"Zeitgeister"-Werke von Mirjam Nemetschek Fritz Melchers ist Stiftungsprofessor 2007 Der neue Nierensteinzertrümmerer Schlaf - ein ...
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magazin_jogu_07_copy 25.01.2007 8:34 Uhr Seite 1 7 ar 200 9 Febru N r. 1 9 ainz utenberg-U niversität M de r Johannes G Das Magazin [ „ Z e i t g e i s t e r “ - We r ke v o n M i r j a m N e m e t s c h e k ] [ F r i t z M e l c h e rs i s t S t i f t u n g s p ro f e s s o r 2 0 0 7 ] [ D e r n e u e N i e re n s t e i n z e r t r ü m m e re r ] M Pr ai ei [ Schlaf – ein Leistungsmotor ] sa nz us sc 05 hr ei be n
magazin_jogu_07_copy 25.01.2007 8:34 Uhr Seite 2 Inhalt Zum Titelbild: Die Akademie für bildende Kunst ist eine Talentschmiede. Nach dem Studium aber stehen auch die Begabtesten vor der Notwendig- keit, als KünstlerInnen zu reüssieren. Doch gibt es Gott sei Dank ja auch Förderer – zum Beispiel Manfred Geis, Landtagsabgeordneter der SPD. Die Kunstinszenierungen in seinem Landtagsbüro haben mittlerweile Kultstatus erreicht. Im vergangenen Herbst zeigte er unter dem Titel „Zeitgeister“ Werke von Mirjam Nemetschek. Mehr dazu auf Seite. 22. Editorial 3 Etappensieg Foto: Harry Braun Campus aktuell Erwartungsfroh: 4 Hohes Reformtempo vorgelegt Der neue Mann 6 an der Spitze Georg Krausch neuer Präsident 7 Universität und Umweltschutz 8 „Hier geht’s für mich weiter!“ Seite 6 Studium & Lehre 9 Die Immunologie – ein zweischneidiges Schwert 10 „Rock Around the Clock“ Foto: Lena Grüter Wissenschaft & Forschung 11 Gedächtnisbildung Zukunftsweisend: 12 Spitzentechnologie in Mainz Bildungsplanung 14 Sterben in Würde in Mainz 17 „Wehmut ist nicht angebracht“ 18 „Parlez-vous français?“ Seite 8 Campus international 19 Konnichiwa heißt Guten Tag 20 Olympisches Dorf der Antike 21 Brüsseler Sterntaler-Regen Foto: Frank Erdnüß Kultur auf dem Campus Würdevoll: Der Um- 22 Jenseits der Zeit gang mit Sterbenden 23 Vergleich der Künste Seite 14 24 Wenn Krishna tanzt www.uni-mainz.de 27 Digitale Unterstützung der Lehre 28 „Räume des Wissens“ 29 Historische Momentaufnahmen 30 Literatursuche hat ein Ende Personen & Positionen 31 Neu an der Uni Traumhaft: 32 Neu im Senat Indische Filme Seite 24 Kurz & bündig 33 Impressum 34 Ebernburg-Stiftung richtet Hörsaal ein 34 Interesse an Bridge? 34 LeseStoff [JOGU] 199/2007 2
magazin_jogu_07_copy 25.01.2007 8:34 Uhr Seite 3 Editorial Etappensieg Mit Anträgen auf drei Graduiertenschulen war Und wir werden die im Zuge der Realisation un- Dieser Prozess wird nun nicht leichter, wenn die die Johannes Gutenberg-Universität Mainz in der seres Strategiekonzeptes begonnene Profil- und bisher schon deutlich besser ausgestatteten Uni- Vorentscheidung der zweiten Runde der „Exzel- Schwerpunktbildung weiter fortsetzen und mit versitäten durch die Exzellenzinitiative weitere lenzinitiative des Bundes und der Länder“ erfolg- dem Gutenberg Forschungs-Kolleg ein wirkungs- zusätzliche Finanzmittel in dreistelliger Milli- reich. Den Exzellenzprojekten „Precision at the volles fachbereichsübergreifendes Instrumenta- onenhöhe erhalten. femto scale: the key to new physics (FEMTO), rium zur Förderung wissenschaftlicher Exzellenz „Graduate School of Cultural and Social Studies“ auf höchstem Niveau etablieren. Im Blick auf die Sicherung der Zukunft von Rhein- und „Material Science in Mainz (MAINZ)“ ist der land-Pfalz kann sich die Landespolitik aber wohl Sprung in die engere Wahl gelungen. Über diesen Der Verlauf der Exzellenzinitiative – und damit kaum damit zufrieden geben wird, dass wir künf- Erfolg freuen wir uns sehr, und ich beglückwün- meine ich den Blick in die Statistik der erfolgrei- tig nur in der zweiten Liga spielen können – und sche alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- chen Hochschulen – ist meines Erachtens auch darauf setzen wir. Entsprechend erklärte Wissen- ler, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit ein deutliches Signal an die Politik der Landesre- schaftsministerin Ahnen bereits, dass das Aus- diesem Etappensieg ihre Leistungsfähigkeit gierung. Durchgesetzt haben sich vor allem scheiden der rheinland-pfälzischen Universitäten unterstrichen haben. Dies bedeutet eine deutli- die süddeutschen Universitäten, in deren Finan- aus der zweiten und dritten Förderlinie des Ex- che Verbesserung gegenüber der ersten Runde, in zierung seit Jahrzehnten sehr viel mehr Geld ge- zellenzwettbewerbes für die Landesregierung der nur ein Antrag diese Hürde übersprungen flossen ist als in die rheinland-pfälzischen. Ansporn sei, ihre Initiativen zur Förderung von hatte. Spitzenleistungen in Forschung und Lehre noch Sicherlich, Geld allein ist nicht ausreichend. Wir zu intensivieren. Die Realisierung der bereits in Zugleich sind wir natürlich enttäuscht, dass sich müssen allerdings häufig feststellen, dass wir bei Aussicht gestellten Finanzierung des Gutenberg weitergehende Hoffnungen nicht erfüllt haben. Berufungen und auch bei Bleibeverhandlungen Forschungs-Kollegs könnte hier ein erster Schritt Selbst wenn das Label „Elite-Universität“ in die- finanziell nicht wettbewerbsfähig sind. Hierbei sein. sem Wettbewerb nicht mehr erreicht werden geht es in der Regel nicht um die persönlichen Be- kann, versteht sich die Johannes Gutenberg- züge, sondern um die Personal- und Sachmittel- Univ.-Prof. Dr. med. Jörg Michaelis Universität Mainz mehr denn je als Forschungs- ausstattung. Diesen finanziellen Nachteil kom- universität. Unser Anspruch ist daher jetzt ein pensieren unsere Wissenschaftler zwar zum Teil doppelter: Wir werden alle Kräfte darauf richten, durch außerordentliches Engagement; aber da- für die qualifizierten Graduiertenschulen den mit allein lässt sich ein vollständiges Aufschlie- Präsident endgültigen Zuschlag zu erhalten – um so letzt- ßen zur bundesweiten Spitze nicht erreichen. lich mit drei Exzellenzprojekten erfolgreich im Wettbewerb abzuschneiden. 3 [JOGU] 199/2007
