WOHNENPLUS - Wohnungswirtschaft-heute
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WOHNENPLUS P.b.b. GZ 02Z032231 M, Wohnen Plus, Singerstraße 8/10, 1010 Wien FA C H M A G A Z I N F Ü R D I E Z U K U N F T D E S W O H N E N S 3|2019 Konstruktion STANDPUNKT Leistbarer Wohnraum folgt Funktion muss gesteigert werden Für immer Prototyp? WOHNBAU-PREIS Oscar für soziales Wohnen Ein gutes Modul schaut aus POSITIONEN wie der Motor eines Mercedes Mit Vollgas in die Stromtankstelle Seriell nach Maß gearbeitet
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WOHNENPLUS FACHMAGAZIN FÜR DIE ZUKUNFT DES WOHNENS 3|2019 STANDPUNKT 2 Leistbarer Wohnraum muss gesteigert werden | Bernd Rießland, Obmann im Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen 2 4 PLUSPUNKTE Kurzmeldungen aus der Wohnbaubranche in Österreich PROFIL 6 Oscar für soziales Wohnen | Wiener Wohnbau-Preis 2019 PRAXISCHECK 8 Gute Nachbarschaft im Quartier | Pilotprojekt von fünf Bauträgern MEIN WOHNEN PLUS 12 „Im verdichteten Flachbau haben die Menschen mehr Kontakt“ | Norbert Steiner, Obmann der Siedlungsgenossenschaft Alpenland THEMA 13 Konstruktion folgt Funktion | Wohnungsnot macht erfinderisch 14 Für immer Prototyp? | Alte und neue Konzepte für modulares Bauen 8 18 20 „Ein gutes Modul schaut aus wie der Motor eines Mercedes“ | Interview mit Werner Sobek Seriell nach Maß gearbeitet | Architekten entwickeln neues Bausystem THEMA/PRAXISCHECK 24 Das ABC des Ziegels | Die drei Schwestern in der Seestadt THEMA 26 Kosten des Wohnbaus umfassender betrachten | IBA-Symposium POSITIONEN 29 Mit Vollgas in die Stromtankstelle | Positionen zur Diskussion von Andreas Weikhart versus Andreas Sommer IBA WIEN 30 Temporär und modular | Pilotprojekte aus dem Sofortbauprogramm 13 INTERNATIONAL 32 Modular aus dem Katalog | Initiative des GdW in Deutschland FORSCHUNG 34 Die Idee der Solidarität und Wohnen heute? | Raimund Gutmann WOHNEN PLUS TRENDS 36 Planen | Bauen | Wohnen | Innovationen aus Österreich RÜCKBLICK 38 Pioniere im Systemwohnbau | Wohnmodelle aus den 1970ern AUSBLICK 39 Wohnrecht: Zehn harte Nüsse im Konvent | Der Reformbedarf AVISO 40 Veranstaltung: Besichtigung und 65. Wohnsymposium | Medienpartner 2019 | Impressum 34 Coverfoto: Holz-Hybridbau-Wohnsiedlung Maierhof in Bludenz: 67 Wohnungen rund um einen grünen Anger, von feld72 geplant und der Genossenschaft Wohnbauselbsthilfe errichtet. Foto: Herta Hurnaus WOHNENPLUS . 3|2019 1
STANDPUNKT Leistbarer Wohnraum muss gesteigert werden Bernd Rießland, neuer Obmann im Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen, will den gemeinnützigen Wohnbau noch weiter steigern. Dabei sagt er der Preisspirale bei den Wohnungspreisen den Kampf an und setzt auf Maßnahmen der öffentlichen Hand, die zu einer Entspannung für mehr leistbares Wohnen sorgen. GISELA GARY W elche der Themen, die Sie nun als Verbandschef zu Foto: Sozialbau verantworten haben, genie- ßen oberste Priorität? Bernd Rießland: „Besonders wichtig sind pragmatische Ansätze für eine Stei- sind ja bereits neue Wege eingeleitet erkennbaren spekulativen Preisentwick- gerung des gemeinnützigen Wohnbaus. worden. Neben dem Dauerbrenner der lung am Grundstücksmarkt wirksam Wesentliche Funktion der gemeinnüt- Grundstücksbeschaffung werden uns einen Riegel vor. Wie sich bereits jetzt zigen Wohnungswirtschaft, als Teil der in den kommenden Jahren wohl auch zeigt, ist das Gegenteil der Hortung der staatlichen Aufgabenwahrnehmung in klimaschutzgerechte Maßnahmen, Ener- Fall. Trotz der kurzen Zeit, seit diese Re- der Wohnungspolitik, ist ja die Siche- gieversorgung und Mobilitätskonzepte gelung in Kraft ist, sind schon mehrere rung eines Gleichgewichtes am Woh- vermehrt beschäftigen – als Partner der Kooperationen zwischen gemeinnützi- nungsmarkt. Dem Preisschub bei der ge- öffentlichen Hand und der Kommu- gen und gewerblichen Unternehmen zur winnorientierten Wohnungserrichtung nen werden wir hier verstärkt unserer Umsetzung der Zwei-Drittel-Widmungs- insbesondere in den Ballungsräumen Know-how in die Entwicklung sozial regelung im geförderten Wohnbau ein- kann nur durch ein erhöhtes Angebot und ökologisch nachhaltiger Wohnquar- gegangen worden. Auch gewinnorien- kostendeckend – also durch GBV – tiere einbringen. Wer, wenn nicht wir tierten Unternehmen ist die Dämpfung errichteter Wohnungen wirkungsvoll Gemeinnützige sollten hier mit gutem der Grundstückspreise ein Anliegen und begegnet werden. Dies ist umso wich- Beispiel voran gehen?“ die Bedeutung leistbarer Wohnungen tiger, als nicht nur die Wohnungspreise, für alle Teile der Bevölkerung bewusst.“ sondern auch insbesondere die Kosten- Kritiker meinen, die Zwei-Drittel-Rege- komponente Grund überproportional lung für geförderten Wohnbau in Wien Die Wohnbauinvestitionsbank wurde angestiegen ist und damit leistungslose führt erst recht zum Horten von Grund- nicht realisiert – Niederösterreich fand Gewinnmitnahmen zu Lasten der Haus- stücken – Ihre Meinung dazu? einen eigenen Weg – nachahmenswert? halte entstanden sind. Maßnahmen der Rießland: „Ganz und gar nicht! Mit der Was spricht dagegen? öffentlichen Hand zur Grundstücksbe- Widmungskategorie ´geförderter Wohn- Rießland: „Dass die WBIB auf Bundese- schaffung zu moderaten Preisen sind bau´ liegt die Stadt Wien goldrichtig und bene letztlich nicht umgesetzt wurde, ist dabei besonders wichtig – und dazu schiebt der in den vergangenen Jahren bedauerlich. Was nicht bedeutet, dass 2 WOHNENPLUS . 3|2019
STANDPUNKT wir von der Forderung einer Finanzie- mögen institutionalisiert wird. Sehr po- ve „Housing fo all“ will die EU-Staaten rungsplattform abrücken. Umso mehr sitiv im Sinne der Zukunftsfähigkeit des dazu zwingen, dass rechtliche und fi- ist die Initiative des Landes Nieder- gemeinnützigen Wohnungssektors und nanzielle Rahmenbedingungen geschaf- österreich zu begrüßen – nämlich die auch der vertieften Absicherung des fen werden, die Wohnen für alle Men- Aufnahme von zinsgünstigen Langfrist- Generationsausgleichs ist die Neurege- schen zu leistbaren Preisen ermöglicht. finanzierungen der Europäischen Inves- lung im Bereich der Instandhaltung, die Welche Hoffnungen sehen Sie in dieser titionsbank für den Wohnbau. Genau uns die verstärkte Reinvestition unserer Initiative? mit diesen EIB-Mitteln sollte sich auch Eigenmittel in den Neubau ermöglicht. Rießland: „Die EU-Bürgerinitiative für die WBIB kofinanzieren. Um Wohnen Und nicht zu vergessen: das Verbot von leistbares Wohnen in Europa kommt günstiger zu machen, ist auch zu über- AirBnB im gemeinnützigen Wohnbau.