Aus für Viertel? - FAIR WOHNEN - Die Mietervereinigung Österreichs
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FAIR WOHNEN MÄRZ 2018 DAS MAGAZIN DER MIETERVEREINIGUNG ÖSTERREICHS Aus für Österreichische Post AG - MZ 02Z033986 M - Mietervereinigung Österreichs, Reichsratsstraße 15, 1010 Wien Gründerzeit- Viertel? Was die Pläne der Regierung konkret bedeuten Michael Häupl: »Armut frisst die Demokratie« Bürgermeister im Interview Mieterin zahlte 14.000 Euro zu viel Wie eine Kleinigkeit den Fall ins Rollen brachte Endlich Frühling! So blüht Ihr Balkon jetzt richtig auf Tipps für ein grünes Paradies Im Porträt: Die härteste Zimmer- pflanze der Welt Was sie aushält – und warum
Es gibt viele gute Gründe, jetzt Mitglied zu werden. Rechtsberatung in Miet- und Wohnrechtsfragen Rückforderung von überhöhten Miet- und Betriebskosten, illegalen Ablösen und Kautionen Beistellung von RechtsanwältInnen bei Mietrechtsstreitigkeiten Beratung und Hilfe bei Mietzinserhöhungen Überprüfung von Maklerprovisionen Mietvertragsberatung Hilfreiche Online-Services www.mietervereinigung.at 2 FAIR WOHNEN 1/18
FAIR WOHNEN INHALT OGH Interview Michael Häupl über sein Wien, seine Bilanz als Bürgermeister und seine Haltung zur FPÖ. Seite 4 Coverstory Aus für Gründerzeitviertel? Was die Pläne der Bundesregie- rung konkret bedeuten. Seite 16 Liebe Leserinnen und Leser, leistbares und sicheres Wohnen ist ein Grund- bedürfnis aller Menschen. Doch die Realität Fall sieht im Moment etwas anders aus. Mieterin zahlte 14.000 Euro zu viel Zins – so half die Sowohl neue als auch laufende private Mieten Mietervereinigung. sind zwischen 2008 und 2016 überproportio- Seite 8 nal gestiegen. Österreichweit sind die privaten Hauptmietzinse von Neuvermietungen um plus 35 Prozent in die Höhe gegangen, in Wien sogar um 43 Prozent, wie eine Analyse der Arbeiter- kammer zeigt. Aber nicht nur steigende Mieten, Hans Heinz Plaschka über sondern auch das Zurückdrängen des sozia- die Tücken bei der Miete von Einfamilienhäusern 10 len Wohnbaus und die vielfache Nutzung von OGH-Entscheidung zum Lagezuschlag Wohnraum als Spekulationsobjekt entwickeln Wie ist der Lagezuschlag künftig zu berechnen? 12 sich immer mehr zum Problem. Regierung plant Einschnitte beim Wohnen Die Pläne der Regierung – und deren mögliche Folgen 14 Umso wichtiger ist es jetzt mehr denn je einen Happy End nach jahrelangem Kampf starken Mieterschutz mit den fundamentalen Wie ein Student mit Hilfe der MVÖ um seine Rechte kämpfte 20 Säulen des Preisschutzes und dem Kündigungs- »Die Mieten explodieren« schutz an seiner Seite zu wissen. Die derzeitige Soziologin Mara Verlic über Gentrifizierung 24 Bundesregierung setzt nämlich in Ihren Ankün- Die härteste Zimmerpflanze der Welt digungen alles daran, den Mieterschutz Schritt Das Geheimnis der Zamie 26 für Schritt auszuhöhlen und den Interessen der Endlich Frühling! Tipps für den Garten am Balkon Immobilienlobby und der privaten Investoren Kräuter, Obst, Gemüse: Welche Sorte gedeiht bei mir? 28 nachzugeben. Wie die Bäume in den Himmel wachsen Erfolgsautor Conrad Amber über die Stadt von morgen 30 Wir versprechen, dass wir als Mietervereinigung Jäger des verlorenen Geschmacks uns unermüdlich weiterhin mit voller Kraft für Starkoch Paul Ivic über sein Erfolgsrezept 34 den Mieterschutz einsetzen werden, so dass 10 Trends für altersgerechtes Wohnen 36 unsere Forderungen und somit leistbar(er)es MVÖ intern 38 Wohnen möglich werden. Servicestellen in Österreich 40 Leserfragen: Wie ist das eigentlich? 42 Herzlichst, Ihr IMPRESSUM Gesamtauflage: 64.000 Exemplare Georg Niedermühlbichler Herausgeber, Medieninhaber, Redaktion: (42.000 Exemplare ÖAK, 1. Halbjahr 2017) Mietervereinigung Österreichs, E-Paper: 22.000 Exemplare Reichsratsstraße 15, 1010 Wien, Coverfoto: daskleineatelier/stock.adobe.com Tel. 05 01 95, Fax Dw 92000 E-Mail: zentrale@mvoe.at, www.mietervereinigung.at Zur besseren Lesbarkeit werden in FAIR WOHNEN Geschäftsführung: Alexandra Rezaei personenbezogene Bezeichnungen, die sich zugleich Chefredaktion: Alexandra Rezaei auf Männer und Frauen beziehen, in der im Deutschen Redaktionelle Mitarbeit: Elke Hanel-Torsch, Marisa üblichen männlichen Form angeführt, also z. B. Perchtold, Hans Sandrini, Martin Ucik »Mieter« statt „MieterInnen« oder »Mieterinnen und Produktion: Martin Ucik Mieter«. Dies soll jedoch keinesfalls eine Geschlechter- Anzeigenleitung: Hülya Aktunc diskriminierung oder eine Verletzung des Gleichheits- Hersteller: NP-Druck Niederösterreichisches Pressehaus grundsatzes zum Ausdruck bringen. FAIR WOHNEN 1/18 3
» Armut frisst die Demokratie« D u bist eine Institution der Wie- Nach 23 Jahren als Bürgermeister ner Politik. Seit 1983 im Ge- zieht sich Michael Häupl im Mai meinderat, als Umweltstadtrat und natürlich als Bürgermeister 30 aus dem Wiener Rathaus Jahre Mitglied der Stadtregierung. zurück. Mit MVÖ-Präsident 30 Jahre – das ist länger als die Ber- liner Mauer gestanden ist, die hat es Georg Niedermühlbichler sprach nur auf 28 Jahre gebracht. Häupl über seine Stadt, seine Michael Häupl (lacht): Es hat schon passendere Vergleiche gegeben. Bilanz, seine Haltung zur FPÖ – Seit 23 Jahren bist Du Bürgermeis- und über das Rosenschneiden. ter. Die normale Frage lautet immer: Woran erinnerst Du Dich am liebs- ten? Jetzt frage ich einmal anders: Was hat Dich am meisten genervt? Es gab sehr traurige und natürlich auch nervige Situationen, keine Fra- ge. Wenn man zum Beispiel nicht be- greift, dass man zusammenhalten muss, um politischen Erfolg zu haben. Aber meist waren positive Entwick- lungen im Mittelpunkt, sonst könnte man so einen Job ja auch nicht so lan- ge machen. Was war die größte Herausforderung? Interessant war der Weg allemal. Die Teilung Europas durch den Eisernen Vorhang prägte meine Kindheit und Jugend. Noch vor meiner Bestellung in die Stadtregierung ist der Eiser- ne Vorhang gefallen. Unmittelbar vor meiner Wahl zum Bürgermeister gab es die Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Der Beitritt war eine riesige FAIR WOHNEN 1/18 5
