Vetmed - Veterinärmedizinische ...

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Vetmed - Veterinärmedizinische ...
vetmed
               Das Magazin der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der
             Gesellschaft der Freunde der Veterinärmedizinischen Universität Wien   3/2021

Woher
kommt unser
Essen?                            JUBILÄUM
                                  10 Jahre Messerli
                                  Forschungsinstitut
                                                               AUS DER PRAXIS
                                                               Diagnose im Galopp:
                                                               Dynamische Endoskopie
AB SEITE 8                        AB SEITE 26                  SEITE 38/39
Vetmed - Veterinärmedizinische ...
vetmed 3/2021

                                                Editorial                                                                                                                                             CA M PU S N EWS
Foto: Christian Steinbrenner/Vetmeduni Vienna

                                                                                                                                                                                                                                   »07

                                                                                                                                                                                                                                                  Foto: AGES
                                                                                 Herzlich
                                                                                                                                                                                                     Kurz notiert                           04
                                                                                 willkommen!                                                                                                         Die wichtigsten Neuigkeiten vom
                                                                                                                                                                                                     Campus der Vetmeduni Vienna

                                                Es ist mir eine große Freude, als neuer Vizerektor für Lehre und                                                                                     Forschung zur                          06
                                                klinische Veterinärmedizin pünktlich zum Semesterbeginn all                                                                                          Werkzeugkiste des Kakadus
                                                unsere neuen Studierenden begrüßen zu können. Mit dem Start Ihres                                                                                    Neue Associate Professorin
                                                Studiums an der Vetmeduni Vienna beginnt für Sie ein neuer Lebens-                                                                                   Alice Auersperg im Porträt
                                                abschnitt: Wir freuen uns auf Sie und heißen Sie herzlich in unserer
                                                Gemeinschaft willkommen. Sie werden auf einem hervorragend                                                                                           VetmedRegio Tirol                      07
                                                ausgestatteten Campus von renommierten Lehrenden unterrichtet                                                                                        Ein Jahr „Der Wiederkäuer
                                                werden und unter Ihren KommilitonInnen neue, oft lebenslange                                                                                         im Alpenraum“
                                                Freundschaften schließen. Dass derzeit nach wie vor coronabedingte
                                                Sicherheitsbestimmungen gelten, wird daran nichts ändern.

                                                Ein Kernthema der Veterinärmedizin ist ihr Beitrag zur Bereitstel-
                                                lung von qualitativ hochwertigen und sicheren Lebensmitteln tieri-
                                                scher Herkunft. Es ist ein wichtiges und spannendes Arbeitsfeld, das
                                                vor vielen Herausforderungen steht, Stichworte wie Antibiotikaresis-
                                                tenzen, Zoonosen und Tiergesundheit. Deshalb hat diese Ausgabe des
                                                Magazins auch einen Schwerpunkt auf dieses Thema gelegt.

                                                Ein weiterer Schwerpunkt ist die Erfolgsgeschichte des Messerli For-
                                                schungsinstituts (MFI): Seit zehn Jahren leistet diese Einrichtung,
                                                basierend auf einer stabilen Zusammenarbeit mit der Medizinischen
                                                Universität Wien und Universität Wien, wegweisende Forschungsar-
                                                beit. Erfahren Sie mehr über die Messerli Stiftung, den Interdisziplinä-
                                                ren Masterstudiengang des MFI zur Mensch-Tier-Beziehung und die
                                                wissenschaftlichen Erkenntnisse der Forschenden.

                                                Viel Vergnügen bei der Lektüre!                                                   » COVER
                                                                                                                                  Diese Ausgabe des
                                                                                                                                  VETMED widmet sich
                                                                                                                                  der Herkunft von Nah-
                                                Jürgen Rehage                                                                     rungsmitteln unter
                                                Vizerektor für Lehre und klinische Veterinärmedizin                               dem Schirm des Sus-
                                                                                                                                  tainable Development
                                                                                                                                  Goals (SDG) „Kein
                                                                                                                                                            Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna

                                                                                                                                  Hunger“ der United
                                                                                                                                  Nations. An der Vet-
                                                                                                                                  meduni Vienna wird
                                                                                                                                  zum Wohle von
                                                                                                                                  Mensch und Tier für
                                                                                                                                  gesunde Futter- und
                                                          Gedruckt auf Recyclingpapier nach der Richtlinie des österreichischen   Lebensmittel geforscht.
                                                          Umweltzeichens „Schadstoffarme Druckerzeugnisse“.                       Auf dem Coverfoto ist
                                                          Druckerei Janetschek GmbH UWNr. 637                                     eine Kuh an der Vet-
                                                                                                                                  Farm der Universität
                                                                                                                                  zu sehen.
                                                                                                                                  Foto: Thomas Suchanek/
                                                                                                                                  Vetmeduni Vienna

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Vetmed - Veterinärmedizinische ...
vetmed 3/2021                                                                                                                                          INHALT

STUD I E RE N                                        FO R S CHEN                                                         AU S D ER PRA XIS

                                                                                                                                                            Foto: Thomas Suchanek/
                                                                                               Foto: Michael Bernkopf/
                                                                                               Vetmeduni Vienna

                                                                                                                                                            Vetmeduni Vienna
                           »21           Foto: HVU
                                                                                  »26                                                              »38
HVU-Kommentar                       21               10 Jahre Messerli                      26                           Ein Fall für(s) VETMED           38
Alumni Splitter                     22               Forschungsinstitut                                                  Dynamische Endoskopie:
                                                     Historisches, Meilensteine und                                      Diagnose im Galopp
Karrierewege                        23               derzeitige Forschungsprojekte
PreisträgerInnen der Gesellschaft                                                                                        Tipps fürs Tier                  40
der Freunde der Vetmeduni Vienna                     Forschen und Publizieren               36                           Reiten im Winter
im Interview                                         Aktuelle Forschungsergebnisse
                                                     und Publikationen

                                                                                                                          SERVICE

                                                                                                                         Buchtipps                        42
                                                                                                                         Impressum                        42
                                                                                                                         Termine                          43
                                                                                                                         Rätselbild                       43

                                                             SCHWE RP UN KT

                                                             Wo kommt
                                                             unser Essen her?
                                                             Sustainable Development Goal                                                         08
                                                             „Kein Hunger“

                                                             Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung                                                10
                                                             Ein sensibles Gleichgewicht

                                                             Food is life                                                                         14
                                                             Nachhaltige Produktion und Lebensmittelsicherheit

                                                             Tier gesund, Mensch gesund:                                                          18
                                                             Die Bedeutung sicherer Lebensmittel
                                                             Projekte von Tierärzte ohne Grenzen

                                                                                                                                                                       3
Vetmed - Veterinärmedizinische ...
CAMPUS NEWS                                                                                                                                                   vetmed 3/2021

    Kurz notiert                                             Text: Nina Grötschl

                                                                                 IM ZEICHEN VON EMAS

    NEUE LEITUNG AN DER VETFARM                                                  Fahrradservicestation

                                                                                                                                                                              Fotos: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna
    Robert Kuschela                                                              am Campus
    im Wordrap                                                                   IN SCHUSS.     Für alle Fahrradfah-
                                                                                 rerInnen steht nun im Bereich des
                                                                                 Parkdecks eine Servicestation zur
                                                                                 Verfügung, um kleinere Reparaturen
                                                                                 aller Art durchzuführen. Folgende
                                                                                 Werkzeuge sind frei zugänglich: ver-
                                                                                 schiedene Schraubenzieher, Maul-
                                                                                 schlüssel, Winkelschlüsselsatz, Torx-/
                                                                                 Rollgabelschlüssel, Reifenheber sowie                       » Wartung und Reparatur
                                                                                                                                             Zur Arbeitserleichterung kann
    Seit Juni 2021 leitet der studierte                                          Luftpumpen mit mehreren Adap-                               das Fahrrad vor Ort aufgebockt
    Wirtschaftswissenschafter Robert                                                                                                         werden. Alle Werkzeuge sind
                                                                                 tern/Ventilen.
    Kuschela die VetFarm vom Hof                                                                                                             in einem wetterfesten Kasten
    Kremesberg in Pottenstein aus.                                               Wir wünschen gute Fahrt!                                    verstaut.
                                                    VETMED
                                                 Wordrap

    Forschung an der VetFarm
    bedeutet für mich …
    die optimalen Rahmenbedingungen für
    die Forschung zur Verfügung zu stellen,
                                                                                     BIODIVERSITÄT
    damit viele interessante und bedeutende
    Forschungsprojekte an der VetFarm der                                            Artenvielfalt am Campus der                                     N AT
    Vetmeduni Vienna durchgeführt werden
                                                                                     Vetmeduni Vienna entdecken!
                                                                                                                                                          U
                                                                                                                                                     CA M R A M
                                                                                                                                                           PUS
    können.

