www.aaku.ch März 2018 Nr. 13 - Aargauer Kulturmagazin

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       März 2018
         Nr. 13

  CELLIST KIAN SOLTANI

 Der Musiker spielt
  Schumanns Cello­
  konzert mit dem
argovia philharmonic

     LYRIKFESTIVAL

  Ein Gespräch mit
    Martin Zingg
  über die Lyrik als
    Alles­fresserin

AUFBRUCH STATT ABBRUCH

 Der «Orientalische
 Frühling» läutet die
  Umbauphase des
Kur­theaters Baden ein
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NEONFISCHE                                                       LYRIKFESTIVAL
                                                                                    Samstag, 3. März 2018 – Sonntag, 4. März 2018
                                                                                                       Sa 10.15-18h, So 10.30-18h
                                                                               Mit Robert Schindel, Joachim Sartorius, Kathrin Schmidt, Ernst
                                                                               Halter, Raphael Urweider, Frédéric Wandelère, Klaus Merz, Me-
                                                                               ret Gut, Jürg Halter, Cornelia Travnicek, Tim Holland sowie den
                                                                               Übersetzerinnen Elisabeth Edl und Marion Graf.

                                                                               Neonfische sind spezielle Süsswasserfische, deren Biotop aber
                                                                               nicht etwa in Europa, sondern im Amazonas zu finden ist. Wen-
                                                                               dig sind die kleinen, fragilen Fische, unterirdisch geheimnisvoll
                                                                               irisierend leuchtend. Bilden sie eine Gruppe, verdichten sich ihre
                                                                               Körper zu immer neuen, kaleidoskopartigen Strukturen. Das
                                                                               Lyrikfestival NEONFISCHE 2018 versammelt wieder besonders
                                                                               leuchtende Einzeltiere, die sich unter deutschsprachigen Autor/
                                                                               innen tummeln, welche die Grenzen der Sprache ausloten und
                                                                               den Rändern der Poesie entlang arbeiten, um immer neue
                                                                               Klang- und Wortkonstellationen aufscheinen zu lassen.

                                                                               Tagespass: Fr. 25.-/20.-; Einzellesung: Fr. 15.-/12.-

                                                                               Reservationen: info@buchhandlung-otz.ch
c/o Müllerhaus, Bleicherain 7, 5600 Lenzburg, www.@aargauer-literaturhaus.ch

  Salon
  Leftovers, Prunkstücke und andere Badener Geschichten

  Kunstraum Baden
  9. bis 26. März 2018
  Haselstrasse 15, 5400 Baden, Eingang: Bahnhof West – Toreinfahrt Regionalwerke
  Öffnungszeiten: Mi bis Fr 14-17 Uhr, Sa & So 12-17 Uhr, Eintritt frei
www.aaku.ch März 2018 Nr. 13 - Aargauer Kulturmagazin
Herausgegeben von der IG Kultur Aargau                            März 18 Aargauer Kulturmagazin                    Editorial

                                         Aushalten
                                         Man muss es aushalten, dass die Welt sich uns nicht auf den ersten Blick erschliesst:
                                         «Schlag deine Augen nieder. Wo ist dein Versteck. / Du hast den Mund noch
                                         immer geöffnet, / bevor du beginnst, wieder zu lachen. / Den Anfang haben wir
                                         vergessen, / aber übermorgen bring mit den Dolch, / dass wir überlegen, weshalb
                                         wir leben.» Dies ist ein Auszug aus «Libellengrab», ein Gedicht von Meret Gut.
                      Corinne Rufli      Doch wie soll ich es deuten? Eine gute Antwort darauf gibt Martin Zingg, Lyrikexperte
                   Redaktionsleiterin    und Autor: «Wer von einem Gedicht Informationen erwartet, wird enttäuscht werden.
               corinne.rufli@aaku.ch     Gedichte schlagen vor, wie Sprache auf Welt reagieren kann. Und man muss es aus­
                                         halten, ein Gedicht nicht auf Anhieb zu verstehen.» Wie sie gelesen werden können,
                                         was gute Lyrik ausmacht und ob man Gedichte übersetzen kann, erzählt Zingg im
                                         Interview ab Seite 21 sowie am Lyrikfestival Neonfische im Aargauer Literaturhaus.
                                         Dem Festival widmen wir den Leitartikel und lassen Gedichte der Zürcherin Meret
                                         Gut und der beiden Aargauer Ernst Halter und Matthias Dieterle für sich sprechen.
                                         Wer sich schon lange nicht mehr an Lyrik gewagt hat, sei ermuntert, das Festival
                                         als Eisbrecher zu sehen oder im stillen Bibliothekskämmerchen Ingeborg Bachmann,
                                         den Jandl oder gar Christa Reinig wieder einmal hervorzunehmen.

                                         Aushalten muss man auch, dass im Kurtheater bald das Stück «Abrissbirne» sehr
                                         live demonstriert wird. Bis dahin weckt der «Orientalische Frühling» die im Winter
                                         erstarrten Glieder. Trotz Umbau des Theaters bleibt der Betrieb – ausser Haus –
                                         bestehen.

                                         Aushalten müssen viele auch, dass unser Heimatreporter Benjamin von Wyl keine
                                         idyllischen Pressereisli ins Aargauer Land veranstaltet, sondern sich wagemutig
                                         von einem Kaff ins andere wirft und in seinem süffig-subjektiven Stil beschreibt, was
                                         mit ihm geschieht. Die Chance bietet sich nun, ihn live zu sehen (siehe Seite 27).

                                         Aushalten muss man auch, dass Kian Soltani (Cover) nicht nur schön, sondern
                                         auch hochbegabt ist. Der aus einer persischen Musikerfamilie stammende, in
                                         Bregenz aufgewachsenen Cellist spielt Schumanns Cellokonzert mit dem argovia
                                         philhar­monic.

                                         Aushalten müssen wir nun nur noch den ungewissen Ausgang der «No Billag»-­
                                         Abstimmung. Und wir müssen zusammenhalten gegen den Abbau von Kultur.

                                                                                                                                 3
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AL   PRIDE
                                                                                                         HALLAVARA
ODEON BRUGG
das Kulturhaus beim Bahnhof
                                                                                                         28. APRIL 2018
CINEMA                           BÜHNE                    BAR                                            www.salzhaus-brugg.ch
Info 056 450 35 65               Vorverkauf          Mo – Do 17.30 – 23 Uhr
Tickets                          Mo bis Fr ab 14 Uhr Fr + Sa 17.30 – 24 Uhr
odeon-brugg.ch                   Sa/So ab 10 Uhr     Sonntag 17.30 – 22 Uhr

CINEMA                                                    BÜHNE
Donnerstag 1. märz 18 UHr                                 FreItag 2. märz 20.15 UHr
       FILMREIHE VINDONISSA                               mICHaeL FeHr
gLaDIator                                                 Der Autor trägt aus seinen 2017 er-
USA 2000 149 Min. E/d ab 14 Jahren Regie: Ridley Scott    schienenen Erzählungen «Glanz und
Ridley Scotts Meisterwerk besticht                        Schatten» vor.
durch spannende Kampfszenen und
einen grossartigen Russell Crowe.