magazin_jogu_07_copy 25.01.2007 8:34 Uhr Seite 4 Campus aktuell Hohes Reformtempo vorgelegt Seit Dezember 2001 leitet Professor Jörg Michaelis die Johannes Gutenberg- Verantwortung übernehmen für die Entwicklung vor Ort, und das ist eine sehr erfreuliche Entwick- Universität Mainz. Ende März übergibt er das Präsidentenamt an seinen Nach- lung. Für besonders wichtig halte ich es, dass wir folger. Peter H. Eisenhuth hält mit dem scheidenden Präsidenten Rückblick auf ein Strategiekonzept entwickelt und schrittweise die über fünfjährige Amtszeit. umgesetzt haben. Ein maßgeblicher Schritt war die Neustrukturierung der Fachbereiche, dank Herr Michaelis, am 28. März übergeben Sie das kurz vor dem Ziel, aber es lässt sich nicht sagen, dessen wir feststellen können, dass es inzwischen Präsidentenamt an Ihren Nachfolger. Kommt da wann wir es erreichen. deutlich häufiger zu fächerübergreifenden Ko- bei Ihnen so etwas wie Wehmut auf? operationen kommt als früher. Die Exzellenzinitiative ist eine Aufgabe, der ich Teils, teils. Ich freue mich aber auch auf die Zeit mich bis zum letzten Tag widmen werde und die Gegen die Reduzierung der Fachbereiche von 19 danach. Ich gehe ja noch nicht in Ruhestand, son- Vorrang vor anderen Dingen hat.Aber mit diesem auf 11 gab es massive Widerstände… dern beabsichtige, im Fachbereich Medizin bis Thema wird sich mein Nachfolger genauso be- …die sich, bis auf geringe Restvorbehalte, weit- voraussichtlich 2009 wieder meine Professur schäftigen wie mit unserer in die Wege geleiteten gehend gelegt haben. Die Ängste, die vor den Zu- wahrzunehmen. Wehmut ist daher sicherlich zu Systemakkreditierung. Das sind langfristige Vor- sammenlegungen bestanden, haben sich als un- viel gesagt; ich glaube, ich kann mich ganz gut haben, die sich nicht innerhalb meiner Amtszeit begründet erwiesen. Wenn ich noch zwei, drei vom Amt trennen, auch wenn ich es außeror- abschließend bearbeiten lassen. Bereiche nennen darf, die mir besonders wichtig dentlich gerne ausgeübt habe. waren… In den vergangenen fünf Jahren ist an der Johan- Haben Sie selbst bis Ende März alles erledigt, was nes Gutenberg-Universität viel passiert. Stich- …selbstverständlich. zu erledigen war, oder bleiben einige Dinge für worte sind unter anderem der Reformprozess und Ihren Nachfolger liegen? das 300 Millionen Euro umfassende Neubaupro- Zum einen wäre da die Verbesserung des Dienst- gramm. Was waren aus Ihrer Sicht die Höhe- leistungsangebotes, Stichworte dafür sind Stu- Es gibt Sachen, an denen ich momentan arbeite, dierenden-Servicecenter, Hotline und Online- punkte? und bei denen es mich freuen würde, wenn sie bis Immatrikulierung. Die Zeiten, in denen die Stu- Ende März erledigt wären. Zum Beispiel möchte Das war der Reformprozess, den wir vor dem dienbewerber bei uns stundenlang Schlange ste- Fotos: Peter Pulkowski ich unsere Musikhochschule gerne noch in die Hintergrund der veränderten Hochschulgesetzge- hen müssen, um sich zu einzuschreiben, sind vor- Rektorenkonferenz bringen, was uns mit der Bil- bung mit mehr Autonomie für die Hochschulen bei. 90 Prozent aller Anmeldungen laufen über denden Kunst bereits gelungen ist. Wir stehen realisiert haben. Wir können inzwischen mehr das Internet. Da sind wir vorbildlich. Bedeutsam ist auch der Bereich der Qualitätssi- cherung. Das geht los bei der systematischen Evaluation der Lehre, setzt sich bei den Beru- fungsverfahren fort und führt bis hin zur ange- strebten eigenständigen Systemakkreditierung, weg von den bundesweit arbeitenden Akkreditie- rungsagenturen. Für einen Mann, der bei seiner Wahl als Kompro- misskandidat zwischen dem eher als traditionell geltenden Volker Hentschel und dem vielen Kollegen zu forsch auftretenden Modernisierer Ulrich Druwe galt, haben Sie ein beachtliches Reformtempo eingeschlagen. Ja, ja, die Leute habe ich enttäuscht, die erwartet hatten, dass es mit mir etwas ruhiger gehen würde… Stimmt die Einschätzung, dass Ihnen im Laufe Ih- rer Amtszeit der Gegenwind stärker ins Gesicht geweht hat? Ja. Ich hatte vorher schon im Fachbereich Medi- Mai 2002 – Prominenz aus Russland: zin an einer Reihe von Reformen mitgewirkt. Für Gorbatschow und Michaelis auf dem Weg zum Empfang mich war es ein Stück weit unerwartet, dass es deutlich schwieriger war, solche Prozesse für die [JOGU] 199/2007 4
magazin_jogu_07_copy 25.01.2007 8:34 Uhr Seite 5 Campus aktuell Mai 2006 – Prominenz aus Frankreich: Giscard d'Estaing, Kardinal Lehmann und Michaelis während der Feierlichkeiten „60 Jahre Universität Mainz“ vernünftigerweise auf Eis gelegt wurde, kann es manchmal sehr schnell gehen. Wenn das Konten- modell ein Alleingang des Landes bleibt, wird es nicht beliebig lange überlebensfähig sein. Herr Michaelis, würden Sie aus heutiger Sicht noch einmal für das Präsidentenamt kandidie- ren? Gesamtuniversität einzuleiten. Teilweise waren auf 60 Studenten, in einigen Fächern liegen wir Ja. Ich kann nicht verhehlen, dass mir das Amt die Reformvorhaben mit heftigem Widerstand bei über 1:100. Freude gemacht hat – und noch macht. verbunden, aber eine breite Diskussion ist ja auch Studiengebühren könnten das verbessern? etwas Wichtiges. Und wenn am Ende eines lan- Wenn Sie noch einmal von vorne anfangen könn- gen Diskussionsprozesses der Senat sich hinter Sofern das Geld tatsächlich bei der Universität ten: Würden Sie in Ihrer Amtsführung etwas än- die Dinge stellt, ist das gut. bleibt und nicht an anderen Stellen gekürzt wird, dern? ja. Ansonsten werden wir auf Dauer noch weiter Sie haben sich vom Studiengebührengegner zum Ich würde wohl stärker darauf achten, mehr Zeit zurückfallen, wenn in anderen Ländern Gebühren -befürworter gewandelt… für persönliche Diskussionen zu haben. Im letzten erhoben werden. Die Frankfurter Universität hat Jahr haben wir das praktiziert, unter anderem in …notgedrungen, auch wegen der allgemeinen schon jetzt mehr Geld als wir, wenn sie dem- Form zweier Diskussionsrunden mit den Fachbe- Entwicklung in Deutschland. In Mainz haben wir nächst noch 20 Millionen zusätzlich jährlich an reichen. Das hat sich als sehr positiv herausge- binnen kurzer Zeit einen Anstieg der Studieren- Gebühren einnimmt, ist das finanziell so, als wäre stellt, weil Informationen so besser zu transpor- denzahlen um 25 Prozent erlebt, bei nahezu sie Elite-Uni geworden… tieren sind und dadurch auch weniger Gerüchte unveränderten, zum Teil sogar reduzierten finan- Wie lange geben Sie dem rheinland-pfälzischen aufkommen. Allerdings ist das mit jetzt elf Fach- ziellen Grundzuweisungen. Dadurch haben wir Modell der Studienkonten noch? bereichen auch erheblich leichter zu handhaben Probleme, die Ausbildung in der Qualität zu er- als mit den 19 zu Beginn meiner Amtszeit. halten, wie wir es wollen. Schon jetzt liegt die Be- Das ist schlecht zu prognostizieren. Wie man bei treuungsrelation im Schnitt bei einem Professor der geplanten Landeskinderregelung sieht, die Herr Michaelis, Danke für dieses Gespräch. I
