Wir brauchen GROSSES für die Kleinen - GEW Berlin
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bbz BERLIN 70. (85.) JAHRGANG JULI / AUGUST 2017 Berliner Bildungszeitschrift Wir brauchen GROSSES für die Kleinen SOZIALPÄDAGOGIK GEWERKSCHAFT SCHULE Der Nachwuchs Der Kampf um Arbeitszeit Wenn Schüler*innen wird verheizt ist nötiger denn je Pflege brauchen
2 ZEITSCHRIFT FÜR DIE MITGLIEDER DER GEW BERLIN bbz | JULI / AUGUST 2017 INHALT Leute | Standpunkt | kurz & bündig | Impressum | Leser*innenforum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-5/27-28 TITEL Wir brauchen Großes für die Kleinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Die Grundschulen bleiben auf ihren Problemen sitzen A. Schaller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Drei pädagogische Konzepte für den Schulein- stieg – Interview mit Heike Buick, Lara Tilsner und Philipp Lorenz A. Schaller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Als Studienrat an der Grundschule – Ein Erfahrungsbericht A. Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 12 SOZIALPÄDAGOGIK Die berufsbegleitende Ausbildung Auch Grundschulen brauchen zum*r Erzieher*in soll Löcher stopfen, die der Fachkräfte Funktionsstellen P. Müller. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 mangel reißt. In den Einrichtungen übernehmen die Lernenden von Anfang an die Aufgaben vollständig ausgebildeter SOZIALPÄDGOGIK Kolleg*innen. Ohne Nachbesserungen ist das hochgradig belastend, findet Cem Erkisi Die berufsbegleitende Ausbildung läuft falsch C. Erkisi. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 SCHULE Was tun bei der Medikamentengabe F. Dettmer. . . . . 14 BERUFLICHE BILDUNG Studienplatzausbau geht zu Lasten der Lehre J. Babiel / N. Oelrichs / B. Tober . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 SEMINARPROGRAMM TITELBILD: BERTOLT PRÄCHT; OBEN: PICTURE-FACTORY/FOTOLIA; MITTE: BUBUTU/FOTOLIA, UNTEN: TECH_STUDIO/FOTOLIA Zweites Halbjahr 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I-VIII 14 SCHULE Die Verunsicherung beim Thema Medikamenten gabe und Pflege in der Schule ist groß auf Seiten der GEWERKSCHAFT Pädagog*innen. Und das zu recht. Florian Dettmer berichtet Der Kampf um die Arbeitszeit J. Tetzner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 von einer gut besuchten Veranstaltung der GEW, des Grundschulverbandes und des Verbands Sonderpädagogik Ein Plakat und die Idee dahinter – Interview mit Franziska Kühn P. Baumann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 »Es gibt sehr viele geflüchtete Lehrkräfte in Deutschland« – Interview mit Ghasan Dawud und Hassan Alhashem J. Zacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 TENDENZEN Kotti & Co – Eine Initiative gegen die Gentrifizierung D. Kretschmann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 GLOSSE Mutti auf Reisen R. Schiweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 18 GEWERKSCHAFT Die gewerkschaftliche Vernetzung im SERVICE Kampf um kürzere Arbeitszeiten lässt zu wünschen übrig. Da bei verschärft die Entgrenzung der Arbeit nicht nur die Arbeits Bücher | Materialien | Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 belastung von Lehrkräften. Ein Plädoyer für mehr Solidarität im Kampf um kürzere Arbeitszeit von Jörg Tetzner
JULI / AUGUST 2017 | bbzSTANDPUNKT 3 LEUTE Nicht mehr als eine Peter Baumann und Rainer Hansel ver- abschieden sich nach jahrzehntelanger Mitarbeit aus dem Geschäftsführenden Mogelpackung Landesvorstand der GEW BERLIN. Bei der Die Senatsverwaltung stellt die Personal Frühjahrs-LDV traten sie nicht noch ein- zumessung an Grundschulen um. Verlieren mal an und machten Platz für den Gene- werden besonders die Schulen in schwieriger rationenwechel. In den Ruhestand gehen sie aber noch nicht. Peter, seit 1991 im Lage. Was als gerechte Maßnahme verkauft GLV, ist seit kurzem Vorsitzender des Me- wird, soll in Wahrheit die Versäumnisse der te-Eks,i-Fonds. Rainer, im GLV seit 1999, Vergangenheit verschleiern bleibt Vorsitzender des Personalrats des Hochschulbereichs der Humboldt-Univer- sität. Wir wünschen beiden alles Gute! Bisher bekam eine Schule für jede Klasse von Tom Erdmann, Vorsitzender eine feste Zahl an Lehrkräftestunden. Silvia Federici, emeritierte Professorin für der GEW BERLIN Künftig gilt die Personalzumessung pro Politische Philosophie aus New York, war Kind. Eine Verteilung pro Kind statt Klas- im Juni mit einem sehr gut besuchten Vor- se hört sich gut an. Entscheidend ist aber, trag zu Gast in der Rosa-Luxemburg-Stif- tung (RLS). Federici wurde bekannt durch ihr Buch »Caliban und die Hexe«. Es han- E s war absehbar: Einem großen Plus an Schüler*innen steht ein wachsender Mangel an Pädagog*innen und Räumen ge wie der Zumessungsschlüssel aussieht. Ein Beispiel: Für eine erste Klasse gab es bisher 22,5 Stunden, plus eine halbe delt vom Versäumnis der marxistischen genüber. Seit Jahren weisen wir darauf hin Stunde ab dem 25. Kind. Ab dem kom- Theorie und der Arbeiter*innenbewegung, und fordern, dass Berlin zügig Schulge- menden Schuljahr bringt jedes Kind 0,93 Hausarbeit, Pflegearbeit und Erziehungs- bäude baut, mehr Erzieher*innen und Lehr Stunden mit. Bei einer Klasse mit 24 Kin- arbeit – kurz: Frauenarbeit – in ihren Ar- kräfte ausbildet und die Arbeitsbedin- dern macht die Umstellung kaum einen beitsbegriff mit einzubeziehen. Die RLS gungen an den Schulen verbessert – so, Unterschied. Im Durchschnitt lernen in bietet eine Videoaufzeichnung des Vor- dass die Kolleg*innen hier gerne arbeiten. einer Berliner Grundschulklasse heute trags auf ihrer Webseite an. Doch passiert ist viel zu wenig. Auf den aber 22 Kinder. Legen wir diese Größe zu- Mangel an Fachkräften reagiert die Bil- grunde, bedeutet die Umstellung pro dungsverwaltung nun – wie in den Kitas Klasse ein Minus von zwei Stunden. Viele Anja Schillhaneck (Grüne) hatte sich – mit dem Absenken der Qualität. Ohne Schulen haben also erst einmal weniger beim Senat informiert, welche Kooperatio- Anleitung unterrichten immer mehr Quer Lehrkräftestunden zur Verfügung. Die nen es zwischen Vertragshochschulen einsteiger*innen den Nachwuchs. Der Schulen müssen de facto größere Klassen und Bundeswehr gibt. Dabei kam heraus, Raum mangel wird durch Zahlentricks einrichten, damit sie auf die bisherige dass die Alice Salomon Hochschule (ASH) weggerechnet. Und mit den neuen Zu- Ausstattung mit Lehrkräfte-Stunden kom- im Studiengang Gesundheits- und Pflege- messungsrichtlinien werden an vielen men. management einen unbefristeten Koope- Schulen die Klassen größer werden. »Es wird niemandem schlechter gehen rationsvertrag mit dem Sanitätsdienst der Getarnt wird die Umstellung als »Ge- als zuvor – dafür vielen besser.« Was Hel- Bundeswehr unterhält. Der Webseite des rechtigkeit«. Denn betroffen sind vor al- mut Kohl am Tag der Währungsunion ver- ASTA ist nun zu entnehmen, dass es ab lem die Schulen mit bisher vergleichswei- kündete, betont nun auch die Senatsver- dem Sommersemester keine Kooperation se kleinen Klassen, während die Schulen waltung. Sie stellt einen Ausgleichstopf mit der Bundeswehr mehr geben soll. mit besonders großen Klassen von der zur Verfügung, aus dem die schlechter Umstellung profitieren dürften. Das klingt gestellten Schulen bedient werden sollen. erst einmal gerecht, ist aber »Augenwi- Doch zum einen ist dieses System nicht Mark Rackles (SPD) hat »mit Fischen kei- scherei«. Denn die Gewinne auf der einen transparent: weder für Schulleitungen, ne Probleme«. Die Lehrerin aus Wedding, Seite wiegen die Verluste auf der anderen Kolleg*innen oder Eltern. Zum anderen der jüngst das Tragen des Kreuzes verbo- Seite nicht auf. Insgesamt wird sich die werden auch im besten Fall nicht alle Ver- ten wurde, darf weiterhin ein christliches Personalausstattung verschlechtern, weil luste kompensiert. Denn mit einer halben Fisch-Symbol um den Hals tragen. Das die Senatsverwaltung nicht mehr ausrei- Stelle weniger – gemessen an der heuti- Neutralitätsgesetz schreibt Lehrer*innen chend Pädagog*innen findet. gen Schüler*innenzahl – sollen die Brenn- vor, in der Schule keine religiösen Sym- Besonders getroffen werden die Schwa- punktschulen ohne Ausgleich zurecht- FOTO: FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG bole zu tragen. Dabei schien es bisher chen: Grundschulen mit einem hohen kommen. vor allem um das muslimische Kopftuch Anteil lernmittelbefreiter Schüler*innen, Unsere Abfrage an 18 Grundschulen in zu gehen. Eine Überforderung der Schu- mit vielen Schüler*innen nicht-deutscher Mitte zeigt: Im nächsten Schuljahr wird in len mit den verschiedenen Lesarten des Herkunftssprache oder mit einem hohen jeder dieser Klassen im Schnitt ein Stuhl Gesetzes räumte Staatssekretär Rackles Anteil mit sonderpädagogischem Förder- mehr stehen. Die Senatsverwaltung ver- ein. Daher werde es bald eine Handrei- bedarf. Dabei sind sich alle Fachleute ei- kauft also eine Absenkung der Qualität chung geben. Bis dahin werde nichts ver- nig, dass gerade diese Schulen mehr Un- als Maßnahme für mehr Verteilungsge- folgt. terstützung bräuchten und nicht weniger. rechtigkeit.