FAIR WOHNEN IM GESPRÄCH Herausforderung. Den Weg in das ge- meinsame Europa hat Wien beson- ders gut gemeistert – das meine nicht nur ich, sondern auch internationale Beobachter. Negatives Erlebnis war si- cherlich die 2008 ausgebrochene Wirt- schafts- und Finanzkrise, die erhebli- che Schwierigkeiten gebracht hat und die einer sehr klugen und voraus- schauenden Finanzpolitik bedurft hat. Insbesondere um unser Investitionsle- vel zu halten und uns wieder aus der Krise heraus zu investieren. Das war eine echte Challenge. Wie siehst Du die Zukunft Wiens? Was mich ungebrochen begeistert, ist, dass Wien wieder eine Stadt des Wis- sens wird. Dass wir eine Kulturhaupt- stadt der Welt sind, ist ja unbestritten. Aber wieder eine Stadt des Wissens zu werden, mit Leuchttürmen der Wis- Im Büro des Wiener Bürgermeisters: Niedermühlbichler, Häupl und – Kaffeehausliterat Peter Altenberg als Puppe. senschaft, die sich heute insbesondere im Bereich der Life Sciences und der Physik finden, ist unumkehrbar und Kein anderer Politiker steht so für verhält sich die FPÖ in sozialen Fra- der Weg in eine gute Zukunft. Wien ist den inhaltlichen Kampf mit der FPÖ. gen? Da braucht man sich nur anzu- keine Stadt der rauchenden Schlote, Du hast eine mögliche Koalition sehen, was sie als Opposition im Par- sondern der rauchenden Köpfe. mit der FPÖ immer ausgeschlossen. lament gemacht haben, oder was sie In Deiner Zeit hat sich Wien zu einer Wenn es noch eine Bestätigung ge- jetzt in der österreichischen Bundes- Weltstadt entwickelt. Durch den Fall braucht hätte, dass Du wrecht ge- regierung machen. Sie führen einen des Eisernen Vorhangs ist die Stadt habt hast, haben wir die in den letz- Kampf gegen die armen Leute. Und vom Rand der demokratischen Welt ten Wochen erhalten. Am Parteitag dann behaupten sie, dass sie diese in deren Mitte gerückt. Jetzt wächst hast Du mit einem Satz aufhorchen vertreten. Die Abschaffung der Aktion Wien rasant, wird bald zwei Millio- lassen: »Es wird jetzt nicht jedem ge- 20.000 ist ja nur eines der vielen Bei- nen Einwohner haben. Großer Zu- fallen, was ich sage: Aber was wäre, spiele. Armutsbekämpfung ist letzt- zug, Weltstadt – ist das mehr Fluch wenn wir jetzt eine Koalition mit die- endlich eine Frage der Rettung der oder mehr Segen? ser FPÖ hätten?« Das erntete viel Ap- Demokratie. Denn Armut frisst die Zunächst muss ich vorausschicken: plaus. Wie siehst Du die Zukunft im Demokratie. Damit meine ich nicht Wien hat mit Leopold Gratz als Bürger- Umgang mit der FPÖ? nur die materielle Armut, sondern meister einen großen Veränderungs- Es geht nicht darum, an die nächs- auch so etwas wie eine emotionelle prozess begonnen. Gratz hat Wien ins ten paar Wochen, Monate oder Jahre Armut, Vereinfachungs- und Verelen- Licht der Weltöffentlichkeit gerückt. zu denken, sondern darüber hinaus dungsprozesse, Entfremdungsprozes- Das hatte mit seinem hohen Interesse - als sozialdemokratischer Politiker, se durchaus im klassischen Sinn unse- an internationaler Politik zu tun. Gratz der mehr als nur die Macht im Parla- rer Theorie. war für Wien, was Bruno Kreisky für ment anstrebt, nämlich die Hegemo- All diese Überlegungen verbieten es Österreich war. Helmut Zilk hat einen nie, also die Vorherrschaft in den Köp- mir, mit den Freiheitlichen eine Re- Brückenschlag über den Eisernen Vor- fen und Herzen der Menschen. Das gierung zu bilden. Ich glaube, dass wir hang hinweg gemacht. Das war in vie- ist der Punkt an der ganzen Sache. Da am Ende vieles, vieles mehr verlieren lerlei Hinsicht gut so, denn unsere spä- sind Fragen von Ehrlichkeit, Aufrich- als wir gewinnen. Dann kommt auch teren gemeinsamen Aktivitäten mit tigkeit, Authentizität, wenn man so noch Haltung hinzu. Haltung heißt Städten in Ost- und Südosteuropa be- will auch Treue zu den eigenen Wert- für mich: Es muss eine unmissver- ruhen darauf, dass von Wien aus diese vorstellungen, sprich Programmatik ständliche Distanzierung von Natio- Brücken gebaut worden sind. Da ist es der Sozialdemokratie, von wesentli- nalsozialismus, Faschismen und Dik- in der Politik ähnlich wie in der Wis- cher Bedeutung. taturen jedweder Form geben. So et- senschaft. Durch Phasen der Kontinui- Das bedeutet im Detail? was darf sich nicht wiederholen. Dazu tät – und ich rede jetzt von 50 Jahren Es ist nicht die Frage, ob mir die frei- braucht es eine klare Haltung. Demo- – findet man auch entsprechende An- heitlichen PolitikerInnen sympathisch kratie, Freiheit und soziale Verantwor- erkennung. Wir stehen auf den Schul- sind oder nicht. Ich sehe nicht die not- tung sind für mich untrennbar mit der tern unserer Vorgänger. Meine lange wendige inhaltliche Schnittmenge für Sozialdemokratie verbunden. Ich bin Amtszeit hat also auch eine Geschich- eine gemeinsame Regierungsbildung. selbstverständlich nicht der Auffas- te und eine zukünftige Entwicklung. Neben den unzähligen Details ist für sung, dass jeder Freiheitliche und je- Das muss man immer bedenken. mich eine zentrale Frage dabei: Wie der freiheitliche Wähler ein verkappter 6 FAIR WOHNEN 1/18
Nazi ist – das ist vollkommener Blöd- Aussagen von Dir nachliest, kommt das nicht mehr der Fall sein wird. Mir sinn. Aber die freiheitliche Partei immer wieder der Spruch: »Und wird nicht langweilig. Mir war mein selbst hat einen völlig ausgefransten dann werde ich im Garten meiner ganzes Leben lang nie langweilig. Ich Rand, der über die roten Linien hin- Frau die Rosen schneiden.« Wird Ro- werde alles tun, um die Funktionali- aus und in faschistisches Gedanken- senschneiden für ein politisches Al- tät, die Einheit und die Kampfkraft der gut hinein geht. Bei der Causa rund phatier wie Dich zu wenig sein? Was Partei zu erhalten. Die gesellschaftli- um das bekanntgewordene Lieder- hast Du danach vor? che Entwicklung ohne Sozialdemo- buch einer an sich vernachlässigba- Rosen habe ich in der Vergangenheit kratie wäre eine fatale. ren Mittelschulverbindung in Wiener auch schon geschnitten. Das dau- Zum Abschluss: Zilk hat Dich mit Neustadt sind klare Worte zu sprechen ert ungefähr fünf Minuten. Das ist einem legendären Satz in die Politik und klare Taten zu setzen, wie dies ja nicht abendfüllend. Ich habe wieder- geholt: »Deine depperten Frösche auch geschehen ist. Ich persönlich ste- holt betont: Wenn man mich braucht, kannst du auch später noch zählen.