magazin_jogu_07_copy 25.01.2007 8:34 Uhr Seite 6 Campus aktuell Georg Krausch neuer Präsident Senat votiert im ersten Wahlgang eindeutig Prof. Dr. Georg Krausch wird Zwei Punkte nannte Krausch, die ihm besonders am Herzen liegen: Wichtig sei die bessere Aus- künftig die Geschicke der Johannes Gutenberg-Universität lenken. Der Physiker, stattung der Studiengänge – hier im besonderen zur Zeit an der Universität Bayreuth Vizepräsident für Forschung und wissen- die Betreuungsrelation der Anzahl von Studieren- schaftlichen Nachwuchs, wird zum 1. April die Nachfolge von Universitätsprä- den pro Hochschullehrer zu verbessern. Vor allem bei einigen Fächern der Geistes- und Sozial- sident Prof. Dr. Jörg Michaelis antreten, der altersbedingt aus dem Amt scheidet. wissenschaften dürfe man nicht müde werden, dies einzufordern, um den Ist-Zustand erträg- Aufatmen im vollbesetzten Senatssaal: Nach Krausch äußerte sich erfreut über das eindeutige licher zu machen. einem nur knapp zehnminütigen Wahlgang stand Ergebnis und den damit verbundenen Vertrau- das Ergebnis fest. Von den 36 anwesenden Sena- ensvorschuss. In dem anschließenden Pressege- Krausch versprach, sich in die formulierten Kon- torinnen und Senatoren wählten 28 Prof. Dr. spräch äußerte der 45jährige Physiker Krausch, zepte zur Bundesexzellenzinitiative schnellstens Georg Krausch, auf den Gegenkandidaten Prof. dass er sich erstmal umfassend über die Univer- ein- und intensiv mitzuarbeiten. „Die Uni Mainz Dr. Dr. Hans Michael Piper entfielen noch fünf sität Mainz informieren und das Gespräch so- ist im Großen und Ganzen sehr gut aufgestellt, Stimmen, drei waren ungültig. Krausch ist der wohl mit der Professorenschaft als auch mit den sie hat mehrere sehr exzellente Forschungs- erste Präsident seit der Wiedereröffnung der Mitarbeitern und den Studierenden suchen will, schwerpunkte“, so der künftige Präsident, „jetzt Mainzer Universität, der nicht aus den Reihen der um zu sehen, was die Erfolge sind und wo es gilt es die Profilbildung weiter voranzutreiben.“ hiesigen Professorenschaft stammt. brennt. Die Universitäten stünden im Wettbewerb um die besten Studierenden und besten Wissenschaftler und müssten ein Qualitätsbewusstsein entwi- ckeln, und „Mainz bietet hierzu ein gutes Aus- Foto: Harry Braun gangsspektrum“. „Jetzt gilt es die Profilbildung weiter voranzutreiben.“ Der Einführung von Studiengebühren steht der gebürtige Offenbacher offen gegenüber. Aller- dings sollten die Gebühren sozial verträglich sein, eingeschlossen die Studienkredite. Besonders be- tonte er, dass die Gelder tatsächlich als zusätzli- che Gelder für zusätzliche oder bessere Lehran- gebote an die Universität fließen müssten und die Studierenden maßgeblich in die Verteilung dieser Mittel eingebunden werden müssten. Als Externer freut sich Krausch auf die neue Her- ausforderung als Präsident einer der großen deutschen Universitäten; als Privatperson und Familienvater ist die Rückkehr in das heimatliche Rhein-Main-Gebiet und die Nähe zur Familie zusätzlich schön. Der Fußballfan Krausch ist – zusammen mit seinem Sohn – froh, „endlich in eine Stadt mit Bundesligaverein zu ziehen“. Mainz 05 – strengt euch an und sorgt für den Klassenerhalt! Annette SPOHN-HOFMANN I Eindeutiges Wahlergebnis: Prof. Dr. Jörg Michaelis gratuliert dem Nachfolger Prof. Dr. Georg Krausch [JOGU] 199/2007 6
magazin_jogu_07_copy 25.01.2007 8:34 Uhr Seite 7 Campus aktuell Foto: Peter Thomas Universität und Umweltschutz Möglichkeiten der Energieeinsparung Umweltschutz ist an der Johannes Gutenberg- Universität Mainz ein wichtiges Thema, und zwar gleichermaßen in der Forschung wie in der Praxis. Das zeigte der zweite Umwelttag, zu dem die Hochschule zusammen mit dem Zentrum für Umweltforschung (ZfU) und dem AStA eingeladen hatte. Wärme und Beleuchtung: Zur Energieeinsparung Die Stromkosten sind seit 2000 um ein Zehntel mung, der Einsatz von Bauteilkühlung statt die „Behaglichkeitsfaktoren“ nicht einschränken gesunken,der Wasserverbrauch ist gar um 20 Pro- einer Klimaanlage, ein Erdkanal zur Frischluft- zent zurückgegangen. „Das ist eine gute Ent- konditionierung und ein intelligenter Sonnen- wicklung, insbesondere vor dem Hintergrund schutz. steigender Studierendenzahlen“,sagt Dr.Joachim Liers, Leiter der Abteilung Technik an der Johan- Was für Laien nach Zukunftsmusik ambitionier- nes Gutenberg-Universität Mainz. Liers stellte ter Bautechniker klingt, wird in Zukunft not- Maßnahmen zur Energieeinsparung die „Behag- beim zweiten Umwelttag der Universität in der wendig sein. Das machten die Vorträge des Um- lichkeitsfaktoren“ wie Wärme und Beleuchtung Alten Mensa die Möglichkeiten der Energieein- welttages deutlich. So stellte Professor Dr. nicht einschränken, sondern nur die Nutzung in- sparung an der Hochschule vor. Einige Ziele hat Rolf-Dieter Wilken die möglichen Auswirkungen telligenter steuern werde. Einen ähnlichen Ansatz die Universität bereits erreicht. Doch in Zukunft einer Klimaveränderung für die Region vor. Bis verfolgte auch Professor Dr. Ralf Simon, Leiter der soll der Verbrauch von Energie durch ein moder- hin zu extremen Hochwassersituationen mit Transferstelle für rationelle und regenerative nes Energie-Management noch besser gesteuert Deichbrüchen am Rhein reichten die Szenarien, Energienutzung an der Fachhochschule Bingen: werden. Dabei wird der Verbrauch von Elektrizität die der Geowissenschaftler entwickelte. „Das „Wer heute schon viel Energie verbraucht, wird und Wärme mit hoher Genauigkeit dokumentiert wäre für diese Gegend eine der größten sich nicht massiv einschränken wollen“, sagte Si- und geregelt. Als Pilotanlage dient das Gebäude Katastrophen, die man sich vorstellen kann“, mon. Durch den Aufstieg der Schwellenländer der Betriebswirtschaft, wo 2006 fernauslesbare sagte Wilken. und das Bevölkerungswachstum ging Simon für Zähler installiert wurden, die eine zeitnahe Kon- das Jahr 2020 von dem doppelten weltweiten trolle möglich machen. Diese „Zählerertüchti- „In zwei Generationen wird Energiebedarf im Vergleich zu 2003 aus. Das be- gung“, so Liers, solle auch in den kommenden niemand mehr von Öl als deute wahrscheinlich ein schnelles Ende für die beiden Jahren weiter ausgeführt werden. Energiequelle reden.