Schädelmechanik der Flugsaurier - Edoweb
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2 0 0 1 ] m b e r N o v e N r . 1 7 6 [JOGU in der Jo h a n n e s G u t e n b e rg -Universit ät Mainz Das Magaz [ Schädelmechanik der Flugsaurier ] [ Kinderkrebsregister Mainz ] [ Sommerakademie des Films ] [ Ally McBeal auf dem Campus ]
Einen Schritt voraus: Berufseinsteiger/ Praktikanten (m/w) Die Zukunft im Blick – Andersen unterstützt seine Kunden dabei, den Wert ihres Unternehmens zu steigern und immer einen Schritt voraus zu denken. Das gilt auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen wir außergewöhnliche Entwicklungsmöglich- keiten mit individuellen Freiräumen bieten, damit sie viel erreichen. Und Sie? Informieren Sie sich noch heute telefonisch unter (0 61 96) 99 77 99 über Ihre Chancen bei Andersen. Oder besuchen Sie uns im Internet: www.andersencareers.de www.andersencareers.de © 2001 Andersen. All rights reserved.
[ Inhalt ] [ Titel ] 14 Fachwerkkonstruktion Saurierschädel Der Mainzer Paläontologe Michael Fastnacht er- Elemente aus den Ingenieurwissenschaften hel- forscht die Internstruktur eines Flugsaurierschä- fen dabei, Daten zu erstellen, die Rückschlüsse dels. Ein Computertomograph der Mainzer Klinik auf Schädelmechanik und Ernährungsverhalten für Radiologie und die Methode der Finiten der Tiere zulassen. [ Editorial ] 4 Ut omnes unum sint [ Campus aktuell ] 6 Interesse frühzeitig wecken 7 Gegen pauschale Diffamierung 8 Forschen in Übersee 8 Mehr Verträge Bundespräsident Rau wirbt für [ Studium & Lehre ] Vielfalt 9 Sitcom wird Kult 10 Gesucht werden... Seite 7 10 Kulturwesen 11 Heftig umworben 11 Zukunft Bildung 12 Krisen, Konflikte und Königswege 13 Gestaltungsspielraum [ Wissenschaft & Forschung ] Prof. Reiter 18 Chancen der Heilung steigen zeigt Herzens- 20 Asymmetrie auf der Spur verbundenheit 22 Das einzige Problem waren die Nashörner 23 Informationssystem Krebsbekämpfung Seite 24 23 Ständige Leistungskontrolle [ Campus international ] 24 Herzensverbundenheit 25 Verständnis unserer Kultur 25 Globalisierung Europas 26 Gesellschaften mit demokratischer Kultur Solidarität für [ Kultur auf dem Campus ] entlassene 27 Kulturen fern vom Nil Wissenschaftler 29 Blick durch den Sucher 30 Pflanzen, Sonne, keltische Musik Seite 26 [ w w w. u n i - m a i n z . d e ] 31 Erster Etappensieg 32 „Zettelkataloge“ überflüssig 32 Außerordentliche Eignung 32 Kompetenzzentrum 32 Zentrale elektronische Anmeldung möglich 32 Echo wider Erwarten Oase fernab vom Nil [ Pe rs o n e n & Po s i t i o n e n ] 33 Keine Entpflichtung 33 Neu an der Uni Seite 27 34 Auszeichnungen [ Kurz & bündig ] 35 Veranstaltungstipps 35 Sitzungstermine des Senates 36 Lesestoff 36 Allgemeiner Hochschulsport informiert Exotik erleben 37 Gold für Mainzer Olimpiaforscherin im Botanischen 37 Fechter erfolgreich Garten 38 Impressum Seite 30 [ Akademischer Stellenmarkt ] 37 Anzeigen 3 [JOGU] 176/2001
[ Editorial] Ut omnes unum sint Prof. Dr. Josef Reiter nimmt Abschied als Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Ut omnes unum sint – auf dass alle eins seien – dieses Wort aus dem Johannesevange- lium wurde der Universität Mainz bei ihrer Wie- dereröffnung als Johannes Gutenberg-Univer- sität als oberste Richtschnur auf ihren weiteren Weg mitgegeben. Es ist die Aufforderung, den Begriff der universitas zu verwirklichen: Viele zu einem hin zu wenden, in eins zu wenden oder, wie der große Philosoph Nikolaus von Kues es sa- gen würde, aus der Vielheit eine Einheit zu schaf- fen, in der dennoch die Vielheit weiter Bestand hat. Mehr noch: Alle sollen eins sein – das heißt, Universität bestimmt sich nicht aus einer wie auch immer beschaffenen Mehrheit ihrer Glieder, sondern aus deren Gesamtheit. Eine Spaltung ei- ner Universität ist immer auch ihr Ende – wie es die Universität Mainz in ihrer Geschichte selbst erlebt hat. Die Zeit der Revolutionskriege und ihre Folgejahre brachten ein Aussetzen der Uni- versität mit sich, das 150 Jahre währen sollte. Ut omnes unum sint ist eine Aufforde- rung, keine Feststellung; eine Aufgabe, als solche auch eine Errungenschaft, aber etwas stets neu zu Verwirklichendes. Als Lebensgesetz einer Uni- versität hat diese Aufforderung stets im Mittel- punkt meiner Arbeit als Präsident dieser Univer- sität gestanden. Dabei war immer zuerst zu beachten, dass es nicht heißt: Ut omnes Foto: Thomas Hartmann unum (oder gar meum) faciam – auf dass ich Präsident Reiter: „Eine Universität muss von innen leben.