Wahlen in Brasilien - Die für Aktien sind gut Aussichten - GLOBAL INVESTOR

 
WEITER LESEN
Wahlen in Brasilien –
Die   Aussichten  für
Aktien sind gut
Wie erwartet hat der konservative Kandidat Jair
Bolsonaro (PSL) die zweite Runde der brasilianischen
Präsidentschaftswahlen mit 55% der gültigen Stimmen
gewonnen. Der Kandidat der PT (Arbeiterpartei),
Fernando Haddad, kam auf 45%.

Bolsonaros wirtschaftspolitische Agenda ist sehr
marktfreundlich – Senkung und Vereinfachung von
Steuern, Privatisierung von Staatsunternehmen,
Reform des Rentensystems. Bolsonaro hat auf diesem
Gebiet wenig vorzuweisen, dafür aber den in Chicago
ausgebildeten Paulo Guedes zum Leiter seines
Finanzteams (und zum künftigen Finanzminister)
ernannt. Er ist offenbar bereit, diesem liberalen
Ökonomen      die    Verantwortung      für     die
wirtschaftspolitische Agenda zu überlassen, während
er selbst sich auf die Fragen der öffentlichen
Ordnung,    sein    wichtiges    Wahlkampfthema,
konzentrieren will.

Ob die Präsidentschaft von Bolsonaro zum Erfolg
wird, hängt vermutlich weniger von seinem eigenen
Reformwillen ab, sondern vor allem von seiner
Fähigkeit, Reformen durchzusetzen. Diese Frage ist
in der Tat von hoher Brisanz, denn seine Partei
verfügt nur über 10% bzw. 5% der Sitze in Unterhaus
und Senat. Wenn er Erfolg haben will, muss Bolsonaro
eine Koalition mit Brasiliens zahlreichen Parteien
der Mitte eingehen. Diese haben zwar grundsätzliches
Interesse an einer Regierungsbeteiligung, Bolsonaro
wird ihnen aber in verschiedenen Sachfragen
entgegenkommen müssen. Ob er hierzu bereit ist,
bleibt abzuwarten. Erste Hinweise werden seine
Kandidaten für die Sprecher der beiden Häuser
liefern – wenn er auf eigenen Parteikollegen
besteht, wird es für ihn schwieriger, im Kongress
etwas zu bewegen.

Günstig ist, dass die alte Regierung unter Temer
schon nennenswerte Reformfortschritte erzielt hat –
so etwa Ausgabenobergrenzen, Arbeitsmarktreform, die
Beseitigung einiger Steuervorteile und eine Reform
der   staatlich     kontrollierten     Unternehmen
(einschließlich einer deutlichen Senkung der
subventionierten Kredite). Die komplette Umsetzung
von Bolsonaros Reformagenda würde den Märkten
enormen Auftrieb verleihen, ist nach meiner
Einschätzung aber nicht erforderlich für eine
weiterhin gute Marktentwicklung. Die Beibehaltung
der Ausgabenobergrenze in Kombination mit einer
leicht verwässerten Rentenreform wäre machbar und
könnte die Stimmung in der Wirtschaft verbessern
sowie die konjunkturelle Erholung stützen.

Stärkeres Wirtschaftswachstum zusammen mit (wegen
der weiterhin nicht an der Kapazitätsgrenze
arbeitenden Wirtschaft) geringer Inflation und
niedrigen Zinsen sollte ein positives Umfeld für
höhere Unternehmensgewinne schaffen. Besonders gilt
dies für stark inlandsorientierte Unternehmen in der
Finanzbranche und im Konsumsektor. Im Vergleich mit
den langfristigen historischen Durchschnitten sind
die Bewertungen bei zyklusbedingt nach wie vor
niedrigen Unternehmensgewinnen immer noch attraktiv.
Die Aussichten für Aktien sind also gut.
Risiken für den brasilianischen Markt sehe ich vor
allem in einer Nichtumsetzung der Rentenreform bis
Ende 2019 und einem Einbruch des chinesischen
Wachstums (oder einer globalen Rezession).

Brasilien am Scheideweg
Brasilien ist eine junge Demokratie. Von 1964 bis
1985 wurde das Land von einer Militärdiktatur
geführt. Danach kam der Sieg der Demokratie, welcher
in der Nova República (Sechste Republik) mündete,
was mit einer Stärkung der bürgerlichen
Freiheitsrechte einherging. Im Anschluss daran wurde
Brasilien traditionell von der PT (Arbeiterpartei –
Partido dos Trabalhadores) und der PSDB (Mitte-
rechts – Partido da Social Democracia Brasileira)
dominiert. So stellte die PT die vergangenen
Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva (2003 bis
2011) und Dilma Rousseff (2011 bis 2016).

Durch einen 2017 aufgedeckten Korruptionsskandal
(Operation Lava Jato) in dem unter anderem das
Mineralölunternehmen Petrobas S.A. im Fokus der
Ermittlungen stand, kamen Rousseff und Lula da Silva
zu Fall. Lula da Silva musste infolgedessen für 12
Jahre ins Gefängnis, was ihn automatisch von der
Wahl ausschloss. Eine juristische Anfechtung Lula da
Silvas gegen den Ausschluss von der Wahl, wurde
final am 31. August 2018 vom obersten Gerichtshof
zurückgewiesen. Dilma Rousseff wurde 2016 durch ein
Impeachment-Verfahren des Amtes enthoben. Ex-
Präsident Lula da Silva ist sehr populär in
Brasilien, besonders unter der ärmeren Bevölkerung,
da er selbst ein „Aufsteiger“ ist und während seiner
Amtszeit durch staatliche Sozialprogramme mehr als
40 Millionen Brasilianern aus der Armut geholfen
hat. Dadurch hat er sich eine Popularität und eine
unerschütterliche Basis geschaffen, die auch nach
dem Skandal nach wie vor loyal zu ihm steht. Lula da
Silva war dadurch auch der designierte Kandidat der
PT für die Präsidentschaftswahl 2018.

Da Lula da Silva von der Präsidentschaftswahl
ausgeschlossen wurde, musste ein neuer Kandidat
ernannt werden. Lula da Silva benannte den früheren
Oberbürgermeister von São Paulo, Fernando Haddad
(Jurist, Ökonom und Doktor der Philosophie), als
seinen Protegé. Dieser war den meisten der 147
Millionen   brasilianischen   Wahlberechtigten
unbekannt. Durch die Loyalität einer großen
Bevölkerungsgruppe zu Lula da Silva, konnte Haddad
aber von Anfang an eine breite Unterstützung
erfahren. Ohne die Fürsprache Lula da Silvas wäre
dies undenkbar gewesen. Kritiker werfen ihm auch
deswegen vor, eine Marionette Lula da Silvas und der
PT zu sein.

Nicht zu vergessen ist, dass sich Brasilien bis Ende
2017 in einer dreijährigen Rezession befand. Diese
konnte trotz politischer Instabilität überwunden
werden. Geführt wird Brasilien derzeit vom
ehemaligen Vizepräsidenten Michael Temer. Dieser
erfreut sich seit Amtsantritt einstelliger
Beliebtheitswerte in politischen Umfragen. Darüber
hinaus kämpft die größte Volkswirtschaft
Lateinamerikas mit einer hohen Korruption,
steigenden Zahlen von Gewalttaten und ausufernder
Kriminalität, die immer neue Rekorde bricht.

Begünstigt durch diese Umstände stieg der Stern des
Marktfavoriten Jair Bolsonaro. Bolsonaro ist ein
Populist und wird gemeinhin als rechtsextrem
bezeichnet. Der Ex-Militär präsentiert sich als Law-
and-Order-Kandidat, der mit markigen Sprüchen in der
Öffentlichkeit Stimmung macht. Bolsonaro hat sich in
der jüngeren Vergangenheit mehrfach hetzerisch
gegenüber Homosexuellen, Immigranten und negativ
gegenüber Frauen geäußert. Seine größten
Unterstützer sind konservative evangelikale Christen
(27 Prozent der Bevölkerung), Anhänger des Militärs
und vor allem wohlhabende und gebildete Brasilianer.