mIttWoCH 7. märz 18 UHr
       CAMPUSCINEMA
eLDoraDo
CH 2018 90 Min. D ab 12 Jahren Regie: Markus Imhoof
Der neue spannende Dokfilm von
Markus Imhoof (MORE THAN HO-
                                                          sonntag 4. märz 11 UHr
NEY) mit anschliessendem Filmge-
                                                          brUno Im gLÜCK – Jörg boHn
spräch.
                                                          Mit vielen Bildern und wenigen Wor-
                                                          ten geht das Stück den Fragen nach,
                                                          wie Kommunikation gelingt und wo
                                                          das Glück beginnt.
                                                          ab 6 Jahren 50 Minuten Dialekt
                                                                                                                                     Aarauerstrasse 26 I 5200 Brugg
                                                          FreItag 9. märz 20.15 UHr
                                                          DoDo HUg – CosmoPoLItana
                                                          Carpe diem mit Madâme la cosmo-
ab Donnerstag 8. märz
                                                          politana!
         PREMIERE
eLLa & JoHn
                                                          sonntag 11. märz 17.30 UHr
                                                                                                                        NOCHE L ATINA MIT
                                                                                                                        «COR A ZON L ATINO»
I/F 2017 112 Min. E/df ab 12 Jahren Regie: Paolo Virzì
Um ein letztes Mal ein richtiges                          KULtUrDInner
Abenteuer zu erleben, beschliessen                        tHomas rabensCHLag
die beiden Rentner, zu zweit in ihrem                     Mit einer höchst illustren Gästeschar                         SA 03. März | 21 Uhr
Wohnwagen von Boston nach Florida                         (u.a. Max Lässer)setzt sich der Brug-
zu fahren. Eine berührende Komödie                        ger Musiker Thomas Rabenschlag an
                                                          den Tisch und bereitet vor den Augen,                         Mit Dudu Penz, einem der wohl besten Latin-Bassisten
mit Helen Mirren und Donald
Sutherland.                                               Nasen und Ohren des Publikums eine                            der Schweiz, stürmt Bandleader Andy Bopp schon zum
                                                          Minestrone zu.                                                5. Mal das Dampfschiff.
                                                          Donnerstag 15. märz 19 UHr
                                                          tanDem-LesUng: ernst HaLter
                                                          UnD PIUs strassmann                                           Hol dir deinen kostenlosen Drink!
                                                          Gedichte leben vom Klang, von                                 Ausschneiden und mitbringen (gültig am 03.03.18)
                                                          Bildern und Assoziationen, sie wollen                         www.dampfschiff brugg.ch
                                                          nicht verstanden, sondern gehört und
                                                          erlebt werden!                                                www.facebook.com/dampfschiff kultur
samstag 17. märz 17.45 UHr
           FILMNACHT
FILmnaCHt InDIen
Indien: ein Land voller Extreme.
Wir zeigen THE HUNDRED FOOT
JOURNEY, THE LUNCHBOX, OM
SHANTI OM und verwöhnen Sie
dazwischen mit Köstlichkeiten aus der
indischen Küche.
                                                          FreItag 16. märz 20.15 UHr
                                                          Horta Van HoYe
                                                          gesICHter-gesCHICHten
                                                          Die flämische Bildhauerin, Clownin                                                          KUNST & APÉRO
                                                          und Zeichnerin ist eine beeindru-
                                                          ckende Bühnenkünstlerin, die ihre                                                           AUSSTELLUNG MIT:
                                                          einzigartigen Papierfiguren auf der                                                         ELKE DELIMAR, BILDER
samstag 31. märz 23 UHr                                   Bühne zum Leben erweckt.                                                                    DANIEL SCHWARZ, SKULPTUREN
       CINE TO THE MILKYWAY                                                                                                                           JEDEN DONNERSTAG
tHe aDVentUres oF PrIsCILLa,                              sonntag 18. märz 11 UHr
QUeen oF tHe Desert                                       De CHasCHPer maCHt tHeater                                                                  16.45 – ca. 21.45 Uhr
                                                                                                           Aarauerstrasse 96a
                                                          Eine Wiederbegegnung mit dem sym-
AU 1994 104 Min. E/d ab 16 Jahren Regie: Stephan Elliot
                                                                                                           CH-5200 Brugg                              JEDEN SAMSTAG IM MÄRZ
Majestätisch, provokativ und schrill                      pathischen Kasperlistück der Tösstaler
erobert der ausrangierte Schulbus                         Marionetten in einer Neuinszenierung             galerie@immaginazione.ch                   10.00 – 14.00 Uhr
«Priscilla» das australische Outback                      mit klassischen Holzhandpuppen.                  www.immaginazione.ch                       BEGEGNUNGEN, KUNST UND SEIN
und die Herzen der Kinozuschauer.                         ab 4 Jahren 50 Minuten Dialekt

                                                                                                Immaginazione_Inserat_AAKU_03-2018_v01.indd 1                                 29.01.18 18:36
www.aaku.ch März 2018 Nr. 13 - Aargauer Kulturmagazin
Herausgegeben von der IG Kultur Aargau                         März 18 Aargauer Kulturmagazin                      Inhalt

                                                              VORSCHAU

                                         Aufbruch statt Abbruch 6
           Im April beginnt der Umbau des Kurtheaters Baden. Bis dahin
                       vertreibt der «Orientalische Frühling» den Schnee

                                                                             MAGAZIN

                                                                             20 Wann ist ein Gedicht geglückt?
                                                                                 Das Aargauer Literaturhaus Lenzburg lädt ein zum Lyrikfestival
                                                                                 Neonfische. Sibylle Ciarloni im Gespräch mit dem Autor und
                                                                                 Publizisten Martin Zingg

                   Ungleiche Paare im Museum Langmatt 8
Relikte aus dem Keller gesellen sich zu hochkarätigem Impressionismus

                                                         Becca Stevens 8
                             Die New Yorker Sängerin kommt nach Muri

                                                          Kian Soltani 9
    Der Cellist spielt mit dem argovia philharmonic in Aarau und Baden

                                                       «Frau im Wald» 10
                            Eine furiose Auflösung im Theater Tuchlaube      24 Mustafas Welt
                                                                                 Kolumne
                                     «Kleiner Mann, was nun?» 10
        Das Reinacher TaB-Ensemble nimmt sich Hans Falladas Buch an          24 Berlin einfach mit Timo Koch
                                                                                 Ein Aargauer wandert aus
                                                       Jazz geht Baden 11
                   Mit der deutschen Saxofonistin Anna-Lena Schnabel         25 Olga Tucek
                                                                                 Kolumne
                            Zwischen Hip-Hop und Hardcore 11
                                       Deez Nuts aus Down Under im Kiff      25 Das Objekt
                                                                                 Sammlerstücke von Rudolf Velhagen
                Ein Schumann-Märchen im Kloster Muri 12
                       Tenor Julian Prégardien und Pianist Michael Gees      27 Backstage
                                                                                 Von Patti Basler
                                                Traum und Illusion 12
«Hin ist hin» – eine theatrale Collage für Puppen und Menschen im Thik       27 Die Schweiz im Bürgerkrieg
                                                                                An der Sofalesung zeichnet Benjamin von Wyl ein düsteres Bild
                     «The Last Swiss Holocaust Survivors» 13                    der Heimat
      Die Ausstellung im Forum Schlossplatz ermöglicht Begegnungen
                                                                             28 Tour de Kaff
                                              «Körpergeschichten» 13             Nächster Halt: Magden
              Drei Künstlerinnen, drei Perspektiven im Gluri Suter Huus

                                                «Die nächste Stadt» 14
  Ein Einblick der Badener Architektin und Stadtforscherin Sibylle Wälty     AGENDA

                                               «Nordische Klänge» 14         30	Kultur im Aargau auf einen Blick
                Sinfonia Baden mit dem neuen Dirigenten Roman Blum               Veranstaltungen im März

                                                         Kultursplitter 16
                                                             Filmtipps 17
                                                              Hörtipps 18
                                                             Lesetipps 19    Cover: Kian Soltani. Foto: Nikolaj Lund

                                                                                                                                       5
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Vorschau                    März 18 Aargauer Kulturmagazin

                                    TEXT ARMIN KERBER | FOTO UTE LANGKAFEL

Das Kurtheater
 ist ausser sich
      BÜHNE Was für eine Überraschung: Trotz des Umbaus muss das kulturaffine
    Kurtheaterpublikum auf nichts verzichten – ausser auf das Haus. Unter dem
Motto «Kurtheater Baden ausser Haus» wird der kuratierte Gastspielbetrieb aufrecht­-
 erhalten. Programmleiter Armin Kerber schreibt über die Zeit zwischen Abbruch
                                und Aufbruch.

  Jubel, Klatschen, Umarmungen – es war im Januar vor einem    den konnten. Seit Ende Januar ist alles so weit unter Dach
  Jahr, als die erlösende Nachricht im Kurtheater Baden für    und Fach, sodass der Baubeginn im April stattfinden kann.
  Freudentaumel sorgte. Wohlgemerkt nicht auf der Bühne,           Und was macht das Theater, wenn das Haus geschlossen
  sondern im Büro. Die Nachricht war eingetroffen, dass das    wird? Ganz einfach: Es geht raus. Dank Kooperationen mit
  Bundesgericht unwiderruflich entschieden hat: Nach Jahren    verschiedenen Spielorten in Baden wird unter dem Motto
  von Einsprüchen, Verzögerungen und Unsicherheiten steht      «Kurtheater Baden ausser Haus» der kuratierte Gastspielbe­
  dem Umbau des Kurtheaters Baden definitiv nichts mehr        trieb auch in der kommenden Spielzeit weitergeführt.
  im Weg. Was das Volk von Baden entschieden hat, soll nun     Von Herbst 2018 ab zeigt das Kurtheater Baden regelmäs­
  endlich umgesetzt werden.                                    sig Aufführungen aus dem In- und Ausland. Dabei wird wie
      Inzwischen sind dreizehn Monate vergangen, aufregende    bisher der komplette Spartenmix von Theater, Tanz, Musik­
  und inspirierende Produktionen waren zu Gast, das Publi­     theater sowie Kinder- und Jugendtheater angeboten. Weder
  kum hat sich zahlreich im Kurtheater eingefunden, und mit    die Abonnentinnen noch die spontanen Besucher müssen
  dem «Orientalischen Frühling» steht im März ein hochkarä­    sich Sorgen machen, auch in der Umbauphase kommen die
  tiges Abschlussbouquet bevor. Hinter den Kulissen hatten     Badener*innen in den Genuss «ihres» Theaters.
  in derselben Zeit Lara Albanesi und Louis Burgener vom
  Kurtheater zahlreiche Sitzungen mit den Architekten, der     Im Rahmen der Veranstaltung «Was war – Was kommt» präsentiert
                                                               Armin Kerber am 13.  Juni 2018 im Museum Langmatt die eingelade-
  Bauleitung und den involvierten Behörden, um die Logistik    nen Gastspiele mit allen Spielorten. Das Kurtheater-Team wird
  des Umbaus bis ins Detail auszuarbeiten. Dabei mussten       während der Umbauzeit ein Büro in der Villa Langmatt beziehen
  noch einige planerische Hürden genommen werden, doch         und von dort aus sowohl das Programm «Kurtheater ausser Haus»
                                                               betreuen als auch die Wiedereröffnung des sanierten Theaters
  die grundsätzliche Begeisterung sorgte dafür, dass auch
                                                               im Frühjahr 2020 vorbereiten.
  manch anstrengende Verhandlung mit Geduld und Engage­
  ment geführt wurde und vernünftige Ergebnisse erzielt wer­