“ gerade zur rechten Zeit. In Zeiten, in legen, ob nicht Wege der direkten Fi- denen das Wohnen in vielen europäi- nanzierung der GBV über die EIB mög- Auch eine Überarbeitung der OIB-Richt- schen Ländern das Thema Nr. 1 ist, ist lich sind. Jede Bankintermediäre – also linien ist in Arbeit – mit welchen Kon- eine solche EU-weite Bewegung Goldes auch die WBIB – führt zu zusätzlichen sequenzen rechnen Sie für Bauträger – wert. Vor allem auch, weil mit ´Housing Kosten. In der Schweiz besteht dazu seit welche Wünsche haben Sie deponiert? for All´ die in Österreich praktizierte Jahrzehnten ein sehr effektives Instru- Rießland: „Ich hoffe sehr, dass die Ände- solidarische Wohnungspolitik in den ment, das praktisch keine zusätzlichen rung der OIB-Richtlinien mit Augenmaß Vordergrund gestellt wird. Die gemein- Kosten verursacht.“ erfolgt und der praxisrelevante Input von nützige Wohnungswirtschaft, als Teil ” der staatlichen Aufgabenwahrnehmung, Der Klimaschutz stellt auch die GBV vor entspricht dem Grundsatz von Woh- große Herausforderungen. Welche Visio- nen haben Sie dazu (Energieversorgung, Mit der Widmungskategorie nen als staatlicher Daseinsvorsorgeleis- tung. Das österreichische Konzept, ein Elektromobilität etc.)? Was halten Sie ´geförderter Wohnbau´ für den ´Wohnbau für alle´ gewidmetes von dem Vorschlag eines „Green Pass“? Vermögen (die GBV) zur Sicherung ei- – ähnlich dem Gebäudeenergieausweis, liegt die Stadt Wien goldrichtig nes funktionierenden Wohnungsmark- der bereits vor dem Bau mit Hilfe einer und schiebt der in den vergangenen tes einzusetzen, ist vorbildhaft für Euro- Simulation zeigt, wie das Mikroklima pa. Die drei wesentlichen Vorzüge sind durch das Projekt beeinflusst wird. Jahren erkennbaren spekulativen dabei: es handelt sich um ein markt- Preisentwicklung „ Rießland: „Wie auch Studien zeigen, mäßiges Instrument mit dem Verzicht liegt ein großer ´Hebel´, wenn es um auf Gewinnmaximierung, es fördert die den Energieverbrauch und Klimaschutz am Grundstücksmarkt Durchmischung von Haushalten un- geht, in den Energieträgern- bzw. ver- sorgungssystemen und weniger, wenn wirksam einen Riegel vor. terschiedlicher Einkommensgruppen und ist damit ein Beitrag zur sozialen ich das so salopp sagen darf, in der Di- Kohäsion und Sicherheit und letztlich ist cke der Gebäudedämmung. Darauf soll- uns Bauträgern entsprechend Eingang es budgetär deutlich effizienter als die ten wir verstärkt unsere Aufmerksamkeit findet. Bei der letzten Novellierung war Konzepte von ´social housing´ bis zu lenken. Das ist ´das´ Zukunftsthema das jedenfalls der Fall. Es gab sehr kon- Subjektförderungssystemen, die gerade schlechthin. Wir müssen lernen, unsere struktive Gespräche, wobei vermehrt zu in Deutschland zu unbeherrschbaren Dächer verstärkt für Solarthermie und bedenken ist, dass die baulichen Systeme Budgetausgaben führen.“ zur Produktion von PV-Strom zu nutzen. auch anwendungsfreundlich für unsere Die technischen Lösungen sind bereits Nutzer sein müssen und wir nicht den wirtschaftlich einsetzbar und bieten Einsatz technischer Möglichkeiten über- auch die Möglichkeit zur Kosteneinspa- treiben wollen. Es geht um kostengüns- Dr. Bernd Rießland rung für unsere Bewohner, tragen bei tiges bauen und um Betriebsformen, die ist seit 2010 im Vorstand der ge- zur Senkung des Energieverbrauchs, kostengünstig und durch unsere Nutzer meinnützigen Wohnungsaktienge- insbesondere des Verbrennens fossiler steuerbar sind.“ sellschaft Sozialbau AG, wie auch Brennstoffe. PV-Strom ist insbesondere Geschäftsführer des gemeinnützi- auch in Verbindung mit zukünftig erfor- Welche Anreize seitens der Politik für mehr gen Bauträgers EGW Heimstätte. derlicher Kühlung und in Kombination leistbaren Wohnraum wünschen Sie sich? Der 1955 in Wien geborene Rieß- mit E-Mobilität anzudenken. Letzteres Rießland: „Würde der Wechsel von Kalt- land studierte Bauingenieurwesen natürlich im Zusammenspiel mit kun- auf eine Warm- bzw. Pauschalmiete von an der TU Wien. Nach seiner Tä- denfreundlichen Mobilitätsangeboten.“ der Politik gesetzlich unterstützt wer- tigkeit im Wirtschaftsministerium, den, würde dies ermöglichen, die zuvor wechselte er in die Erste Bank als Bedroht die Novelle zum WGG die GBV? angesprochenen Effizienzpotentiale bei Bereichsleiter Immobilienfinanzie- Rießland: „Im Gegenteil, wir verspre- der Energieversorgung und Klimaschutz rung, dann auch als Vorstandsmit- chen uns von der WGG-Novelle eine rascher zu realisieren und damit gerin- glied. Im Jahr 2000 wurde Rieß- Stärkung der gemeinnützigen Woh- gere Wohnkosten und zusätzliche Inves- land Geschäftsführer der heutigen nungswirtschaft. Denken Sie nur an die titionen für energieeffizientes Wohnen Wirtschaftsagentur Wien. Er zeich- neuen aufsichtsbehördlichen Regelun- zu ermöglichen.“ nete u. a. für die ersten Planungs- gen, mit denen erstmals so etwas wie schritte der Seestadt Aspern ver- eine wirksame ´Firewall´ gegen speku- Leistbares Wohnen ist EU-weit ein The- antwortlich. lative Angriffe auf gemeinnütziges Ver- ma – die europäische Bürgerinitiati- WOHNENPLUS . 3|2019 3
PLUSPUNKTE Zuhause geschaffen und rund 9.000 Qua- dratmeter Wohnraum in Mietwohnungen PLUS MARIETTA – meist bei Gemeinnützigen – wurden für ADENBERGER wohnungslose Menschen bereitgestellt. PUNKTE Die Stadt der Frauen Rockerin Janis Joplin, die afrikanische Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maat- hai oder die berühmte Architektin Zaha Hadid – Frauennamen prägen das Straßen- bild in der Seestadt Aspern. Quer durch das Foto: Philipp Hutter künftige Quartier „Am Seebogen“ erstreckt sich nun auch die Barbara-Prammer-Allee, benannt nach der ersten österreichischen 70 Jahre Alpenland Beim Setz- und Pflanzfest (vlnr.): Winzer Rainer Christ, die Nationalratspräsidentin Barbara Prammer Mehrere hundert Gäste feierten im Juni Wiener Weinkönigin Elisabeth Wolff III und Sozialbau-General- (1954-2014). Einblick in Leben und Werk das 70jährige Bestehen der Alpenland im direktor Josef Ostermayer. von 54 großen Frauen gibt die Broschü- St. Pöltner Festspielhaus. Für den Anlass re „Die Seestadt ist weiblich“, die von der hatte sich der gemeinnützige Bauträger Wien 3420 neu aufgelegt und im Juli von etwas Besonderes einfallen lassen: Live Erster Wiener Dachwein Frauen- und Wohnbaustadträtin Kathrin auf der Bühne wurde das eigens bei Piat- Dass Wein auch in luftiger Höhe im nik produzierte Alpenland-DKT gespielt, neunten Stock gedeihen kann, beweist das in einer 1.000-Stück-Sonderedition der erste Wiener Dachwein in der See- aufliegt. Vorgestellt wurde auch das neue stadt Aspern. Am Dach der Sozialbau- geschäftsführende