Welt MÄRZ-MAI2019 C5178 - Nordkirche weltweit
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welt
Schwerpunkt
MÄRZ – MAI 2019 C 51 78
Vielfalt der Lebensformen
weltbewegt 37
Schwerpunkt
Aus dem Inhalt Editorial
Schatz unter dem Unfassbar, dass der
Regenbogen Staat Schutz verweigert
4 Vielfältige Lebens- und Liebes- Weil ihr Leben bedroht war, 22 Liebe Leserin, lieber Leser,
weisen sind Reichtum. Kirche musste die Menschenrechts-
muss für Inklusion sorgen, aktivistin Shirley Mendoza aus die Familie aus der Rama-Wer-
sagt Sieghard Wilm. Honduras fliehen. bung mit Vater, Mutter, Kind und
Hund vor Eigenheim im Grünen
Heute können wir Befreiungsbewegungen gilt schon lange nicht mehr als
offen sprechen haben mich gestärkt Ideal und einzig anerkannte Le-
8 24
bensform. Und das ist auch gut so. Heute sind die Famili-
Toleranz und Anerkennung Anupama Hial erlebt, dass es in
enformen und Lebensweisen so vielfältig geworden, dass
musste man sich in der Kir- Indien noch unüblich ist, ein Le-
inzwischen Glossare entstehen, um sie alle zu benennen.
che früher erst erkämpfen, ben außerhalb der Familie zu
Die Frage lautet eher: Wer bin ich und wer bestimmt, was
weiß Barbara Schnoor. führen.
ich zu sein habe? Die Normen verschwinden zugunsten
einer Vielfalt, die die Gesellschaften bunter machen und
„Eine Tür ist genug. Beziehungsgeschichten im Jetzt“ Gegen Aids hilft Null- Alle sollten so lieben, lebendiger. Diesen Reichtum haben auch Kirchen ent-
Fotos: C. Plautz (1), B. Schnoor (1), Archiv (1), adpic (5), S. López (1), C. Hunzinger (1), J. Christiansen (1), C. Wenn (3)
Diskriminierung wie es ihnen entspricht deckt. So befasst sich die Nordkirche auf ihrer Synode im
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Unter diesem Motto steht die Online-Kampagne der evange- Herbst mit der Vielfalt von Familienformen und Lebens-
Thomas Lienau-Becker sieht, Die Iglesia Filipina Independi-
lischen Frauen und Männer in der Evangelischen Kirche weisen. „Die Vielfalt ist des Schöpfers Handschrift“, des-
dass die AIDS-Quote dort ente zählt mit ihrer Toleranz für
Deutschlands (EKD) zur Vielfalt von Liebes- und Lebens- halb sei es „Wesen und Auftrag von Kirche, für Inklusion
sinkt, wo die Akzeptanz für andere Lebensformen zu den
formen. Dazu die Initiatoren des Videoprojekts: „Alle gehören zu sorgen“, erklärt Pastor Sieghard Wilm, der die Synode
alle Lebensformen groß ist. Vorreitern, so June M. Yañez.
dazu: Frauen und Männer, vom anderen oder vom gleichen mit vorbereitet. So liegt der Focus dieses Heftes auf den
Geschlecht angezogen, in Paarbeziehung lebend oder Lebensformen, die in Kirche und Gesellschaft meist
alleinstehend, Männer, die sich als Frauen fühlen, Frauen, Ich sehe mich als Hier ist die Kirche nicht so beleuchtet und – bei aller wachsenden Toleranz
die sich als Männer fühlen, Menschen mit ganz individueller Brückenbauer Hüterin der Tradition – auch in unserer Gesellschaft immer noch diskriminiert
Geschlechtsidentität. Alle können miteinander leben, ohne
sich gegenseitig Angst machen zu müssen. Niemand soll 16 Die Ablehnung von gleichge-
schlechtlichen Beziehungen
Die lettische Kirche verurteilt
gleichgeschlechtliche Bezie-
27 werden, und sei es nur durch Nichtwahrnehmung. Eine
sexuelle Orientierung, die nicht der Norm entspricht,
sich verstecken oder verbiegen müssen, niemand sollte sich wird in vielen Ländern nicht nur missachtet, sondern
in Tansania hat Tradition, er- hungen als Auswüchse des
überlegen fühlen. Gegenseitiges Verständnis, gegenseitiger brutal verfolgt. So war das Leben von Shirley Mendoza
klärt Rogers Mtui. Liberalismus, weiß Zanda Ohff.
Respekt, gegenseitige Wertschätzung und gegenseitige Un- in Honduras bedroht, weil sie sich als Transfrau für
terstützung sind noch keine Selbstverständlichkeit. Wir Menschenrechte eingesetzt hat. Heute lebt sie im Ham-
möchten dazu beitragen, dass sich das ändert.“ Der zweitbeste Mit Mission verbinde burger Wohnprojekt Brot & Rosen und gibt auch hier ihr
Lebensplan ich Menschen Engagement nicht auf. Ihr größter Wunsch ist es, dass
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Jens Janson ist Referent der Männerarbeit. Er sagt: „Gibt alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht und
Nico Bruinette wollte Pastor Der neue Direktor Dr. Christian
es zwei Geschlechter, so viele wie Menschen oder gar kei- ihrer Lebensform gleiche Rechte haben und ein Leben in
in Südafrika werden. Heute Wollmann erklärt seine Ziele
ne? Sind sie anerzogen? Angeboren? – Jedenfalls: Um zu Würde führen können. Auf dem Weg dahin kann die
lebt er zusammen mit seinem und sein Verständnis von Mis-
erkennen, wer ich bin, muss ich in Beziehung sein.” Wahrnehmung und Würdigung aller Lebens- und Lie-
Mann in China. sion und Ökumene.
besformen schon einmal ein erster Schritt sein.
Frauke Josuweit, Pressefrau der Evangelischen Frauen in
Deutschland, fragt: “Warum lehnen wir geradezu reflexhaft Wir müssen nicht Er lebt den Geist der Ihre
ab, was wir nicht kennen? Muss uns das so sehr Angst klopfen, wir sind drin Ökumene
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machen? Letztendlich suchen wir doch alle dasselbe:
Sergio Ariel López ist der ers- Am 2. Februar wurde Dr. Klaus
Liebe, Verständnis, Respekt – und Zugehörigkeit.” Ulrike Plautz
te bekennende homosexuelle Schäfer verabschiedet. Er lei-
Pastor in Argentinien. Dort tete das Zentrum für Mission PS: Ihre Meinung interessiert uns, darum schreiben Sie uns gerne!
http://eine-tuer.de/#!/eine-tuer-ist-genug-spot/
gibt es nun die „Ehe für alle“. und Ökumene von 2005 - 2019.
weltbewegt-Post-Anschrift: Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit, Postfach 52 03 54, 22593 Hamburg, Telefon 040 88181-0, Fax -210, E-Mail: info@nordkirche-weltweit.de
IMPRESSUM: weltbewegt (breklumer sonntagsblatt fürs Haus) erscheint viermal jährlich. HERAUSGEBER UND V ERLEGER: Z entrum für Mission und Ökumene DRUCK, VERTRIEB UND VERARBEITUNG: Druckzentrum Neumünster, JAHRESBEITRAG: 15,– Euro, SPENDENKONTO: IBAN DE77 520 604 100 000 111 333
– Nordkirche weltweit, Breklum und Hamburg. Das Zentrum für Mission und Ökumene ist ein Werk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. Evangelische Bank, BIC GENODEF1EK1. Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben die Meinung des Autors/der Autorin und nicht unbedingt die Ansicht des
DIREKTOR: Pastor Dr. Klaus Schäfer (V.i.S.d.P.), REDAKTION: Ulrike Plautz, GESTALTUNG: Christiane Wenn, KONZEPT: Andreas Salomon-Prym, SCHLUSS herausgebenden Werkes wieder. Die Redaktion behält sich vor, Manuskripte redaktionell zu bearbeiten und gegebenenfalls zu kürzen. Gedruckt auf TCF – total
KORREKTUR: Constanze Bandowski, ADRESSE: Agathe-Lasch-Weg 16, 22605 H amburg, Telefon 040 88181-0, Fax: 040 88181-210, w
ww.nordkirche-weltweit.de. chlorfrei gebleichtem Papier.