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www.aaku.ch März 2018 Nr. 13 - Aargauer Kulturmagazin
März 18 Aargauer Kulturmagazin                   Vorschau

   Am Puls der Zeit
                                                                   BÜHNE Berlin als Schmelztiegel der Kulturen: Hier begegnen sich
                                                                   Menschen aus dem Nahen Osten, die in ihrer Heimat durch Grenzen und
                                                                   Kriege getrennt waren. Im Stück «The Situation» des Maxim Gorki
                                                                   Theaters Berlin treffen Syrerinnen, Israeli oder Palästinenser aufeinander,
                                                                   wo sie einen Deutschkurs in Neukölln belegen. Kein Wunder also, dass
                                                                   im Kurs von Deutschlehrer Stefan die Grammatik das kleinste Problem
                                                                   ist. In einer furiosen «Kombination aus Beziehungs-­B oulevard und Doku­
                                                                   mentartheater», wie die «Süddeutsche Zeitung» schreibt, lässt Regis­
                                                                   seurin Yael Ronen aus Tel Aviv ihre Protagonist*innen mit Leidenschaft
                                                                   und Humor aufeinanderprallen. Dazwischen fechten die Geister der
                                                                   Vergangenheit ihren aberwitzigen Kampf aus. cru

 Wo die Kulturen aufeinanderprallen. Foto: Ute Langkafel
                                                                   BADEN Kurtheater, Sa, 10. März, 19.30 Uhr

Mashalla
BÜHNE «Wie oder was Gott will» – das fragt sich auch Zarina. Eine 30-jährige New Yorkerin mit pa­
kistanischen Wurzeln tritt als Protagonistin in einem Familiendrama auf, das die tiefen Wunden einer
muslimischen Migrantenfamilie offenbart. Der Vater, streng gläubig, kümmert sich hingebungsvoll
um seine beiden Töchter. Zarina bereitet ihm Sorgen, da sie weder verheiratet ist, noch Kinder hat.
Via Kontaktanzeige will er Heiratskandidaten finden. Da entdeckt er Zarinas Manuskript für ihr neues
Buch. Sie stellt darin die Fragen, wer war der Prophet Mohammed als Mensch, welche Leidenschaften
trieben ihn um, und was für ein Bild hat sich der Islam von ihm gemacht. Zarinas kritische Antworten
darauf sind für den Vater reine Blasphemie. Die Familie zerbricht. «The Who and the What» heisst die
Komödie des Pakistani-Amerikaners Ayad Akhtar, der als einer der einflussreichsten Dramatiker der
Gegenwart gilt. «Das Stück ist eine scharfe Kritik des Islam, aber auch eine starke Verteidigung», sagte
er einmal. «Islamkritik als Boulevardkomödie», schrieb «Die Welt». Die Regisseurin Karin Beyer vom
Deutschen Schauspielhaus Hamburg inszeniert das Stück mit mitreissenden Dialogen und nähert sich
mit Humor und Tiefgang einem Vater-Tochter-Konflikt. cru

                                                                                                            Vater-Tochter-Konflikt mit Humor und Tiefgang.
                                                                                                            Foto: Klaus Lefebvre
BADEN Kurtheater, Mi, 21. März, 20 Uhr

                                                                                                                                 TA L ISCHE R
             Kopftuchkonflikt im Schnee                                                                                   ORIE N
                                                                                                                                       ING
                                                                                                                              FRÜHL
                                                                   BÜHNE Nach zwölf Jahren im deutschen Exil
                                                                                                                                      . Mä rz
                                                                   reist der Dichter Ka in die ostanatolische Stadt          10. – 24 heater.ch
                                                                                                                                        rt
                                                                   Kars, die wegen starken Schneefalls von der Aus­            w w w.ku
                                                                   senwelt abgeschnitten ist. Er möchte eine Reporta­
                                                                   ge über eine Selbstmordserie von Kopftuch tragenden
                                                                   jungen Frauen schreiben, die sich dort abgespielt hat.
                                                                   Das Geschehen vor Ort eskaliert, und der Dichter verheddert sich immer
                                                                   mehr als Vermittler in den Kampf zwischen türkischen und kurdischen
                                                                   Nationalisten, zwischen der Armee und islamistischen Fundamentalisten.
                                                                   «Schnee», ein Roman des türkischen Literatur-Nobelpreisträgers Orhan
                                                                   Pamuk, wird vom jungen Regisseur Ersan Mondtag dramatisiert und vom
                                                                   renommierten Thalia Theater Ham­burg aufgeführt. Mondtag, in Neukölln
                                                                   als türkischer Secondo auf­gewachsen, wurde von «Theater heute» zum
                                                                   Nachwuchsregisseur des Jahres gewählt. cru

 Eigenwillige Bildsprache an den Bruchkanten eines Konflikts.
 Foto: Armin Smailovic
                                                                   BADEN Kurtheater, Sa, 24. März, 19.30 Uhr

                                                                                                                                              7
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Vorschau                      März 18 Aargauer Kulturmagazin

           Seitensprünge
           KUNST Weshalb haben impres­sio­nistische Bilder derart unvorstellbare Werte erreicht? Warum werden sie in Ausstellungen
            immer ästhetisch präsentiert und rezipiert – als Wohlfühlbalsam für ein breites Publikum? Warum ist heute von der seiner­
            zeit höchst be­mer­kenswerten Banalität der Bildmotive kaum mehr etwas zu spüren? «Seitensprünge – Impressionismus
            ohne Sockel» ist eine Thesenausstellung, die kritisch die (monetär motivierte) «Ehrfurcht» vor diesen Bildern hinterfragt.
                                                                                                                   Dazu werden sieben
Paul Cézannes «Bäume und Felsen im Park des                                                                        impressionistische
Château Noir» inmitten historischer Weinregale
aus dem Keller. Foto: Museum Langmatt                                                                              Bilder aus der Samm­
                                                                                                                   lung mit wertlosen
                                                                                                                   Gegenständen aus
                                                                                                                   dem Keller gepaart.
                                                                                                                   So trifft der «Herbst
                                                                                                                   in Eragny» (1899)
                                                                                                                   von Camille Pissarro
                                                                                                                   auf eingetrocknete
                                                                                                                   Farbproben, oder es
                                                                                                                   begegnet Alfred Sis­
                                                                                                                   leys «Die Kirche von
                                                                                                                   Moret» (1893) einem
                                                                                                                   alten Eisengeländer.
                                                                                                                   Ein humorvoller Zu­
                                                                                                                   gang an ein grosses
                                                                                                                   Thema. cru

                                                                                                                   BADEN Museum
                                                                                                                   Langmatt, Vernissage:
                                                                                                                   Sa, 3. März, 17 Uhr

           Jenseits
           musikalischer
           Kategorien
           SOUNDS Regina ist die lateinische Bezeichnung für Königin
           oder Regentin – gleichsam der Titel des neuen Albums der
           New Yorker Sängerin Becca Stevens. Der Name der Platte
           ist bewusst gewählt, diente doch das Leben der britischen
           Monarchin Elisabeth I. als primäre Inspirationsquelle für die
           Amerikanerin. Darüber hinaus sind Songs über Ophelia, eine
           indianische Wassergöttin und Shakespeares «Queen Mab»
           zu hören. Dabei spielt Stevens und ihre Band jazziger Folk
           mit poppiger Ausstrahlung und Indierock-Anleihen – dieser
           präsentiert sich so vielseitig, dass er sich elegant jeglicher
           Kategorisierung entzieht. Im Zentrum steht jedoch immer
           die glasklare Stimme Stevens’, die wunderbar mit ihrem
           Lieblingsinstrument – der Ukulele – harmoniert. phn

                                                                             Von Königinnen inspiriert: Die New Yorker
                                                                             Sängerin Becca Stevens. Foto: Tom Kershaw
           MURI Pflegidach, So, 18. März, 20.30 Uhr

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www.aaku.ch März 2018 Nr. 13 - Aargauer Kulturmagazin
März 18 Aargauer Kulturmagazin                      Vorschau