Insgesamt kann der Wahlkampf in Brasilien als Kampf
der Polarisierung beschrieben werden. Beide Seiten
sind extrem und die Bevölkerung ist tief gespalten.
Vielen Wählern scheint es um das geringere Übel zu
gehen. Während die einen den militanten Populisten
und Frauenfeind Bolsonaro verhindern wollen, geht es
für andere darum die PT auszubremsen, die für viele
Brasilianer für die ausufernde Korruption steht und
für reiche Brasilianer den Weg in eine Richtung
beschreitet, wie sie momentan in Venezuela unter
Präsident Nicolás Maduro zu beobachten ist. Dies
erklärt auch die Unterstützung der Vermögens- und
Bildungselite für den rechtsgerichteten Kandidaten.
Zu bedenken ist auch, dass der uns vertraute
europäische Rechts-links-Kompass auf Lateinamerika
nicht eins zu eins übertragbar ist.

Im ersten Wahlgang am 07 Oktober 2018 erzielte Jair
Bolsonaro (PSD) 46 Prozent, Fernando Haddad (PT) kam
auf 29 Prozent während Ciro Gomes (PDT) 12 Prozent
der Stimmen erzielte. Da keiner der Kandidaten die
Grenzen von 50 Prozent im ersten Wahlgang
überschreiten konnte, wird es am 28. Oktober zu
einer entscheidenden Stichwahl zwischen Bolsonaro
und Haddad kommen.

Jair Messias Bolsonaro: Favorit der Märkt
Bolsonaro (63), ein ehemaliger Captain der Armee und
Offizier der Reserve, ist der Marktfavorit und
Präsidentschaftskandidat der PSL (Partido Social
Liberal). In der Vergangenheit fiel er vor allem mit
Lob für die Militärdiktatur auf. Diese verfolgte in
ihrer Wirtschaftspolitik die Förderung staatseigener
Betriebe, Infrastruktur und Logistik. Die Hoffnung
der Marktteilnehmer liegt aber im Falle eines
Wahlsiegs nicht auf Bolsonaro alleine, sondern zu
einem großen Teil auf seinem designierten
Finanzminister Paulo Guedes und einem starken
Beraterteam mit Leuten aus der Privatwirtschaft.

Privatisierung
Zuletzt äußerte sich Bolsonaro zur Privatisierung,
insbesondere im Energiesektor, Stichwort Petrobas.
Bolsonaro sieht Privatisierungen als Mittel, die
Wettbewerbsfähigkeit brasilianischer Unternehmen zu
erhöhen und Korruption entgegenzuwirken.

Die Privatisierung von Staatsbetrieben könnte aber
in allen Sektoren anstehen. Jedoch sollten
Auslandsinvestitionen in strategischen Sektoren wie
Energie und Mining „vorsichtig reguliert“ werden.
Petrobas ist schon ins Schaufenster gestellt worden
für einen wahrscheinlichen Wahlsieg Bolsonaros. Auch
über eine Privatisierung des Energieunternehmens
Eletrobrás     S.A.   soll    in   der   kommenden
Legislaturperiode erneut abgestimmt werden. Jedoch
wurde betont, dass dies vielmehr mittelfristig bzw.
am Ende des Horizonts geschehen wird und kein
billiger Ausverkauf stattfinden wird. Zuletzt hieß
es, dass wahrscheinlich nur die distribution und
refining units von Petrobas privatisiert werden
sollen. Als Proxy für eine mögliche Entwicklung der
Aktienkurse von Staatsunternehmen kann ein
Pricetarget von XP Brokerage für Petrobas
herangezogen werden: 33BRL/Share, wenn Bolsonaro
gewinnt, gegenüber 22 BRL/Share, wenn Haddad
gewinnt.

Geldpolitik
Es kann erwartet werden, dass Bolsonaro als
autoritärer Präsident auftreten und versuchen wird,
Einfluss auf geldpolitische Entscheidungen der
brasilianischen Zentralbank zu nehmen. Im Bereich
der Zentralbankpolitik setzt Bolsonaro auf
Stabilität hinsichtlich Personen und Politik. Der
brasilianische Real soll laut ihm auf seinem
derzeitigen Niveau weitestgehend bleiben und die
Zentralbank in den Devisenhandel eingreifen, sofern
notwendig.
Handelspolitik
China löste 2009 die Vereinigten Staaten als größter
Handelspartner Brasiliens ab. Besonders Exporte von
Soja und Eisenerzen machen einen Großteil des
Handelsvolumens aus. Jedoch hat Bolsonaro Bedenken
bezüglich chinesischer Auslandsinvestitionen und des
Ausverkaufs der brasilianischen Wirtschaft geäußert.
Stattdessen bevorzugt er eine starke Partnerschaft
mit den Vereinigten Staaten. Dies könnte auch für
die Vergabe von Staatsaufträgen und Übernahmen durch
ausländische Unternehmen ein bedeutender Faktor
werden, auch wenn Bolsonaro die Aussagen
nachträglich   relativierte   und  China        als
„außergewöhnlichen“ Partner bezeichnete.

Rentenreform
Brasilien hat eines der großzügigsten Rentensysteme
der Welt, was nahezu ein Drittel der brasilianischen
Staatsausgaben in Anspruch nimmt und sich somit
stark negativ auf das Staatsdefizit (-8.3 Prozent
für 2018) auswirkt. Bolsonaro sagt, dass das
Rentensystem in Brasilien reformiert werden müsse;
als Abgeordneter hatte er sich noch gegensätzlich
geäußert. Detaillierte Pläne zu einer Reform des
Rentensystems wurden bis jetzt noch nicht
veröffentlicht. Des Weiteren plant Bolsonaro, das
aufgeblähte Beamtensystem des Landes ins Visier zu
nehmen und auch Sozialhilfeprogramme zu überprüfen,
darunter „Bolsa Familia“ was zuletzt vor allem durch
das erschleichen von Sozialleistungen in den
Schlagzeilen stand. Von Bolsonaro ist zum
Machterhalt eine Politik für die Oberschicht zu
erwarten, statt sozialer Programme wie unter Ex-
Präsident Lula da Silva. Die Auswirkungen auf den
privaten Konsum sind nicht genau messbar, da
Programme wie zum Beispiel „Bolsa Familia“ primär
nur den Grundbedarf auf sehr niedrigem Niveau
abdecken, aber in der Vergangenheit einer nicht
bezifferbaren Anzahl von armen Brasilianern den Weg
in die Mittelschicht eröffnet hat.

Auslandsinvestitionen
Gemeinhin wird erwartet, dass Bolsonaro durch eine
Law-and-Order-Politik das Umfeld für ausländische
Investitionen in die brasilianische Wirtschaft
verbessern wird. Hierzu zählt insbesondere der Kampf
gegen Korruption und Kriminalität. Ferner hat
Bolsonaro angekündigt, sich an bestehende Verträge
halten zu wollen, was die Rechtssicherheit für
ausländische Investitionen verbessert. Brasilien ist
nach wie vor ein wachsendes Land und die größte
Volkswirtschaft   Lateinamerikas.    Auch   das
Durchschnittsalter ist mit 33,5 Jahren im Jahr 2020
noch relativ jung im Vergleich zu den meisten
entwickelten Volkswirtschaften. Ein großer Pool an
Arbeitskräften und Wachstumschancen sind unter
stabilen wirtschaftspolitischen Voraussetzungen ein
ideales Umfeld für Auslandsinvestitionen.