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Schwerpunkt
Schatz unter dem Regenbogen Kita meint die Erzieherin: „Da
fehlt der Papa im Haus!“ Frau
verengung, die sich keine Kirche lei-
sten kann, die Gottes Mission ernst
schaft in das Leben in Vielfalt? Nicht
Normierung wird gesucht, die an-
Schon längst gibt es eine Vielfalt von Familienformen und Lebensweisen. Zum Wesen Heinrich fühlt sich defizitär. nimmt. Und es ist ein Denkfehler: deres abnorm nennt und Minder-
und zur Aufgabe von Kirche gehört es, für Inklusion zu sorgen.
• Herr Dr. Neumeier und sein Wenn eine einzelne Person Aus- heiten als Minderes abwertet, son-
Partner möchten eine kirchliche grenzung und Abwertung durch die dern ethische Orientierung in der
Sieghard Wilm Trauung in einer Dorfkirche, Kirche erfahren hat, dann zieht das Pluralität ist gefragt. Eine Wert-
sind sich aber unsicher, ob die weite Kreise in Familien und unter schätzung der Vielfalt von Familiari-
Gemeinde sie willkommen Freunden. tät versucht die Evangelischen Kir-
J edes dritte Kind wird heute au-
ßerhalb der Ehe geboren. Die
Zahl von Alleinerziehenden hat sich
Wie lässt sich ein positives
Bewusstsein für die Vielfalt
Segen und Glück erlebt wird, als
Schatz unter dem Regenbogen unse-
res segnenden Schöpfers? Darüber
•
heißt.
Frau Vahl und Herr Arnold,
beide verwitwet, leben im Alter
Der erste Schritt ist also, die Wahr-
nehmung für die Vielfalt zu schulen,
die vorhanden ist, und denen zu-
che in Deutschland (EKD) 2013 mit
der Orientierungsschrift „Zwischen
Autonomie und Angewiesenheit. Fa-
von Lebensformen fördern?
in den vergangenen Jahrzehnten stän- muss sich eine Landeskirche mit sich zusammen, wollen aber aus Ver- zuhören, die bisher am Rand standen. milie als verlässliche Gemeinschaft
dig erhöht. Besonders in den Groß- Zu lange haben die Kirchen gezö- selbst verständigen. Denn es gibt sorgungsgründen nicht heira- Auch ihren Verletzungsgeschichten stärken“. Sie definiert: „Wo Men-
städten ist der Anteil der Single- gert, die Pluralisierung von Fami- einiges aufzuräumen. Wie oft habe ten. Sie würden aber gerne will die Synode zuhören und wissen, schen Verantwortung füreinander Sieghard Wilm
haushalte gewachsen. Einsam möch- lienformen und Lebensweisen zum ich Äußerungen in der Kirche gehört: einen Dank- und Segnungsgot- was heute die Erwartungen und übernehmen, da ist Familie.“ In den (53) ist Pastor in
te aber keiner sein. Zudem stellt die Thema zu machen. Familie haben „Wo diskriminieren wir denn als tesdienst feiern. Geht das über- Hoffnungen von Menschen sind im letzten Jahren haben viele Landes- Hamburg-St. Pauli
demographische Entwicklung die wir alle, in Beziehungen leben wir Kirche? Es können doch alle zu uns haupt ohne Trauschein? ganzen Spektrum der Diversität. kirchen synodal zum Themenkom- und lebt dort zu-
alternde Gesellschaft vor erhebliche alle. Sie zu gestalten fragt nach ethi- kommen.“ Mehrheiten fällt es schwer, • Kay hätte Lust, im Kirchenchor Lebensexpertinnen werden vor der plex Familie gearbeitet und Orientie- sammen mit
Herausforderungen und fragt nach scher Orientierung im Horizont sich in die Situation von Minderheiten zu singen. Die Transidente ist Synode Redezeit haben, denn wir rung gegeben. Gleichgeschlechtliche seinem Lebens-
neuen Formen der Familiarität. Die unserer Zeit. Aber auch die Evange- hineinzuversetzen und Diskriminie- sich aber unsicher, ob sie dort wollen nicht über die Anderen reden, Lebensformen oder Wahlfamilien partner im Pasto-
Akzeptanz gleichgeschlechtlich Lie- lische Kirche selbst sucht nach einer rungen aufzuspüren. willkommen ist. sondern mit ihnen. kamen dabei eher am Rande vor. rat. Im September
bender mit und ohne Kinder hat Haltung, wie mit der Pluralisierung Es geht auch darum, überhaupt Synoden haben im vergangenen wird sich die
nach jahrzehntelangem Emanzipa- umzugehen sei. Einige Beispiele: Diskriminierung geschieht einen Wortschatz zu finden. Trans- Jahrzehnt ebenfalls über die Vielfalt Landessynode der
tionskampf zumindest in Westeuro- Nach außen hin wird auch die • Gesa ist Single und engagiert auch durch Nichtnennung ident, Transgender, Intersexuell, – von Beziehungsweisen gearbeitet, Evangelisch-Luthe-
pa zugenommen, auch intersexuelle Evangelische Kirche oft wahrge- sich in ihrer Gemeinde. In der und Nichtwahrnehmung was ist das? Und was sind eine insbesondere zur Akzeptanz von rischen Kirche in
und transidente Menschen werden nommen als normierende Institution Sonntagspredigt nimmt der Co-Mutter und ein Co-Vater? Nur gleichgeschlechtlich Liebenden. In Norddeutschland
zunehmend wahrgenommen und der klassischen bürgerlichen Ehe. Die Pastor gerne Beispiele aus sei- Diskriminierung geschieht nicht wer sich sicher in den Themen zu vielen Kirchen können Schwule und mit dem Thema
akzeptiert. Zudem hat die Zuwande- Frage stellt sich: Wie können wir die nem Familienleben. Single kom- nur durch theologische oder soziale bewegen weiß und sprachfähig wird, Lesben sich in ihren Beziehungen „Familienformen,
rung von Geflüchteten eine weitere „klassische Ehe“, die es in dieser men in den Predigten nie vor. Abwertung der Anderen, wie sie in verliert hemmende Angst vor Fremd- segnen lassen, einige Landeskirchen Beziehungsweisen.
Pluralisierung in unsere Gesellschaft Form übrigens erst 200 Jahre gibt, • Blanda und Emilia wollen ihre der Vergangenheit durch die Kirche heit. haben eine weitreichende Gleich- Vielfalt sehen und
gebracht. Es gibt ermutigende Bei- würdigen ohne andere Formen von Tochter taufen lassen. Das les- geschah, sondern auch durch Nicht- stellung beschlossen. Darin spiegelt fördern, Menschen
Fotos: C. Wenn (1), S. Wilm (1)
spiele von Familiarität mit Geflüch- Partnerschaft und familiärem Zu- bische Paar ist sich unsicher, ob nennung und Nichtwahrnehmung. Familie ist, wo Menschen sich auch die rechtliche Entwicklung, stärken“ befassen.
teten. Seit 40 Jahren wird die Vielfalt sammenleben zu diskriminieren? es komische Blicke in der Ge- Das muss als Schuldgeschichte auf- Verantwortung füreinander denn nach Kriminalisierung und Die Synode wird
der Familienformen und Lebenswei- Wie fördern wir ein positives Be- meinde geben wird. gearbeitet werden. Nun könnte die übernehmen Diskriminierung durch den Staat, von Sieghard Wilm
sen in Deutschland und Europa wird wusstsein für die Vielfalt von Le- • Frau Heinrich ist alleinerziehend Kirche in der Selbsteinbildung le- sind mit der „Ehe für alle“ 2018 fast als Vorsitzenden
immer stärker wahrgenommen und bensformen? Wie können wir dazu mit zwei Kindern. Nach einem ben, sie hätte vielleicht ein paar Als nächstes ist eine ethische Orien- alle Rechtsungleichheiten in der des Vorbereitungs-
diskutiert. beitragen, dass diese Vielfalt als Konflikt in der evangelischen Minderheiten verprellt, aber die tierung zu gewinnen: Wie kommt staatlichen Gesetzgebung aufge- ausschusses mit-
bürgerliche Mehrheit sei ihr immer das Evangelium als gestaltet.
