MAGAZIN DIE BÜRGER-UNIVERSITÄT - HHU - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
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AUSGABE 01 | 1. QUARTAL 2019 MAGAZIN DER HEINRICH-HEINE-UNIVERSITÄT DÜSSELDORF HHU DIE BÜRGER UNIVERSITÄT ERMANISTIK: G J URA: EDIZIN: M Woraus ist Morgen Tagung zur Reichs- Neuartiger Schmerzschritt- gemacht? bürgerbewegung macher implantiert
für dich ist es ein Stich und 45 Minuten deiner Lebenszeit. für jemand anderen kann es die Entscheidung zwischen Le- ben oder Sterben sein. Denn: Dein blut bedeutet Leben. nicht nur für dich. Durch eine blutspende kannst du ein Leben retten. Oder mehrere. Das blut- spenden schadet dir nicht. im Gegen- teil: regelmäßiges blutspenden regt das Knochenmark zur blutbildung an, Ein Stich für Ein LEbEn Geh‘ blut spenden! so dass sich innerhalb kurzer Zeit die blutzellen erneuern. blut zu spenden, ist „Jogging für’s Knochenmark“. Zwei Drittel der Menschen in Deutschland brauchen ein Mal im Leben eine blut- spende oder Produkte, die aus einer blutspende gewonnen werden. Schau dich um. Es könnte jeden treffen. Auch dich. Deshalb: heute noch informieren! Und morgen blut spenden. Blutspendezentrale Universitätsklinikum Düsseldorf Mehr Infos: Telefon 0211 81-18575 / Blutspendezentrale@med.uni-duesseldorf.de ...oder einfach vorbei kommen: Mo + Mi 08.00 –13.00 Uhr, Di + Do 07.00 –19.00 Uhr und Fr 07.00–12.00 Uhr Geb. 12.41 (Chirurgie, Erdgeschoß)
EDITORIAL Editorial Foto: Lukas Piel Was macht denn die OASE neben dem Rheinturm? Warum Haben Sie schon einmal über eine Unternehmensgrün- ist die Kuppel des Botanischen Gartens plötzlich vor dem dung nachgedacht? Oder suchen Sie gerade einen Influencer, Dreischeibenhaus? Und wieso ist das Heine-Denkmal ans Rhein der Ihr Unternehmen in den Sozialen Medien so richtig be- ufer gezogen? Für alle diejenigen, die die Heinrich-Heine- kannt macht? Sonderbare Fragen? Was das soll, lesen Sie in Universität nicht kennen, und für die HHU-Kenner, die gerade unserer Geschichte aus der Wirtschaftswissenschaftlichen Fa- etwas verunsichert sind: Unser Titelbild stellt kein neues archi- kultät ab Seite 21. tektonisches City-Konzept vor. Wir haben frech, aber aus gu- Viel Engagement beweisen die Jura-Studierenden, die die ten Gründen, die Wahrzeichen der Uni in die Stadt verpflanzt. Initiative Refugee Law Clinic Düsseldorf e. V. gegründet haben. Da möchte die Uni nämlich künftig verstärkt hin – in die Stadt, Seit vier Jahren beraten sie Flüchtlinge bei Rechtsfragen – zu den Bürgerinnen und Bürgern, zu allen, die Interesse an jetzt wurden sie von der Stadt Düsseldorf mit dem Martins- Wissenschaft haben. Und zwar zum beiderseitigen Nutzen: taler ausgezeichnet. Ab Seite 42 erfahren Sie mehr über die Die Bürger sollen mehr von der Forschung, die hier geleistet engagierten Studierenden. wird, erfahren und die Hochschule möchte gern vom Aus- Lahme wieder gehen zu lassen, so würden die Neurobiolo- tausch mit der Stadtgesellschaft profitieren. Die Heinrich- gen ihr Ziel sicher nicht beschreiben. Dennoch beschäftigen Heine-Universität ist Bürgeruniversität – dieser nun Wirklich- sie sich seit Jahrzehnten mit der Frage, ob und wie die Regene- keit gewordene Gedanke von Rektorin Prof. Dr. Anja Steinbeck ration des verletzten Rückenmarks möglich gemacht werden ist unsere Titelgeschichte. könnte. Den Ansatz aus der Mikrosystem-Technologie stellen Hinaus aus der Uni zieht es derzeit vor allem die Naturwis- wir Ihnen ab Seite 52 vor. senschaftler, genauer die Pharmazeuten: Drei von ihnen reisen regelmäßig mit ihren „Erstis“ ins Sauerland. Warum das einen Einen vergnüglichen Frühling wünscht ganz neuen Zugang zum Pharmaziestudium bringen kann, das erfahren Sie auf den Seiten der Mathematisch-Naturwissen- schaftlichen Fakultät. Die Studierenden des Fachs Jüdische Studien wie auch die Universitäts- und Landesbibliothek profitieren von einem span- nenden Fund: Alte Pergamente, die seit Jahren in einem Keller lagen, entpuppten sich als Tora-Fragmente. Wie diese fach- kundig aufgearbeitet wurden, lesen Sie ab Seite 13. Dr. Victoria Meinschäfer Magazin 1 | 2019 3
INHALT TITEL SEITE 24 – 35 24 Bürgeruniversität: Die Welt verstehen – und nicht nur ein Planquadrat 26 Interview mit Prof. Dr. Anja Steinbeck Mit der Etablierung der Bürgeruniversität macht die 24 und Prof. Dr. Stefan Marschall HHU einen großen Schritt Foto: Düsseldorf Tourismus, Composing: Paul Schwaderer 29 Bürgeruniversität fördert in die Stadtgesellschaft. Feldstudie auf Elba 32 Bürgerbeteiligung: Von allen gewünscht, doch selten zufriedenstellend 34 Das Exzellenzcluster CEPLAS hat ein breites Angebot für Bürgerschaft und Politik CAMPUS & INTERNATIONALES SEITE 06 – 11 Campus 06 Neujahrsempfang 2019 08 Interdisziplinäre KI-Forschung an der HHU Die Zeichen stehen auf Wachstum: 361 Deutsch- 10 09 Meilenstein für das Diversity-Management landstipendien vergeben. der HHU 10 361 Deutschlandstipendien im Jubiläumsjahr 2018 vergeben Internationales Foto: Ivo Mayr 12 Internationales Gütesiegel „HR Excellence in Research Award“ verliehen FAKULTÄTEN SEITE 13 – 23 Philosophische Fakultät 13 Studierende der Jüdischen Studien analysieren Tora-Fragmente Romanisten haben ein Online-Tutorial zur 18 16 „Woraus ist Morgen gemacht?“ Phraseologie entwickelt. 18 Tutorial zur Phraseologie: Wissen, wie die Phrase läuft Fotos: Still aus dem Einführungstutorial 19 Meyer-Struckmann-Preis 2018 für Barbara Stollberg-Rilinger Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 21 Wie effektiv ist die Influencer-Kampagne? 4 Magazin 1 | 2019
INHALT FAKULTÄTEN SEITE 36 – 55 Mathematisch- 36 Auf der Suche nach einer umfassenden Theorie des Naturwissenschaftliche Fakultät 36 Theoretische Biologie an der HHU Lebens. 38 Ungewöhnliche Einführung in das Pharmaziestudium 40 iGEM-Wettbewerb Juristische Fakultät Foto: Christoph Kawan 42 Martinstaler für Refugee Law Clinic Düsseldorf 44 Reichsbürger lehnen den Staat ab: „Wenn niemand an das Recht glaubt, kann man mit dem Recht nichts machen“ Medizinische Fakultät 47 Eine fast vergessene Krankheit: 47 Eine fast vergessene Krankheit: Kriegszittern Kriegszittern 50 Chronische Schmerzen: Ein neuartiger Schrittmacher hilft 52 Schritt für Schritt: Forschung zur Querschnittslähmung 55 Aussagefähigeres radiologisches Verfahren bei Prostatakrebs 55 Was geschieht nach dem Herzinfarkt? Foto: Frédéric Batier / X Filme PERSONALIA SEITE 57 – 63 57 Kathrin Kessen übernimmt die Leitung der ULB 58 Nachrufe: Prof. Dr. Flohr, Prof. Dr. Gattermann, Prof. Dr. Gössmann, Prof. Dr. med. Hadding 62 Ernennungen: Prof. Dr. Curdts, Prof. Dr. Fraune 63 Ausschreibung: Forschungspreis 2019 der Dr.-Günther- und Imme-Wille-Stiftung, Junior-Professuren 03 Editorial 56 Neuerscheinungen der d | u | p 63 Impressum Magazin 1 | 2019 5