4 KURZ & BÜNDIG bbz | JULI / AUGUST 2017 Der Anteil an lernmittelbefreiten Kindern an Gymnasien beträgt 19, an ISS mit Oberstufe 35 und an ISS ohne Oberstufe 54 Prozent. ■■ Gewalt an Schulen nimmt zu Im ersten Schulhalbjahr 2016/17 wurden der Bildungsverwaltung 430 schwere kör- perliche Übergriffe gemeldet. Das sind doppelt so viele wie noch vor wenigen Jahren. Darunter sind 50 Fälle von Waf- fenbesitz und 12 von Waffengebrauch. Besonders stark haben sexuelle Übergrif- fe zugenommen, 45 wurden gemeldet. Das Schulpersonal wurde 280 Mal ange- griffen. Bildungssenatorin Sandra Schee- res verwies auf die Schulpsychologie, die beratend zur Seite stehen kann. Außer- dem hätten sich die Notfallpläne »als Standardwerk« bewährt. Eigentlich wollte das Kuratorium der TU Berlin nur einen neuen Kanzler wählen. Doch dann ■■ Förderung der Lehre gab es Besuch von der Initiative TVStud und das Gremium musste sich mit den Forderungen institutionalisieren der studentischen Beschäftigten befassen. Nach 16 Jahren Reallohnverlust wollen die Studie Der Wissenschaftsrat hat die Einrichtung renden endlich eine Tariferhöhung. Und: Sie sind bereit dafür zu kämpfen einer eigenständigen Förderorganisation für die Lehre an Hochschulen gefordert. Eine »Deutsche Lehrgemeinschaft« würde ■■ Teilzeit ist kein Einzelfall ■■ Bundesmittel für Kitas mehr Sichtbarkeit und eine einheitliche In einem offenen Brief hatten die Frauen- Die Bundeskonferenz der Jugend- und Strategie herstellen. Konkret soll im Jahr vertreterinnen von Tempelhof-Schöneberg Familienminister hat auf Berliner Antrag 2020, nach Ablauf des Qualitätspaktes und Charlottenburg-Wilmersdorf, Elke Gab- ein Eckpunktepapier zur Qualitätsverbes- Lehre, das gleiche finanzielle Volumen in riel und Sabine Pregizer, Bildungssenatorin serung an Kitas beschlossen. Ab 2018 solch eine Gründung fließen. Das hieße Sandra Scheeres aufgefordert, die Rechte sollen bundesweit jährlich eine Milliarde etwa 200 Millionen Euro jährlich. Die teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte endlich Euro und mehr in Fachkräftegewinnung Hochschulrektorenkonferenz ist indes umzusetzen (bbz März 2017). In seinem und Inklusion fließen. Das Paket umfasst dagegen. Man brauche keine neuen Insti- Antwortschreiben auf den offenen Brief unter anderem die Anerkennung des Er- tutionen, sondern eine klar konzipierte hatte Scheeres’ Staatssekretär Mark Rackles zieher*innenberufs als Mangelberuf, das und verlässliche Hochschulfinanzierung dann auf die neuen »Empfehlungen für Anwerben ausländischer Fachkräfte und von Bund und Ländern. den Einsatz teilzeitbeschäftigter Lehr- die finanzielle Unterstützung des dritten kräfte« verwiesen. Diese sollen die Schul- Ausbildungsjahres. Berlin kann laut Senat leitungen laut Rackles darin unterstützen, mit einem höheren zweistelligen Millio- ■■ Privatschulen verweigern Angaben »ausgewogene Einzelfallentscheidungen nenbetrag pro Jahr rechnen. Um die gro- zu Schulgeld zu treffen«. Den Frau envertreterinnen ßen Herausforderungen im Kita-Bereich Jede*r zehnte Berliner Schüler*in be- reicht das nicht. Teilzeitbeschäftigte wür- zu stemmen, wird aber auch das Land sucht eine Privatschule. Der SPD-Abge- den damit in unzulässiger Weise als Ein- Berlin mehr investieren müssen. ordnete Joschka Langenbrinck wollte im zelfälle abgetan, kritisierten Gabriel und Mai von der Senatsbildungsverwaltung Pregizer. Berlinweit arbeiten von insge- wissen, wie hoch das Schulgeld an ein- samt 30.938 Lehrkräften immerhin 8.084 ■■ Segregation bleibt bestehen zelnen Privatschulen ist, wie ihre Ermä- in Teilzeit, davon 6.727 Frauen. Jede drit- Eine Studie des Wissenschaftszentrums ßigungsregeln lauten und wie hoch der te weibliche Beschäftigte ist demnach Berlin (WZB) sagt, dass trotz Schulstruk- Anteil lernmittelbefreiter Schüler*innen FOTO: CHRISTIAN VON POLENTZ/TRANSITFOTO.DE betroffen. Die Frauenvertreterinnen wer- turreform die Segregation nach sozialer ist. Pikant ist die Frage vor allem des- fen der Senatsverwaltung Intransparenz Herkunft an Berliner Schulen bestehen halb, weil das WZB Anfang des Jahres vor. »Ausgewogene« Einzelfallentschei- bleibt. Dazu wurden Daten der Senatsver- argumentiert hatte, dass die Genehmi- dungen seien nicht verifizierbar. Es sei waltung zur Anzahl von Schüler*innen gung von Privatschulen bei fehlender unverzichtbar, dass für jede Schule Ent- mit Lernmittelbefreiung für die Schuljah- sozialer Durchmischung nicht grundge- lastungsstunden zum anteiligen Arbeits- re 2007/08 bis 2016/17 untersucht. Die setzkonform sei. Die Arbeitsgemein- zeitausgleich der Teilzeitbeschäftigten Unterschiede zwischen Sekundarschulen schaft der freien Schulen reagierte mit bereitgestellt werden. Diese müssten in mit und ohne eigene Oberstufe sind wei- Ablehnung auf die Anfrage. Es sei unüb- den Zumessungsrichtlinien 2017/2018 terhin größer als die zwischen Sekundar- lich Daten in diesem Umfang zu erheben. verankert werden. schulen mit Oberstufe und Gymnasien. Schulgeldregelungen und Einkommens-
JULI / AUGUST 2017 | bbz KURZ & BÜNDIG 5 begriffe seien zu vielfältig, um sie ein- terhaltsvorschüssen und weitere 24 Stel- ÜBRIGENS heitlich zu erfassen. len für Mitarbeiter*innen, die die Digita- lisierung der Bezirksverwaltung voran- ■■ Nur noch 15 Prozent erhalten BAföG Die vom Studentenwerk in Auftrag gege- treiben sollen. Die restlichen 819 Stellen sollen die Bezirke selber vergeben. G efühlt ist der eine oder die andere viel leicht schon im Sommerurlaub und den gönnen wir euch allen auch sehr. Eine bene Studie des Forschungsinstituts für Bitte geben wir euch aber mit. Es ist bald Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) hat ■■ Sanierungsbedarf deutlich höher wieder an der Zeit für unsere Redaktion, bestätigt: Selbst der BAföG-Höchstsatz Der Senat hatte die Kosten für die Sanie- das letzte Jahr Revue passieren zu lassen. von 735 Euro, den nur Wenige überhaupt rung der Berliner Schulgebäude auf 4,2 Wir fahren auf Klausur, um unsere Arbeit bekommen, ist viel zu niedrig. Schon im Milliarden Euro geschätzt. Das seien drei zu evaluieren. Wir