“ alles zu (m)einem mache. Eine Universität muss von innen leben und wer ihr vorsteht, muss auf die gleichmäßige Entwicklung ihrer Glieder ach- politische Voreingenommenheit, Gruppen- oder und nötigenfalls auch entgegenzutreten, die von ten, vor allem aber darauf, dass diese Glieder ak- Listendenken das Bild bestimmt haben, sondern außen an die Universität herangetragen werden; tive Mitglieder der Universität sind und bleiben. dass sich diese Gremien gerade in Zeiten, wo und nur so schafft sie es, ein eigenständiges, Hat auch die Gremienuniversität zur Zeit in der sehr schwierige und schmerzhafte Entscheidun- selbst entwickeltes Konzept einer langfristigen öffentlichen Meinung einen schweren Stand, so gen zu treffen waren, als Organe der lebendigen und tragfähigen Gestaltung von Forschung, möchte ich ihr eine Lanze brechen: Denn mag Meinungsbildung, der verantwortungsbewuss- Lehre und auch vermehrt Weiterbildung zu ent- auch manche Schwerfälligkeit und mancher ten Beschlussfassung, der gemeinsamen Zu- wickeln, das Originalität und Leistungsfähigkeit (scheinbare) Umweg mit Gremienarbeit verbun- kunftsgestaltung bewährt haben. Die mühsame, dieser Universität zum Ausdruck bringt. Die letz- den sein und mögen auch die Gremien dieser oft nervenzehrende Arbeit dieser Gremien ist es ten Jahre waren geprägt von wirtschaftlichen Universität so mancher Reform durchaus bedürf- erst, die aus dieser Universität eine Einheit ihrer Zwängen und gesellschaftlichen und politischen tig sein, so sind doch solche Einrichtungen – bei Glieder machen kann. Autokraten müssen allzu Infragestellungen der Universität; die nächsten vernünftiger Strukturierung und entsprechender oft nach dem Motto divide et impera herr- Jahre werden bestimmt nicht einfacher werden. Praxis – die Foren, die ein gemeinsames Arbeiten schen – das wäre der Tod einer Universität, so- Doch vertraue ich darauf, dass „unser“ Ministe- und Weiterentwickeln der gemeinsamen Sache wohl was ihre Einheit, als auch was ihre innere rium in dem dankenswerten Bemühen fortfahren erst möglich machen; und ich kann Vielheit angeht. Ich habe stets mehr auf die wird, die aufgrund der angespannten Finanzlage nach 10 Jahren Präsidentschaft Kraft der Argumente als auf die Autorität des Landes Rheinland-Pfalz realistischerweise (und zuvor fast zwei Jahren des Amtes gesetzt, und ich glaube, damit leider absehbaren finanziellen Einbußen mög- Vizepräsidentschaft) mit Ge- nicht ganz falsch gelegen zu haben. lichst gedämpft und gestreckt an uns weiterzu- wissheit und auch etwas geben. Zur Zeit befindet sich die Universität in- Stolz sagen, dass in unserer Nur in einer Universität, die eine sofern in einer vergleichsweise guten Position, Universität auch in sehr Einheit ist, in der Vielheit lebt, ist es als ihr katastrophale schlagartige Streichungen, wichtigen Gremien wie dem möglich, auch den vielfältigen Formen schwere innere Kämpfe wie an anderen deut- Senat nie Sektierertum oder von Druck und Anspruch zu entsprechen schen Universitäten erspart geblieben sind. Auch [JOGU] 176/2001 4
Zur feierlicher Übergabe des Präsidentenamts der Johannes Gutenberg-Universität Mainz von Univ.-Prof. Dr. Josef Reiter an Univ.-Prof. Dr. Jörg Michaelis die weitreichenden Änderungen in ihrer Organi- quenzen daraus zu ziehen. in Anwesenheit des sation, die zum größten Teil bereits angestoßen Solchen Ratgebern schulde und zum Teil schon vollzogen wurden, werden Ministers für Wissenschaft, Weiterbildung, ich meinen Dank. die Universität weiter handlungsfähig halten. Forschung und Kultur Besonderen Dank schulde Ich hoffe, dass diese Universität auf diese Weise Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. E. Jürgen Zöllner ich aber allen Mitgliedern die- des miteinander Ringens und miteinander nach am Montag, dem 3. Dezember 2001, 10.00 Uhr ser Universität, die mich durch Lösungen Suchens, und auch in deren gemeinsa- ihren Einsatz als Studierende mer Verwirklichung, die Probleme der Zukunft im Hörsaal P1, Philosophicum, Welderweg 18 oder in den Bereichen For- meistern kann. sind alle Mitglieder und Absolventen der Universität schung, Lehre, Studium und Ein zentraler Aspekt der Entwicklungen der herzlich eingeladen. Verwaltung in meinem Amt letzten Zeit ist der Zugewinn an Autonomie – ein unterstützt haben. Sie haben Zugewinn, der durchaus seine zwei Seiten hat. es mir erst ermöglicht, diese Größere Autonomie wird zum Beispiel im wirt- Besonders gerne werden Universitäts- oder gar