CAMPUS Neujahrsempfang 2019 Rektorin Steinbeck mahnt Forschungsfreiheit an VON CAROLIN GRAPE V or rund 700 geladenen Gästen begrüßte Rektorin abwarte, ob und welche Kunstwerke nach so manch zerrisse- Prof. Dr. Anja Steinbeck Vertreterinnen und Vertre- ner Skizze entstünden. Und um im Bild zu bleiben: „Ministe- ter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesell- rin Anja Karliczek hingegen möchte den Wissenschaftlern schaft zum Neujahrsempfang. Die Rektorin äußerte ein Ausmalbuch in die Hand drücken. Dabei mögen schöne sich in ihrer Rede zur Freiheit und Verantwortung von For- Bilder entstehen, aber Kunst sicherlich nicht! Ein solch kurzfris- schung und Wissenschaft. tiges Denken kann zu langfristigem Schaden führen.“ Gleich zu Beginn sprach Prof. Dr. Anja Steinbeck Klartext: Sie kritisierte die Haltung von Bundesbildungsministerin Anja Forschung will mehr Karliczek, die „die Anwendbarkeit zur Tonika der Wissen- schaft erkläre“, und stellte die grundgesetzlich garantierte For- als nur nüchtern sein schungsfreiheit dagegen: „Forschungsfreiheit bedeutet Ergeb- nisoffenheit. Erst in Freiheit und Unabhängigkeit von staat- Laut Rektorin ist die Forderung der Anwendbarkeit von For- lichen Vorgaben kann sich die Kreativität wissenschaftlicher schungsergebnissen angesichts drängender globaler Heraus- Forschung entfalten und so das Fundament für Innovationen forderungen wie Klimawandel, Überbevölkerung und Ressour- und Perspektiven kommender Generationen legen und damit cenverbrauch ein berechtigtes Anliegen, sie darf jedoch nicht die Voraussetzungen für zivilisatorischen Fortschritt schaffen.“ zum leitenden Motiv werden. „Grundlagenforschung hat einen Auch in der Kunst stelle sich notwendige Kreativität nur ein, Nutzen, auch wenn sie kein unmittelbares praktisches Ziel hat.“ wenn man dem Künstler lediglich Papier und alle Arten von Gleichzeitig appellierte sie an die Wissenschaft, sich ausrei- Schreib- und Malgeräten zur Verfügung stelle und geduldig chend zu erklären. „Ich bin der Überzeugung, dass die Wissen- Unter den Gästen beim Neujahrs- empfang: NRW-Justizminister Peter Fotos: Wilfried Meyer Biesenbach, Rektorin Prof. Dr. Anja Steinbeck, Staatsekretärin Kerstin Griese, Anne-José Paulsen und Ober- bürgermeister Thomas Geisel (v. l.) 6 Magazin 1 | 2019
CAMPUS Die Ehrensenatoren der Universität: Hans-Heinrich Grosse- Brockhoff, Prof. Dr. Dr. h.c. Detlev Riesner, Dr. Esther Betz, Bernd Hebbering, Prof. Dr. Hannelore Riesner, Roland Oetker und Dr. Gustav Adolph von Halem (v. l.) Staatssekretärin Kerstin Griese appellierte an die Studierenden, sich gesellschaftlich zu engagieren: „Heute ist es wichtiger denn je, sich für Demokratie und Toleranz, für Freiheit, für das Lernen aus unserer Geschichte und für den Zusammenhalt der Gesellschaft einzusetzen. Ich erlebe das jede Woche im Bundestag, wenn von rechts außen unsere Demokratie verachtet und verhöhnt wird. Dagegen müssen alle Demokratinnen und Demokraten zusammenhalten. Es ist gut, wenn die Universitäten ein Teil davon sind.“ schaft ihre gedanklichen Grundlagen, ihre Methoden und ihre bünde verlängert und finanzielle Mittel für neue Projekte ein- Erkenntnisse in verständlicher Form nach außen sichtbar ma- geworben werden. Exemplarisch stellte sie eines dieser neu- chen muss. Nur so kann sie am sachlichen öffentlichen Dis- en interdisziplinären Projekte vor: Künstliche Intelligenz (KI) kurs mitwirken, Vertrauen in der Bevölkerung aufbauen und und Data Science. Hier forschen erstmals Wissenschaftler die Meinungsbildung mitgestalten. Sie darf das Feld nicht und Wissenschaftlerinnen aller fünf Fakultäten an gesellschaft- anderen wirkmächtigen Interessengruppen überlassen.“ lichen, politischen, ethischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Mit der NRW-Hochschulpolitik und insbesondere mit der Herausforderungen der KI. Novelle des Landeshochschulgesetzes zeigte sich die Rektorin Lehre: Auch in die Lehre wird das Thema KI mit dem neuen dagegen zufrieden. Sie begrüßte die Neuregelung, verbind- Masterstudiengang ‚Artificial Intelligence and Data Science‘ liche Anwesenheitspflichten einführen zu können: „Sie muss Einzug halten. Zudem wird es ein Studienmodul ‚KI für Alle‘ in den Lehrveranstaltungen möglich sein, die den Studieren- geben, das Studierenden aller Fakultäten grundlegendes Wis- den Wissen so vermitteln können wie kein anderes Format – sen vermittelt und ihnen zu beurteilen hilft, wie KI-Methoden beispielsweise Exkursionen, Labortätigkeiten oder Veranstal- in der Forschung eingesetzt werden können. tungen mit Schwerpunkt auf dem wissenschaftlichen Diskurs. Schließlich äußerte sich die Rektorin zum Profil Bürger Wir haben an der HHU gemeinsam mit Studierenden genaue universität. Hierbei agiere die HHU ganz im Sinne ihres Na- Leitlinien verfasst, die auf unserer Homepage abrufbar sind.“ menspatrons: Heinrich Heine setzte sich für eine bürgerliche aufgeklärte Gesellschaft ein, in der die Werte von Freiheit, Gleichheit, Toleranz und Weltoffenheit gelten. KI und Data Science Prof. Dr. Lothar Michael sowie Kerstin Griese, Mitglied des Deutschen Bundestages und Parlamentarische Staatssekretä- rin beim Bundesminister für Arbeit und Soziales, erhielten die Nachfolgend wandte Professorin Steinbeck ihren Blick auf HHU-Ehrenmedaillen in Anerkennung ihrer Verdienste um die die Erfolge der letzten zwölf Monate und skizzierte die Per Universität. Kerstin Griese hatte als Teil des damaligen AStA- spektiven der Heinrich-Heine-Universität für das Jahr 2019 in Vorstands maßgeblich zur Namensgebung der Universität den Bereichen Forschung, Lehre und dem Profil als Bürgeruni- Düsseldorf nach Heinrich Heine beigetragen. versität. Ein Novum bei der musikalischen Begleitung: Mitglieder Forschung: Hier spielt die HHU mit der 2018 erfolgten Be- des Unichores überraschten die Anwesenden mit der Perfor- stätigung des Exzellenzclusters CEPLAS im Rahmen der „Ex- mance moderner Songs von Adele, Clean Bandit sowie Elton zellenzstrategie“ weiterhin in der akademischen Bundesliga. John – Höhepunkt war die Interpretation der Bohemian Rhap- Daneben konnten die Finanzierung aller HHU-Forschungsver- sody von Queen. Magazin 1 | 2019 7
