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vetmed Das Magazin der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Gesellschaft der Freunde der Veterinärmedizinischen Universität Wien 3/2021 Woher kommt unser Essen? JUBILÄUM 10 Jahre Messerli Forschungsinstitut AUS DER PRAXIS Diagnose im Galopp: Dynamische Endoskopie AB SEITE 8 AB SEITE 26 SEITE 38/39
vetmed 3/2021 Editorial CA M PU S N EWS Foto: Christian Steinbrenner/Vetmeduni Vienna »07 Foto: AGES Herzlich Kurz notiert 04 willkommen! Die wichtigsten Neuigkeiten vom Campus der Vetmeduni Vienna Es ist mir eine große Freude, als neuer Vizerektor für Lehre und Forschung zur 06 klinische Veterinärmedizin pünktlich zum Semesterbeginn all Werkzeugkiste des Kakadus unsere neuen Studierenden begrüßen zu können. Mit dem Start Ihres Neue Associate Professorin Studiums an der Vetmeduni Vienna beginnt für Sie ein neuer Lebens- Alice Auersperg im Porträt abschnitt: Wir freuen uns auf Sie und heißen Sie herzlich in unserer Gemeinschaft willkommen. Sie werden auf einem hervorragend VetmedRegio Tirol 07 ausgestatteten Campus von renommierten Lehrenden unterrichtet Ein Jahr „Der Wiederkäuer werden und unter Ihren KommilitonInnen neue, oft lebenslange im Alpenraum“ Freundschaften schließen. Dass derzeit nach wie vor coronabedingte Sicherheitsbestimmungen gelten, wird daran nichts ändern. Ein Kernthema der Veterinärmedizin ist ihr Beitrag zur Bereitstel- lung von qualitativ hochwertigen und sicheren Lebensmitteln tieri- scher Herkunft. Es ist ein wichtiges und spannendes Arbeitsfeld, das vor vielen Herausforderungen steht, Stichworte wie Antibiotikaresis- tenzen, Zoonosen und Tiergesundheit. Deshalb hat diese Ausgabe des Magazins auch einen Schwerpunkt auf dieses Thema gelegt. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Erfolgsgeschichte des Messerli For- schungsinstituts (MFI): Seit zehn Jahren leistet diese Einrichtung, basierend auf einer stabilen Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Wien und Universität Wien, wegweisende Forschungsar- beit. Erfahren Sie mehr über die Messerli Stiftung, den Interdisziplinä- ren Masterstudiengang des MFI zur Mensch-Tier-Beziehung und die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Forschenden. Viel Vergnügen bei der Lektüre! » COVER Diese Ausgabe des VETMED widmet sich der Herkunft von Nah- Jürgen Rehage rungsmitteln unter Vizerektor für Lehre und klinische Veterinärmedizin dem Schirm des Sus- tainable Development Goals (SDG) „Kein Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna Hunger“ der United Nations. An der Vet- meduni Vienna wird zum Wohle von Mensch und Tier für gesunde Futter- und Gedruckt auf Recyclingpapier nach der Richtlinie des österreichischen Lebensmittel geforscht. Umweltzeichens „Schadstoffarme Druckerzeugnisse“. Auf dem Coverfoto ist Druckerei Janetschek GmbH UWNr. 637 eine Kuh an der Vet- Farm der Universität zu sehen. Foto: Thomas Suchanek/ Vetmeduni Vienna 2
vetmed 3/2021 INHALT STUD I E RE N FO R S CHEN AU S D ER PRA XIS Foto: Thomas Suchanek/ Foto: Michael Bernkopf/ Vetmeduni Vienna Vetmeduni Vienna »21 Foto: HVU »26 »38 HVU-Kommentar 21 10 Jahre Messerli 26 Ein Fall für(s) VETMED 38 Alumni Splitter 22 Forschungsinstitut Dynamische Endoskopie: Historisches, Meilensteine und Diagnose im Galopp Karrierewege 23 derzeitige Forschungsprojekte PreisträgerInnen der Gesellschaft Tipps fürs Tier 40 der Freunde der Vetmeduni Vienna Forschen und Publizieren 36 Reiten im Winter im Interview Aktuelle Forschungsergebnisse und Publikationen SERVICE Buchtipps 42 Impressum 42 Termine 43 Rätselbild 43 SCHWE RP UN KT Wo kommt unser Essen her? Sustainable Development Goal 08 „Kein Hunger“ Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung 10 Ein sensibles Gleichgewicht Food is life 14 Nachhaltige Produktion und Lebensmittelsicherheit Tier gesund, Mensch gesund: 18 Die Bedeutung sicherer Lebensmittel Projekte von Tierärzte ohne Grenzen 3
CAMPUS NEWS vetmed 3/2021 Kurz notiert Text: Nina Grötschl IM ZEICHEN VON EMAS NEUE LEITUNG AN DER VETFARM Fahrradservicestation Fotos: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna Robert Kuschela am Campus im Wordrap IN SCHUSS. Für alle Fahrradfah- rerInnen steht nun im Bereich des Parkdecks eine Servicestation zur Verfügung, um kleinere Reparaturen aller Art durchzuführen. Folgende Werkzeuge sind frei zugänglich: ver- schiedene Schraubenzieher, Maul- schlüssel, Winkelschlüsselsatz, Torx-/ Rollgabelschlüssel, Reifenheber sowie » Wartung und Reparatur Zur Arbeitserleichterung kann Seit Juni 2021 leitet der studierte Luftpumpen mit mehreren Adap- das Fahrrad vor Ort aufgebockt Wirtschaftswissenschafter Robert werden. Alle Werkzeuge sind tern/Ventilen. Kuschela die VetFarm vom Hof in einem wetterfesten Kasten Kremesberg in Pottenstein aus. Wir wünschen gute Fahrt! verstaut. VETMED Wordrap Forschung an der VetFarm bedeutet für mich … die optimalen Rahmenbedingungen für die Forschung zur Verfügung zu stellen, BIODIVERSITÄT damit viele interessante und bedeutende Forschungsprojekte an der VetFarm der Artenvielfalt am Campus der N AT Vetmeduni Vienna durchgeführt werden Vetmeduni Vienna entdecken! U CA M R A M PUS können. Mein langfristiges Ziel als Leiter der VetFarm ist … Vitaminreich dass die VetFarm ein zukunftweisender Der Sanddorn (lat.: Hippophae landwirtschaftlicher Betrieb ist, der für rhamnoides) zählt zur Familie der die Forschung und Lehre der Veterinär- Ölweidengewächse. In voller Blüte medizinischen Universität Wien nicht steht der Strauch im Frühjahr, im mehr wegzudenken ist. Herbst reifen die winzig rotgelben Beeren, die bis in die Wintermonate Meine Arbeit in einem Tweet erklärt: neeball Durch gemeinsames Zusammenspiel aller Wolliger Sch hinein an den Trieben bleiben. Die Früchte des Sanddorns sind für ihren Kräfte, die VetFarm nach vorne zu bringen, hohen Vitamin-C-Gehalt bekannt. Nahrungsquelle die einzelnen Höfe und deren Bedürfnisse Der Wollige Schneeball (lat.: Vibur- kennenzulernen, die MitarbeiterInnen zu num lantana) ist ein heimisches Sanddorn motivieren und wenn Zeit ist, meinen Gehölz und zählt zur Familie der bisher schönsten Arbeitsplatz (tolle Aus- Moschuskrautgewächse. Im Früh- sicht auf Berndorf) zu genießen. jahr bieten seine weißen Blüten Die Zukunft der VetFarm in drei Worten: Nektar und Pollen für zahlreiche Teamspirit, Serviceorientierung, Digitali- Insekten. Während der Herbst- sierung und wenn ich noch ein viertes monate besticht der Wollige sagen darf, Nachhaltigkeit. Schneeball durch seine farbinten- sive Färbung in Gelb- und Rottönen. Dieses Tier finde ich faszinierend: Im Winter