“ Nutzung vieler fossiler Energieträger: „In zwei Generationen wird niemand mehr von Öl als Besonders faszinierte die Besucher des Umwelt- Die Anzeichen des globalen Klimawandels Energiequelle reden“, prognostizierte der Binger tages jedoch das Konzept in Vorplanung, das der dürfe man nicht übersehen, betonte der Main- Wissenschaftler. Abteilungsleiter Technik vom Neubau Sozialwis- zer Wissenschaftler. Denn einerseits hätten senschaften vorstellte: Dieses Konzept beschreibt schon kleine Veränderungen im Weltklima er- Als Fernziel, um den Energiebedarf der Erde zu ein „Drei-Liter-Haus“. So wird ein Gebäude ge- hebliche Auswirkungen. Andererseits komme decken, nannte Simon die Kernfusion. Bis diese nannt, das im Jahr pro Quadratmeter Nutzfläche der Wandel nicht schlagartig, sondern stelle Technik zur Verfügung steht, gelte es allerdings, nicht mehr als drei Liter Heizöl verbraucht. Zum eine kontinuierliche Entwicklung dar. „Es geht die herkömmliche Technik zu verbessern. So lasse Vergleich: Auch relativ neue Bauten auf dem nicht plötzlich die Tür auf und die Klimaverän- sich Kohle in modernen Heizkraftwerken mit ei- Campus mit ähnlicher Nutzung verbrauchen derung ist da“, sagte Wilken. nem Wirkungsgrad von fast 90 Prozent in Energie heute rund die dreifache Energiemenge. Maß- umwandeln. Aber auch die Leistungsfähigkeit nahmen, um das ökologisch vorbildliche „Drei- Aktiver Klimaschutz wird kaum gegen den von Anlagen zur Nutzung regenerativer Energie Liter-Haus“ zu verwirklichen, wären zum Beispiel Willen der Menschen funktionieren. So betonte lasse sich mit besserem Wirkungsgrad deutlich eine Energie sparende Bauweise, gute Däm- Dr. Joachim Liers, dass die Universität bei ihren steigern. Peter THOMAS I 7 [JOGU] 199/2007
magazin_jogu_07_copy 25.01.2007 8:34 Uhr Seite 8 Campus aktuell „Hier geht’s für mich weiter!“ Step on! bietet persönliche Bildungs- Foto: Lena Grüter planung in Mainz und Bingen Das von der Universität Mainz geleitete Projekt Step on! eröffnete im November 2006 zwei Servicestellen – eine in der Mainzer Innen- stadt, eine in der Binger Fußgängerzone –, in denen unabhängig und qualifiziert über Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten informiert wird. Neue Bildungsberatungsstelle: Sabine Teichreb (ZWW), Vizepräsident Jürgen Oldenstein, Beraterin Elisabeth Döbbelin, Barbara Lampe (ZWW), Beraterin in Bingen Petra Fleischmann, OB Jens Beutel (v.l.) Wo und wie werde ich fit für den Job? Wie funk- Unter dem Motto „Hier geht’s für mich weiter!“ passgenaue und kontinuierliche Weiterbildung tioniert der Wiedereinstieg in den Beruf nach der bietet Step on! Unterstützung bei der persön- im Sinne Lebenslangen Lernens wird zum ent- „Familienphase“? Wie plane ich meine persönli- lichen Bildungsplanung. In den als „Ladenge- scheidenden Faktor für berufliches Fortkommen. che Weiterbildung? Wo kann ich meinen Schul- schäft“ konzipierten Beratungsstellen kann jeder Heute gilt: Was Hänschen nicht lernt, kann (und abschluss nachholen? Wo kann ich mich auch und jede vorbeischauen, sich unverbindlich infor- muss) Hans sehr wohl lernen.“ noch nach dem Berufsleben weiterbilden? Wie mieren oder sich in mehreren Terminen intensiv finde ich heraus, wo meine persönlichen Stärken und individuell beraten lassen. Orientierungshil- Die Bildungsberatungsstellen unterstützen die- liegen? Wie schaffe ich den beruflichen Neuan- fen im weitverzweigten Bildungs- und Qualifizie- ses Konzept des Lebenslangen Lernens. Sie span- fang? Bei den Antworten zu genau diesen Fragen rungsmarkt der Region sollen zudem eine mög- nen den Bogen von der Berufsorientierung über rund um Bildung und Beruf können die Mitarbei- lichst passgenaue Planung der ersten Schritte in die Aus- und Weiterbildungsberatung bis hin zur terinnen und Mitarbeiter des regionalen Bil- den beruflichen Neuanfang garantieren. Aus- zielgruppenspezifischen Beratung. Dazu gehören dungsnetzwerkes Step on! in Form einer kosten- künfte zu Finanzierungsbeihilfen für berufliche auch benachteiligte junge Menschen, Migranten freien, individuellen und qualifizierten Beratung Weiterqualifizierungen gehören deshalb ebenso und Migrantinnen, Hochschulabsolventen, Be- weiterhelfen. Das Projekt versteht sich als zum Angebot wie Informationen zur Unterstüt- rufsrückkehrerinnen, Arbeitslose und ältere Bildungswegweiser und arbeitet derzeit mit 27 zung bei der Kinderbetreuung. Beschäftigte. Dabei soll Bildungsberatung die Partnern aus der Region zusammen, darunter die eigenverantwortliche Gestaltung des jeweils ei- Arbeitsagentur, die Job-Centren für Arbeitsmarkt- „Was Hänschen nicht lernt, genen Bildungs- und Berufsweges unterstützen. Foto: Dirk Bröckelmann integration Mainz und Mainz-Bingen, Hand- kann Hans sehr wohl lernen.“ Kathrin VOIGT I werkskammer, Industrie- und Handelskammer sowie die Weiterbildungsträger der Region. Bereits 2003 richtete Step on! mit „Blickwech- sel“ eine Bildungsberatungsstelle ausschließlich Step on! Bildung & Beratung für Frauen ein, und die Erfahrungen Hintere Bleiche 16, 55116 Mainz der letzten drei Jahre zeigen deut- E-Mail: bildung-beratung-mainz@step-on.de Elisabeth Döbbelin: 0 61 31-90 59 40 lich den großen Bedarf an kompe- Uwe Naumann: 0 61 31-90 59 41 tenter Bildungsberatung. Barbara Lampe, Step on!-Projektleiterin Step on! Bildung & Beratung beim Zentrum für wissenschaftliche Freidhof 9, 55411 Bingen Weiterbildung der Johannes Guten- E-Mail: bildung-beratung-bingen@step-on.de berg-Universität Mainz, erklärt: Petra Fleischmann: 0 67 21-18 69 40 „Das ist verständlich, denn die klas- sische Berufsbiografie Ausbildung – Weitere Informationen bei der Projektleitung von Beruf – Ruhestand weicht langsam Step on! auf. An ihre Stelle treten diskontinu- Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung der ierliche Bildungs- und Berufswege: Johannes Gutenberg-Universität Mainz step-on@verwaltung.uni-mainz.de Neuanfänge mit 30, Teilzeitjobs, Phasen der Selbständigkeit. Die Binger Dependance: Angela Schneider-Braun (Kreisverw.), OB Birgit Collin-Langen,Bürgermeister und VHS-Vorsitzender Thomas Feser, Landrat Claus Schick,Bildungsberaterin Petra Fleischmann, Klaus Tiggemann (MWWFK) (v.l.) [JOGU] 199/2007 8