CAMPUS JÜRGEN MANCHOT STIFTUNG FÖRDERT NEUE FORSCHUNGSGRUPPE Interdisziplinäre KI-Forschung an der HHU Am 1. Januar 2019 hat die Manchot-For- Die Manchot-Forschungsgruppe star- ordinator. Dieses sind Prof. Dr. Rainer schungsgruppe „Entscheidungsfindung tet mit drei Anwendungspilotprojekten – Haas in der Medizinischen, Prof. Dr. Bar- mit Hilfe von Methoden der Künstlichen sogenannten „Use Cases“ – aus drei Fa- bara Weißenberger in der Wirtschafts- Intelligenz“ an der Heinrich-Heine-Uni- kultäten der HHU, die gefördert werden. wissenschaftlichen, Prof. Dr. Gerhard Vo- versität Düsseldorf ihren Betrieb aufge- Alle diese Projekte verfolgen einen inter- we in der Philosophischen und Prof. Dr. nommen. Ziel ist es, die KI-Forschung an disziplinären Ansatz: Die fachlichen As- Stefan Harmeling in der Mathematisch- der HHU zu vernetzen und ihre Anwen- pekte werden durch die KI-Methoden- Naturwissenschaftlichen Fakultät. dung in allen Fakultäten der Universität expertise aus der Informatik flankiert, Die HHU flankiert die Forschungsgrup- voranzutreiben. Die Jürgen Manchot Stif- Juristen untersuchen die rechtlichen pe mit weiteren Initiativen. So wird das tung fördert die interdisziplinäre For- und Philosophen die ethischen Aspekte Thema Künstliche Intelligenz Einzug in schungsgruppe über drei Jahre. der Anwendungsszenarien. die Lehre halten. An der Mathematisch- Naturwissenschaftlichen Fakultät wird „Die Künstliche Intelligenz wird in Zukunft dazu zum Wintersemester 2019/20 der in allen Lebensbereichen eine zentrale Rol- Use Cases neue Masterstudiengang „Artificial Intel- le spielen“, so Prof. Dr. Klaus Pfeffer, Pro- ligence and Data Science“ eingerichtet. rektor für Strategisches Management und und Strategie Prof. Mauve: „Es gibt heute zu wenige Chancengerechtigkeit der HHU und einer KI-Experten und -Expertinnen auf dem der beiden Sprecher der neuen Forschungs- Im Bereich der Biomedizin sollen Me- Markt. Wir werden also unsere Fachleu- gruppe. Inzwischen sind sowohl die Tech- thoden zur Vorhersage von Erfolgschan- te selbst ausbilden, um sie in den For- nik als auch die Methoden der Künstlichen cen und Komplikationen bei Knochenmark schungsprojekten an der HHU einzuset- Intelligenz so weit fortgeschritten, dass transplantationen (Clinical Reasoning / zen.“ Neben diesem spezifischen Studien- man Anwendungen in vielen alltäglichen Data Intelligence) entwickelt werden, die gang, in dem die Studierenden jeweils Bereichen findet. Prof. Pfeffer: „Es ist von Ärzte und Ärztinnen bei Therapieentschei- eng in ein Anwendungsprojekt eingebun- entscheidender strategischer Bedeutung dungen unterstützen können. In einem den werden, wird es ein Studienmodul für unsere Universität, hier unsere Kräfte gemeinsamen Projekt der Betriebswirt- „KI für Alle“ geben, das Studierenden aller zu bündeln und weiter auszubauen.“ schaftslehre und der Rechtswissenschaf- Fakultäten grundlegendes Wissen vermit- An der HHU gibt es bereits an verschie- ten geht es um „Good Governance und telt und ihnen zu beurteilen hilft, wie denen Stellen Expertise in der Methoden- Compliance“, bei der gute Unternehmens- KI-Methoden in der Forschung eingesetzt entwicklung und der Anwendung von führung unterstützt werden soll. Im drit- werden können. Künstlicher Intelligenz. Noch ist die HHU ten Use Case aus der Kommunikationswis- Thomas Manchot, Ehrensenator der aber kein KI-Standort; dies soll sich in senschaft und den Politikwissenschaften HHU und Kuratoriumsvorsitzender der Zukunft ändern, indem Forschende aus sollen politische Entscheidungsprozesse Jürgen Manchot Stiftung, stellt die För- verschiedenen Bereichen und mit unter- analysiert werden, die durch KI beein- derung der Forschungsgruppe in einen schiedlichen Schwerpunkten vernetzt flusst sind. Sowohl Wähler als auch Par- besonderen Kontext: „In diesem Jahr fei- werden. Ko-Sprecher Prof. Dr. Martin teien stehen dabei im Fokus. Prof. Pfeffer: ert unsere Stiftung ihr 30-jähriges Be- Mauve, Dekan der Mathematisch-Natur- „Neben diesen ‚Use Cases‘ werden wir in stehen. Zu diesem Anlass ist die neue wissenschaftlichen Fakultät: „Unser Ziel einem übergeordnete Projekt eine KI-Stra- Manchot-Forschungsgruppe auch unser ist die Anwendung von Methoden der KI tegie für die gesamte HHU entwickeln.“ besonderes Geschenk an die Universität in allen Fakultäten der HHU. Mit der neu- Neben den beiden Sprechern Prof. Düsseldorf. Sie soll die Forschung und en Forschungsgruppe werden wir KI-An- Mauve und Prof. Pfeffer gibt es in den Anwendung der Künstlichen Intelligenz wendungen implementieren und bereits Fakultäten jeweils eine Projektkoordina- an der HHU nachhaltig unterstützen und vorhandene Ansätze stärken.“ torin beziehungsweise einen Projektko- voranbringen.“ A. C. 8 Magazin 1 | 2019
CAMPUS Meilenstein für das Diversity-Management der HHU Zertifikatsverleihung des Stifterverbandes in Berlin Foto: Peter Himsel / Stifterverband Prof. Dr. Klaus Pfeffer und Dr. Isabell Lisberg- Haag, Auditorin des Diversity-Audits „Vielfalt gestalten“, nahmen das Zertifikat für die HHU entgegen. W enn man die Studierenden und die Beschäftigten pen „Barrierefreiheit“, „Buddy-Programm“, „Image-Kampagne“ der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf betrach- und „Qualifizierung“ habe sich die Vielfalt in der Verwaltung tet, dann sind diese ein „Spiegel der Gesellschaft“. und in den Hörsälen widergespiegelt. „Wir verstehen Chancen- Und diese unsere Gesellschaft wird immer bunter. Das erken- gerechtigkeit als Querschnittsaufgabe!“, ergänzt der Prorektor. nen nicht nur Unternehmen, die im Wettbewerb um kluge Unter dem Motto „Wir sind HHU“ standen folgende strategi- Köpfe stehen, das haben auch Universitäten und Hochschulen sche Ziele im Fokus des Audits: im Blick. Bildungshintergründe, Lebensentwürfe, körperliche die Sensibilisierung der Studierenden und der sowie geistige Fähigkeiten, Weltanschauungen oder Geschlecht: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Diversity-Themen Die Studierenden und Beschäftigten der HHU zeichnen sich und der Abbau von Vorurteilen durch Vielfalt aus. die Förderung der Akzeptanz von Unterschieden die Implementierung einer Kultur der gegenseitigen Im Rahmen des 5. Diversity Forums am 20. Februar in Berlin Wertschätzung nahm Prof. Dr. Klaus Pfeffer, Prorektor für Strategisches Ma- die Vermeidung von Ungleichbehandlungen und nagement und Chancengerechtigkeit, das Audit-Zertifikat Diskriminierungen „Vielfalt gestalten“ des Stifterverbandes für die HHU entgegen. die Verbesserung der Barrierefreiheit auf dem Campus Das Diversity-Audit hat neue Ideen und Maßnahmen für die Umsetzung der im NRW-Hochschulgesetz formulierten den Umgang mit Vielfalt an Universitäten und Hochschulen im Aufgabe im Bereich Diversity-Management Kontext der Strategie- und Organisationsentwicklung hervor- gebracht. Vor dem Beginn des (Auditierungs-) Prozesses, der Die Umsetzung des Auditprojekts übernahm die „Koordinie- an der HHU 2016 begann, wurde Diversity-Management als rungsstelle Diversity“. Um die Aktivitäten an der HHU sicht- Entwicklungsziel im Hochschulentwicklungsplan verankert. bar zu machen, wurde im Rahmen einer Image-Kampagne „Ein Lenkungskreis, der sich aus Vertreterinnen und Vertre- das Diversity-Portal implementiert. tern der Statusgruppen an der Universität zusammensetzte, Auf den Portalseiten www.diversity.hhu.de finden Sie In- ermöglichte es, Sichtweisen und Ideen sowohl von Studie- formationen, Terminhinweise und Lernmaterialien. Der Pro- renden, von Vertreterinnen und Vertretern der Lehrenden, der rektor dankt allen Mitwirkenden und unserer externen Audi- Administration als auch vom Rektorat zu entwickeln und zu torin, Dr. Isabell Lisberg-Haag, für das hervorragende Enga- diskutieren“, erläutert Prof. Pfeffer. In den vier Arbeitsgrup- gement. A. H. Magazin 1 | 2019 9