Vorstandsmitglied ne- Wohnanlage pflanzte der prämierte Win- ben Norbert Steiner, Isabella Stickler. „Wir zer Rainer Christ im Mai 75 Rebstöcke des sind unseren Mietern und Eigentümern Gemischten Satzes vor geladenen Gästen. verpflichtet“, so Obmann Steiner. „Wer Neben ihm sorgen nun 30 Hausbewoh- baut, übernimmt Verantwortung. Nicht für ner, die eine Weinpartnerschaft übernom- die Maximierung von Gewinnen, sondern men haben, für die Bewirtschaftung. Als für die langfristige Sicherung des Subs- Schirmherr konnte der St. Urbanus Wein- tanzwertes der Wohnungen durch Bewirt- ritter-Orden gewonnen werden. In drei Jahren wird geerntet – geschätzte 150 Foto: Marietta Adenberger schaftung und Instandhaltung“, ergänzte Stickler. Mit über 11.000 Mitgliedern ver- Flaschen Wein vom Dach könnten der Er- fügt Alpenland über doppelt so viele Mit- trag sein. Bis dahin muss allerdings noch glieder wie eine durchschnittliche Genos- fleißig gegossen, zurückgeschnitten und senschaft in Österreich. (Siehe auch S.12) gelesen werden. Blick auf das neue Quartier mit Seestadt-Pionierinnen (v.l.n.r.): Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal, Caroline Palfy, Sylvia Schlagint- Runder Geburtstag weit und Elisabeth Oberzaucher. Zwanzig Jahre ist es her, dass eine Grup- pe engagierter Menschen in Wien Woh- Gaal präsentiert wurde. Starke Frauen nungslosigkeit nicht als unvermeidbaren prägen zudem Tag für Tag die Seestadt – Teil einer wohlhabenden Gesellschaft unter ihnen etwa HoHo-Wien-Projekt- hinnehmen wollte. Aus der Initiative, die leiterin Caroline Palfy, „Science Buster“ auf betroffene Menschen zuging und mit und aspern-Beirat-Mitglied Elisabeth ihnen Lösungen zu entwickeln begann, Oberzaucher sowie Apotheken-Mitinha- ist mittlerweile eine professionelle Sozial- berin Sylvia Schlagintweit, Initiatorin des organisation geworden. Auf Augenhöhe „Denkraums Donaustadt“, einer Institu- unterstützt das „neunerhaus“ Bewohner tion für Kultur- und Wissensvermittlung. und Patienten mit Wohnen, Beratung und medizinischer Versorgung. Eine Beson- derheit ist, dass Bewohner immer wieder Teddybär und Kobold zu Wort kommen, etwa im regelmäßig Ob Tim, der tapfere Elfenjunge, Brumm- erscheinenden Magazin neuner News und brumm, der Teddybär oder Puka, der fre- so dazu beitragen, tief in der Gesellschaft che Kobold – die Initiative Ziegel von der Foto: Marietta Adenberger sitzende Vorurteile abzubauen. Im neuen Wirtschaftskammer Österreich hat sich Jahresbericht beeindrucken zum runden etwas Ungewöhnliches einfallen lassen, Geburtstag spektakuläre Zahlen: 23.520 um die Stärken des Baustoffs Ziegel her- Menschen konnte in den zwei vergange- vorzuheben: Ein Märchenbuch behandelt Die Sonderedition Alpenland-DKT wurde anlässlich nen Jahrzehnten geholfen werden, 2.179 in zehn Geschichten jeweils einen wich- des 70-jährigen Jubiläums präsentiert. Menschen hat das neunerhaus ein neues tigen Charakterzug – Langlebigkeit und 4 WOHNENPLUS . 3|2019
PLUSPUNKTE Blind Dates zum Wohnen Visionär in die Zukunft In der eigenen Stadt verreisen, andere Der größte gemeinnützige Wohnbaukon- Wohnformen kennenlernen – das will ein zern in Österreich feiert sein 70-jähriges Stadtlabor des Architekturzentrum Wien Bestehen: Die Österreichische Siedlungs- ermöglichen. Im September können mo- werk gemeinnützige Wohnungsaktien- tivierte Wiener ihre Wohnung im Rahmen gesellschaft (ÖSW)-Gruppe umfasst 27 der Initiative „Wie wir wohnen“ zwei Tage Tochter- und Beteiligungsunternehmen anderen Menschen zur Verfügung stellen und ist in acht Bundesländern mit rund und selbst ungewohnte Wohnformen er- 450 Mitarbeitern operativ tätig. Michael Foto: Initiative Ziegel leben: Wie lebt es sich im Kleingarten- Pech und Wolfgang Wahlmüller, Vorstän- haus, wie im Gemeindebau, wie im Loft? de vom ÖSW, nahmen die Feierlichkeiten Die Teilnahme ist für jeden offen und zum Anlass für einen Blick in die Zu- kostenlos, nötig ist allerdings eine Portion kunft: „Dem Baugewerbe und Immobili- Wertbeständigkeit oder Wirtschaftlichkeit Vertrauen. Den Auftakt bilden Blind Da- ensektor kommt auch mit Blick auf die und Raumklima. Bestellt werden kann tes zur Schlüsselübergabe. Begleitet wird Umweltleistung von Gebäuden und ihrer das Kinderbuch von Reinhard Mut und das Projekt mit Forschungsaufgaben, die Infrastruktur eine wichtige Rolle zu“, so Edith Weindlmayr-Mut mit Illustrationen die eigene Wahrnehmung schärfen sol- Wahlmüller. Das Thema Recycling sei ein von Clemens Ottawa direkt bei der Initia- len. Im November runden ein Filmabend wesentlicher ökologischer und wirtschaft- tive Ziegel, online ist es als pdf verfügbar: und eine Diskussion das Erlebte ab. An- licher Faktor. Betrachtet werden muss www.ziegel-technik.at. meldung unter www.azw.at dabei der gesamte Lebenszyklus von der Entwicklung bis hin zur Bewirtschaftung und Instandhaltung. Die Zukunft des Staffelübergabe beim vwbf Siegerprojekt am Cover Energiemanagements der Gebäude liege Michael Gehbauer ist neuer Obmann des Das Projekt unserer Coverstory in der in der Energieerzeugung, -speicherung Vereins für Wohnbauförderung (vwbf). vergangenen WohnenPlus-Ausgabe zum und -verwendung. Mit dem Pilotprojekt Er übernimmt die Funktion von Markus Thema Aufbau-Umbau-Zubau hat den 34. Photovoltaik auf dem ÖSW-Haus hat der Sturm aus Salzburg, der dem Verein neun Wiener Stadterneuerungspreis erhalten. Konzern auch schon den Grundstein als Jahre vorstand und neben vielen orga- Wir gratulieren! Das Siegerprojekt ist eine Energieversorger gelegt. nisatorischen Neuerungen den vwbf als besonders gut gelungene sozialdemokratisch orientierte Interessens- Blocksanierung eines um vertretung der Gemeinnützigen nachhaltig 1900 errichteten Altbau- WOHNENPLUS P.b.b. GZ 02Z032231 M, Wohnen Plus, Singerstraße 8/10, 1010 Wien positionierte. Gehbauer ist Geschäftsführer blocks: Bei dem Gebäu- der WBV-GPA und Mitglied der Delegier- de-Ensemble an der Ecke FA C H M A G A Z I N F Ü R D I E Z U K U N F T D E S W O H N E N S 2|2019 tenversammlung des Verbandes gemein- Neubaugürtel 13-17 mit nütziger Bauvereinigungen. Bei seiner der Goldschlagstraße 2-4 Antrittsrede betonte er die Bedeutung des wurde der Hof entkernt gemeinnützigen Wohnbaus für einen funk- und begrünt, ein Zubau tionierenden Wohnungsmarkt und österrei- errichtet sowie das Dach- chischen Wohlfahrtsstaat. Die Absicherung geschoß ausgebaut. Die der Vermögensbindung als Fundament des Straßenfassade aus Grün- gemeinnützigen Generationenvertrags er- derzeithäusern wurde achtet er als wichtigen Punkt. erhalten. Insgesamt wur- den rund 80 Bestands- wohnungen saniert und umgebaut sowie 60 neue geförderte Miet- wohnungen geschaffen. „Wir haben hier einen halben Straßenblock um- gebaut, das ist eine exo- tische Seltenheit“, schil- derte Martin Pober von Aufbau- Visualisierung: Imagina-VisualCollaboration der Premium Bauträger STANDPUNKT GmbH die Besonderheit Voller Energien in die Zukunft Umbau-Zubau MEIN WOHNEN PLUS des Projekts, das ab Sei- „Ich brauche die Schönheit Mit Verdichtung Qualität steigern te 15 (WohnenPlus Heft um mich herum“ Together sind wir smarter POSITIONEN Ein Stück Neues dazu 2/2019) wesentlicher Teil Win-Win statt Wehklagen Gemischte Gefühle in Tirol Foto: vwbf/Vogus der Covergeschichte war. Begleitet und betreut wurde das Projekt vom Siegerprojekt Neubaugürtel – WohnenPlus hat es irgendwie geahnt und das Projekt Markus Sturm übergibt an Michael Gehbauer. wohnfonds_wien. bereits vor der Preisverleihung auf das Cover gegeben. WOHNENPLUS . 3|2019 5