    Mein langfristiges Ziel als Leiter
    der VetFarm ist …                                                                                                           Vitaminreich
    dass die VetFarm ein zukunftweisender                                                                                       Der Sanddorn (lat.: Hippophae
    landwirtschaftlicher Betrieb ist, der für                                                                                   rhamnoides) zählt zur Familie der
    die Forschung und Lehre der Veterinär-                                                                                      Ölweidengewächse. In voller Blüte
    medizinischen Universität Wien nicht                                                                                        steht der Strauch im Frühjahr, im
    mehr wegzudenken ist.                                                                                                       Herbst reifen die winzig rotgelben
                                                                                                                                Beeren, die bis in die Wintermonate
    Meine Arbeit in einem Tweet erklärt:                                                                      neeball
    Durch gemeinsames Zusammenspiel aller                                                        Wolliger Sch                   hinein an den Trieben bleiben. Die
                                                                                                                                Früchte des Sanddorns sind für ihren
    Kräfte, die VetFarm nach vorne zu bringen,                                                                                  hohen Vitamin-C-Gehalt bekannt.
                                                                                       Nahrungsquelle
    die einzelnen Höfe und deren Bedürfnisse
                                                                                       Der Wollige Schneeball (lat.: Vibur-
    kennenzulernen, die MitarbeiterInnen zu
                                                                                       num lantana) ist ein heimisches                   Sanddorn
    motivieren und wenn Zeit ist, meinen
                                                                                       Gehölz und zählt zur Familie der
    bisher schönsten Arbeitsplatz (tolle Aus-
                                                                                       Moschuskrautgewächse. Im Früh-
    sicht auf Berndorf) zu genießen.
                                                                                       jahr bieten seine weißen Blüten
    Die Zukunft der VetFarm in drei Worten:                                            Nektar und Pollen für zahlreiche
    Teamspirit, Serviceorientierung, Digitali-                                         Insekten. Während der Herbst-
    sierung und wenn ich noch ein viertes                                              monate besticht der Wollige
    sagen darf, Nachhaltigkeit.                                                        Schneeball durch seine farbinten-
                                                                                       sive Färbung in Gelb- und Rottönen.
    Dieses Tier finde ich faszinierend:                                                Im Winter reifen die roten Beeren
    Unsere Familienkatze „Lucky“. Auf der einen                                        schwarz ab und dienen Vögeln als
    Seite sucht er die Nähe, aber nur wenn er                                          Winternahrung.                         Lebensraum
    will, und auf der anderen Seite streunt er                                                                                Bei der Totholzhecke handelt es sich
    sehr gerne in der Gegend herum.                                                                                           um eine Abwandlung einer soge-
                                                                                                                                                                              Fotos: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna

    Neue Energie tanke ich, indem/bei …                                                                                       nannten Benjeshecke, die aus toten
    meiner Familie und beim Sport. Ich spiele                                                                                 Zweigen und Ästen als eine Art
    sehr gerne Volleyball und gehe auch                                                                                       Mauer aufgeschichtet wird. Zahl-
    Mountainbiken, wenn die Zeit es zulässt.                                                                                  reiche Tiere finden hier das ganze
                                                                                                                              Jahr über Unterschlupf und Nist-
    Zum Lachen bringt mich …                                                                                                  möglichkeiten. Darunter u. a. Rot-
    sehr viel. Mir ist es wichtig, Spaß zu haben.                                                                             kehlchen, Zaunkönige, Zauneidech-
    Nicht nur in der Freizeit, sondern auch
                                                             Foto: R. Kuschela

                                                                                                              hecke           sen, Blindschleichen, Erdkröten,
    beim Arbeiten. Mit einem Lächeln auf den                                                           Totholz                Tigerschnegel, Spitzmäuse und
    Lippen geht sehr vieles leichter.                                                                                         Laufkäfer.

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Vetmed - Veterinärmedizinische ...
vetmed 3/2021                                                                                                                       CAMPUS NEWS

                                                                                                                                                                                                                                                              Wir gratulieren!
Foto Csebi: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna; Foto De Luca: Privat; Foto Joachim: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna; Foto Sexl: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna; Foto Arnold: Gustav Bachmeyer; Foto Troxler: Ernst Hammerschmid/Vetmeduni Vienna;

                                                                                                                                                                                                                                                              Auszeichnungen, Preise und Abschlüsse von
                                                                                                                                                                                                                                                              Angehörigen der Vetmeduni Vienna.

                                                                                                                                                                                                                                                              Peter Csebi                                 Carlotta De Luca                                Anja Joachim
                                                                                                                                                                                                                                                              zum Diplomate des European College of       zum Posterpreis im Rahmen des                   zur Wahl zum Vorstandsmitglied
                                                                                                                                                                                                                                                              Veterinary Diagnostic Imaging (ECVDI).      14. IAM Meetings.                               (executive member) der WAAVP (World
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Association for the Advancement of
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Veterinary Parasitology).
Foto Auersperg: Daniel Nowotny; Foto Aditya: Privat; Foto Bagó:Robert Becksteiner/RWA; Foto Arnold: Gustav Bachmeyer; Foto Brem: Ernst Hammerschmid/Vetmeduni Vienna

                                                                                                                                                                                                                                                              Veronika Sexl                               Walter Arnold                                   Josef Troxler
                                                                                                                                                                                                                                                              (Leiterin des Instituts für Pharmakologie   (langjähriger Leiter des Forschungs-            (emeritierter Professor für Tierhaltung
                                                                                                                                                                                                                                                              und Toxikologie/Vetmeduni Vienna)           instituts für Wildtierkunde und Ökologie/       und Tierschutz der Veterinärmedizini-
                                                                                                                                                                                                                                                              zur Wahl zum wirklichen Mitglied der        FIWI) zum Großen Silbernen Ehren-               schen Universität Wien) zum Österrei-
                                                                                                                                                                                                                                                              mathematisch-naturwissenschaftlichen        zeichen für Verdienste um die Republik          chischen Ehrenkreuz für Wissenschaft
                                                                                                                                                                                                                                                              Klasse der Österreichischen Akademie        Österreich.                                     und Kunst I. Klasse.
                                                                                                                                                                                                                                                              der Wissenschaften (ÖAW).

                                                                                                                                                                                                                                                              Alice Auersperg                             Siska Aditya                                    Fabian Z. Bagó
                                                                                                                                                                                                                                                              (Leiterin des Goffin Labs Goldegg/Vet-      ehemaliger PhD-Student des Instituts für        wurde für seine Diplomarbeit „Entwick-
                                                                                                                                                                                                                                                              meduni Vienna) zur Mitgliedschaft in der    Tierernährung und funktionelle Pflanzen-        lung einer ‚Droplet Digital‘ PCR zum Nach-
                                                                                                                                                                                                                                                              Jungen Akademie (mathematisch-natur-        stoffe der Veterinärmedizinischen Univer-       weis von Echinococcus multilocularis im
                                                                                                                                                                                                                                                              wissenschaftliche Klasse) der Österrei-     sität Wien, wurde für seine Dissertation        Kot von Caniden“ mit einem Stipendium
                                                                                                                                                                                                                                                              chischen Akademie der Wissenschaften        mit dem Bernd Rode Award des                    des Raiffeisen-Lagerhaus Fonds zur
                                                                                                                                                                                                                                                              (ÖAW), zum Förderpreis der Stadt Wien       Hochschulnetzwerkes ASEA-UNINET                 Ausbildungsförderung ausgezeichnet.
                                                                                                                                                                                                                                                              für Wissenschaft und Kultur sowie zum       (Austrian-South-East-Asian Academic
                                                                                                                                                                                                                                                              Rupert-Riedl-Preis für Evolutionäre         University Network) ausgezeichnet.
                                                                                                                                                                                                                                                              Erkenntnistheorie des Club of Vienna.

                                                                                                                                                                                                                                                              Für die Zukunft alles Gute!                                                        WIR
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     SA
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  DA N G E N
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      KE!
                                                                                                                                                                                                                                                              Die Vetmeduni Vienna dankt für das langjährige Engagement.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Gottfried Brem
                                                                                                                                                                                                                                                                                   Walter Arnold                             Professor
                                                                                                                                                                                                                                                                                   Professor                                 für Tierzucht und
                                                                                                                                                                                                                                                                                   für Wildtierkunde                         Genetik

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          5
Vetmed - Veterinärmedizinische ...
CAMPUS NEWS                                                                                                                                                           vetmed 3/2021

    TIERISCHE INTELLIGENZ

    Die Werkzeugkiste
    des Kakadus macht Staunen
    Schon als Kind war ALICE AUERSPERG von Verhaltensforschung
                                                                                                                                             verspielt und stellen extreme Objektbezie-
    fasziniert. Heute leitet sie das Goffin Lab am Messerli Forschungs-
                                                                                                                                             hungen her, weiß Alice Auersperg. Unter
    institut und widmet sich der vergleichenden Kognitionsforschung                                                                          dem verrückten Federschopf der Vögel
    anhand des Werkzeuggebrauchs. Der Goffinkakadu zeigt darin                                                                               arbeitet ein großes Gehirn im Verhältnis
    angesichts seiner unvorhersehbaren Umwelt Meisterleistungen und                                                                          zur Körpergröße. Papageien sind „Ferraris
    muss sich mit Krähen, Primaten, aber auch Kleinkindern messen lassen.                                                                    der Hirnentwicklung“ und der Goffin eine
                                                                                                                                             ideale Modellart für technische Kognition.
    Text: Astrid Kuffner
                                                                                                                                             Aber Auersperg arbeitet eben immer ver-
                                                                                                                                             gleichend: im Lebensraum und im Labor,
                                                                                                                                             mit Primaten und Vögeln, nahe verwand-
                                                                      » Aug' in Aug'                                                         ten Arten untereinander, Keas, Krähen,
                                                                      Als Leiterin des Goffin Labs
                                                                      kennt Auersperg das Wesen                                              Papageien und Kakadus, künstlicher und
                                                                      der Papageien wie kaum
                                                                      jemand anderer.
                                                                                                                                             tierischer Intelligenz.