magazin_jogu_07_copy 25.01.2007 8:34 Uhr Seite 9 Studium & Lehre Foto: privat Die Immunologie – ein zweischneidiges Schwert Mit Professor Dr. Dr. h.c. mult. Georg Friedrich (Fritz) Melchers ist es gelungen, einen Wissen- schaftler von höchstem Rang auf diesem Gebiet Fritz Melchers ist Inhaber der zu gewinnen. Melchers, jugendlicher Nestor der Immunologie, ist heute 70 Jahre alt. Unter seiner Stiftungsprofessur 2007 Leitung (1980 bis 2001) entwickelte sich das Bas- Der Professor für Biochemie und ler Institut für Immunologie zu einer der weltweit Immunologie am Max-Planck-Institut führenden Forschungsstätten im Bereich der mo- lekularen und klinisch orientierten Immunologie. für Infektionsbiologie in Berlin und Melchers wegweisende Forschungsarbeiten zur langjährige Direktor des Basler Insti- Entwicklung der Stammzellen des Immunsystems tuts für Immunologie zählt zu den und zur Charakterisierung einzelner Immunzellen legten den Grundstein für die Entwicklung von anerkanntesten Wissenschaftlern neuartigen und umfassenden Immuntherapien auf dem Gebiet der Immunologie. unter anderem bei Allergien, chronischen Entzün- Mann der Kreide: dungen oder Tumorerkrankungen. Aber nicht nur Prof. Dr. Dr. Georg Friedrich (Fritz) Melchers die internationale Ausstrahlungskraft der For- Pandemien sorgen weltweit immer wieder für scherpersönlichkeit Fritz Melchers habe die Angst und Schrecken unter der Bevölkerung. Vor „Freunde der Universität“ beeindruckt, Melchers dass die Immunabwehr angreift, was sie be- einem Jahr sah sich die Welt durch das Vogel- zeichne sich auch als Wissenschaftskommunika- schützen sollte, und autoimmune Krankheiten grippe Virus H5N1 bedroht. Presse, Rundfunk und tor und als international tätigen Wissenschafts- auslöst. Zudem können einzelne „Schwerter“ de- Fernsehen sorgten nicht nur für die rasche Ver- organisator aus, dessen Wirkungskreis weit über fekt sein oder durch Infektionen, so besonders breitung der Negativschlagzeilen, schürten auch seine Fachdisziplin hinaus gehe, schwärmt Prof. durch das humane Immundefizienz Virus (HIV), noch die Furcht vor der Bedrohung durch Groß- Cesana. defekt werden. Einige dieser „Schwerter“ atta- epidemien in einer globalisierten Welt. So ckieren die fremden Eindringlinge mit solch star- beschreibt Prof. Andreas Cesana, Vorsitzender „Die Zwiespältigkeit unseres ken und fehlgeleiteten Kräften, dass auch der ei- der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur der Immunsystems: Schutz vor dem gene Körper Schaden erleidet, etwa bei Allergien „Freunde der Universität“, die Situation vor ei- Fremden, aber auch Angriff oder Immunpathologien. Andere „Schwerter“ nem Jahr, als die „Freunde der Universität“ das gegen das Eigene.“ entzünden Teile unseres Körpers und führen zu Thema für die Stiftungsprofessur 2007 festlegen Tumoren oder zu Mangelkrankheiten wie Juve- mussten. In seiner Veranstaltungsreihe wird Prof. Melchers nile Diabetes. Allzu oft wird in einer einzigen über „Die Zwiespältigkeit unseres Immunsys- Immunantwort Abwehr mit Selbstdestruktion Aber nicht nur die Angst vor drohenden Pande- tems: Schutz vor dem Fremden, aber auch Angriff vermischt. Annette SPOHN-HOFMANN I mien, auch die Erkenntnis, dass das Immunsys- gegen das Eigene“ sprechen. Zusammen mit re- tem bei vielen Krankheiten eine zentrale Rolle nommierten Gastrednern wird Fritz Melchers die Information: Melchers wird in Mainz vom spielt, dass es für zahlreiche Infektionskrankhei- Zwiespältigkeit unseres Immunsystems erörtern. 24. April bis zum 10. Juli 2007 zehn Vorlesungen ten wie HIV oder Tuberkulose immer noch keinen Dieses umfasst die Zellen des angeborenen und zu dem o.g. Thema halten. Die Veranstaltungen Impfstoff gibt, dass die Immunabwehr manchmal des adaptiven Immunsystems und seine in die finden voraussichtlich jeweils dienstags von das angreift, was sie eigentlich beschützen soll, Körperflüssigkeiten entsandten Abwehrmole- 18.15 Uhr bis ca. 20.00 Uhr, Hörsaal RW 1, gab den Ausschlag, 2007 den Forschungsschwer- küle. Das Immunsystem – nach Fritz Melchers Neubau Recht und Wirtschaft, Jakob-Welder- punkt Immunologie in den Mittelpunkt der gleichsam eine Sammlung „zweischneidiger Weg 9, statt. nächsten Stiftungsprofessur zu rücken. Das For- Schwerter“ – schützt einerseits vor fremden Ein- Voraussichtliche Termine der Vorlesungsreihe: schungsgebiet habe eine enorme sozioökonomi- dringlingen wie Infektionen und Tumoren, wobei sche Bedeutung, meint Cesana, und er verweist es ein Gedächtnis entwickelt für einmal erkannte Dienstag, 24. April 2007 Dienstag, 12. Juni 2007 auf die weit reichenden Konsequenzen von Im- Eindringlinge. So können wir uns gegen viele In- Dienstag, 08. Mai 2007 Dienstag, 19. Juni 2007 mundefizienzen,Autoimmunerkrankungen,Aller- fektionen impfen lassen. Normalerweise ruht un- Dienstag, 15. Mai 2007 Dienstag, 26. Juni 2007 gien oder Krebserkrankungen für die Betroffe- ser Immunsystem und greift auch den eigenen Dienstag, 22. Mai 2007 Dienstag, 03. Juli 2007 nen, für ihr Umfeld und für die Gesellschaft. Körper nicht an. Andererseits kann es geschehen, Dienstag, 05. Juni 2007 Dienstag, 10. Juli 2007 9 [JOGU] 199/2007
magazin_jogu_07_copy 25.01.2007 8:34 Uhr Seite 10 Studium & Lehre „Rock Foto: Peter Thomas Around the Clock“ Lebensfreude in ihrer reinsten Form Rock n’ Roll, das ist mehr als Elvis-Tolle und Petticoat. Beim Allgemeinen Hochschulsport der Mainzer Johan- nes Gutenberg-Universität lernen jedes Semester rund 25 Teilnehmer die Grund- Schwungvoll: lagen dieses beschwingten Tanzes, der zu dieser Urform der Rockmusik gehört. Rock n’ Roll verlangt hohes Koordinationsvermögen Das ist Musik, die in die Beine geht:Wenn sich die Kondition ist deshalb sehr wichtig und das ent- Rock n’ Roll-Gruppe des Allgemeinen Hochschul- sprechende Training gehört zum Tanzkurs. Wie viel Spaß das Rock n’ Roll-Tanzen machen sports in der Gymnastikhalle trifft, dann wird der Was die Musik angeht, zeigt sich der Tanzstil, der kann, wissen Kathrin Leitmeyer und ihr Bruder Sportraum mit den Spiegelwänden zur vibrieren- aus Swing und Boogie-Woogie entstanden ist, aus eigener Erfahrung schon lange: Die Ge- den Tanzfläche. Allerdings hält der Besucher ver- sowieso als höchst wandlungsfähig: „Tanzen schwister tanzen selbst seit mehr als zehn Jahren, geblich Ausschau nach den Insignien der Hoch- kann man Rock n’ Roll eigentlich auf die meisten gehen auch auf Turniere. Da lag es für Paul Leit- zeit des Rock n’ Roll in den 1950er und 1960er modernen Pop-Lieder“, weiß der Trainer. So legen meyer nahe, die Leitung des Kurses im Angebot Jahren: Kein Petticoat dreht sich bei den akroba- die Geschwister, die beide Medizin an der Main- des Allgemeinen Hochschulsports zu überneh- tischen Tanzbewegungen, keine Elvis-Tolle wippt zer Universität studieren, in ihren Übungsstunden men, als er vor drei Semestern von der früheren im Takt. Und statt auf Falte gebügelter Bluejeans neben den Rock-Klassikern vergangener Epochen Trainerin angesprochen wurde. Das Seminar rich- tragen die Tänzerinnen und Tänzer bequeme auch moderne Titel auf — Hauptsache, Rhythmus tet sich ausdrücklich an Rock n’ Roll-Interessierte Sportkleidung. und Spaß stimmen. ohne Vorkenntnisse, erklären die angehenden Mediziner. Auch wer sich noch nie im Klang von Es geht bei dem Angebot auch nicht darum, die „Rock n’ Roll ist ein Tanz „Rock Around the Clock“ auf der Tanzfläche ge- Geschichte von Musik- und Tanzstil bis ins Detail mit extrem hoher sportlicher dreht hat, liegt hier also richtig – wichtiger ist die zu beschwören, erläutert Kursleiter Paul Leit- Anforderung.