CAMPUS 361 Deutschland stipendien im Jubiläums- jahr 2018 vergeben Erstmalig fördert die HHU als familien gerechte Hochschule über dieses Programm auch Studierende mit Kind(ern) VON CAROLIN GRAPE B ei der zehnten Übergabe der Urkunden betonte: „Das nachhaltige Engagement unserer des Stipendienprogramms „Chancen Stiftenden sowie der persönliche Kontakt und nutzen – Das Deutschlandstipendium die individuelle Betreuung machen den seit an der HHU“ wurde nicht nur ein Jubi- knapp 10 Jahren anhaltenden Erfolg unseres Pro- läum gefeiert, sondern auch ein Rekord erzielt: gramms aus. Seit dem Start konnten wir die An- Mit rund 1,3 Millionen Euro finanzieren insge- zahl der Stipendien fast um das Fünffache stei- samt 81 Privatpersonen, Stiftungen und Unter- gern. Dass wir die Zahl der Förderer wie auch nehmen in der aktuellen Förderrunde 361 be- der Geförderten gegenüber dem Vorjahr wieder sonders leistungsstarke Studierende. Zum Ver- erhöht haben und damit NRW-weit auf Platz 2 gleich: Bei der ersten Urkundenvergabe 2009 liegen, macht uns sehr stolz. Allen, die daran konnte die HHU 76 Stipendiaten mit insgesamt beteiligt waren, gilt unser großer Dank!“ rund 274.000 Euro unterstützen. Seit der Pro- Das Jubiläum war Grund genug für NRW In- grammgründung sind über 9,3 Millionen Euro novations-Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart, an erfolgreiche und talentierte Studierende der das Grußwort zu übernehmen: „Das Deutschland- HHU geflossen. Rektorin Prof. Dr. Anja Steinbeck stipendium würdigt und unterstützt herausragen- Foto: Ivo Mayr 10 Magazin 1 | 2019
CAMPUS „EINE INVESTITION IN DIE ZUKUNFT UNSERER GESELLSCHAFT – AUCH DESHALB SIND VIELE FÖRDERER SEIT BEGINN DABEI.“ Prof. Dr. Hannelore Riesner, Vorsitzende des Beirats Universitätsförderung der HHU de Studierende. Mit dieser Förderung von Spit- den gleichen Regelstudienzeiten wie alle ande- zenleistungen setzen wir wichtige Impulse für ren Studierenden. Da viele Studierende mit Kind individuelle akademische Exzellenz und Leis- neben dem Studium einem Nebenjob nachgehen, tungsbereitschaft, die auch zukünftig lebendiger sind 300 Euro monatlich zusätzlich zum Bafög und innovativer Kern des Wissenschafts- und sicherlich eine maßgebliche und sehr konkrete Hochschulstandorts Deutschland sind.“ Unterstützung für den Studienalltag mit Kind.“ Als damaliger NRW-Wissenschaftsminister hatte er 2009 die Initiative ergriffen und mit dem „NRW- Stipendium“ ein Leistungsstipendi- Finanzielle Unterstützung um für begabte Studierende an den Hochschulen des Landes eingeführt. 2011 ging es über in das und ideelle Förderung vom Bundesministerium für Bildung und For- schung (BMBF) geförderte Deutschlandstipen- Für die Zukunft sind weitere Maßnahmen dium. Das zugrunde liegende Matching-Prinzip geplant, zum Beispiel ein Studium in Teilzeit zu blieb das Gleiche: Studierende aller Fachbereiche ermöglichen oder durch mehr Digitalisierung in mit überdurchschnittlichen Leistungen werden der Studienorganisation die Präsenzzeiten zu sen- mit 300 Euro monatlich unterstützt – jeweils zur ken. Wesentlich an der HHU für das leistungs- Hälfte finanziert von Bund (ehemals vom Land orientierte Deutschlandstipendium ist von An- NRW) und privaten Geldgebern. fang an neben der finanziellen Unterstützung die ideelle Förderung der Stipendiaten und Stipen- diatinnen. Durch zahlreiche innovative Vernet- Stipendien für zungsmaßnahmen und -möglichkeiten verspricht es Einblicke in unterschiedliche Bereiche der Wis- Studierende mit Kind senschaft und Wirtschaft sowie des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens in Stadt und Regi- Ein Novum der diesjährigen Jubiläums-Veran- on Düsseldorf. Dazu zählen von der Universität staltung: Erstmals hat die HHU aus ihrem Selbst- organisierte gemeinsame Museums- und Opern- verständnis als familiengerechte Hochschule Sti- besuche oder stadthistorische Führungen und pendien mit einem erweiterten Leistungsspek- der Austausch mit Unternehmen inklusive mög- trum an Studierende mit einem oder mehreren licher Praktikums- oder Jobchancen. minderjährigen Kindern vergeben. „Universitäten „Auch wenn darin viel Arbeit steckt – alle Sei- sollen vordenken – auch in Fragen zur Verein- ten profitieren von diesem interdisziplinären barkeit von Beruf und Familie. Wir wollen mög- und generationsübergreifenden Austausch. Die lichst gute Studienbedingungen für alle und spe- Studierenden lernen über den eigenen Horizont ziell mehr Chancengleichheit für Studierende hinauszuschauen und bereits erworbenes Wis- mit Kindern schaffen. Die Etablierung von fami- sen neu zu interpretieren und zu erweitern. Die liengerechten Studien- und Arbeitsbedingungen Stiftenden sehen genau, wohin ihr Geld geht. ist schließlich von zentraler Bedeutung für die Eine Investition in die Zukunft unserer Gesell- Attraktivität und Zukunftsfähigkeit einer Univer- schaft – auch deshalb sind viele Förderer seit sität“, so die Rektorin. „Studierende Eltern in mo- Beginn dabei“, so Prof. Dr. Hannelore Riesner, dularisierten Bachelor- und Masterstudiengängen Vorsitzende des Beirats Universitätsförderung tragen die gleiche Prüfungslast und unterliegen der HHU. Magazin 1 | 2019 11
INTERNATIONALES Foto: istockphoto.com – Kkolosov INTERNATIONALES GÜTESIEGEL „HR EXCELLENCE IN RESEARCH AWARD“ VERLIEHEN Sehr gute Arbeits- und Forschungsbedingungen an der HHU D ie Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf nahmenpaket: Mit insgesamt 19 Maßnahmen erfüllt internationale Standards in der will die HHU die Bedingungen für Wissen- Personalentwicklung und bietet ein at- schaftlerinnen und Wissenschaftler an der HHU traktives Forschungsumfeld für Wissenschaft- weiter verbessern. So geht es zum Beispiel nicht lerinnen und Wissenschaftler. Das bescheinigt nur um eine Vereinfachung von Prozessen, son- ihr ein im Dezember 2018 verliehenes Gütesiegel dern es soll auch der Zugang – gerade für inter- der EU-Kommission. Damit trägt die HHU neben nationale Forschende – zu wichtigen Informati- nur 13 weiteren deutschen Organisationen den onen erleichtert werden. Zudem ist geplant, die „HR Excellence in Research Award“. Angebote zur Karriereentwicklung und Weiter- bildung auszubauen. Die EU-Kommission will im Rahmen ihrer Initia- Das Konzept durchlief ein Begutachtungsver- tive „Human Resources