noch sicher. Das wäre eine Millieu- Gottes befreiende Bot- Fortsetzung Seite 6
4 weltbewegt weltbewegt 5
Schwerpunkt
Reichtum der
Lebensformen
gibt es nicht
hoben. Die Landeskirchen haben kann, wenn er mit den anderen nicht von Ehe. Das Wort „anhängen“ wird nur in Stad-
meistens zeitverzögert auf die ge- geteilt wird. im Buch Ruth dann auch zwischen teilen wie
sellschaftlichen Emanzipationsschrit- Die Nordkirche verpflichtet sich Ruth und Naomi verwendet, zwei Hamburg-St.
te reagiert, selten waren sie an erster selbst in Artikel 1 (8) ihrer Ver- Frauen unterschiedlicher Genera- Pauli. Deshalb
Stelle. fassung: „Die … Kirche wendet sich tionen, nicht blutsverwandt. Die sind sie in der
Die Nordkirche versucht nun, mit gegen alle Formen der Diskrimi- Abrahams- und Jakobsgeschichte Nordkirche in
einer einzigen Themensynode das nierung und fördert ein von Gleich- setzt den patriarchalen Großfami- diesem Jahr
weite Spektrum abzudecken: Fami- berechtigung bestimmtes Zusam- lienverband und die Vielehe voraus ein Thema der
lienformen, Beziehungsweisen – menleben der Menschen.“ Angesichts und erzählt mit Selbstverständlichkeit Synode.
Vielfalt sehen und fördern – Men- der Vielfalt von Familienformen und von Sarahs Sklavin Hagar als Leih-
schen stärken. Vorbereitet wurde das Lebensweisen gehört es zum Wesen mutter. Niemand würde heute auf
Thema durch das Bündnis Lebens- und Auftrag der Kirche, für Inklu- den Gedanken kommen, daraus ein großen Haushalt vorstand. Die „Phi- Bild kann als Orientierung hilfreich Vielfalt genießen können in der Ein-
formen, deren Vorlage ich als Syno- sion zu sorgen. Das ist die gesell- christliches Familienbild herzuleiten. ladelphia“-Geschwisterlichkeit wird sein, wenn die Nordkirche mit der heit der Kinder Gottes.
daler auf der Septembersynode 2016 schaftliche Friedensarbeit innerhalb Die vielen Frauen König Davids und zum Kennzeichen der jungen Ge- anstehenden Themensynode den Was in der Landessynode verhan-
eingebracht habe. Seit Januar 2018 ar- der Kirche und geht als missio- der Harem seines Sohnes Salomo meinden, in denen Verantwortung Umgang mit Familienformen und delt wird, das soll die Kirche auf allen
beitet ein Vorbereitungsausschuss. narischer Impuls über sie hinaus. befremden uns heute und scheinen für Witwen und Waisen übernom- Lebensweisen verabreden will. Ebenen erreichen. Wie sichern wir,
Drei Studientage im Mai und Juni wenig hilfreich bei der ethischen men wird. Diese Familiarität hat das Im Geist des Jesus von Nazareth dass die Nordkirche nachhaltig bei
2019 sind in den Sprengeln der Lan- Eine Ehetheologie lässt sich Orientierung. Die Bibel beschreibt, das Christentum in den ersten Jahr- werden Beziehungen gestiftet, die diesem Thema bleibt?
deskirche vorgesehen, um ein Im- nicht aus der Bibel herleiten was im Zeithorizont als Familien- hunderten attraktiv gemacht. Die Vielfalt nicht als Trennendes sehen, Wird es einen Regenbogensonn-
pulspapier in der Resonanz reifen zu formen und Lebensweisen faktisch Orientierung auf Christus ist das sondern als Reichtum. Es sind Be- tag geben, mit dem einmal im Jahr
lassen, das der Landessynode im Und was sagt die Bibel dazu? Wer vorliegt, eine Ehetheologie lässt sich Entscheidende, das alle Statusunter- ziehungen, in denen Personen und das Thema wachgehalten wird? Mit
September 2019 vorgelegt werden die Schriften der hebräischen Bibel nicht aus ihr herleiten. Im Neuen schiede überbietet: „Hier ist nicht Gruppen sich gegenseitig anerken- einem liturgischen Gestaltungsvor-
soll. und des Neuen Testaments genau Testament bricht der Ruf in die Jude noch Grieche, hier ist nicht nen, feststellen, dass sie verschieden schlag, Texten und Liedern, die von
Ziel ist es, Menschen in der Viel- studiert, macht erstaunliche Beob- Nachfolge mit allen Familienbanden. Sklave noch Freier, hier ist nicht sind und dennoch zusammengehö- der Vielfalt erzählen? Wie werden wir
falt wahrzunehmen, theologisch und achtungen. Petrus war verheiratet, Paulus hielt Mann noch Frau; denn ihr seid alle- ren und aneinander teilhaben lassen werberisch auftreten um alle Verun-
sozialethisch zu orientieren und Ver- Am Anfang war die Vielfalt. Sie nicht viel von der Ehe (1. Korinther samt einer in Christus Jesus“ (Galater wollen, denn „wenn ein Glied leidet, sicherten einzuladen, ein Teil der Kir-
abredungen zu treffen, wie die Kir- ist des Schöpfers Handschrift. „Und 7). Schon Jesus hatte sein Verständnis 3, 28). so leiden alle Glieder und wenn ein che in Vielfalt zu sein? Welche Best-
che nachhaltig Vielfalt wahrnehmen Gott sah an, alles, was er geschaffen von Familie und Beziehung in Ab- Im Geist des Jesus von Nazareth Glied geehrt wird, so freuen sich alle Practice-Beispiele, die anderen Mut
und fördern und Menschen stärken hatte und siehe es war sehr gut“ grenzung zu seiner Herkunftsfamilie werden Beziehungen gestiftet, die Glieder mit“ (1. Korinther 12, 26). machen, sollen gefördert werden?
kann. Die Jahreslosung 2019 gibt den (1. Mose 1, 31). Über Familienformen neu definiert: „Wer den Willen tut Vielfalt nicht als Trennendes sehen, Welche Pilotprojekte starten? Erst
Fotos: adpic (1), S. Wilm (1)
Auftrag „Suche Frieden und jage ihm und Lebensweisen berichtet die Bibel meines Vaters im Himmel, der ist sondern als Vielfalt in Einheit. Das Es geht um Inklusion der wenn die Kirche eine nachhaltige Ver-
nach!“ ( Psalm 34, 15). Diesem Motto in großer Vielfalt. In 1. Mose 2 steht mir Bruder und Schwester und ist der Reichtum und die Stärke Vielfalt von Familienformen abredung zur Inklusion von Familien-
verpflichtet sich diese Themensy- der Satz, der heute bei Trauungen Mutter“ (Matthäus 12, 50). christlicher Gemeinde im Zeitho- und Lebensweisen formen und Lebensweisen mit sich
node. Denn Ausgrenzung und Dis- gesagt wird: „Darum wird ein Mann Maria und Martha lebten eine rizont des Paulus. Heute würden wir getroffen hat, wird sie glaubwürdig
kriminierung stören den Schalom, Vater und Mutter verlassen und Hausgemeinschaft mit Lazarus, die von Inklusion sprechen. „Denn auch Meine Hoffnung ist, dass wir uns den Schalom Gottes verkünden und
den gerechten Frieden Gottes, den seiner Frau anhängen und sie werden Apostelgeschichte berichtet über die der Leib ist nicht ein Glied, sondern von dem Geist der Freude anstecken in die Gesellschaft hineinwirken
niemand für sich alleine besitzen ein Fleisch sein“. Da steht kein Wort Purpurhändlerin Lydia, die einem viele“ (1. Korinther 12, 14). Dieses lassen, weil wir den Reichtum der können.
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Schwerpunkt
Heute können wir
offen über unsere „Fürchtet Euch nicht! In mei-
Lebensform sprechen nes Vaters Hause sind viele
Wohnungen“ steht auf dem
Banner der polnischen christ-
Die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher lichen Gruppe von Lesben,
Schwulen, Bisexuellen und
Partnerschaften hat Auswirkungen auf die Kirche. Transgender (Foto u.). Sie
Die Offenheit gegenüber anderen Lebensformen demonstrierten auf dem
war dort nicht immer so groß. Christopher Street Day im Mai
2017 in Gdańsk (Foto l.) für
Barbara Schnoor Toleranz und Gleichberech-
tigung.