PROFIL Oscar für soziales Wohnen Fotos: PID | Christian Furthner Preisträger und Gratulanten auf der Bühne, Neubauten in der Carlbergergasse 105 erhielten den Wiener Wohnbau-Preis 2019. W Bereits zum dritten Mal wurde ohnbau-Zukunft: Ein virtu- bewerben auch tatsächlich erfüllt wor- eller Rundgang durch das den sind“. 30 Projektteams haben diese der Wohnbau-Preis vulgo Quartier am Seebogen – die Chance wahrgenommen, bestehend aus „Wohnbau-Oscar“ für geförderte nächste Bauetappe der See- insgesamt 38 Bauträgern, 41 Architekten, stadt Aspern – stimmte die rund 400 Be- 30 Landschaftsplanern sowie zahlreichen Neubauten in Wien vergeben. sucher in der alten Gösserhalle auf das weiteren Fachleuten. „Alle diese Projekte Die Jury kürte ein Projekt mit Jubiläumsfest ein. Frauen- und Wohn- sind wichtige Vorreiter und Impulsgeber hohem sozialen Anspruch als bau-Stadträtin Kathrin Gaál – „das Wohn- für den geförderten Wohnbau in Wien“, bau-Ressort ist das schönste Ressort“, ergänzte Dieter Groschopf, der stellver- „Anstoß für kommende Spitzen- habe ihr Bürgermeister Michael Ludwig tretende Geschäftsführer. leistungen“. Bei einem Fest im bei der Übergabe versprochen – defi- Juni feierte man auch 35 Jahre nierte dann gleich ihr Ziel: Qualitätsvol- Ein wahres Meisterstück le, leistbare Wohnungen für die Wiener. „Es war keine einfache Aufgabe, unter wohnfonds_wien. „Bauträger-Wettbewerbe sind der Inno- vielen Guten den Besten auszusuchen“, vationsmotor für den geförderten Wohn- beschrieb Juryvoritzender Kunibert bau“, betonte die Stadträtin ebenso wie Wachten die Herausforderung. Die ein- ROBERT KOCH die „verlässlichen Partner der Stadt“ bei gereichten Projekte spiegeln sehr an- den gemeinnützigen Bauvereinigungen. schaulich das Themenspektrum der von „Der Wohnbau-Preis zeigt die hohe Qua- 2014 bis 2018 besiedelten Wohnbauten lität und ist Anstoß für kommende Spit- wider: Quartiersentwicklung, Generati- zenleistungen.“ onenwohnen, Wohnen in Gemeinschaft Ausgelobt vom wohnfonds_wien über Baugruppen, Heimnutzung und würdigt der Preis herausragende und Nachverdichtung bis zu „smartem“ Woh- innovative Qualitäten von geförderten nen und dem Umgang mit schwierigen Profil-Bericht mit finanzieller Unterstützung des wohnfonds_ Neubauten. „Die gebaute Realität“ bie- Standortbedingungen. wien, fonds für wohnbau und stadterneuerung, 1080 Wien, te laut Geschäftsführer Gregor Puscher Das international besetzte Gremium Lenaugasse 10; einschließlich Bereitstellung der Bilder. gute Gelegenheit zu überprüfen, „ob die nominierte zunächst neun Projekte, „die Mehr Informationen im Internet unter www.wohnfonds.wien.at Erwartungen aus den Bauträger-Wett- in besonderer Weise den Querschnitt 6 WOHNENPLUS . 3|2019
PROFIL des geförderten Wohnbaus in Wien dar- stellen“. Nach deren Besichtigung und „Gesprächen auch mit Mietern“ – so Wachten – kam es im zweiten Durch- gang zur Entscheidung: Der Wiener Wohnbau-Preis 2019 geht an das Projekt- team vom Bauplatz 7 des Wettbewerbes „In der Wiesen Süd“, Wien 23, Carlber- gergasse 105. Vertreter der beiden Bau- träger Heimbau, Altmannsdorf und Het- zendorf, der Architekturbüros Artec und Dietrich|Untertrifaller, der Landschafts- planer Auböck+Karasz sowie das Quar- tiersmanagement-Team von realitiylab füllten die große Bühne. Die Jury strich die „faszinierende Selbstverständlichkeit“ des Projektes her- vor, mit der alle „sehr unterschiedlichen Anforderungen des Vier-Säulen-Modells umgesetzt und zu einem stimmigen Gan- und das prämiierte Projekt „symbolisiert oniert“, heißt es in der Beurteilung, „da- zen zusammengeführt wurden.“ Hinter den souveränen Umgang mit speziellen rin liegt auch der Schlüssel für die hohe diesem Ergebnis steckt „ein hohes Maß Situationen“. Gebrauchsqualität“. an Kooperation und Abstimmung: Es ist Ein weiterer Wohnbau mit Nomi- „Durch diesen wichtigen Preis wird ” nierung – WohnenPlus-Lesern bestens auch deutlich, auf welch hohem Niveau bekannt – siegte beim Publikumsvoting lebenswerter und gleichzeitig leistbarer Der Wohnbau-Preis zeigt per Internet: Baugruppe Lisa – Leben in Wohnraum in Wien geschaffen wird“, re- die hohe Qualität im geförderten der Seestadt Aspern, geplant von wup sümierte Frauen- und Wohnbau-Stadträ- wimmer und partner und zwoPK Land- tin Gaál. „Die ausgezeichneten Projekte Wiener Wohnbau und ist „ schaftsarchitektur, gebaut von Schwarza- weisen Pioniercharakter auf“, ergänzten tal, koordiniert von raum & kommuni- Puscher und Groschopf, „und werden Anstoß für kommende kation. „Die unmittelbare Kombination mit Sicherheit Vorbildwirkung für zu- Spitzenleistungen. von Privatheit und Gemeinschaft funkti- künftige Neubauten in Wien haben.“ Kathrin Gaál, Wohnbau-Stadträtin Lebenswerte Urbanität Mio. Quadratmeter Bauland im Besitz 1984 gründete die Stadt Wien den des Wohnfonds. 1995 wurden die Bau- wie aus einem Guss.“ Kunibert Wachten: Fonds für Wohnbau und Stadterneue- träger-Wettbewerbe eingeführt, 76 Ver- „So muss man mit Smart-Wohnungen rung zunächst mit zwei Aufgaben: Be- fahren für rund 300 Bauplätze mit rund umgehen, so macht man Quartiere – ein ratung und Begleitung von Althaus-Sa- 38.000 Wohnungen inzwischen umge- wahres Meisterstück.“ Dies biete den Be- nierungen – 7.200 Ansuchen wurden setzt. Parallel dazu begutachtete der wohnern ein innovatives, lebendiges Zu- seither fertiggestellt, die 325.000 Woh- Grundstückbeirat über 900 Projekte mit hause. (mehr dazu im Artikel auf Seite 8.) nungen in Sanierungsprojekten um- rund 85.000 Wohnungen. Daraus ent- fassten – wie auch die Bereitstellung standen zahlreiche Modelle einer le- Arbeit statt Preisgeld von Grundstücken für den geförderten benswerten Urbanität, die auch inter- Das Wohnbaupreis-Projektteam wird bei Wohnbau. Derzeit befinden sich 3,2 nationale Anerkennung finden. einem der nächsten Bauträger-Wettbe- werbe als Fixstarter teilnehmen, gab der wohnfonds_wien bekannt. Bei einem ge- ladenen Wohnbau-Verfahren darf jenes Team antreten, welches mit einem Aner- kennungspreis ausgezeichnet wurde. Die Jury entschied sich für ein 2014 besiedel- tes Projekt der Siedlungsunion in Wien 22, Polgarstraße 30a, geplant von könig- larch Architekten und rajek barosch Landschaftsarchitektur. „Der Standort ist nicht gerade fürs Wohnen geschaffen“, monierte Wachten. Direkt neben einer Güterbahnstrecke, dahinter Gewerbege- biet und Fernheizwerk. Aber solche He- Bilanz aus 35 Jahren Erfolgsgeschichte: Gregor Puscher und Dieter Groschopf, Geschäftsführer des wohnfonds_wien, mit rausforderungen „werden zunehmend Frauen- und Wohnbau-Stadträtin Kathrin Gaál. den Alltag der Stadtentwicklung prägen“ WOHNENPLUS . 3|2019 7