Strategy for Researchers fahren einer internationalen Expertenkommissi- (HRS4R)“ die Arbeitsbedingungen für Wissen- on, welches schließlich in der Verleihung des schaftler aller Karrierestufen an europäischen Siegels „HR Excellence in Research Award“ am Hochschulen und Forschungseinrichtungen ver- 11. Dezember 2018 mündete. Prof. Westhoff ist bessern. Niedergelegt sind die Prinzipien hierfür stolz auf den Erfolg: „Dieses Gütesiegel belohnt in der „European Charter for Researchers“ und im die tiefgreifenden Bemühungen der HHU, die „Code of Conduct for the Recruitment of Research- besten Arbeitsbedingungen und Entwicklungs- Der HRS4R-Prozess ers“. Hierunter fallen unter anderem faire und möglichkeiten für unsere Forscherinnen und For- an der HHU transparente Auswahlverfahren für zu besetzen- scher zu schaffen. Hiermit wird Düsseldorf, auch Für den Prozess wurde eine de Forschungsstellen, Angebote zur Personal- im deutschen und europäischen Vergleich, ein Arbeitsgruppe einberufen, die von der Abteilung Forschung entwicklung, die Erleichterung der transnatio- überaus attraktiver Standort für die wissenschaft- und Transfer und der Referentin nalen Mobilität, Chancengleichheit, die Siche- liche Karriere.“ des Forschungsprorektors koor- rung wissenschaftlicher Integrität und auch die Die HHU ist damit in Deutschland gut aufge- diniert wurde. In der Arbeits- gruppe waren unter anderem Gewährleistung guter Arbeitsbedingungen. Die stellt. Insgesamt lediglich 14 Hochschulen, Uni- Forschende aus allen Fakultäten, EU fordert die Einhaltung von Standards in die- versitäten und Forschungseinrichtungen führen Vertreterinnen und Vertreter sen Bereichen, wenn sich eine Universität an eu- hierzulande dieses Siegel, vier davon aus Nord- verschiedener Abteilungen der Verwaltung, der Heine Research ropäischen Forschungsausschreibungen betei- rhein-Westfalen. Das Siegel erleichtert die Teil- Academies (HeRA) und des Juni- ligen will. nahme an Programmausschreibungen etwa im or Scientist and International Auf Initiative von Forschungsprorektor Prof. Rahmen des EU-Forschungsrahmenprogramms Researcher Centres (JUNO) ver- treten. Darüber hinaus waren in Dr. Peter Westhoff hat die HHU 2017 den HRS4R- „Horizont 2020“. A. C. einem breit angelegten Prozess Prozess angestoßen. Die Ergebnisse wurden im weitere Wissenschaftlerinnen Mai 2018 bei der Europäischen Kommission ein- Mehr Informationen zu dem Siegel und zum und Wissenschaftler aller Kar- rierestufen und aller Fakultäten gereicht. Neben einer Bestandsaufnahme zählt HRS4R-Prozess an der HHU: www.hhu.de/ beteiligt. hierzu unter anderem ein umfangreiches Maß- hrs4r 12 Magazin 1 | 2019
PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT Nach Jahren im Matsch und im Keller nun wissen- schaftlich erschlossen Studierende der Jüdischen Studien analysieren Tora-Fragmente Foto: Uli Oberländer VON VICTORIA MEINSCHÄFER 5 0 Stücke Pergament, die lange im Matsch sind offensichtlich Teile von mindestens zwei, und noch sehr viel länger in einem Kel- wahrscheinlich sogar drei verschiedenen Tora- ler gelegen haben. Beschrieben mit einer rollen“, erklärt Marx. „Die großen sind vermut- Schrift, die die meisten nicht lesen kön- nen. Was sind das für Pergamente, was steht darauf, gehören sie zusammen? Eine spannende Schwierige Aufgabe für acht Studierende des Faches Jüdische Studien im Blockseminar von Farina Marx. Altersbestimmung Sie sollten Genaueres über die Schriftstücke he- lich synagogal benutzt worden, die kleinen stam- rausfinden, sie wissenschaftlich erschließen. Ins- men wohl von einer Reisetora.“ Wie viel Text es gesamt waren es 50 Pergamentstücke, 33 davon am Ende ist, ist noch nicht klar, eindeutig sind mit einer Höhe von ca. 54 – 57 cm, die anderen es aber keine ganzen Rollen. „Eine Torarolle ist mit einer Höhe von ca. 32 cm. Alle Stücke ent- für eine Synagoge ein wichtiger und sehr wert- halten Text der hebräischen Bibel, der Tora. „Es voller Besitz“, erklärt Prof. Dr. Dagmar Börner- Magazin 1 | 2019 13
PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT päischen Judentum gebräuchlich war. Das passt „TORASCHREIBER SIND BESTENS zu ihrer vermuteten Herkunft, die irgendwo auf der Route zwischen Thessaloniki und Celje im AUSGEBILDETE SPEZIALISTEN, heutigen Slowenien liegen muss. Stück für Stück EIN GEÜBTER SCHREIBER ARBEITET analysieren die Studierenden die einzelnen Frag- mente, wie sind die Beschädigungen, gibt es RUND EIN JAHR AN EINER Rattenfraß? Und welcher Toratext wird erzählt, EINZIGEN TORA.“ gibt es winzige Abweichungen, die weitere Rück- schlüsse ermöglichen würden? Prof. Dr. Dagmar Börner-Klein, Abteilung für Jüdische Studien Seltenes Glück Klein. „Toraschreiber sind bestens ausgebildete Spezialisten, ein geübter Schreiber arbeitet rund ein Jahr an einer einzigen Tora“. Dass die Rollen Für die Studierenden ist diese Arbeit am laut der jüdischen Tradition so penibel und akku- praktischen Objekt ein großes Glück und in den rat beschrieben werden müssen, keine Änderun- jüdischen Studien durchaus nicht selbstverständ- gen, Abweichungen in Text oder Schrift erlaubt lich. „Eine Tora, die nicht mehr im Gebrauch ist, sind, macht nun die Altersbestimmung sehr muss nach religiöser Auffassung in einer Genisa schwierig. „Die Rollen sind vermutlich im 19. Jahr- bestattet werden, einem Grab für liturgische hundert geschaffen worden, könnten aber auch Texte“, erzählt Marx. „Wir arbeiten hier wissen- älter sein. Genauer ließe sich das nur mittels schaftlich, deshalb haben wir uns nach intensi- einer naturwissenschaftlichen Analyse feststel- ven Überlegungen dazu entschlossen mit den len“, so Marx. Die ist derzeit aus finanziellen Texten anders zu verfahren, aber die Bearbeitung Gründen nicht möglich. Eine Torarolle muss nach solcher Funde ist für Studierende des Faches strengsten Regeln auf koscherem Pergament ge- sehr selten“. schrieben sein, selbst der Schrifttyp darf nicht Die Ergebnisse des Seminars werden dann verändert werden. Nach Einschätzungen der wiederum der ULB zur Verfügung gestellt, die Wissenschaftlerin stammen die Rollen nicht von ihren Schatz so wissenschaftlich erschlossen hat. derselben Hand, doch selbst das ist kaum fest- „Für uns war die Restaurierung der Stücke ein stellbar. Die vorliegenden Fragmente sind in asch- Riesengeschenk“, so Marx, „wir sind froh, uns so kenasischem Schrifttyp verfasst, der im osteuro- dafür bedanken zu können.