« he für das, wofür ich mein ganzes poli- kann ich im Bereich Wissenschafts- Das »Später« hat jetzt über 30 Jahre tisches Leben immer gestanden bin. organisation helfen. Ich bin nach wie gedauert. Wirst Du jetzt Deine dep- Es gibt bestimmte Dinge, die man als vor Präsident des WWTF (Wiener Wis- perten Frösche zählen? Sozialdemokrat nicht tut. Eines davon senschafts-, Forschungs- und Technolo- Nein. Meine Kollegen brauchen sich ist, mit Freiheitlichen in eine Regie- giefonds, Anm.). Diese Rolle werde ich keine Sorgen zu machen. Ich habe rung zu gehen. gerne auch noch intensiver ausfüllen. schon gesagt, dass ich nicht in die Diese klare Haltung war ja in Wien Ich stelle auch gerne mein interna- Wissenschaft zurückkehren werde. recht erfolgreich… tionales Netzwerk zur Verfügung. Ich Ich weiß, was es heißt, Wissenschaft- Im urbanen Gebiet, in Wien ist eine werde aber keine ungebetenen Rat- ler zu sein. Helmut Zilk hat meine ur- Mehrheit Mitte bis Links erzielbar, wie schläge geben, weder öffentlich noch sprüngliche Lebensplanung umge- man an der letzten Bundespräsiden- persönlich. Dem Tagesdruck, dem ich stoßen. Aber es war damals schon so: tenwahl gesehen hat. Auch die Na- hier insgesamt gesehen über 35 Jahre Wenn Du fünf Jahre aus dem Wissen- tionalratswahl war ja nicht gerade ein lang ausgesetzt war, zu entfliehen, ist schaftsjob weg warst, hast Du von vor- Gegenbeweis dafür. mit 68 nicht ganz unverständlich. Ich ne anfangen können. In der Organi- Du hast angekündigt, Ende Mai auch habe mit dem permanenten Druck sation helfe ich aber gerne mit, wenn das Bürgermeisteramt übergeben rund um die Uhr zwar umgehen ge- man mich braucht. zu wollen. Wenn man vergangene lernt, aber ich bin nicht unfroh, wenn Danke für das Gespräch. Fotos: MVÖ Naturwissenschaftler: Der Bürgermeister erklärt dem MVÖ-Präsidenten anhand einer Stoffpuppe, wie sich Frösche entwickeln. FAIR WOHNEN 1/18 7
FAIR WOHNEN FALL Isabella H.: »Die Mietervereinigung hat mich gut beraten und professionell vertreten« 8 FAIR WOHNEN 1/18
Wien: Mieterin zahlte 14.000 Euro zu viel Zins Erste eigene Wohnung, erster Mietvertrag – und gleich draufzahlen? Nicht mit mir, dachte sich Isabella H. und wandte sich an die Experten der Mietervereinigung. E s war eine Kleinigkeit, die mit Gartenanteil und kleinem Vermieter verlangten 380 Euro). den Fall ins Rollen brachte. Kellerabteil. Schließlich unter- Am Ende kam es zu einem Ver- Weil im Badezimmer ihrer schrieb sie den auf fünf Jahre be- gleich, denn der Vermieter woll- Wohnung die Lüftung defekt war, fristeten Mietvertrag. te die für ihn aussichtlose Ver- wandte sich Mieterin Isabella H. Nach der Beratung bei der Mie- handlung erst gar nicht abwar- (27) an den Vermieter. Als die- tervereinigung beschloss Isa- ten. Ergebnis: Isabella H. erhielt ser sich weigerte, den Mangel zu bella H., ein Verfahren bei der 14.000 Euro zurück. beheben, suchte die 27-Jährige Schlichtungsstelle einleiten zu Im vergangenen Jahr erstritt Hilfe bei der Mietervereinigung. lassen. Allerdings erst, nach- die Mietervereinigung für ihre Bereits bei der ersten Durchsicht dem sie den Mietvertrag gekün- Mitglieder allein in Wien rund des Mietvertrags fiel MVÖ-Juris- digt und die Wohnung retour- 2,8 Millionen Euro und ge- tin Simone Lampert der unver- niert hatte. Warum nicht gleich? wann dabei 95% aller Verfahren. hältnismäßig hohe Mietzins auf. Simone Lampert Bevor man ein Verfahren eröffne, Für die 32 Quadratmeter klei- Die MVÖ-Juristin sei es ratsam, zu warten, bis der i Was ist ein ne Wohnung verlangte der Ver- betreute Isabella H. Vermieter die Kaution zurückge- mieter eine Nettomiete von 380 im Verfahren bei der zahlt hätte, erklärt MVÖ-Team- Richtwert? Euro; inklusive Betriebskosten Schlichtungsstelle. leiterin Marisa Perchtold. »Aus und Steuer zahlte Isabella H. unserer Erfahrung nimmt sonst satte 550 Euro monatlich. bei manchen Vermietern die Die 27-Jährige staunte nicht Neigung zu, bei der Rückgabe Bei der Neuvermietung von schlecht, als ihr die MVÖ-Exper- Mängel zu finden.« Diese ›Män- Altbau-Wohnungen (errich- tin erklärte, dass der Vermieter gel‹ würden dem Mieter natür- tet vor dem 1.7.1953) gilt beinahe das Dreifache des ge- lich in Rechnung gestellt und in ganz Österreich ein ge- setzlich höchstzulässigen Miet- von der Kaution abgezogen, so setzlicher Richtwert. Dieser zinses kassierte. »Das hätte ich Perchtold. legt den maximal zulässi- mir nie gedacht«, sagt Isabella Ende Dezember 2016 beglich der gen Hauptmietzins für eine H. im Gespräch mit Fair Woh- Vermieter die Kaution. Kurz da- Normwohnung fest. In Wien nen. 2012 war die Waldviertlerin rauf strengte die Mietervereini- beträgt dieser Richtwert der- wegen eines Jobs nach Wien ge- gung ein Verfahren an, um die zeit 5,58 €/m². Neben dieser kommen. Die Suche nach einer zu viel gezahlte Miete zurück- Grundmiete sind diverse eigenen Wohnung gestaltete zufordern. Wie ein Gutachten Zu- und Abschläge, etwa für sich lang und mühsam. Sie war der Wiener Magistratsabteilung Lage und Ausstattung zu be- froh, als sie endlich eine kleine Stadterneuerung und Prüfstel- rücksichtigen. Ist der Miet- Bleibe im zweiten Stock eines le für Wohnhäuser (MA 25) im vertrag befristet, so gilt ein Gründerzeithauses in Hernals Zuge dieses Verfahrens zeigte, Abschlag von 25%. Lassen gefunden hatte. Mit Bad und betrug die zulässige Miete für die Sie Ihren Vertrag im Zweifel WC in einem Raum und einer Wohnung – abzüglich eines Ab- von den Experten der Mie- Fotos: MVÖ Küche ohne direkte Belüftung schlags von 25% für die Befris- tervereinigung prüfen. und Belichtung. Aber, immerhin, tung – 133,44 Euro (statt der vom FAIR WOHNEN 1/18 9