Universität zu leiten, ohne sie zu „verleiten“, sie schaftlichen Bereich gewährt; das heißt aber, ganze Bildungssysteme anderer Länder in ein zu lenken, ohne sie „abzulenken“, und das heißt, dass mit der Möglichkeit der freieren Verfügung Rampenlicht, das einem Heiligenschein gleicht, sie als eine Einheit in der Vielheit, als die ich sie über Ressourcen nun auch unangenehme Ent- gehoben; aber wenn wir nicht unsere Universitä- übernommen habe, weiterzuentwickeln, so dass scheidungen auf unserer Seite liegen, und zwar ten aus unserer Tradition und aus unseren heuti- ich sie meinem Nachfolger in guter Verfassung zu auch auf den verschiedenen Organisationsebe- gen gesellschaftlichen Bedingungen heraus wei- treuen Händen übergeben kann. nen der Universität. Autonomie ist häufig unbe- terentwickeln, und wenn wir die Augen quemer als Heteronomie, aber sie bietet die verschließen vor den Realitäten anderer Länder, Chance, Entwicklungen selbst zu bestimmen. werden wir hier bei uns keinen Schritt voran- Vielleicht winkt am Horizont manches Danaerge- kommen. Universitätsprofessor Dr. phil. Josef Reiter schenk; und stets muss die Universität darauf Was universitäre und außeruniversitäre Rat- Präsident achten, dass Autonomie, die ihr „vorneherum“ geber angeht, Gesprächspartner aus Wissen- gegeben wird, ihr nicht „hintenherum“ wieder schaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, so genommen wird: Deswegen ist auch hier Wach- traf ich erfreulicherweise überwiegend solche samkeit von Nöten. Ähnliches gilt übrigens auch Personen, die unser Gespräch eben nicht mit für viele unberufene Ratgeber, die der Universität „Hören Sie mal!“ begannen und mit „So müssen gerne sagen, wo's langgeht, natürlich ohne Sie's machen!“ beendeten, sondern auf Freunde selbst dann von den Folgen betroffen zu sein. der Universität, die uns ihre eigenen Erfahrungen zur Verfügung stellten und es uns überließen, eigene Konse- Foto: Thomas Hartmann Reiter: „Universität als eine Einheit in der Vielheit weiterentwickeln.“ [JOGU] 176/2001
[ Campus aktuell ] Foto: © Fachbereich Chemie Interesse Die Aktivitäten umfassen Projekte für Schülerin- nen und Schüler aller Jahrgangsstufen, die Durchführung von Ferienakademien und For- frühzeitig scherwochenenden, von Technikwettbewerben, Feriencamps, Schulfesten und Kindergeburts- tagen. wecken Der Erfolg ist überwältigend: Mehr als dreißig Mentorinnen aus sieben naturwissen- schaftlichen Instituten der Johannes Gutenberg- Erfolgreiche Schülerarbeit der Universität sowie des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPCh) haben intensive Kontakte zu den naturwissenschaftlichen Fach- Schulen des Landes aufgebaut, wo Schülerinnen bereiche In den 90er Jahren sind in kleinen Gruppen betreut werden. Etwa 40 Schulen nutzen regelmäßig das Schüler/innen- Spannend: Neue Experimente erproben die Studierendenzahlen in den Labor, im Durchschnitt werden pro Woche zwei Naturwissenschaften und der Mathe- bis drei Klassen bei Experimenten im Labor un- terstützt, etwa 3000 Schüler pro Jahr. Metzger (Physik, Mathematik), Tanja Winterath matik dramatisch zurückgegangen. (Physik), Sabine Wurmehl (Chemie), Nadja Die gesellschaftlichen Auswirkungen Naturwissenschaften Hellmann (Physik, Biologie) und Stefanie Wong (MPI für Chemie). aber auch die Konsequenzen für die spannender als ihr Ruf Mittlerweile trägt diese beispielhafte Wissenschaft liegen auf der Hand: Auch die Ferienakademien werden lebhaft Schülerarbeit Früchte für den Fachbereich Che- Kurzfristig werden bereits qualifizierte nachgefragt; so bewarben sich auf die dreißig mie/Pharmazie: Begannen im WS 2000/2001 nur Plätze der ersten Ferienakademie Chemie 320 82 Studierende ein Studium der Chemie, so ha- Nachwuchskräfte fehlen. Schülerinnen und Schüler. Dieser Erfolg ist nicht ben sich in diesem Wintersemester 102 Studi- nur den guten Ideen zu verdanken; dahinter ste- enanfänger immatrikuliert, davon 31 weibliche hen Personen, die sich mit bewundernswertem Studierende. Im Studiengang Chemie für das Einsatz um neue Experimente kümmern, die Lehramt haben sich 43 Studierende eingeschrie- Die naturwissenschaftlichen Fachbereiche Schülerinnen und Schüler im Labor betreuen, und ben, hiervon sind 28 Frauen. Ulrich DRUWE der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ha- für sie - bei den Akademien beispielsweise - rund Information: Ada-Lovelace-Projekt ben frühzeitig reagiert: Sie investierten in die Ar- um die Uhr zur Verfügung stehen. Besonders