“ Begeisterungsfähigkeit für Tanz und Musik. meyer. Zusammen mit seiner Schwester Kathrin trainiert er die Mainzer Rock n’ Roll-Gruppe. Auf dem Papier klingt Rock n’ Roll ganz einfach: Und von dieser Begeisterung am 50 Jahre alten „Rock n’ Roll ist ein Tanz mit extrem hoher sport- Ein Paartanz im Viervierteltakt mit einem schnel- Modetanz lassen sich in Mainz Studierende aller licher Anforderung“, sagt Leitmeyer. Eine gute len Rhythmus von etwa 50 Schlägen pro Minute, Fachrichtungen gerne anstecken. Mediziner und entstanden Mitte der 1950er Sportler zählen die Leitmeyers ebenso zu ihren Jahre in den Vereinigten Staaten Kursteilnehmern wie Physiker, Psychologen und von Amerika. Wer sich selbst Geisteswissenschaftler: „Quer Beet aus allen daran versucht, entdeckt aber Fachbereichen“ kommen die Tänzerinnen und ziemlich schnell, dass es zum Tänzer, erklärt Leitmeyer, während im Hinter- Tanzen mehr braucht als das grund die Elektrogitarre aus den Boxen zum Tanz Interesse an der Musik von Elvis aufspielt. Presley und Bill Haley: Am An- fang steht das Training des Den Geruch der Revolution hat der Rock n’ Roll Grundschritts, wie bei anderen ein halbes Jahrhundert nach seiner Geburt verlo- klassischen Standard- oder La- ren.Aber am Spaßfaktor hat sich nichts geändert. tein-Paartänzen auch. Die be- „Katalysator für energetische Lebensfreude in ih- sondere Faszination des Rock n’ rer reinsten Form“, so beschreibt das Programm Roll machen allerdings die akro- des AHS diesen Tanzstil. Dass dieses Prädikat zu- batischen Figuren aus: Drehun- trifft, beweisen die Kursteilnehmer jeden Diens- gen, Hebefiguren und anderes. tagabend erneut. Peter THOMAS I Das verlangt neben Rhythmus- gefühl auch viel Kraft, gute Be- Information: Die Kurse finden jeweils dienstags weglichkeit und ein hohes Koor- von 18.30 Uhr bis 20 Uhr in der Gymnastikhalle dinationsvermögen. statt. [JOGU] 199/2007 10
magazin_jogu_07_copy 25.01.2007 8:34 Uhr Seite 11 Wissenschaft & Forschung Gedächtnisbildung Die Tiefen des Hippocampus sind für die Verar- beitung und Speicherung aller so genannten pro- zeduralen Abläufe zuständig. So fallen die Repro- Foto: Peter Thomas duktion von motorischen Sequenzen und das Schlaf – ein Leistungsmotor „Der Schlaf – Lebensphänomen und Erkennen von visuellen Texturen in den Zustän- Forschungsfeld“ lautete im Wintersemester der Titel einer Ringvorlesung des digkeitsbereich eben des Hippocampus. Dieser ist Studium generale. Insbesondere der Gastvortrag des Lübecker Schlafforschers aber auch an der Vertiefung des so genannten de- klamatorischen Wissens, des Vokabelerwerbes Jan Born stieß auf waches Interesse. Muschel-Hörsaal N3 platzte aus fast allen etwa, beteiligt. Nähten. „Lernen im Schlaf“ – dieser Wunsch ist eben genau so alt wie der Traum vom Fliegen – und nicht minder realisierbar. Während wir lernen, wird das zu speichernde Ma- terial enkodiert, also etikettiert und abgelegt, und zwar im Neocortex, dem stammesgeschichtlich Dass Traumbilder die Zukunft zeigen, galt von der Für seine Testreihen schickt der Lübecker Profes- jüngsten Teil der Großhirnrinde. Eine Kopie des Antike bis zum Beginn der Aufklärung als Faktum. sor regelmäßig Studenten ins Schlaflabor. Denn Materials wird an den Hippocampus gesendet. Vor einem Jahrhundert reduzierte Sigmund Freud Traumberichte, so der Forscher, seien prinzipiell Dieser reaktiviert während des Schlafes die ab- das allnächtliche Kopfkino auf den erotischen ungeeignet, um relevante Ergebnisse zu erzielen. gespeicherten Inhalte. Die Reaktivierungen sti- Wunsch. Doch heute überzeugt auch die psycho- Hormonspiegel-Messungen liefern hingegen ei- mulieren den Rücktransfer der Informationen in analytische Deutung nur noch bedingt. Wir Ge- nen präzisen Beweis dafür, dass unser Gehirn im den Neocortex. Dabei werden durch so genannte genwärtigen halten es eben lieber mit dem Volks- Schlaf hochgradig aktiv ist. Bei jedem Menschen regelmäßige Spindelpulse Calciumströme ausge- mund, der da sagt, dass Träume Schäume sind. treten in der Aufwachphase vermehrt die Stress- löst, die mittelbar diejenigen Synapsen aktivie- Dennoch besitzt ja gerade das Virtuelle seinen hormone ACTH und Cortisol im Blut auf – der Kör- ren, die für die Encodierung zuständig waren. Die Reiz. Wer lange nach Mitternacht ins Bett geht, per nimmt so den erwarteten Wachstress vorweg. synaptischen Verbindungsstellen werden gekräf- Foto: PhotoCase.com hat am meisten von den selbst generierten Fan- tigt, das Material ist dem Gedächtnis einge- tasy-Filmen, die während der so genannten schrieben. REM-Phasen des Schlafes laufen. Der Schlaf ist eben nicht Spät-zu-Bett-Geher sind also in doppel- in erster Linie Bildfabrik, ter Weise erlebnisorientiert. „Schlafen sondern Lernlabor. kannst du, wenn du tot bist“ lautet ja auch das Motto der Jungen und der Fit- Vergleichende Leistungstests, die nach einer ten, und ist das so falsch? Lernphase und nach einer Kombination von Lern- und Schlafphase durchgeführt wurden, „Ja“, antwortet Prof. Dr. Jan Born, Direk- zeigten eine Leistungssteigerung im Kombi-Fall. tor des Lübecker Universitäts-Instituts für Bei Studenten, die vor dem Schlaf Vokabeln ge- Neuroendokrinologie. Mit dem Hinweis darauf, paukt hatten, konnte außerdem eine Zunahme dass der ideale Schlaf um 11 Uhr abends beginne Ist den Personen vor dem Einschlafen der Zeit- der Spindelaktivitäten festgestellt werden. und um sieben Uhr morgens ende, sorgte Born punkt des Weckens mitgeteilt worden, liegt die gleich zu Anfang seines Vortrags für allgemeines entsprechende Hormonmenge deutlich höher als Schlaf ist also ein Leistungsmotor. Während des Gelächter. Aber warum nur ist er so wichtig, der im Falle einer Überraschungsweckung. Das Ge- Schlafes wird das Gehirn trainiert, die frisch er- Schlaf vor Mitternacht, den unsere Eltern und hirn hat die Informationen aus der Wachphase worbenen Informationen werden nach Relevanz Großeltern uns hartnäckig verordnen wollten und während des Schlafes verarbeitet. Und nicht nur sortiert und Fähigkeiten werden automatisiert. gegen den wir uns wehrten, sobald wir sprechen das – es hat Erlebtes und Erlerntes dauerhaft ab- So ist die Zunahme etwa von explizitem Vokabel- und laufen konnten? Weil wir im Schlaf, genauer, gespeichert, es hat neu erworbene Kenntnisse wissen auch im vom Hippocampus abhängigen während der ersten Einheit des Nachtschlafes, verfestigt, indem es sie den Langzeitgedächt- deklarativen