Finanzminister
Im   Falle   eines    Wahlsiegs    der   PSD   wird
voraussichtlich Paolo Guedes (69) Finanzminister
werden. Der Ökonom und Mitgründer der Investmentbank
BTG Pactual ist in der Vergangenheit politisch nur
beratend in Erscheinung getreten und hat sich nach
seiner Zeit als Banker einen Namen als Unternehmer
im brasilianischen Bildungssektor und Gründer einer
Private-Equity-Firma gemacht. Guedes ist Absolvent
der University of Chicago, wo er 1978 seinen Ph.D.
erlangte. Chicago wurde zu dieser Zeit vom späteren
Nobelpreisträger Milton Friedman geprägt. Friedman
war Zeit seines Lebens ein Anhänger freier Märkte.
Auch Guedes kann als Anhänger dieser Lehre gesehen
werden. Die Privatisierung von Staatsunternehmen und
Deregulierung verschiedener Sektoren wurde bereits
angekündigt.

Ferner hat Guedes 1989 den Kandidaten Guilherme Afif
Domingos (PSD) bei seiner Präsidentschaftskampagne
in Wirtschaftsthemen beraten. Domingo ist ebenfalls
ein Mann aus der Wirtschaft der zuletzt das Amt des
Vize-Gouverneur von São Paulo (2011 bis 2015)
bekleidete.

Fernando Haddad
Fernando Haddad (55) ist der Kandidat der PT und von
libanesischer Abstammung. Der Jurist, Volkswirt und
Doktor der Philosophie war überwiegend im
öffentlichen Dienst tätig. Zudem war er
Sonderberater des Ministeriums für Planung, Haushalt
und Verwaltung. Haddad ist ein ausgebildeter
Bürokrat, der aller Voraussicht nach nicht den
Staatsapparat abbauen wird. Von 2012 bis 2017 war er
Oberbürgermeister von São Paulo. Ein eigenes,
landesweites, politisches Profil konnte Haddad
bisher nicht entwickeln. Vielmehr gilt er als Mann
des von der Wahl ausgeschlossenen Ex-Präsidenten
Lula da Silva. Die Nähe zu Lula da Silva ist für den
Kandidaten, der im ersten Wahlgang 29 Prozent der
Stimmen auf sich vereinigen konnte, Fluch und Segen
zugleich. Auf der einen Seite garantiert Lula da
Silva eine loyale Wählerbasis, die ihn sonst nicht
beachten würde, auf der anderen Seite ist Lula da
Silva der Grund, warum er für viele Brasilianer
nicht    wählbar     ist.    Zwar    besteht     die
Wahrscheinlichkeit, dass er die Stimmen der Anhänger
des ultralinken Kandidaten Gomes (12 Prozent im
ersten Wahlgang) in einer Stichwahl erhält. Jedoch
müsste er dafür sein politisches Profil in diese
Richtung schärfen. Gomes fiel damit auf, dass er
Investoren davon abriet, in staatliche Unternehmen
zu investieren, da er sie im Falle eines Wahlsieges
enteignen würde. Eine solche Politik ist von Haddad
nicht zu befürchten. Haddad machte sich dafür stark,
die Austeritätspolitik zu beenden. “Without public
investment, without families spending, without cheap
credit, the economy won’t recover.”

Haddad, der als moderater Kandidat der PT antritt,
wird vermutlich seine Wirtschaftspolitik an der
Politik seiner Vorgänger und dem Programm der PT
ausrichten.    Hierzu     gehören   Pläne,   die
Budgetrestriktion des     öffentlichen Haushalts
auszuweiten und an dem, den Haushalt belastenden
Rentensystem festzuhalten, sowie eine Fortführung
und Ausweitung staatlicher Sozialprogramme. Ein
Anstieg der Staatsausgaben ist im Falle eines Sieges
nahezu ausgemacht. Zu erwähnen ist, dass Rousseff
auch abgesetzt wurde, weil sie sich über
Budgetrestriktionen hinwegsetzt hat. Um eine Chance
auf den Wahlsieg zu haben, muss Haddad sich
wirtschaftsfreundlicher zeigen, um vor allem Stimmen
aus dem gemäßigten Zentrum und den mittleren bis
oberen Einkommensschichten hinzuzugewinnen.

Bereits im August soll sich Haddad einem Reuters-
Bericht zufolge mit Abgesandten von Banken und
Investment-Firmen getroffen haben. Ein strategischer
Zug, den auch schon Lula da Silva 2002 unternahm und
anschließend den Wahlsieg errang, nachdem er eine
liberalere Wirtschaftspolitik ankündigte. Der
Konsensus der Investoreneinschätzung ist, dass
Haddad offener ist für eine wirtschaftsfreundliche
Politik als erwartet und aufgeschlossener ist als
der Grundtenor der PT. Im Falle eines Wahlsieges
wird erwartet, dass sich seine Wirtschaftspolitik an
der ersten Amtszeit Lula da Silvas orientiert und
nicht an jener der ausgabefreudigen Dilma Rousseff,
deren Wirtschaftspolitik er teilweise kritisierte.
So wurde unter Dilma Rousseff z. B. dem Mineralöl-
Unternehmen Petrobas von Seiten der Regierung der
Preis diktiert. Eine Form der Wirtschaftspolitik,
von der Fernando Haddad sich öffentlich distanziert.
“I’m against using Petrobras to combat inflation.
Petrobras is a company, it has shareholders,” so
Haddad. Einen Investmentbanker als Berater an seiner
Seite hat Haddad dennoch kategorisch ausgeschlossen.
Den Schwerpunkt seiner Wirtschaftspolitik will
Haddad auf das Schaffen von Arbeitsplätzen legen.
Ein geeigneter Kandidat für das Amt des
Finanzministers wäre seiner Ansicht nach Josue
Gomes, Sohn des ehemaligen brasilianischen
Vizepräsidenten Jose Alencar. Zudem machte sich
Haddad zuletzt öffentlich für ein einheitliches
Rentensystem      stark.    Einen    Verkauf     der
Staatsunternehmen Petrobas, Banco de Brasil, CEF
(Caixa Economica Federal), Eletrobas und der
brasilianischen Post Correios (Empresa de Correios e
Telegrafos) hat Haddad bis jetzt verneint.
Möglicherweise sollen die Staatsunternehmen die
Sozialprogramme und das Rentensystem Brasiliens in
Zukunft finanzieren und zu diesem Zweck auch
zukünftigen Generation zur Verfügung stehen.

Offen bleibt aber, wie viel eigenes Gewicht in
Haddads Ankündigungen steckt. Schließlich begründet
sich sein Erfolg auf dem Wohlwollen Lula da Silvas
und der PT. Diese könnten Haddad genauso schnell
fallen lassen, wie sie ihn hervorgebracht haben.
Eine Hochrechnung des Portals Datafolha (Datafolha
hat den Sieg von Bolsonaro im ersten Wahlgang mit 32
Prozent geschätzt, 46 Prozent waren es am Ende)
sieht das Wahlergebnis der Stichwahl derzeit bei 58
Prozent zu 42 Prozent zugunsten Bolsonaros (Stand
15. Oktober 2018). Eine Umfrage des Instituts Ibope
vom 16. Oktober sieht Bolsonaro gar bei 59 Prozent.
Sollte Haddad dennoch gewinnen, ist damit zu
rechnen, dass die Aktienkurse um die Gewinne der
letzten drei Monate teilweise bereinigt werden.
Dennoch ist ein Wahlsieg Haddads kein Weltuntergang
für die brasilianische Wirtschaft, sollte sich
Haddad an der ersten Amtszeit Lula da Silvas
orientieren. Diese endete 2006 und war von
Wirtschaftswachstum und einer sinkenden Armutsrate
geprägt. Auch in der zweiten Amtszeit konnte das
Wirtschaftswachstum aufrechterhalten werden. Jedoch
spaltete sich das Land zunehmend was in einem
polarisierenden Wahlkampf im Herbst 2018
resultierte.