her- www.uni-mainz.de/Organisationen/ALP beit mit Schülern, denn das Vorurteil, Chemie, vorzuheben sind Prof. Dr. Wolfgang Tremel, Physik, Mathematik etc. seien zu theoretisch, zu Dr. Claudia Felser, Irene Bonn und Sandra Hennig NaT-working-Schüler/innen-Labor trocken und einfach zu schwierig, wird in der sowie stellvertretend für viele andere Susanne www.nat-schuelerlabor.de/nat.htm Schule begründet. Foto: © Fachbereich Chemie Beispielhaft für das Engagement der Univer- sität stehen zwei Projekte: Das Ada-Lovelace- Projekt und das NaT-working-Schüler/innen- Labor. Im Ada-Lovelace-Projekt wird – unter Lei- tung von Prof. Dr. Claudia Koch-Brandt – ver- sucht, das Interesse von Schülerinnen und jungen Frauen für Mathematik und Naturwissenschaften zu wecken. Das Motto lautet: Beispiel geben. Ent- sprechend besteht der Kern des Projektes in der Etablierung eines Mentorinnen-Netzwerkes. Das heißt, weibliche Studierende, Doktorandinnen und etablierte Wissenschaftlerinnen stellen sich und ihre Tätigkeit den Schülerinnen vor und er- möglichen ihnen, selbst zu experimentieren. Diese Aktivitäten mündeten durch die Initia- tive des damaligen Dekans des Fachbereichs Chemie/Pharmazie, Prof. Dr. Wolfgang Tremel, im Aufbau des NaT-working- Schüler/innen- Labors. Interesse geweckt: Schüler im Chemie-Labor [JOGU] 176/2001 6
[ Campus aktuell ] Foto: Peter Pulkowski Gegen pauschale Diffamierung Bundeskongress Soziale Arbeit Bundespräsident Johannes Rau und der rheinland-pfälzische Minister- präsident Kurt Beck mahnten beim vierten Bundeskongress Soziale Arbeit in Mainz, sozial Benachteiligte Kongresseröffnung: nicht auszugrenzen. die europäische Einigung nicht auf Kosten von Ministerpräsident Kurt Beck, Prof. Dr. Franz Hamburger, Solidarität und sozialer Leistungen vollzieht“, so Bundespräsident Johannes Rau, Beamte des Bundeskriminalamtes über- Rau weiter. Dass unterschiedliche Konzepte bei Johannes Preuß, Vizepräsident der wachten die verschärften Sicherheitskontrollen der sozialen Arbeit mit Kranken, Behinderten, Ju- Johannes Gutenberg-Universität und Oberbürgermeister Jens Beutel (v.l.) am Eingang von Hörsaal 1 im Neubau der gendlichen und anderen Gruppen miteinander Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Besu- konkurrieren, sieht Rau auch als Bereicherung: cher mussten ihre Taschen und Mappen an der „Die Vielfalt der Leistungssysteme und Modelle Garderobe abgeben. Schließlich füllte sich der sozialer Arbeit bedeuten einen großen Reichtum die arbeiten könnten und sich der Arbeit entzie- Saal mit Zuhörern. Bundespräsident Johannes Europas. Wir haben so die Chance voneinander hen. Aber Kranken, Alten oder Alleinerziehenden Rau eröffnete am 20. September 2001 den vier- zu lernen.“ Zwar sollten effiziente Mittel immer bleibt die Forderung nach einer Kürzung oder ten Bundeskongress Soziale Arbeit auf dem Cam- genutzt werden, doch Rau schränkte ein: „Ohne Streichung im Halse stecken.“ Seinen Lebensun- pus der Universität Mainz. Schon beim Eintreten Wirtschaftlichkeit halten wir die Integration Eu- terhalt selbst zu verdienen und nicht abhängig zu von starkem Applaus begleitet, nahm das deut- ropas nicht durch, aber ohne Menschlichkeit hal- sein, hänge mit der Würde des Einzelnen zusam- sche Staatsoberhaupt zunächst wie erwartet ten wir die Integration nicht aus.“ Der Konsens in men. Um sogenannte Billigjobs attraktiver zu Stellung zu den Terroranschlägen in den USA und Europa sollte nicht untergraben werden. „Es er- machen, plädierte Beck für zusätzliche indirekte den möglichen Folgen: „Unsere Gedanken sind scheint nicht sinnvoll, unterschiedliche Konzepte Leistung, wie zum Beispiel beim Unterhalt für bei den Bildern, die sich eingebrannt haben. Wir zu vereinheitlichen ohne Besonderheiten zu Kinder, statt für die Herabsetzung der Sozialhilfe: müssen die Herausforderung gemeinsam anneh- berücksichtigen“, erläuterte der Bundespräsi- „Ziel der Politik ist es, den Leuten Arbeit statt So- men und bewältigen. Der Hass darf uns nicht dent. zialhilfe zugeben. Dies sollte aber nicht mittels blenden und dennoch müssen wir angemessen plumper Lösungen geschehen.“ und entschlossen handeln.“ „Die Menschen müssen erfahren, Der Mitorganisator des Bundeskongresses Mit den Folgen der europäischen Einigung dass sich die europäische Einigung Soziale Arbeit, Professor Dr. Franz Hamburger für das soziale Arbeiten beschäftigten sich 20 vom Pädagogischen Institut der Universität nicht auf Kosten von Solidarität und Symposien und 30 Arbeitsgruppen auf dem alle Mainz, kritisierte die pauschale Diffamierung drei Jahre veranstalteten Bundeskongress. Rau sozialer Leistungen vollzieht.