besprechen, was gut Frühjahr hat die GEW zusammen mit dem Milliarden Euro zu wenig, haben nun die gelaufen ist, was eventuell anders laufen DGB und anderen Gewerkschaften im »Al- Bezirksbürgermeisterin von Steglitz-Zeh- sollte und planen für das nächste Jahr. ternativen BAföG-Bericht« herausgefunden, lendorf, Cerstin Richter-Kotowski (CDU) dass nur noch 15 Prozent aller Studieren- den überhaupt BAföG erhalten. Viele Stu- dierende aus sozial weniger privilegier- und der CDU-Bezirkschef Thomas Heil- mann anhand einer eigenen Rechnung eingewendet. Sie bezogen in ihre Summe E s ist für uns natürlich besonders inter- essant zu erfahren, wie ihr das so seht. Wenn ihr Anregungen für Inhalte ten Schichten brechen ihr Studium vor- von 7,25 Milliarden Euro auch Bauneben- oder Gestaltung der bbz für das Jahr 2018 zeitig ab, weil das BAföG die gestiegenen kosten, Kosten für Außenanlagen und für habt oder uns schon immer etwas sagen Lebenshaltungskosten – insbesondere die unvorhersehbare Probleme, die vor allem wolltet, lasst es uns jetzt wissen. Dann Miete – nicht deckt. GEW-Vize Andreas Kel- bei Altbausanierung auftreten, ein. Auch nehmen wir eure Ideen mit auf die Klau- ler forderte daher, eine umfassende Aktu- die IT-Ausstattung werde teurer als vom sur. Schreibt uns an bbz@gew-berlin.de. alisierung des BAföG zur Priorität einer Senat geschätzt. Wir würden uns darüber freuen. neuen Bundesregierung zu machen. ■■ Studienabbrüche unverändert hoch ■■ Sozialversicherungsbeiträge auf VBL- Eigenanteile werden zurückgezahlt W ir gehen jetzt aber erst einmal in die Sommerpause. Auf die nächste bbz müsst ihr zwei Monate warten. Bis da- Nach wie vor bricht knapp ein Drittel al- Öffentliche Arbeitgeber in den neuen hin, habt eine gute Zeit, erholt euch und ler Studierenden die Uni ab, allerdings Bundesländern können die Erstattung genießt den Sommer! CMdR frühzeitiger als zuvor. Das hat eine Studie von Sozialversicherungsbeiträgen verlan- des Deutschen Zentrums für Hochschul- gen, die sie in der Vergangenheit auf Zu- und Wissenschaftsforschung (DZHW) erge- wendungen zur Versorgungskasse des VON MITGLIEDERN FÜR MITGLIEDER ben. Mehr als 6.000 Exmatrikulierte aus Bundes und der Länder (VBL) gezahlt ha- 32 Unis und 28 Fachhochschulen wurden ben. Dies hat der 12. Senat des Bundesso- Die Redaktion freut sich über Beiträge zu befragt. An Unis ist die Quote leicht ge- zialgerichts in einem Musterverfahren vielfältigen Themen, von jedem GEW- sunken. An FHs ist sie von 19 Prozent im entschieden und damit die Entscheidung Mitglied. Also schreibt für die bbz! Schickt Jahr 2006 auf 27 Prozent drastisch ge- der Vorinstanz bestätigt (Az. B 12 KR eure Texte an bbz@gew-berlin.de und stiegen. Als Hauptgründe werden zu hohe 6/16 R). Im VBL-Abrechnungsverband Ost bringt euch ein! Leistungsanforderungen, mangelnde Mo- sind die Beschäftigten tarifvertraglich REDAKTIONSSCHLUSS – tivation, fehlende Praxis und die schlech- verpflichtet, einen Eigenanteil zur Finan- JETZT IMMER MITTWOCHS! te Finanzierung genannt. Studierende mit zierung beizutragen. Das Land Berlin Oktober: 30. August 2017 Migrationshintergrund brechen nach wie führte für diesen Eigenanteil sowohl Ar- November: 27. September 2017 vor noch häufiger, über 40 Prozent, ihr beitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Studium ab. Knapp die Hälfte der Abbre- Sozialversicherung an die beklagte Kran- cher*innen fangen innerhalb eines Jahres kenkasse wie auch Lohnsteuer an das Fi- IMPRESSUM eine Berufsausbildung an. Ein Drittel geht nanzamt ab. Seit einem Urteil des Bun- Die bbz ist die Mitgliederzeitschrift der Gewerkschaft Erziehung und arbeiten. Elf Prozent sind zumindest vo- desfinanzhofs vom 9. Dezember 2010 Wissenschaft, Landesverband Berlin, Ahornstr. 5, 10787 Berlin und rübergehend arbeitslos. steht jedoch fest, dass diese Eigenanteile erscheint monatlich (10 Ausgaben) als Beilage der E&W. Für Mit glieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Für Nicht steuerfrei und damit als Zuwendungen mitglieder beträgt der Bezugspreis jährlich 18 Euro (inkl. Versand). zur betrieblichen Altersvorsorge auch Redaktion: Caroline Muñoz del Rio (verantwortlich), Markus Hanisch (geschäftsführend), Janina Bähre, Doreen Beer, Jens ■■ 1.254 neue Vollzeitstellen in 2018 beitragsfrei in der Sozialversicherung Glatzer, Josef Hofman, Manuel Honisch, Arne Schaller, Ralf Schiweck, Folker Schmidt, Bertolt Prächt (Fotos), Gelareh Shapar Der Senat schafft 1.254 zusätzliche Voll- sind. Das Land Berlin klagte daraufhin (student. Hilfskraft), Doreen Stabenau (Sekretariat). zeitstellen im öffentlichen Dienst. Das ist auf Erstattung der von ihm gezahlten Bei- Redaktionsanschrift: Ahornstraße 5, 10787 Berlin, Tel. 21 99 93-46, Fax –49, E-Mail bbz@gew-berlin.de das Ergebnis der Arbeitsgruppe »Ressour- träge zur Sozialversicherung. Das Bun- Anzeigen und Verlag: GEWIVA GmbH, erreichbar wie Redaktion. Für Anzeigen gilt die Preisliste Nr. 12 vom 1. November 2013 censteuerung«, bestehend aus der Senats dessozialgericht hat zugunsten des Lan- Satz, Layout und Konzept: bleifrei Texte + Grafik/Claudia Sikora/Jür verwaltung für Finanzen und den Ver des Berlin und dessen Beschäftigten ent- gen Brauweiler, Erkelenzdamm 9, 10999 Berlin, Tel. 61 39 36-0, Fax -18, E-Mail info@bleifrei-berlin.de treter*innen der Bezirke. 120 neue Arbeits schieden. Wann es zu einer Zurückzah- Druck: Bloch & Co, Prinzessinnenstr. 26, 10969 Berlin plätze entstehen in den Bau- und Pla- lung kommt, ist leider noch nicht abzu- ISSN 0944-3207 07-08/2017: 29.000 nungsämtern, 52 in der Flüchtlingsbetreu sehen. Unverlangt eingesandte Besprechungsexemplare und Beiträge ung, 105 neue Musikschullehrer*innen wird werden nicht zurückgeschickt. Die Redaktion behält sich bei allen es geben, 36 neue Mitarbeiter*innen in den Mehr Kurznachrichten unter Beiträgen Änderungen vor. Beiträge nur per E-Mail einsenden. Die in der bbz veröffentlichten Artikel sind keine verbandsoffiziellen Jugendämtern zur Bearbeitung von Un- www.gew-berlin.de/196.php Mitteilungen, sofern sie nicht als solche gekennzeichnet sind.