FAIR WOHNEN INTERN FALL Einfamilienhäuser – die Tücke liegt im Detail! Einen sehr drastischen Fall zur Miete eines Einfamilienhauses schildert MVÖ-Vizepräsident Hans-Heinz Plaschka, seines Zeichens auch Vorsitzender der Mietervereinigung Steiermark. N ach heftigen Unwettern wurde unser Mitglied Frau Erika S., Mieterin eines Einfamilienhauses in der Süd- weststeiermark, vom Ver-mieter mit einer Rechnung über 10.000 Euro für die Reparatur des Da- ches auf Grund eines Sturm- schadens konfrontiert. Kurz darauf erging die Betriebskos- tenabrechnung über das Jahr 2016 an Frau Erika S., welche eine Nachzahlung von € 1.200,- enthielt. Über die Höhe der Beträge verzweifelt, wendete sich Frau Erika S. an die Mieter- vereinigung Steiermark. Bei der Durchsicht des Mietvertrages konnte aber rasch Klarheit zu- gunsten von Frau S. geschaf- fen werden. Bei der Miete von Ein- und Zweifamilienhäusern gelten die Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Ge- Hans Heinz Plaschka setzbuchs (ABGB) sowie die ist Vizepräsident der vertragliche Ausgestaltung. Das Mietervereinigung vom Vermieter an die Mietpar- Forderungen. Gerade bei der ABGB verpflichtet in Folge den Österreichs und Vor- tei weiter verrechnet werden. Miete von Ein- und Zweifa- sitzender des Landes Vermieter das Mietobjekt Innen Positionen für welche keine milienhäusern sieht man wie- Steiermark. und Außen zu erhalten. Zwar Vereinbarung getroffen wurde der wie wichtig die Prüfung des kann diese Bestimmung ver- trägt nach § 1099 ABGB der Ver- Mietvertrages durch Referenten traglich zum Nachteil der Miet- mieter. der Mietervereinigung ist. Las- partei geändert werden, dies ist sen Sie den Mietvertrag immer im konkreten Fall jedoch nicht Mehr als 11.000 Euro erspart vor der Unterzeichnung begut- geschehen. Der § 1096 ABGB Auf diese Umstände unmissver- achten, es können für den Mie- war voll anwendbar und die Er- ständlich hingewiesen, konn- ter auch sehr nachteilige Ver- haltungspflicht für das Dach lag te der Vermieter seine Forde- tragspunkte vereinbart werden. uneingeschränkt beim Vermie- rungen nicht länger aufrecht ter. Ähnlich verhielt es sich bei erhalten. Frau Erika S. ersparte der Betriebskostenabrechnung. sich durch die Vertragsprüfung Nur Positionen welche konkret und Intervention der Mieterver- und transparent im Mietvertrag einigung Steiermark mehr als € aufgenommen wurden, dürfen 11.000,- an ungerechtfertigten 10 FAIR WOHNEN 1/18
MEIN LEB E N . MEIN TA RIF. Ihren persönlichen ie Finden auch S ienenergie.at/tarife w Energie-Tarif: Toms Wahl: f Der Erdgas-TTari - für Sicherheits bewusste www.wienenergie.at Wien Energie Vertrieb, ein Unternehmen der EnergieAllianz Austria. Wasserkraft 45,83 % Stromkennzeichnung des Lieferanten: Gemäß § 78 Abs. 1 und 2 ElWOG 2010 und Stromkennzeichnungsverordnung hat die Wien Energie Vertrieb GmbH & Co KG Windenergie 9,09 % im Zeitraum 1.1.2016–31.12.2016 auf Basis der in der nebenstehenden Tabelle feste oder flüssige Biomasse 3,42 % angeführten Primärenergieträger Strom an Endverbraucher verkauft. Die Her- Sonnenenergie 1,03 % kunftsnachweise stammen aus Österreich (86,65 %) und Norwegen (13,35 %). Das Erdgas 39,62 % Erdgas wird mit höchster Effizienz in modernen KWK-Kraft werken zur gleichzei- sonstige Ökoenergie 1,0 1 % tigen Erzeugung von Strom und Fernwärme eingesetzt. Gemäß § 78 Abs. 2 ElWOG CO2-Emissionen 131,55 g/kWh 2010 und Stromkennzeichnungsverordnung entstanden bei der Stromerzeugung radioaktiver Abfall 0,00000 mg/kWh in diesem Zeitraum nebenstehende Umweltauswirkungen. Unsere Lieferungen sind frei von Atomstrom. Bei der Erzeugung entstehen keine radioaktiven Abfälle.
FAIR WOHNEN OGH Die Berechnung des Lagezuschlags im Lichte der OGH-Entscheidung 5 Ob 74/17v Der Oberste Gerichtshof hat klargestellt, dass sich der Lagezuschlag beim Richtwertmietzins nicht alleine aus der Grundkostenhöhe ableitet. M it der am 5. Jänner 2018 1. Formelle Voraussetzungen: Lagezuschlag dem Grunde nach veröffentlichten Ent- Zunächst ist zu prüfen, ob die zur Anwendung kommt, ist zu scheidung 5 Ob 74/17v »formellen Voraussetzungen« klären, bis zu welcher Maximal- hat der Oberste Gerichtshof für einen Lagezuschlag vorlie- höhe der Zuschlag lauten darf. (OGH) der bisher üblichen Be- gen; ob der Mieter also beim rechnungsmethode ein Ende Zustandekommen des Mietver- a.) Grundkostendifferenzbetrag: gesetzt, wonach sich der Lage- trages schriftlich über die An- Zunächst ist der Differenzbetrag zuschlag ausschließlich aus den nahme einer überdurchschnitt- zwischen dem Grundkosten- der Wohnumgebung entspre- lichen Lage in Kenntnis gesetzt anteil der Richtwertwohnung chenden Grundkosten ergibt. wurde. (mietrechtlichen Normwoh- nung) und dem Grundkosten- Auch wenn es selbstverständ- 2. Materielle Voraussetzungen: Hans Sandrini anteil der zu beurteilenden Lie- lich erscheinen mag, dass vor Als nächstes ist anhand der ist Jurist der Mieter- genschaft zu berechnen. Ge- allem qualitative Aspekte, wie schriftlich bekannt gegebe- vereinigung Öster- mäß § 16 Abs 3 MRG beträgt der die vorhandene Infrastruktur nen Kriterien zu prüfen, ob „die reichs mit langjähriger höchstzulässige Lagezuschlag oder die öffentliche und indivi- Liegenschaft, auf der sich die Beratungserfahrung in bzw. -abschlag 0,33% dieses sämtlichen Bereichen duelle Verkehrsanbindung Auf- Wohnung befindet, eine Lage des österreichischen Differenzbetrags. schluss über die Zuschlagsfä- aufweist, die besser ist als die Wohnrechts und Ver- higkeit einer Lage geben, war durchschnittliche Lage“ (§ 16 tretungstätigkeit in al- b.) Anpassung des Höchst- die bisherige Handhabung der Abs 4 MRG). len Angelegenheiten betrags an die tatsächlichen Regelungen zum Lagezuschlag des wohnrechtlichen Gegebenheiten: stets eine andere. 3. Gründerzeitviertel: Außerstreitverfahrens. Der sich aus den Grundkosten Kraft gesetzlicher Anordnung ist ergebende Wert stellt lediglich Ob eine Lage als überdurch- eine Lage in einem sog Gründer- die Obergrenze des zulässigen schnittlich anzusehen ist, ist zeitviertel als »höchstens durch- Zuschlagsbetrags dar. Daher hat nach der allgemeinen Verkehrs- schnittlich« einzustufen (§ 2 Abs die qualitative Lagebewertung, auffassung und der Erfahrung 3 RichtWG). Für Wien gibt es ein wie insbesondere die öffentli- des täglichen Lebens zu beurtei- amtliches Straßenverzeichnis che und individuelle Verkehrs- len. Den Vermieter trifft die Be- der Gründerzeitviertel. Nach anbindung, die Infrastruktur, weislast dafür, dass es konkrete der Rechtsprechung kann der die Nahversorgung usw. auch an Umstände gibt, welche die An- Vermieter jedoch den Gegen- dieser Stelle in die Berechnung nahme einer überdurchschnitt- beweis erbringen, dass eine Lie- des Lagezuschlags einzufließen. lichen Lage erlauben, und dass genschaft doch nicht in einem In der gegenständlichen Ent- diese Umstände auch dem Mie- Gründerzeitviertel liegt. scheidung 5 Ob 74/17v muss- ter gemäß § 16 Abs 4 MRG spä- te sich der OGH zwar nicht mit testens bei Zustandekommen 4. Ermittlung des höchstzuläs- dieser in der Lehre bislang um- des Mietvertrages schriftlich be- sigen Lagezuschlagsbetrages: strittenen Frage auseinanderset- kannt gegeben wurden. Erst wenn feststeht, dass ein zen, ob der Differenzbetrag der 12 FAIR WOHNEN 1/18