“ und Ausgrenzung von den 120 Millionen Armen verwies darauf, dass die verschiedenen Völker in der Europäischen Union und von den Arbeits- Europas mehr eint als trennt: „Gerade Schwa- Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident losen: „Die Soziale Arbeit weiß sehr gut Bescheid chen bei Seite zu stehen, gehört zur europäischen Kurt Beck warnte in seiner anschließenden Rede über die Wirkung solcher Diffamierungen, die ge- Tradition.“ Eine Einigung könne nur gelingen, vor einer Stigmatisierung von Sozialhilfeempfän- rade produktive Lösungen und Wege aus dem wenn die Menschen mit Europa Positives verbin- gern: „Bei der Sozialhilfe nach faul und fleißig zu Kreislauf von Arbeitslosigkeit, Armut und Aus- den. „Die Menschen müssen erfahren, dass sich unterscheiden, kann bei denen gemacht werden, grenzung heraus verhindern.“ Oliver EGLI 7 [JOGU] 176/2001
[ Campus aktuell ] Forschen in Übersee Mehr Stipendium für USA-Aufenthalt Die Southwestern School of Biomedical Sciences in Dallas zählt zu den weltweit Verträge renommiertesten Forschungsinstituten. René Bartz vom Institut Neu: IT-Fachinformatiker für Biochemie in Mainz wird für ein Jahr dort forschen und An der Universität Mainz können freut sich auf modernst ausgestattete Labors und seine neuen mittlerweile 15 Ausbildungsberufe Mitarbeiter: Vier Nobelpreisträger! erlernt werden. René Bartz kann seine Doktorarbeit ab No- Die Zahl der Ausbildungsplätze an der Foto: Peter Pulkowski vember für ein Jahr in Dallas,Texas fortsetzen. Er- Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist er- möglicht wird dies durch zwei Faktoren: Zum ei- neut gestiegen: 44 Jugendliche haben zum nen durch ein Kooperationsprogramm zwischen Ausbildungsjahr 2001/2002 an der Univer- dem Fachbereich Chemie und Pharmazie der Uni- sität ihre Ausbildung begonnen. Damit bietet versität Mainz und der Southwestern Graduate die Hochschule elf Jugendlichen mehr als im School of Biomedical Sciences der University of vergangenen Jahr eine qualifizierte Ausbil- Texas und zum anderen durch die Boehringer In- dung an. Insgesamt befinden sich derzeit 118 gelheim Stiftung, die dieses Programm mit Jugendliche an der Universität Mainz in der großzügig ausgestatteten exklusiven Stipendien Berufsausbildung. „Diese Leistung der Uni- unterstützt. versität im Bereich der beruflichen Ausbildung bleibt häufig nahezu unbemerkt“, erklärt der René Bartz ist der erste Doktorand, der an Kanzler der Johannes Gutenberg-Universität diesem Programm teilnehmen wird. Als er vom Mainz, Götz Scholz, „während die Universität Erfolg seiner Bewerbung um ein Stipendium er- bei der Erfüllung ihrer Aufgabe, den wissen- fuhr, war die Freude natürlich riesengroß. Der schaftlichen Nachwuchs auszubilden, in der Biologe sieht diesen Aufenthalt als Ehre und Öffentlichkeit und bei ihren Kooperationspart- große Chance. Dazu trägt sicher der gute Ruf die- nern mit steigendem Interesse wahrgenom- ses Instituts in Texas bei, an dem unter anderem men wird.“ vier Nobelpreisträger forschen. Aber was Bartz ebenso begeistert, ist die hervorragende Ausstat- An der Johannes Gutenberg-Universität tung der Labors in Dallas. Mainz können 15 verschiedene Ausbildungs- berufe erlernt werden. Die Palette reicht von Seine Doktorarbeit begann René Bartz 1999 Arzthelfer/in und Chemielaborant/in über unter Betreuung von PD Dr. Oliver Ullrich und Informationstechniker/in und Feinmechani- Prof. Dr. Claudia Koch-Brandt am Institut für Bio- ker/in oder Kommunikationselektroniker/in chemie. Er forscht an Mechanismen, die es Zellen Koffer gepackt: René Bartz und Maschinenbaumechaniker/in bis hin zu ermöglichen, Stoffe von außen über so genannte Kauffrau/mann für Grundstücks- und Woh- Vesikel aufzunehmen und im Zellinnern zu trans- Mainz vermissen wird, aber die Neugier auf nungswirtschaft, Verwaltungsangestellte und portieren. Im Mittelpunkt seines Interesses steht und Begeisterung für Dallas überwiegen. Regierungsinspektoranwärter/in. Neu in die- dabei eine bestimmte Gruppe von Eiweißen, die sem Jahr: Erstmals beginnt im Zentrum für als Rab-Proteine bezeichnet werden. Diese Pro- Ein besonderes Lob hat René Bartz noch Datenverarbeitung der Mainzer Universität teine sind nötig, damit Vesikel an ihr vorgesehe- für die Boehringer Ingelheim Stiftung: „Die er- die Ausbildung in dem noch relativ neuen nes Ziel finden. Diesem Thema wird er natürlich freulich unbürokratische Art, wie dort vorge- Beruf des IT-Fachinformatikers. auch in Dallas treu bleiben. Im Labor von Dr. Rich- gangen wird, hat mir die für den Auslandsauf- ard Anderson wird er sich mit einer bisher wenig enthalt nötigen Vorbereitungen immens Information: Wiebke Koerlin, erforschten Art von Vesikeln, den Caveolae, aus- erleichtert.