6 WIR BRAUCHEN GROSSES FÜR DIE KLEINEN TITEL bbz | JULI / AUGUST 2017 Wir brauchen GROSSES für die Kleinen FOTO: BERTHOLT PRÄCHT
JULI / AUGUST 2017 | bbzTITEL 7 Grundschulen bleiben auf WIR BRAUCHEN GROSSES FÜR DIE KLEINEN Problemen sitzen Die Senatsbildungsverwaltung kaschiert mit angeblichen Verbesserungen die eigenen Fehler der letzten Jahre. Für die Kolleg*innen an Grundschulen bringen diese weitere Belastungen mit sich bildetem Personal eine noch stärkere Belastung ent- von Arne Schaller steht. Er bemängelt, dass neue pädagogische Impulse zunehmend fehlen und zeigt Lösungsansätze auf M it der Anpassung der Bezahlung von Grund- schullehrkräften an das Niveau der Oberschu- len erkennt der Senat endlich an: Die pädagogische (Seite 11). Belastung drückt auf die Qualität Arbeit im Primarbereich ist anspruchs- und wertvoll. Doch leider bleiben nach wie vor die Rahmenbedin- Die Berliner Bildungspolitik wird ihren eigenen An- gungen für diese Arbeit auf der Strecke. So könnten sprüchen nicht gerecht. Sie fordert Inklusion auf mit der neuen Zumessungsrichtlinie für pädagogi- breiter Linie, sorgt aber nicht für die angemessene sches Personal viele Grundschulen bald weniger personelle Ausstat- Lehrkräftestellen erhalten, wenn sie weniger als 24 tung. Sie redet von Schüler*innen je Klasse haben. Der angekündigte Chancengleichheit Frequenzausgleich soll kleine Grundschulen zwar und überzieht die Pä- vor Nachteilen schützen, bedeutet für die Schullei- dagog*innen mit zu- tungen aber einen zusätzlichen bürokratischen Auf- sätzlichen Aufgaben wand. Die ohnehin schon überlasteten Grundschu- ohne entsprechende len, so mahnt Tom Erdmann im Standpunkt dieser Entlastung. Sie ver- Ausgabe, bräuchten mehr Unterstützung und nicht spricht den Eltern die weniger. individuelle Gestal- An Berliner Grundschulen entsteht zunehmend tung der Lernprozes- noch ein anderes Problem. Der Senat hat es über se, schafft es aber Jahre verschlafen, neue Schulgebäude zu errichten nicht, ausreichend und bestehende zu erweitern. Trotz des Wissens um Personal und Räume die wachsende Stadt. Als Lösung werden nun an im- zur Verfügung zu mer mehr Schulen die Klassenfrequenzen erhöht. stellen und erhöht Viele Kolleg*innen an Grundschulen befürchten, stattdessen die Klas- dass sie zukünftig bis zu 27 Kinder in ihren Klassen senfrequenzen. Sie unterrichten müssen. Kommen dann noch die Kin- verankert moderne Pädagogik in der Planung neuer Kleine Kinder: der aus den Willkommensklassen hinzu, die schritt- Schulgebäude, läuft dem Sanierungsrückstau aber kleines Geld, weise in die Regelklassen integriert werden, sind hoffnungslos hinterher. Welche Folgen all dies in der große Kinder: auch 30 Kinder je Klasse nicht mehr fern. Die Schu- Praxis hat, schildern drei Lehrkräfte in einem Ge- großes Geld – ein len bekommen dafür dann zwar ein paar Lehrkräf- spräch zum Vergleich unterschiedlicher Schulein- Ansatz aus dem letz testunden mehr zugewiesen. Den Großteil der Arbeit stiege auf den nachfolgenden Seiten. ten Jahrhundert werden die Kolleg*innen aber weiterhin alleine stem- Die Arbeit an Grundschulen ist anspruchs- und men müssen. wertvoll. Um die Qualität dieser Arbeit zu sichern, Neben der gestiegenen Belastung der Lehrkräfte ist es dringend nötig den Beruf attraktiver zu gestal- müssen diese auf einer weiteren vom Senat ver- ten. Dies kann nur mit raschen Veränderungen funk- schuldeten Baustelle schuften. Trotz der lange be- tionieren: eine bessere personelle Ausstattung, die kannten Pensionierungswelle wurden erst im letzten Absenkung der Pflichtstundenzahl, der Abbau von Jahr die Studienplätze für das Grundschullehramt an Verwaltungsaufgaben und die zügige Umsetzung der den Berliner Universitäten aufgestockt. Viel zu spät, Baumaßnahmen wären wichtige Schritte. um dem Lehrkräftemangel begegnen zu können. In der letzten Einstellungsrunde waren nur 18 Prozent der Neueinstellungen ausgebildete Grundschullehr- FOTO: BERTHOLT PRÄCHT kräfte! Die Oberschullehrkräfte und Quereinstei- Arne Schaller, ger*innen, die diese Lücke schließen sollen, benöti- Mitglied der bbz-Redaktion gen aber eine intensivere Einarbeitung, wie Alexan- der Reich aus eigener Erfahrung berichtet (Seite 10). Paul Müller erläutert, dass aus unzureichend ausge-
8 TITEL bbz | JULI / AUGUST 2017 Drei Wege für den Schuleinstieg WIR BRAUCHEN GROSSES FÜR DIE KLEINEN Nach den Ferien werden in Berlin über 28.400 Kinder eingeschult. Für sie gibt es drei unterschiedliche Wege in die Schule. Die flexible Schulanfangsphase (Saph) umfasst die Jahrgangsstufen 1 und 2 und wird als pädagogische Einheit gesehen. Im Jahrgangsübergreifendes Lernen (JüL) werden sogar die Jahrgangsstufen 1 bis 3 vereint. Immer mehr Schulen wenden sich allerdings von den Reformen der vergangenen Jahre ab und kehren zu jahrgangsbezogenen Lerngruppen zurück. Ein Interview mit Heike Buick, Lara Tilsner und Philipp Lorenz über pädagogische Konzepte in der Grundschule ßen« lernen Verantwortung zu übernehmen. Soziale Das Gespräch führte Arne Schaller Kompetenzen können in jahrgangsübergreifenden Lerngruppen gut gefördert werden. Lorenz: Das direkte Erleben der eigenen Entwick- Ihr kommt von drei verschiedenen Grundschulen und lungsmöglichkeit am Vorbild ist ein wichtiger Punkt unterrichtet jeweils eine andere Art der Schulanfangs- unter vielen anderen Vorteilen für unsere Schüler*in- phase. Könnt ihr jeweils beschreiben, welche Vorteile nen. Gerade in einer Brennpunktschule mit großen »eure« Form des Schuleinstiegs bringt? sprachlichen und sozialen Entwicklungsschwerpunk- Heike Buick: Ich bin Lehrerin an der Grundschule ten ist die Möglichkeit des »Verweilens« für drei Jah- am Barbarossaplatz. Wir unterrichten die Jahrgangs- re in der zweijährigen Saph ein nicht zu unterschät- stufen 1 bis 3 gemeinsam. Vorteilhaft finde ich dar- zender Vorteil. Und das, ohne den Beigeschmack des an, dass in jedem Schuljahr nur ein Drittel der Kin- »Sitzenbleibens«. der wechselt und die Kinder des 3. Jahrgangs bei Gruppenarbeiten meistens schon souveräner agieren Gab oder gibt es Diskussionen im Kollegium über eine können. Außerdem können die Änderung der Form? Schüler*innen flexibel – mit oder Tilsner: Das Kollegium möchte diese Form beibe- ohne Lehrkraft – nach Leistungs- halten und aktuell gibt es keine Diskussionen über »Mit sicherer Personaldecke und Entwicklungsstand, nach Inter- essen oder sozialen Kontakten in eine Änderung. Buick: Auch bei uns gibt es keine Diskussionen lassen sich auch unterschiedlichen Kleingruppen über einen Wechsel. Jahrgangsübergreifender Unter- herausfordernde Konzepte arbeiten. richt wird aber als Herausforderung gesehen. Eltern ist Lara Tilsner: Bei uns an der jahr- die damit verbundene Unterrichtsorganisation manch umsetzen« gangsbezogenen