Wertentwicklung im Ibovespa Index nach
Unternehmen und Sektoren
Im Zeitraum 18. Juni 2018 bis 10. Oktober 2018 hat
der brasilianische Ibovespa-Index um starke 19,86
Prozent zugenommen. Diese Entwicklung wurde
angetrieben von einem wahrscheinlichen Sieg
Bolsonaros. Sollte Bolsonaro wie erwartet die Wahl
gewinnen, ist davon auszugehen, dass die Aktienkurse
der in den vergangenen Monaten profitierenden
Sektoren und Unternehmen auch während seiner
Amtszeit profitieren werden. Im Ibovespa-Index waren
dies vor allem Nicht-Basiskonsumgüter (+16,33
Prozent), Energie (+55,05 Prozent), Finanzwerte
(+31,46 Prozent) und Real Estate (23,61 Prozent)
sowie Versorgungsunternehmen (21,30 Prozent).

Ferner sollte der brasilianische Real gegenüber
Fremdwährungen aufwerten, da ein ausuferndes
Budgetdefizit eher im Falle eines Wahlsieges Haddads
zu befürchten ist. Dies könnte auch Auswirkungen auf
die Produktion und somit den Preis von Kaffee und
Zucker haben, beide Commodities werden in US-Dollar
gehandelt. Im selben Zug ist auch zu erwarten, dass
die Risikoprämie für brasilianische Staatsanleihen
sinken wird.

Entscheidend wird sein, wie schnell Guedes die
Privatisierung vorantreibt und wie schnell und in
welchem Umfang das Rentensystem reformiert wird.
Dies könnte ceteris paribus zu einem günstigeren
Klima für Investition führen und mit einer
prosperierenden     brasilianischen      Wirtschaft
einhergehen. Sollte entgegen den Erwartungen der PT-
Kandidat, Fernando Haddad, als Sieger aus der Wahl
hervorgehen, könnten die Sektoren Energie und
Finanzen ihre Gewinne einbüßen. Profitieren könnten
dann Unternehmen, die von Staatsausgaben
profitieren. Besonders Konsumgüterhersteller könnten
in den Fokus der Investoren geraten. Eine Reform des
Rentensystems und eine Privatisierungswelle im Sinne
Thatchers ist unter Haddad nicht zu erwarten.
Brasilien    verspricht
Rendite-Chancen
Die absehbare Wahl des Rechtspopulisten Jair
Bolsonaro zum brasilianischen Staatspräsidenten
ermöglicht neue Anlagestrategien.

Brasiliens politische Unsicherheit der vergangenen
zwei Jahre wäre dann vorüber. Kurzfristig dürfte
eine liberale Agenda zu einem Anstieg der über Jahre
aufgeschobenen Investitionen und des Konsums in dem
Schwellenland führen. Dieses Wirtschaftswachstum
könnte den finanzpolitischen Spielraum des Landes
vergrößern.

Finisterre Capital, eine Boutique von Principal
Global Investors, hält deshalb eine „Long-Position“
in brasilianische Anlagen. Zum einen setzt der Asset
Manager auf nach Unternehmensentwicklung ausgesuchte
Wertpapiere, zum anderen auf den steigenden
Wechselkurs des Real. Die Wertpapiere werden als
Risikoausgleich durch Sovereign CDS, also handelbare
Versicherungsscheine     gegen   Zahlungsausfälle,
abgesichert.

Weder Kandidat Jair Bolsonaro noch die liberal-
konservative Partei PSL haben sich bislang durch
eine große Wirtschafts- und Finanzexpertise
ausgezeichnet. Aufgrund dieser Tatsache ist es umso
interessanter, wen der Rechtspopulist für den Posten
des    künftigen     Finanzministers      und    des
Zentralbankchefs vorschlagen sollte. Es ist davon
auszugehen,      dass    Brasiliens      möglicher
Staatspräsident Bolsonaro die Experten in ihren
Ämtern gewähren lässt, solange sie sich nicht
grundsätzlich in seine ideologische Agenda
einmischen.

Als aussichtsreicher Kandidat gilt Paulo Guedes,
bislang Bolsonaros Wirtschaftsberater. Der ehemalige
Banker Guedes hat erste richtige Signale gesendet.
Er will notwendige Renten-, Haushalts- und
Finanzreformen      umsetzen.      Auch weiteren
Privatisierungen steht er offen gegenüber. Nähere
Details sind dazu noch nicht bekannt.

Nach wie vor benötigt Brasilien dringend eine
weitreichende Finanz- und Wirtschaftsreform, um das
Wirtschaftswachstum       zu   erhöhen    und   die
Schuldentragfähigkeit       des   Schwellenlandes
sicherzustellen.       Darüber     hinaus     sind
Diversifizierungen von natürlichen Ressourcen,
Investitionen in die Infrastruktur und die Bildung
notwendig.
Stichwahl in Brasilien:
Fünf Antworten

Wie   beurteilen  Sie   den
Zustand der brasilianischen
Wirtschaft?
Nicht alle Kennzahlen in Brasilien sind schlecht:
Die Auslandsverschuldung ist relativ gering, die
Inflation niedrig und das Leistungsbilanzdefizit in
den letzten Jahren deutlich zurückgekommen.
Allerdings muss das brasilianische Volk derzeit
schmerzlich erfahren, dass nicht dauerhaft zulasten
der Zukunft regiert und gelebt werden kann. Der
jüngste Abschwung an den Rohstoffmärkten ging einher
mit der schwersten Rezession in der Geschichte des
Landes.

Was    sind  die                     größten
Herausforderungen                   für den
Wahlsieger?
Wer die Stichwahl am 28. Oktober gewinnt, wird sich
der Herkulesaufgabe stellen müssen, lange
überfällige Strukturreformen unter massivem
Gegenwind der Bevölkerung und der Opposition
umzusetzen. Hierzu zählen die Flexibilisierung des
Arbeitsmarkts und vor allem die bei der Bevölkerung
verhasste Reform des Pensionssystems. Ohne Erfolg an
dieser Front werden Pensionsaufwendungen jährlich um
ca. 0,3% des BIP wachsen und somit Kürzungen bei
Gesundheit, Bildung und öffentlichen Löhnen
erforderlich machen.

Neben den strukturellen Themen wie Reformbedarf und
Korruption     ist   vor    allem   das    massive
Haushaltsdefizit (-7,8% des BIP für 2017, Tendenz
weiter steigend) besorgniserregend. Die daraus
resultierende wachsende Staatsverschuldung hatte
bereits 2017 mit 73% des BIP ein Niveau erreicht,
bei dem es historisch für ein Schwellenland extrem
schwierig ist, ohne radikale und schmerzhafte
Rosskur zu gesunden. Werden hier nicht zeitnah
Fortschritte erzielt, droht ein Teufelskreis weiter
ansteigender Refinanzierungskosten durch erhöhte
Länderrisikoprämien,        u.a.    aufgrund     von
Ratingherabstufungen. Diese stellen eine nachhaltige
Finanzierung     des   schnell    wachsenden     und
besorgniserregend hohen Schuldenberges in Frage.

Welche      wirtschaftlichen
Auswirkungen erwarten Sie bei
einem    Wahlsieg   Fernando
Haddads?
Es ist fraglich, ob Fernando Haddad die notwendigen
Strukturreformen angehen würde. Er hat sich u.a. für
die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen und für
die Aufhebung der verfassungsrechtlich verankerten
Ausgabengrenze ausgesprochen. Selbst wenn er die
öffentlichen Ausgaben in nennenswertem Maße
reduzieren möchte, ist mit massiven Gegenwind von
seiner eigenen Partei zu rechnen, die als Bollwerk
gegen Wirtschaftsreformen gilt

Was erwarten Sie von Jair
Bolsonaro im Falle eines
Wahlsieges?
Das überraschend klare Abschneiden von Bolsonaro in
der ersten Runde erhöht die Siegchancen in der
Stichwahl deutlich und dürfte sehr positive für
brasilianische Assets sein. Mit seinem Wahlsieg
verbindet sich die Hoffnung auf die Implementierung
dringend nötiger Strukturreformen und ein
entschlossenes Vorgehen gegen Korruption und
Kriminalität, welche die wirtschaftliche Entwicklung
bremsen.