E s war eine bunte und fröhliche
Parade, die da durch die Stra-
ßen von Gdańsk zog. Auf der einen
nicht getraut. Als dann aber meine
damalige Partnerin und ich dem Kir-
chenvorstand erzählten, dass wir ein
schlossen, dass diese Segnungen nun
Trauungen gleichzustellen seien. Wir
hatten uns gefreut, dass es in unserer
Seite durch schwerbewaffnete Poli- Paar seien, zeigte sich die Gemeinde Kirche für alle Paare gleiche Rechte
zisten von einer Gegendemo abge- viel aufgeschlossener als vermutet. geben würde, waren andererseits aber
trennt und geschützt, auf der ande- Natürlich kamen auch Fragen wie enttäuscht, dass eine Segnung immer
ren Seite begegneten wir Menschen, „Was bedeutet das überhaupt?“, oder: noch nicht „Trauung“ heißen darf und
die einfach nur zuschauen wollten – „Wie sagen wir das der Gemeinde?“ es damit keine vollständige Gleich-
darunter einige, die in Sympathie Mit diesen Fragen haben wir uns stellung gibt.
ihre Regenbogenfähnchen schwenk- dann intensiver auf einer Kirchenvor-
ten. Es war im Mai 2017 in Polen, als standsklausur auseinandergesetzt. Zu Noch immer ist jedes Coming
ich am dortigen Christopher Street dieser Zeit wurde in meiner Landes- Out mit Herzklopfen verbun-
Day auf dem Toleranzmarsch mit- kirche, damals noch Nordelbische den
lief. Die polnische christliche Grup- Kirche, heiß diskutiert, wie sie es mit
pe von Lesben, Schwulen, Bisexuel- der Akzeptanz von Schwulen und Im Alltag erlebe ich in Seminaren,
len und Transgender (kurz LSBT*) Lesben halten sollte. Die Nordel- Konventen und am Arbeitsplatz vor
trug einen Banner, auf dem auf bische Synode wollte 1996 auf ihrer allem viel wohlwollendes Interesse.
stand: „Fürchtet euch nicht! In mei- Synodaltagung eheähnliche Partner- Uns begegnen die gleichen Fragen
nes Vaters Hause sind viele Woh- schaften als mögliche Lebensform wie Menschen in heterosexuellen
nungen“ (Joh 14,2). anerkennen. Gegen diesen Synoden- Partnerschaften auch. Einige wollen
Ein gutes Motto für alle Lesben, beschluss erhoben zunächst zwei wissen, was meine Freundin arbei-
Schwulen, Bisexuellen und Trans- Bischöfe aus dem dreiköpfigen tet oder ob wir uns hier wohl füh-
gender-Menschen und all diejenigen, Bischofskollegium ihr Veto. Ihre Be- len. Manchmal gibt es aber auch
die sich für ihre Rechte einsetzen. gründung: Eheähnliche Lebensfor- kleine Stolpersteine. So habe ich
men, „Ehe ohne Trauschein“ oder mehrmals erlebt, dass mir andere man aus diesem Grund nun keine einem Tisch das neue Gesetz, das unbedingt niedriger zu sein als in
Meine Gemeinde zeigte sich schwule und lesbische Partnerschaf- nicht geglaubt haben, wenn ich er- Schwulen oder Lesben mehr einstel- gerade in Irland in Kraft getreten der Stadt. Auch die Unterschiede
aufgeschlossener als ich ver- ten, stünden im Widerspruch zum zählt habe, dass ich lesbisch bin. Ist len wolle. So ist auch heute noch war und besagte, dass Schwule und zwischen Ost und West spielen eine
mutet habe lutherischen Bekenntnis. Dies Veto es, weil ich nicht ihrer Vorstellung immer jedes Coming Out mit einem Lesben heiraten könnten. Als ich geringere Rolle, als ich erst gedacht
Anm.: wurde jedoch einige Jahre später auf- einer Lesbe entspreche? Diese Reak- kleinen Zögern oder gelegentlich hinzukam, fragte mich eine Frau: hatte. Überall gibt es Menschen, die
*Manchmal In meinem Alltag spielt es kaum eine gehoben. tion habe ich immer als ein Nicht- auch mit Herzklopfen verbunden. „Warum kann das nicht auch bei unterstützend sind, aber leider auch
auch das Rolle, ob ich lesbisch bin und mit Das ist nun mehr als zwanzig Jahre Ernstnehmen von Identität und Selbst- Manchmal überlegen meine Partne- uns gehen?“ Diese Aufgeschlossen- noch immer Menschen, die gleichge-
längere Kürzel einer Frau zusammenlebe. Insgesamt her. War die Landeskirche damals wahrnehmung erlebt. Ein anderes rin und ich auch, wo wir öffentlich heit an diesem Ort hatte mich doch schlechtlichen Partnerschaften und
LSBTIQ – mache ich heute viele positive Erfah- noch Vorreiterin in Fragen des Um- Beispiel: Als ich mich Anfang der Hand in Hand gehen können. Aber sehr überrascht. LSBT-Menschen ablehnend gegen-
Lesbisch, rungen. Das war Mitte der 1990er gangs mit verschiedenen Lebens- 2000er Jahre auf eine neue Stelle auch ich habe Vorurteile, zum Bei- über stehen. Allerdings geschieht
Schwul, Jahre noch anders. 1996 war ich gera- formen, bewegt sie sich aus meiner bewarb, erfuhr ich im Nachhinein, spiel darüber, wie es auf dem Land Die „Ehe für alle“ hat das Diskriminierung heute versteckter
Bisexuell, de in meine erste Gemeinde nach Sicht heute eher im Mittelfeld. Auf dass dort eine lesbische Frau wohl zugeht. Als Leiterin des Frauen- Klima inzwischen auch in der als früher, wo Menschen leichter ein-
Fotos: B. Schnoor (2)
Transgender, Hamburg-Harburg gekommen. Ich ihrer Synode im Herbst 2016 verfolgte doch nicht so erwünscht war. Ein- werks im Kirchenkreis Lübeck-Lau- Kirche verändert fach mal gesagt haben: „Das finde
Intersexuell, war mir nicht sicher, wie sie es auf- ich mit anderen kirchlichen Lesben mal wurde mir hinter vorgehaltener enburg bot ich 2015 eine Veranstal- ich falsch oder eklig.“ Heute heißt es
Queer (siehe nehmen würde, wenn sie erführe, und Schwulen die Diskussion, in der Hand gesagt, dass es vorher einen tung in einem lauenburgischen Nach meinen Erfahrungen scheint dann eher: „Ich habe ja selbst
auch Glossar dass ich lesbisch bin. Das offen zu es um die Segnung gleichgeschlecht- schwulen Pastor gab, mit dem man Dorf an. Während der Gruppenar- die Toleranz gegenüber anderen schwule Freunde, aber Lesben in
Seite 14/15) sagen, das hatte ich mich zunächst licher Paare ging. Es wurde be- Schwierigkeiten gehabt hätte, und beit diskutierten ältere Damen an Lebensformen auf dem Land nicht der Kirche, das finde ich nicht so Fortsetzung Seite 10
8 weltbewegt weltbewegt 9
Schwerpunkt
Barbara Schnoor
hat christliche
Netzwerk für Lesben mit Arbeitge-
berin Kirche) und LuK (Lesben und Null Diskriminierung – Voraussetzung für
Kirche) engagiert. Dort tauschen
einen erfolgreichen Kampf gegen AIDS
Netzwerke wie
LUK (Lesben und wir uns aus und engagieren uns kir-
Kirche) als große chenpolitisch. Etwas später kam ich
Unterstützung als Delegierte in das Europäische
erlebt. Forum für christliche LSBT-Grup-
Im Kampf gegen AIDS ist entscheidend, in welchem Maß
pen, wo sich nicht Einzelpersonen, verschiedene Formen von Liebe und Sexualität in Gesell-
sondern verschiedene europäische schaften anerkannt werden.