PRAXISCHECK Gute Nachbarschaft im Quartier In der Carlbergergasse entstand ein vom wohnfonds_wien initiiertes Wohnquartier der besonderen Art – alle Gemein- schaftsflächen wurden von fünf Bauträgern gemeinsam ent- wickelt und geplant. Ein letzten Endes erfolgreiches Unterfan- gen, mit Stolpersteinen und lehr- reichen Erfahrungen, wie beim Praxischeck vor Ort klar wurde. GISELA GARY Fotos: Robert Newald Grün, großzügig und luftig bebaut – der neue Stadtteil „In der Wiesen Süd“ stellt die gute Nachbarschaft und die gemeinsame Nützung von Allgemeinflächen ins Zentrum. Plus Akademie und Fachmagazin Woh- von Mischek Bauträger. Die Nutzungsbe- nenPlus veranstalteten Praxischecks einer schränkung auf die eigenen Mieter gibt es Gruppe von Interessierten, Planern und auch beim Dach-Schwimmbad und dem Bauträgern erläuterte. Fitnessraum des Wien-Süd-Bauteils. Es war Walter Koch von der Wien-Süd, Für die aktive Gemeinschaftsbildung der das Grundstück vor Jahren entdeckte erhielten die Bauträger die Aufgabe, Räu- und kaufte. Der wohnfonds_wien über- me zur Nutzung für alle Bewohner des E in strahlender, ruhiger Sommervor- nahm den Bauplatz und startete mit der neuen Quartiers zu entwickeln, die eben mittag in der Wohnbebauung „In Entwicklung. Groschopf dazu: „Das dia- eine „bauplatzübergreifende Gemein- der Wiesen“. Es sind kaum Men- logorientierte Verfahren wurde als Ergän- schaftsbildung“ fördern und ermöglichen. schen unterwegs, die Rasenflächen zung zum rein einstufigen Wettbewerb ins Insgesamt gibt es nun 13 Themenräume sind saftig grün, die Gestaltung des Frei- Leben gerufen – und zwingt im positiven wie Homeoffice, Kochstudio, Multifunkti- raums ist ungewöhnlich: Es gibt Hügeln, Sinn zum Miteinander.“ Das aktive Mitein- onshalle mit Galerie, Spielräume für Kin- Kletterholzstelen, Spielplätze, Bänke und ander muss gefördert werden, waren sich der jeden Alters, Musikraum, Werkstätte, auch kleine Wasserspielflächen – aber bald alle einig, maßgeblich forcierte Her- Fitness und Sauna, die in den verschie- wenige schnurgerade Flächen. Rund 800 mann Koller von der Heimbau die Idee, denen Bauteilen untergebracht sind. Die Bewohner leben in fünf Bauteilen, groß- alle Gemeinschaftsräume bauplatzüber- Planung der Gemeinschaftsräume wurde teils in Miete, 20 Prozent davon im Eigen- greifend zu planen und zu nutzen. Wie- von realitylab sozial begleitet, bis zwei tum. Nachbarschaft ist hier bei dem neuen ner Heim, ein Unternehmen von Mischek Jahre nach der Besiedlung kümmerte sich Stadtteil in der Carlbergergasse großge- Bauträger, ist mit seinem freifinanzierten das Team von Gernot Tscherteu um das schrieben – doch diese entwickelt sich Eigentumswohnbau mit traumhaften, am „Zusammenwachsen“ der Bewohner. Dar- nicht von allein. Aus diesem Grund ent- Rand des Grundstücks liegendem Außen- über hinaus ist auch die Gebietsbetreuung schied der wohnfonds_wien bereits bei pool außen vor – „das hätte ich den Woh- Liesing eingebunden – Christiane Klerings der Auslobung des Bauträgerwettbewerbs nungsbesitzern nicht erklären können, arbeitet nach wie vor mit ihrem Team da- ein dialogorientiertes Verfahren, wie Die- dass auch andere Personen hier schwim- ran, dass sich das neue Stadtgebiet in die ter Groschopf anlässlich des von Wohnen men kommen“, erklärte Christopher Girg bestehende Stadtstruktur integriert. 8 WOHNENPLUS . 3|2019
PRAXISCHECK Walter Koch von der Wien-Süd erläuterte detailliert, wie sich Der Praxischeck gewährte den Teilnehmern exklusive Einblicke vom Keller bis zum Dachgarten wie hier beim Bauteil der Wien-Süd. die „In-der-Wiesen“-Bebauung entwickelte. Bei der „In-der-Wiesen“-Bebauung hat sich bereits der sogenannte „Wiesenrat“ gebildet, der regelmäßige Treffen veran- staltet und mit Sicherheit eine positive Weiterentwicklung der Nachbarschaft er- reichen wird. Da sollen dann auch An- rainer eingebunden werden, die mitunter von dem Angebot, das durch den neuen Stadtteil entstehen wird, ebenso profitie- ren können. Erst vor wenigen Wochen ge- lang es, einen Supermarkt für den Stand- ort zu gewinnen – im Übrigen einer der Stolpersteine, mit denen niemand gerech- net hat. Doch nun hat sich auch schon ein ” Wenn jemand keine Kinder hat, hat er auch Nur für hauseigene Mieter – das Schwimmbad am Dach, mittlerweile ein Markenzeichen von Wohnbauten kein Verständnis, der Wien-Süd, sorgt für Abkühlung und einen sensationellen Ausblick. wenn ein hitziges Ballmatch an „ akklimatisieren beschäftigt. Die quirlige nehmen sind. Doch eines ist klar: „Wenn einem grauen November-Nachmittag Architekturabsolventin führte die Praxis- jemand keine Kinder hat, hat er auch kein check-Gruppe mit viel Witz und Episoden Verständnis, wenn ein hitziges Ballmatch unter ihm stattfindet. aus ihrem Alltag durch die Wohnbauten Laura Lipensky, realitiylab und die gemeinsam nutzbaren Räume. Das Kochstudio wie auch der Kidsraum In der Wiesen Süd kleiner Lebensmittelhändler angesiedelt, waren von Anbeginn die Renner schlecht fünf Bauträger: Wien-Süd, der Milch, Brot und kleine Imbisse an- hin. Da und dort hapert es noch – wie Altmannsdorf und Hetzendorf, bietet und begeistert angenommen wird. beispielsweise beim Homeoffice-Raum Heimbau, BWS, Auch eine Ärztin ist mit ihrer Ordination oder beim Musikraum: „Die werden ein- Wiener Heim/Mischek mitten ins Quartier eingezogen. fach nicht genützt – doch die Flächen sind fünf Architektenteams: flexibel und werden ihre Verwendung fin- atelier 4, Elsa Prochazka, Anlaufphase für Bewohner den“ – oder auch bei der Multifunktions- Walter Stelzhammer, Beim Rundgang durch den neuen Stadt- halle. Hier gibt es Anrainerbeschwerden, Artec und Dietrich|Untertrifaller teil erläuterte Laura Lipensky von reali- vor allem von darüber wohnenden Per- vier Landschaftsplaner: Idealice, tylab, dass Gemeinschaftsräume nie von sonen. Aktuell ist die Halle nun zu nur EGKK, Carla LO und Anbeginn angenommen werden, eine An- sehr beschränkten Zeiten geöffnet – zu- Auböck + Karász laufphase muss man sich hier eben gön- dem unterbrach ein Wasserschaden die soziale Begleitung: realitylab nen. Anfangs ist jeder mit seinem Einzug, Nutzung. Nun wird die Halle bauphysika- Auslober: wohnfonds_wien mit dem Möbel zusammenbauen und lisch überprüft, ob Adaptierungen vorzu- WOHNENPLUS . 3|2019 9