Gedächtnissystem noch nach einem der so genannten Delta-Phase, das Wissen verfes- nisstrukturen eingefügt hat – oder warum wa- Jahr nachweisbar. „Die Gedächtnisbildung im tigen, das wir uns tagsüber aneignen, lautet die chen wir auch sonntags zu unserer üblichen Schlaf ist ein aktiver Prozess, bei dem es zu einer schlichte wissenschaftliche Antwort. Ohne aus- Weckzeit auf? Reorganisation der frisch enkodierten Gedächt- reichenden Schlaf würden wir das Sprechen und nisrepräsentanzen kommt“, schlussfolgert Born. das Laufen also gar nicht erst erlernen. Der Schlaf Zu den evolutionär ältesten Strukturen des Ge- ist eben nicht in erster Linie Bildfabrik, sondern hirns zählt der hufförmige Hippocampus – der Es lohnt sich also, den Ermahnungen der Eltern Lernlabor. „Die Gedächtnisbildung ist keines- seinen Namen übrigens nicht dem gebräuch- und Großeltern zu folgen, will sagen, bis 22 Uhr wegs die einzige, aber die wichtigste Funktion lichen lateinischen Begriff („Seepferdchen“), zu lernen und um 23 Uhr zu Bett zu gehen. des Schlafes, der vor allem dazu dient, Informa- sondern dem griechischen Wort für „Meerunge- Wenigstens vor dem Examen. tionen zielgerichtet zu verarbeiten“, so Born. heuer“ („Hipposkampos“) verdankt. Ulrike BRANDENBURG I 11 [JOGU] 199/2007
magazin_jogu_07_copy 25.01.2007 8:34 Uhr Seite 12 Wissenschaft & Forschung Spitzentechnologie in Mainz Der neue Nierensteinzertrümmerer Nach sechsjähriger Entwicklungszeit im Abstand von etwa einer Woche.“ Außer lieferte Siemens im März 2006 die ersten Geräte eines neuartigen Lithoskops Neisius, der bei seiner täglichen Arbeit in der Re- gel einen Gehörschutz trägt, bedienen auch Dr. aus. Eines davon erhielt im August die Mainzer Urologie an der Langenbeck- Sebastian Melchior und der Leiter der Urologie, straße, samt dem dazugehörigen Urodiagnostiktisch. Damit verfügt Mainz als Prof. Dr. Joachim Thüroff das neue Gerät. Seit erste deutsche Universitätsklinik über diese neue Technik und avanciert zum August wurden in Mainz schon mehr als 100 Pa- tienten behandelt, darunter auch einige Kinder. Weltreferenzzentrum für Siemens in Sachen Lithotripsie, Steinbehandlung und „Sie entwickeln Nierensteine meist aufgrund an- Urodiagnostik. geborener Stoffwechselkrankheiten“, erklärt Dr. Melchior. Außerdem wird bei ihnen mit einer Presse und Fernsehen waren zahlreich vertreten dem Bildschirm und es konnte geschossen wer- noch geringeren Schockwellenenergie gearbeitet als kürzlich der neue Nierensteinzertrümmerer in den. Peng, peng, peng, man fühlte sich wie auf und die Bildgebung erfolgt auch nicht über Rönt- der Urologischen Klinik der Johannes Gutenberg- dem Schießstand und nach kurzer Zeit war der gen. Ein besonderer Clou des neuen Lithoskops Universität öffentlich vorgestellt wurde. Stau- Stein zu Sand auf dem Grund des Beckens ge- ist nämlich, dass in den Stoßwellenkopf auch ein nend konnte man beobachten, wie ein etwa 1 cm3 worden. Ultraschallgerät gesteckt werden kann. Damit großer Stein unter der Einwirkung von punktge- können kindliche Gewebe schonender untersucht nau gesteuerten Schockwellen einfach zerbrö- „Kinder entwickeln Nieren- werden. Außerdem bietet die Ultraschalltechnik selte. Der Stein befand sich in einem kleinen Netz steine meist aufgrund den Vorteil, dass auch Steine sichtbar werden, in einem eigens für solche Demonstrationen kon- angeborener Stoff- die keinen Kalk enthalten. Solche Steine entste- struierten Wasserbecken. Dieses wurde von der wechselkrankheiten.“ hen gelegentlich bei bestimmten Infekten und Siemens-Spezialistin Andrea Antonini auf der Pa- sind im Röntgenbild nicht zu sehen. Daher wird tientenliege in Höhe der Nierengegend positio- Auf die Frage, ob die Behandlung eines Patienten Ultraschall auch bei manchen Erwachsenen an- niert und Dr. Andreas Neisius, einer der Mainzer ebenso rasch von Statten gehe, antwortete gewendet. „Alles in allem bietet eine Röntgen- Spezialisten an dem High-Tech-Gerät, rief alle Dr. Neisius: „Natürlich nicht, denn eine menschli- aufnahme aber schon allein wegen ihrer Drei- Anwesenden hinter die Röntgenstrahl-dichte che Niere wird mit deutlich niedrigerer Energie dimensionalität die bessere Darstellung“, betont Scheibe. Dann begann der Urologe mit der Or- beschossen. Da fangen wir mit ganz geringen der Mediziner. tung des Steines, indem er per Fernsteuerung den Dosen an und steigern diese langsam. Bei einem blauen Stoßwellenkopf, in dem auch das Rönt- Therapiedurchgang kann eine Niere maximal Bislang wurden Steine von genauge sitzt, hin und her bewegte. Endlich er- 60 Joule vertragen, so dass Patienten mit größe- mehr als 2,5 cm Durchmesser schien der Stein im Fokus des Röntgenbildes auf ren Steinen mehrmals behandelt werden müssen, stets durch eine Operation entfernt. Foto: Frank Erdnüß Das 600.000 Euro teure Lithoskop wird sich für die Mainzer Klinik bald bezahlt machen, hoffen die Ärzte. Neben der beschriebenen Möglichkeit der „doppelten Bildgebung“, die laut Melchior nicht nur geringere Strahlenbelastung beim Rönt- gen sondern auch eine bessere Bildqualität liefert als das alte Siemens-Gerät, bietet es zahlreiche weitere Neuerungen. Der Stoßwellenkopf kann flexibel nahezu in jede Stellung gefahren werden, so dass der Patient immer in der Rückenlage blei- ben kann; aufwendige Umlagerungen entfallen, auch wenn beispielsweise beide Nieren, der Harnleiter und die Blase untersucht werden sol- len. Des Weiteren verfügt das Gerät über eine Ein- dringtiefe von 16 cm sowie über einen großen Stoßwellenfokus. In Kombination mit dem extrem belastbaren Urodiagnostiktisch (bis 203 kg) kön- nen so auch übergewichtige Patienten sicher be- handelt werden. Im Gespräch weist Prof. Thüroff Zum Abschluss der Präsentation mimte noch einer der Ärzte den Patienten und ließ bereitwillig das Blitzlichtgewitter der Fotografen über sich ergehen – umrahmt von Prof. Dr. Joachim Thüroff, Dr. Sebastian Melchior, Andrea Antonini, Dr. Andreas Neisius (v.l.) [JOGU] 199/2007 12