Jair Bolsonaro gibt zu, wenig von Wirtschaft zu
verstehen und ist in der Vergangenheit auch nicht
als Reformer aufgefallen. Die Wahl seines
Wirtschaftsberaters, des international anerkannten
Ökonomen und Bankers Paulo Guedes, hat ihm jedoch
Vertrauen bei Investoren eingebracht. Bolsonaros
Team hat – anders als Haddad – die wirtschaftlichen
Herausforderungen klar benannt. Inwieweit die
richtige Identifizierung der Probleme nach einem
möglichen Wahlsieg in nachhaltige Reformen übersetzt
werden kann, ist derzeit in keiner Weise verlässlich
prognostizierbar

Was        ist        notwendig,                um
Brasilien wieder zu stärken?
Helfen würde dem Land eine Erholung der
Rohstoffmärkte, aber ohne ein deutliches Bekenntnis
zu Strukturreformen werden Ratingabstufungen und
eine weitere Erosion des wirtschaftlichen Vertrauens
nicht zu verhindern sein. Dies würde die derzeitige
Polarisierung weiter verschärfen.

Von   den   Wahlen    in
Brasilien profitieren
Unser Portfolioaufbau hat nicht das Ziel, ein
Engagement in einem bestimmten Land einzugehen. Bei
unserem Investmentprozess geht es darum, Portfolios
nach dem Bottom-up-Ansatz Aktie für Aktie aufzubauen
und in die rund um den Globus verfügbaren besten
Geschäftsmodelle zu investieren. Allerdings finden
wir für unsere Investments viele von diesen
Unternehmen gerade in Brasilien. Unternehmen wie
Ambev, Lojas Renner, Banco Itau und Ultrapar sind
nur einige Beispiele. Unabhängig vom Wahlausgang
glauben wir, dass diese Unternehmen ausreichend
Möglichkeiten für weiteres Wachstum bieten. Wer auch
immer der nächste Präsident wird, die Verbraucher in
Brasilien werden ihre Lieblingsbiermarke weiterhin
schätzen, zum Tanken zu der Tankstelle in der
Nachbarschaft fahren und Mode zu attraktiven Preisen
kaufen. Das Risiko im Umfeld der Wahlen bietet uns
gewissermaßen die Chance, in diesen Bereichen zu
niedrigeren Bewertungen zu kaufen.

Unsere    Investments    in
Brasilien werden sich nicht
aus dem Ergebnis der Wahlen
begründen
Der Markt ist zu sehr auf den nächsten Präsidenten
fokussiert und unterschätzt die Tatsache, dass
Brasilien nachweislich über solide Institutionen
verfügt. Die Operation Lava Jato (zu Deutsch
„Autowäsche“) im Zusammenhang mit dem Petrobras-
Korruptionsskandal hat gezeigt, dass das
Justizsystem funktioniert und niemand über dem
Gesetz steht. In den letzten Jahren stand das Land
mehrfach     vor   schweren    Herausforderungen
(Amtsenthebung eines Präsidenten, schwerste
Rezession seit einem Jahrhundert, Inhaftierung von
Ex-Präsident Lula da Silva), und der demokratische
Prozess setzte sich dennoch fort. Es ist kein
Kinderspiel für Brasilien, in wenigen Wochen trotz
all dieser Probleme Wahlen zum Staatspräsidenten, zu
den Gouverneuren der Bundesstaaten und zum Kongress
durchzuführen. Das große Fiskalproblem, mit dem das
Land konfrontiert ist, ist nicht zu unterschätzen,
aber den rechten und linken Kandidaten ist die
Wichtigkeit der Debatte über Rentenreform und
Steuerstabilität sehr wohl bewusst. Der nächste
Präsident wird mit dem Auftrag gewählt,
Arbeitsplätze zu schaffen und die Lebensbedingungen
für Millionen von Menschen zu verbessern. Die
Fiskalreform ist an dieser Stelle keine ideologische
Debatte, sie ist eine Frage der Regierungsfähigkeit.
Nach dem Sturm kommt immer
die Ruhe
Auf mittlere Sicht sind wir positiv eingestellt. Die
Regierung muss ein Mindestmaß an Glaubwürdigkeit
wiederherstellen, um das Vertrauen des Marktes
zurückzugewinnen. Der nächste gewählte Präsident
wird den politischen Rückhalt dafür haben, was beim
derzeitigen Präsidenten Michel Temer nicht der Fall
ist. Brasilien ist auf dem Weg zu einer wichtigen
Debatte über die Rolle des Staates in der
Wirtschaft. Die früheren Regierungen mussten an
diesem Thema nicht so hart arbeiten, es gab Raum für
höhere Steuern und Schulden, da der Anteil am BIP
geringer war. Dies ist nicht mehr möglich. Wir
halten diese Debatte für wichtig, nicht nur, um die
Finanzkonten des Staates wieder ins Gleichgewicht zu
bringen, sondern auch, um einen stabileren
Wachstumspfad zu fördern, was bislang für den Markt
eher frustrierend gewesen ist.

Erholungspotenzial
jenseits der negativen
Schlagzeilen?
Die Wahlen in Brasilien werden von Unsicherheit
bestimmt. Bei Umfragen erzielt bislang kein Kandidat
Ergebnisse, die auf einen Sieg schon in der ersten
Runde am 7. Oktober hindeuten. Das Rennen wird sich
daher wohl bis zur Stichwahl am 28. Oktober
hinziehen. Der führende Kandidat wurde jüngst Opfer
einer Messerattacke. Ein weiterer potenzieller
Kandidat, Ex-Präsident Lula, verbüßt gerade eine
Haftstrafe wegen Korruption – und darf laut einer
kürzlich gefallenen Gerichtsentscheidung überhaupt
nicht fürs Präsidentenamt kandidieren.

Das Land hat gerade erst eine Rezession hinter sich
gebracht und wurde von zwei großen Ratingagenturen
Anfang des Jahres herabgestuft. Der brasilianische
Real ist eine der schwächsten Währungen des Jahres
und fiel gegenüber dem US-Dollar um 20 Prozent. Wo
sind für Anleger also die guten Nachrichten?

So schwierig das politische Umfeld auch sein mag:
Unter der turbulenten Oberfläche gibt es für
Investoren dennoch Lichtblicke bei Aktien, Anleihen
und auch bei der Währung. Aktienanleger dürfte
ermutigen, dass das Gewinnwachstum der Unternehmen
mit 21 Prozent in diesem und erwarteten 18 Prozent
im kommenden Jahr zu den global höchsten zählt.
Diese Verbesserung ist größtenteils auf den hohen
operativen Hebel zurückzuführen, den brasilianische
Unternehmen im Gefolge der Rezession aufweisen.
Dadurch      wirken    sich     selbst     geringe
Umsatzsteigerungen erheblich auf die Gewinne aus.
Dieses hohe Ertragswachstum gibt es zu einem Kurs-
Gewinn-Verhältnis      von   11  auf   Basis    der
prognostizierten Gewinne für 2018 – ein Wert, der
ungefähr dem Durchschnitt der ohnehin günstig
bewerteten Schwellenländer entspricht. So ergibt
sich eine seltene Mischung von Wachstum zu einem
vernünftigen Preis.

Bei Anleihen erhalten Investoren 10-jährige Renditen
über 6 Prozent auf US-Dollarbasis und über 12
Prozent in lokaler Währung. Beide Zinssätze sind
damit aktuell am oberen Ende aller Schwellenländer-
Emittenten – und die höchsten der jüngsten
brasilianischen Geschichte. Wenn sich die Stimmung
nicht verschlechtert und die Preise stabil bleiben,
sind dies sehr attraktive Kupons. Und schließlich
können auch Währungsinvestoren auf Wertsteigerungen
hoffen angesichts der scharfen Korrektur seit
Jahresbeginn und der nunmehr ausgeglichenen
Leistungsbilanz Brasiliens.