PRAXISCHECK Die Multifunktionshalle im BWS-Bauteil hat noch ein paar Anfangsschwierigkeiten – Anwohner stoßen sich am Lärm. Dieter Groschopf vom wohnfonds_wien. an einem grauen November-Nachmittag unter ihm stattfindet“, schmunzelt Lipens- ky. Und ja, genau an solchen und ähnli- chen Konfliktpunkten setzt die Arbeit von realitylab an – es wurden zahlreiche Tref- fen veranstaltet, zum Dialog motiviert und möglichst alle Generationen einbezogen. Die Halle selbst, geplant von Elsa Pro- chazka, ist architektonisch herausragend – angefangen von den Materialien, dem klugen Entwurf, sie halb zu versenken, bis zum Tageslichteinfall. Die Akustikpro- blemchen wird der Bauträger in den Griff bekommen, so Lipensky. Die Arbeit von realitylab ist mit Sommer 2019 beendet – Hermann Koller bedauert dies sehr, und streut wie auch alle anderen Bauträger, dem Team Rosen, „ohne euch hätten wir Laura Lipensky erläutert das digitale schwarze Brett – eine Innovation, die allgemeine und interne Infos vermittelt diese Quartiersentwicklung nie geschafft“. und über die auch die Gemeinschaftsräume gebucht werden. Dafür gab´s einen Extraapplaus. Das Büro Liske wurde vom wohn- Vielzahl an allgemeinen Informationen fünf Bauträger. „Das stimmt, der Aufwand fonds_wien mit der Evaluierung beauf- gefüttert wird, auf dem aber auch interne, war nicht wenig“, räumt Walter Koch von tragt – das Ergebnis ist durchwegs positiv. Bauplatz spezifische Infos abrufbar sind. der Wien-Süd ein. Da kam auch gleich 30 Prozent nutzen die Gemeinschafts- Wichtigste Eigenschaft: Über das digitale ein Wunsch: Gerne wieder so ein dialog- räume drei- bis viermal in der Woche – schwarze Brett werden sämtliche Gemein- orientiertes Verfahren, aber bitte mit Unter- knapp die Hälfte der Bewohner nutzen schaftseinrichtungen gebucht und reser- stützung einer externen Person, eines Pro- das Angebot regelmäßig. Die Befragung viert – und das funktioniert tadellos, selbst jektmanagers, der auf Effizienz achtet. Kein fand knapp ein Jahr nach der Besiedlung ältere Bewohner freunden sich langsam mit Problem für Dieter Groschopf, der die An- statt, also noch waren die meisten mit dem System an. regung gerne mitnahm – auf seinem Weg dem Einzug beschäftigt. Die Evaluierung Insgesamt präsentierte sich die Wohn- zur Wohnbaupreis-Verleihung, die am glei- soll wiederholt werden, denn der wohn- bebauung als wirklich groß- und einzig- chen Tag stattfand (Siehe Seite 6). fonds_wien will es wirklich wissen: Lohnt artig. Luftig bebaut, schöne, zurückhal- In der Zwischenzeit ist Leben in die sich der Aufwand – für eine gute Nach- tende Entwürfe und enorm viel Freiraum. Carlbergergasse gekommen – kleine Kinder barschaft? Vielleicht nicht zuletzt deshalb wurde der plantschen in den Pfützen, Mütter sitzen im Kernteil auf Bauplatz 7 der Genossen- Schatten, größere Kinder tollen auf Rädern Gelungenes Vorzeigeprojekt schaften Altmannsdorf und Hetzendorf und Skateboards durch die Gegend, Halb- Und wer aktuell keinen physischen Dia- und Heimbau mit dem Wiener Wohnbau- wüchsige lungern auf den Hängematten log will, der nützt das digitale schwarze preis 2019 ausgezeichnet. In jedem Fall und schauen durch die Gegend und ältere Brett – das ist ein Bildschirm, der im Ein- ist hier ein Vorzeigeprojekt gelungen, das Personen führen ihren Hund herum – klar, gangsbereich jedes Gebäudes installiert nun leicht zu imitieren ist – denn die Her- da tut sich schon wieder was, das ist inter- ist und von der Hausverwaltung mit einer kulesvorarbeit dazu leisteten bereits die essant, also: auf eine gute Nachbarschaft! 10 WOHNENPLUS . 3|2019
Weil gemeinsam vieles möglich wird. Service Gemeinnütziger Wohnbau Wo bauen Sie als Nächstes? Als einer der führenden Immobilienfinanzierer Österreichs begleiten wir gemeinnützige Wohnbauträger in jeder Phase ihres Projekts – von der Planung über die Wahl der optimalen Finanzierung bis hin zu Fragen der Wohnbauförderung und des Wohnrechts. Wann dürfen wir unsere Leistungsstärke für Sie unter Beweis stellen? WOHNENPLUS . 3|2019 11 www.bankaustria.at
MEIN WOHNEN PLUS „Im verdichteten Flachbau haben die Menschen mehr Kontakt“ Norbert Steiner, Obmann der Siedlungsgenossenschaft Alpenland, wohnt in der Roland- Rainer-Siedlung in St. Pölten. Er schätzt die einzigartige Atmosphäre der Anlage, die man in Großstädten kaum noch vorfindet. Ein Besuch. WOJCIECH CZAJA S Foto: Wojciech Czaja chon auf dem Weg in die Innen- stadt ist die Siedlungsgenossen- schaft Alpenland mehr als präsent. An fast jedem Kreisverkehr, an fast jeder größeren Kreuzung im Osten von eines Tages mal hier in der Nähe woh- man grüßt einander, es gibt einen engen St. Pölten prangen Plakate, die auf künf- nen.“ Der Wunsch sollte in Erfüllung ge- nachbarschaftlichen Kontakt, den ich in tige Bauvorhaben hinweisen: Mit knapp hen: Seine Frau Michaela Steiner, die sich größeren Wohnbauten oft vermisse.“ Vor 270 Wohnungen wird die von NMPB um Kulturaktivitäten im Regierungsviertel dem Wohnzimmer liegt ein kleiner Gar- Architekten geplante Wohnhausanlage kümmert, mietete damals eine Wohnung, ten, von dem aus man durch ein Hinter- Mühlbach Ost das größte, jemals realisier- die sie zehn Jahre später mit Option auf türl direkt auf den Traisenweg gelangt. te Projekt des gemeinnützigen Bauträgers Eigentum erwarb. „In den Großstädten kann man von sol- sein, der bislang rund 16.000 Wohnun- Und es ist nicht irgendeine Woh- chen Wohnprojekten nur träumen. In den gen mit Schwerpunkt Wien und Nieder- nung, sondern eine schön geschnittene, ländlichen Regionen und mittelgroßen österreich errichtet hat. Heuer feiert die 90 Quadratmeter große Atriumwohnung Städten jedoch findet man solche Quali- Alpenland ihr 70-jähriges Jubiläum. Und in einer verdichteten Flachbau-Sied- täten noch!