“ Deshalb steht dem Forschungs- Personalabteilung, Tel. 06131/39-25433, einandersetzen. vorhaben in Dallas auch nichts mehr im Weg Fax 06131/39-22411 und Bartz kann ungeduldig auf seinen Abflug E-Mail: Die ihm gebotene Möglichkeit, sich seinem im November warten.: Robert LÖHR Wiebke.Koerlin@verwaltung.uni-mainz.de Thema in einem solch hochkarätigen Labor zu widmen, möchte René Bartz voll ausnutzen. Selbst eine kurzfristige Rückkehr nach Deutsch- land zieht er kaum in Betracht. Zwar ist er sich si- cher, dass er seine Familie und Arbeitskollegen in [JOGU] 176/2001 8
[ Studium & Lehre ] Sitcom nicht alle ein bisschen Ally?“ Wie sehr ihre Zuhö- Das Ally mit Haut und Haaren verfallene Foto: © Vox rer schon dem McBealismus verfallen sind, zeigt Mainzer Publikum ist dabei durchaus repräsen- ein kurzer Test per Handzeichen - kaum einer ist tativ: Bundesweit sind Single-Partys mit der pro- im Saal, der dienstags die Serie verpassen wollte. minenten Namensgeberin überlaufen. Folgen der wird Kult Und auch die ausgelegten kostenlosen Ally- Mousepads („Iiihh, ’ne Maus!“) sind binnen we- niger Sekunden weg. So schnell stürzen Studen- TV-Serie flimmern abends in den Clubs auf Mo- nitoren - bei aller Liebe zur Sendung selbst für Vox-Frau Gabriela Leibl unverständlich: „Wenn „Communicate!“ erforscht den ten sonst selten zur Tafel. ich auf Partys gehe, möchte ich nicht noch Fern- sehen gucken.“ grassierenden McBealismus „Sind wir nicht alle Warum die Fernseh-Serie über eine erfolgrei- Wenn sich Kult-Figur Ally McBeal aus ein bisschen Ally?“ che, aber neurotische Karrierefrau mit latentem ihrer Bostoner Anwaltskanzlei nach Kinderwunsch so viele Fans hat, konnte Leibl al- Auch unter den 15 Mitgliedern des „Com- lerdings auch nicht erklären. Ob es an den skur- Mainz verirrt, steckt „Communicate!“ municate!“-Teams hat die Power-Frau, die den rilen Fällen und Kollegen der TV-Anwältin liegt, dahinter. Die seit 1987 bestehende Lebensnerv in deutschen Büros trifft, glühende am politisch korrekten Uni-Sex-Klo der Kanzlei, Anhänger: Zum Beispiel Astrid Ackermann. Die an den Gast-Auftritten von Barry White und Tina studentische Initiative für Werbung und Studentin schlug vor, einen Abend über die Kult- Turner oder den Trickszenen, in denen Ally im PR will Leben in den trockenen Stu- serie - natürlich aus fachmännischer Werbe-Per- Cappuccino schwimmt oder ihre Brüste im spektive zu veranstalten. „Und wer bei Spiegel wachsen sieht, bis sie plat- dienalltag bringen. Mit dem Vortrag uns etwas vorschlägt, hat es dann am zen? von Gabriela Leibl ist ihr das gelungen: Bein“, lacht Jens Freitag, der Vorsit- Als die Serie mit Broadway-Schau- zende der studentischen Initiative. Mit Work- Die Kommunikationschefin des Privat- shops, Vorträgen und Exkursionen wollen er und spielerin Calista Flockhart im Frühjahr 1998 star- tete, war sie zuerst ein Flop. Wegen der drama- senders Vox verriet Mainzer Studenten, seine Mitstreiter interessante Beispiele aus der tisch schlechten Quote wurde sie nach wenigen Branche vorstellen. wie sie Ally in Deutschland überhaupt Wochen abgesetzt. Und das, obwohl die Bericht- Bis zu 150 Studierende kommen regelmäßig, erstattung im Vorfeld geradezu euphorisch war. bekannt machte. wenn „Communicate!“ einlädt. Alle Fachrichtun- Mit einer klassischen Bewerbungsmappe hatte gen an der Uni sind ihre Zielgruppe, auch wenn Vox die Sendung beworben - nur ein Verlag ka- Im knappen himmelblauen Kleid steht sie im BWLer und Publizisten bei ihnen in der Überzahl pierte den Werbe-Gag nicht. Die Personalabtei- Foyer der „Muschel“. Wie ein Breitmaulfrosch sein mögen. Das Programm liest sich spannend: lung schickte die Unterlagen an „Frau Ally Mc- grinst sie die Scharen von Studenten an, die an Die Markteinführung des Mini, die Organisation Beal“ zurück. ihr vorbei ins Freie strömen und erntet dabei ver- der PopKomm oder blüffte Blicke: „Ally McBeal bei uns auf dem Nachdem der amerikanische Import ein Rundgang durch Campus?