                                                                                                                                             Im Sinne Tinbergens entwickelt sie Studien
                                                                                                                                             und Settings, die letztlich alle vier Fragen
                                                                                                                                             beantworten sollen. Die Kakadus müssen
                                                                                                                                             sich als Inselspezies jedenfalls flexibel an
                                                                                                                                             unterschiedliches Futterangebot anpassen.
                                                                                                     Foto: Rooobert Bayer/Vetmeduni Vienna
                                                                                                                                             Alice Auersperg vermisst ihr visuelles Feld
                                                                                                                                             und ob sich Jungtiere von Altvögeln etwas
                                                                                                                                             abschauen, ob sie planen oder einfach losle-
                                                                                                                                             gen und wie die Beziehungen zwischen der
                                                                                                                                             Form des Werkzeugs und dem Substrat sind:
                                                                                                                                             „Bei den Jungtieren scheint es vor allem auf
                                                                                                                                             die soziale Erfahrung anzukommen. Sie
                                                                                                                                             imitieren ihre Vorbilder nicht, sondern ent-
                                                                                                                                             wickeln stets eine eigene Technik“, erklärt

    B
                                                                                                                                             die Verhaltensforscherin. Das komplizierte
                                                                                                                                             Kombinieren von Objekten – sei es zusam-
               ücher von Jane Goodall und          Mit ihrer Forschung (unter anderem ge-                                                    men- oder hineinstecken, aufeinander- oder
               Konrad Lorenz, die Bekannt-         fördert durch einen START-Preis des Wis-                                                  hintereinanderlegen, aufstellen, zurechtbie-
               schaft mit Irenäus Eibl-Eibes-      senschaftsfonds FWF) knüpft sie an den                                                    gen – beherrschen auch Kapuzineraffen und
               feldt, der mit Hans Hass auf der    Verhaltensforscher Nikolaas Tinbergen an.                                                 große Menschenaffen: „Ich glaube, dass bei
    „Xarifa“ unterwegs war, und ein Besuch         Dieser hat 1963 vier Fragen formuliert, die                                               den Kakadus die Notwendigkeit, geeignetes
    der Galapagosinseln als Teenager: Wenn         zur Erklärung von Verhalten beantwortet                                                   Futter aufzubereiten, und diese Kombina-
    es nicht angeboren war, dann wurde Alice       werden müssen. Nämlich nach den ulti-                                                     tionsgabe wirken. Wenn sie etwas gemacht
    Auersperg auf Verhaltensforschung jeden-       mativen Ursachen für ein Verhalten, dem                                                   haben, was sie näher an die Lösung bringt,
    falls geprägt. Zu studieren begonnen hat       Mechanismus des Verhaltens auf individu-                                                  können sie diesen letzten Schritt sofort wie-
    sie an der Universität Wien, die einen aus-    ellem Level, dem Entstehen des Verhaltens                                                 derholen“, sagt Auersperg.
    gezeichneten Ruf genießt. Den Abschluss        im Lauf der Stammesgeschichte und im
    machte sie an der Universität Edinburgh        Verlauf der Individualentwicklung. Mit-                                                   Die Arbeit hat sie Respekt vor Tieren ge-
    (Schottland). Seit April 2016 leitet die ge-   glieder des Goffin-Teams, Mark O'Hara                                                     lehrt: „Mit unserer Forschung wollen wir
    bürtige Bayerin (Jahrgang 1981) das Goffin     und Berenika Mioduszewska, haben bei der                                                  vermitteln, dass diese intelligenten Leis-
    Lab am Messerli Forschungsinstitut für         Feldstation auf der Insel Tanimbar (Indo-                                                 tungen ethische Konsequenzen für unseren
    Vergleichende Kognitionsforschung. Vor         nesien) vor kurzem einen Kakadu beobach-                                                  Umgang mit Tieren haben müssen.“ Auf die
    den Goffinkakadus arbeitete sie schon mit      tet, der drei völlig unterschiedliche, jeweils                                            nächste Generation ist die Tierliebe schon
    Krähen, Keas, Papageien und Primaten zu        eigens und anders angefertigte Werkzeuge                                                  übergesprungen, wohnt die Forscherin doch
    Gedächtnisforschung, Spielverhalten und        (Messer, Löffel und Keil) nacheinander auf                                                mit zwei Kindern im Volksschulalter weni-
    Werkzeuggebrauch. Letzteres meistert der       eine Frucht ansetzte, um an den nahrhaf-                                                  ge Minuten vom Goffin Lab entfernt im
    Goffinkakadu herausragend.                     ten Kern zu kommen. Die Vögel sind sehr                                                   Grünen – mit Enten und Hunden. «

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Vetmed - Veterinärmedizinische ...
vetmed 3/2021                                                                                                                                                         CAMPUS NEWS

VETMEDREGIO

Besuch der Vetmeduni-Vienna-
Außenstelle in Tirol
Im Zuge der Regionalisierungsinitiative „VetmedRegio“ wurde im                                                                          mit dem Schwerpunkt Infektionskrankhei-
                                                                                                                                        ten bei Rindern und kleinen Wiederkäuern
Sommer 2020 die am AGES-Standort Innsbruck gegründete
                                                                                                                                        im Alpenraum schafft einen Knotenpunkt
Vetmeduni-Vienna-Außenstelle zum Thema „Der Wiederkäuer                                                                                 zwischen praktizierenden TierärztInnen
im Alpenraum“ in Betrieb genommen. Ein Jahr nach der Eröffnung                                                                          im Westen Österreichs mit der AGES sowie
bot ein Medientermin Einblicke in die Besonderheiten und Ziele                                                                          den Tiergesundheitsbehörden (Landesve-
des KOMPETENZZENTRUMS FÜR WIEDERKÄUER im Alpenraum.                                                                                     terinärdirektion, Tiergesundheitsdienst).
                                                                                                                                        Ziel ist es, den Studierenden eine praxis-
Text: Nina Grötschl
                                                                                                                                        nahe Ausbildung zu ermöglichen, die die
                                                                                                                                        Arbeit der GroßtierpraktikerInnen auf den

                                                                                                                           Foto: AGES
                                                                                                                                        Almen und in den Ställen unmittelbar er-
                                                                                                                                        lebbar macht. Neben Vortragstätigkeiten
                                                                                                                                        und fachlichem Austausch erhalten die
                                                                                                                                        angehenden TierärztInnen bereits einen
                                                                                                                                        Einblick in die Zusammenarbeit von Wis-
                                                                                                                                        senschaft und Behörden.

                                                                                                                                        Studierende, die sich im letzten Studien-
                                                                                                                                        jahr für das Vertiefungsmodul „Wieder-
                                                                                                                                        käuermedizin“ entscheiden, verbringen ei-
                                                                                                                                        nen Teil ihrer universitären Ausbildung in
                                                                                                                                        Tirol. Im Rahmen des vielfältigen, prakti-
                                                                                                                                        schen Programms werden angehende Tier-
                                                                                                                                        ärztInnen auf die spezifischen Anforde-
                                                                                                                                        rungen im alpinen Bereich vorbereitet. Im
                                                                                                                                        Rahmen von Exkursionen zu den Betrie-
» Außenstelle Am AGES-Standort Innsbruck etablierte die Vetmeduni Vienna ihre Zweigstelle, die Teil der                                 ben erhalten Studierende die Möglichkeit,

U
Universitätsklinik für Wiederkäuer ist. V.l.n.r.: Johannes Lorenz Khol, Vizerektor Jürgen Rehage, Rektorin Petra Winter,
Thomas Kickinger, Michael Dünser, Anton Reinl.                                                                                          ihr künftiges Arbeitsumfeld näher kennen-
                                                                                                                                        zulernen und sich mit den relevanten regi-
           m weiterhin österreichweit                              Vienna-Dependance, deren Leitung der                                 onalen Stakeholdern zu vernetzen. «
           eine bestmögliche flächende-                            Fachtierarzt Lorenz Khol innehat. Durch
           ckende veterinärmedizinische                            die Bündelung der Personal- und Infra-
           Versorgung – auch in abgelege-                          strukturressourcen von AGES und Vet-                                    » NACHSCHAU
nen Regionen – zu gewährleisten, hat die                           meduni Vienna vor Ort ergibt sich eine
                                                                                                                                           VetmedTalk #3
Veterinärmedizinische Universität Wien                             Win-win-Situation für alle Beteiligten.
                                                                                                                                           Almen, Alpen, Milchwirtschaft
die Regionalisierungsinitiative „Vetmed-
                                                                                                                                           Den Herausforderungen der Landwirt-
Regio“ ins Leben gerufen. 2019 wurde am                            » Durch unsere Außenstelle                                              schaft im alpinen Raum widmete sich
AGES-Standort Innsbruck eine Vetmed-                               in Tirol nehmen wir unsere                                              auch die dritte Ausgabe des VetmedTalks
uni-Vienna-Außenstelle zum Thema „Der                                                                                                      zum Thema „Almen, Alpen, Milchwirt-
                                                                   Verantwortung wahr, unseren                                             schaft“ im September 2021. Eine hoch-
Wiederkäuer im Alpenraum“ gegründet,
die 2020 ihren Betrieb aufnahm.                                    Beitrag zur Sicherung der                                               karätig besetzte Runde mit VertreterIn-
                                                                                                                                           nen aus den Bereichen Veterinärwesen
                                                                   veterinärmedizinischen                                                  und Landwirtschaft diskutierte ver-
Im Rahmen eines Medientermins im Sep-                              Versorgung im alpinen                                                   schiedene Aspekte rund um die „Milch
tember 2021 vor Ort in Tirol besuchten                             Raum zu leisten.«                                                       aus dem Alpenland“ und bot einen
                                                                                                                                           interessanten Austausch über die Be-
Rektorin Petra Winter und Jürgen Rehage,                           PETRA WINTER                                                            sonderheiten und Stärken der alpinen
Vizerektor für Lehre und klinische Vete-                           Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien
                                                                                                                                           Landwirtschaft.
rinärmedizin der Vetmeduni Vienna, ge-
meinsam mit Michael Dünser, Leiter des                             Die enge Kooperation zwischen der Vete-                                                » NACHSCHAU
                                                                                                                                                          Das Online-Event steht
Tiergesundheitsstandorts Innsbruck, so-                            rinärmedizinischen Universität Wien und                                                hier als Nachschau zur
wie den AGES-Geschäftsführern Thomas                               der Österreichischen Agentur für Gesund-                                               Verfügung.
Kickinger und Anton Reinl die Räum-                                heit und Ernährungssicherheit (AGES) hin-
lichkeiten der AGES und der Vetmeduni-                             sichtlich Lehre, Ausbildung und Forschung

                                                                                                                                                                                     7
Vetmed - Veterinärmedizinische ...
SCHWERPUNKT                                                              vetmed 3/2021

         SCHWERPUNKT

          Kein Hunger
          Drei Jahre, drei Ziele, eine Botschaft
          Im Fokus der Nachhaltigkeitsoffensive:
          Kein Hunger
          Die Vetmeduni Vienna ist schon per eigener Mission und
          Kernauftrag ein Stützpfeiler der Versorgung der Bevölkerung
          mit gesunden, sicheren und qualitätsvollen Lebensmitteln
          tierischer Herkunft. Die Aktivitäten zum UNO-Entwicklungs-
          ziel Sustainable Development Goal (SDG) 2 „Kein Hunger“
          sind vielseitig. Zum einen arbeitet die Universität an einem
          Optionenpapier für Österreich. Zum anderen liefert sie
          konkrete Beiträge in der Forschung, Lehre und Öffentlich-
          keitsarbeit.