Natürlich gibt es keine Garantie, dass es bis zu den
Wahlen und darüber hinaus keine Volatilität und kein
bedeutendes Abwärtsrisiko gibt. Eine große Sorge
besteht um die Nachhaltigkeit der Finanzpolitik,
insbesondere im Bereich der sozialen Sicherheit. Es
ist vor einer Wahl natürlich kaum zu erwarten, dass
ein Kandidat die Kürzung von Sozialleistungen und
anderen Ausgaben in den Fokus seines Wahlprogramms
stellt. Reformen in diesem Bereich sollte man daher
nicht als zwangsläufig ansehen. Dennoch haben die
Kandidaten     ihre   Absicht    angedeutet,     das
Haushaltsdefizit sofort nach ihrem Amtsantritt in
Angriff zu nehmen. Das schafft Chancen für einige
positive Überraschungen angesichts des extremen
Pessimismus, der aktuell in den brasilianischen
Vermögenswerten eingepreist ist. In Anbetracht der
erheblichen Korrektur ist eine Erholungsrallye alles
andere als unwahrscheinlich.
Brasilien-Wahl:     Die
Kandidaten im Überblick
Am 7. Oktober findet die Wahl in Brasilien statt.
Die über 145 Millionen wahlberechtigten Brasilianer
des flächenmäßig fünftgrößten Landes der Welt wählen
an diesem Tag neben dem Staatspräsidenten auch einen
neuen Nationalkongress. Sollte keiner der
Präsidentschaftskandidaten eine absolute Mehrheit
erzielen, sind die Brasilianer am 28. Oktober
aufgerufen, wieder an die Wahlurnen zu treten.

Der derzeitige brasilianische Präsident, der 77-
jährige Michael Temer, ist einer der unbeliebtesten
in der noch jungen demokratischen Geschichte des
Landes. Nach einem beispiellosen Korruptionsskandal,
der nahezu alle Parteien betraf und zu einer
Erschütterung der Grundfeste der Demokratie führte,
geht es bei der Wahl im Oktober um nicht weniger als
die Zukunft der brasilianischen Demokratie und die
Frage, ob dem wirtschaftlich stärksten Land
Lateinamerikas ein politischer Neuanfang gelingt.

Insgesamt haben 13 Kandidaten dem Obersten
Wahlgericht ihre Kandidatur für das Präsidentenamt
gemeldet. Nachfolgend werden die in den jüngsten
Umfragen (Stand 17.09.2018; Quelle: CNT/MDA)
aussichtsreichsten fünf Kandidaten vorgestellt.

Ein   stark  fragmentiertes
Kandidatenfeld
Der 63-jährige Jair Bolsonaro liegt in den Umfragen
bei 28 Prozent. Bolsonaro wurde am 6. September auf
einer Wahlkampfveranstaltung in Südbrasilien Opfer
einer Messerattacke. Der ehemalige Hauptmann des
Militärs fällt immer wieder mit homophoben,
frauenfeindlichen und rassistischen Äußerungen auf.
Mit 5,4 Millionen Facebook-Fans (zum Vergleich: Lula
3,5 Mio.; Marina Silva 2,3 Mio.; Alckmin 930.000;
Ciro Gomes 310.000) dominiert Bolsonaro die neue
Social Media-Welt. In der Presse gilt Bolsonaro auch
als „Brasiliens Trump“ und gilt als Anti-System-
Kandidat.

Fernando Haddad liegt in den Umfragen bei 18
Prozent. Der 55-Jährige ersetzt in letzter Minute
den ehemaligen Präsidenten Luiz Inacio Lula da
Silva, der in einem in Brasilien umstrittenen
Korruptionsverfahren zu 12 Jahren Haft verurteilt
wurde und gemäß Entscheidung des Obersten
Wahlgerichtes nicht kandidieren darf. Haddad hielt
von 2013 bis 2017 die Position des Bürgermeisters
von São Paulo inne und war einst Brasiliens
Bildungsminister. Haddads Idee, São Paulo mit mehr
Radwegen auszustatten, brachte ihm ein grünes Image
ein. Spannend wird, ob es Haddad schafft, einen
großen Teil von Lulas Stimmenpotenzial in den
verbleibenden Wochen auf sich zu ziehen. Innerhalb
der letzten Woche sind die Umfragewerte von Haddad
von allen Kandidaten am deutlichsten gestiegen (von
8 Prozent auf 18 Prozent).

Der 60-jährige Ciro Gomes, ein studierter Jurist,
liegt in den Umfragen mit 11 Prozent derzeit auf dem
dritten Platz. Er blickt auf eine über 30-jährige
politische Karriere zurück. Gomes plädiert gegen die
Privatisierung des halbstaatlichen Erdölkonzerns
Petrobras. Ausländische Investoren verschreckt Gomes
zudem durch Aussagen, dass alle Ölfelder, die seit
der Amtsenthebung der ehemaligen Staatspräsidentin
Dilma Rousseff an das Ausland verkauft worden seien,
enteignet würden.

Der 65-jährige Geraldo Alckmin mit Umfragewerten von
9 Prozent gilt als Favorit der Finanzmärkte, aber
seine Umfragewerte sind noch zu tief. Der 65-jährige
studierte     Mediziner     ist   Mitgründer     der
sozialdemokratischen Partei und gilt als erfahrener
und souveräner Politiker. Bis April 2018 regierte er
den bevölkerungsreichsten Bundesstaat São Paulo, aus
dem der Präsidentschaftskandidat auch stammt.
Alckmin steht für eine liberale Wirtschaftspolitik
und Entbürokratisierung. Alckmin spricht eher Wähler
mit höheren Einkommen und Großunternehmer an.

Marina Silva vereint in den Umfragen 4 Prozent
Stimmen auf sich. Die 60-jährige studierte
Historikerin ist dem linken Parteienspektrum
zuzuordnen. Sie möchte die Umwelt, das von ihr
hauptsächlich besetzte Thema, besser mit der
Wirtschaft, einschließlich dem Agrobusiness,
verbinden. Marina Silva war im Zeitraum 2003 bis
2008 Umweltministerin und ist die einzige Frau im
Feld der Spitzenkandidaten.

Das brasilianische Kandidatenfeld ist stark
fragmentiert. Das macht die Analyse knapp drei
Wochen vor der Wahl nicht einfach. Die beschriebenen
fünf Kandidaten vereinen in der jüngsten Umfrage 67
Prozent der Stimmen auf sich. Kandidaten mit derzeit
einstelligen Popularitätswerten können durchaus noch
an Zustimmung in der Bevölkerung gewinnen und für
Überraschungen beim Wahlausgang sorgen. Am Ende muss
ein Kandidat die absolute Mehrheit der gültigen
Stimmen erreichen, um neuer Präsident zu werden.
Die möglichen Auswirkungen
für die Finanzmärkte
Alckmin steht für eine liberale Wirtschaftspolitik
und Entbürokratisierung und ist eigentlich der
Favorit der Börsianer. Da er jedoch in den Umfragen
bisher nur einstellige Popularitätswerte erhält,
erscheint es aus jetziger Sicht unwahrscheinlich,
dass er das Rennen zum Präsidenten für sich
entscheiden kann.

Knapp drei Wochen vor der Wahl sieht es nach einem
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Jair Bolsonaro und
Fernando Haddad aus. Falls Bolsonaro gewinnt, könnte
dies positive Auswirkungen auf die brasilianische
Währung,    den   brasilianischen    Real,    und
brasilianische Aktien haben. An der Seite von
Bolsonaro    steht  als   Finanzberater   der
Investmentbanker Paulo Guedes. Dieser möchte
staatliche Firmen privatisieren (z.B. Banco do
Brasil und Petrobras) und damit die Staatsschulden
reduzieren.

Fernando Haddad kandidiert für Brasiliens
Arbeiterpartei als Präsidentschaftskandidat. Sollte
der Linkspolitiker Haddad gewinnen, könnten der
brasilianische Real und brasilianische Aktien
darunter leiden.