“, fragen sich viele, die gerade aus einer ein Jahr lang auf Halde geschmort hatte, den Medienstandort Vorlesung kommen, und bleiben spontan stehen. nahmen die Vox-Gewaltigen all ihren Mut Mainz mit Besuch bei In der Tat: Lebensgroß steht die Hauptfigur der zusammen und wagten einen zweiten Anlauf. ZDF, SWR und Allge- gleichnamigen Kultserie im Kölner Privatsender Diesmal liefen keine Fußballspiele parallel, vor- meine Zeitung Mainz Vox vor Hörsaal N1 und wartet geduldig auf her gab es ein „frauenaffines Lead-In“, wie Leibl stehen auf der Liste. Was ihn ihren Auftritt. Einziger Schönheitsfehler: Sie ist im Fachjargon erklärt. Im Klartext: Die Sendung an der Werbewelt fasziniert? Jens Freitag über- aus Pappe. vor Ally lockte viele Frauen vor den Schirm, und legt kurz, dann sagt er: „Das Risiko ist groß, man die blieben dran. Mitgebracht hat die Attrappe, die so viel Auf- kann trotz aller Marktforschung schwer ein- merksamkeit erregt, die Pressesprecherin von schätzen, wie das Publikum reagiert.“ Die hohe Foto: Achim Reinhardt Vox, Gabriela Leibl. Auf Einladung der studenti- Herausforderung für die eigene Kreativität und „Personalabteilung schickte Unterla- schen Werbe- und PR-Initiative „Communicate!“ der Erfolg einer Kampagne, über die alle Welt erforscht sie die rein rhetorische Frage: „Sind wir spricht, seien reizvoll. gen an „Frau Ally McBeal“ zurück“ Wenn es um ihre eigenen Veranstaltungen Mittlerweile zweifelt niemand mehr, dass die geht, bedienen sich die „Communicate!“-Ma- vierte Staffel ab Herbst erfolgreich läuft. Das all- cher eher traditioneller Werbemittel: „Mund-zu- gemein als „kühl“ empfundene Image des Pri- Mund-Propaganda zieht immer noch am be- vatsenders hat mit Ally McBeal so viel an Gefühl sten“, weiß Jens Freitag. Der Plakatvandalismus hinzugewonnen, dass der Slogan „Vox macht an der Uni sei so extrem, dass man neben jedem an“ immer öfter aus Allys Mund zu hören ist. „Es Plakat Wachen aufstellen müsste, um sicherzu- gibt für uns auch ein Leben nach Ally“, betont stellen, dass es abends noch hängt. Beim Vortrag Sprecherin Gabriela Leibl. „Aber ich hoffe, dass über Ally McBeal ging ihr Konzept auf: Der Hör- das nicht so schnell kommt.“ Achim Reinhardt saal war bestens gefüllt – eine eingeschworene Fan-Gemeinde. Werbung genau unter die Lupe nehmen: Studenteninitiative Communicate! 9 [JOGU] 176/2001
[ Studium & Lehre ] Gesucht werden... ...herausragende Foto: Thomas Hartmann Leistungen in der Lehre Die Lehre ist eine Kernaufgabe der Universität. Um sie noch stärker zu fördern und in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, sollen die Lehrenden nun jährlich ausgezeichnet werden. Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz Um vor diesem Hintergrund die Lehre als hat in den letzten Jahren erhebliche Anstrengun- eine Kernaufgabe der Universität noch stärker in gen in den Bereichen Studium und Lehre unter- das Bewusstsein der inner- und außeruniver- nommen. Zu den wichtigsten strukturellen Maß- sitären Öffentlichkeit zu rücken, hat der Senat der nahmen gehören: Johannes Gutenberg-Universität auf Vorschlag des Vizepräsidenten Prof. Ulrich Druwe beschlos- das „Programm zur Förderung von Studium sen, ab Sommer 2002 jährlich einen Preis für und Lehre“, herausragende Leistungen in der Lehre zu Prof. Dr. Ulrich Druwe vergeben. Der Lehrpreis ist mit einem Preisgeld in die Entwicklung eines differenzierten und Höhe von 1000 Euro verbunden. Er wird im Rah- qualitätsorientierten Berichtswesens sowie Offiziell wird der Lehrpreis auf Vorschlag der men des Dies academicus überreicht. Fachbereiche verliehen. Die Auswahl ist den die Einrichtung des Zentrums für Qualitäts- Grundsätzlich kann der Lehrpreis an alle Leh- Fachbereichen freigestellt, sie sollte jedoch auf sicherung und -entwicklung (ZQ) mit seiner zen- renden (Professoren, Hochschuldozenten, Privat- der Basis einer Studierendenbefragung erfolgen. tralen Aufgabe der begleitenden Durchführung dozenten, wissenschaftliche und künstlerische Deren Organisation, die Auswertung sowie die von Evaluationen mit dem Schwerpunkt Studium Mitarbeiter, Lehrkräften für besondere Aufgaben Erstellung des begründeten Vorschlags sollte und Lehre und und Lehrbeauftragte) verliehen werden. Auch gemäß § 17 UG in den Fachbereichsausschüssen die Einrichtung eines Studienstrukturfonds. eine wiederholte Auszeichnung ist möglich. für Studium und Lehre vorgenommen werden. Kulturwesen hängig von dem Kulturkreis, zu dem sie gehören. kulturelle Universum ist ein Produkt der mensch- Eine mögliche Erklärung könnte darin liegen, lichen Natur.