            Schubert und Schumann
            sind seine Lieblinge
            KLASSIK Seine bisherige Karriere wird gekrönt                Kol­leginnen und Kollegen bei Schumanns Klavierquintett
            durch den mit 75 000 Franken dotierten Credit                zu – ein Erlebnis. Seither ist die Anteilnahme an der Lauf­
            Suisse Young Artist Award 2018. Ein Glück,                   bahn des Ausnahmekönners eine schöne Pflicht.
            dass der junge Cellist Kian Soltani nun mit                       Was hat der 26-Jährige nicht schon alles erreicht. Im
            dem argovia philharmonic in Aarau und Baden                  Alter von zwölf Jahren beginnt er sein Cellostudium bei
            spielen wird.                                                Ivan Monighetti an der Musik-Akademie Basel. Später folgen
                                                                                                     Meisterkurse bei Sol Gabetta und
                                                                                                     Jens Peter Maintz. Ab 2013 kommt
                                                                                                     es sozusagen knüppeldick:
                                                                                                     Kian Soltani gewinnt einen Preis
                                                                                                     nach dem anderen; er konzertiert
                                                                                                     mit renommierten Orchestern wie
                                                                                                     dem Tonhalle Orchester Zürich,
                                                                                                     dem Helsinki Philharmonic und –
                                                                                                     2017 – dem West-Eastern Divan
                                                                                                     Orchestra unter Leitung Daniel
                                                                                                     Barenboims beim Lucerne Festival.
                                                                                                     Und nun wird die bisherige steile
                                                                                                     Karriere mit dem alle zwei Jahre
                                                                                                     vergebenen Credit Suisse Young
                                                                                                     Artist Award gekrönt. Damit
                                                                                                     verbunden ist nicht nur eine hohe
                                                                                                     Preissumme, sondern auch ein
                                                                                                     Konzert mit den Wiener Philhar­
                                                                                                     monikern beim Lucerne Festival.
                                                                                                     Zu Kopf steigen wird der Award
                                                                                                     dem Musiker bestimmt nicht.
                                                                                                     Ausruhen auf dem Erreichten will
                                                                                                     er sich ja nicht; dazu ist seine Neu­
                                                                                                     gier auf Kommendes viel zu gross.
                                                                                                         Fragt man ihn nach den Kom­
                                                                                                     ponisten, die ihm am liebsten sind,
                                                                                                     schüttelt er kurz den Kopf, bevor
                                                                                                     er strahlend sagt: «Schubert und
                                                                                                     Schumann». Und Schumanns Cello­
                                                                                                     konzert wird er nun – umrahmt
                                                                                                     von Antonín Dvořáks Konzert­
                                                                                                     ouvertüre «In der Natur» und César
                                                                                                     Francks Sinfonie d-Moll – mit dem
                                                                                                     argovia philharmonic unter Matthias
Cellist Kian Soltani ist ein Ausnahmekönner. Foto: Juventino Mateo
                                                                                                     Bamert spielen.
                                                                                                         Wer weiss, vielleicht ist Kian
            «Den müssen Sie unbedingt erleben!». Wie oft hört man        Soltani danach ebenso glücklich wie damals, als er auf der
            diese Worte und weiss dabei nie, ob man ihnen wirklich       Waldbühne Berlin vor 20 000 Zuhörer*innen auftrat: «Als ich
            vertrauen kann. Beim Kammermusikfest Spannungen in           aufs Podium ging, fühlte ich mich wie ein Rockstar.» Er lacht
            der Nordeifel ist das anders: Bekommt man Obiges zu hö­      und gibt dann sein Lebensmotto preis: «Just enjoy it.»
            ren, ist das Hingehen ein Muss. Wohlverstanden, nicht zum    Von Elisabeth Feller
            Konzert, sondern zur Probe mit dem Cellisten Kian Soltani,
            der 2016 als Stipendiat zu diesem erlesenen Fest geladen
            war. Also besuchte man eine der letzten Proben und hörte     AARAU Kultur & Kongresshaus
            dem aus einer persischen Musikerfamilie stammenden,          So, 18. März, 17 Uhr; Di, 20. März, 19.30 Uhr
            in Bregenz aufgewachsenen Cellisten und seinen jungen        BADEN Trafo, Fr, 23. März, 19.30 Uhr

                                                                                                                                        9
www.aaku.ch März 2018 Nr. 13 - Aargauer Kulturmagazin
Vorschau                       März 18 Aargauer Kulturmagazin

           Ausbruch, Aufbruch, Umbruch
           BÜHNE Was geschieht, wenn sich das Ich inmitten des Alltags plötzlich auflöst, ausufert
           und entflieht? Im Stück «Frau im Wald», das in der Tuchlaube Erstaufführung feiert,
           wird das mehrstimmig und furios untersucht.

           Das Tram ist voll, das Telefon klingelt, der Zahn schmerzt,          es sich bei der Auflösung des Ichs der Protagonistin(nen)
           der Hase ist tot und dann ist er da, der Moment, in dem es           tatsächlich um einen psychischen Zusammenbruch in einer
           so nicht mehr weitergeht. Im Stück «Frau im Wald» von                kalten, zu schnellen Zeit, um einen persönlichen Befreiungs­
           Julia Haenni, das 2016 im Rahmen des Förderprogramms                 schlag oder um einen kollektiven Aufbruch in eine andere
           «Dramenprozessor» entstanden                                                                    Zukunft handelt, will sie bewusst
           ist, geht es um die Frage, was             Die Badenerin Julia Haenni (Bild) schuf ein angst­-  offenlassen.
                                                      volles Stück Sehnsucht. Foto: Mali Lazell
           passiert, wenn «Durchatmen und                                                                      Dass im Spiel nur Frauen
           weiter» nicht mehr funktioniert.                                                                vorkommen, ist kein Zufall: «Ich
                Patrick Bachmann und Olivier                                                               möchte Stücke machen, in denen
           Keller führen Regie in dem Stück,                                                               Frauen gemeinsam die Bühne
           das für eine bis zehn Schau­                                                                    erobern und ihre Geschichten,
           spielerinnen geschrieben ist.                                                                   die alle betreffen, erzählen. Reine
           «Das Experimentieren mit die­                                                                   Frauenstücke gibt es fast nicht,
           ser Mehrstimmigkeit faszinierte                                                                 meistens sind Männer die Hand­
           mich», sagt die junge Badener                                                                   lungsträger und Frauen reagieren
           Autorin Haenni. «Herauszufinden,                                                                auf sie. So entsteht eine seltsame
           wie Menschen zusammen eine                                                                      Lücke zwischen unseren neuen
           Geschichte repräsentieren können,                                                               Rollen, die wir suchen, ausprobie­
           die dann mehr ist als ein Einzelfall,                                                           ren, erleben, und den alten
           wie die Stimmen gemeinsam und                                                                   Rollen­bildern.» Eine Lücke, die
           gegeneinander sprechen und was                                                                  «Frau im Wald» mitfüllen will und
           so über den Zustand einer Psyche                                                                das Publikum damit ins eigene
           erzählt werden kann.» Während                                                                   Ich steigen lässt, in den Bereich
           der Proben wurde spielerisch                                                                    zwischen Angst und Sehnsucht,
           ermittelt, wie die Sätze verteilt                                                               der alle irgendwie verbindet.
           werden. «Ein Prozess, der nicht                                                                 Von Annika Zemp
           im stillen Kämmerchen vollbracht
           werden kann – es geht um den
           Rhythmus des Textes und um                                                                      AARAU Theater Tuchlaube
           die Stille», so Haenni, die selber                                                              Mi/Fr/Sa/So, 14./16./17./18. März
           im Stück mitspielt. Die Frage, ob                                                               Jeweils 20.15 Uhr

                                                   Vom Leiden und Lieben
                                                     BÜHNE «Seit langem habe ich nichts so Liebenswertes gelesen wie dies Buch,
                                                     so rührend, so lustig in seiner bitteren Lebenswahrheit», schrieb einst Thomas Mann
                                                     über Hans Falladas «Kleiner Mann, was nun?» Nun wagt sich das Reinacher TaB-­
                                                     Ensemble an den Text aus den 1930er-Jahren.
                                                         Warmherzig und voller Dramatik erzählt Fallada die Geschichte vom kleinen Ange­
                                                     stellten Johannes und seiner Frau Emma. Es war Liebe auf den ersten Blick. Er nennt
                                                     sie «Lämmchen», sie ihn «Junge». Emma wird schwanger. Sie heiraten und trotzen den
Die Liebe hält Johannes und Emma trotz               Widrigkeiten des Lebens, kämpfen um ihren Platz in der Welt. Mit der Inszenierung
aller Widrigkeiten zusammen. zvg
                                                     unter der Regie von Gunhild Hamer nimmt das Ensemble einen Stoff auf, der einer­
                                                     seits Parallelen zu den aktuellen sozialen Missständen und der auseinanderge­fallenen
             Gesellschaft der 30er-Jahre ziehen lässt, andererseits eine Brücke schlägt in die Region Oberwynental, die im 18. und 19. Jahr­
             hundert in erster Linie von der Textilindustrie geprägt war, die die wirtschaftliche Entwicklung vorantrieb. cru

           REINACH TaB, 2. bis 29. März

           10
März 18 Aargauer Kulturmagazin                   Vorschau

             Sperrig und kraftvoll
             SOUNDS Ein Skandal im Jazz? Gibts nicht. Jazz ist zu randständig, als dass es sich lohnen würde,
             zu viele Worte darüber zu verlieren. Und doch: Die Karriere der deutschen Sa­xo­fonistin Anna-Lena
             Schnabel hat mit einem richtigen Pressekrieg begonnen. Nun spielt sie am «Jazz geht Baden».