reifen die roten Beeren Unsere Familienkatze „Lucky“. Auf der einen schwarz ab und dienen Vögeln als Seite sucht er die Nähe, aber nur wenn er Winternahrung. Lebensraum will, und auf der anderen Seite streunt er Bei der Totholzhecke handelt es sich sehr gerne in der Gegend herum. um eine Abwandlung einer soge- Fotos: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna Neue Energie tanke ich, indem/bei … nannten Benjeshecke, die aus toten meiner Familie und beim Sport. Ich spiele Zweigen und Ästen als eine Art sehr gerne Volleyball und gehe auch Mauer aufgeschichtet wird. Zahl- Mountainbiken, wenn die Zeit es zulässt. reiche Tiere finden hier das ganze Jahr über Unterschlupf und Nist- Zum Lachen bringt mich … möglichkeiten. Darunter u. a. Rot- sehr viel. Mir ist es wichtig, Spaß zu haben. kehlchen, Zaunkönige, Zauneidech- Nicht nur in der Freizeit, sondern auch Foto: R. Kuschela hecke sen, Blindschleichen, Erdkröten, beim Arbeiten. Mit einem Lächeln auf den Totholz Tigerschnegel, Spitzmäuse und Lippen geht sehr vieles leichter. Laufkäfer. 4
vetmed 3/2021 CAMPUS NEWS Wir gratulieren! Foto Csebi: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna; Foto De Luca: Privat; Foto Joachim: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna; Foto Sexl: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna; Foto Arnold: Gustav Bachmeyer; Foto Troxler: Ernst Hammerschmid/Vetmeduni Vienna; Auszeichnungen, Preise und Abschlüsse von Angehörigen der Vetmeduni Vienna. Peter Csebi Carlotta De Luca Anja Joachim zum Diplomate des European College of zum Posterpreis im Rahmen des zur Wahl zum Vorstandsmitglied Veterinary Diagnostic Imaging (ECVDI). 14. IAM Meetings. (executive member) der WAAVP (World Association for the Advancement of Veterinary Parasitology). Foto Auersperg: Daniel Nowotny; Foto Aditya: Privat; Foto Bagó:Robert Becksteiner/RWA; Foto Arnold: Gustav Bachmeyer; Foto Brem: Ernst Hammerschmid/Vetmeduni Vienna Veronika Sexl Walter Arnold Josef Troxler (Leiterin des Instituts für Pharmakologie (langjähriger Leiter des Forschungs- (emeritierter Professor für Tierhaltung und Toxikologie/Vetmeduni Vienna) instituts für Wildtierkunde und Ökologie/ und Tierschutz der Veterinärmedizini- zur Wahl zum wirklichen Mitglied der FIWI) zum Großen Silbernen Ehren- schen Universität Wien) zum Österrei- mathematisch-naturwissenschaftlichen zeichen für Verdienste um die Republik chischen Ehrenkreuz für Wissenschaft Klasse der Österreichischen Akademie Österreich. und Kunst I. Klasse. der Wissenschaften (ÖAW). Alice Auersperg Siska Aditya Fabian Z. Bagó (Leiterin des Goffin Labs Goldegg/Vet- ehemaliger PhD-Student des Instituts für wurde für seine Diplomarbeit „Entwick- meduni Vienna) zur Mitgliedschaft in der Tierernährung und funktionelle Pflanzen- lung einer ‚Droplet Digital‘ PCR zum Nach- Jungen Akademie (mathematisch-natur- stoffe der Veterinärmedizinischen Univer- weis von Echinococcus multilocularis im wissenschaftliche Klasse) der Österrei- sität Wien, wurde für seine Dissertation Kot von Caniden“ mit einem Stipendium chischen Akademie der Wissenschaften mit dem Bernd Rode Award des des Raiffeisen-Lagerhaus Fonds zur (ÖAW), zum Förderpreis der Stadt Wien Hochschulnetzwerkes ASEA-UNINET Ausbildungsförderung ausgezeichnet. für Wissenschaft und Kultur sowie zum (Austrian-South-East-Asian Academic Rupert-Riedl-Preis für Evolutionäre University Network) ausgezeichnet. Erkenntnistheorie des Club of Vienna. Für die Zukunft alles Gute! WIR SA DA N G E N KE! Die Vetmeduni Vienna dankt für das langjährige Engagement. Gottfried Brem Walter Arnold Professor Professor für Tierzucht und für Wildtierkunde Genetik 5
CAMPUS NEWS vetmed 3/2021 TIERISCHE INTELLIGENZ Die Werkzeugkiste des Kakadus macht Staunen Schon als Kind war ALICE AUERSPERG von Verhaltensforschung verspielt und stellen extreme Objektbezie- fasziniert. Heute leitet sie das Goffin Lab am Messerli Forschungs- hungen her, weiß Alice Auersperg. Unter institut und widmet sich der vergleichenden Kognitionsforschung dem verrückten Federschopf der Vögel anhand des Werkzeuggebrauchs. Der Goffinkakadu zeigt darin arbeitet ein großes Gehirn im Verhältnis angesichts seiner unvorhersehbaren Umwelt Meisterleistungen und zur Körpergröße. Papageien sind „Ferraris muss sich mit Krähen, Primaten, aber auch Kleinkindern messen lassen. der Hirnentwicklung“ und der Goffin eine ideale Modellart für technische Kognition. Text: Astrid Kuffner Aber Auersperg arbeitet eben immer ver- gleichend: im Lebensraum und im Labor, mit Primaten und Vögeln, nahe verwand- » Aug' in Aug' ten Arten untereinander, Keas, Krähen, Als Leiterin des Goffin Labs kennt Auersperg das Wesen Papageien und Kakadus, künstlicher und der Papageien wie kaum jemand anderer. tierischer Intelligenz. Im Sinne Tinbergens entwickelt sie Studien und Settings, die letztlich alle vier Fragen beantworten sollen. Die Kakadus müssen sich als Inselspezies jedenfalls flexibel an unterschiedliches Futterangebot anpassen. Foto: Rooobert Bayer/Vetmeduni Vienna Alice Auersperg vermisst ihr visuelles Feld und ob sich Jungtiere von Altvögeln etwas abschauen, ob sie planen oder einfach losle- gen und wie die Beziehungen zwischen der Form des Werkzeugs und dem Substrat sind: „Bei den Jungtieren scheint es vor allem auf die soziale Erfahrung anzukommen. Sie imitieren ihre Vorbilder nicht, sondern ent- wickeln stets eine eigene Technik“, erklärt B die Verhaltensforscherin. Das komplizierte Kombinieren von Objekten – sei es zusam- ücher von Jane Goodall und Mit ihrer Forschung (unter anderem ge- men- oder hineinstecken, aufeinander- oder Konrad Lorenz, die Bekannt- fördert durch einen START-Preis des Wis- hintereinanderlegen, aufstellen, zurechtbie- schaft mit Irenäus Eibl-Eibes- senschaftsfonds FWF) knüpft sie an den gen – beherrschen auch Kapuzineraffen und feldt, der mit Hans Hass auf der Verhaltensforscher Nikolaas Tinbergen an. große Menschenaffen: „Ich glaube, dass bei „Xarifa“ unterwegs war, und ein Besuch Dieser hat 1963 vier Fragen formuliert, die den Kakadus die Notwendigkeit, geeignetes der Galapagosinseln als Teenager: Wenn zur Erklärung von Verhalten beantwortet Futter aufzubereiten, und diese Kombina- es nicht angeboren war, dann wurde Alice werden müssen. Nämlich nach den ulti- tionsgabe wirken. Wenn sie etwas gemacht Auersperg auf Verhaltensforschung jeden- mativen Ursachen für ein Verhalten, dem haben, was sie näher an die Lösung bringt, falls geprägt. Zu studieren begonnen hat Mechanismus des Verhaltens auf individu- können sie diesen letzten Schritt sofort wie- sie an der Universität Wien, die einen aus- ellem Level, dem Entstehen des Verhaltens derholen“, sagt Auersperg. gezeichneten Ruf genießt. Den Abschluss im Lauf der Stammesgeschichte und im machte sie an der Universität Edinburgh Verlauf der Individualentwicklung. Mit- Die Arbeit hat sie Respekt vor Tieren ge- (Schottland). Seit April 2016 leitet die ge- glieder des Goffin-Teams, Mark O'Hara lehrt: „Mit unserer Forschung wollen wir bürtige Bayerin (Jahrgang 1981) das Goffin und Berenika Mioduszewska, haben bei der vermitteln, dass diese intelligenten Leis- Lab am Messerli Forschungsinstitut für Feldstation auf der Insel Tanimbar (Indo- tungen ethische Konsequenzen für unseren Vergleichende Kognitionsforschung. Vor nesien) vor kurzem einen Kakadu beobach- Umgang mit Tieren haben müssen.