Gruppen vernetzen und sich ge-
meinsam engagieren. Neben dem Thomas Lienau-Becker
ökumenischen Austausch werden
diverse Projekte auf die Beine
gestellt – gerade auch für Lesben,
Schwule, Bisexuelle und Trans-
gender-Menschen, die in Osteuropa
leben. Leider sind sie dort heute viel
größeren Schwierigkeiten ausge-
setzt als im Westen Europas und es
Z ur ureigensten Aufgabe von Kirchen gehört es,
Menschen in Krankheit und beim Sterben zu beglei-
ten. Zu Beginn der 1990er Jahre wurde jedoch immer
rung und Ausgren-
zung. Als „Gay Can-
cer“ (schwuler Krebs)
gibt eine wachsende Intoleranz. Ein deutlicher, dass Kirchen diese Aufgabe für Menschen waren die ersten Er-
Beispiel für das aktuelle Klima in mit AIDS nicht wahrnehmen konnten. Zu groß waren krankungen zuvor
Osteuropa las ich gerade auf der die Gräben, die sie von den Lebensumständen dieser gedeutet worden –
Website des Europäischen Forums: Personen trennte. Aus der Sicht vieler Infizierter und und diese Verbin-
„Wir sind sehr besorgt, diese Nach- Erkrankter waren die Kirchen keine glaubwürdigen dung mit schwuler
richten aus Ungarn zu hören: Am Gesprächspartner oder Begleiter. Dies galt, solange sie Sexualität macht die-
16. Januar strahlte das Programm homosexuelle Beziehungen und Partnerschaften nicht se Krankheit bis heu-
M5 vom MTV ein Programm über als gleichberechtigte und selbstverständliche Lebens- te zu einer, die nicht
die ‚ernstzunehmende und wichtige formen anerkannten. Im Frühjahr 1994 begann Rainer ist wie andere. Dies
Forschung‘ aus, die über die Heil- Ehlers (damals Rainer Jarchow) seinen Dienst als bun- ist nach wie vor so –
barkeit von Homosexualität durch- desweit erster „AIDS-Pastor“ beim Evangelisch-Lutheri- auch wenn, weltweit
geführt wird.” Zurzeit ist in vielen schen Kirchenkreisverband Hamburg. Im April 2019 betrachtet, die Mehrheit der Erkrankten und Infizierten Seit 2018 gilt als
Ländern eher ein Erstarken des Na- jährt sich die Hamburger AIDS-Seelsorge nun zum dieser Gruppe gar nicht angehört. Wer HIV-positiv ist, gesichert, dass
tionalismus zu beobachten, der 25. Mal. Dieses Jubiläum ist nicht durch die Zahl der kann zwar dank Medikamenten heute weitgehend be- das HI-Virus
meist mit Einschränkungen der Jahre besonders bedeutsam, sondern durch die Größe schwerdefrei leben. Aber trotzdem ist dies keine Infektion von Menschen
Rechte von Frauen und von LSBT des Schritts, der damals gegangen wurde. Und durch wie andere. Benachteiligungen im Beruf, im Sozialleben in Therapie
einhergeht. Auch wir sind davon das, was er auslöste. wie im Gesundheitswesen (tatsächlich!!) sind nach wie vor nicht weiterge-
nicht so weit entfernt. So droht die Von Menschen, die damals schon HIV-infiziert wa- an der Tagesordnung. geben werden
Barbara gut.“ Andererseits gibt es auch Les- erlebter Verletzungen. Durch die AfD mit einer Klage gegen die „Ehe ren, höre ich immer wieder, welche Sensation es war, als Rational betrachtet gibt es dafür jedoch weniger Grün- kann.
Fotos: C. Wenn (1), B. Schnoor (1), Wikimedia (1)
Schnoor, ben, die mich fragen, wie ich denn politischen und rechtlichen Verän- für alle“ vor dem Verfassungsge- die evangelische Kirche in Hamburg einen AIDS-Pastor de denn je. Seit Mitte der 1990er Jahre werden antiretrovirale
Pastorin und überhaupt in der Kirche arbeiten derungen – gerade auch die „Ehe für richt. Ich hoffe aber, dass es in bekam – und zwar einen, der offen schwul war und sich Therapien eingesetzt, die die Schädigung des Immunsystems
Krankenhaus- könne. Viele haben allerdings schon alle“ – hat sich in den letzten Jahren Deutschland, europaweit und welt- als AIDS-Aktivist bereits einen Namen gemacht hatte. Es durch das HI-Virus weitestgehend reduzieren. Erfolgreich
seelsorgerin im lange keine Kirche mehr von innen das Klima verändert, so dass ich mit weit, eine weitere Liberalisierung ist nicht übertrieben, hierin ein Ereignis zu sehen, das die angewandt führt die Therapie dazu, dass das Virus im Blut
Dietrich- gesehen und einige unterscheiden anderen Menschen nicht nur außer- geben wird und eine Stärkung der gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer Gleichstellung praktisch nicht mehr nachweisbar ist. Das bedeutet nicht
Bonhoeffer- kaum zwischen katholischer und halb, sondern auch innerhalb der Menschenrechte für alle, unabhän- homosexueller Partnerschaften entscheidend voran- nur, dass die für das Krankheitsbild AIDS typischen
Klinikum in evangelischer Kirche. Als 2010 auf Kirche offen und auch selbstver- gig von ihrer Lebensform. Ich hoffe, brachte. Zum ersten Mal kam hier aus dem Raum der Infektionen nicht mehr auftreten, sondern auch, dass
Neubrandenburg dem Lesben-Frühlingstreffen heftig ständlich über meine Lebensweise wir können uns – jede an ihrer Stel- Kirchen ein solches Signal – und ich bin voller Respekt Kinder von HIV-positiven Müttern ohne eine Infektion
darüber diskutiert wurde, ob dort reden kann. le – für eine offene und von Nächst- vor den Menschen, die diese Entscheidung damals geboren werden können. Und seit der Welt-Aids-Konferenz
ein Gottesdienst abgehalten werden enliebe geprägte Kirche einsetzen erstritten und verantwortet haben. von 2018 gilt als gesichert, dass das HI-Virus von Menschen
dürfe, gab es eine massive Ableh- In Osteuropa gibt es eine und eine Welt, in der die Würde in Therapie überhaupt nicht mehr weitergegeben werden
nung. Für viele war die Kirche noch wachsende Intoleranz aller Menschen geachtet und re- Seit 1982 verbindet sich AIDS mit Stigmatisie- kann. Aus diesem Grund hat die Deutsche AIDS-Hilfe auch
immer eine durch und durch patri- spektiert wird. rung und Ausgrenzung eine neue Informationskampagne gestartet. Unter dem
archale und hierarchische Instituti- So habe ich in all den Jahren kirch- Kürzel „n = n“ (nicht nachweisbar = nicht übertragbar) wird
on. Dass sich Kirchen seit 1950 ge- liche Lesben und andere christliche Bis heute ist eine gute Begleitung von Menschen mit darüber aufgeklärt. Im Grunde bedeutet dies: Der Dreh-
ändert haben und es inzwischen LSBT-Gruppen als große Unterstüt- HIV und AIDS entscheidend davon abhängig, dass sie und Angelpunkt aller Diskriminierung, die Furcht vor
kirchliche Lesbengruppen gibt, war zung erlebt. Seit Ende der 90er Jahre erlebbar diskriminierungsfrei ist. Denn seitdem AIDS Ansteckung durch Menschen mit HIV, hat inzwischen
für viele undenkbar. Neben Unkennt- bin ich in den Netzwerken MuM im Jahr 1982 als eigenes Krankheitsbild identifiziert keine Begründung mehr. Zumindest dann, wenn Thera- Fortsetzung
nis ist das oft ein Resultat eigener (Maria-und-Martha-Netzwerk – ein wurde, verbindet sich diese Krankheit mit Stigmatisie- pien eingesetzt werden. Seite 12
10 weltbewegt weltbewegt 11
Schwerpunkt
Öffentliche
Wahrnehmung
hilft bei der Kampf gegen AIDS zurück zu HIV. Die bereits erwähnte Einführung eines HIV-Selbst-
Bekämpfung von lassen bedeutet, weltweit gegen tests ist eine gezielte Maßnahme, um diese Zahl zu
AIDS – und Null Stigmatisierung und Diskrimi- vergrößern.
