allerdings weiter in Vollzeit. Die jeweiligen des Studienangebots, hochschulorganisatorischer individuellen Regelungen hängen von der persönli- Rahmenbedingungen, umfangreichem Beratungs- chen Belastbarkeit, den familiären Verpflichtungen angebot für Studieninteressierte und entsendende und den persönlichen Leistungszielen ab. Regelmä- Einrichtungen und einem dauerhaften Marketing ßig verfügen Studierende auch über ein Stipendium, (Abbildung 1). Für die Planungssicherheit sind die um die finanzielle Belastung (Studienbeiträge, Fahrt- Präsenzphasen bereits ein Jahr im Voraus fix termi- kosten, Übernachtungskosten) abzufedern. niert. Die Lehrangebote müssen in diesen Zeitrah- men eingefügt werden. Lücken oder gar freie Tage Für die Anerkennung werden sind dabei nicht vorgesehen. Es ergibt sich also auch die Verordnung über die Berufsausbildung, in ein Lehrbedarf an Samstagen. Krankheitsbeding- diesem Fall für FaMIs,3 te Ausfälle können nicht eingeplant werden. Die der bundesweit einheitliche Rahmenlehrplan für Möglichkeit zu ergänzenden Videokursen, erprobt den Ausbildungsberuf Fachangestellter/Fachan- und entwickelt während der Coronakrise, haben gestellte für Medien- und Informationsdienste,4 hier für eine gewisse Entlastung gesorgt und werden die bundesweit einheitlichen Erläuterungen und sicherlich auch zukünftig gerade solche organisato- Praxishilfen zur Ausbildungsordnung Fachange- rischen Probleme lösen helfen. stellter/Fachangestellte für Medien- und Infor- mationsdienste5 Das hier beschriebene Studienprogramm umfasst herangezogen. 210 Credits in sieben Semestern und ist damit iden- tisch zum regulären Studiengang. Es ist als Vollzeit- Ein Abgleich der Lehrinhalte erfolgt mit den jeweils studiengang akkreditiert. Durch pauschale Aner- aktuellen Modulbeschreibungen der anzuerkennen- kennung beträgt die Studienbelastung pro Semester den Module. Grundsätzlich wird Gleichwertigkeit zwischen 16 und 21 Credits pro Semester. Das 7. (Äquivalenz), nicht Gleichartigkeit bei der Lerner- Semester umfasst dann tatsächlich den gesamten gebnisbeschreibung überprüft. Für die Äquivalenz- Umfang von 30 Credits. Hier ist die Bachelorarbeit prüfung werden die inhaltliche Äquivalenz und das und eine weitere Praxisphase verortet. Semester mit Niveau herangezogen. Inhaltliche Übereinstimmung höherer Belastung beinhalten praxisnahe Lerninhal- ist zu 75 Prozent gefordert. Auch im Niveau ist keine te, die von den Studierenden mit der vorliegenden hundertprozentige Übereinstimmung notwendig. Praxiserfahrung im Vergleich zu regulär Studieren- Zu beachten ist dabei, dass nicht alle Module auf den deutlich besser bewältigt werden können. Für Bachelor-Niveau abschließen, Grundlagenmodule die Studierenden bedeutet dieser Studienumfang liegen darunter. Zur Beurteilung von Inhalts- und trotzdem eine enorme Belastung. Erfreulicherweise Niveaustufen werden Experten der Ausbildungsein- unterstützen viele Personalabteilungen bereits diese richtungen und Berufsschulen hinzugezogen. Zum umfassende Form der Weiterbildung mit Freistellun- Niveauvergleich wird vorzugsweise ein Referenzsys- gen, auch ergänzend zum potenziellen Bildungsur- tem (z. B. Deutscher Qualifikationsrahmen6) heran- laub. Die Studierenden treffen hierfür individuelle gezogen. Für jedes anzuerkennende Modul wird eine 05 | 2021 DNH
15 entsprechende Aufstellung mit Lernergebnissen aus Auch Personalabteilungen werden auf das Studien- der Ausbildung im Abgleich mit den Lernzielen der angebot aufmerksam und regen intern die Weiterbil- Studienmodule erstellt und dem Prüfungsausschuss dung für ihre Mitarbeitenden an. Die Erfahrungen des Studiengangs zur pauschalen Anerkennung vorge- sind in der Summe positiv. Erfolgreich ist der Studi- legt. Änderungen von Studieninhalten oder die aktu- engang hinsichtlich organisatorischer, zielgruppen- ell erwartete Änderung der FaMI-Ausbildungsinhalte relevanter und berufsorientierter Hinsicht: erfordern eine erneute Prüfung und erneute Bestäti- 1. Der berufsbegleitende Studiengang ist eigenständig gung durch den Prüfungsausschuss. akkreditiert. Hieraus ergibt sich die Chance, eine hohe Anzahl an Studieninteressierten mit berufli- Berufsbegleitend Studierenden stellen sich vor cher Hochschulzugangsberechtigung aufnehmen Studienbeginn deutlich mehr Fragen als regulär zu können. Studierende. Belastung außerhalb der