“ Auf die den Goffinkakadus arbeitete sie schon mit tet, der drei völlig unterschiedliche, jeweils nächste Generation ist die Tierliebe schon Krähen, Keas, Papageien und Primaten zu eigens und anders angefertigte Werkzeuge übergesprungen, wohnt die Forscherin doch Gedächtnisforschung, Spielverhalten und (Messer, Löffel und Keil) nacheinander auf mit zwei Kindern im Volksschulalter weni- Werkzeuggebrauch. Letzteres meistert der eine Frucht ansetzte, um an den nahrhaf- ge Minuten vom Goffin Lab entfernt im Goffinkakadu herausragend. ten Kern zu kommen. Die Vögel sind sehr Grünen – mit Enten und Hunden. « 6
vetmed 3/2021 CAMPUS NEWS VETMEDREGIO Besuch der Vetmeduni-Vienna- Außenstelle in Tirol Im Zuge der Regionalisierungsinitiative „VetmedRegio“ wurde im mit dem Schwerpunkt Infektionskrankhei- ten bei Rindern und kleinen Wiederkäuern Sommer 2020 die am AGES-Standort Innsbruck gegründete im Alpenraum schafft einen Knotenpunkt Vetmeduni-Vienna-Außenstelle zum Thema „Der Wiederkäuer zwischen praktizierenden TierärztInnen im Alpenraum“ in Betrieb genommen. Ein Jahr nach der Eröffnung im Westen Österreichs mit der AGES sowie bot ein Medientermin Einblicke in die Besonderheiten und Ziele den Tiergesundheitsbehörden (Landesve- des KOMPETENZZENTRUMS FÜR WIEDERKÄUER im Alpenraum. terinärdirektion, Tiergesundheitsdienst). Ziel ist es, den Studierenden eine praxis- Text: Nina Grötschl nahe Ausbildung zu ermöglichen, die die Arbeit der GroßtierpraktikerInnen auf den Foto: AGES Almen und in den Ställen unmittelbar er- lebbar macht. Neben Vortragstätigkeiten und fachlichem Austausch erhalten die angehenden TierärztInnen bereits einen Einblick in die Zusammenarbeit von Wis- senschaft und Behörden. Studierende, die sich im letzten Studien- jahr für das Vertiefungsmodul „Wieder- käuermedizin“ entscheiden, verbringen ei- nen Teil ihrer universitären Ausbildung in Tirol. Im Rahmen des vielfältigen, prakti- schen Programms werden angehende Tier- ärztInnen auf die spezifischen Anforde- rungen im alpinen Bereich vorbereitet. Im Rahmen von Exkursionen zu den Betrie- » Außenstelle Am AGES-Standort Innsbruck etablierte die Vetmeduni Vienna ihre Zweigstelle, die Teil der ben erhalten Studierende die Möglichkeit, U Universitätsklinik für Wiederkäuer ist. V.l.n.r.: Johannes Lorenz Khol, Vizerektor Jürgen Rehage, Rektorin Petra Winter, Thomas Kickinger, Michael Dünser, Anton Reinl. ihr künftiges Arbeitsumfeld näher kennen- zulernen und sich mit den relevanten regi- m weiterhin österreichweit Vienna-Dependance, deren Leitung der onalen Stakeholdern zu vernetzen. « eine bestmögliche flächende- Fachtierarzt Lorenz Khol innehat. Durch ckende veterinärmedizinische die Bündelung der Personal- und Infra- Versorgung – auch in abgelege- strukturressourcen von AGES und Vet- » NACHSCHAU nen Regionen – zu gewährleisten, hat die meduni Vienna vor Ort ergibt sich eine VetmedTalk #3 Veterinärmedizinische Universität Wien Win-win-Situation für alle Beteiligten. Almen, Alpen, Milchwirtschaft die Regionalisierungsinitiative „Vetmed- Den Herausforderungen der Landwirt- Regio“ ins Leben gerufen. 2019 wurde am » Durch unsere Außenstelle schaft im alpinen Raum widmete sich AGES-Standort Innsbruck eine Vetmed- in Tirol nehmen wir unsere auch die dritte Ausgabe des VetmedTalks uni-Vienna-Außenstelle zum Thema „Der zum Thema „Almen, Alpen, Milchwirt- Verantwortung wahr, unseren schaft“ im September 2021. Eine hoch- Wiederkäuer im Alpenraum“ gegründet, die 2020 ihren Betrieb aufnahm. Beitrag zur Sicherung der karätig besetzte Runde mit VertreterIn- nen aus den Bereichen Veterinärwesen veterinärmedizinischen und Landwirtschaft diskutierte ver- Im Rahmen eines Medientermins im Sep- Versorgung im alpinen schiedene Aspekte rund um die „Milch tember 2021 vor Ort in Tirol besuchten Raum zu leisten.« aus dem Alpenland“ und bot einen interessanten Austausch über die Be- Rektorin Petra Winter und Jürgen Rehage, PETRA WINTER sonderheiten und Stärken der alpinen Vizerektor für Lehre und klinische Vete- Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien Landwirtschaft. rinärmedizin der Vetmeduni Vienna, ge- meinsam mit Michael Dünser, Leiter des Die enge Kooperation zwischen der Vete- » NACHSCHAU Das Online-Event steht Tiergesundheitsstandorts Innsbruck, so- rinärmedizinischen Universität Wien und hier als Nachschau zur wie den AGES-Geschäftsführern Thomas der Österreichischen Agentur für Gesund- Verfügung. Kickinger und Anton Reinl die Räum- heit und Ernährungssicherheit (AGES) hin- lichkeiten der AGES und der Vetmeduni- sichtlich Lehre, Ausbildung und Forschung 7
SCHWERPUNKT vetmed 3/2021 SCHWERPUNKT Kein Hunger Drei Jahre, drei Ziele, eine Botschaft Im Fokus der Nachhaltigkeitsoffensive: Kein Hunger Die Vetmeduni Vienna ist schon per eigener Mission und Kernauftrag ein Stützpfeiler der Versorgung der Bevölkerung mit gesunden, sicheren und qualitätsvollen Lebensmitteln tierischer Herkunft. Die Aktivitäten zum UNO-Entwicklungs- ziel Sustainable Development Goal (SDG) 2 „Kein Hunger“ sind vielseitig. Zum einen arbeitet die Universität an einem Optionenpapier für Österreich. Zum anderen liefert sie konkrete Beiträge in der Forschung, Lehre und Öffentlich- keitsarbeit. Einen tieferen Einblick geben die nachfolgenden Artikel. Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna
SCHWERPUNKT vetmed 3/2021 RESISTENZEN Ein sensibles Gleichgewicht: Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung Die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt kann nur übergreifend verwirklicht werden. Deutlich wird das etwa am Beispiel von Antibiotika, die nicht mehr wirken. Die Abteilung für Öffentliches Veterinärwesen und Epidemiologie leistet ihren Beitrag zum One-Health-Konzept und der gesunden Ernährung der Weltbevölkerung mit Forschung zur Ausbreitung und BEKÄMPFUNG VON ANTIBIOTIKARESISTENZEN, Tierseuchen und Zoonosen. E Text: Astrid Kuffner Fotos: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna » LINKS ZUM THEMA s ist leider ein hausgemachtes Problem. in der tierärztlichen Therapie den Einsatz von Anti- www.vetmeduni.ac.at/ADDA Dass Antibiotika wirkungslos werden, biotika im Gleichgewicht zu halten. In der täglichen www.d4dairy.com also Erreger gegen etablierte und effek- Praxis fördert jeder Einsatz von Antibiotika die Re- » TWITTER tive Medikamente Resistenzen aufbau- sistenzentwicklung und trägt so zu dem globalen Folgen Sie der Abteilung für en konnten, ist auf ihren langjährigen, Problem bei. Gleichzeitig muss jedes kranke Tier Öffentliches Veterinärwesen sorglosen und unsachgemäßen Gebrauch zurück- behandelt werden, um Schmerz und Leid zu ver- und Epidemiologie auf Twitter @VPH_Vetmeduni zuführen. Die ernüchternden Zahlen zeigen: Der meiden. Ziel muss es sein, den Antibiotikaeinsatz für Neuigkeiten aus der Antibiotikaverbrauch in der Humanmedizin ist in auf das unbedingt erforderliche Maß zu verringern, Forschung. den vergangenen 15 Jahren weltweit um rund 65 um die Wirksamkeit der Medikamente zu erhalten. Prozent gestiegen. Für die Behandlungspraxis be- Die Abteilung für Öffentliches Veterinärwesen und deutet das jedoch, dass sich sowohl gefährliche als Epidemiologie (VPH) leistet ihren Forschungsbei- auch zunächst harmlose bakterielle Erkrankungen trag an der Schnittstelle von Nutztiergesundheit in manchen Fällen nicht mehr rasch und wirksam und Prävention. behandeln lassen. Eine Lungenentzündung kann hier ebenso lebensbedrohlich werden wie ein Harn- Medikamenteneinsatz wegsinfekt. Weil im Sinn des One-Health-Konzepts bei der Milchkuh die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt nicht „Konkret beschäftigen wir uns im Rahmen zweier in- getrennt voneinander zu erreichen ist, gilt es auch terdisziplinärer Projekte – ADDA und D4Dairy – mit dem Antibiotikaeinsatz in österreichischen Milch- kuhbetrieben. Das geschieht in Zusammenarbeit mit Molkereien, Tiergesundheitsdiensten, TierärztIn- nen und WissenschafterInnen anderer Einrichtun- gen“, beschreibt Clair Firth ihren Forschungsschwer- punkt. Im Projekt ADDA, kurz für Advancement of Dairying in Austria, wurden Strategien für ei- » Abwechslung nen verminderten Antibiotikaeinsatz erarbeitet. Clair Firth wechselt ihren Arbeitsort und damit ihre In 250 österreichischen Milchviehherden wurden Perspektive regelmäßig – vom Büro in den Kuhstall Risikofaktoren analysiert, die zum Auftreten von und wieder zurück. Eutererkrankungen beitragen. Im internationalen Foto: Clair Firth/Vetmeduni Vienna 10
vetmed 3/2021 SCHWERPUNKT » Medizin fürs Milchvieh Antibiotika gezielt einsetzen, so viel wie nötig, so wenig Vergleich zeigt sich, dass in Milchproben aus öster- tibiotikaresistenzen zu minimieren bedeutet für wie möglich, um Schmerz und Leid zu vermeiden – reichischen Betrieben relativ selten antibiotikaresis- mich, im Sinne des One-Health-Ansatzes zu agie- so kann die Wirksamkeit tente Bakterien bei Euterinfektionen nachgewiesen ren. Dabei steht die Gesundheit von Mensch, Tier erhalten werden. werden. Sucht man in den Beständen aber gezielt und Umwelt in unmittelbarer Verbindung“, erklärt nach Keimen mit bestimmten Resistenzmustern Firth. (etwa Darmbakterien mit Resistenzen gegen in der Humanmedizin besonders wichtige Antibiotika wie Gesucht werden praxistaugliche Strategien zur Re- zum Beispiel phänotypisch Extended-Spectrum Be- duktion des Antibiotikaeinsatzes. In Kooperation mit ta-Lactamasen (ESBL) bildende E. coli), ist die Ver- praktizierenden Tierärzten wird bei D4Dairy ein breitung häufiger. Entscheidungsinstrument für den gezielten Antibio- tikaeinsatz beim Trockenstellen von Milchkühen » Antibiotikaresistenzen zu entwickelt. Wichtig ist zu wissen, ob Antibiotika, die in der Humanmedizin wichtig sind, erforderlichen- minimieren bedeutet für mich, falls durch andere, weniger kritische Medikamente im Sinne des One-Health- ersetzt werden können. Ein weiterer Arbeitsschwer- Ansatzes zu agieren. Dabei punkt des Projekts ist die Kälbergesundheit. Ver- » Praxistaugliche Strategien steht die Gesundheit von schiedene Studien haben gezeigt, dass die Antibio- Abseits der Alm arbeiten Mensch, Tier und Umwelt in tikaresistenzraten insbesondere bei jungen Tieren auch WissenschafterInnen und TierärztInnen, Tier- unmittelbarer Verbindung.« hoch sind. Verbesserte Managementstrategien sollen gesundheitsdienste, Mol- die Entwicklung und Ausbreitung von antibiotikare- kereien und Labore daran, CLAIR FIRTH den Antibiotikaeinsatz Abteilung für Öffentliches Veterinärwesen sistenten Bakterien in landwirtschaftlichen Betrie- und mögliche Resistenzen und Epidemiologie aufzuspüren. ben nachhaltig reduzieren, besser noch verhindern und so zum Verbraucherschutz beitragen. Aufbauend auf ADDA arbeiten daher im Projekt D4Dairy TierärztInnen, LandwirtInnen, Wissen- Handlungsbedarf schafterInnen, Tiergesundheitsdienste, Molkereien beim Schwein sowie Labore aus ganz Österreich daran, Antibioti- In Österreich werden Schweine besonders oft mit An- karesistenzdaten zu gewinnen, zu vergleichen und tibiotika therapiert, das zeigt die offizielle Statistik. für alle Beteiligten zugänglich zu machen. „An- Die Abteilung VPH widmet sich daher auch der » Foto: Clair Firth/Vetmeduni Vienna 11
SCHWERPUNKT vetmed 3/2021 Antibiotikaresistenz Jeder Einsatz von Antibiotika fördert die Ausbildung von Resistenzen bei bakteriellen Erregern. Dies ist bedeutsam, weil Mensch, Tier und Umwelt auch im Bereich Gesundheit zusammenhängen. » Entwicklung von Begrenzungsstrategien für bak- Einsatz von Antibiotika terielle Infektionskrankheiten beim Schwein. Die VetAustria ist eine Kooperation des Bundesminis- teriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Kon- sumentenschutz, der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) und der Veterinär- 60.000 Antibiotika medizinischen Universität Wien zur Erforschung, werden jährlich weltweit in der Überwachung und Bekämpfung von Tierkrankhei- Tonnen Tierhaltung eingesetzt. ten, Zoonosen und Antibiotikaresistenzen. Im Rahmen dieser Partnerschaft wurde die Pilot- studie „MRSA/ESBL“ durchgeführt. In 30 öster- In Österreich dürfen nur kranke reichischen Zuchtschweinebetrieben wurden die Tiere mit Antibiotika behandelt Einsatzhäufigkeit von Antibiotika und das Biosi- werden. Die Verwendung als cherheitsniveau in Bezug auf multiresistente Keime Wachstumsförderer ist in der EU seit mehr als 15 Jahren verboten. unter die Lupe genommen. In der Mehrzahl der Stäl- le konnten mit empfindlichen Untersuchungsver- fahren