Grundschule Ger- mal schwer zu vermitteln. Hospitationen können da Philipp Lorenz, Kommissarischer mendorf lernen die Schüler*innen aber Abhilfe schaffen und einen Einblick geben. Schulleiter an der Wedding-Schule nach der Einschulung den Schulall- Lorenz: Unser Kollegium ist in ständiger Diskussion tag gemeinsam kennen. Die jahr- über alle Unterrichtsformen und Konzepte. Auch be- gangshomogene Lerngruppe wächst züglich der Saph gibt es bei uns ernstzunehmende zusammen und lernt bis zur 6. Bedenken. Klasse gemeinsam. Neue Inhalte können allen Kin- dern gleichzeitig erklärt werden. Sie arbeiten da- Welche Gründe oder Bedenken werden genannt? durch weniger unbeaufsichtigt in ihren Heften, weil Lorenz: Das Konzept kann nur so gut sein, wie die die Lehrkräfte keiner Teilgruppe etwas anderes er- Bedingungen es zulassen. Wir müssen hier einen klären müssen. ehrlichen, kritischen und vor allem schulscharfen Philipp Lorenz: An der Wedding-Schule, deren Blick haben, um die Schüler*innen bestmöglich zu kommissarischer Schulleiter ich bin, arbeiten wir fördern und auszubilden. Außerdem benötigt die mit der flexiblen Schulanfangsphase (Saph). Die Vor- Saph eine extrem starke Professionalisierung und teile sind ähnlich der jahrgangsübergreifenden Kon- das in einer Zeit, in der es nicht einfach ist, voll zeption. Zu nennen wäre hier zuerst der soziale Be- ausgebildete Grundschullehrkräfte zu gewinnen. Das reich, das von- und miteinander Lernen, aber auch führt in der Praxis häufig dazu, dass die Kolleg*in- die unmittelbare Notwendigkeit einen individuali- nen durchgehend in der Schulanfangsphase unter- sierten Unterricht anzubieten, was direkte Auswir- richten. Ich kann verstehen, dass das auch ermü- kung auf die Unterrichtsqualität hat. dend wirken kann. Wie gestaltet sich das von- und miteinander Lernen? Welche Verbesserungsmöglichkeiten gäbe es bei der Buick: Kinder des 2. und 3. Jahrgangs übernehmen Ausgestaltung des Schuleinstiegs? gemeinsame Patenschaften für Schulanfänger*innen. Lorenz: Eine bessere Ausstattung! Eine Schulan- So werden die »Kleinen« unterstützt und können gut fangsphase lebt besonders in Brennpunktschulen in Regeln und Rituale eingeführt werden. Die »Gro- von guter personeller Besetzung. Nur so lässt sich
JULI / AUGUST 2017 | bbzTITEL 9 gemeinsamer Unterricht in einer heterogenen Lern- WIR BRAUCHEN GROSSES FÜR DIE KLEINEN gruppe realisieren, der dem einzelnen Kind indivi- duelle Förderung gewährleistet. Buick: Bei den Arbeitszeiten sollten Zeiten für Austausch und Förderplanung in den Lerngrup- pen-Teams berücksichtigt werden. Im Rahmen der Inklusion sollte es die Möglichkeit geben, die Klas- senfrequenz den Bedürfnissen der aufgenommenen Kinder entsprechend abzusenken. Tilsner: Neben einer Absenkung fehlen uns auch die nötigen Teilungsstunden. Diese brauchen wir aber, um besser differenzieren zu können. Zudem sollte das Zurückstellen von Kindern erleichtert werden, weil man schnell feststellt, wer noch nicht schulreif ist und den Inhalten nicht folgen kann. Was sollte sich an den räumlichen Bedingungen für eure Arbeit ändern? Lorenz: Teilungsstunden allein lösen in der Tat nicht das Problem. Die Saph braucht auch ein Recht auf ausreichend Teilungsräume. Das ist wichtig und noch dringlicher als in jahrgangshomogenen Lern- Lorenz: Die personelle Ausstattung, das soziale Soziale Kompeten gruppen. Zudem muss ein finanzieller Spielraum vor Umfeld und die Raumsituation sind zentrale Gren- zen können in jahr handen sein, der die Freiheit mit sich bringt, Raum zen, mit denen die Kolleg*innen täglich konfrontiert gangsübergreifenden einrichtungen für individualisierte Lernprozesse werden. Wir haben das Gefühl, dass die Spanne der Lerngruppen gut ge sinnvoll gestalten zu können. Erstklässler*innen im Sozialen- und Leistungsbe- fördert werden Buick: Dafür müssen die Räume aber auch ausrei- reich immer größer und damit anspruchsvoller wird. chend groß sein, um genügend Schränke und Regale Gerade Brennpunktschulen brauchen hier noch viel unterzubringen, in denen Materialien für drei Jahr- mehr Unterstützung, um auf diese gänge und Differenzierungsmaterial gut zugänglich schwierige Ausgangssituation ange- und übersichtlich aufbewahrt werden können. Die messen reagieren zu können. räumlichen Gegebenheiten sollten auch »Arbeits Tilsner: Bei uns ist es schwer, sich ecken« und die Arbeit von Kleingruppen ermögli- bei größeren Klassen um einzelne Kin- »Uns fehlen die chen. Das Mobiliar muss flexibel sein, da Kinder der zu kümmern, da wir kaum Tei- Teilungsstunden, um besser unterschiedlicher Größe zusammenarbeiten. lungslehrkräfte und auch keine Erzie- differenzieren zu können« Tilsner: Flexible Möbel würde ich mir auch wün- her*innen im Unterricht haben. Beson- Lara Tilsner, Lehrerin an der schen. Die Stühle in unserem Kunstraum und Com- ders Kinder mit emotional-sozialen puterraum sind zu groß für Erstklässler*innen, so Auffälligkeiten können schwer integ- Grundschule Germendorf dass der Unterricht weitgehend im Klassenraum riert werden. stattfinden muss. Ansonsten haben wir an unserer Schule aber sehr gute räumliche Bedingungen. Was sollte die Bildungsverwaltung am dringendsten angehen? Grundschulen haben eine sehr heterogene Schüler*in- Lorenz: Kurz und knapp: die personelle Ausstat- nenschaft. Wie ist da eine individuelle Förderung mög- tung! Mit sicherer Personaldecke und solider Vertre- lich? tungsreserve lassen sich auch herausfordernde Kon- Buick: Mit den Kindern werden für im Stundenplan zeptionen gewinnbringend umsetzen! Wobei ich festgelegte »Arbeitszeiten« individuelle Ziele be- betonen möchte, dass es nicht nur um den quantita- sprochen, die sie selbstständig bearbeiten können. tiven Aspekt geht, sondern insbesondere um den Förderung findet auch in übergreifenden temporä- qualitativen, nämlich um gut ausgebildete Grund- ren Lerngruppen und klasseninternen Fördergrup- schullehrkräfte. pen statt. Im gemeinsamen und jahrgangsübergrei- Tilsner: Auch bei uns ist es die personelle Ausstat- fenden Unterricht können sich die Kinder zu offenen tung. Es müssten mehr Lehrkräftestunden für die Fragen ihrem Entwicklungsstand entsprechend äu- unteren Klassen zur Verfügung stehen. Eventuell ßern und durch die Beiträge anderer Kinder lernen. wäre auch Hilfe durch Erzieher*innen gut. Bei der Bearbeitung von Unterrichtsinhalten sollten Buick: Am dringendsten sollte der Verwaltungsauf- ganzheitliche Zugänge berücksichtigt werden. wand reduziert werden. Aber auch für gut ausgebil- Lorenz: Das sehe ich genauso. Individuelle Förde- detes Personal und ansprechende Lernräume muss FOTO: BERTHOLT PRÄCHT rung ist immer notwendig und wichtigstes Ziel der gesorgt werden. Schulentwicklung. Vielen Dank für das Gespräch An welche Grenzen stoßen Pädagog*innen da in der Praxis? Arne Schaller, Mitglied der bbz-Redaktion