          Einen tieferen Einblick geben die nachfolgenden Artikel.
                                                                                     Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna
Vetmed - Veterinärmedizinische ...
vetmed 3/2021   SCHWERPUNKT
Vetmed - Veterinärmedizinische ...
SCHWERPUNKT                                                                                                                      vetmed 3/2021

     RESISTENZEN

     Ein sensibles
     Gleichgewicht:
     Antibiotikaeinsatz
     in der Tierhaltung
     Die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt
     kann nur übergreifend verwirklicht werden.
     Deutlich wird das etwa am Beispiel von Antibiotika,
     die nicht mehr wirken. Die Abteilung für Öffentliches
     Veterinärwesen und Epidemiologie leistet ihren
     Beitrag zum One-Health-Konzept und der
     gesunden Ernährung der Weltbevölkerung mit
     Forschung zur Ausbreitung und BEKÄMPFUNG
     VON ANTIBIOTIKARESISTENZEN, Tierseuchen
     und Zoonosen.

                                          E
     Text: Astrid Kuffner
                                                                                           Fotos: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna

     » LINKS ZUM THEMA                                s ist leider ein hausgemachtes Problem.     in der tierärztlichen Therapie den Einsatz von Anti-
     www.vetmeduni.ac.at/ADDA                         Dass Antibiotika wirkungslos werden,        biotika im Gleichgewicht zu halten. In der täglichen
     www.d4dairy.com                                  also Erreger gegen etablierte und effek-    Praxis fördert jeder Einsatz von Antibiotika die Re-
     » TWITTER                                        tive Medikamente Resistenzen aufbau-        sistenzentwicklung und trägt so zu dem globalen
     Folgen Sie der Abteilung für                     en konnten, ist auf ihren langjährigen,     Problem bei. Gleichzeitig muss jedes kranke Tier
     Öffentliches Veterinärwesen
                                          sorglosen und unsachgemäßen Gebrauch zurück-            behandelt werden, um Schmerz und Leid zu ver-
     und Epidemiologie auf
     Twitter @VPH_Vetmeduni               zuführen. Die ernüchternden Zahlen zeigen: Der          meiden. Ziel muss es sein, den Antibiotikaeinsatz
     für Neuigkeiten aus der              Antibiotikaverbrauch in der Humanmedizin ist in         auf das unbedingt erforderliche Maß zu verringern,
     Forschung.                           den vergangenen 15 Jahren weltweit um rund 65           um die Wirksamkeit der Medikamente zu erhalten.
                                          Prozent gestiegen. Für die Behandlungspraxis be-        Die Abteilung für Öffentliches Veterinärwesen und
                                          deutet das jedoch, dass sich sowohl gefährliche als     Epidemiologie (VPH) leistet ihren Forschungsbei-
                                          auch zunächst harmlose bakterielle Erkrankungen         trag an der Schnittstelle von Nutztiergesundheit
                                          in manchen Fällen nicht mehr rasch und wirksam          und Prävention.
                                          behandeln lassen. Eine Lungenentzündung kann
                                          hier ebenso lebensbedrohlich werden wie ein Harn-       Medikamenteneinsatz
                                          wegsinfekt. Weil im Sinn des One-Health-Konzepts        bei der Milchkuh
                                          die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt nicht        „Konkret beschäftigen wir uns im Rahmen zweier in-
                                          getrennt voneinander zu erreichen ist, gilt es auch     terdisziplinärer Projekte – ADDA und D4Dairy – mit
                                                                                                  dem Antibiotikaeinsatz in österreichischen Milch-
                                                                                                  kuhbetrieben. Das geschieht in Zusammenarbeit mit
                                                                                                  Molkereien, Tiergesundheitsdiensten, TierärztIn-
                                                                                                  nen und WissenschafterInnen anderer Einrichtun-
                                                                                                  gen“, beschreibt Clair Firth ihren Forschungsschwer-
                                                                                                  punkt. Im Projekt ADDA, kurz für Advancement
                                                                                                  of Dairying in Austria, wurden Strategien für ei-
                                                              » Abwechslung                       nen verminderten Antibiotikaeinsatz erarbeitet.
                                                              Clair Firth wechselt ihren
                                                              Arbeitsort und damit ihre           In 250 österreichischen Milchviehherden wurden
                                                              Perspektive regelmäßig –
                                                              vom Büro in den Kuhstall
                                                                                                  Risikofaktoren analysiert, die zum Auftreten von
                                                              und wieder zurück.                  Eutererkrankungen beitragen. Im internationalen
     Foto: Clair Firth/Vetmeduni Vienna

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vetmed 3/2021                                                                                                                  SCHWERPUNKT

                                                                                                                         » Medizin fürs Milchvieh
                                                                                                                         Antibiotika gezielt einsetzen,
                                                                                                                         so viel wie nötig, so wenig
Vergleich zeigt sich, dass in Milchproben aus öster-     tibiotikaresistenzen zu minimieren bedeutet für                 wie möglich, um Schmerz
                                                                                                                         und Leid zu vermeiden –
reichischen Betrieben relativ selten antibiotikaresis-   mich, im Sinne des One-Health-Ansatzes zu agie-                 so kann die Wirksamkeit
tente Bakterien bei Euterinfektionen nachgewiesen        ren. Dabei steht die Gesundheit von Mensch, Tier                erhalten werden.

werden. Sucht man in den Beständen aber gezielt          und Umwelt in unmittelbarer Verbindung“, erklärt
nach Keimen mit bestimmten Resistenzmustern              Firth.
(etwa Darmbakterien mit Resistenzen gegen in der
Humanmedizin besonders wichtige Antibiotika wie          Gesucht werden praxistaugliche Strategien zur Re-
zum Beispiel phänotypisch Extended-Spectrum Be-          duktion des Antibiotikaeinsatzes. In Kooperation mit
ta-Lactamasen (ESBL) bildende E. coli), ist die Ver-     praktizierenden Tierärzten wird bei D4Dairy ein
breitung häufiger.                                       Entscheidungsinstrument für den gezielten Antibio-
                                                         tikaeinsatz beim Trockenstellen von Milchkühen
» Antibiotikaresistenzen zu                              entwickelt. Wichtig ist zu wissen, ob Antibiotika, die
                                                         in der Humanmedizin wichtig sind, erforderlichen-
minimieren bedeutet für mich,                            falls durch andere, weniger kritische Medikamente
im Sinne des One-Health-                                 ersetzt werden können. Ein weiterer Arbeitsschwer-
Ansatzes zu agieren. Dabei                               punkt des Projekts ist die Kälbergesundheit. Ver-               » Praxistaugliche
                                                                                                                         Strategien
steht die Gesundheit von                                 schiedene Studien haben gezeigt, dass die Antibio-              Abseits der Alm arbeiten
Mensch, Tier und Umwelt in                               tikaresistenzraten insbesondere bei jungen Tieren               auch WissenschafterInnen
                                                                                                                         und TierärztInnen, Tier-
unmittelbarer Verbindung.«                               hoch sind. Verbesserte Managementstrategien sollen              gesundheitsdienste, Mol-
                                                         die Entwicklung und Ausbreitung von antibiotikare-              kereien und Labore daran,
CLAIR FIRTH                                                                                                              den Antibiotikaeinsatz
Abteilung für Öffentliches Veterinärwesen                sistenten Bakterien in landwirtschaftlichen Betrie-             und mögliche Resistenzen
und Epidemiologie                                                                                                        aufzuspüren.
                                                         ben nachhaltig reduzieren, besser noch verhindern
                                                         und so zum Verbraucherschutz beitragen.
Aufbauend auf ADDA arbeiten daher im Projekt
D4Dairy TierärztInnen, LandwirtInnen, Wissen-            Handlungsbedarf
schafterInnen, Tiergesundheitsdienste, Molkereien        beim Schwein
sowie Labore aus ganz Österreich daran, Antibioti-       In Österreich werden Schweine besonders oft mit An-
karesistenzdaten zu gewinnen, zu vergleichen und         tibiotika therapiert, das zeigt die offizielle Statistik.
für alle Beteiligten zugänglich zu machen. „An-          Die Abteilung VPH widmet sich daher auch der                »
                                                                                                                         Foto: Clair Firth/Vetmeduni Vienna

                                                                                                                                                          11
SCHWERPUNKT                                                                                                                               vetmed 3/2021

     Antibiotikaresistenz
     Jeder Einsatz von Antibiotika fördert die Ausbildung
     von Resistenzen bei bakteriellen Erregern.
     Dies ist bedeutsam, weil Mensch, Tier und Umwelt
     auch im Bereich Gesundheit zusammenhängen.

                                                                                          »   Entwicklung von Begrenzungsstrategien für bak-
     Einsatz von Antibiotika                                                                  terielle Infektionskrankheiten beim Schwein. Die
                                                                                              VetAustria ist eine Kooperation des Bundesminis-
                                                                                              teriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Kon-
                                                                                              sumentenschutz, der Agentur für Gesundheit und
                                                                                              Ernährungssicherheit (AGES) und der Veterinär-

             60.000
                                                 Antibiotika                                  medizinischen Universität Wien zur Erforschung,
                                                 werden jährlich weltweit in der              Überwachung und Bekämpfung von Tierkrankhei-
                  Tonnen                         Tierhaltung eingesetzt.                      ten, Zoonosen und Antibiotikaresistenzen.