leider Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), Fluorchinolon-resistente E. coli und Rückstände von Antibiotika phänotypisch ESBL-bildende E. coli nachgewiesen werden von Tieren (und auch werden. Dass sich die Antibiotika-Abgabemuster Menschen) ausgeschieden und gelangen dadurch in Böden zwischen Betriebsgruppen und Nutzungsarten deut- und Gewässer – sie belasten lich unterscheiden, zeigt Potenzial für Verbesserun- die Umwelt und können auch gen an. VertreterInnen der VetAustria, der Tierge- in Nahrungsmittel wie Fleisch sundheitsdienste und aus der Praxis erarbeiten nun und Milch gelangen. Verbesserungsvorschläge für die Schweinehaltung und wollen passgenaue Schulungskonzepte entwi- ckeln, die durch reduzierten Antibiotikaeinsatz eine Lebensmittel werden daher nachhaltige Landwirtschaft unterstützen. in der EU regelmäßig auf Rückstände kontrolliert. Gesündere Tiere brauchen Bei Regelverstößen folgen massive Konsequenzen. weniger Antibiotika Im Rahmen einer Europäischen Innovationspart- nerschaft arbeitete die Abteilung für Öffentliches Was ist eine Antibiotikaresistenz? » Ein Antibiotikum wirkt nicht » Kotprobennahme Bevor Daten aus landwirtschaftlichen Betrieben mehr gegen ein bestimmtes im Rahmen von D4Dairy verglichen und Bakterium. ausgetauscht werden können, müssen sie sorgfältig erhoben werden. » Nicht der Mensch oder das Tier wird resistent, sondern ein einzelnes Bakterium. Fotos: Claudine Mramor/TGD Burgenland » Jede Anwendung von Antibiotika bei Mensch oder Tier unterstützt die Entwick- lung neuer Resistenzen oder die Verbreitung vorhandener Resistenzen. Illustration: Matthias Moser; Redaktionelle Aufbereitung: Julietta Studeny und Stephanie Scholz; Fachlicher Input: Annemarie Käsbohrer und Clair Firth, Abteilung Öffentliches Veterinärwesen und Epidemiologie 12
vetmed 3/2021 SCHWERPUNKT » Kontext Die Gesundheit von Nutztieren wie Milchrindern steht in direktem Zusammenhang mit der Gesundheit von Mensch und Umwelt. Fotos: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna Veterinärwesen und Epidemiologie mit dem Ver- ne einer Welt, in der wir gemeinsam leben, internati- band Österreichischer Schweinebauern (VÖS) daran, onalen Vorgaben und Erwartungen nach. die Daten aus der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung für eine verbesserte Betreuung Wichtig für One Health ist auch der Transfer von der Tierbestände zu nutzen. In einem Folgeprojekt Wissen in die Praxis. In der Projektgruppe „Wissens- sollen nun Erhebungs- und Rückmeldeinstrumente transfer Geflügel“ werden zum Beispiel zusammen im Feld erprobt werden. Einmal implementiert hel- mit TierärztInnen und dem Qualitätsverband Ge- fen sie TierärztInnen und LandwirtInnen gemein- flügel (QGV) Strategien für eine verbesserte Infor- CLAIR FIRTH sam, Tiergesundheit zu sichern. mation zum Thema Biosicherheit entwickelt und mögliche gemeinsame Aktivitäten ausgelotet. Ähn- Die gebürtige Engländerin Wissen in die Praxis bringen lich wird im Bereich Schweinehaltung vorgegangen. Clair Firth lebt seit 1998 in Österreich. Nach Abschluss Der Nationale Aktionsplan zur Antibiotikaresistenz Für die Rinderhaltung nehmen sich Clair Firth und ihrer Studien zu Nutztier- (NAP-AMR) formuliert ambitionierte Ziele und ad- ihre KollegInnen dem Wissenstransfer auf mehre- wissenschaften und ressiert gemäß dem One-Health-Konzept übergrei- ren Ebenen an. Einerseits im direkten Austausch Landwirtschaft in Groß- fend Belange der Humanmedizin, der Veterinärme- mit LandwirtInnen, mit den Tiergesundheitsdiens- britannien sowie ihrer Forschungstätigkeit in dizin, der Tierhaltung, der Lebensmittelkette und ten oder im Fall von Clair Firth auch der eigenen der pharmazeutischen der Umwelt. Die Forschungsergebnisse der Abtei- tierärztlichen Tätigkeit: „Dabei merke ich schnell, Industrie entschied sich lung tragen dazu bei, diese zu erfüllen. ob unsere Forschungsideen und Verbesserungsvor- Firth zum Studium der schläge für LandwirtInnen und TierärztInnen rea- Veterinärmedizin an der Vetmeduni Vienna. Sie Oberstes Ziel muss sein, die Entstehung und Ausbrei- lisierbar sind. Ich verstehe ihre Probleme und kann forscht in der Abteilung für tung von Resistenzen nachhaltig zu vermindern, um so meine Forschung relevant und nützlich machen. Öffentliches Veterinär- die Wirksamkeit von Antibiotika für Mensch und Es bringt wenig, gute Ideen zu haben, wenn sie in der wesen und Epidemiologie, Tier zu erhalten. Österreich kommt hiermit im Sin- Praxis nicht umsetzbar sind.“ wo sie auch ihr Doktorat absolvierte, und ist als Tierärztin in einer Groß- Bei öffentlichen Veranstaltungen ist es der Mutter » Ich merke schnell, ob zweier Töchter wichtig, „die nächste Generation für tierpraxis in der Steier- mark tätig. 2019 wurde unsere Forschungsideen und das One-Health-Konzept zu sensibilisieren. Unsere ihre Dissertation zum Foto: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna Verbesserungsvorschläge für Antibiotikaeinsatz in der Abteilung ist regelmäßig beim ‚Tag der offenen Tür‘ Mastitistherapie und LandwirtInnen und TierärztInnen der Vetmeduni Vienna oder mit wissenschaftlichen Resistenzen in Milchvieh- realisierbar sind. Es bringt wenig, Beiträgen beim ‚science camp‘ für SchülerInnen der betrieben wegen der Oberstufe vertreten“. Für sehr junge Zielgruppen be- hohen Relevanz für Tier- gute Ideen zu haben, wenn medizin und Gesellschaft sie in der Praxis nicht müht sich Clair Firth etwa bei der KinderuniWien, mit dem Nutztierpreis der Inhalte ihrer Forschung in einfachen Worten in umsetzbar sind.« spielerischen Workshops auf Deutsch und Englisch Gesellschaft der Freunde der Vetmeduni Vienna CLAIR FIRTH ausgezeichnet. und mit verständlichen Vergleichen kindgerecht aufzubereiten. « Abteilung für Öffentliches Veterinärwesen und Epidemiologie 13