“ als Jubiläumsgeschenk liegt bereits ein lung direkt an der Traisen, dem letzten Steiner hat in einem der Korbge- dunkelblaues Alpenland-DKT am Tisch, Planungsprojekt des Architekturdoyens flecht-Stahlrohrstühle aus den Siebzigern eine Lizenz des Spieleherstellers Piatnik. Roland Rainer. Errichtet wurde die 200 Platz genommen. Vor ihm steht ein al- „Wir haben schon etliche Male ge- Einheiten fassende Wohnhausanlage, die ter Montafoner Holztisch mit einer Ein- spielt, und mein Enkel regt sich immer über einen Fußgängersteg an das Regie- legeplatte aus massivem Schiefer. Hin- auf, dass die Grundstücke am Spielbrett rungsviertel angebunden ist, von den zu kommen alte Bauernschränke, eine viel zu billig zu haben sind“, sagt Nor- drei Bauträgern WET, St. Pöltner und Al- Tizio-Leselampe, ein Lampenklassiker bert Steiner. „Aber das passt schon. Ge- penland, fertiggestellt wurde das Projekt des deutschen Leuchtendesigners Ingo nau darum geht’s doch, oder?“ Steiner, 2005 nach Rainers Tod von seiner Tochter Maurer und etliche Zeichnungen und heute Obmann der Alpenland, war früher Johanna Rainer. Zwischen den Wohnein- Gemälde von Max Weiler, Walter Pichler, Vorstandsvorsitzender der Niederösterrei- heiten liegt ein gewisser Urlaubs- und Giselbrecht Hoke, Nikolaus Prachensky chischen Landeshauptstadt Planungsge- Sommerfrische-Flair in der Luft. sowie einiger seiner eigenen Werke. „Ich sellschaft NÖPLAN, leitete dann die Ge- „Ich schätze die Atmosphäre hier in bin ein leidenschaftlicher Zeichner. Das schicke der ÖBB und sanierte schließlich der Siedlung enorm“, sagt Steiner. „Und Zeichnen begleitet mich schon ein Leben das Megadebakel Skylink am Flughafen ich kann aus eigener Erfahrung sagen, lang.“ Zum Schluss gibt’s einen kleinen Wien-Schwechat. „Schon als wir damals dass in solchen verdichteten Flachbau- Espresso in einer Tasse, die Norbert Stei- vor über 25 Jahren das St. Pöltner Regie- anlagen die Menschen viel mehr Kon- ner selbst entworfen hat – mit Skizzen rungsviertel errichtet haben, wollte ich takt zueinander haben. Man kennt sich, der größten Bahnhöfe Österreichs. 12 WOHNENPLUS . 3|2019
THEMA Foto: Herta Hurnaus Not macht erfinderisch, und Wohnungsnot besonders. In Österreich und Deutschland werden dringend viele Wohnungen gebraucht. Ist der serielle Massenwohnbau wie in den 1960er Jahren die richtige Antwort? Oder sind die bautechnischen Möglichkeiten in Zeiten von BIM und Digitalisierung nicht schon viel weiter? Welche Materialen und Techniken garantieren in der überhitzten Baukonjunktur heute noch Effizienz und Leistbarkeit? Unter dem Motto Konstruktion folgt Funktion gibt es aktuelle Lösungsmöglichkeiten und Erkenntnisse, von der Vorfertigung über den Modul- und Systembau bis zur überraschenden Renaissance des Ziegelbaus im geförderten Wohnbau. WOHNENPLUS . 3|2019 13
THEMA Für immer Prototyp? Das modulare Bauen „Serielle Produktion – Chancen für den ge- und die Vorfertigung erleben förderten Wohnbau?“, eine Renaissance. Noch ist offen, welches die IG Archi- tektur bereits vor zwei wie massentauglich die Ideen Jahren im Auftrag der sind. Doch es gibt eine Vielzahl IBA Wien 2022 durch- an Konzepten, gemeinnützige führte: „Zum einen herrschte, auch am Bauträger erweisen sich Bau, akuter Facharbei- neuerlich als Innovationsträger. termangel. Der Wunsch nach hoher Geschwin- digkeit bei der Errich- MAIK NOVOTNY tung, unabhängig von Witterungseinflüssen schwang in allen Dis- kussionen mit, ge- nauso wie der Traum, durch die Vorfertigung geringere Baukosten zu erreichen. Letzte- re Hoffnung lässt sich trotz intensiver For- schung bis heute we- D der bestätigen noch ie Nachbarn in ihren Einfamili- dementieren.“ – Faktum: enhäusern schlugen die Hände Die Montagebau Wien über dem Kopf zusammen. Was errichtete rund 20.000 damals, 1978, vor ihrer Nase Wohnungen. auf die Wiese rollte, hatte für die meis- Foto: Herta Hurnaus ten weder mit ihrer Idee des Wohnens Wieder populär noch mit der halb-ländlichen Steiermark Der Zeitpunkt des For- zu tun. Das Projekt Kooperatives Woh- schungsprojektes ist nen (P.K.W.) in Graz-Raaba, die Realisie- Die Vorfertigung verkürzte die Bauzeit bei der Wohnsiedlung Maierhof in Bludenz. kein Zufall. Denn seit rung eines Traumes vom experimentellen einigen Jahren ist ein Zusammenleben, geplant von Architekt es vor allem mit dem großmaßstäblichen Wiedererstarken des seriellen Bauens zu Fritz Matzinger, bestand programmatisch Wohnbau der Nachkriegszeit assoziiert beobachten. Was vor 50 Jahren als indust- aus 24 Eigentumswohnungen und kons- wurde: Realsozialistischer Plattenbau als riell produzierte Masse gleicher Einheiten truktiv aus vorgefertigten Betonmodulen, Schreckgespenst. Dabei war das Serielle daherkam, zeigt jetzt ein anderes Gesicht. die mit dem Zug und Lkw aus Oberös- und Typisierte auch im Westen die favor- Heute hofft man dank Digitalisierung, terreich heran transportiert und dann per isierte Lösung für den Wohnraummangel BIM und Mass Customization, die eierle- Kran in kürzester Zeit aufeinandergetürmt der 1960er und 1970er Jahre. gende Wollmilchsau zu gebären, sprich: wurden. 40 Jahre später sieht man dem Die Stadt Wien führte schon früh dem- sowohl seriell als auch individuell zu Wohnprojekt – wie im Dokumentarfilm entsprechende Architektur-Wettbewerbe sein. Die Wohnung als perfektes Produkt „Der Stoff, aus dem Träume sind“ von durch und gründete die Montagebau mit individuell zusammengestellter Aus- Lotte Schreiber und Michael Rieper er- Wien mit zwei Fertigungswerken, für stattung, nach dem Vorbild der Autoin- sichtlich – seine modulare Genese nicht eine angestrebte Jahresproduktion von dustrie. Doch gelingt das über den ein- mehr an. 1.000 Wohnungen. Die Gründe dafür zelnen Prototyp hinaus? Das modulare Bauen selbst machte in waren vielfältig, erläutert Architekt Chris- „Unter der Überschrift modulares diesen 40 Jahren jedoch bis auf wenige toph Lammerhuber (pool architektur) im Bauen sind auf Standardisierung und Ausnahmen eine Pause. Nicht zuletzt, weil Abschlussbericht zum Forschungsprojekt Vorfertigung basierende Bauweisen heu- 14 WOHNENPLUS . 3|2019