10 TITEL bbz | JULI / AUGUST 2017 bei sehr von den Erfahrungen, die meine Kolleg*in- WIR BRAUCHEN GROSSES FÜR DIE KLEINEN nen mit der Einarbeitung von Studienrät*innen an meiner Schule bereits gemacht haben. Ich erlebe eine unvoreingenommene Aufnahme in das Kollegi- um sowie ein ehrliches Bemühen der Schulleitung, uns den Einstieg möglichst einfach zu gestalten. Da- zu gehört eine engagierte Mentorin, die für diese Aufgabe zwei Abminderungsstunden erhält. Auch der Einsatzplan für das erste Halbjahr, der in mei- nem Fall viele Stunden Sprachbildung in der ersten Klasse vorsieht, hilft mir sehr. So habe ich die Mög- lichkeit, mit Kleingruppen in die Arbeit mit Sechs- und Siebenjährigen hineinzufinden. Ob das alles ein seltenes Privileg oder Usus an Grundschulen ist, kann ich nicht einschätzen. Dass alle Kolleg*innen an der Grundschule viel fachfremd unterrichten müssen, ist aber verbreitete Realität. Weniger Stunden erleichtern den Berufseinstieg Ich bin motiviert und die Arbeit mit den jungen Schü ler*innen liegt mir. Dennoch hätte ich mir einen Fachfremd im Einsatz didak tischen Crash-Kurs in Grundschulpädagogik gewünscht, inklusive einer intensiven, angeleiteten Einarbeitung in die neue Materie, verbunden mit der Möglichkeit, die Erlebnisse im Schulalltag zu reflek- tieren, um Unsicherheiten und zeitweiligen Überfor- Wie es ist, als ausgebildeter Lehrer für ISS und Gymnasium derungsgefühlen zu begegnen. Ich weiß, dass es das an einer Grundschule in Neukölln zu unterrichten Angebot des Senats für die Berufseinstiegsphase gibt. Allerdings reichen die Erfahrungen der Kolleg*in nen, die ich dazu befragte, von sehr positiven, praxis von Alexander Reich nahen Hilfen bis hin zu »Kaffeekränzchen«. Neben Vollzeit-Berufseinstieg, gesellschaftlichem Engage- ment und Familie war mir der zusätzliche Wochen- D er Bedarf für meine Fächerkombination Ge schichte und Deutsch ist an den Oberschulen sehr gering. Über den Berlin-Tag, eine Stellenbörse endtermin die Sache nicht Wert. Zumal sich mir die Frage stellt, wie sinnvoll ein nur dreistündiger, mo- natlich stattfindender Termin ist. Eine wöchentliche für Schulen, kam ich in Kontakt mit mehreren Veranstaltung mit Seminarcharakter und angemes- Grundschulen und erfuhr viel Wertschätzung und sener Stundenabminderung während des ersten große Bemühungen um meine Person. Der Druck, Halbjahres wäre die Art von Unterstützung, die ich der durch den Personalmangel auf den Berliner mir von der Senatsverwaltung wünschen würde. Grundschulen lastet, wurde für mich vor allem Die höchst bedenkliche Personalsituation darf durch die Bewerbungsgespräche erlebbar. Nicht ich nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Es musste mich um die Stellen bewerben, sondern die fehlt massiv an Fachpersonal. Ausgebildet wird un- Schulen bewarben sich um mich. Den Grundschulen ter Bedarf und das Problem der finanziellen fehlt es schlicht an Personal. Wie ich von einem Ungleichbehandlung von Grundschullehrkräften Schulleiter erfuhr, ist die Lage dabei momentan der- wird erst in diesem Jahr vom Senat angegangen. Die maßen angespannt, dass alle, die irgendetwas mit Anreize und das Prestige des Grundschullehramts Lehramt studiert haben, auf jeden Fall eingestellt waren in den letzten Jahren gering. Dies muss sich werden. ändern. Wir pokern als Gesellschaft mit hohem Ein- Ich habe mich bewusst für eine Schule in einem satz, wenn wir nicht dringend mit Lösungen aufwar- sogenannten »Problem-Kiez« entschieden und fühle ten, die neues qualifiziertes Personal an die Grund- mich sehr wohl dort. Derzeit unterrichte ich NaWi, schule bringen. Englisch, Bildende Kunst und Sprachbildung. Für meinen Einsatz im Sprachbildungsunterricht nützt mir meine Zusatzqualifikation für Deutsch als FOTO: BERTHOLT PRÄCHT Fremdsprache. In die restlichen fachfremden Inhalte Alexander Reich, und die pädagogische Arbeit mit Kindern muss ich Lehrer an einer Neuköllner mich nebenher hineinfinden, neben dem vollen Un- Grundschule terrichtspensum und den Herausforderungen, die der Berufseinstieg mit sich bringt. Ich profitiere da-
JULI / AUGUST 2017 | bbzTITEL 11 Grundschulen brauchen WIR BRAUCHEN GROSSES FÜR DIE KLEINEN Profis und Perspektiven Die Konzeption der pädagogischen Arbeit an Grundschulen ist herausfordernd und aufwendig. Sie benötigt Fachwissen und zeitliche Ressourcen werdenden Alltag bewältigt werden – ohne eine ein- von Paul Müller zige Ermäßigungsstunde. Die Sicherung und Weiter- entwicklung pädagogischer Konzepte an Berliner Grundschulen geschieht aber nicht von allein. Sie B erliner Grundschulen fehlt es nach wie vor an Nachwuchskräften. Seit Jahren werden neben vielen Quereinsteiger*innen daher vorwiegend Stu- muss gestaltet und organisiert werden. Dazu benö- tigen Grundschulen zeitliche Ressourcen und finan- zielle Wertschätzung des Engagements. Im Artikel 1 dienräte im Primarbereich eingestellt. Im Alltag sto- des Schulgesetzes heißt es: »Auftrag der Schule ist ßen selbst die motiviertesten von ihnen an didakti- es, alle wertvollen Anlagen der Schülerinnen und sche und pädagogische Grenzen. Sie haben nämlich Schüler zur vollen Entfaltung zu bringen […]«. Es eine andere Ausbildung durchlaufen, eine Ausbil- wird Zeit, diesem Anspruch gerechter zu werden. dung für die Integrierten Sekundarschulen und Gym- Das gelingt am besten, wenn auch die Kolleg*innen nasien des Landes. an den Grundschulen ihr Potential tatsächlich aus- Studienrät*innen unterrichten an Berliner Grund- schöpfen können. schulen in Vollzeit 28 Stunden und werden entspre- chend der Entgeltgruppe (EG) 13 entlohnt. Ihre für die Grundschule ausgebildeten Kolleg*innen wurden bislang in die EG 11 eingruppiert. Ein deutlicher Un- terschied unter demselben Dach. Nach derzeitigem Kenntnisstand wird dieser Unterschied zumindest für neu ausgebildete Grundschullehrkräfte zeitnah ausgeglichen werden. Der größte Anteil wird aber auf die Höhergruppierung warten müssen. Nur wenige Aufstiegschancen Neben der überfälligen Angleichung bestehen weite- re Unterschiede zwischen Studienrät*innen und Grundschullehrkräften. So erreichen Grundschul- lehrkräfte leitende Positionen nur unter erschwerten Bedingungen. Bis auf die Schulleitung und deren ständiger Vertretung existieren an den Grundschulen Grundschulen brauchen Funktionsstellen Grundschul-Päda keine weiteren Funktionsstellen. Ganz im Gegensatz gogik mag spielerisch zu den Oberschulen. Hier werden Kolleg*innen zu Es ist höchste Zeit, auch an Grundschulen Funkti- aussehen, sie ist aber Fachleiter*innen und Fachbereichsleiter*innen, Pä onsstellen zu schaffen. Fachleitungen und Fachbe- harte Arbeit dagogischen Koordinator*innen oder Qualitätsbeauf- reichsleitungen