Grundkostenanteile, den Lage- d.) Höhe des Grundkosten- Würth, Zum mietrechtlichen In- zuschlag bereits abschließend anteiles der mietrechtlichen flationslinderungsgesetz, wobl vorgibt oder noch im Hinblick Normwohnung: 2008, 184). auf die konkrete Lagebewertung Die Höhe des Grundkostenan- Es erscheint daher nicht mehr anzupassen ist. Es spricht aber teils der Richtwertwohnung er- berechtigt, die Höhe der Grund- einiges dafür. Schließlich muss gibt sich gemäß § 16 Abs 3 MRG kosten der Richtwertwohnung 288,10 € es einen Unterschied machen, aus den der Richtwertermitt- weiterhin nach den außer Kraft ob eine überdurchschnittliche lung zugrunde gelegten Grund- getretenen Bestimmungen des Lagebewertung als gut, sehr gut pro Quadratmeter kostenanteilen und beträgt aus- §§ 3, 6 RichtWG abzuleiten und oder ausgezeichnet anzusehen beträgt der Grund- gehend davon für Wien derzeit nicht stattdessen auf einen rea- ist. kostenanteil der € 288,10 pro Quadratmeter. Tat- listischen Wert der Grundkos- Richtwertwohnung sächlich liegt dieser Wert be- ten für eine durchschnittliche derzeit für Wien. c.) Grundkostenanteil der zu tragsmäßig weit unter den in Lage (zB. Gründerzeitviertel) beurteilenden Liegenschaft Wien als durchschnittlich anzu- abzustellen. bzw. Wohnung: sehenden Grundkostenbeträ- Die Ermittlung der Grundkos- gen, worin auch die Ursache da- Resümee tenanteile einer Wohnumge- für zu sehen ist, dass es in Wien Die vom OGH erfolgte Klarstel- bung ist eines der Hauptpro- nahezu nie zu einem Abschlag, lung, dass qualitative Lageum- blemfelder bei der Lagezu- sondern stets nur zu einem Zu- stände bei der Ermittlung des schlagsbeurteilung. Dafür sind schlag für die Lage kommen Lagezuschlags zu berücksichti- nach der in § 16 Abs 3 MRG an- kann. Allerdings geht der Hin- gen sind und nicht bereits durch geführten Methode, die orts- weis des § 16 Abs 3 MRG auf §§ 3, Ermittlung der Grundkostenhö- üblichen Anschaffungskosten 6 RichtWG seit Inkrafttreten des he abgebildet werden, ist für die für bebaubare Grundstücke Deregulierungsgesetzes 2006 Anwendung dieser Bestimmun- von Umgebungsliegenschaften (DRG 2006) und des mietrecht- gen von erheblicher Bedeutung, unter Berücksichtigung von de- lichen Inflationslinderungsge- auch wenn damit längst nicht ren zulässiger Bebaubarkeit zu setzes (MILG) aufgrund mate- alle Umstände des Problemfelds erheben. rieller Derogation ins Leere (vgl Lagezuschlag geklärt sind. INFORMATION - BERATUNG - QUALIFIZIERUNG Das wird mein Jahr. JOB-GUT-HABEN Das waff Bildungskonto für alle. Damit machen sich Wiener Arbeit- nehmerInnen für morgen richtig stark. Mit 300 bis 2.000 Euro für berufliche Weiterbildung. Machen Sie sich schlau! www.waff.at oder 01 217 48-555. Bezahlte Anzeige Wien fördert dich.
FAIR WOHNEN AKTUELL Vor allem für junge Menschen wird die Suche nach leistbarem Wohnraum künftig noch schwieriger Regierung plant Einschnitte beim Wohnen Beim Thema Wohnen weist das Programm der Bundes- regierung eine bedenkliche Schieflage auf. Verbesserungen für Mieter finden sich nicht, dafür Foto: Elnur/stock.adobe.com aber zahlreiche Forderungen der Immobilienlobby. 14 FAIR WOHNEN 1/18
D ie Pläne der neuen Regie- und Lebensgefährten. Auch Regelmäßige Mietzinsanpas- rung, Einschnitte beim hier gelten aber Voraussetzun- sungen für Besserverdiener Wohnen vorzunehmen, gen. Diese sind: ein tatsächli- im kommunalen und gemein- sorgen für Aufregung. Neben der cher gemeinsamer Haushalt nützigen Wohnbau Aufhebung des Lagezuschlags- zum Todeszeitpunkt und ein Mieter im Gemeindebau oder verbotes in Gründerzeitvier- dringendes Wohnbedürfnis. Die im geförderten Wohnbau sol- teln (siehe Bericht auf den fol- eintretende Person darf außer- len künftig regelmäßig Einkom- genden Seiten) plant die Koali- dem keine andere gleichwerti- mensnachweise legen müssen. tion Einschränkungen bei der ge Wohnmöglichkeit zur Verfü- Jene, die ihr Einkommen ver- Weitergabe von Mietwohnun- gung haben. bessern konnten, sollen höhe- gen und Einkommenschecks im Die MVÖ lehnt die geplante Än- re Mieten zahlen. Das soll laut sozialen Wohnbau. Seitdem lau- derung bei den Eintrittsrechten dem Programm aber nur für fen die Telefone bei der Mieter- ab. Schon die derzeitige Rege- neue Verträge gelten, bestehen- vereinigung (MVÖ) heiß: viele lung sieht strenge Auflagen vor. de Verträge wären nicht betrof- Menschen suchen bei unseren Der Einstieg in den Mietver- fen. Aus Sicht der MVÖ würde Wohnrechtsexperten Rat und trag der Eltern oder Großeltern ein solcher »Gehaltsstriptease« fragen, wie sich die geplanten ist für junge Haushalte oft die einen enormen administrati- Maßnahmen konkret auswirken einzige Möglichkeit, sich über- ven Aufwand darstellen, denn werden. Eine Übersicht über die haupt eine Wohnung leisten zu es müssten neben den Gemein- Pläne der Regierung und deren können. Die geplante Änderung dewohnungen auch der gesam- Folgen: Alexandra Rezaei ließe Tausende Haushalte in den te Genossenschaftsbereich und ist Bundesge- Wohnungsmarkt drängen und sogar die Bewohner geförderter Änderungen für Mieter bei schäftsführerin der würde damit die Preise weiter in Eigentumswohnungen Einkom- Weitergabe der Mietwohnung Mietervereinigung die Höhe treiben. menschecks über sich ergehen Künftig sollen nur noch Ehegat- Österreichs. lassen. In Berlin wurde die so- ten, eingetragene Partner und Ausweitung der Befristungen genannte »Fehlbelegungsabga- Kinder bis zum 25. Lebensjahr Die ohnehin sehr weitgehenden be« nach kurzer Zeit wieder ab- in den Mietvertrag eintreten Befristungsmöglichkeiten sol- geschafft, weil der Verwaltungs- können. len offenbar noch weiter aus- aufwand in keinem Verhältnis Derzeit kann der Mietvertrag gedehnt werden. Nach der der- zu den erzielten Einnahmen im Altbau und im geförderten zeitigen Regelung darf eine Be- stand. Wohnbau unter gewissen Vor- fristung über die Miete einer aussetzungen auch an Verwand- Wohnung (die als Hauptwohn- Forcierung von te in gerader Linie (Eltern, Groß- sitz dient) nicht auf weniger als Mietkauf-Modellen eltern, Kinder, Enkelkinder, etc.) drei Jahre lauten und die Befris- Im Regierungsprogramm ist und Geschwister des Hauptmie- tung muss schriftlich vereinbart vorgesehen, »alles« zu unter- ters weitergegeben werden. Vo- werden. nehmen, damit vermehrt Wohn- raussetzung für die