magazin_jogu_07_copy 25.01.2007 8:34 Uhr Seite 13 Wissenschaft & Forschung außerdem darauf hin, dass mit dem neuen Stoß- Orthopädie-Aufsatz eignet sich das Gerät zur breit keine andere Klinik ausgestattet, so dass die wellensystem nun vermutlich auch größere Nie- Behandlung von Tennis-Ellenbögen und zur Patientenzahlen möglicherweise ansteigen könn- rensteine zertrümmert werden können. Bislang Schmerztherapie. ten. Langfristig wird sich die Situation jedoch wurden Steine von mehr als 2,5 cm Durchmesser wieder entzerren, denn die Mainzer Neuerung er- stets durch eine Operation entfernt. Die neue Vier Prozent der Deutschen freut sich eines regen Interesses aus dem In- und Stoßwellentechnik zeichnet sich durch eine plagen sich mit Nierensteinen Ausland. „Zahlreiche Experten kommen seit Au- höhere, in 38 Stufen einstellbare Energie mit brei- herum und jährlich werden gust zum Hospitieren zu uns“, sagt Melchior, terem Fokus aus. Dadurch ist die Energiedichte landesweit etwa 5.000 Steine „und ich weiß, dass die Heidelberger Klinik schon insgesamt geringer und die Nebenwirkungen zertrümmert. ein Gerät bestellt hat.“ Für die wissenschaftliche werden reduziert. Forschung an der Uniklinik eröffnen sich durch Haupteinsatzgebiet ist und bleibt aber die Urolo- das neue Gerät ebenfalls neue Chancen, sich zu Weiterhin lassen sich mit der Gerätesoftware alle gie und da gibt es einiges zu tun. „Immerhin pla- profilieren. Laut Melchior sollen in klinischen Stu- Patientendaten direkt aus dem Kliniknetzwerk gen sich vier Prozent der Deutschen mit Nieren- dien zum Beispiel die Menge der Schmerzmittel einlesen und zusammen mit den neu gewonne- steinen herum und jährlich werden landesweit und die Zahl der Behandlungen pro Patient mit nen digitalen Bildern weiter verarbeiten und spei- etwa 5.000 Steine zertrümmert“, erläutert Mel- dem neuen Lithoskop ermittelt und mit anderen chern. So können Arbeitsabläufe optimiert und chior. Dazu werden die Patienten nur leicht mit Therapieverfahren verglichen werden. Außerdem Kosten gespart werden. Zufrieden mit ihrer Inves- Schmerzmitteln vorbehandelt und nicht wie bei ist wie bei jeder Innovation in der Medizin die all- tition sind die Mainzer aber auch wegen der viel- einem endoskopischen oder offenen Eingriff in gemeine Komplikationsrate von hohem Inter- fältigen medizinischen Einsatzmöglichkeiten des Vollnarkose versetzt. Melchior und seine Kollegen esse. Hier hat Mainz aufgrund der hohen Patien- Gerätes. So können zum Beispiel auch Gallen- behandeln momentan 500 bis 800 Patienten pro tenzahlen beste Voraussetzungen, fundierte steine behandelt werden und endoskopische Ein- Jahr, wobei das Zertrümmern auch weiterhin sta- Ergebnisse zu publizieren. Bei den stets sehr griffe sind ebenfalls möglich. Zudem profitieren tionär durchgeführt wird. „Ein Tag zur Beobach- wichtigen Langfristdaten hat Mainz jetzt ohnehin andere medizinische Disziplinen von der Neuer- tung muss sein, nur zur Sicherheit“, wie Melchior die Nase vorn und kann als erstes neue Erkennt- werbung der Urologen: Mit einem speziellen betont. Mit der neuen Technik ist zurzeit weit und nisse liefern. Frank ERDNÜSS I 13 [JOGU] 199/2007
magazin_jogu_07_copy 25.01.2007 8:34 Uhr Seite 14 Wissenschaft & Forschung Sterben in Würde Personalschlüssel und zusätzliche ehrenamtliche Auf der Palliativstation ticken die Uhren anders Obwohl sich in den Helfer. Überhaupt konnte die Station in ihrer jet- letzten 50 Jahren die Heilungschancen für viele Krankheiten enorm verbessert zigen Form nur realisiert werden, weil der Leiter der III. Medizinischen Klinik, Prof. Dr. Christoph haben, werden insbesondere Krebspatienten oft nicht mehr gesund. Ihnen und Huber, eine halbe Million Euro zur Verfügung anderen unheilbar Kranken widmet sich die Palliativmedizin. Die Bezeichnung stellte; der Betrag war ihm von einer verstorbe- nen Krebspatientin zur Unterstützung seiner für diese noch junge medizinische Disziplin geht auf das lateinische Wort Arbeit überlassen worden. Eine weitere Beson- „Pallium“ (Mantel) zurück: Der unheilbar kranke Patient wird von einem derheit ist das Abrechnungssystem mit den Kran- kenkassen. Anders als im übrigen Klinikgeschäft, Mantel schützend und wärmend umhüllt, so dass er die ihm verbleibende wo seit kurzem nur noch Pauschalen für be- Zeit in möglichst guter Lebensqualität verbringen kann. stimmte Diagnosen abgerechnet werden können – so genannte DRG’s (Diagnosis Related Groups) – richtet sich die Vergütung für die Palliativsta- Den „Mantel“ repräsentiert das multiprofessio- ihren stimmungsvollen Bildern bei, sondern vor tion nach der Dauer der Behandlung. „Wir sind nelle Team der Palliativstation, die auf dem Main- allem die Tatsache, dass dem einzelnen Patienten von den Krankenkassen als besondere Einrich- zer Klinikgelände seit Dezember 2005 besteht. viel Zeit gewidmet wird. Hier liegt laut Weber tung anerkannt, denn ausreichende Zeit für den Maximal acht Patienten können dort interdiszi- auch eines der Hauptprobleme bei der aktuellen Patienten ist bei uns ein wesentlicher Bestandteil plinär betreut werden. Sie sind in Einzelbettzim- Patientenversorgung in Deutschland: die zuneh- der Therapie“, erläutert Weber und fügt hinzu: mern untergebracht, die mit viel Sinn fürs Detail mende Arbeitsverdichtung und Zeitverknappung, „Allerdings müssen wir unser Konzept jedes Jahr eingerichtet und dekoriert wurden. „Wir wollen die sich insbesondere auf die Kommunikation mit erneut mit den Krankenkassen verhandeln.“ So den Aufenthalt für die Patienten so angenehm dem Patienten negativ auswirken. bleibt auch kein Budget übrig, mit dem neue Ein- wie möglich gestalten“, erklärt der medizinische richtungsgegenstände gekauft oder Fortbildun- Leiter der Station, Dr. Martin Weber. Dazu trägt Auf der Palliativstation ticken die Uhren also an- gen für die Mitarbeiter bezahlt werden können. nicht nur die geschmackvolle Einrichtung mit ders. Ermöglicht wird das durch einen besseren „Dafür sind wir auf Spenden angewiesen und haben jetzt gerade auch einen Förderverein gegründet, in dem Patenschaften in Höhe von 90 Euro pro Jahr übernommen werden können. Fotos: Frank Erdnüß „Palliativmedizin sollte als Pflichtveranstaltung in den Studienplan integriert werden.“ Im Gespräch mit Dr. Weber und der Stationslei- tung Schwester Sigrid Mahlkow fällt auch mir die einfühlsame ruhige Art der beiden angenehm auf. Sie erzählen von dem ganzheitlichen Ansatz, mit dem sie und ihr Team versuchen, den todkranken Menschen die letzte Lebensphase zu erleichtern. Dazu gehört auch die Begleitung der Angehöri- gen, die stets ermutigt werden, das Personal bei Problemen anzusprechen. So sind bei der täg- lichen Arbeit viel Fingerspitzengefühl und ein äu- ßerst sensibles Vorgehen erforderlich. „Mittler- weile haben wir ein sehr gutes Team aus Inter- nisten, Anästhesisten, Neurologen, Psychologen, Physiotherapeuten, Pflegepersonal, Sozialdiens- ten und Seelsorgern aufgebaut“, betonen beide Dr. Martin Weber und Schwester Sigrid Mahlkow: Auch in Grenzsituationen sind Hoffnung und Sinnfindung möglich. [JOGU] 199/2007 14
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