werden ebenso benötigt, wie Quali- tragten befördert und erlangen eine höhere Eingrup- tätsbeauftrage oder eine Pädagogische Koordination. pierung. Damit wird der Laufbahnvorteil gegenüber Eine Fach- und Fachbereichsleitung Inklusion, wie es Grundschullehrkräften noch verstärkt. Die fehlen- sie an Oberschulen gibt, muss ebenso dringend ein- den Funktionsstellen an Grundschulen und die da- gerichtet werden. mit ausbleibenden Beförderungsmöglichkeiten Solange an den Grundschulen die konzeptionelle schränken die Perspektiven für eine berufliche Wei- pädagogische und fachliche Arbeit »nebenbei« ge- terentwicklung ein. Das Erreichen einer leitenden stemmt werden muss, bleibt die Sicherung und Weiter Position ist im direkten Vergleich deutlich unwahr- entwicklung der Grundschulqualität gefährdet. scheinlicher. Aber nicht nur die strukturelle Benachteiligung FOTO: BERTHOLT PRÄCHT macht Funktionsstellen an Grundschulen notwendig. Paul Müller, Berliner Grundschullehrkräfte möchten ihre Schulen Lehrer an der Grundschule am gestalten, pädagogische Konzepte erarbeiten, um- Koppenplatz sowie Fachseminarleiter setzen und weiterentwickeln. Von ihnen wird erwar- Mathematik tet, dass diese Aufgaben zusätzlich zum komplexer
12 SOZIALPÄDAGOGIK bbz | JULI / AUGUST 2017 Auf dem Rücken der Studierenden Mittlerweile findet man sie fast überall, die berufsbegleitenden Auszubildenden, die eigentlich keine Auszubildenden sind, da sie vom ersten Tag an voll auf den Personalschlüssel angerechnet werden. Die daraus entstehenden Belastungen stellen alle vordergründigen Vorteile in den Schatten gleichzeitig arbeiten und Geld verdienen. sich schnell Erzieher*innen zu »backen«. von Cem Erkisi Klingt nicht schlecht. Ist es auch nicht. Durch die berufsbegleitende Ausbildung Man muss zwar neben der Präsenzzeit in kann die Senatsverwaltung die klaffenden den Einrichtungen und in der Schule Personallücken ein wenig unsichtbarer D ie berufsbegleitende, duale Ausbil- dung ist eine im Grunde positive Be- noch lernen und sich auf Prüfungen vor- bereiten, aber es scheint machbar zu machen. FOTO: TRIFONENKO IVAN/FOTOLIA gleiterscheinung des Erzieher*innenman- sein. Eine Abbruchquote ist noch nicht gels im Land Berlin. Neben der schuli- bekannt. Die ersten Absolvent*innen Studierende fordern nur zögerlich schen Vollzeitausbildung an Berliner kommen aber in den Betrieben an. ihre Rechte ein Fachschulen für Sozialpädagogik kann Die Praxisorientierung der berufsbe- man in der berufsbegleitenden Ausbil- gleitenden Ausbildung ist allerdings nur Für die Studierenden resultieren Proble- dung innerhalb von drei Jahren Erzie- ein Vorwand. Die dreijährige Vollzeitaus- me aus der berufsbegleitenden Ausbil- her*in werden, also zur Schule gehen und bildung dauert der Politik zu lange, um dung, da sie parallel einen Arbeitsvertrag
JULI / AUGUST 2017 | bbzSOZIALPÄDAGOGIK 13 mit dem Träger und einen Ausbildungs- vertrag mit einer Fachschule haben. Beide GEW BERLIN SCHLÄGT MASSNAHMEN GEGEN DEN Verträge sind notwendig für die berufsbe- ERZIEHER*INNENMANGEL VOR gleitende Ausbildung, werden aber nicht aufeinander abgestimmt. Dadurch ent- Seit Mai können Kitaträger statt 25 Prozent bis zu 33 Prozent der gesetzlich festgelegten steht eine Abhängigkeit, weil die Studie- Personalausstattung mit Quereinsteiger*innen besetzen. Zudem wird der Einsatz von So renden auf den Arbeitsvertrag angewie- zialassistent*innen möglich, die innerhalb von zwei Jahren mit einer berufsbegleitenden sen sind, um ihre berufsbegleitende Aus- Ausbildung zur*m Erzieher*in beginnen. Ohne pädagogische Ausbildung werden sie ab bildung zu beenden. Folglich fordern sie dem ersten Tag sofort zu 100 Prozent auf den Personalschlüssel angerechnet. Nach Ansicht nur zögerlich ihre Arbeitnehmer*innen- der GEW BERLIN kommt das Aufgeben des Fachkräftegebotes einer Kapitulation der Se rechte ein. natsbildungsverwaltung vor dem Fachkräftemangel gleich (siehe bbz 06/2017). Außerdem entsteht eine extreme Belas- Die GEW BERLIN schlägt für den Einsatz von Sozialassistent*innen vor, dass diese vor tung, weil hohe Arbeits- und Ausbil- Dienstantritt einen vierwöchigen Vorbereitungskurs mit insgesamt 160 Stunden zu den dungsanforderungen miteinander kolli- Themen und Inhalten des Berliner Bildungsprogramms absolvieren. Der Einsatz von Sozi dieren. Nicht fertig Studierte dürfen voll alassistent*innen soll nach Ansicht der GEW maximal zwölf Monate dauern. In dieser Zeit auf den Personalschlüssel angerechnet dürfen Sozialassistent*innen nicht zu 100 Prozent auf den Personalschlüssel angerechnet werden und landen ziemlich schnell im werden. Zusätzlich sind Personalzuschläge für die Zeit der Anleitung von mindestens 5 kalten Wasser. Das heißt sie managen ei- Stunden pro Woche für den gesamten Einsatzzeitraum zur Verfügung zu stellen. ne nicht unbeträchtliche Anzahl von Kin- Für Personen in der berufsbegleitenden Ausbildung schlägt die GEW BERLIN folgendes dern. Sie sind also voll ausgelastet und Modell vor: Im ersten Jahr keine Anrechnung auf den Personalschlüssel, im zweiten Jahr dürfen gleichzeitig noch Prüfungen meis- eine 50-prozentige Anrechnung und erst im dritten Jahr eine 100-prozentig Anrechnung. tern. Da verbleibt nur wenig Zeit für Fa- milie und Freunde. Die Belastbarkeit der erst in Zukunft gleichgestellten Kolleg*in- nen wird in dieser berufsbegleitenden Ausbildung schwer auf die Probe gestellt. Und man hört dann doch ab und an von Abbrecher*innen, die die Doppelbelas- Praktika vorgeschrieben sind, verpassen Ausbildung von den erfahrenen Kol- tung nicht mehr aushalten konnten und die berufsbegleitenden Studierenden die leg*innen zugleich als Hilfe und Belas- sich im gesunden Eigeninteresse aus der Möglichkeit, ein breites Spektrum des Be- tung wahrgenommen werden. berufsbegleitenden Ausbildung verab- rufsfeldes kennenzulernen. Wenn wir also nicht allein auf Schnel- schieden. Die zur Verfügung gestellten Rahmen- ligkeit sondern auch auf Nachhaltigkeit Finanziell sind die berufsbegleitend Stu bedingungen wie etwa die Praxisanlei- setzen, dürfen wir die neuen Kräfte nicht dierenden natürlich ebenfalls nicht gleich tung in den Einrichtungen sind nach zu ausbrennen lassen. Und vorhandene Kräf- gestellt. Sie erledigen zwar die gleiche justieren. Es genügt nicht, die Praxisan- te müssen entlastet werden. Die Anerken- Arbeit wie die staatlich anerkannten Er- leitung nur im ersten Jahr der berufsbe- nung der berufsbegleitenden Studieren- zieher*innen, sind aber der Entgeltgruppe gleitenden Ausbildung durch den Senat den als »echte« Auszubildende wäre ein 5 zugeordnet – wenn sie nach TV-L bezahlt kozufinanzieren. Eine durchgängige drei- langfristiges Ziel, um in ferner Zukunft, werden, also im öffentlichen Dienst ange- jährige Finanzierung