Weitergabe Dies geht scheinbar nicht weit raum im Eigentum erworben unter Lebenden ist ein gemein- genug. Zwar ist das Regierungs- werden kann. samer Aufenthalt in der Woh- programm hier wenig konkret, Nach Ansicht der MVÖ müssen nung für die letzten zwei Jah- doch sollen künftig kürzere Be- geförderte Wohnungen auf Dau- re (bei Geschwistern fünf Jahre) fristungen möglich werden. Das er im Mietwohnungsbestand ge- und dass der bisherige Haupt- bedeutet, dass es erlaubt wer- halten werden und einem unbe- mieter aus der Wohnung aus- den soll, die derzeit geltende fristeten Bestandschutz unter- zieht. Für einen gemeinsamen Mindestbefristung von drei Jah- liegen. Es kann nicht sein, dass Haushalt ist eine richtige Wohn- ren zu verkürzen, und zwar etwa mit der zwingenden Kaufoption gemeinschaft erforderlich, die bei Ausbildungs-Mietverträgen sozial gebundener Wohnraum bloße Meldung nach dem Mel- oder bei leerstehenden Woh- privatisiert wird und die Woh- degesetz reicht nicht aus. nungen vor einer Sanierung. nungen nach dem Verkauf ohne Im Todesfall des Hauptmieters Aus Sicht der MVÖ wären jedoch Preisbindung vermietet werden. ist der Kreis der Berechtigten Anreize zur Schaffung unbefris- größer und gilt für alle Mietver- teter Mietverhältnisse wichtiger. Ungleichgewicht hältnisse in Wohnungen, unab- Es steht zu befürchten, dass le- Interessant ist, dass viele »drin- hängig vom Alter des Gebäu- diglich der Befristungsabschlag gende« Forderungen des Öster- des. Diese Bestimmung hat das gedrosselt werden soll, wenn reichischen Verbandes der Im- Ziel, in einem gemeinsamen die Befristung auf einen län- mobilienwirtschaft im Regie- Haushalt lebende nahe Ange- geren Zeitraum lautet. Damit rungsprogramm gelandet sind. hörige vor Obdachlosigkeit zu werden aber zusätzliche Anrei- Die Vorschläge der MVÖ zur schützen. Eintrittsberechtigt ze geschaffen, keine unbefriste- Entlastung von Mietern fan- sind Verwandte in gerader Li- ten, sondern nur noch befristete den dagegen überhaupt keine nie, Geschwister, Ehepartner Mietverhältnisse abzuschließen. Berücksichtigung. FAIR WOHNEN 1/18 15
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THEMA Aus für Gründerzeitviertel? Die Regierung will Vermietern ermöglichen, auch in Gründerzeitvierteln einen Lagezuschlag zu verlangen. Das würde Wohnen in weiten Teilen Wiens teurer machen. D ie neue Regierung plant Lagezuschlag. Für sogenann- möglichst viele Mieter auf wenig wesentliche Änderungen te Gründerzeitviertel ist derzeit Raum unterzubringen. So ent- im bestehenden Mietrecht. kein Lagezuschlag zulässig – sie standen Mietskasernen mit klei- Die gewichtigste versteckt sich gelten im Gesetz als »höchstens nen Zimmer-Küche-Wohnun- hinter einem im Regierungspro- durchschnittliche« Lage. Was gen. Während die Bauherren gramm »Aufhebung des Verbots aber ist ein Gründerzeitviertel? an der straßenseitigen Fassade des Lagezuschlages in Gründer- Zierelemente anbringen ließen, zeitvierteln« genannten Punkt. Gründerzeit in Wien um das Haus nach dem dama- Die sperrige Formulierung be- In Wien begann die Gründer- ligen bürgerlichen Geschmack deutet im Klartext: Mieter sol- zeit mit dem Fall der Stadtmau- möglichst herrschaftlich wirken len künftig auch in bisher güns- er 1850 und endete mit den ers- zu lassen, verzichteten sie im tigeren Lagen Wiens um bis zu ten Mietrechtsgesetzen 1917, Inneren auf Komfort. Fließen- 60 Prozent mehr zahlen. Betrof- wie Historiker Gerhard Halu- des Wasser oder Toiletten gab fen wären etwa 100.000 Woh- sa erklärt (siehe Interview). Die es nur am Gang. Errichtet wur- nungen. Darüber hinaus würde Bevölkerung der Metropole der den die Bauten meist dort, wo der Preisanstieg weite Teile der Monarchie wuchs enorm und der Grund billig und die nächs- Stadt erfassen. stieg von 726.000 im Jahr 1880 te Fabrik nicht weit war – in den auf 2,2 Millionen im Jahr 1910 zu dieser Zeit ländlich gepräg- Richtwert und Lagezuschlag an. Wohnraum war knapp und ten und frisch eingemeindeten Der Hintergrund: Seit 1994 gilt der Bau von Zinshäusern ein Vororten außerhalb des Linien- in ganz Österreich bei Neuver- einträgliches Geschäft. Um den walls (des heutigen Gürtels). mietungen von (nicht geför- Ring ums Zentrum Profit zu maximieren, galt es, derten oder gemeinnützigen) In Wien liegen die Gründerzeitviertel Altbauwohnungen das Richt- Gründerzeitviertel Die damals eilig aufgezogenen wertgesetz. Darin wird eine (rot) vor allem Viertel prägen heute noch wei- entlang des Gürtels »Normwohnung« definiert, für sowie im 2., 3., 5., 10., te Teile Wiens (siehe Karte links). die eine bestimmte Miete – eben 11., 20. und 21. 21 Weil viele Wohnungen dürftig der Richtwert – verlangt werden Bezirk. ausgestattet waren, blieben die darf. Für jedes Bundesland gilt Mieten im innerstädtischen Ver- ein eigener Richtwert, der lau- 19 20 gleich preiswert und ermöglich- fend mit dem Verbraucher- 18 ten einkommensschwächeren 22 preisindex valorisiert wird. 17 9 Haushalten wie jungen Familien, In Wien beträgt er aktuell 16 8 2 Einwanderern und Pensionisten, 1 Foto: daskleineatelier/stock.adobe.com 5,58 Euro pro Quadratmeter. 14 7 3 relativ nah am Zentrum zu woh- 15 6 4 Davon ausgehend können je 5 nen. Um leistbaren Wohnraum 13 12 nach Ausstattung und Lage für diese Haushalte zu sichern, der Wohnung Zu- oder Ab- 11 wurden die Gründerzeitvier- schläge verrechnet werden. 10 tel bei der Einführung des Für eine »überdurchschnitt- 23 Richtwertgesetzes vom La- lich« gute Lage gibt es einen gezuschlag ausgenommen FAIR WOHNEN 1/18 17