SCHWERPUNKT vetmed 3/2021 IM GESPRÄCH Food is life: Nachhaltige Produktion und Lebensmittelsicherheit Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna » Renommiert Martin Wagner ist inter- national anerkannter Experte im Bereich mikrobieller Lebens- mittelsicherheit und als Universitätsprofessor an der Vetmeduni Vienna tätig. Die Qualität von Lebensmitteln » IM GESPRÄCH führen umgehend zum Zusammenbruch bestimmt die Qualität unseres Lebens. der Lebensmittelversorgung und somit Martin Wagner Es klingt simpel – sichere Lebensmittel zu Hunger und Revolte. Nur weil in vie- Kompetenzzentrum Feed and Food sind aber keine Selbstverständlichkeit. Quality, Safety and Innovation (FFoQSI) len entwickelten Ländern aktuell Frieden „Kein Hunger“ ist das Ergebnis herrscht und der technische Fortschritt in unzähliger Rädchen, die innerhalb der Landwirtschaft die Lebensmittelver- VETMED: Welchen Stellenwert sorgung bisher reibungslos gewährleistet der Lebensmittelkette einwandfrei hat Lebensmittelsicherheit bzw. hat, ist nicht zwingend gesichert, dass die- ineinandergreifen müssen. MARTIN Lebensmittelversorgung in unserer se Situation fortwährend stabil bleibt. WAGNER widmet seine Forschung Gesellschaft? an der Vetmeduni Vienna und am Neben den wirtschaftlichen Effekten eines Kompetenzzentrum FEED AND FOOD Martin Wagner: Die Versorgung der Be- effizient gestalteten Lebensmittelproduk- QUALITY, SAFETY AND INNOVATION völkerung mit hochwertigen und gesund- tions- und -versorgungssystems müssen (FFOQSI) genau diesem Themen- heitlich unbedenklichen Lebensmitteln auch die sozialen Auswirkungen dieser bereich. Im Gespräch mit dem VETMED ist die Schlüsselaufgabe jeder Gemein- Entwicklung gesehen werden. Während Magazin erklärt er Zusammenhänge schaft und somit von großem politischem Anfang des 20. Jahrhunderts ein Großteil zwischen technischem Fortschritt, Belang. Eine ausreichende Lebensmittel- der Bevölkerung den ganzen Tag darauf Bevölkerungswachstum, Klimawandel, versorgung ist auch in nun entwickelten verwendete, durch Arbeitsleistung oder als einer intakten Lebensmittelversorgung, Ländern dieser Welt erst seit ein paar Jahr- Bauern genug Nahrungsmittel zum Leben zehnten gesichert. In weniger entwickel- zu beschaffen, führte der Fortschritt in der wirtschaftlichen sowie sozialen ten Ländern ist die Situation nach wie vor Lebensmittelproduktion dazu, dass der Dimensionen und der Rolle von bedenklich, auch angesichts einer häufig Mensch heute häufig ein Homo eligens ist, mündigen KonsumentInnen. wachsenden Bevölkerung. Katastrophen ein zwischen Arbeit und Freizeit Auswäh- Text: Julietta Studeny und Alexandra Eder wie zum Beispiel die Erdbeben in Haiti lender. Alles, was vielen von uns wichtig ist 14
vetmed 3/2021 SCHWERPUNKT » RÜCKBLICK » IM GESPRÄCH VetmedTalk #2 Gesunde und sichere Lebensmittel – Work-Life-Balance, Selbstverwirklichung, Rohstoffeinsatz, ein energieeffizientes N AC HS O N L C H AU auch der Begriff der persönlichen Freiheit Management von Produktnebenströmen IN E im Generellen – hängt damit zusammen, und ein gutes Hygienemanagement, das ob wir Zeit zur freien Gestaltung haben, die Produkte lange sicher und zum Ver- also quasi ob das Thema der Nahrungsmit- zehr geeignet hält. telversorgung vorab positiv erledigt ist. Vor welchen Herausforderungen » Vor allem der unreflektierte stehen wir in Hinblick auf Wunsch vieler KonsumentInnen, Lebensmittelproduktion und zu allen Jahreszeiten einen Unter dem Motto „Heute verstehen. Morgen verändern.“ lud die Vet- -konsum? vollen Tisch mit billigen, oft meduni Vienna Ende Juni 2021 zur auch exotischen Lebensmitteln zweiten Ausgabe des VetmedTalks, eines neu etablierten Events zum Wagner: Auf das lebensmittelproduzie- aufgedeckt zu sehen, ist eine Wissenstransfer im Online-For- rende System wirken sowohl positive wie zunehmende Illusion.« mat. Diesmal drehte sich alles um auch negative Faktoren ein, die ihre Wir- MARTIN WAGNER Lebensmittelsicherheit entlang der kung jeweils regional oder global entfal- Kompetenzzentrum Feed and Food Quality, gesamten Lebensmittelkette – vom Safety and Innovation (FFoQSI) Feld bis zum Teller. ExpertInnen aus ten können. Zwischen diesen Kategorien den Bereichen Lebensmitteltech- sind natürlich viele Übergänge möglich. nologie, -mikrobiologie, Lebens- Global positiv zu bewerten sind neue wis- Auf unsere Produktionssysteme werden mittelgewerbe sowie Veterinär- senschaftliche Erkenntnisgewinne und aber auch die Effekte der drohenden Kli- wesen diskutierten das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven und der Einsatz neuer Technologien, die die makatastrophe massiv einwirken und zu boten Einblicke in verschiedene notwendige Produktivitätssteigerung in enormen Verschiebungen in den Produk- Konzepte für eine sichere Lebens- der Landwirtschaft bewirken werden: von tionsstrukturen führen. Darüber hinaus mittelerzeugung. Pflanz- und Zuchttechnologien bis zu sind die zunehmende Weltbevölkerung „Lebensmittelsicherheit“ steht für Haltungssystemen und Nacherntetechno- und die damit verbundene Begrenztheit alle Maßnahmen, die sicherstel- logien, Schlagwort Digitalisierung. Diese von verfügbaren natürlichen Ressourcen len sollen, dass Lebensmittel für Entwicklung ist regional oft durch neue, wie Boden und Wasser global limitieren- EndverbraucherInnen zum Verzehr geeignet sind. Denn kontaminierte resilienzorientierte Konzepte der „alter- de Faktoren. Regionale Stressoren des Lebensmittel führen zu übertrag- nativen“ Bewirtschaftung von Ressour- Systems sind etwa überbordende Lebens- baren Krankheiten und bedrohen cen ergänzt, die in einem differenzierten mittelverschwendung, Preisverwerfungen, die Gesundheit von Mensch und Produktionssystem ihre absolute Berech- Technologiefeindlichkeit oder falsche Er- Tier. Aber wie lassen sich Konzepte für eine sichere Lebensmitteler- tigung haben. Dazu gehören nachhaltige nährungs- und Kaufverhaltensmuster wie zeugung in allen Phasen, vom Hof Anbaukonzepte im Feldbau, neue biolo- übermäßiger Kauf von ressourcenverbrau- auf den Teller, umsetzen? Eine von gische Verfahren im Pflanzenschutz wie chenden Lebensmitteln. Vor allem der vielen Fragestellungen, die die Ex- auch die zunehmende Verwendung besser unreflektierte Wunsch vieler Konsumen- pertInnenrunde in einem spannen- den und umfassenden Austausch angepasster Nutztierrassen. tInnen, zu allen Jahreszeiten einen vollen beleuchtete. Tisch mit billigen, oft auch exotischen Le- Die Diskussion zeigte auf, dass Im Bereich der Lebensmittelverarbeitung bensmitteln aufgedeckt zu sehen, ist eine geht es vor allem um einen vertretbaren zunehmende Illusion. » man Lösungswege braucht, um der Entfremdung zwischen Konsumen- tInnen und Lebensmitteln sowie deren Produktionsweise entge- genzuwirken. Dabei kommt der Aufklärung der EndverbraucherIn- Kompetenzzentrum FFoQSI nen eine besondere Rolle zu. Denn Feed and Food Quality, Safety and Innovation eine sachgerechte und realitätsna- he Information über Herkunft und Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna 45 Partner 8 wissenschaftliche Herstellung von Produkten leistet aus Wirtschaft und Partner einen wesentlichen Beitrag, um Industrie aus Universitäts-, mehr Verständnis hinsichtlich der (laufend ausgebaut) Forschungs- und realen Produktionsbedingungen Fachhochschulbetrieb und dem Preis-Werteverhältnis bei KonsumentInnen zu generieren. 60 Beschäftigte 19 Mio. € davon 90% in der Budget für die Jahre » NACHSCHAU Forschung 2021– 2024 Der VetmedTalk zum Thema „Lebensmittel- sicherheit“ auf YouTube! 15