             Und das kam so: Anna-Lena Schnabel gewann den deut­
             schen Echo Jazzpreis 2017 für die beste Nachwuchskünstle­
             rin. Die Echo-Preise in über zwanzig Kategorien von «Gesang
             international» bis eben zur Nachwuchsmusikerin werden
             in einer enormen Cüpli-Show in Hamburg überreicht, mit
             rotem Teppich und Fernsehen und allem, was dazugehört.
             Die Preisträgerin Anna-Lena Schnabel durfte da auch ein
             Stück spielen, allerdings nicht dasjenige ihrer Wahl, son­
             dern etwas publikumsfreundlicheres. Und sie traute sich,
             aufzumucken. Das Resultat: Ein Fernsehfilm über sie, eine
             Gegendarstellung des NDR, der die Show ausgerichtet hatte,
             ganzseitige Artikel dafür und dawider in den grössten Zei­
             tungen Deutschlands – und plötzliche Prominenz einer bis
             dahin unbekannten Musikerin.
                  Wer weiss, ob sie ohne diesen Skandal in Baden spielen
             würde, nun aber ist sie Opening Act von «Jazz geht Baden».
             Gut für sie, gut für das Festival, vor allem aber: Gut für uns!    Anna-Lena Schnabel lässt sich
                                                                                nicht verbiegen. zvg
             Denn Anna-Lena Schnabel ist nicht irgendeine junge Mu­
             sikerin, sie ist buchstäblich mit allen Wassern gewaschen:
             Sie ist eine blendende Technikerin, verfügt über einen            künstlerischen Vision ab. Und das gibt ihrer zuweilen sperri­
             wunderbaren Sound, unendliche musikalische Fantasie und           gen Musik eine Dringlichkeit, die sich auf die Zuhörer*innen
             vor allem dies: Sie lässt sich nicht verbiegen!                   überträgt; die sitzen vorne auf der Stuhlkante und lassen
                  Auf ihrem CD-Erstling «Books, Bottles & Bamboo» hat          sich den Kopf durchlüften. Man wird von Anna-Lena Schna­
             sie sich mit erfahrenen Musikern umgeben, und ihre durch­­        bel noch hören! Von Beat Blaser
             wegs älteren Kollegen müssen Gas geben, damit sie dem
             Wirbelwind aus dem deutschen Norden Paroli bieten
             können. Die 28-jährige spielt fokussiert, mit klaren Ideen,       BADEN Stanzerei, 10. Festival «Jazz geht Baden»
             mit imaginärer Kraft, kurz: Anna-Lena Schnabel weiss              Fr/Sa, 9./10. März
             haargenau, was sie will, und sie weicht kein Jota von ihrer       Anna-Lena Schnabel: Fr, 9. März, 20.15 Uhr

Hardcore mit
Rap-Attitüde
SOUNDS Der Mosh- oder Circlepit: Ein auf Hardcore-Konzerten vor der Bühne ent­
stehender Kreis, in dem die Zuschauer*innen tanzen. So weit die landläufige Definition.
Wer jedoch schon einmal an einem Auftritt der australischen Deez Nuts beiwohnte,
weiss: Das ist völlig untertrieben. Die einmalige Mischung aus Hip-Hop und Hardcore
ist schweisstreibend, hart und voller Emotionen – der ideale Sound, um die Wände
des Kiffs erzittern zu lassen. Drehten sich die Texte der ersten Alben noch vorwie­
gend um ausschweifenden Hedonismus, sind sie auf der neusten Scheibe mit Namen
«Binge & Purgatory» erwachsen geworden. Die Schattenseiten des Partylebens werden
beleuchtet, und auch musikalisch hat sich der Vierer aus Down Under mit deutlichen
Einflüssen aus Metal und Hardcore-Punk hörbar weiterentwickelt. Also nichts wie rein
in den Moshpit! Von Philippe Neidhart

AARAU Kiff, Mi, 21. März, 18.30 Uhr                                                          Zwischen Hip-Hop und Hardcore – Deez Nuts aus Down Under.
                                                                                             Foto: James Hartley

                                                                                                                                          11
Vorschau                        März 18 Aargauer Kulturmagazin

           Ein lyrischer Tenor
           KLASSIK Sie sprechen nicht von einem Konzert,                           Fall, wer den Sohn hört. Was für eine Stimme dieser junge
           sondern von einem «Schumann-Märchen»:                                   Sänger doch hat – prädestiniert für Mozarts Opernrollen,
           Dieses erzählen der Tenor Julian Prégardien                             aber auch für die Evangelisten-Partien Johann Sebastian
           und der Pianist Michael Gees in Muri.                                   Bachs sowie für Lieder. Robert Schumann ist dem lyrischen
                                                                                   Tenor Julian Prégardien und dem Pianisten Michael Gees ans
           «Ich trage einen grossen Namen», heisst eine beliebte TV-               Herz gewachsen. Das Duo will ihn aber nicht «nur» spielen,
           Rate­sendung. Auch Julian Prégardien trägt einen solchen,               sondern erzählen – mit allem, was ihm dazu einfällt.
           wenn man an seinen Vater Christoph – ein grosser Opern-                 Der im ersten Konzertteil erklingende Liederkreis op. 24
           und Liedsänger – denkt. Ganz der Vater, denkt auf jeden                 wird in Muri durch Klavierpräludien und Intermezzi erweitert;
                                                                                                             danach erklingen neben Liedern
                                                                                                             nach Gedichten von Andersen,
                                                                                                             Eichendorff, Goethe und Heine
                                                                                                             auch Klavierstücke von Schumann,
                                                                                                             zu denen Julian Prégardien aus­
                                                                                                             gewählte Gedichte rezitiert. Wer
                                                                                                             schon erlebt hat, wie sehr Michael
                                                                                                             Gees einen Liederabend prägt,
                                                                                                             wird nie mehr von einem Lied­
                                                                                                             begleiter sprechen wollen. «Mich
                                                                                                             fasziniert am Lied, dass es mehr
                                                                                                             ist als Musik, nämlich (Erzähl-)
                                                                                                             Theater. Und an (Lied-)Begleitung,
                                                                                                             dass sie tönende Partnerschaft
                                                                                                             ist», sagt Gees. «Beide, Sänger
                                                                                                             und Pianist, singen und begleiten.
                                                                                                             Sie geleiten das Wort in seiner
                                                                                                             musikalischen Hülle auf seinem
                                                                                                             Weg zum Publikum.»
                                                                                                            Von Elisabeth Feller

                                                                                                            MURI Festsaal Kloster
Der Sänger Julian Prégardien erzählt ein Schumann-Märchen. Foto: Marco Borggreve
                                                                                                            So, 4. März, 17 Uhr

           Erträumte Scheinwelten
           BÜHNE Die Welt scheint desillusioniert und orientierungslos. Politische Radika­
           lisierung, Ökonomisierung von menschlichen Beziehungen, Gefühllosigkeit
           und Verrat grassieren. Was nach 2018 klingt, ist Deutschland 1929. Im Roman
           «Der ewige Spiesser» von Ödön von Horváth wird der Mikroblick auf die menschliche
           Komödie gerichtet: Alfons ist zu etwas Geld gekommen und will sich eine reiche
           Frau angeln. Die Näherin Agnes beschliesst, in erotischer Hinsicht praktischer
           zu werden. Herr Brunner, ein gescheiterter Möchtegernjournalist, tritt als Musiker
           auf, und der arbeitslose Kellner Eugen erweist sich unverhofft als guter Mensch.
           «Hin ist hin» ist eine theatrale Collage für Puppen und Menschen von Dakar Produk­
           tion und wurde 2015 mit dem ersten Preis der Jury an den Theatertagen Heidel­berg
           ausgezeichnet. Die Bühne wird zum traumartigen Panoptikum der Untiefen und
           Sehnsüchte. Hier wird gelebt, geliebt, gelacht, gelogen und betrogen.
           Von Corinne Rufli

           BADEN Thik Fr, 16. März, 20.15 Uhr;
                                                                                                              Das ewige Spiel um Schein und Sein. zvg
           Sa, 17. März, 20.15 Uhr

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März 18 Aargauer Kulturmagazin                      Vorschau

             Von
             Erinnerung
             lernen
             AUSSTELLUNG In der Schweiz leben nur noch
             wenige Zeitzeug*innen, die den Schrecken des
             Holocaust selber erfahren haben. Einige von
             ihnen werden im Forum Schlossplatz porträtiert.

             Sie retteten sich durch Verstecken oder Flucht, andere
             überlebten eines der Konzentrationslager und kamen nach
             dem Krieg in die Schweiz: Die Überlebenden der Schoah.
             In der Ausstellung «Nachbilder – The Last Swiss Holocaust
             Survivors» ermöglichen die grossformatigen Porträts des
             Fotografen Beat Mumenthaler eine Begegnung mit Zeit­
             zeug*innen. Videointerviews des Regisseurs Eric Bergkraut
             führen an die Lebensgeschichten der Porträtierten heran.
                                                                              Nina Weil. Foto: Beat Mumenthaler
             Es sind Geschichten des Überlebens, aber auch Geschich­
             ten über das Leben nach dem Holocaust.
                 Eine der porträtierten ist Nina Weil: «Dann hat man        Sie war zwölf Jahre alt, als ihre Mutter dort an Erschöpfung
             mich tätowiert: 71978. Da habe ich sehr geweint. Nicht         starb. Nina Weil überstand eine Selektion durch den KZ-
             wegen des Schmerzes, nein, wegen der Nummer. Denn ich          Arzt Josef Mengele und überlebte in einem Arbeitslager.
             hatte den Namen verloren, ich war nur noch eine Nummer.        Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings fanden ihr
             Da sagte meine Mutter: ‹Weine nicht, nichts ist passiert.      Mann und sie Asyl in der Schweiz. Sie war Laborantin am
             Wenn wir nach Hause kommen, besuchst du die Tanzschu­          Universitätsspital Zürich. crucru
             le und kriegst ein grosses Armband, damit niemand die
             Nummer sieht.› Ich habe die Tanzschule nie besucht und
             auch das Armband nie bekommen.»                                AARAU Forum Schlossplatz, Do, 15. März, 18.30 Uhr:
                 1932 in Klattau (heute Tschechien) geboren, lebte Nina     Vernissage in Anwesenheit von Zeitzeug*innen
             Weil in Prag und wurde 1942 nach Theresienstadt depor­         Öffentliche Führung: So, 18. März, 15.30 Uhr
             tiert. Später kam sie mit ihrer Mutter nach Auschwitz.         Bis 20. Mai