dürfte der Qualität also nach Bewältigung des aktuellen stellt sind. Die anfangs noch attraktiv der berufsbegleitenden Ausbildung ent- Fachkräftemangels, diesen berufsbeglei- wirkende berufsbegleitende Ausbildung gegen kommen. Auch wäre es ange- tenden Ausbildungsweg alternativ zur bei gleichzeitiger Verdienstmöglichkeit bracht, die Studierenden im ersten Jahr rein schulischen Ausbildung zu etablie- wirkt nun weniger attraktiv. Denn mit we- der berufsbegleitenden Ausbildung nicht ren. Denn so könnte man Entlastungen niger als 1.000 Euro Netto bei Doppelbe- auf den Personalschlüssel anzurechnen. für die Studierenden und die Betriebe lastung nach Hause gehen – eigentlich schaffen und würde so nicht Berufsanfän- möchte man das Niemandem zumuten. ger*innen »verheizen«. Die Studierenden Kolleg*innen nicht ausbrennen lassen könnten sich pädagogisch mehr auspro- bieren und bessere Begleitung durch die Auch die Qualität lässt zu Die Stimmen in den Einrichtungen wer- Praxisanleitungen im Betrieb erfahren. So wünschen übrig den lauter, die zwar froh sind über die könnte das Modell funktionieren. schnelle Hilfe, gleichzeitig aber unzufrie- Vielerorts lässt sich ein Qualitätsverlust den mit der mangelnden Vorerfahrung in in der Ausbildung feststellen. Bei der Theorie und Praxis. Studierende im ers- Vielzahl von Fachschulen, insbesondere ten Ausbildungsjahr können noch keine der neu gegründeten, wird eine flächen- Elterngespräche führen, kennen die deckende Überprüfung und Einhaltung Sprachlerntagebücher noch nicht und der geltenden Qualitätsstandards nicht kommen bei der Gestaltung von Projek- mehr gewährleistet. Hinzu kommt, dass ten an ihre Grenzen. Ohne jegliche päda- Cem Erkisi, die Studierenden während der berufsbe- gogische Erfahrung können sie die Ent- Erzieher in der gleitenden Ausbildung in der Regel nur in wicklungsprozesse der Kinder nicht aus- Kita Emser Straße einer Praxisstelle arbeiten. Während in reichend fachlich begleiten. Vor Ort kön- der Vollzeitausbildung drei verschiedene nen Studierende der berufsbegleitenden
14 SCHULE bbz | JULI / AUGUST 2017 Pädagog*innen als Pflegepersonal Bei der medizinischen Versorgung von Kindern mit Pflegebedarf besteht große Unsicherheit. Was sind meine Rechte und Pflichten als Pädagog*in? Der große Andrang bei der Veranstaltung von GEW B ERLIN, Grundschulverband und Verband Sonderpädagogik (vds) machte deutlich, dass erheblicher Informationsbedarf besteht schaft des Kollegiums, sich entsprechend Krankenhaus. Eine Finanzierung durch von Florian Dettmer weiterzubilden und im Rahmen einer die Schule, zum Beispiel über den Verfü- verbindlichen Vereinbarung mit Erzie- gungsfonds, wurde von den Anwesen- hungsberechtigten Medikamente zu ge- den auf dem Podium und im Publikum M ax hat Diabetes und muss jeden Vormittag seinen Blutzuckerspiegel messen. Anna wird vor der dritten Stunde ben sowie pflegerisch tätig zu werden. »Wer an einer inklusiven Schule arbeitet, muss mit anpacken«, fasste Sebold ihr übereinstimmend verworfen. Der Ein- satz von medizinischem Fachpersonal zur Unterstützung der Pädagog*innen daran erinnert, ihre Tablette zu nehmen. Selbstverständnis zusammen. könnte aber auch in anderer Weise durch Justin hat eine schwere Allergie gegen die Senatsverwaltung geregelt werden. verschiedene Lebensmittel. In jeder Schu- Hier besteht Handlungsbedarf. le gibt es Kinder oder Jugendliche mit Freiwilligkeit als Grundprinzip Die Aufgaben für alle in der Schule Tä- chronischen Erkrankungen oder anderem tigen werden nicht geringer. Durch pfle- Pflegebedarf – nicht erst seit Ausweitung Stefani Fuchs war von Seiten des Gesamt- gerische Bedarfe kommen auf die Be- der Inklusion. Die Frage nach der Medika- personalrats der allgemeinbildenden schäftigten zusätzliche Belastungen zu. mentengabe und der Pflege in den Schu- Schulen an der Ausarbeitung der Hand- Das große Interesse an der Veranstaltung len beschäftigt viele Pädagog*innen. Wie reichung für Berliner Schulen beteiligt zeigt, dass ein großer Informations- und ist der rechtliche Rahmen? Kann ich zur und leitet die AG Gesundheit der GEW Fortbildungsbedarf im Hinblick auf die Medikamentengabe gezwungen werden? BERLIN. Sie sieht in der Handreichung ei- Unterrichtung und Erziehung von chro- Muss ich Schüler*innen an die Einnahme nen ersten Schritt zu einem verbindli- nisch kranken Kindern und Jugendlichen eines Medikaments erinnern? Was, wenn chen Rahmen der Medikamentengabe besteht. Immerhin: »Die Gefängnisse sind ich dies in einer stressigen Unterricht- und Pflege. Dennoch herrsche an vielen nicht voller Lehrer«, wusste Angela Eh- stunde vergesse? Schulen weiterhin Unsicherheit, vor allem lers vom vds – Verband Sonderpädagogik Zu Beginn dieses Jahres gab die Senats in Haftungsfragen. »Wichtig ist: Niemand zu berichten. Sie ist Referatsleiterin bei bildungsverwaltung eine Handreichung kann zur Medikamentengabe gezwungen der Behörde für Schule und Berufsbil- zu Medikamentengabe und Pflege in der werden. Die Freiwilligkeit auf Seiten der dung in Hamburg, wo die Rechtslage ähn- Schule heraus, die Handlungssicherheit Pädagog*innen ist das Grundprinzip«, lich ist wie in Berlin. Die Hamburger Be- schaffen soll. Im Mai saßen nun Expert*in sagte Fuchs. Schriftliche Vereinbarungen hörde hat mit dem »Pflegekompetenzpro- nen aus verschiedenen Bereichen in der mit Eltern könnten weitere Sicherheit ge- jekt« ein Unterstützungsangebot für die Refik-Veseli-Schule zusammen, um zu ben. Zudem wird in der Handreichung Schulen geschaffen. Nach Einschätzung diskutieren, ob dieses Ziel erreicht wird. die Absicherung der Pädagog*innen dar- von Ehlers wird sich die Unsicherheit Lydia Sebold ist Vorsitzende des Grund gestellt, solange kein vorsätzliches oder auch an den Berliner Schulen legen. schulverbandes Berlin und leitet die grob fahrlässiges Verhalten vorliegt. Wie Die Handreichung Medikamentengabe findet ihr in Grundschule am Barbarossaplatz in genau sich das definiert, entscheidet im der Online-Fassung dieses Artikels unter www.gew- Schöneberg. Sie betonte, dass das Leit- Zweifel aber das Gericht. berlin.de/bbz bild einer Schule im Hinblick auf die Me- Unterstützung können Schulen durch dikamentengabe eine wesentliche Rolle einen Pflegedienst erfahren. Die Organi- spiele. Wenn die Verschiedenheit der sation und Beantragung eines Pflege- Florian Dettmer, Presse- Schülerinnen und Schüler mitsamt ihren dienstes liege dabei in der Zuständigkeit sprecher des Verbandes Unterstützungsbedarfen als grundlegen- der Eltern, erklärte Urs Willner, Chefarzt Sonderpädagogik des Prinzip der pädagogischen Arbeit der Klinik für seelische Gesundheit im gesehen werde, steige auch die Bereit- Kindes- und Jugendalter am St. Joseph
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