Diskriminierung. nierung zu kämpfen. Darum
Nachweislich ist wurden die drei genannten Heute geht es um die Unterstützung derer,
die Bekämpfung Ziele um ein weiteres erweitert, die mit HIV leben
der Krankheit in das sich auch in einer Zahl aus-
Gesellschaften drückt: Null Diskriminierung. Die größten Probleme gibt es hierzulande aber für Men-
erfolgreicher, je Niemand darf durch Furcht vor schen, die keine Krankenversicherung haben. Dies ist
größer dort die Ausgrenzung oder Benachtei- besonders oft bei (männlichen, weiblichen und transsexuel-
Toleranz gegen- ligung daran gehindert werden, len) Prostituierten ausländischer Nationalität der Fall – und
über anderen einen HIV-Test durchzuführen bei ihnen genauso bedrückend wie bedrohlich. Für diese
Lebens- und und Behandlung oder Unterstüt- Menschen Tests und verlässliche Therapie anzubieten ist
Liebesformen ist. zung in Anspruch zu nehmen. der Schlüssel für eine weitere Verbesserung der Situation in
Das Foto entstand Dabei ist dies im Grunde kei- Deutschland. Vermutlich ist es aber auch eine der schwie-
während einer ne neue Erkenntnis. Nachweis- rigsten Aufgaben, die für die weitere Bekämpfung von HIV
Zeremonie mit bar wurden in den letzten Jahr- bewältigt werden müssen.
Mönchen auf dem zehnten die größten Erfolge im Eine Art Selbstverpflichtung hierfür wäre es, wenn sich
Welt-Aids Tag am Kampf gegen die Ausbreitung Hamburg dem Kreis der „Fast Track Cities“ („Schnellzug-
1. Dezember 2018 von HIV dort erzielt, wo Gewalt Städte“) anschließt. Dies sind Großstädte in aller Welt, die die
in Kalkutta. gegen Frauen aktiv bekämpft von UNAIDS formulierten Ziele schneller erreichen wollen,
und homosexuelle Menschen oder zu mehr als 90 Prozent. Ihr Vor-haben ist ein wichtiger
rechtlich weitestgehend gleichgestellt wurden. Dass nun Teil des gesamten Programms. Schließlich sind es vielfach die
Überwindung der Krankheit ist zum erreich- und tatsächlich in großem Umfang durchgeführt werden. weltweit ein Ende von AIDS in Sicht kommt, verleiht dieser Großstädte, in denen sich HIV besonders stark verbreitet, und
baren Ziel geworden Aus diesem Grund werden derzeit weltweit erhebliche Erkenntnis noch einmal größere Bedeutung. Auch wenn von wo aus es sich eben auch ausbreitet. Darum ist von großer
Anstrengungen unternommen, um mehr Men- sich politisch in vielen Ländern in dieser Hinsicht nicht Bedeutung, dass die Bekämpfung des Virus hier eben beson-
Aus diesem Grund hat sich der Kampf gegen AIDS seit schen zur Durchführung von HIV-Tests zu bewegen. So viel bewegt – oder es sogar zu Rückschritten kommt (Tan- ders schnell und nachhaltig geschieht. Ein Antrag, Hamburg
einigen Jahren auch stark auf die Förderung von Tests wurde in Deutschland im vergangenen Jahr ein HIV- sania, Brasilien, Russland) – zeigt sich bei der Entwicklung möge sich zur Fast Track City erklären, wurde in der Bürger-
und Therapien konzentriert. Mit ihnen ist eine endgül- Selbsttest erlaubt und verfügbar gemacht, als Ausweitung konkreter Projekte oft eine erfreuliche Aufmerksamkeit schaft bereits gestellt und wird dort derzeit in den Ausschüssen
Fotos: Rupak De Chowdhuri/REUTERS (1), A. Leste-Matzen (1)
tige Überwindung dieser Krankheit zu einem erreich- der bereits vorhandenen Möglichkeiten, sich auf eine HIV- für die Belange der Gruppen, die angesprochen werden diskutiert. Die Hamburger Hilfseinrichtungen für Menschen
baren Ziel geworden. Auf dem Weg dorthin wurde Infektion testen zu lassen. sollen. Die Website von UNAIDS zeigt eindrucksvolle Bei- mit HIV und AIDS unterstützen diese Initiative.
durch UNAIDS (das Programm der WHO zum Kampf spiele dafür. Und da die Ergebnisse des 90-90-90-Pro- Die Hamburger AIDS-Seelsorge ist inzwischen ein fester
gegen AIDS) ein ehrgeiziges Vorhaben formuliert, das Niemand soll aus Furcht gehindert werden, gramms sehr konsequent dokumentiert werden, ist viel- Bestandteil des Hilfesystems unserer Stadt. Seit ihrer Grün-
mit der Zahlenkombination „90 - 90 - 90“ zusammenge- einen HIV-Test durchzuführen fach schlicht an Zahlen abzulesen, welche Erfolge durch dung vor 25 Jahren hat sich ihre Arbeit jedoch sehr ver-
fasst wird. Bis Ende 2020 sollen weltweit kontextsensible und diskriminierungsfreie Programme ändert. Glücklicherweise steht nicht mehr die Begleitung in
• 90 Prozent aller Menschen, die HIV-positiv sind, Als entscheidender Faktor für Erfolg oder Misserfolg sol- erzielt werden können. Krankheit und Sterben im Vordergrund, sondern die Unter-
um ihre Infektion wissen (also getestet worden sein), cher Maßnahmen erweist sich aber immer wieder, in Und das gilt auch in Deutschland. Die UNAIDS-Ziele stützung von Menschen, die mit dem HI-Virus leben. Und
• 90 Prozent aller bekannt infizierten Personen welchem Maß eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe werden hier zu 87, 92 und 95 Prozent erreicht (für 2017, dieses Leben ist nicht leicht: Gebrochene Biographien sowie
Zugang zu retroviralen Medikamenten haben, von Ausgrenzung und Diskriminierung geprägt ist. Und Quelle: Robert-Koch-Institut). Dies sind ausgesprochen soziale und psychische Probleme sind weit verbreitet. Aus Thomas Lienau-
• und bei 90 Prozent aller Behandelten soll die dabei geht es nicht nur um Stigmatisierung von Men- gute Werte, die sicherlich auf emanzipatorisch angelegte diesem Grund gibt es auch einen neuen Namen: „positiv leben Becker ist seit
Viruslast unter die Nachweisgrenze sinken, so dass sie das schen mit HIV, sondern auch um die Akzeptanz von Kampagnen sowie eine gute ärztliche Versorgung und die & lieben“ – denn darum geht es heute. Es steht der Kirche gut 2018 als Pastor in
Virus nicht mehr weitergeben können. gleichgeschlechtlicher Sexualität und von Transgender- weitgehende Verfügbarkeit von HIV-Medikamenten zu- zu Gesicht, die damals begonnene Aufgabe jetzt unter neuen der AIDS-Seelsor-
Diese Ziele bauen aufeinander auf, die Erreichung des Identitäten, sowie die Freiheit von Mädchen und Frauen rückzuführen sind. Am schwächsten ist die Zielerreichung Bedingungen fortzuführen. Nach wie vor ist es wichtig zu ge „positiv leben
zweiten und drittens Ziels setzt die des ersten voraus. Dies vor sexistischen Übergriffen und Männergewalt. Darum allerdings bei der ersten Zahl, also der Durchführung von zeigen: Wir bleiben an der Seite von Menschen mit HIV und und lieben“ in
ist aber nur möglich, wenn HIV-Tests leicht zugänglich sind hat UNAIDS eine eindeutige Haltung: Niemanden im Tests und dem Wissen um eine mögliche Infektion mit AIDS. Hamburg tätig.