                                                                                              Im Rahmen dieser Partnerschaft wurde die Pilot-
                                                                                              studie „MRSA/ESBL“ durchgeführt. In 30 öster-
     In Österreich dürfen nur kranke                                                          reichischen Zuchtschweinebetrieben wurden die
     Tiere mit Antibiotika behandelt                                                          Einsatzhäufigkeit von Antibiotika und das Biosi-
     werden. Die Verwendung als                                                               cherheitsniveau in Bezug auf multiresistente Keime
     Wachstumsförderer ist in der EU
     seit mehr als 15 Jahren verboten.
                                                                                              unter die Lupe genommen. In der Mehrzahl der Stäl-
                                                                                              le konnten mit empfindlichen Untersuchungsver-
                                                                                              fahren leider Methicillin-resistente Staphylococcus
                                                                                              aureus (MRSA), Fluorchinolon-resistente E. coli und
                                                       Rückstände von Antibiotika             phänotypisch ESBL-bildende E. coli nachgewiesen
                                                       werden von Tieren (und auch            werden. Dass sich die Antibiotika-Abgabemuster
                                                       Menschen) ausgeschieden und
                                                       gelangen dadurch in Böden
                                                                                              zwischen Betriebsgruppen und Nutzungsarten deut-
                                                       und Gewässer – sie belasten            lich unterscheiden, zeigt Potenzial für Verbesserun-
                                                       die Umwelt und können auch             gen an. VertreterInnen der VetAustria, der Tierge-
                                                       in Nahrungsmittel wie Fleisch          sundheitsdienste und aus der Praxis erarbeiten nun
                                                       und Milch gelangen.
                                                                                              Verbesserungsvorschläge für die Schweinehaltung
                                                                                              und wollen passgenaue Schulungskonzepte entwi-
                                                                                              ckeln, die durch reduzierten Antibiotikaeinsatz eine
     Lebensmittel werden daher                                                                nachhaltige Landwirtschaft unterstützen.
     in der EU regelmäßig auf
     Rückstände kontrolliert.
                                                                                              Gesündere Tiere brauchen
     Bei Regelverstößen folgen
     massive Konsequenzen.                                                                    weniger Antibiotika
                                                                                              Im Rahmen einer Europäischen Innovationspart-
                                                                                              nerschaft arbeitete die Abteilung für Öffentliches
     Was ist eine Antibiotikaresistenz?
                                                       » Ein Antibiotikum wirkt nicht         » Kotprobennahme
                                                                                              Bevor Daten aus landwirtschaftlichen Betrieben
                                                          mehr gegen ein bestimmtes           im Rahmen von D4Dairy verglichen und
                                                          Bakterium.                          ausgetauscht werden können, müssen sie
                                                                                              sorgfältig erhoben werden.
                                                       » Nicht der Mensch oder das
                                                          Tier wird resistent, sondern
                                                          ein einzelnes Bakterium.
                                                                                                                                                               Fotos: Claudine Mramor/TGD Burgenland

                                                       » Jede Anwendung von
                                                          Antibiotika bei Mensch oder
                                                          Tier unterstützt die Entwick-
                                                          lung neuer Resistenzen oder
                                                          die Verbreitung vorhandener
                                                          Resistenzen.

     Illustration: Matthias Moser; Redaktionelle Aufbereitung: Julietta Studeny und
     Stephanie Scholz; Fachlicher Input: Annemarie Käsbohrer und Clair Firth,
     Abteilung Öffentliches Veterinärwesen und Epidemiologie

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vetmed 3/2021                                                                                                                                                  SCHWERPUNKT

» Kontext
Die Gesundheit
von Nutztieren
wie Milchrindern
steht in direktem
Zusammenhang
mit der Gesundheit
von Mensch und
Umwelt.
                                                                                                         Fotos: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna

Veterinärwesen und Epidemiologie mit dem Ver-          ne einer Welt, in der wir gemeinsam leben, internati-
band Österreichischer Schweinebauern (VÖS) daran,      onalen Vorgaben und Erwartungen nach.
die Daten aus der amtlichen Schlachttier- und
Fleischuntersuchung für eine verbesserte Betreuung     Wichtig für One Health ist auch der Transfer von
der Tierbestände zu nutzen. In einem Folgeprojekt      Wissen in die Praxis. In der Projektgruppe „Wissens-
sollen nun Erhebungs- und Rückmeldeinstrumente         transfer Geflügel“ werden zum Beispiel zusammen
im Feld erprobt werden. Einmal implementiert hel-      mit TierärztInnen und dem Qualitätsverband Ge-
fen sie TierärztInnen und LandwirtInnen gemein-        flügel (QGV) Strategien für eine verbesserte Infor-
                                                                                                                                                         CLAIR FIRTH
sam, Tiergesundheit zu sichern.                        mation zum Thema Biosicherheit entwickelt und
                                                       mögliche gemeinsame Aktivitäten ausgelotet. Ähn-                                                  Die gebürtige Engländerin
Wissen in die Praxis bringen                           lich wird im Bereich Schweinehaltung vorgegangen.                                                 Clair Firth lebt seit 1998 in
                                                                                                                                                         Österreich. Nach Abschluss
Der Nationale Aktionsplan zur Antibiotikaresistenz     Für die Rinderhaltung nehmen sich Clair Firth und
                                                                                                                                                         ihrer Studien zu Nutztier-
(NAP-AMR) formuliert ambitionierte Ziele und ad-       ihre KollegInnen dem Wissenstransfer auf mehre-                                                   wissenschaften und
ressiert gemäß dem One-Health-Konzept übergrei-        ren Ebenen an. Einerseits im direkten Austausch                                                   Landwirtschaft in Groß-
fend Belange der Humanmedizin, der Veterinärme-        mit LandwirtInnen, mit den Tiergesundheitsdiens-                                                  britannien sowie ihrer
                                                                                                                                                         Forschungstätigkeit in
dizin, der Tierhaltung, der Lebensmittelkette und      ten oder im Fall von Clair Firth auch der eigenen
                                                                                                                                                         der pharmazeutischen
der Umwelt. Die Forschungsergebnisse der Abtei-        tierärztlichen Tätigkeit: „Dabei merke ich schnell,                                               Industrie entschied sich
lung tragen dazu bei, diese zu erfüllen.               ob unsere Forschungsideen und Verbesserungsvor-                                                   Firth zum Studium der
                                                       schläge für LandwirtInnen und TierärztInnen rea-                                                  Veterinärmedizin an der
                                                                                                                                                         Vetmeduni Vienna. Sie
Oberstes Ziel muss sein, die Entstehung und Ausbrei-   lisierbar sind. Ich verstehe ihre Probleme und kann
                                                                                                                                                         forscht in der Abteilung für
tung von Resistenzen nachhaltig zu vermindern, um      so meine Forschung relevant und nützlich machen.                                                  Öffentliches Veterinär-
die Wirksamkeit von Antibiotika für Mensch und         Es bringt wenig, gute Ideen zu haben, wenn sie in der                                             wesen und Epidemiologie,
Tier zu erhalten. Österreich kommt hiermit im Sin-     Praxis nicht umsetzbar sind.“                                                                     wo sie auch ihr Doktorat
                                                                                                                                                         absolvierte, und ist als
                                                                                                                                                         Tierärztin in einer Groß-
                                                       Bei öffentlichen Veranstaltungen ist es der Mutter
» Ich merke schnell, ob                                zweier Töchter wichtig, „die nächste Generation für
                                                                                                                                                         tierpraxis in der Steier-
                                                                                                                                                         mark tätig. 2019 wurde
unsere Forschungsideen und                             das One-Health-Konzept zu sensibilisieren. Unsere                                                 ihre Dissertation zum
                                                                                                               Foto: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna

Verbesserungsvorschläge für                                                                                                                              Antibiotikaeinsatz in der
                                                       Abteilung ist regelmäßig beim ‚Tag der offenen Tür‘
                                                                                                                                                         Mastitistherapie und
LandwirtInnen und TierärztInnen                        der Vetmeduni Vienna oder mit wissenschaftlichen                                                  Resistenzen in Milchvieh-
realisierbar sind. Es bringt wenig,                    Beiträgen beim ‚science camp‘ für SchülerInnen der                                                betrieben wegen der
                                                       Oberstufe vertreten“. Für sehr junge Zielgruppen be-                                              hohen Relevanz für Tier-
gute Ideen zu haben, wenn                                                                                                                                medizin und Gesellschaft
sie in der Praxis nicht                                müht sich Clair Firth etwa bei der KinderuniWien,
                                                                                                                                                         mit dem Nutztierpreis der
                                                       Inhalte ihrer Forschung in einfachen Worten in
umsetzbar sind.«                                       spielerischen Workshops auf Deutsch und Englisch
                                                                                                                                                         Gesellschaft der Freunde
                                                                                                                                                         der Vetmeduni Vienna
CLAIR FIRTH                                                                                                                                              ausgezeichnet.
                                                       und mit verständlichen Vergleichen kindgerecht
                                                       aufzubereiten. «
Abteilung für Öffentliches Veterinärwesen
und Epidemiologie

                                                                                                                                                                                         13
SCHWERPUNKT                                                                                                                                               vetmed 3/2021

     IM GESPRÄCH

     Food is life: Nachhaltige Produktion
     und Lebensmittelsicherheit

                                                                                                                      Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna
                                                                                                                                                    » Renommiert
                                                                                                                                                    Martin Wagner ist inter-
                                                                                                                                                    national anerkannter
                                                                                                                                                    Experte im Bereich
                                                                                                                                                    mikrobieller Lebens-
                                                                                                                                                    mittelsicherheit und
                                                                                                                                                    als Universitätsprofessor
                                                                                                                                                    an der Vetmeduni
                                                                                                                                                    Vienna tätig.