SCHWERPUNKT vetmed 3/2021 » IM GESPRÄCH » Welchen Stellenwert nehmen Vetmeduni Vienna und FFoQSI in der Forschung „vom Feld zum Teller“ ein? Wagner: Das Kompetenzzentrum Feed and Food Quality, Safety and Innovation (FFoQSI) ist das einzige seiner Art in Öster- reich und verknüpft die Forschung zu Pri- märproduktion und Lebensmittelverarbei- tung entlang ganzer Lebensmittelketten. Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna Durch die dafür notwendige Integration verschiedener Wissenschaftsdisziplinen wurde ein international einmaliger „Sci- ence Hub“ geschaffen, der knapp 60 For- schungsarbeitsplätze finanziert und die produzierende Wirtschaft maßgeblich mit- einbezieht. Vor allem Letzteres ist wich- tig, um Erkenntnisse und Entwicklungen schlussendlich als Innovation umgehend implementieren zu können. Welche konkreten Projekte bau und biologischen Pflanzenschutz zu » Dass alleine in Österreich werden im FFoQSI bearbeitet? innovativen Fütterungskonzepten, von 700.000 bis 1 Million Tonnen lebensmitteltechnologischen und lebens- an Lebensmitteln jedes Jahr Wagner: In Summe werden derzeit mehr mittelhygienischen Fragestellungen bis als 50 Forschungsaktivitäten in zwölf Pro- zur Authentizitätsprüfung von Lebens- vergeudet werden, zeigt, dass jekten abgewickelt. Die Projekte erstrecken mitteln. Das Forschungsnetzwerk besteht eine Bewusstseinsänderung sich vom sensorüberwachten Pflanzen- zurzeit aus acht wissenschaftlichen Part- absolut notwendig ist.« nern und 45 Wirtschaftspartnern, die alle MARTIN WAGNER Kompetenzzentrum Feed and Food Quality, ihre Fragestellungen einbringen konnten. Safety and Innovation (FFoQSI) » INFO Die Warteliste von Wirtschaftspartnern, die einsteigen möchten, wird derzeit im- Forschungsbereiche mer länger. Die Vetmeduni Vienna ist im den natürlichen Ressourcen notwendig. der Vetmeduni Vienna FFoQSI in den Bereichen Tierfütterung, Nachdem eine Reduktion der dynamisch am FFoQSI Tiergesundheitsüberwachung und Lebens- wachsenden (Welt-)Bevölkerung – auch » Erforschung von wenig genutzten mittelsicherheit aktiv. Österreichs Bevölkerung ist seit dem Jahr alternativen Eiweißquellen 2000 um fast eine Million Menschen ge- für Nutztierfütterung und deren In welchem Zusammenhang wachsen –, aber auch der Nutztierpopula- Auswirkung auf die Darmphysiologie steht Ihre Arbeit mit dem tion derzeit nicht absehbar ist, kann nur » Digitalisiertes Gesundheitsmonitoring Sustainable Development Goal (SDG) eine Produktivitätsentwicklung des Land- von Kühen und Schweinen, basierend zum Beispiel auf Bewegungsanalysen „Kein Hunger“? wirtschaftssektors gepaart mit einem an- gepassten Konsumverhalten dazu führen, » Aktivitäten zur Sicherung der Hygiene Wagner: Mit dem Tag unserer Geburt ist dass bei adäquater Versorgungssicherheit bei tierischen und pflanzlichen Lebens- mittelketten im Leben nichts so zentral wie die Versor- die natürlichen Ressourcen auch nachhal- gung mit geeigneten Nährstoffen. Unsere tig geschützt werden. » Charakterisierung von Fremdgerüchen körperliche, soziale und psychische Ent- beim Schweinefleisch wicklung hängt zentral davon ab. Deshalb Auch wenn Österreich eine günstige Situ- » „High Risk“-Aktivitäten, hat die UN „Zero Hunger“ als ein maßgeb- ation vorfindet, sind unsere Produktions- deren Ergebnisse noch keine direkte Umsetzung in der Praxis erwarten liches Nachhaltigkeitsziel für 2030 defi- systeme durch die Globalisierung eng mit lassen, unter anderem Erforschung von niert. Da die Lebensmittelversorgung man- weniger resilienten Systemen verflochten. Biofilmen und den zu Grunde liegenden nigfach von den Produktionsgrundlagen Dass alleine in Österreich 700.000 bis mikrobiellen Gemeinschaften auf unserem überstrapazierten Planeten 1 Million Tonnen an Lebensmitteln jedes abhängt, ist ein anderer Umgang mit Jahr vergeudet werden, zeigt, dass eine 16
vetmed 3/2021 SCHWERPUNKT KOMMENTAR Gesunde Tiere benötigen keine Therapie KARIN SCHWAIGER Leiterin der Abteilung für Hygiene und D Technologie von Lebensmitteln ie Anwendung antimikro- ökologischer Produktion stammen- biell wirksamer Substanzen dem Dünger versorgt wurde. Auch in in der Nutztierhaltung ist der konventionellen Landwirtschaft stark in den Fokus der Kritik geraten. steckt das Potential, zur Reduktion Tatsache ist: Der Einsatz von Anti- von Antibiotikaresistenzen beizu- biotika fördert die Selektion resisten- tragen – vor allem indem, wie bereits » Langfristig denken ter Bakterien. In der Human- ebenso vielfach gefordert, die Haltungsbe- Wagner unterstreicht den Stellenwert eines nachhaltigen wie in der Tiermedizin gilt dies als dingungen an die Bedürfnisse der und bewussten Umgangs mit wissenschaftlich bestätigt. Die Gabe Tiere angepasst werden und nicht natürlichen Ressourcen. antibiotischer Leistungsförderer über umgekehrt. Denn fest steht: Gesunde das Tierfutter ist deshalb seit 2006 Tiere benötigen keine Therapie. Bewusstseinsänderung absolut notwendig EU-weit verboten. Für kranke Tiere ist und auch jeder Einzelne viel zu einem muss jedoch vor allem aus Tierschutz- Somit leisten angepasste Haltungs- nachhaltigeren Lebensmittelsystem bei- gründen weiterhin die Möglichkeit formen – unabhängig davon, ob „bio“ tragen kann. Die Wissenschaft wird auf zur adäquaten Behandlung bestehen, oder konventionell – nicht nur einen alle Fälle ihren Beitrag leisten – unbeirrt, sowohl in konventionellen als auch in Beitrag zum Tierschutz, sondern sie wie gute Wissenschaft eben ist. Dafür steht ökologischen Haltungssystemen. können darüber hinaus auch wesent- die Vetmeduni Vienna und mit ihr zusam- lich zur Sicherung der Wirksamkeit men das Kompetenzzentrum FFoQSI. « Dass in biologisch wirtschaftenden von Antiinfektiva beitragen. « Betrieben keinerlei Antibiotika ein- gesetzt werden, ist ein Irrglaube. MEH R THE ZUM MA Tatsächlich sind im Krankheitsfall » LITERATUR vorzugsweise homöopathische und pflanzliche Arzneimittel anzuwen- „Comparative Analysis of Antibiotic Resistance Characteristics of Gram- den – jedoch nur, falls damit Aussicht negative Bacteria Isolated from Laying MARTIN WAGNER auf Erfolg besteht. Ansonsten ist auch Hens and Eggs in Conventional and der Einsatz chemisch-synthetischer Organic Keeping Systems in Bavaria, Martin Wagner leitet an der Germany“ von K. Schwaiger, EM Vetmeduni Vienna das Institut Tierarzneimittel (einschließlich Anti- Schmied und J. Bauer. für Lebensmittelsicherheit, biotika) erlaubt. Dass die ökologische Lebensmitteltechnologie und Landwirtschaft dennoch zu einer Re- öffentliches