Kunst und Körper
KUNST Mette Stauslands Zeichnungen sind durchdrungen von einem scheinbar tanzenden
Stift – sie erinnern an ihre ursprünglich geplante Laufbahn als Tänzerin, die sie durch eine
Verletzung aufzugeben gezwungen war. «Körpergeschichten» heisst denn auch die neue Aus­
stellung im Gluri Suter Huus, die sich im Dreiecksverhältnis Künstlerin – Werk – Betrachtende
mit dem Thema Körperlichkeit auseinandersetzt. Neben der Norwegerin zeigt die Zürcherin
Elisabetha Bleisch plastische – fast archaisch anmutende – Arbeiten, während die junge Baslerin
Angelina Burri das Eigenleben von Webchat-Portalen untersucht und in einer intermedialen
Performance die he­teronorma­tiven Verhältnisse der Subjekt-Objekt-Be­ziehung entlarvt.
     «Trotz unterschiedlicher künstlerischer Ansätze ist im Werk der drei Künstlerinnen
eine besondere körperliche Präsenz zu be­­o bach­ten», so Rudolf Velhagen, Leiter Gluri Suter
Huus, «sei dies im Schaffensprozess selber oder in den körperlichen Spuren der Arbeiten.»
cru

WETTINGEN Gluri Suter Huus
Vernissage: So, 18. März, 11 Uhr                                                                         Mette Stausland. Rubjerg Series, 2016.
                                                                                                         Bleistift auf Papier.
Bis 29. April 2018

                                                                                                                                           13
Vorschau                        März 18 Aargauer Kulturmagazin

           Wachstum oder
                                                                            allem gibt es mehr Arbeitsplätze. Gemäss kantonalem Richt­
                                                                            plan soll Baden weiterwachsen. Aber wie? Im Galgenbuck

           Wildwuchs
                                                                            in die Breite? Nach innen verdichtet? Geht das überhaupt?
                                                                            Von welcher Nutzung braucht es wo und wie viel, damit
                                                                            alle – Einheimische, Zuziehende, Auswärtige – vom Mehr­
           PODIUM Stau, Verdichtung, Nachhaltigkeit?                        wert der Dichte profitieren können? Was braucht es nebst
           Die Badener Architektin und Stadtforscherin                      dem Badener Pioniergeist, damit dem Ort die Trans­for­­ma­
           Sibylle Wälty über die Frage «Die nächste                        tion von einer auto- zu einer fussgängergerechten Stadt
           Stadt – Was bietet sie uns mehr?» des Stadt-                     ge­lingt? Von Sibylle Wälty
           labors Baden.

           Marianne und Max wohnen in Mülligen. Eigentlich würden           BADEN Royal Mi, 21. März, 19.30 Uhr. Es diskutieren:
           sie lieber im gut sieben Kilometer entfernten Baden leben,       Sibylle Wälty, Architektin, Hans Widmer, Autor und Philologe,
           denn Baden ist Arbeit, Einkaufen, Kultur und Wohnen – so         Patrick Schellen­bauer, Chefökonom Avenir Suisse, und der
           eine etwas angepasste Beschreibung des lokalen Stand­            Badener Stadt­ammann Markus Schneider.
           ortmarketings. Das hiesse kurze Wege zum ganzen Ange­
           bot. Doch Marianne und Max wohnen in Mülligen, weil die
           Wohnung dort nicht nur passt, sondern auch zahlbar ist.            Feierabendstau in der Badener Innenstadt.
           Und weil es am einfachsten ist, nehmen sie das Auto, um in         Bild: Sibylle Wälty
           Baden einzukaufen oder ins Kino zu gehen. Das bedeutet
           Stau, viel Stau, vor allem im Feierabendverkehr.
               Baden ist abhängig von Leuten wie Marianne und Max.
           Läden und Kulturbetriebe können nur am Leben bleiben,
           wenn sie genutzt werden. So kommen viele aus Gemeinden,
           wo Wohnraum geschaffen wurde, in die Stadt, und damit
           sind wir wieder beim Problem des täglichen Staus.
               Wie dies vermieden werden könnte, untersucht die
           vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierte Studie
           «Wie wachsen: Planung für eine ganzheitlich nachhaltige
           Landnutzung». Eine der Fallstudienstädte ist Baden. Erste
           Forschungsergebnisse zu Baden werden an der nächsten
           Stadtlaborveranstaltung «Die nächste Stadt – Was bietet
           sie uns mehr?» im Kulturhaus Royal präsentiert. Im Zentrum
           steht das Wachstum. Baden ist zwar grösser geworden, vor

                                                   Reise in den Norden zum Schnäppchenpreis
                                                   KLASSIK Gegen eine Nordlandreise, für die man nicht einmal eine Fünfzigernote
                                                   hinblättern muss, hat wohl keiner etwas einzuwenden. Fliegen muss man übrigens
                                                   nicht. Man muss nur das Kurtheater Baden aufsuchen – mit viel Vorfreude auf
                                                   das Konzert der Sinfonia Baden. Diese und ihr neuer Dirigent Roman Blum werden
                                                   das Publikum mit «Nordischen Klängen» nach Norwegen, Dänemark und Finnland
                                                   locken – mit einem Programm, das der Entdeckerlust dieses Orchesters alle Ehre
                                                   macht. Nun werden Werke des Finnen Jean Sibelius und des Norwegers Edvard
                                                   Grieg zwar oft gespielt, doch jene des Dänen Launy Gröndahl und des Norwegers
                                                   Johan Svendsen weit weniger. Höchste Zeit also, diese beiden kennenzulernen.
                                                   Svendsen hat für seine 3. Rhapsodie Volks­weisen verwendet; Gröndahl hat für sein
                                                   spätromantisches Posaunenkonzert (mit Domenico Catalano) alle lyrischen und
                                                   majestätisch-drama­t ischen Nuancen des Instruments ausgeschöpft. «Griegs Musik»,
                                                   sagte kürzlich eine Finnin, «passt wunderbar zu Norwegen. Sibelius’ Musik müsste
                                                   für Finnland erfunden werden, gäbe es sie nicht.» Ob man auch so em­pfindet?
                                                   Auf jeden Fall darf man gespannt sein auf Sibelius’ «Impromptu» für Streichorchester
                                                   und Griegs «Sigurd Jorsalfar»-Suite. Von Elisabeth Feller

Sinfonia Baden reist mit dem Posaunisten
Domenico Catalano gen Norden. Foto: zvg
                                                   BADEN Kurtheater, So, 11. März, 17 Uhr

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März 18 Aargauer Kulturmagazin                     Vorschau

 Ungleiche Freunde. Foto: Kathrin Schärer,
 2017 Atlantis Verlag
                                                       Hund mit Huhn
                                                       KLASSIK Vor fünf Jahren kam dem Intendanten des argovia philharmonic, Christian
                                                       Weidmann, die Idee, eine Kinder­oper in Auftrag zu geben. Sein Ziel war, ein Stück
                                                       zu schaffen, die den Kindern etwas Sinnstiftendes mitgibt. Entstanden ist «Fell und
                                                       Feder» – eine einmalige Zusammenarbeit mit dem Schweizer Kinderbuchautor Lorenz
                                                       Pauli. Dieser lieferte das Libretto, die Musik kommt vom jungen Komponisten Ro­dolphe
                                                       Schacher. Entstanden ist eine lustige und mitreissende Oper für die ganze Familie.
                                                       Darin trifft ein einsamer Hund auf ein abenteuerlustiges Huhn. Nach erster Skepsis
                                                       spüren sie, was für ein Glück Freundschaft sein kann. Ab 5 Jahren. cru

                                                       BADEN Kurtheater, So, 4. März, 15 Uhr, Uraufführung
                                                       WOHLEN Zirkus Monti, Sa, 12. Mai, 14 Uhr,
                                                       BEINWIL AM SEE Löwensaal, So, 13. Mai, 14 Uhr
                                                       AARAU Alte Reithalle, Sa, 26. Mai, 16 Uhr

Grosse Musik für Familien
KLASSIK Ja, seine Missa solemnis ist berühmter; nein, seine Messe C-Dur, op. 86 ist laut
Musikwissenschaft keine Vorstufe dazu, sondern ein eigenständiges Werk. Aber lassen wir
doch den Komponisten, Ludwig van Beethoven, selbst sprechen: «Von meiner Messe wie
überhaupt von mir selbst sage ich nicht gerne etwas, jedoch glaube ich, dass ich den Text
behandelt habe, wie er noch wenig be­handelt worden war.» Davon und über weiteres wird
der Dirigent Michael Schraner sprechen, wenn er zum Familienkonzert «Beethoven gross
besetzt» in die Stadtkirche Aarau lädt. Und ob das argovia philharmonic und der Chor mit
über 150 Sängerinnen und Sängern gross besetzt sind! Das ist ungewöhnlich – und das
soll auch ein Konzert sein, das die Messe C-Dur in Ausschnitten vorstellt. Zwischen den
einzelnen Stücken wird Michael Schraner aus Beethovens Leben erzählen, auf mitreissende
Momente des Werks hinweisen und die Instrumente des Orchesters vorstellen. Wenn das
nicht familienfreundlich ist. Von Elisabeth Feller
                                                                                                             Der Dirigent und vierfache Familienvater Michael
                                                                                                             Schraner führt durch das Konzert und erzählt aus
                                                                                                             Beethovens Leben. zvg
AARAU Stadtkirche, Sa, 3. März, 16.30 Uhr