12 weltbewegt weltbewegt 13
Schwerpunkt
GLOSSAR
zum Thema Sexuelle Vielfalt männlich
Sexuelle Orientierung
weiblich Sexuelle Orientierung erfasst die nachhaltigen Interes-
trans-
sen einer Person bezüglich des Geschlechts eines po-
gender
tentiellen Partners auf der Basis von Reproduktionsin-
Asexualität Gay Intersexualität teresse, Emotion, romantischer Liebe, Sexualität und
Asexuelle Personen fühlen sich nicht sexuell zu an- Gay ist ein aus dem Englischen übernommenes Wort für Menschen, die genetisch, anatomisch und/oder hor- Zuneigung. Gegenüber sexuellem Verhalten unter-
deren Personen hingezogen und verspüren kein Verlan- homosexuell. Es wird als Adjektiv jedoch im allgemeinen monell nicht eindeutig dem weiblichen oder männ- scheidet sie sich durch den Bezug auf Gefühle und
gen nach sexueller Interaktion. Asexuelle Personen Sprachgebrauch des deutschsprachigen Raumes häu- lichen Geschlecht zugeordnet werden können. Selbstkonzept. Zwischen zwei Extremen herrscht eine
können dennoch Sehnsucht nach einer romantischen fig als Synonym für schwul verwendet. stufenlose Vielfalt. Die sexuelle Orientierung wird meist
Beziehung haben. Lesbisch als einer von mehreren Teilen der sexuellen Identität
Gay Pride Umgangssprachlich für homosexuell empfindende angesehen.
Binär 1. Gay Pride ist ein Begriff, der aus der Lesben- und Frau. Homosexuelle Frauen bezeichnen sich häufig
Zwei sich gegenseitig ausschließende Gegensätze – Schwulenbewegung stammt, um den selbstbe- bewusst selbst als Lesbe. Trans*
Geschlecht wird als ausschließlich „männlich“ oder wussten bzw. selbstachtenden und damit stolzen Dieser Begriff wird vermehrt als Möglichkeit verwendet,
„weiblich“ gedacht. Umgang mit der eigenen Orientierung und Identität zu LGBT unterschiedliche Selbstverständnisse der Überschrei-
beschreiben. Englische Abkürzung für „Lesbian, Gay, Bisexual and tung von Geschlechtergrenzen bzw. von Menschen, die
Bisexualität 2. Englische Bezeichnung für den weltweiten Gedenk- inter- Transgender“ eine Einordnung des Geschlechts ablehnen, zusammen-
Bisexuelle Personen fühlen sich sexuell sowohl zu und Demonstrationstag der LGBTIQ-Bewegung. Ur- sexuell zufassen (Transident, Transgender usw.) Das Stern-
Frauen als auch Männern hingezogen. Bisexualität liegt sprung waren 1969 polizeiliche Razzien, Willkür und LGBTQIA chen (*) kann auch bei anderen Begriffen (z.B. Frau*/
eher einer binären Vorstellung von Geschlecht zugrun- Übergriffe im Stonewall Inn, einer Schwulenbar in der Englische Abkürzung für „Lesbian, Gay, Bisexual, Trans- Mann*) genutzt werden, um zu symbolisieren, dass im
de. Christopher Street in New York, welche zu Straßen- gender, Queer, Intersexual and Asexual“ Gegensatz zu heteronormativen Annahmen hierunter
schlachten zwischen queeren Aktivisten und der Poli- ein breites Spektrum an vielfältigen Erscheinungsfor-
Cis-Gender zei und ersten Demonstrationen für gleiche Rechte in gay Queer men verstanden werden kann.
Bezeichnet Menschen, deren Geschlechtsidentität mit den USA führten. Dieses Ereignis markiert den Beginn Überbegriff aller Menschen, die von der heteronor-
ihrem bei der Geburt zugewiesenem Geschlecht über- der LGBTIQ-Bewegung in den USA. Auch heute noch mativen Ordnung abweichen (wollen) – nicht nur als Transfrau/-mann
einstimmt. (vgl. dazu „Transgender“) werden auf Gay-Pride-Demonstrationen gleiche Rech- Bezeichnung von Schwulen und Lesben verwendet. Menschen, die sich nicht mit ihrem männlichen Körper
te und gesellschaftliche Akzeptanz gefordert. und Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde identifi-
Christopher Street Day (CSD) Schwul zieren können und sich eher als Frau/Mann bezeichnen.
Weltweiter Gedenk- und Demonstrationstag von Les- Gender/soziales Geschlecht Umgangssprachlich für homosexuell empfindender
ben, Schwulen und inzwischen auch Bisexuellen, In- Gender bezeichnet das Geschlecht, das jemand lebt. lesbisch Mann. Homosexuelle Männer bezeichnen sich häufig Transgender
tersexuellen und Transidenten. Es bezieht sich nicht auf die Genitalien oder andere bewusst selbst als schwul. Menschen, die sich mit der Geschlechterrolle, die ih-
wahrnehmbare Merkmale, sondern auf die soziale Rolle. nen bei der Geburt zugewiesen wurde, nur unzurei-
Coming Out Sexuelle Identität chend oder gar nicht beschrieben fühlen.
Eine Person, die nicht der Heteronormativität entspricht, Heteronormativität Sexuelle Identität ist auf das Individuum bezogen
wird sich bewusst, dass sie_er nicht heterosexuell und/ Sichtweise, die Heterosexualität, Zweigeschlechter- und beschreibt, wie sich die Person selbst definiert. Transsexualität
oder cis-gender ist. Dieser Prozess des inneren Coming- System und Cis-Gender als soziale Norm festlegt. Dies Die sexuelle Orientierung ist auf eine andere Person Grundsätzlich ein Synonym für Transidentität. Transi-
outs verläuft sehr individuell und dauert bei jeder Person kann die Ursache für Benachteiligung, Diskriminierung gerichtet und definiert das nachhaltige Interesse ei- dente Menschen bevorzugen aber den Begriff „Trans-
hetero
unterschiedlich lange. Eine intolerante/diskriminierende und psychische Belastungen sein. ner Person bezüglich des Geschlechts eines poten- identität“, da es sich um eine Geschlechtsidentität
Umgebung oder ein ebensolches gesamtgesellschaft- ziellen Partners auf der Basis von sexuellem Begeh- und nicht um ein Sexualverhalten handelt.
liches Klima können dazu führen, dass Personen erst im Heterosexualität ren. Sexuelle Identität ist mit sexueller Orientierung
späten Erwachsenenalter überhaupt ihr inneres Coming- Sexuelle Orientierung, bei der das sexuelle Begehren keinesfalls gleichzusetzen, sie geht darüber hinaus. Transvestitismus
out haben. In einem zweiten Schritt klärt die Person ausschließlich bzw. überwiegend Personen des ande- Sie setzt sich aus vier verschiedenen Teilen zusam- Das Tragen geschlechtstypischer Kleidung als Aus-
selbstbestimmt ihre Umgebung über die eigene sexuelle ren Geschlechts gilt. Heterosexualität liegt eher einer men: Körper (biologisches Geschlecht); Psyche (psy- druck der eigenen Geschlechtsidentität, die nicht mit
Orientierung/Identität oder Geschlechtsidentität auf. binären Vorstellung von Geschlecht zugrunde. chisches Geschlecht/Geschlechtsidentität); Rolle (sozia- dem Geburtsgeschlecht übereinstimmt. Transvestitis-
les Geschlecht); Begehren (sexuelle Orientierung). mus ist unabhängig von der sexuellen Orientierung.