Lagezuschlag explodiert – als »Gebiet mit einem überwie- genden Gebäudebestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 er- und anschließend zahlen sie eine höhere Miete, weil eben- diese Infrastruktur vorliegt. richtet worden ist und zum Zeit- punkt der Errichtung [...] zu Plus 3,34 €/m² mehr als 50% kleine und man- Geht es nach den Plänen der 21 gelhaft ausgestattete Wohnun- Regierung, wären bei Neu- gen aufgewiesen hat«. Wo sich vermietungen in gürtelnahen diese Gebiete in Wien befin- Gründerzeitvierteln mit einem 19 den, ist in einem eigenen Ver- Schlag zwischen 1,36 und 3,34 20 zeichnis der Magistratsabtei- Euro/Quadratmeter mehr Net- 18 22 17 9 lung Stadterneuerung und Prüf- tomiete zu bezahlen. Für viele 2 stelle für Wohnhäuser (MA 25) Wiener würden diese Mehrkos- 16 8 1 7 3 ersichtlich. ten bedeuten, nicht mehr zen- 14 6 15 4 13 5 trumsnah wohnen zu können. 12 VfGH bestätigte Verbot Ein Beispiel: Eine Familie wohnt 11 Weil das Lagezuschlagsverbot in einem Gründerzeit-Altbau in 10 23 Zinshausbesitzern schon lan- Wien-Währing. Der reine Richt- ge ein Dorn im Auge ist, ging wert-Mietzins für die befriste- eine Gruppe von Vermietern te 90-Quadratmeter-Wohnung 10,93 € dagegen bis vor den Verfas- beträgt derzeit 391 Euro inklu- sungsgerichtshof (VfGH). Der sive Steuer. Setzt die Regierung VfGH lehnte die Beschwerde je- ihren Plan um, dann drohen der doch ab und hob die sozialpoli- Familie bei einer Verlängerung +166% tische Bedeutung der Gründer- des Vertrages Mehrkosten von zeitviertel hervor. »Bei der Rege- bis zu 248 Euro im Monat - im lung des Mietrechts […] kommt Jahr also mehr als 2.970 Euro! dem Ziel, Wohnen in zentrums- Obwohl sich weder Ausstattung naher städtischer Lage zu Prei- noch Lage der Wohnung geän- sen zu ermöglichen, die es auch dert haben, würde sich der Miet- Personen mit mittlerem und zins praktisch über Nacht dras- niedrigem Einkommen erlau- tisch erhöhen. ben, ihren Wohnbedarf in die- 4,11 € 4,16 € ser Lage angemessen zu decken, 100.000 Wohnungen betroffen +215% besonderes Gewicht zu«, lautet In Wien liegen rund 100.000 3,34 € die deutliche Erkenntnis vom Wohnungen in Gründerzeit- Oktober 2016. vierteln. Ein Lagezuschlag wäre 2,18 € zwar nur bei neuen Mietverträ- Mieten schlagartig teurer gen zulässig, aber Monat für Mo- 1,32 € 1,36 € Der klaren VfGH-Entscheidung nat würde die Zahl der Mieter, 0,96 € zum Trotz hat die Regierung die mehr zahlen müssen, wach- 0,60 € 0,53 € 0,24 € nun offenbar vor, einen Lage- sen. Denn: Zwei von drei neuen 2012 2014 2017 seit 1.4.2017 zuschlag in Gründerzeitvierteln privaten Mietverträgen sind be- zu ermöglichen. Dabei ist gera- fristet, im Schnitt auf fünf Jahre. Die Stadt Wien veröffentlicht regelmäßig eine La- de der Lagezuschlag der Haupt- Wird eine Befristung verlängert, gezuschlagskarte. Während sich die Werte von preistreiber im System der Richt- gibt es auch einen neuen Miet- 1995 bis 2012 kaum änderten, sind die Zuschläge wertmieten (siehe Kasten links). vertrag – mit Lagezuschlag. in den letzten 5 Jahren um bis zu 215% gestiegen. Bemerkenswert an diesem Sys- Je nach Lage der Wohnung können aktuell folgen- tem ist, dass Vermieter davon Preisspirale de Maximalbeträge zum Richtwertmietzins hinzu- profitieren, dass Leistungen der Eine Erhöhung der Mieten in gerechnet werden: Gemeinde Wien Lagen attraktiv Gründerzeitvierteln setze eine Innere Stadt: 10,93 €/m² machen, etwa durch U-Bahnen, Preisspirale in Gang, die auch Teile der Bezirke 3, 4, 6-9: 4,16 €/m² Kindergärten, Parks oder Schu- auf andere Viertel in Wien über- Teile der Bezirke 2-9, 13, 18, 19, 22: 3,34 €/m² len. Mieter zahlen auf diese Wei- greifen werde, erklärt Elke Ha- Teile der Bezirke 2, 4-8, 13, 14-19: 2,18 €/m² se praktisch doppelt: Zuerst fi- nel-Torsch, Vorsitzende der Teile der Bezirke 2, 3, 12, 14-17, 20-23: 1,36 €/m² nanzieren sie mit ihrem Steuer- Mietervereinigung Wien: »Die Teile der Bezirke 2, 3, 10, 11, 12, 21-23: 0,53 €/m² geld öffentliche Infrastruktur Mieten würden überall steigen.« 18 FAIR WOHNEN 1/18
THEMA »Wie die Häuser Wie sah die Stadtplanung in der Gründerzeit aus? Bei uns geht es oft darum, wie man ein innen aussahen, war solches Viertel abgrenzt. Man hat konzentriert rund um die Arbeitsstätten gebaut, also um Fabriken, Ziegelwer- den Bauherren egal« ke oder Ähnliches. In Simme- ring beispielsweise – am Mauth- ner-Markhof-Grund – gab es eine Fabrik, rundherum eine Vorstadt mit Gründerzeithäu- sern. Der Bau wurde schema- tisiert, um so viel wie mög- Historiker Gerhard Halusa erklärt die Gründerzeit in Wien. lich unterzubringen. Interes- W sant ist, dass diese Häuser von as ist die Gründerzeit? außen nicht so schlecht aus- Die Gründerzeit be- sehen. Das liegt daran, dass es gann mit dem Fall der bei Wienerberger Kataloge gab, Wiener Stadtmauer 1850. Der nach denen man Fassadenor- Hof wünschte sich an Stelle der namente bestellen konnte. Wie Mauer eine Prachtstraße für Pa- die Häuser innen aussahen, war raden und Festzüge. Daraufhin den Bauherren egal. ist die Ringstraße angelegt wor- Warum befinden sich viele der den, entlang derer Prunkbau- Gründerzeitgebiete entlang ten wie Oper und Parlament er- des Gürtels? richtet werden sollten. Für diese Arbeiter konnten sich das Woh- Zeit enormer Bautätigkeit waren nen innerhalb des Gürtels – des die Wienerberger Ziegelwerke ehemaligen Linienwalls – nicht Hauptlieferanten der Ziegel für leisten, deshalb hat man gleich die Neubauten. Am Wienerberg außerhalb gebaut. So hatten haben auch die ›Ziegelbehm‹ es die Arbeiter nicht so weit zu gearbeitet. (Anm.: Bezeichnung ihren Fabriken. Die vornehmen für Arbeiter aus Böhmen oder Villen standen weiter weg, etwa Mähren, die in Ziegeleien im Sü- Gerhard Halusa in Hietzing. Das war ein Erho- den Wiens beschäftigt waren.) irgendwo Wohnraum schaffen. ist Stadthistoriker lungsgebiet, wo Reiche mit ihren Wann endet die Gründerzeit? Die Maxime bei diesen Mietska- am Österreichischen Kutschen hingefahren sind. Mit der Urania wurde 1910 das sernen lautete: so viel Wohnun- Gesellschafts- und Wie würden Sie als Historiker Wirtschaftsmuseum letzte große Gebäude an der gen wie möglich auf so engem (Vogelsangg. 36, 1050 erheben, ob sich in einer ge- Ringstraße errichtet. Man könn- Raum wie möglich. In manchen Wien). Das Museum wissen Wohnumgebung ur- te aber auch ohne weiteres sa- Häusern gab es Plumpsklo-Sys- widmet dem Thema sprünglich mangelhaft ausge- gen, dass die Gründerzeit bis teme am Gang. Grundsätzlich ›Leben und Wohnen stattete Wohnungen befanden? 1917 gedauert hat. Damals wur- gab es in den Wohnungen kein in Wien‹ eine Man sieht das meist an der Bau- den die ersten Mietgesetze er- Wasser. In einer einfachst mö- Dauerausstellung. weise der Wohneinheiten. Die lassen, um zu verhindern, dass blierten Zimmer-Küche-Woh- Zimmer-Küche-Einheiten für Briefe über Delogierungen von nung haben oft 6 bis 7 Men- Arbeiter lagen Wohnung an den Frauen zu den Soldaten an schen gelebt. Drinnen hat man Wohnung. Wenn die Anlage die Front gelangten. Die Geset- sich nur aufgehalten, wenn es Gangküche-Zimmer nebenei- ze wurden erlassen, um die Mo- notwendig war: Zum Schlafen, nander liegt und eine Verbin- ral der Soldaten im Ersten Welt- Kochen, Essen. Die Mieten sind dung besteht, dann waren das krieg zu halten. Bis dahin regier- zwischendurch immer wieder zwei Arbeiterwohnungen, die te der freie Markt. gestiegen, wenn ein Hausherr später zusammengelegt wur- Wie wohnte man damals? mehr verlangt hat. Konnte ein den. Für vornehme Leute wur- Wien ist enorm gewachsen, von Arbeiter nicht zahlen, wurde er de anders geplant, mit 5-6 Zim- 1,8 Mio. Einwohnern im Jahr delogiert. Es gibt Berichte, wo- mern. Es gab einen Eingangsbe- Foto: MVÖ 1900 auf 2,2 Mio. im Jahr 1910. nach Arbeiter drei bis vier Mal reich, einen Salon, eventuell ein Für die Zuwanderer musste man pro Jahr umgezogen sind. WC und 3, 4 Räume. FAIR WOHNEN 1/18 19