                                                                   Die Hexen fliegen wieder
                                                                   AUSSTELLUNG Nachdem im September die Tore des Hexenmuseums
                                                                   in Auenstein nach acht Jahren für immer geschlossen wurden, ist das
                                                                   Museum nun in die historischen Räume des Schlosses Liebegg in Gräni­
                                                                   chen gezogen und eröffnet die überarbeitete Dauerausstellung «Hexen»,
                                                                   mit Einblicken in die Geschichte der Hexen vom Mittelalter bis heute.
                                                                   Sie stellt die Hexenprozesse der Schweiz und in Europa vor, beleuchtet
                                                                   deren Aus­w irkungen in die heutige Zeit. Die Ausstellung öffnet auch
                                                                   ein Fenster in die Geschichte des Schweizer Volks- und Aberglaubens,
                                                                   erzählt Sagen und belebt das Brauchtum unserer Vorfahren, erklärt
                                                                   die Nutzung der Amulett- und Hexenpflanzen. Das Museum präsentiert
                                                                   sich in neun Räumen mit über 1000 Exponaten. Zutritt für Kinder ab
                                                                   11 Jahren. cru

                                                                   GRÄNICHEN Schloss Liebegg, Mi und Do: 14–18 Uhr;
 Handkolorierte Tarotkarten, die nach der Wahrsagerin Marie Anne   1. und 3. Sonntag im Monat: 14–18 Uhr; Vollmondnächte: 20–24 Uhr,
 Lenormand benannt wurden. Foto: Hexen­mu­s eum Schweiz
                                                                   Eröffnung: So, 25. März, 14–18 Uhr.

                                                                                                                                              15
Vorschau                      März 18 Aargauer Kulturmagazin

Punk Poetry                            Kurzweiliges Epos                       Habemus Korpus                      Die Moderne als Reservoir
In ihrem Furor und ihrer Radikalität   Normalerweise fasst sich der            Die Galerie knoerle & baettig hat   Die aktuelle Ausstellung im Kunst­
erinnert die Chicagoerin Raych         Berner Autor und Komiker Matto          eine neue Bleibe: Vom Sulzerareal   museum in Vaduz zeigt zahlreiche
Jackson an die früh verstorbene        Kämpf gerne kurz. Nicht so in sei­      ziehen Merly Knörle und Anita       Werke von 15 Künstlerinnen und
Cut-up-Berserkerin Kathy Acker.        nem vierteiligen Theaterstück «Die      Bättig ins Obertor, um ihr Wir­     Künstlern der Gegenwart, die sich
Wie diese erforscht Jackson in ihrer   Schwestern Karamasoff», das in          ken als Galeristinnen mitten im     auf die Moderne beziehen. Die
Literatur ihre persönlichen Kämpfe,    der Regie von Christina Rast zu se­     Herzen der Altstadt pulsieren zu    thematische Gruppenausstellung
stellt sich «Life’s Big Questions»     hen ist. Das Kammerspiel versetzt       lassen. Voraussichtlich bis Mitte   besteht hauptsächlich aus Werken
und heizt mit ihren Antworten          Dostojewskis letztes Werk nach          2019 wollen sie dort ausgewählte    aus der Sammlung des Kunstmu­
gehörig ein. Mit Marguerite Meyer      Bern und verwandelt die Brüder in       Kunst präsentieren, angefan­        seums. Für die Sammlung wurden
(Zürich) präsentiert sie ihr erstes    Schwestern. Die grossen Themen          gen mit «Habemus Korpus», der       in den letzten Jahren gezielt Werke
gemeinsames Poetry-Projekt.            bleiben: Liebe, Hass und Schuld.        Eröffnungsausstellung mit Werken    einer jüngeren Künstlergeneration
                                                                               verschiedener Künstlerinnen und     erworben.
LUZERN Box Luzerner Theater            BERN Schlachthaus Theater               Künstlern.
Mi, 14. März, 20 Uhr                   22. März bis 12. Mai                                                        VADUZ Kunstmuseum
                                       www.schlachthaus.ch                     WINTERTHUR                          Bis 21. Mai. www.kunstmuseum.li
                                                                               Galerie knoerle & baettig
                                                                               Sa, 10. März, 18 Uhr (Vernissage)

Bruce Nauman im Schaulager             Laut, Luise, Lechts und Rinks           Menschsein halt                     Flüssige Steine
Dem amerikanischen Kunsterneu­         Das Sankt Galler Festival Wortlaut      Der Philosoph unter den Kaba­       Es ist ein Kochtopfprojekt,
erer Bruce Nauman widmen mit           geht in die 10. Runde. Kabarett, Li­    rettisten. Grossartiges Solo von    kulturelle Fusion-Küche, ein
«Disappearing Acts» das Schau­         teratur, Comic und Spoken Word –        Gunkl – Günther Paal – über die     Mehrgangmenu: «LiquidStone».
lager der Laurenz Stiftung in          wie immer ein reiches Programm          Tücken zwischenmenschlicher         Fünf wetterfeste Zuger Künst­
Münchenstein und das Museum            aus allen Sparten der Literatur,        Kommunikation. Geistreich fa­       ler*innen schmeissen zusammen,
of Modern Art die bislang grösste      verteilt auf 26 Veranstaltungen         buliert er in «Zwischen Ist und     was sie zu bieten haben: Eine
Retrospektive. Es reicht von frühen    in vier Tagen. Dieses Jahr unter        Soll – Menschsein halt» über die    Tänzerin, zwei Musikerinnen, eine
Film- und Videoperformances            anderem mit Dana Grigorcea (Bild),      Welt – witzig und elegant.          VJ-Crew, eine Kunstmalerin und
über Zeichnungen, Druckgrafiken,       Guy Krneta, Tim Krohn und dem                                               deren szenische Installation. Dabei
Fotografien, Skulpturen und Neon­      Künstlerkollektiv «Bern ist überall»,   OLTEN Theaterstudio                 gibts so viel Druck, dass sogar die
arbeiten bis hin zu Installationen.    das sich mit Gleichgesinnten aus        9./10. März, 20.15 Uhr              Steine schmelzen.
                                       dem Kosovo zusammenge­                         www.theaterstudio.ch
MÜNCHENSTEIN Schaulager                schlossen hat.                                                              ZUG Theater Casino
Sa, 17. März bis 26. August                                                                                        Do, 22. März, 20 Uhr
                                       ST. GALLEN                                                                  www.theatercasino.ch
                                       Diverse Orte
                                       22. bis 25. März

             16
März 18 Aargauer Kulturmagazin                  Vorschau

                                                    Roadmovie mit Herz, Hirn
                                                    und Humor
                                                    «Wajib – Die Hochzeitseinladung» von Annemarie Jacir,
                                                    Palästina 2017

                                                    Der in Rom lebende Architekt Shadi kommt nach Nazareth, um seinem
                                                    Vater dabei zu helfen, gemäss der Tradition die Einladungen zur Hoch­-
                                                    zeit seiner Schwester persönlich zu überbringen. Während die beiden
                                                    Männer von Haus zu Haus fahren und uns Einblicke in das Leben in
                                                    Nazareth gewähren, reiben sich Vater und Sohn zunehmend aneinan­
                                                    der auf – und lieben sich trotzdem innig. Herzerwärmend und voller
                                                    Humor.

                                                    AB 8. MÄRZ im Kino

Auf der Flucht
«Eldorado» von Markus Imhoof, Schweiz 2018

Als Markus Imhoof ein kleiner Junge war, nahmen seine
Eltern ein italienisches Flüchtlingskind bei sich auf. Die
Erinnerungen an die geschenkte Schwester veranlassen den
Regisseur von «Das Boot ist voll», sich mit der aktuellen
europäischen Flüchtlingspolitik zu beschäftigen. Er hinter­
fragt das System der organisierten Hilfe, das Geflüchtete in
einen teuflischen Kreislauf entlässt. Ein stiller, persönlich
geprägter Film.

AB 8. MÄRZ im Kino

                                                                Perspektivenwechsel
                                                                «Matar a Jesús» von Laura Mora Ortega, Kolumbien 2017

                                                                In diesem packenden Spielfilmerstling verarbeitet Laura Mora den
                                                                Mord an ihrem Vater durch einen Auftragskiller. Die 22-jährige
                                                                Paula muss hautnah miterleben, wie ihr Vater von zwei vorbeirasenden
                                                                Motor­r adfahrern erschossen wird. Nachdem die Polizei die Sache
                                                                nur halbherzig angeht und sie in einer Disco einen der Mörder wieder­
                                                                erkannt hat, beginnt sie aus purer Verzweiflung, selbst zu ermitteln.
                                                                Ge­t rieben von Schmerz, Wut und Rachegefühlen freundet sie sich
                                                                mit dem unberechenbaren Jungen an und wird vom bürgerlichen
                                                                Elternhaus direkt in die Armenviertel auf den Hügeln von Medellín
                                                                katapultiert. Immer wieder ruht die Kamera auf Paulas schönem
                                                                Gesicht und erfasst in atemlosen Aufnahmen das pulsierende Leben
                                                                der gefährlichen Stadt. Die persön­liche Geschichte weitet sich zum
                                                                gesellschaftlichen Porträt.