“ Die lange Reise der Pergamente Die Fragmente, die seit August 2018 der ULB gehören, haben feucht oder sogar in nassem Zustand gefaltet wurden und eine abenteuerliche Geschichte: Dr. Bernhard Mannheims sie auf dem langen Weg trockneten, waren sie hart gewor- fand sie 1944 oder Anfang 1945 auf dem Rückzug der Deut- den und in diesem Zustand gleichsam erstarrt. schen Armee aus Griechenland. Mannheims war als Arzt und Entomologe als unbewaffneter Teil der Wehrmacht mit der Schädlingsbekämpfung betraut. Selber kein Parteimit- Fragmente bewahren glied war er durch sein Studium als Biologe zu dieser Auf- gabe verpflichtet worden. Auf dem Rückzug fand er Perga- mente, die er nicht lesen konnte und die zum Stopfen von In Bonn lagen sie dann bis zum Tod Mannheims’ 1971 Schlaglöchern verwendet worden waren. im Keller und gingen dann in den Besitz seines Sohnes „Er wusste nicht, was das für Pergamente waren, konnte Wolfgang über. Nachdem dieser von seinem Vater noch kurz die Schrift nicht lesen. Trotzdem war da wohl der Eindruck, vor dessen Tod gebeten worden war, die Fragmente zu ver- dass es sich um etwas Wichtiges handeln würde – jeden- wahren, entschied er sich nach vielen Jahren, auch die wei- falls hat er sie im Rucksack mitgenommen und bis nach tere Verwahrung sicherzustellen und diese schließlich der Hause in Bonn getragen“, erzählt Marx. Da die Fragmente ULB zu schenken. 14 Magazin 1 | 2019
PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT MIT GEDULD UND WASSERDAMPF Die geknickten und vom Schmutz unleserlich ge- die Eigenschaft des Pergaments, hohe Feuchtig- ßend wurden die Pergamente über Wochen zwi- wordenen Dokumente wurden in der Universitäts- keitsmengen aufnehmen zu können, um es da- schen Pappen getrocknet, da sie einer Luftfeuch- und Landesbibliothek (ULB) im vergangenen Jahr durch wieder weich und flexibel zu machen. Sie tigkeit von 99 Prozent ausgesetzt waren. Erst dann einer konservatorischen Behandlung unterzogen. legten jedes Stück einzeln in eine mobile Klimakam- konnten sie konservatorisch verpackt werden. Die Bearbeitung sollte jedoch nicht die Spuren mer, in der die Pergamente mit kaltem Wasser- Von welchem Tier das Pergament stammt und der Geschichte auf den Pergamenten verwischen, dampf aus einem Ultraschallverdampfer vorsichtig ob es unterschiedlich gefertigt wurde, kann bis- sondern diese Spuren bewahren und die Perga- befeuchtet wurden. lang noch nicht zweifelsfrei bestimmt werden. Das mente der Wissenschaft mit all ihren Informatio- „Im Laufe eines Tages nahmen die Pergamente Porenbild des Pergaments, das eine Zuordnung nen zur Verfügung stellen. So wurden sie nur an die Feuchtigkeit auf, wurden langsam geschmei- erlauben würde, ist von Schlammablagerungen stark verschmutzen Stellen soweit gereinigt, bis dig und konnten aufgelegt werden“ erklärt Schlüter. überdeckt und geschlossen. Es bleibt also span- sich die Schrift wieder erkennen und lesen ließ. „Bei einigen Pergamenten musste der Befeuchtungs- nend an diesen Pergamenten zu forschen, zu res- Ulrich Schlüter, Leiter der Restaurierungswerkstatt prozess über Nacht weiter laufen. Sie konnten erst taurieren und sie – je nach wissenschaftlicher Re- der ULB, und sein Kollege Otmar Wetten, nutzten nach 24 Stunden plan gelegt werden.“ Anschlie- levanz – in eine digitale Welt zu überführen. Fotos: Agnes Lucas Magazin 1 | 2019 15
PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT „Woraus ist Morgen gemacht?“ Forschend, lernend, lehrend, Foto: dpa – Klaus-Dietmar Gabbert analog und digital das Bauhaus erfahren VON VICTORIA MEINSCHÄFER A us der Universität hinaus in die Gesellschaft gehen „Woraus wird Morgen gemacht sein? Ein transdisziplinäres und die dortigen Erfahrungen dann wieder in die Bildungsprojekt im Bauhaus-Jahr 2019“ ist der Seminartitel Hochschule einbringen, das ist der Ansatz der Ger- im Rückgriff auf Victor Hugo, „eine Frage, die ja schon einmal manistin Dr. Angela Weber vom Lehrstuhl für davon ausgeht, dass wir unsere Zukunft gestalten können – Neuere Deutsche Literaturwissenschaft (Prof. Dr. Volker C. im Sinne der Teilhabe sowie der Möglichkeit, zukunftsträch- Dörr). Ein Gedanke, der auch den vor 100 Jahren im Bauhaus tige Themen – wie das der Bildung – in die Öffentlichkeit zu tätigen Künstlern und Denkern nicht fremd war. Und so hat bringen“, so Weber. Das wollte sie gemeinsam mit der Kunst- Weber in diesem Semester das hochaktuelle Thema auf gegriffen und zunächst in einem Blockseminar gemeinsam mit Studierenden der Literaturwissenschaft und der Kunst- Unterschiedliche Projekte geschichte untersucht, ob die damals neuen Denkansätze des Bauhauses auch nach 100 Jahren noch Anregung sein können. Danach ist sie mit ihren Studierenden in Gesamtschulen und pädagogin Dr. Sabine Sutter von der Universität Duisburg- Gymnasien gegangen, um die Frage nach unserem Morgen Essen und rund 20 Studierenden auch den Schülerinnen und dort mit Schülerinnen und Schülern zu diskutieren und im Schülern von acht weiterführenden Schulen vermitteln, die Sinne einer „Ästhetischen Praxis“ zu gestalten. in der Auseinandersetzung mit dem Bauhaus und unserer Ge- 16 Magazin 1 | 2019
PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT die Studierenden nicht einfach in den Schulen für ein paar „DIEJENIGEN, DIE DIE ZUKUNFT Stunden die Lehrerrolle einnehmen, sondern vielmehr Ver- mittler einer lebendigen Wissenschaft sein. „Die Studieren- JA ERLEBEN WERDEN, SOLLEN den sind ja auch vom Alter her den Schülerinnen und Schü- ERFAHREN, DASS SIE DIESE SCHON lern sehr nahe, da ist ein Gespräch auf Augenhöhe möglich“, so die Erfahrung der Germanistin. Zudem machten die Stu- JETZT GESTALTEN KÖNNEN.“ dierenden von Anfang an deutlich, dass sie den kreativen Pro- zess wieder in die Universität zurücktragen und die Stimmen Dr. Angela Weber, Institut für Germanistik der Jugendlichen in die Öffentlichkeit hineintragen. „Aktive Demokratie“, nennt das Weber: „Diejenigen, die die Zukunft ja erleben werden, sollen erfahren, dass sie diese schon jetzt genwart sehr unterschiedliche Projektideen entwickelt haben. gestalten können.“ Über sechs Wochen boten die Studierenden jeweils zwei bis Und so werden die vielfältigen Austauschprozesse am En- drei Stunden wöchentlich ihr Projekt an, mal als Teil des de auch der Öffentlichkeit vorgestellt: in einer filmischen Kunstunterrichts, mal im Fach Pädagogik oder Geschichte. Dokumentation, einer Ausstellung im Kunsthaus in Essen im Immer gebunden an die zeitgemäße und gestaltende Ausein- September und bei dem Zukunftscamp in der Erich Kästner- andersetzung mit dem Bauhaus und dessen unterschiedli- Gesamtschule. Zudem ist eine Buchpublikation geplant. chen Bildungskonzepten, die als Inspiration dienen und den gesamten Prozess über als kreativer Rahmen erkennbar blei- Zukunftscamp: 27. September, 15 – 20 Uhr und 28. Sep- ben sollten. „Das Bauhaus, 1919 zunächst als Kunstschule ge- tember 2019, 10 – 18 Uhr, Erich Kästner-Gesamtschule Es- gründet, war etwas ganz Neues, verknüpfte Kunst, Handwerk, sen (Standort Stadtwald), Frankenstraße 200, 45134 Essen Architektur, Design und wollte dadurch auch dem Menschen neue Handlungsmöglichkeiten geben“, erklärt Angela Weber. Ausstellung „Woraus wird Morgen gemacht sein?