Drag King/Drag Queen Homosexualität
Frauen oder Männer, die mittels Verkleidung und Sexuelle Orientierung, bei der das sexuelle Begeh- Travestie
Schminke in die Rolle einer männlichen bzw. weiblichen ren ausschließlich bzw. überwiegend Personen des Darstellung einer Bühnenrolle des anderen Geschlech-
Kunstfigur schlüpfen, unabhängig von sexueller Erre- gleichen Geschlechts gilt. Homosexualität liegt eher tes.
gung, Orientierung und geschlechtlicher Identität. einer binären Vorstellung von Geschlecht zugrunde.
bi-
Auszüge aus: Glossar zum Thema „Sexuelle Vielfalt“
sexuell
14 weltbewegt des pro familia-Landesverbandes Hessen e.V. weltbewegt 15
Schwerpunkt
„Ich sehe mich als Brückenbauer“
tung gegenüber anderen Lebensformen reagiert sie
aus meiner Sicht nicht nur auf den wachsenden Einfluss
Der tansanische Theologe Rogers Mtui beobachtet, dass die Haltung der Kirchen zu
der Pfingstkirchen, die gleichgeschlechtliche Partner-
gleichgeschlechtlichen Partnerschaften stark durch den jeweiligen kulturellen Hinter- schaften vollkommen verdammen und dabei von Ver-
grund geprägt ist. hältnissen wie in Sodom und Gomorrha sprechen. Sie
hat auch Angst, die christliche Basis zu verprellen, die in
der Regel noch weit konservativer ist als viele Kir-
chenfunktionäre. Ich wüsste nicht, wie Gemeindeglieder
reagieren würden, wenn sie erführen, dass sich Kirchen-
Sie beschäftigen sich wissenschaftlich mit dem Sie sind überzeugt, dass die Kultur einen starken obere mit einer lesbischen Bischöfin treffen. Ich denke,
Thema Homosexualität in Tansania. Das ist in Ihrem Einfluss auf die Theologie und damit auch auf die viele wären geschockt. Auch das ist ein Grund, warum
Heimatland ein Tabuthema. Was hat Ihr Interesse Kirche hat? das Thema unter der Decke gehalten wird. Hinzu kommt
geweckt? Ganz genau. Das ist auch eines der Ziele meiner Arbeit, noch, dass die Anerkennung anderer Lebensformen von
Rogers Mtui: Seit Jahren prägt das Thema Anerkennung nachzuweisen, wie sehr Tradition und Kultur die Theologie einigen auch als Auswüchse westlichen Lebensstils
gleichgeschlechtlicher Partnerschaften auch die Be- und damit auch Entscheidungen der Kirche beeinflussen. gebrandmarkt wird. Dann heißt es: Das gehört doch nicht
ziehungen unserer Kirche zu anderen Kirchen im Norden. Wie wir die Bibel lesen, ist von unserem kulturellen zu unserer Kultur, das sind die Folgen des Kolonialismus,
Wegen der Unterschiede sind bereits lang bestehende Hintergrund geprägt. Biblische Beispiele werden gesucht, von dem wir uns doch endlich befreien sollten. Damit wird
Partnerschaftsbeziehungen zu anderen Kirchen auf- um unsere Tradition zu untermauern. So wird zum das Thema dann abgekanzelt.
gekündigt worden. Das hat mich sehr beschäftigt. Ich Beispiel aus der Schöpfungsgeschichte vor allem das
frage mich, warum ist das so? Wie kann so ein Thema zu Zusammentreffen zwischen Adam und Eva als Vorbild Mit Ihrer Arbeit werden Sie aber von der evangeli-
so starken Verwerfungen führen? Wie kann es dazu genommen, um zu begründen: So soll es nach Gottes schen Kirche in Tansania unterstützt oder zumin-
kommen, dass sich Christinnen und Christen, die dies- Willen sein. Theologinnen und Theologen interpretieren dest toleriert. Bewegt sich also doch etwas?
bezüglich unterschiedlicher Überzeugung sind, sich aufgrund ihres gesellschaftlich-kulturellen Kontextes die Da wäre ich noch vorsichtig. Aber zumindest wird das
gegenseitig manchmal sogar verdammen? Bibel und auch die Schöpfungsgeschichte anders. Sie Thema gleichgeschlechtlicher Partnerschaften als etwas
betonen dort besonders den Passus, dass Gott das, was gesehen, dass vor dem Hintergrund unterschiedlicher
Haben Sie eine Idee, warum das so ist? er geschaffen hatte, für sehr gut befand, dass jeder gesellschaftlicher Kulturen verschieden bewertet wird.
Meine Hauptthese ist, dass es einen engen Zusammen- Mensch angenommen und ein geliebtes Geschöpf Das weitet den Blick. Kirchenleitende haben schon ein
hang gibt zwischen der Kultur und Tradition eines Landes Gottes ist, unabhängig von der Lebensform. Interesse daran zu verstehen, warum andere Kirchen
und damit, ob die dortigen Kirchen gleichgeschlechtliche anders denken und anders handeln, was den Umgang mit
Partnerschaften anerkennen oder nicht. Das ist auch Ihre Überzeugung? verschiedenen Lebensformen betrifft. Ich hoffe, dass ich
Ja. Ich beobachte, dass diejenigen Staaten in Afrika mit meiner Arbeit einen Beitrag zur besseren Verstän-
Fotos: U. Plautz (1), K. Manson/REUTERS (1), T. Mukoya/REUTERS (1), Gwamaka Charles (1)
Was heißt das konkret? gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und Ehen digung zwischen langjährigen internationalen kirchlichen
In unserer Kultur ist das Wichtigste einer Ehe, dass Kinder anerkennen, die in ihrer Geschichte eine starke bür- Partnerschaften leisten kann. Und sei es nur, dass man
Rogers Mtui geboren werden. Von diesem Verständnis her kann eine gerrechtliche Bewegung haben. So zum Beispiel in die eigene Überzeugung nicht als absolut betrachtet,
ist evan- Ehe oder eine Beziehung zwischen gleichgeschlechtlichen Südafrika, wo das Civil Rights Movement schon immer sondern als etwas, das durch den eigenen kulturellen
gelischer Ehepartnern allein schon deshalb nicht legitim sein, weil sehr stark war. In Ländern, wo die Menschenrechte im Kontext geprägt ist. Ich möchte dazu beitragen, dass
Theologe aus aus ihr keine Kinder hervorgehen. Davon sind die Vordergrund stehen, werden auch andere Lebensformen Kirchen über traditionelle Grenzen hinweg auch bei
Tansania und Menschen nicht nur in Tansania, sondern auch in vielen toleriert. Das ist auch in den meisten europäischen diesem Thema sprachfähig bleiben. In dem Sinne sehe
Stipendiat an anderen afrikanischen Ländern überzeugt. Kultur und Ländern so. Hier geht es um das Recht aller Menschen, ich mich auch als Brückenbauer.
der Missions- Tradition sind heute noch von einem gewissen Stammes- unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller
akademie der denken geprägt, wenn auch lange nicht mehr so stark Orientierung. Hier gehen alle Menschen für ihre Rechte
Universität wie noch vor einem Jahrhundert. Ich selbst bin am auf die Straße. Dass Homosexuelle für ihre Rechte auf
Hamburg. Kilimandscharo aufgewachsen und gehöre zum Stamm die Straße gehen, wäre in Tansania nicht möglich. Hier ist
der Chagga. Wir alle haben, bewusst oder unbewusst das das Thema ein absolutes Tabu. Menschen, die eine Moden ändern sich – und die Lebensformen.
Gefühl, dass wir für unseren Stamm oder unsere Gruppe gleichgeschlechtliche Partnerschaft haben, leben im Ver- Nur findet Letzteres im Verborgenen statt. Denn
Nachkommen erzeugen müssen. Bis heute gelten Ehen borgenen und schweigen. Eine lesbische Bischöfin, wie in Tansania ist das offizielle Ideal immer noch das
ohne Kinder als Problemfälle. Das ging vor einiger Zeit es sie in der schwedischen Kirche gibt, wäre für unsere Bild der klassischen Familie.
noch so weit, dass es Frauen in bislang kinderlosen Ehen Kirche noch undenkbar.
erlaubt oder sogar geraten wurde, vorübergehend einen Fotos: Modenschau in Dar es Salaam (Mitte).
anderen Partner zu nehmen, nur um ein Kind bekommen Wie sieht in dieser Hinsicht die Entwicklung in Ihrer Ein Maasai schminkt sich zur Vorbereitung für
zu können. Nur wer Kinder hat, so die Vorstellung, lebt Kirche aus? die Maasai-Olympics (links)
auch in Zukunft weiter. Nur durch leibliche Kinder wird Leider beobachte ich einen Backlash in unserer Gesell-
die Fortsetzung der eigenen Kultur gewährleistet. Vor schaft, eine Rückwärtsbewegung, die sich auch in un-
Das Interview diesem traditionellen Hintergrund ist auch Adoption keine serer Kirche ausbreitet. Das wird aus meiner Sicht auch
führte Ulrike Plautz. Möglichkeit. erst einmal so bleiben. Mit ihrer strikt ablehnenden Hal-
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