Am brasilianischen Finanzmarkt scheint allerdings
auch schon einiges an potenziell negativen
Entwicklungen eingepreist. Der brasilianische Real
hat gegenüber dem Euro in diesem Jahr bereits 18
Prozent    seines    Wertes   verloren     und   der
brasilianische Aktienmarkt notiert derzeit mit einem
geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis für das laufende
Jahr von 11,3 bereits 30 Prozent unter dem im
Oktober 2016 markierten Fünf-Jahres-Bewertungshoch
von 16,1. Vor diesem Hintergrund schließen wir auch
eine brasilianische Erholungsrallye nach dem
Wahlausgang in Brasilien nicht aus.

Wird   Brasilien    das
nächste Krisenland?
Könnte Brasilien nach Argentinien und der Türkei das
nächste Schwellenland sein, das in eine Krise gerät?
„Die Entwicklungen in den Emerging Markets stehen in
keinem Zusammenhang zueinander“, sagt Erik Lueth,
Global Emerging Market Economist bei Legal & General
Investment Management (LGIM). Stattdessen habe jedes
Land mit seinen spezifiischen Schwächen zu kämpfen.
„Für Brasilien sind die Herausforderungen vor allem
das beachtliche Haushaltsdefizit und die
Präsidentschaftswahlen im Oktober“, erklärt der
Experte.

Haushaltsdefizit                  ist          ein
Unsicherheitsfaktor
Mit Luiz Inácio Lula da Silva von der Arbeiterpartei
PT und dem Kongressabgeordneten Jair Bolsonaro lagen
in den Umfragen bislang Kandidaten der extrem links-
und rechtsgerichteten politischen Lager vorne.
Während das oberste Wahlgericht den ehemaligen
Präsidenten inzwischen aufgrund seiner Verurteilung
wegen Korruption von den Wahlen ausgeschlossen hat,
konnte      Bolsonaro,       der     bei     einer
Wahlkampfveranstaltung mit einem Messer angegriffen
wurde, seinen Vorsprung weiter ausbauen. Geraldo
Alckmin,    der   Präsidentschaftskandidat      der
konservativen Zentrumsparteien, ist im Rückstand.
„Brasilien fehlt es an einem fiskalischen Anker“,
sagt Lueth. Dieses Thema stehe im Vorfeld der
Präsidentschaftswahlen aus Anlegersicht im Zentrum.
Das Haushaltsdefizit des Landes liege über einem
tragfähigen Niveau. Gleichzeitig betrage die
Staatsverschuldung      fast    80   Prozent    des
Bruttoinlandsprodukts, und die Sozialausgaben
stiegen rapide an.

„Investoren   sind   sich   der   Verschuldungsdynamik
Brasiliens sehr bewusst. Trotzdem haben sie dem Land
einen Vertrauensvorschuss gewährt, nachdem die
gegenwärtige Regierung Maßnahmen zur Stabilsierung
der öffentlichen Schuldenlast eingeleitet hatte“,
analysiert Lueth. Nach Meinung des Experten haben
diese nun die Hoffnung, dass die nächste Regierung
die Haushaltskonsolidierung erfolgreich abschließt,
vor allem durch eine umfassende Rentenreform. „Da
die meisten Staatsschulden von Brasilianern gehalten
werden und das in Landeswährung, ist das
Ausfallrisiko gering. Sollte die neue Regierung
jedoch die Rentenreform nicht verabschieden, könnten
Anleger, die eine Monetarisierung der Schuldenlast
befürchten, Investitionen in großem Stil abbauen“,
erklärt Lueth. Dies sei zum Beispiel im Jahr 2015
geschehen, als der brasilianische Real die Hälfte
seines Wertes verlor.

Konservativer
Präsidentschaftskandidat                  könnte
sich durchsetzen
Dennoch gilt es als unwahrscheinlich, dass sich eine
solche Krise wiederholt. Denn das Wahlsystem ist so
gestaltet, dass es den   Zentrumsparteien Vorteile
bietet: Öffentliches     Wahlkampfgeld und TV-
Werbezeiten      für   Parteien     werden    nach
Parlamentssitzen verteilt, und die Wahlen werden in
zwei       Runden       ausgetragen.           „Als
Präsidentschaftskandidat der größten      Koalition
konnte sich Joachim Alckmin eine vergleichseise
lange Werbesequenz sichern. In den Umfragen sollte
er deshalb bald aufholen und könnte sich in der
abschließenden Wahlrunde durchsetzen“, sagt Lueth.

Abwärtstrend       bei
Währungen der Emerging
Markets
Mit großer Regelmäßigkeit geraten Währungskrisen in
Schwellenländern      in    den   Blickpunkt     der
Finanzberichterstattung. Zuletzt ist es der Türkei
so ergangen, nachdem die türkische Lira (TRY) rasch
um circa 30 Prozent gegenüber dem Euro und vor allem
dem amerikanischen Dollar abwertete.

Unlängst mussten mehr als 7 Lira für einen Euro
bezahlt werden. Zu Anfang des Monats August 2018
waren es erst 5,4 Lira pro Euro und zu Jahresbeginn
stand der Lira-Kurs bei 4,7 pro Euro.

Stellt man die TRY-Entwicklung in einen
langfristigen Kontext, dann zeigt sich, dass die
Landeswährung der Türkei am Ende des Jahres 2000 bei
knapp 0,70 Cent pro Euro und zehn Jahre später zum
Ultimo 2010 bei 2,05 lag. Wie in nahezu allen
Schwellenländern (brasilianischer Real, russischer
Rubel, indische Rupie etc.) sieht man solche oder
ähnliche Abwärtsentwicklungen der Währung.

Krisenherd Türkei beeinflusst die
Weltwirtschaft
An den üblichen Zutaten veritabler Währungskrisen
fehlt es auch nicht. Die offiziell gemeldete
Inflationsrate in der Türkei betrug zuletzt 18
Prozent. Solche Werte nötigen die dortige
Zentralbank, hohe Zinsen festzusetzen, um die
Kapitalflucht einzudämmen. Ein Teufelskreis kommt in
Gang.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem der türkische
Präsident Recep Erdogan nicht seine Landsleute
auffordert, ihre Euros und Dollars zu verkaufen und
in türkische Lira umzutauschen. Allerdings genießt
Erdogan an der Wahlurne – besonders bei in
Deutschland lebenden Türken – mehr Loyalität als in
den Wechselstuben der Welt. Und nirgendwo ist die
Wertschätzung eines Landes präziser abzulesen als an
den Zinsen, die für Staatsanleihen zu entrichten
sind. Für die marktführende zehnjährige türkische
Staatsanleihe in US-Dollar steht derzeit eine
Rendite von 8,9 Prozent zu Buche. Und die in
türkische Lira begebene Anleihe rentiert gar mit
über 20 Prozent. Zum Vergleich: Das „gerettete“
Griechenland muss aktuell Renditen von 4,4 Prozent
für zehnjährige Staatsanleihen anbieten.

Am Beispiel Griechenlands hat man seit 2008
studieren können, welche Therapie einzuleiten ist,
um von der Weltgemeinschaft gerettet zu werden.
Freilich ist dazu zunächst erforderlich, gerettet
werden zu wollen. Bei dem Ausdruck dieses Wunsches
handelt es sich jedoch um einen vergleichsweise
demütigen Akt, so dass nicht jeder stolze
Staatslenker dazu ohne Zeitverzug willens ist. Aber
in Argentinien, wo man das Prozedere bereits
mehrfach durchexerziert hat, bat man jetzt
schnurstracks     um   Hilfskredite    durch    den
Internationalen Währungsfonds (IWF).

Ohne Auswirkung auf die Wirtschaft bleiben die
beschriebenen   Währungskrisen    nicht.   Die
internationalen   Handelsströme werden dadurch
tangiert    und    die   Schwierigkeiten   der
Handelsfinanzierung steigen dramatisch an.