THEMA wickelte „Aktivhaus 700“ zur Anwendung kam. Dieses ist eine serielle Weiterent- wicklung seines in der Weißenhofsiedlung stehenden Aktivhauses, das vor allem in Bezug auf seine Energiebilanz revolutio- när ist. Modular dabei sind in erster Linie nicht die Bauteile, sondern die Verbin- dungsstücke zwischen ihnen, wodurch ein individuelles Produkt entsteht, dem man die Standardisierung nicht ansieht. Ziel war es, so Sobek, „das Bauen von sei- ner archaischen Komponente zu befrei- en“, sprich: allen Beteiligten den Ärger auf der Baustelle zu ersparen. In Winnenden wurden 39 Einheiten der Serie aufgebaut, die Kosten liegen bei 1.650 Euro brutto Foto: Archiv Wohnen Plus. pro Quadratmeter BGF. Siehe dazu auch das Interview auf Seite 18. Einer der größten Player auf dem Markt der Vorfertigung – zumindest im Seit 40 Jahren stabil, beliebt und belebt: Die Wohnsiedlung aus Betonmodulen in Graz-Raaba von Architekt Fritz Matzinger. Holzbau – kommt aus Österreich: Kauf- mann Bausysteme aus dem Bregenzer- te wieder populär“, konstatierte Julia Gill auf drei Jahre befristete Containerdörfer, wald, deren jahrzehntelange Expertise schon 2016 im deutschen Fachmagazin sogenannte „Tempohomes“. Diese Drei- sich jetzt bezahlt macht, und vor allem in Bauwelt unter der augenzwinkernden Jahres-Frist wurde aber bereits in vielen Deutschland gefragt ist. Die von ihnen er- Überschrift „Germany‘s next Topmodul“: Fällen überschritten. Zurzeit plant der richtete Wohnanlage mit 96 Zimmern für „Schnell und kostengünstig soll nun der Berliner Senat die Nachnutzung der 22 Flüchtlinge in Hannover wurde als „bester Serienbau als schärfste Waffe der Woh- bisher errichteten Tempohomes als Stu- Holzbau außer Landes“ mit dem Vorarl- nungsbau-Offensive des Bündnisses für denten- oder Obdachlosenheime und berger Holzbaupreis 2017 ausgezeichnet, bezahlbares Wohnen und Bauen (BWUB) plant, die zehn bestehenden MUFs um 35 auch wegen seiner abwechslungsreichen die Löcher stopfen, die ein jahrzehntelan- neue zu ergänzen. Farbgestaltung, die jede Tristesse vermei- ges Aussetzen der sozialen Wohnraum- det. Die 180 verwendeten Module haben förderung am Markt hinterließ. Das ist in Modulare Verbindungsstücke jeweils eine Abmessung von 12 mal 2,70 mehrfacher Hinsicht erstaunlich: Erstens Dass in diesen Bauten mehr Potenzial Metern und werden inklusive Oberflä- scheinen Zeit- und Kostendruck hausge- als das nötige Minimum steckt, zeigt ein chen, Bodenbelag, Sanitär- und Elektro- ” Beispiel im baden-württembergischen installationen im Werk vorproduziert. Winnenden, wo das von Werner Sobek, Wie dieses Knowhow auch dem ge- Unter der Überschrift Professor an der Universität Stuttgart, in förderten Wohnbau zugute kommt, zeigt modulares Bauen sind auf Kooperation mit den Fischerwerken ent- die Wohnanlage „Wohnen 500“ aus dem Standardisierung und Vorfertigung basierende Bauweisen heute wieder populär. Julia Gill, Bauwelt 2016 „ macht, waren doch die Entwicklungen am Wohnungsmarkt längst absehbar. Zweitens haben die Baukosten nur be- dingt Einfluss auf die Wohnkosten.“ Denn Standardisierung und Vorfertigung ga- rantierten keineswegs automatisch Kos- ten- und Zeiteffizienz. Die zahlreichen, ab 2015 errichteten Flüchtlingsunterkünf- te kosteten schließlich kaum weniger als konventionelle Wohnbauten. Deutschland setzte bei diesen Unter- Foto: Lang Consulting künften auf eine zweigleisige Strategie: Einerseits strikt standardisierte „Modu- lare Unterkünfte für Flüchtlinge“ (MUF) für langfristige Nutzung, andererseits Temporäres Studentenwohnen: Die PopUp-Dorms in der Seestadt Aspern der WBV-GPA. WOHNENPLUS . 3|2019 15
THEMA mineralischen Wien von 19 Prozent auf 29 Prozent. Hier haben temporäre Modul- bauten schon Fuß gefasst – wie die 2015 errichteten PopUp-Dorms der WBV-GPA in der Seestadt Aspern, die aus zehn vor- gefertigten „Raumzellen“ von 16,8 x 5,5 Meter Grundfläche in Holzriegelbauweise bestehen und mindestens dreimal ab- und wieder aufgebaut werden können. Doch warum dominiert Holz, wenn es um serielles Bauen geht? Zum einen Foto: Zooey Braun gehören Beton-Fertigteile für viele noch der Ära des industriellen Bauens an, und sind aufgrund ihres Gewichtes und ihrer Fix und fertig geliefert – die Aktivhäuser 700 von Werner Sobek, hier in Winnenden, Deutschland, als Wohnsiedlung für Flüchtlinge. geringeren Präzision im Detail schwerer zu vorgefertigten All-inclusive-Raum- Vorarlberger Sonderwohnprogramm 2016, feld72 für die gemeinnützige Genossen- zellen kombinierbar. Wie der Woh- die Kaufmann Bausysteme mit Architekt schaft Wohnbauselbsthilfe 67 Wohnungen nenPlus-Praxis-Check in der Wohnanlage Johannes Kaufmann für die Vogewosi in in 8 Häusern, mit einer Mischung aus Mie- „Drei Schwestern“ und der Baugruppe Mäder errichtete. Hier dauerten Planung te, Mietkauf und Eigentum. Hier wurde Que[e]rbau im Mai zeigte (siehe auch Be- und Fertigstellung gerade ein halbes Jahr, Holz-Hybridbauweise in der Konstruktion richt auf Seite 24), sind es schlicht und jede der 20 identischen Wohnungen be- mit vorgefertigten Hohlkastenelementen einfach auch finanzielle Gründe. Dort steht aus drei Raummodulen. Die Errich- für die Holzfassade kombiniert, um die nämlich war der Ziegelbau im Vorteil, tungskosten liegen bei 2.098 Euro pro Bauzeit zu verkürzen. weil, so Herbert Wolf von der ausführen- Quadratmeter Wohnfläche, die monat- Dass hier vor allem vom Holz die Rede den Baufirma Hazet, die Preise für Beton, liche Miete samt Nebenkosten und Um- ist, ist kein Zufall. Während in Deutsch- Stahl und auch Vollwärmeschutz in kurzer Glossar Was ist was im seriellen Bauen? Baukastensystem Kombination von aufeinander abgestimmten vordefinierten Bau- steinen, aus denen Baukastenpro- dukte zusammengestellt werden. Modulbau Größere, in der Regel drei- dimensionale Einheiten, die vorge- fertigt und vor Ort addiert werden, bis hin zur Containergröße oder ganzen Wohneinheiten. Serielles Bauen Bauweisen, die auf Grund von Standardisierungen einen Wiederholungsfaktor implizieren, mit dem Ziel der Vereinfachung und Kostenersparnis. Gegensatz zu Foto: Vogewosi individualisiertem Bauen. Systembau Vorarlberger Holzbau-Knowhow: Wohnanlage der Vogewosi in Mäder. Bauverfahren, das aus vorgefertigten Elementen besteht. satzsteuer liegt bei 7,67 Euro pro Quadrat- land der Anteil des Fertigteilbaus in den Systembaukasten meter Wohnnutzfläche – eben genau 500 letzten Jahren relativ konstant ist (17,3 Vordefinierte Mischung aus seriell Euro pro Wohnung. (WohnenPlus 4|2017) Prozent der neu errichteten Wohnungen vorproduzierten und individuell im Jahr 2018 laut Statistischem Bundesamt angepassten Bauteilen. Attraktiver Holzbau Deutschland), ist der Anteil des Holzbaus Vorfertigung Der Holzbau ist auch dann attraktiv, wenn kontinuierlich angestiegen und betrug im fabriks- oder serienmäßige es nicht um maximale Kosteneinsparung Jahr 2018 in Deutschland 18,5 Prozent. Produktion von Bauteilen, die erst geht. Im Frühjahr 2019 fertiggestellt wur- Im Holzbau-Land Österreich stieg er zwi- später zum Endprodukt zusammen- de die Wohnsiedlung Maierhof in Blu- schen 1998 und 2013 von 25 Prozent auf gebaut werden. denz; hier planten die Wiener Architekten 43 Prozent – und selbst im traditionell 16 WOHNENPLUS . 3|2019
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