Seminarzeiten, 2. Die Zielgruppe ist homogen, alle Zugangsberechtig- Leistungsniveau, Organisation wie Anfahrt und Über- ten erhalten identische pauschale Anerkennungen. nachtung während der Präsenzzeiten sind häufige 3. Im berufsbegleitenden Studiengang werden grund- Fragen vor Studienbeginn. Auch seitens der entsen- sätzlich identische Inhalte im Abgleich zum regu- denden Organisationen besteht Beratungsbedarf. lären Studiengang angeboten. Hieraus ergibt sich Das Studienangebot ist nicht als dualer Studiengang einerseits die berufspolitische Anerkennung (kein akkreditiert. Zwischen Hochschule und entsenden- Bachelor light), andererseits aber auch ein über- den Einrichtungen besteht daher keinerlei vertragli- schaubarer Aufwand in der Vorbereitung und che Bindung. Unabhängig davon besteht Beratungs- Umsetzung der Lerninhalte durch die Lehrenden. bedarf der Einrichtungen zu zeitlicher Abwesenheit Es ist faktisch eine weitere Gruppe zum regulären der Studierenden und zusätzlichem Arbeitsaufwand. Studiengang. Die fachliche Expertise der Studieren- Für die Praxisphasen sind die Einrichtungen auch den ist dabei für alle sehr bereichernd. inhaltlich gefragt. Die Mitarbeitenden sollen einen Gesamtüberblick sämtlicher betrieblicher Aufgaben Einige Voraussetzungen und Kompromisse müssen erhalten, äquivalent zu potenziellen Praktikanten des akzeptiert werden: regulären Studiengangs. Für die zweite Praxisphase 1. Durch die Anerkennung von Studieninhalten sinkt sieht die Praxisphasenordnung ein Praktikum in einer der curriculare Normwert für dieses Studienangebot. anderen Einrichtung vor. Diese Chance können die 2. Die vorausschauende Planung der Präsenztermine wenigsten Einrichtungen ermöglichen. Alternativ lässt keine Anpassung, z. B. bei Unterrichtsausfall, führen die Studierenden ein Projekt in der eigenen zu. Längerfristige Fehlzeiten von Dozierenden sind Einrichtung durch oder übernehmen ein Arbeitspa- praktisch nicht aufzufangen. ket eines bereits laufenden Projekts eigenverantwort- 3. Motivierte Studierende fordern Inhalt und Unter- lich. Auf diese Weise bringen sich die Studierenden stützung. Wenn Studiengruppen sich wöchent- auch als Mitarbeitende mit neuen Ideen und erwor- lich am Sonntag in Lerngruppen treffen, benötigen benen Lerninhalten in die Praxis ein. sie hierfür die Unterlagen zeitnah, möglichst im Vorfeld. Diskussion und Praxiserfahrung dürfen von Das Studienangebot hat sich relativ schnell auf Lehrenden nicht als Angriff auf die eigene Experti- dem Markt etabliert. Der Fachkräftemangel und der se angesehen werden. Weiterbildungsbedarf der Teilnehmenden sind hier 4. Die Praxis muss Studieninteressierte in der eige- sicherlich positive Effekte. Aktives Marketing erfolgt nen Einrichtung unterstützen: Freistellung für die über den Berufsverband, mit Vorträgen auf Tagun- Präsenzphasen und inhaltliche Beteiligung an stra- gen und speziellen Veranstaltungen für die Zielgruppe. tegischen Überlegungen und Projektarbeit sollten Alumni sind dabei die wichtigste Unterstützung. eine Selbstverständlichkeit sein. https://doi.org/10.5281/zenodo.5530397 1 www.studieren-in-niedersachsen.de/studienwahl/orientierung/studieren-ohne-abitur.html – Abruf am 27.07.2021. 2 Die Fachwirtausbildung, wie sie z. B. im Land Hessen angeboten wird, wurde für Niedersachsen mit dieser Gesetzesände- rung nicht weiterverfolgt. 3 www.gwlb.de/aus_und_fortbildung/FAMI/Rechtsgrundlagen/ausbildungsverordnung_fami.pdf – Abruf am 27.07.2021. 4 Kultusministerkonferenz: Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Fachangestellt/Fachangestellter für den Medien- und Informationsdienst. Beschluss vom 27.03.1998, in der Fassung vom 10. Dezember 1999, www.gwlb.de/aus_und_fortbil- dung/FAMI/Rechtsgrundlagen/rahmenlehrplan_fami.pdf – Abruf am 27.07.2021. 5 Erläuterungen zur Verordnung über die Berufsausbildung zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste in der Fachrichtung Archiv, in der Fachrichtung Bibliothek, in der Fach- richtung Information und Dokumentation, in der Fachrichtung Bildagentur, in der Fachrichtung medizinische Dokumentation/ Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung. – 2., erw. Aufl. – Nürnberg: BW Bildung- und Wissen-Verlag und Software, 2001. 6 Deutscher Qualifikationsrahmen: www.dqr.de/ – Abruf am 27.07.2021. DNH 05 | 2021
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