Aktien   aus  Schwellenländern:
ausschließlich Rohstoffe
Die fünf LOYS Aktienfonds sind angesichts der
konservativen Anlagephilosophie des Hauses LOYS
traditionell nur gering oder gar nicht in
Schwellenländeraktien investiert. Und wenn Aktien
aus Ländern wie Brasilien, Russland oder der Türkei
für attraktiv genug gehalten werden, dann handelt es
sich in der Regel um Werte aus dem Rohstoffbereich,
weil Rohstoffe wie Energie oder Metalle weltweit in
harter Währung gehandelt werden.

Tatsächlich wurden zuletzt im LOYS Global Positionen
in dem russischen Mineralölkonzern Lukoil ausgebaut
und in brasilianischem Mineralölunternehmen
Petrobras eingegangen. Insgesamt ist aber davon
auszugehen, dass die derzeitigen Währungskrisen das
weltweite Wirtschaftswachstum etwas abschwächen
werden.

Volatilität      schafft
ideale Rahmenbedingungen
Die Märkte für Schwellenländeranleihen (Emerging
Markets, kurz EM) standen seit Mitte April unter dem
Einfluss     verschiedener      politischer      und
wirtschaftlicher Ereignisse. Nachdem zunächst die
zehnjährigen US-Staatsanleihen die psychologisch
wichtige Marke von drei Prozent erreicht hatten,
rückte Lateinamerika in den Fokus vieler Investoren.
Argentinien bat den Internationalen Währungsfonds
(IWF) um finanziellen Beistand und in Brasilien
sorgen die anstehenden Wahlen im Oktober für
anhaltende Unsicherheit. Doch auch die jüngste
politische Krise in Italien sowie der Ausgang der
Wahlen in Mexiko Anfang Juli haben sich auf die
Märkte für Schwellenländeranleihen ausgewirkt.

Haben    sich   damit    die   Perspektiven      für
Schwellenländeranleihen nachhaltig eingetrübt? Für
eine sachgerechte Bewertung ist es wichtig, die
vorangegangenen politischen und wirtschaftlichen
Entwicklungen genauer zu analysieren, um sie richtig
einordnen zu können.
Argentinien
Aus   gesamtwirtschaftlicher   Perspektive   spricht
vieles dafür, dass sich die Kreditwürdigkeit
Argentiniens grundsätzlich auf dem Weg der Besserung
befindet. Im letzten Jahr stufte S&P das Rating des
lateinamerikanischen Landes gleich zwei Mal herauf.
Die reformorientierte Regierung unter Mauricio Macri
hat trotz des Widerstands der Gewerkschaften erste
Fortschritte   bei der Arbeitsreform erzielt.
Gleichzeitig   wurden wichtige Steuerreformen
durchgeführt und auch Kapitalmarktreformen sind in
Vorbereitung. Zudem werden Exporthemmnisse abgebaut,
die Bedingungen für ausländische Direktinvestitionen
verbessert und die Infrastrukturinvestitionen
erhöht. Die argentinische Zentralbank hat ihren
Willen, den Peso zu verteidigen, mit Zinserhöhungen
auf 40 Prozent unter Beweis gestellt, was
Leerverkäufer abschrecken dürfte. Die Entscheidung,
den IWF um Hilfe zu bitten, war ein notwendiger und
nicht zuletzt mutiger Schritt. Denn bei den
Argentiniern ist der Internationale Währungsfonds
nicht sonderlich beliebt. Wir sehen deshalb vor
allem technische Faktoren in Argentinien als
Auslöser des jüngsten Ausverkaufs.

Brasilien
Der brasilianische Real hat in den letzten Wochen
eine gewisse Volatilität erlebt. Dies betraf auch
Lokalwährungsanleihen, wobei die Renditen der
fünfjährigen Staatsanleihen um fast zwei Prozent auf
rund elf Prozent stiegen. Viele Anleger bleiben
nervös, womöglich auch vor dem Hintergrund der
Ereignisse im benachbarten Argentinien. Sicherlich
mag Brasilien mit diversen sozialen und auch
politischen Problemen konfrontiert sein, allen voran
die Unfähigkeit der Regierung, die Finanzpolitik und
damit den inländischen Verschuldungsgrad in den
Griff zu bekommen. Doch wie so oft zeigt der genaue
Blick auf die makroökonomischen Daten auch positive
Faktoren,    die   sich    unter   den   aktuellen
Negativschlagzeilen verstecken. Die Inflation liegt
bei unter drei Prozent und damit auf dem niedrigsten
Stand      seit      der     Einführung       eines
Inflationszielsystems im Jahr 1999. Tatsächlich
liegt sie unter der aktuellen Zielspanne von drei
bis sechs Prozent, die von der Zentralbank
festgelegt wurde. Die jüngste Abwertung des
brasilianischen Real wird sich zwar durch höhere
Importpreise auf die Inflation auswirken. Aber
Brasilien  ist  eine      relativ  geschlossene
Volkswirtschaft mit       einer sehr niedrigen
Dollarisierung, sodass dieser Effekt die Inflation
wohl kaum in dem Maße ankurbeln wird, wie es in
Ländern wie der Türkei oder Argentinien der Fall
ist. Auch der Blick auf die Zahlungsbilanz gibt
aktuell kein Grund zur Besorgnis. Die Grundbilanz
(Leistungsbilanz und Nettoauslandsinvestitionen)
bleibt mit rund vier Prozent des BIP auf einem
komfortablen Niveau. Brasilien verfügt zudem über
massive Devisenreserven, die mehr als zwei Jahre
Importe abdecken können.

Italien
Die politische Krise in Italien hat Anleihen aus der
Peripherie und aus Schwellenländern erfasst.
Theoretisch sollte der Abstand gegenüber den
risikolosen Zinssätzen davon unberührt bleiben. Aber
in der Praxis sieht das mitunter anders aus. Häufig
werden Anleihen aus Schwellenländern unabhängig von
risikolosen Zinsen gehandelt. Die Ereignisse in
Italien haben Spuren bei EM-Anleihen hinterlassen.
Euro-basierte Anleger sind in Deckung gegangen und
dürften sich nun höher verzinsten Alternativen in
Heimatnähe zuwenden. Tatsächlich muten die aktuellen
Ereignisse sehr nach einer Wiederholung von 2011 an,
als Anleger den Euro auf eine harte Probe stellten.
Diese Art von Ereignissen bietet eine Fülle von
Anlagemöglichkeiten. Aber dies ist kein Markt für
kurzfristige Handelswetten, denn der richtige
Zeitpunkt ist wie immer schwer zu fassen. Für
langfristig orientierte, antizyklische Anleger sind
das jedoch ideale Rahmenbedingungen, die für ein
Bond-Picking wie geschaffen sind.

Mexiko
Für die Märkte für Schwellenländeranleihen standen
Anfang Juli die Wahlen in Mexiko im Fokus, bei denen
Kommunal-, Regional- und Präsidentschaftswahlen
zusammenfielen. Zwar wurde ein Sieg des linken
Präsidentschaftskandidaten López Obrador erwartet.
Doch dass seine Partei die Mehrheit in beiden
Kammern des Landes errang, war eine Überraschung. Da
die Investoren davon überzeugt waren, dass Obrador
wahrscheinlich in beiden Kammern, zumindest aber im
Senat, eine Koalition eingehen müsse, muss die
Bekanntgabe des Wahlergebnisses wie eine
alarmierende Nachricht geklungen haben. Trotzdem hat
es   für   eine   kleine    Rally   mexikanischer
Vermögenswerte gereicht. Zwar sind die Märkte
Obrador und seiner populistischen Rolle, ein „Mann
des Volkes“ zu sein, überdrüssig. Doch könnten sich
diese Befürchtungen als übertrieben herausstellen.
Schließlich hat Obrador seinen Wahlkampf auf einer
Anti-Korruptions-Kampagne aufgebaut. Es bleibt nun
abzuwarten, wie erfolgreich er sein wird und wie er
Sie können auch lesen