     Die Qualität von Lebensmitteln              » IM GESPRÄCH                                  führen umgehend zum Zusammenbruch
     bestimmt die Qualität unseres Lebens.                                                      der Lebensmittelversorgung und somit
                                                 Martin Wagner
     Es klingt simpel – sichere Lebensmittel                                                    zu Hunger und Revolte. Nur weil in vie-
                                                 Kompetenzzentrum Feed and Food
     sind aber keine Selbstverständlichkeit.     Quality, Safety and Innovation (FFoQSI)
                                                                                                len entwickelten Ländern aktuell Frieden
     „Kein Hunger“ ist das Ergebnis                                                             herrscht und der technische Fortschritt in
     unzähliger Rädchen, die innerhalb
                                                                                                der Landwirtschaft die Lebensmittelver-
                                                 VETMED: Welchen Stellenwert                    sorgung bisher reibungslos gewährleistet
     der Lebensmittelkette einwandfrei
                                                 hat Lebensmittelsicherheit bzw.                hat, ist nicht zwingend gesichert, dass die-
     ineinandergreifen müssen. MARTIN
                                                 Lebensmittelversorgung in unserer              se Situation fortwährend stabil bleibt.
     WAGNER widmet seine Forschung
                                                 Gesellschaft?
     an der Vetmeduni Vienna und am                                                             Neben den wirtschaftlichen Effekten eines
     Kompetenzzentrum FEED AND FOOD              Martin Wagner: Die Versorgung der Be-          effizient gestalteten Lebensmittelproduk-
     QUALITY, SAFETY AND INNOVATION              völkerung mit hochwertigen und gesund-         tions- und -versorgungssystems müssen
     (FFOQSI) genau diesem Themen-               heitlich unbedenklichen Lebensmitteln          auch die sozialen Auswirkungen dieser
     bereich. Im Gespräch mit dem VETMED         ist die Schlüsselaufgabe jeder Gemein-         Entwicklung gesehen werden. Während
     Magazin erklärt er Zusammenhänge            schaft und somit von großem politischem        Anfang des 20. Jahrhunderts ein Großteil
     zwischen technischem Fortschritt,           Belang. Eine ausreichende Lebensmittel-        der Bevölkerung den ganzen Tag darauf
     Bevölkerungswachstum, Klimawandel,          versorgung ist auch in nun entwickelten        verwendete, durch Arbeitsleistung oder als
     einer intakten Lebensmittelversorgung,      Ländern dieser Welt erst seit ein paar Jahr-   Bauern genug Nahrungsmittel zum Leben
                                                 zehnten gesichert. In weniger entwickel-       zu beschaffen, führte der Fortschritt in der
     wirtschaftlichen sowie sozialen
                                                 ten Ländern ist die Situation nach wie vor     Lebensmittelproduktion dazu, dass der
     Dimensionen und der Rolle von
                                                 bedenklich, auch angesichts einer häufig       Mensch heute häufig ein Homo eligens ist,
     mündigen KonsumentInnen.
                                                 wachsenden Bevölkerung. Katastrophen           ein zwischen Arbeit und Freizeit Auswäh-
     Text: Julietta Studeny und Alexandra Eder   wie zum Beispiel die Erdbeben in Haiti         lender. Alles, was vielen von uns wichtig ist

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vetmed 3/2021                                                                                                                                         SCHWERPUNKT

                                                                                                                                     » RÜCKBLICK
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                                                                                                                                     VetmedTalk #2
                                                                                                                                     Gesunde und sichere
                                                                                                                                     Lebensmittel
– Work-Life-Balance, Selbstverwirklichung,    Rohstoffeinsatz, ein energieeffizientes                                                                              N AC
                                                                                                                                                                        HS
                                                                                                                                                                     O N L C H AU
auch der Begriff der persönlichen Freiheit    Management von Produktnebenströmen                                                                                          IN E

im Generellen – hängt damit zusammen,         und ein gutes Hygienemanagement, das
ob wir Zeit zur freien Gestaltung haben,      die Produkte lange sicher und zum Ver-
also quasi ob das Thema der Nahrungsmit-      zehr geeignet hält.
telversorgung vorab positiv erledigt ist.

Vor welchen Herausforderungen
                                              » Vor allem der unreflektierte
stehen wir in Hinblick auf
                                              Wunsch vieler KonsumentInnen,
Lebensmittelproduktion und                    zu allen Jahreszeiten einen                                                            Unter dem Motto „Heute verstehen.
                                                                                                                                     Morgen verändern.“ lud die Vet-
-konsum?                                      vollen Tisch mit billigen, oft                                                         meduni Vienna Ende Juni 2021 zur
                                              auch exotischen Lebensmitteln                                                          zweiten Ausgabe des VetmedTalks,
                                                                                                                                     eines neu etablierten Events zum
Wagner: Auf das lebensmittelproduzie-         aufgedeckt zu sehen, ist eine                                                          Wissenstransfer im Online-For-
rende System wirken sowohl positive wie       zunehmende Illusion.«                                                                  mat. Diesmal drehte sich alles um
auch negative Faktoren ein, die ihre Wir-     MARTIN WAGNER
                                                                                                                                     Lebensmittelsicherheit entlang der
kung jeweils regional oder global entfal-     Kompetenzzentrum Feed and Food Quality,                                                gesamten Lebensmittelkette – vom
                                              Safety and Innovation (FFoQSI)                                                         Feld bis zum Teller. ExpertInnen aus
ten können. Zwischen diesen Kategorien
                                                                                                                                     den Bereichen Lebensmitteltech-
sind natürlich viele Übergänge möglich.                                                                                              nologie, -mikrobiologie, Lebens-
Global positiv zu bewerten sind neue wis-     Auf unsere Produktionssysteme werden                                                   mittelgewerbe sowie Veterinär-
senschaftliche Erkenntnisgewinne und          aber auch die Effekte der drohenden Kli-                                               wesen diskutierten das Thema aus
                                                                                                                                     unterschiedlichen Perspektiven und
der Einsatz neuer Technologien, die die       makatastrophe massiv einwirken und zu
                                                                                                                                     boten Einblicke in verschiedene
notwendige Produktivitätssteigerung in        enormen Verschiebungen in den Produk-                                                  Konzepte für eine sichere Lebens-
der Landwirtschaft bewirken werden: von       tionsstrukturen führen. Darüber hinaus                                                 mittelerzeugung.
Pflanz- und Zuchttechnologien bis zu          sind die zunehmende Weltbevölkerung                                                    „Lebensmittelsicherheit“ steht für
Haltungssystemen und Nacherntetechno-         und die damit verbundene Begrenztheit                                                  alle Maßnahmen, die sicherstel-
logien, Schlagwort Digitalisierung. Diese     von verfügbaren natürlichen Ressourcen                                                 len sollen, dass Lebensmittel für
Entwicklung ist regional oft durch neue,      wie Boden und Wasser global limitieren-                                                EndverbraucherInnen zum Verzehr
                                                                                                                                     geeignet sind. Denn kontaminierte
resilienzorientierte Konzepte der „alter-     de Faktoren. Regionale Stressoren des                                                  Lebensmittel führen zu übertrag-
nativen“ Bewirtschaftung von Ressour-         Systems sind etwa überbordende Lebens-                                                 baren Krankheiten und bedrohen
cen ergänzt, die in einem differenzierten     mittelverschwendung, Preisverwerfungen,                                                die Gesundheit von Mensch und
Produktionssystem ihre absolute Berech-       Technologiefeindlichkeit oder falsche Er-                                              Tier. Aber wie lassen sich Konzepte
                                                                                                                                     für eine sichere Lebensmitteler-
tigung haben. Dazu gehören nachhaltige        nährungs- und Kaufverhaltensmuster wie                                                 zeugung in allen Phasen, vom Hof
Anbaukonzepte im Feldbau, neue biolo-         übermäßiger Kauf von ressourcenverbrau-                                                auf den Teller, umsetzen? Eine von
gische Verfahren im Pflanzenschutz wie        chenden Lebensmitteln. Vor allem der                                                   vielen Fragestellungen, die die Ex-
auch die zunehmende Verwendung besser         unreflektierte Wunsch vieler Konsumen-                                                 pertInnenrunde in einem spannen-
                                                                                                                                     den und umfassenden Austausch
angepasster Nutztierrassen.                   tInnen, zu allen Jahreszeiten einen vollen                                             beleuchtete.
                                              Tisch mit billigen, oft auch exotischen Le-
                                                                                                                                     Die Diskussion zeigte auf, dass
Im Bereich der Lebensmittelverarbeitung       bensmitteln aufgedeckt zu sehen, ist eine
geht es vor allem um einen vertretbaren       zunehmende Illusion.                                                    »              man Lösungswege braucht, um der
                                                                                                                                     Entfremdung zwischen Konsumen-
                                                                                                                                     tInnen und Lebensmitteln sowie
                                                                                                                                     deren Produktionsweise entge-
                                                                                                                                     genzuwirken. Dabei kommt der
                                                                                                                                     Aufklärung der EndverbraucherIn-
                           Kompetenzzentrum FFoQSI
                                                                                                                                     nen eine besondere Rolle zu. Denn
                           Feed and Food Quality, Safety and Innovation                                                              eine sachgerechte und realitätsna-
                                                                                                                                     he Information über Herkunft und
                                                                                            Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna

                                    45 Partner                      8 wissenschaftliche                                              Herstellung von Produkten leistet
                                    aus Wirtschaft und              Partner                                                          einen wesentlichen Beitrag, um
                                    Industrie                       aus Universitäts-,                                               mehr Verständnis hinsichtlich der
                                    (laufend ausgebaut)             Forschungs- und                                                  realen Produktionsbedingungen
                                                                    Fachhochschulbetrieb                                             und dem Preis-Werteverhältnis bei
                                                                                                                                     KonsumentInnen zu generieren.
                                    60 Beschäftigte                 19 Mio. €
                                    davon 90% in der                Budget für die Jahre
                                                                                                                                                   » NACHSCHAU
                                    Forschung                       2021– 2024
                                                                                                                                                   Der VetmedTalk zum
                                                                                                                                                   Thema „Lebensmittel-
                                                                                                                                                   sicherheit“ auf YouTube!

                                                                                                                                                                               15
SCHWERPUNKT                                                                                                                                                             vetmed 3/2021

     » IM GESPRÄCH

»    Welchen Stellenwert nehmen
     Vetmeduni Vienna und FFoQSI
     in der Forschung „vom Feld
     zum Teller“ ein?