“ im Eine theoretische Basis für das Seminar boten neben den Kabinett des Kunsthaus Essen: 8. September 2019 (Eröff- Schriften der Bauhäusler die Texte des französischen Philoso- nung) – 13. Oktober 2019, Kunsthaus Essen, Rübezahl- phen Jacques Rancière: „Er versteht Kunst als Praxis und Me- straße 33, 45134 Essen tapolitik, die in der Lage ist, gesellschaftliche Veränderungen nicht nur zu formalisieren, wie es in Politik und Rechtspre- chung geschieht, sondern diese auch zu realisieren und aktu- alisieren“, so Weber. Dr. Jasmin Grande und Dr. Angela Weber arbeiten im Projekt „Woraus wird Ideen erläutern und Morgen gemacht sein?‘ Ein inter- und transdiszi- Bezug zur Gegenwart suchen plinäres Bildungsprojekt im Bauhausjahr 2019“ zum Die Studierenden wollten den Schülerinnen und Schülern Potenzial des Bauhauses dabei das Projekt Bauhaus näher bringen, ihnen einzelne As- als Denkbild für Moder- pekte dieser so umfassenden Idee erläutern und den Bezug ne. Als Bildungsinstitution zur Gegenwart suchen – zeitgleich mit der Gründung des steht das Bauhaus im Fo- Bauhaus hatte Deutschland seine erste demokratische Ver- kus eines Transfers an fassung bekommen. Die Themen gestalteten die Studieren- Schulen, während ein Wiki den im Transfer zwischen Bauhaus und unserem Morgen, so über das „Bauhaus im Westen“ das Potenzial des Digi- dass am Ende die Bandbreite von einem Projekt über „Schule talen im Bereich der Hochschuldidaktik erprobt. Das Pro- und Natur bzw. Ökologie: #neuesbauennow“ und „Der neue jekt ist Teil des Verbunds „100 Jahre Bauhaus im Westen“ Mensch / Personal Design: social media experiences“ bis zu des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft, des Land- der Frage nach dem „(Alltags-)Theater der Zukunft: eine sub- schaftsverbands Rheinland und des Landschaftsver- versive Theaterwerkstatt“ und einer öffentlichen Kampagne bands Westfalen-Lippe. zur Schule der Zukunft (Social Design) reichten. Dabei sollten Magazin 1 | 2019 17
PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT Wissen, wie die Phrase läuft Ein Online-Tutorial zur Phraseologie Warum heißt es im Deutschen „Zähne putzen“ und im Italienischen und Französischen „Zähne waschen“ und übersetzt man „den Tisch decken“ wirklich mit „to lay the table“? Die Beschäftigung mit Fragen wie diesen und die Auseinandersetzung mit Sprichwörtern, Kollokationen, Redewendungen sowie Routine- und Gesprächs formeln machen die Phraseologie zu einem beliebten Thema bei Studierenden der Sprachwissenschaften aller Sprachen. VON VICTORIA MEINSCHÄFER D ie wissenschaftliche Beschäftigung che nicht nur interessant, sondern verdeutlichen mit Phraseologismen ist jedoch ex prägnant manche Zusammenhänge und werden trem komplex und eine Vielzahl von gerne für Wortspiele gebraucht.“ Formeln, Sprich- Fachbegriffen und theoretischen An- wörter, Redewendungen, die oft über den Kul- sätzen muss hierfür erlernt werden. Zudem ist turbestand eines Landes reflektieren und päda- die phraseologische Forschung bisher vor allem gogisch wertvoll sind, gehören ebenso dazu wie durch ihre Fokussierung auf eine einzelne Spra- kurze feststehende Wendungen wie „Was soll che und nicht durch den Sprachvergleich geprägt. das“ oder „Komm mal runter!“ Für den Romanisten Prof. Dr. Elmar Schafroth war dies der Anlass, ein digitales Phraseologie-Tuto- rium zu erstellen, das neben der deutschen und Brücke in die englischen Sprache insbesondere die französi- sche, italienische und spanische Sprache berück- Lebenswelt sichtigt und den aktuellen Forschungsstand die- ser Sprachen abdeckt. Gefördert durch den eLearning Förderfonds der HHU erstellte Elmar Schafroth seit April 2016 „Muttersprachler erkennen Phraseologismen nicht in Zusammenarbeit seinen Mitarbeiterinnen immer als solche, sondern benutzen sie meist Cornelia Delbos und Anita Pasquariello und den intuitiv. Für Fremdsprachenlerner stellen sie je- Mitarbeitern des Medienlabors der Philosophi- doch oftmals eine große Schwierigkeit dar, da schen Fakultät, Frederic Labudda und Koray Co- sie nicht frei konstruierbar sind und unterschied- ban, eine Tutorialreihe zur Phraseologie. Durch lich in den einzelnen Sprachen gebildet werden. ihre kreative Konzeption fördert sie eine indivi- Dabei sind diese Verbindungen kommunikativ duelle Auseinandersetzung mit der Thematik und sehr effizient und stilistisch und rhetorisch ein- schlägt oftmals eine Brücke zur Lebenswelt der drucksvoll“, erklärt Schafroth. „Sie machen Spra- Studierenden. In den zwölf Grundlagen-Tutorials, 18 Magazin 1 | 2019
PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT fünf Zusatz- und vier Expertenvideos werden die Nachbereitung für Seminare zum Thema Phra- einzelnen Phraseologismustypen des Italieni- seologie aber auch zu themenaffinen Seminaren schen, Französischen, Spanischen und Englischen (wie bspw. zur Lexikologie oder Werbesprache) erklärt und mit vielen Beispielen versehen. „Für eingesetzt werden und den Studierenden die Möglichkeit zur orts- und zeitunabhängigen Re- zeption der Lerninhalte im eigenen Tempo bie- Von Muttersprachlern ten. Ergänzende Übungen auf ILIAS festigen die vermittelten Lerninhalte und helfen den Studie- gesprochen renden bei der Prüfungsvorbereitung. „Durch die Tutorialreihe möchten wir die Studierenden jedes Thema haben wir zunächst die Inhalte stu- noch stärker für die Phraseologie einer Fremd- dierendengerecht aufbereitet, ein Drehbuch er- sprache sensibilisieren und sie motivieren, sich stellt und die Videos konzipiert“, erklärt Schaf- möglichst viele der zwei- bis dreitausend Phra- roth. „Das Medienlabor war für den Dreh, die seologismen pro Sprache anzueignen.“ Um zu komplette technische Umsetzung und die krea- wissen, wie die Phrase läuft, muss man sich also tive Gestaltung der Videos verantwortlich. Wich- auf den Hosenboden setzen. tig war uns, dass alle fremdsprachlichen Texte stets von Muttersprachlern gesprochen werden.“ Die Tutorials sind auf der Website phraseologie. Die Tutorials sollen sowohl zur Vor- als auch zur phil.hhu.de zu finden. Foto: privat Guilia erlebt im Einführungstutorial einen Tag voller Phraseologismen. Prof. Dr. Elmar Schafroth erhält für das Forschungsprojekt „Gebrauchsbasierte Phraseologie des Italienischen (GEPHRI)“ eine Förderung der Deutschen For- schungsgemeinschaft (DFG) in Höhe von rund 460.000 Euro. Das Projekt läuft bis Juni 2021, unter anderem werden durch die Förderung zwei Doktoranden- und mehrere Hilfskraftstellen finanziert. Ziel des Projektes ist die Erstellung einer Online- Plattform zur italienischen Phraseologie, die sich vor allem an fortgeschrittene Fremd- und Zweitsprachlernende, aber auch an Spezialisten (wie z. B. Italianisten, Übersetzer, Lexiko- graphen), richtet. Dazu werden die 600 häufigsten Redewen- dungen des Italienischen nach Fotos: Stills aus dem Einführungstutorial allen relevanten linguistischen Kriterien beschrieben (z.B. for- male Varianten, (Kontext-) Bedeutungen, rhetorisch-prag- matisches Potenzial). Eine inter- aktive Schnittstelle für User- Kommentare und -Fragen ist ebenfalls vorgesehen. Magazin 1 | 2019 19
PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT MEYER-STRUCKMANN-PREIS 2018 FÜR BARBARA STOLLBERG-RILINGER Unverstandenes verstehbar machen Dekan Prof. Dr. Ulrich Rosar, Preisträgerin Prof. Dr. Dr. h. c. Barbara Stollberg-Rilinger, Foto: Jochen Müller Rektorin Prof. Dr. Anja Stein- beck und Prof. Dr. Dres. h. c. Gert Kaiser, Vorsitzender der Meyer-Struckmann-Stiftung M it dem diesjährigen Meyer-Struck- Historiker und Historikerinnen Deutschlands, mann-Preis für geistes- und sozialwis- wies in ihrem Grußwort darauf hin, dass „ent- senschaftliche Forschung wurde am scheidende Erkenntnis bei den Forschungen Bar- 14. November 2018 die Historikerin Prof. Dr. Dr. bara Stollberg-Rilingers daraus erwächst, dass h.c. Barbara Stollberg-Rilinger ausgezeichnet. das in der Regel Nicht-Beachtete, die kulturellen Der mit 20.000 Euro dotierte Preis wird jährlich Rand- und Rahmenbedingungen des Geschehens von einer Jury vergeben, die sich aus Mitglie- als Voraussetzungen für das Handeln aufge- dern der Philosophischen Fakultät der Heinrich- deckt werden.“ Weiter verwies sie auf Stollberg- Heine-Universität Düsseldorf und Vertretern der Rilingers Biographie Maria Theresias, einen Stiftung zusammensetzt. Bestseller, der auf der Leipziger Buchmesse 2017 als bestes Sachbuch ausgezeichnet wurde: „Meis- Mit Barbara Stollberg-Rilinger wurde der Meyer- Struckmann-Preis einer international herausra- Meyer-Struckmann-Stiftung genden Historikerin im Bereich der Geschichte Neue Seiten zum der Frühen Neuzeit zuerkannt. Prof. Dr. Wolfgang Die Meyer-Struckmann-Stiftung fördert Wissenschaft und For- Löwer, der Präsident der Nordrhein-Westfäli- Vorschein gebracht schung, insbesondere im Be- schen Akademie der Wissenschaften und Küns- reich der Kultur- und Geistes- wissenschaften, und verleiht te, beschrieb ihre Arbeit in seinem Grußwort: terhaft entwickelt sie einen die tausend Seiten jährlich die mit 20.000 Euro „Unsichtbares und Unverstandenes wird durch mit Leichtigkeit tragenden Spannungsbogen, in- dotierte Auszeichnung. Die Barbara Stollberg-Rilinger wieder sichtbar und dem sie konsequent das im 19. Jahrhundert ent- Mittel stammen aus dem Nach- lass des Stifters, Fritz Meyer- verstehbar.“ Die Historikerin, die seit 1997 den worfene monumentale Bild der Maria Theresia Struckmann, Bankier in Essen. Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit an einem bisweilen brüchigen und widersprüchli- Die Jury entscheidet in jedem der Universität Münster innehatte und seit Sep- chen der zeitgenössischen Quellen gegenüber- Jahr neu über das Forschungs- feld, aus dem der Preisträger / tember 2018 Präsidentin des Berliner Wissen- stellt, und eine Frau zum Vorschein bringt, die die Preisträgerin zu bestimmen schaftskollegs ist, hat zu zahlreichen Themen- keineswegs überzeitlich modern war, sondern ist. 2018 verleiht die Philoso- gebieten wegweisende Forschungsarbeiten vor- mit ihren vielen Rollen vielmehr tief in der spät- phische Fakultät der Heinrich- Heine-Universität Düsseldorf gelegt. Prof. Dr. Eva Schlotheuber, Düsseldorfer barocken Lebens- und Gedankenwelt ihrer Zeit zum 13. Mal die Auszeichnung. Historikerin und Vorsitzende des Verbands der verhaftet blieb.“ V. M. 20 Magazin 1 | 2019
WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT Wie effektiv ist die Influencer-Kampagne? Illustration: Guilherme Furtado from the Noun Project CEDUS unterstützt fünf Studierende bei der Unternehmensgründung VON CAROLIN GRAPE W as haben die Zwillinge Lisa und Lena, Bibi, HHU, die sich für das Thema Gründung interessieren, jeweils Caro Daur, Julien Bam und Stefanie Giesinger im Sommersemester offensteht – unabhängig von ihrem Stu- gemeinsam? Sie alle sind Influencer und ge- diengang. Basierend auf eigenen Ideen lernen die Studie- rade schwer in den sozialen Netzwerken an- renden in praktischen Schritten ein neues Unternehmen zu gesagt. Jugendliche und Erwachsene folgen ihnen auf Insta- gründen. Anhand von Markt-, Kundenbedarfs- und Wettbe- gram, Youtube und Facebook, schauen sich deren Fotos und werbsanalysen entwickeln sie in Teams ein eigenes Produkt, Videos an, finden ihre Hashtags cool und hätten am liebsten das sie durch die Konzeption einer geeigneten Marketingstra- einen ähnlichen Lifestyle wie ihre Idole. tegie an Kunden testen. Am Ende des Seminars versuchen Studierende durch einen Investoren-Pitch relevante Interes- Während noch vor zehn Jahren die klassischen Medien ent- sengruppen von ihrem Unternehmen zu überzeugen. schieden haben, wer zur Berühmtheit wird und wer nicht (Gatekeeper-Rolle), entscheidet heute die digitale Allgemein- heit, um wen ein Hype veranstaltet wird. Die neue Währung Geschäftsidee prüfen ist die Anzahl der Menschen, die den Influencern folgt – also die Follower. Die Nähe zu ihren Followern macht Influencer äußerst attraktiv für Unternehmen. Bei ihrer Suche nach Auf- Lara Lauc: „In der ‚Startup Werkstatt‘ wollten wir zunächst merksamkeit und Sichtbarkeit im digitalen Dickicht ist Influ- mit ‚Groupfluencer‘ eine Matching-Plattform für Unterneh- encer-Marketing zu einem wichtigen Baustein ihrer Marke- men und Micro-Influencer aufbauen. Wir haben aber dann ting-Strategien geworden. Doch für welche Unternehmen lohnt nach einer intensiven Marktanalyse und Kundenbefragungen es sich wirklich, was bringt es und welchen Anteil haben von Unternehmen und Influencern festgestellt, dass es diese Influencer am Erfolg? bereits en masse gibt – das Alleinstellungsmerkmal fehlte. Das Team von Nadja Chylla, Lara Lauc, Pranjal Dhole, Jo- Bei der Auswertung unserer Bedarfsanalysen hat sich aber nas Winkelmann sowie Mehmet Karakus hat mit seinem Pro- auch herauskristallisiert, dass es für Unternehmen, die Influ- jekt Valuencer eine Geschäftsidee entwickelt, mit deren Hilfe encer-Marketing betreiben, bislang eine große Herausforde- erstmals der Mehrwert einer Influencer-Kampagne in Euro rung ist, den Return on Investment (ROI) anzugeben – der berechnet werden kann. Gefunden hatte es sich bei der„Start Ausgangspunkt für die Überarbeitung unseres Tools in diese up Werkstatt“, einem Praxis-Lehrangebot des Center for Entre- Richtung. Wir wollen erstmalig den Mehrwert der Kampagne preneurship Düsseldorf (CEDUS), das allen Studierenden der durch Influencer berechnen. In einem zweiten Schritt sollen Magazin 1 | 2019 21
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