                                                                AB 15. MÄRZ im Kino

                                                                                                                                   17
Vorschau                      März 18 Aargauer Kulturmagazin

            Es knistert und klingt …
            … aus längst vergangenen Zeiten. Wenn Claudia Kayrooz jeweils am
            ers­ten Donnerstag im Monat mit Sound Dog auf Sendung geht, stehen
            Künstler*innen aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahren auf dem Programm.
            Ob Singles oder Langspielplatte spielt keine Rolle: Hauptsache Vinyl.
            Claudia Kayrooz geht so ihrer grossen Leidenschaft nach, indem sie
            Oldies aus ihrer grossen Sammlung am Radio spielt. Dazu liefert sie span­
            nende Hintergrundinfos und Anekdoten zu den jeweiligen Sängerinnen,
            Komponisten oder den Songs. Die Musik bei Sound Dog widmet sich in
            jeder Sendung einem bestimmten Thema. Die Hauptfiguren in vergan­
            genen Sendungen waren mitunter Tiere, Menschen, Strassen, Fahrzeuge
            oder die Natur. In diesem Jahr ist jeder Monat einem Land oder Gebiet
            ge­w idmet. So führt die musikalische Reise die Zuhörer*innen in den ho­
            hen Norden nach Skandinavien und Russland, in den warmen Süden nach
            Italien, auf den Balkan und nach Griechenland und sogar ins fernöstliche
            Japan. Die Spannweite reicht von Ohrwürmern wie «Sukiyaki» bis hin
                   zu Trouvaillen wie Agnethas Schlagerversuchen vor der grossen
                         Abba-Zeit. Man darf also gespannt sein, was in den nächsten        Sitzt Claudia Kayrooz am Mischpult, stehen Oldies
                                                                                            auf dem Programm. zvg
                           Sound-Dog-Sendungen zu hören und entdecken ist. kk

                            «SOUND DOG» Jeden ersten Donnerstag im Monat um 22 Uhr auf Kanal K.
                            Nächste Ausstrahlung: Do, 1. März, 22 Uhr, mit dem Thema: Musikalische Reise in die Benelux-Staaten

                   Geballte Schweizer Frauenpower am Popmusikfestival M4music
                          Das Musikfestival findet vom 22. bis 24. März statt. Kanal K überträgt live am Freitag und Samstag.

       EMILIE ZOÉ (VD)                                        SANDOR (VD)                                 MAMA JEFFERSON (ZH)

           Fr, 23. März                                           Fr, 23. März                                       Sa, 24. März
          OpenAir Bühne                                              Moods                                          OpenAir Bühne
  Alles, was Emilie Zoé macht, ist grossartig.     Inspiriert vom Synth-Pop der 80er-Jahre kreiert          Das Trio um Frontfrau und Bassistin Vanja
 Ob als Solokünstlerin, als Bandmitglied bei          die Songwriterin und Sängerin Sandor ein           Vukelic ist spätestens seit ihrer Single «Liquor
Anna Aaron oder zusammen mit Louis Jucker          Universum aus geheimnisvoller Musik. Mit ihren          Liquor» eine Konstante in der hiesigen Mu­
bei der Band Autisti. Die Autodidaktin besticht     französischsprachigen Texten erzeugt sie ver­        siklandschaft. Mama Jefferson liefern wuchtige
mit ihrer grossartigen Stimme und ihrem aus­       führerische Atmosphären, die uns einfach nicht         Songs zwischen Garage, Rock und Trash. Ihre
             gefeilten Songwriting.                                mehr loslassen.                          Liveperformance wird garantiert schweiss­
                                                                                                                            treibend.

           18
März 18 Aargauer Kulturmagazin                  Vorschau

Warten im Skilifthüttli
                Der neue Roman von Arno Camenisch spielt wie
                seine erfolgreichen Vorgänger im Bündnerland.         BADEN Stadtbibliothek, 5. März, 19.30 Uhr
                Diesmal beschränkt sich der Schauplatz auf die        ZOFINGEN Buchhandlung Mattmann,
                Hütte eines Skilifts. Die beiden alternden Liftwar­   9. März, 20 Uhr
                te Paul und Georg sind die Hauptfiguren, deren        AARAU Orell Füssli Wirz, 13. März, 20 Uhr
                Dialog wir folgen. Während sie warten – auf den
                Schnee, die Skifahrer*innen, den Feierabend –          Arno Camenisch. Foto: Janosch Abel
                vertreiben sie sich die Zeit. Sie erzählen vom
                Verschwinden der Dinge in ihrem Dorf. Die
                Poststelle, der Dorfladen, das Restaurant, die
                Jungen; alle scheinen das Tal zu verlassen. Dabei
sind die beiden nicht verbittert, sondern kommentieren den
Lauf der Dinge mit stoischer Gelassenheit und Witz, während
sie ihre Arbeit verrichten. Paul und Georg als bündnerische
Wiedergänger der Figuren in Becketts «Warten auf Godot».
Die grosse, weite Welt spiegelt sich auch in ihrem Tal, die Po­
litik, die gesellschaftlichen Veränderungen, der Klimawandel.
Camenisch erzählt von der ländlichen Schweiz, ohne falsche
Idylle. Auch in diesem Buch findet der Autor wieder seinen
ganz eigenen Sound. Die Sprache, eine Mischung aus Hoch­
deutsch, Bündner Mundart und rätoromanischen Wörtern
ist fein komponiert, wohl einzigartig in der deutschsprachigen
Literatur. Im März liest Camenisch dreimal im Aargau.
Von Laurin Jäggi

Arno Camenisch. Der letzte Schnee. Engeler.

Warum das Kamel Höcker hat                                            Barack Obamas Lieblingsautorin
              Rudyard Kiplings Hauptwerk kennen wir alle:             Obwohl die 1943 geborene Amerikanerin seit 1980 ver­
              «Das Dschungelbuch». Dass er auch sonst eine            öffentlicht, wurde sie bei uns spät entdeckt. Für viele erst
              grosse Liebe zu Tieren hegte, ist zumindest im          durch die Aussage von Barack Obama, der Marilynne Robin­
              deutschsprachigen Raum kaum bekannt. Bis                son seine Lieblingsautorin nennt. Ein US-Präsident, der Ro­
              jetzt: Denn im Herbst ist bei Hanser die wunder­        mane liest, man wünscht sich ihn zurück! Meine Entdeckung
              schön illustrierte Neuübersetzung der «Just So          folgte noch später, ich las sie vor einigen Wochen während
              Stories» erschienen. Ursprünglich als Gute­             eines Aufenthalts in den USA. Den Roman las ich in einem
              nacht-Geschichten für seine Kinder gedacht,             Zug, am Ende angekommen, begann ich gleich nochmals,
              findet sich darin eine Fülle von aberwitzigen           diesmal langsamer, und genoss diese präzise, ruhige Spra­
              Einfällen und fantastischen Erklärungen, wieso          che, die wunderbaren Figuren und alles Ungesagte, das sie
              die Welt so ist, wie sie ist, und warum die Tiere       uns Leser*innen zu deuten überlässt. Lila ist ein Findelkind,
darin genau so aussehen, wie sie nun mal aussehen. War­               sie wird von einer nicht viel älteren Wanderarbeiterin ge­
um hat das Kamel also Höcker? Weil es für alles zu faul war           funden und aufgezogen. Nach einer unsteten Jugend steht
und jede Frage mit «Rutsch mir doch den Buckel runter!»               sie nun alleine da. Sie findet Arbeit in einem
beantwortete. Und weshalb haben Elefanten einen Rüssel?               Bordell, später in einem Hotel als Zimmermäd­
Weil einst ein kleiner Elefant zu neugierig war, und in letz­         chen. Nach vielen Jahren bricht sie nochmals
ter Sekunde aus dem Maul eines Krokodils gerettet werden              auf und trifft in der Kleinstadt Gilead im
musste – an seiner Nase, die seither lang geblieben ist. Der          Mittleren Westen auf John, einen abgeklärten
Schweizer Zeichnerin Kathrin Schärer, die bereits mit einigen         und humorvollen Geistlichen. Wie diese zwei
Bilderbüchern für Furore gesorgt hatte, ist es gelungen, Kip­         ganz besonderen Menschen sich aufeinander
lings Poesie und seinen Witz in warmherzigen und treffenden           einlassen und ihre Liebe zueinander leben, ist
Bildern zum Ausdruck zu bringen. Von Doris Widmer                     eine der schönsten Liebesgeschichten, die ich
                                                                      gelesen habe. Von Susanne Jäggi
Rudyard Kipling. Der Schmetterling, der mit dem Fuss
aufstampfte. Ab 6 Jahren. Hanser.                                     Marilynne Robinson. Lila. S. Fischer

                                                                                                                                19
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