Gesundheitswesen duktion von Antibiotikaresistenzen in der Veterinärmedizin. Seit 2017 ist er außerdem wissen- beitragen kann, wurde wissenschaft- schaftlicher Leiter des Austrian lich bereits nachgewiesen (Beispiele „Comparative Analysis on Antibiotic Competence Centre for Feed siehe rechts). Dies liegt nicht nur am Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna Foto: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna Resistance Characteristics of Listeria and Food Quality, Safety & insgesamt geringeren Antibiotikaein- spp. and Enterococcus spp. Isolated Innovation (kurz: FFoQSI). Die Forschung des Mikrobiologen satz, sondern (neben etwas geringeren From Laying Hens and Eggs in Tierdichten, höherem Platzangebot Conventional and Organic Keeping beschäftigt sich mit Themen ent- Systems in Bavaria, Germany“ von K. lang der Produktion von Lebens- etc.) auch am Funktionieren als Ge- Schwaiger, EM Schmied und J. Bauer. mitteln, etwa der Entwicklung samtsystem. So sind unter anderem von Qualitäts- und Sicherheits- konzepten sowie technologischen höhere Wartezeiten einzuhalten, Innovationen gepaart mit und es wird ausschließlich biolo- Nachhaltigkeitsüberlegungen. gisch produziertes Futter angeboten, das wiederum ausschließlich mit aus 17
SCHWERPUNKT vetmed 3/2021 Gesunde Tiere – Sichere Lebensmittel – Gesunde Menschen Aktuelle Hilfsprojekte Kampf gegen Schnüffelhunde im Einsatz Lebensmittelbetrug für sichere Lebensmittel Tierärzte ohne Grenzen* Expertise www.vsf.at » Ernährungssicherung, Lebensmittel- sicherheit, Maßnahmen gegen » Leistet humanitäre tierärztliche Lebensmittelbetrug Entwicklungshilfe » Stellt sich in den Dienst der ärmsten » Tiergesundheit Mobile Agrarschule Mobile Käseschule Bevölkerung der Erde » Nutztierhaltung und Pastoralismus für Sandawe in Ostafrika (Naturweidewirtschaft) » Kämpft gegen Lebensmittelbetrug » Anbau von Nutzpflanzen und Hunger » Management natürlicher Ressourcen ——————— » Wertschöpfung und Marketing * Forschende und MitarbeiterInnen der » Kapazitätsaufbau und Training Vetmeduni Vienna engagieren sich bei Tier- » Frauenförderung ärzte ohne Grenzen (VSF) und setzen sich in Forschungs- und Hilfsprojekten beispielsweise » Interessenvetretung von Menschen Massai- Mission gegen globalen Lebensmittelbetrug ein. im globalen Süden Stipendienprogramm Anti-Rabies Zielgruppe Zielgruppe Internationale PastoralistInnen KonsumentInnen in den Kooperationspartner (BetreiberInnen einer Slums von Megametropolen VSF International Naturweidewirtschaft) Vétérinaires sans Frontières mehr als 200 Projekte in 35 Ländern aktiv Globale Verantwortung Österreichischer Dachverband für Entwicklung und Humanitäre Hilfe 34 Mitgliedsorganisationen in 120 Ländern aktiv Africa Uninet 53 Mitgliedsorganisationen in 16 Ländern Eurasia Pacific Uninet 176 Mitgliedsorganisationen in 15 Ländern IVSA » Über 200 Millionen Menschen weltweit » Über 1 Milliarde Menschen leben weltweit International Veterinary Students' » Resiliente kleinbäuerliche Lebensform in Slums Association » Bewirtschaften mehr als die Hälfte der » Bis 2030 sind es geschätzt 2 Milliarden 194 Mitgliedsorganisationen Erdoberfläche » In Afrika: 300 Millionen, davon 45 Millionen in 73 Ländern » Insgesamt grasen geschätzt 1 Billion Nutztiere Babys und Kleinkinder frei auf Weideland » Sub-Sahara: >50% der urbanen Bevölkerung OIE World Organisation for Animal Vorteile Pastoralismus Health » Hohe Autonomie 182 Mitgliedsstaaten, » Direktes Einkommen Kooperation mit 75 nationalen und » Trägt zur Ernährungssicherung bei internationalen Organisationen » Auch in abgelegenen Randgebieten praktikabel » Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen SPONSORING durch renommierte » Erhalt der Biodiversität internationale Fluglinie für Tierärzte ohne Grenzen Österreich 18
vetmed 3/2021 SCHWERPUNKT Globaler Lebensmittelbetrug – Zeit zu handeln1 Geschätzt ein Zehntel aller Lebensmittel weltweit wird mit betrügerischer Absicht in Umlauf gebracht. Häufig betroffene Lebensmittel Sicherheit von Milchpulver und Babynahrung südlich Alle abgebildeten Lebensmittel sind häufig von der Sahara Lebensmittelbetrug betroffen Seit 2008 im Fokus von Tierärzte ohne Grenzen Österreich 45 Millionen Babys und Kleinkinder leben in Slums Über 90% der Bevölkerung kauft Lebensmittel am Schwarzmarkt Viele dieser Produkte sind gesundheitsschädlich, minderwertig oder verfälscht 20,7 Millionen der Menschen südlich der Sahara sind HIV-positiv » Babys HIV-infizierter Mütter sind auf Milchpulver angewiesen » Babys nehmen täglich ein Fünftel ihres Körpergewichts zu sich Milch und Milchprodukte Fleischwaren Olivenöl » Schädliches Milchpulver birgt ein sehr hohes Gesundheitsrisiko » Zugabe von hochgiftigem » 255 Tonnen Fleisch und » 150.000 Liter verfälschtes und kanzerogenem Formalin Fleischprodukte im Wert von Olivenöl „Extra vergine“ » Schadstoffe können u.a. zu nach- sowie von Substanzen, die 1 Million US-Dollar beschlag- beschlagnahmt 2 haltiger geistiger und motorischer Protein vortäuschen, z.B. nahmt 2 Fehlentwicklung, Bildung von Stickstoff, Melamin (für die » 23% der Stichproben irre- Nierensteinen, chronischen Herstellung von Leimen und » Verwendung nicht deklarierter führend2 Nierenleiden bis hin zum Tod Fleischsorten, Beigabe von führen Plastik verwendet), Harnstoff, Wasser, um mehr Gewicht » Falsche Herkunftsangaben, Ammoniumsulfat Vermischung mit Altbeständen, vorzutäuschen, falsche Angabe » Strecken mit Wasser und des Mindesthaltbarkeits- Strecken mit Soja-, Mais-, Aktuelle Publikationen Sonnenblumen-, Haselnussöl Pflanzenöl datums etc., Salatöl wird mit Chloro- zum Thema » 210 Tonnen Käse mit falschen phyll eingefärbt und als „Heavy metal content and element Herkunftsangaben beschlag- natives Olivenöl verkauft analysis of infant formula and milk nahmt 2 powder samples purchased on the » 3,6 Tonnen gesundheits- Tanzanian market: International schädlichen Käses einge- branded versus black market zogen, der zu Schmelzkäse products“ von M. Sager, verarbeitet werden sollte2 C. McCulloch und D. Schoder „Food fraud with melamine and global implications“ von D. Schoder, und C. McCulloch ——————— „Weltweit wird geschätzt ein Zehntel 1 Die jährlich stattfindende Kampagne „Impfen für Afrika“ von Tierärzte ohne Grenzen steht heuer ganz im Zeichen des Kampfs gegen Lebensmittelbetrug. aller Lebensmittel mit betrügerischer 2 OPSON: Internationale Schwerpunktaktionen unter Koordination von Europol und INTERPOL Absicht in Umlauf gebracht“ von zur Bekämpfung von Lebensmittelbetrug (OPSON IX, 2019). D. Schoder 19
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