FAIR WOHNEN FALL Student Jan P. spendete an den Solidaritätsfonds der Mietervereinigung Österreichs: »Ich wollte mich fü die ausgezeichnete Betreuung in den letzten Jahren bedanken.« Happy End nach jahrelangem Kampf Anfangs zu hohe Miete, mittendrin eine Kündigung, am Ende noch ein Streit um die Rückzahlung der Kaution – Student Jan P. kämpfte mit Unterstützung der Mietervereinigung jahrelang um seine Rechte. 20 FAIR WOHNEN 1/18
D ie Erlebnisse von Jan P. Mietervereinigung wurde nicht zu können, die sich im Moment (27) stehen exemplarisch nur der Mietzins reduziert, der keine Mitgliedschaft leisten für viele junge Menschen, Vermieter musste Jan P. auch können, aber dringend Hilfe die in Wien eine leistbare Woh- eine Rückzahlung leisten - in- benötigen. nung suchen. Der Tiroler kam klusive Zinsen über 6.000 Euro. Ähnlich wie Jan P. ergeht es vie- 2010 in die Bundeshauptstadt, len jungen Menschen, die erst- um an der Veterinärmedizini- Kündigung mals eine Wohnung in Wien su- schen Universität zu studieren. Noch während das Miet- chen. Hat er Tipps parat? »Es ist Nach zwei Wohngemeinschaf- zins-Verfahren lief, langte eine schwierig, wenn man neu hier- ten machte sich der Student auf Kündigung des Vermieters ein. her zieht«, sagt der Student. So- die Suche nach einer eigenen Jan P., in diesem Fall von einem wohl Privatwohnungen als auch Bleibe. Günstig sollte, klein durf- Anwalt vertreten, konnte die Wohngemeinschaften seien teu- te sie sein. Kündigung abwehren. In der er. Studentenheime seien zwar In der Wallensteinstraße in der Folge rissen die Auseinanderset- nicht billig, würden aber siche- Brigittenau fand Jan P. schließ- zungen mit dem Vermieter nicht re Rahmenbedingungen bie- lich eine Mietwohnung. 38 Qua- ab. Es ging um diverse Elektro- ten. »Wenn man sich einmal in dratmeter, Gangküche, ein Zim- installationen, Tierhaltung, das Wien eingelebt hat, kann man mer. »Die Wohnung war gut in Kellerabteil. »In diesen Fällen weiterschauen«, rät er. Es gebe Schuss«, erzählt er heute. Trotz- habe ich immer wieder bei der aber auch einfache Lösun- dem machte der Student noch Mietervereinigung Rat einge- gen, scherzt Jan P. in Anspie- vor dem Einziehen eine Rei- holt, um rechtliche Probleme zu lung auf lebensferne Polit-Flos- he von Fotos, um den Zustand vermeiden.« keln: »Wem die Mieten zu hoch der Wohnung festzuhalten – ein sind, der soll sich bitte Eigentum Vorgehen, das ihm später noch Kaution anschaffen.« zu Gute kommen sollte. Jan P. Ende Juli 2017 zog Jan P. aus der unterschrieb einen auf 5 Jah- Wohnung aus. Prompt kam es zu Neue Wohnung re befristeten Mietvertrag, zum Hans Sandrini Unstimmigkeiten um die Rück- Der Student hat die Rückzahlung Nettomietzins von 300 Euro Der MVÖ-Jurist vertrat zahlung der Kaution. Der Stu- aus dem Mietzinsverfahren und (inklusive Betriebskosten und Jan P. im Verfahren. dent wandte sich erneut hilfe- einen Teil seiner Ersparnisse in Steuer 427 Euro). Die Kaution suchend an die Mietervereini- eine Genossenschaftswohnung in Höhe von 1.300 Euro zahlte gung. Im Verfahren behauptete in Penzing investiert. Nun zah- er bar. die Hausverwaltung unter ande- le er für 65 Quadratmeter eine rem, dass Küchenmöbel, Heiz- ähnliche Summe wie anfangs Mietzins körper und Fenster derart ver- für 38 Quadratmeter in der Wal- Im Lauf der Zeit begann Jan P., schmutzt seien, dass für die lensteinstraße. Nach den Vorzü- die Mietzinsvereinbarung für Reinigung 20 Arbeitsstunden gen seiner neuen Wohnung be- seine Wohnung zu hinterfra- anfallen würden. »Dabei habe fragt, antwortet Jan P. kurz und gen. Nach Internet-Recherchen ich die Wohnung nach bestem bestimmt: »Ruhige Lage. Unbe- stellte er schließlich selbst einen Wissen und Gewissen zurückge- fristeter Mietvertrag.« Antrag auf Überprüfung seines stellt«, versichert Jan P. Mit Hilfe Mietzinses bei der Schlichtungs- der Fotos, die er sowohl bei der i Rückgabe stelle. Während sich die Antrag- Übergabe als auch bei der Rück- stellung noch recht schlicht ge- gabe gemacht hatte, konnten staltete, drohte das folgende Verfahren dem Studenten über den Kopf zu wachsen: »Als so die Vorwürfe entkräftet werden. »Weil ich die ganze Sache end- lich abschließen wollte«, so Jan einer Wohnung viel Gegenwind von der Haus- P., habe er kurz vor Weihnach- Bei der Rückgabe von Miet- verwaltung kam und der Schrift- ten schließlich einem Vergleich wohnungen kommt es häu- wechsel immer umfangreicher zugestimmt. fig zu Streitigkeiten über de- wurde, habe ich Unterstützung ren Zustand. Mieter sollten gesucht.« Solidarität bei Anmietung und Rück- Jan P. wurde Mitglied der Mieter- Der Student erhielt 850 Euro sei- gabe ein Übergabeprotokoll vereinigung. Unmittelbar darauf ner Kaution zurück. Diesen Be- anfertigen, um Beweise zu übernahmen die Wohnrechts- trag spendete er zur Gänze dem sichern. Die Mietervereini- expertInnen der Mietervereini- Solidaritätsfonds der Mieter- gung rät, immer ein Protokoll gung sein laufendes Verfahren. vereinigung. »Ich wollte mich mit Fotos anzufertigen und Rasch stellte sich heraus, dass für die ausgezeichnete Betreu- Zeugen mitzunehmen. Pro- für die kleine, in einem Grün- ung in den letzten Jahren be- tokoll und Zeugen können derzeitviertel gelegene Woh- danken«, sagt Jan P. Der Solida- bei nachträglichen Streitig- Foto: MVÖ nung ein zu hoher Mietzins ver- ritätsfonds ermöglicht der Mie- keiten um die Rückzahlung langt worden war. Mit Hilfe der tervereinigung, all jenen helfen der Kaution hilfreich sein. FAIR WOHNEN 1/18 21
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