     Wagner: Das Kompetenzzentrum Feed
     and Food Quality, Safety and Innovation
     (FFoQSI) ist das einzige seiner Art in Öster-
     reich und verknüpft die Forschung zu Pri-
     märproduktion und Lebensmittelverarbei-
     tung entlang ganzer Lebensmittelketten.
                                                     Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna

     Durch die dafür notwendige Integration
     verschiedener Wissenschaftsdisziplinen
     wurde ein international einmaliger „Sci-
     ence Hub“ geschaffen, der knapp 60 For-
     schungsarbeitsplätze finanziert und die
     produzierende Wirtschaft maßgeblich mit-
     einbezieht. Vor allem Letzteres ist wich-
     tig, um Erkenntnisse und Entwicklungen
     schlussendlich als Innovation umgehend
     implementieren zu können.

     Welche konkreten Projekte                                                                bau und biologischen Pflanzenschutz zu       » Dass alleine in Österreich
     werden im FFoQSI bearbeitet?                                                             innovativen Fütterungskonzepten, von         700.000 bis 1 Million Tonnen
                                                                                              lebensmitteltechnologischen und lebens-      an Lebensmitteln jedes Jahr
     Wagner: In Summe werden derzeit mehr                                                     mittelhygienischen Fragestellungen bis
     als 50 Forschungsaktivitäten in zwölf Pro-                                               zur Authentizitätsprüfung von Lebens-
                                                                                                                                           vergeudet werden, zeigt, dass
     jekten abgewickelt. Die Projekte erstrecken                                              mitteln. Das Forschungsnetzwerk besteht      eine Bewusstseinsänderung
     sich vom sensorüberwachten Pflanzen-                                                     zurzeit aus acht wissenschaftlichen Part-    absolut notwendig ist.«
                                                                                              nern und 45 Wirtschaftspartnern, die alle    MARTIN WAGNER
                                                                                                                                           Kompetenzzentrum Feed and Food Quality,
                                                                                              ihre Fragestellungen einbringen konnten.     Safety and Innovation (FFoQSI)
     » INFO                                                                                   Die Warteliste von Wirtschaftspartnern,
                                                                                              die einsteigen möchten, wird derzeit im-
     Forschungsbereiche                                                                       mer länger. Die Vetmeduni Vienna ist im      den natürlichen Ressourcen notwendig.
     der Vetmeduni Vienna                                                                     FFoQSI in den Bereichen Tierfütterung,       Nachdem eine Reduktion der dynamisch
     am FFoQSI                                                                                Tiergesundheitsüberwachung und Lebens-       wachsenden (Welt-)Bevölkerung – auch
     »   Erforschung von wenig genutzten                                                      mittelsicherheit aktiv.                      Österreichs Bevölkerung ist seit dem Jahr
         alternativen Eiweißquellen                                                                                                        2000 um fast eine Million Menschen ge-
         für Nutztierfütterung und deren                                                      In welchem Zusammenhang                      wachsen –, aber auch der Nutztierpopula-
         Auswirkung auf die Darmphysiologie
                                                                                              steht Ihre Arbeit mit dem                    tion derzeit nicht absehbar ist, kann nur
     »   Digitalisiertes Gesundheitsmonitoring                                                Sustainable Development Goal (SDG)           eine Produktivitätsentwicklung des Land-
         von Kühen und Schweinen, basierend
         zum Beispiel auf Bewegungsanalysen
                                                                                              „Kein Hunger“?                               wirtschaftssektors gepaart mit einem an-
                                                                                                                                           gepassten Konsumverhalten dazu führen,
     »   Aktivitäten zur Sicherung der Hygiene
                                                                                              Wagner: Mit dem Tag unserer Geburt ist       dass bei adäquater Versorgungssicherheit
         bei tierischen und pflanzlichen Lebens-
         mittelketten                                                                         im Leben nichts so zentral wie die Versor-   die natürlichen Ressourcen auch nachhal-
                                                                                              gung mit geeigneten Nährstoffen. Unsere      tig geschützt werden.
     »   Charakterisierung von Fremdgerüchen
                                                                                              körperliche, soziale und psychische Ent-
         beim Schweinefleisch
                                                                                              wicklung hängt zentral davon ab. Deshalb     Auch wenn Österreich eine günstige Situ-
     »   „High Risk“-Aktivitäten,
                                                                                              hat die UN „Zero Hunger“ als ein maßgeb-     ation vorfindet, sind unsere Produktions-
         deren Ergebnisse noch keine direkte
         Umsetzung in der Praxis erwarten 		                                                  liches Nachhaltigkeitsziel für 2030 defi-    systeme durch die Globalisierung eng mit
         lassen, unter anderem Erforschung von                                                niert. Da die Lebensmittelversorgung man-    weniger resilienten Systemen verflochten.
         Biofilmen und den zu Grunde liegenden                                                nigfach von den Produktionsgrundlagen        Dass alleine in Österreich 700.000 bis
         mikrobiellen Gemeinschaften
                                                                                              auf unserem überstrapazierten Planeten       1 Million Tonnen an Lebensmitteln jedes
                                                                                              abhängt, ist ein anderer Umgang mit          Jahr vergeudet werden, zeigt, dass eine

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vetmed 3/2021                                                                                                                                                                                      SCHWERPUNKT

                                                                                                                            KOMMENTAR

                                                                                                                            Gesunde Tiere benötigen
                                                                                                                            keine Therapie

                                                                                                                                                          KARIN SCHWAIGER
                                                                                                                                                          Leiterin der Abteilung für Hygiene und

                                                                                                                            D
                                                                                                                                                          Technologie von Lebensmitteln

                                                                                                                                     ie Anwendung antimikro-            ökologischer Produktion stammen-
                                                                                                                                     biell wirksamer Substanzen         dem Dünger versorgt wurde. Auch in
                                                                                                                                     in der Nutztierhaltung ist         der konventionellen Landwirtschaft
                                                                                                                            stark in den Fokus der Kritik geraten.      steckt das Potential, zur Reduktion
                                                                                                                            Tatsache ist: Der Einsatz von Anti-         von Antibiotikaresistenzen beizu-
                                                                                                                            biotika fördert die Selektion resisten-     tragen – vor allem indem, wie bereits
                   » Langfristig denken                                                                                     ter Bakterien. In der Human- ebenso         vielfach gefordert, die Haltungsbe-
                   Wagner unterstreicht den
                   Stellenwert eines nachhaltigen                                                                           wie in der Tiermedizin gilt dies als        dingungen an die Bedürfnisse der
                   und bewussten Umgangs mit                                                                                wissenschaftlich bestätigt. Die Gabe        Tiere angepasst werden und nicht
                   natürlichen Ressourcen.
                                                                                                                            antibiotischer Leistungsförderer über       umgekehrt. Denn fest steht: Gesunde
                                                                                                                            das Tierfutter ist deshalb seit 2006        Tiere benötigen keine Therapie.
Bewusstseinsänderung absolut notwendig                                                                                      EU-weit verboten. Für kranke Tiere
ist und auch jeder Einzelne viel zu einem                                                                                   muss jedoch vor allem aus Tierschutz-       Somit leisten angepasste Haltungs-
nachhaltigeren Lebensmittelsystem bei-                                                                                      gründen weiterhin die Möglichkeit           formen – unabhängig davon, ob „bio“
tragen kann. Die Wissenschaft wird auf                                                                                      zur adäquaten Behandlung bestehen,          oder konventionell – nicht nur einen
alle Fälle ihren Beitrag leisten – unbeirrt,                                                                                sowohl in konventionellen als auch in       Beitrag zum Tierschutz, sondern sie
wie gute Wissenschaft eben ist. Dafür steht                                                                                 ökologischen Haltungssystemen.              können darüber hinaus auch wesent-
die Vetmeduni Vienna und mit ihr zusam-                                                                                                                                 lich zur Sicherung der Wirksamkeit
men das Kompetenzzentrum FFoQSI. «                                                                                          Dass in biologisch wirtschaftenden          von Antiinfektiva beitragen. «
                                                                                                                            Betrieben keinerlei Antibiotika ein-
                                                                                                                            gesetzt werden, ist ein Irrglaube.                                                MEH
                                                                                                                                                                                                                  R
                                                                                                                                                                                                               THE ZUM
                                                                                                                                                                                                                   MA
                                                                                                                            Tatsächlich sind im Krankheitsfall
                                                                                                                                                                            » LITERATUR
                                                                                                                            vorzugsweise homöopathische und
                                                                                                                            pflanzliche Arzneimittel anzuwen-               „Comparative Analysis of Antibiotic
                                                                                                                                                                            Resistance Characteristics of Gram-
                                                                                                                            den – jedoch nur, falls damit Aussicht          negative Bacteria Isolated from Laying
   MARTIN WAGNER                                                                                                            auf Erfolg besteht. Ansonsten ist auch          Hens and Eggs in Conventional and
                                                                                                                            der Einsatz chemisch-synthetischer              Organic Keeping Systems in Bavaria,
   Martin Wagner leitet an der                                                                                                                                              Germany“ von K. Schwaiger, EM
   Vetmeduni Vienna das Institut                                                                                            Tierarzneimittel (einschließlich Anti-
                                                                                                                                                                            Schmied und J. Bauer.
   für Lebensmittelsicherheit,                                                                                              biotika) erlaubt. Dass die ökologische
   Lebensmitteltechnologie und                                                                                              Landwirtschaft dennoch zu einer Re-
   öffentliches Gesundheitswesen
                                                                                                                            duktion von Antibiotikaresistenzen
   in der Veterinärmedizin. Seit
   2017 ist er außerdem wissen-                                                                                             beitragen kann, wurde wissenschaft-
   schaftlicher Leiter des Austrian                                                                                         lich bereits nachgewiesen (Beispiele
                                                                                                                                                                            „Comparative Analysis on Antibiotic
   Competence Centre for Feed                                                                                               siehe rechts). Dies liegt nicht nur am
                                         Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna

                                                                                  Foto: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna

                                                                                                                                                                            Resistance Characteristics of Listeria
   and Food Quality, Safety &
                                                                                                                            insgesamt geringeren Antibiotikaein-            spp. and Enterococcus spp. Isolated
   Innovation (kurz: FFoQSI). Die
   Forschung des Mikrobiologen                                                                                              satz, sondern (neben etwas geringeren           From Laying Hens and Eggs in
                                                                                                                            Tierdichten, höherem Platzangebot               Conventional and Organic Keeping
   beschäftigt sich mit Themen ent-
                                                                                                                                                                            Systems in Bavaria, Germany“ von K.
   lang der Produktion von Lebens-                                                                                          etc.) auch am Funktionieren als Ge-             Schwaiger, EM Schmied und J. Bauer.
   mitteln, etwa der Entwicklung
                                                                                                                            samtsystem. So sind unter anderem
   von Qualitäts- und Sicherheits-
   konzepten sowie technologischen                                                                                          höhere Wartezeiten einzuhalten,
   Innovationen gepaart mit                                                                                                 und es wird ausschließlich biolo-
   Nachhaltigkeitsüberlegungen.                                                                                             gisch produziertes Futter angeboten,
                                                                                                                            das wiederum ausschließlich mit aus

                                                                                                                                                                                                                     17
SCHWERPUNKT                                                                                                                                    vetmed 3/2021

                                                 Gesunde Tiere – Sichere Lebensmittel
                                                       – Gesunde Menschen

                                                                                                     Aktuelle Hilfsprojekte

                                                                                                        Kampf gegen          Schnüffelhunde im Einsatz
                                                                                                     Lebensmittelbetrug       für sichere Lebensmittel

     Tierärzte ohne Grenzen* Expertise
     www.vsf.at              » Ernährungssicherung, Lebensmittel-
                                                         sicherheit, Maßnahmen gegen
     »   Leistet humanitäre tierärztliche
                                                         Lebensmittelbetrug
         Entwicklungshilfe
     »   Stellt sich in den Dienst der ärmsten
                                                     »   Tiergesundheit                               Mobile Agrarschule          Mobile Käseschule
         Bevölkerung der Erde
                                                     »   Nutztierhaltung und Pastoralismus              für Sandawe                 in Ostafrika
                                                         (Naturweidewirtschaft)
     »   Kämpft gegen Lebensmittelbetrug
                                                     »   Anbau von Nutzpflanzen
         und Hunger
                                                     »   Management natürlicher Ressourcen
     ———————                                         »   Wertschöpfung und Marketing
     * Forschende und MitarbeiterInnen der           »   Kapazitätsaufbau und Training
     Vetmeduni Vienna engagieren sich bei Tier-      »   Frauenförderung
     ärzte ohne Grenzen (VSF) und setzen sich in
     Forschungs- und Hilfsprojekten beispielsweise   »   Interessenvetretung von Menschen                  Massai-                    Mission
     gegen globalen Lebensmittelbetrug ein.              im globalen Süden                           Stipendienprogramm              Anti-Rabies

     Zielgruppe                                                   Zielgruppe                                               Internationale
     PastoralistInnen                                             KonsumentInnen in den                                    Kooperationspartner
     (BetreiberInnen einer                                        Slums von Megametropolen                                 VSF International
     Naturweidewirtschaft)
                                                                                                                           Vétérinaires sans Frontières
                                                                                                                           mehr als 200 Projekte
                                                                                                                           in 35 Ländern aktiv

                                                                                                                           Globale Verantwortung
                                                                                                                           Österreichischer Dachverband für
                                                                                                                           Entwicklung und Humanitäre Hilfe
                                                                                                                           34 Mitgliedsorganisationen
                                                                                                                           in 120 Ländern aktiv

                                                                                                                           Africa Uninet
                                                                                                                           53 Mitgliedsorganisationen
                                                                                                                           in 16 Ländern

                                                                                                                           Eurasia Pacific Uninet
                                                                                                                           176 Mitgliedsorganisationen
                                                                                                                           in 15 Ländern

                                                                                                                           IVSA
     » Über 200 Millionen Menschen weltweit                       » Über 1 Milliarde Menschen leben weltweit               International Veterinary Students'
     » Resiliente kleinbäuerliche Lebensform                          in Slums                                             Association
     » Bewirtschaften mehr als die Hälfte der                     »   Bis 2030 sind es geschätzt 2 Milliarden              194 Mitgliedsorganisationen
         Erdoberfläche                                            »   In Afrika: 300 Millionen, davon 45 Millionen         in 73 Ländern
     »   Insgesamt grasen geschätzt 1 Billion Nutztiere               Babys und Kleinkinder
         frei auf Weideland                                       »   Sub-Sahara: >50% der urbanen Bevölkerung             OIE
                                                                                                                           World Organisation for Animal
     Vorteile Pastoralismus
                                                                                                                           Health
     » Hohe Autonomie                                                                                                      182 Mitgliedsstaaten,
     » Direktes Einkommen                                                                                                  Kooperation mit 75 nationalen und
     » Trägt zur Ernährungssicherung bei                                                                                   internationalen Organisationen
     » Auch in abgelegenen Randgebieten
       praktikabel
     » Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen                                                                                  SPONSORING durch renommierte
     » Erhalt der Biodiversität                                                                                            internationale Fluglinie für Tierärzte
                                                                                                                           ohne Grenzen Österreich

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vetmed 3/2021                                                                                                                                     SCHWERPUNKT

                               Globaler Lebensmittelbetrug – Zeit zu handeln1
                                            Geschätzt ein Zehntel aller Lebensmittel weltweit wird
                                              mit betrügerischer Absicht in Umlauf gebracht.

   Häufig betroffene Lebensmittel                                                                                               Sicherheit von Milchpulver
                                                                                                                                und Babynahrung südlich
   Alle abgebildeten Lebensmittel sind häufig von                                                                               der Sahara
   Lebensmittelbetrug betroffen
                                                                                                                                           Seit 2008
                                                                                                                                  im Fokus von Tierärzte
                                                                                                                                ohne Grenzen Österreich

                                                                                                                                            45 Millionen
                                                                                                                                            Babys und Kleinkinder
                                                                                                                                            leben in Slums

                                                                                                                                          Über 90%
                                                                                                                                        der Bevölkerung
                                                                                                                                      kauft Lebensmittel
                                                                                                                                       am Schwarzmarkt

                                                                                                                                         Viele dieser Produkte sind
                                                                                                                                         gesundheitsschädlich,
                                                                                                                                         minderwertig oder
                                                                                                                                         verfälscht

                                                                                                                                    20,7 Millionen
                                                                                                                                der Menschen südlich der
                                                                                                                                  Sahara sind HIV-positiv

                                                                                                                                » Babys HIV-infizierter Mütter sind
                                                                                                                                  auf Milchpulver angewiesen

                                                                                                                                » Babys nehmen täglich ein Fünftel
                                                                                                                                  ihres Körpergewichts zu sich

   Milch und Milchprodukte                    Fleischwaren                               Olivenöl                               » Schädliches Milchpulver birgt ein
                                                                                                                                  sehr hohes Gesundheitsrisiko
   » Zugabe von hochgiftigem                  » 255 Tonnen Fleisch und                   » 150.000 Liter verfälschtes
       und kanzerogenem Formalin                 Fleischprodukte im Wert von                   Olivenöl „Extra vergine“         » Schadstoffe können u.a. zu nach-
       sowie von Substanzen, die                 1 Million US-Dollar beschlag-                 beschlagnahmt 2                    haltiger geistiger und motorischer
       Protein vortäuschen, z.B. 		              nahmt 2                                                                          Fehlentwicklung, Bildung von
       Stickstoff, Melamin (für die
                                                                                         » 23% der Stichproben irre-              Nierensteinen, chronischen
       Herstellung von Leimen und
                                              » Verwendung nicht deklarierter                  führend2                           Nierenleiden bis hin zum Tod
                                                 Fleischsorten, Beigabe von                                                       führen
       Plastik verwendet), Harnstoff,
                                                 Wasser, um mehr Gewicht
                                                                                         » Falsche Herkunftsangaben,
       Ammoniumsulfat                                                                          Vermischung mit Altbeständen,
                                                 vorzutäuschen, falsche Angabe
   » Strecken mit Wasser und                     des Mindesthaltbarkeits-
                                                                                               Strecken mit Soja-, Mais-,
                                                                                                                                Aktuelle Publikationen
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       Pflanzenöl                                datums
                                                                                               etc., Salatöl wird mit Chloro-   zum Thema
   » 210 Tonnen Käse mit falschen                                                              phyll eingefärbt und als         „Heavy metal content and element
       Herkunftsangaben beschlag-                                                              natives Olivenöl verkauft        analysis of infant formula and milk
       nahmt 2                                                                                                                  powder samples purchased on the
   » 3,6 Tonnen gesundheits-                                                                                                    Tanzanian market: International
       schädlichen Käses einge-                                                                                                 branded versus black market
       zogen, der zu Schmelzkäse                                                                                                products“ von M. Sager,
       verarbeitet werden sollte2                                                                                               C. McCulloch und D. Schoder

                                                                                                                                „Food fraud with melamine and
                                                                                                                                global implications“ von D. Schoder,
                                                                                                                                und C. McCulloch
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                                                                                                                                „Weltweit wird geschätzt ein Zehntel
   1
    Die jährlich stattfindende Kampagne „Impfen für Afrika“ von Tierärzte ohne Grenzen steht
   heuer ganz im Zeichen des Kampfs gegen Lebensmittelbetrug.                                                                   aller Lebensmittel mit betrügerischer
   2
    OPSON: Internationale Schwerpunktaktionen unter Koordination von Europol und INTERPOL                                       Absicht in Umlauf gebracht“ von
   zur Bekämpfung von Lebensmittelbetrug (OPSON IX, 2019).                                                                      D. Schoder

                                                                                                                                                                        19
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