“ In so genannten epigenetischen dass solche Muster in den Erbanlagen des Men- Regeln versucht Wilson das menschliche Wesen Vererbtes Verhalten Menschen auf schen verankert sind. Zumindest ist das die These zu erfassen, die den Zusammenhang zwischen der Soziobiologie. Das „ist die Wissenschaft, die den Erbanlagen und dem Verhalten beschreiben. der ganzen Welt benutzen elf Begriffe für den Blick auf die biologischen Grundlagen sozia- Nach Ansicht von Wilson besitzt der Mensch so- verschiedene Farben. Egal in welcher len Verhaltens richtet“, erklärte Edward O. Wil- gar für die Entwicklung von Religionen eine ge- son. „Und das bei allen nur erdenklichen Orga- netische Grundlage: „Ein deutliches Anzeichen Kultur – stets treten zuerst die Bezeich- nismen, einschließlich dem Menschen.“ Der dafür ist, dass bei allen Menschen so ein starker nungen für schwarz und weiß auf. amerikanische Wissenschaftler gilt als Begründer Impuls vorhanden ist.“ der Soziobiologie. Mit seinem Vortrag beendete Oft musste Wilson die Kritik einstecken, Wilson die Vorlesungsreihe „Die Soziobiologi- seine Theorie berücksichtige nicht die kulturellen Ebenso universell ist offenbar ein nach dem sche Revolution“ des Inhabers der Johannes- Traditionen. Zwar sei der Mensch tatsächlich das finnischen Anthropologen Edward Westermarck Gutenberg-Stiftungsprofessur, Prof. Dr. Dr. h. c. Produkt der Evolution. Doch sei er auch ein Kul- benannter Effekt: Das Inzest-Tabu. Menschen Bert Hölldobler. turwesen. Daher reiche die Soziobiologie allein empfinden eine starke Abneigung gegen sexuelle Ursprünglich wurde Wilson als „der Amei- nicht aus, den Menschen zu beschreiben. Auch Kontakte mit Menschen, mit denen sie bis zum senmann“ bekannt, denn zunächst untersuchte nach Wilsons Vortrag wurde über solche Fragen Alter von etwa zweieinhalb Jahren eng zusam- er das Verhalten dieser Insekten. Später weitete diskutiert. Doch auch die abschließende Podi- menlebten. er seine Forschung auf den Menschen aus. „In umsdiskussion mit Hölldobler und Sarah Blaffer Das sind nur zwei aus einer Reihe verblüf- dem See des Unwissens suche ich nach dem Hrdy, einer Soziobiologin aus Harvard, konnte fender Beispiele von Verhaltensmustern, die bei Schlüssel zur menschlichen Natur und zu seinem diesen Konflikt nicht lösen. 0 allen Menschen auf der Welt gleich sind – unab- Selbstverständnis“, erläutert der Biologe. „Das d Abigail KATONA [JOGU] 176/2001 10
[ Studium & Lehre ] Heftig umworben Zukunft Jobmesse bietet Einstieg ins Berufsleben 10 Uhr, ein heißer Sommertag, die Alte Mensa öffnet die Türen für ein besonderes Event: Etwa 3.500 Absol- Bildung venten und Studierende des Rhein-Main-Gebietes strömen zur Jobmesse und Netzwerk Weiterbildung Einen genießen die Werbungsversuche der etwa 60 Unternehmen. Dabei geht es besseren Überblick über Möglichkeiten neben dem Karriereeinstieg für Absolventen auch um Themen für Abschluss- der allgemeinen und beruflichen arbeiten und Praktika für Studierende. Weiterbildung verschafft ein im Juli 2001 gegründetes Netzwerk für die „Riesig, ich habe quasi einen Stadt Mainz und den Landkreis Mainz- Foto: Uwe Stotz Arbeitsvertrag“, freut sich Tina Neu- mann. Die Jura-Absolventin hat Bingen. Das Bundesministerium für den direkten Einstieg bei einer Frank- Bildung und Forschung fördert als furter Steuer-, Wirtschafts- und Unterneh- mensberatung geschafft. Zunächst hat sich Teil des bundesweiten Programms Tina mit einem Jobmessentraining des Projekts „Lernende Regionen – Förderung Geist&Wirtschaft auf die Gespräche mit den Fir- menvertretern vorbereitet. Ihr Auftreten während von Netzwerken“ diese Initiative. der Bewerbungsgespräche machte sichtlich Ein- druck, so dass ihr ein Vorvertrag angeboten wurde. Seit Oktober pendelt die Mainzerin jetzt nach Frankfurt in ihr Büro. Die Arbeit sei schon et- Die Suche nach Maßnahmen zur Fortbildung was anderes als in Übungen oder Vorlesungen zu zu erleichtern, setzt sich das Projekt „Zukunfts- sitzen, berichtet die ehemalige Studentin, „aber aufgabe Bildung im städtischen Raum“ zum Ziel. jetzt haben meine Aufsätze eine reale Wirkung, Studierende heftig umworben: Jobmesse 2001 Das federführende Zentrum für wissenschaftli- man wird ernst genommen und gut bezahlt“. che Weiterbildung der Johannes Gutenberg-Uni- für das Unternehmen als künftige Nachwuchs- versität Mainz entwickelt dabei Konzepte zu Chancen und Marktwert entdecken kräfte zu gewinnen. „Wir hatten in ansprechen- Qualifizierungen, die der Arbeitsmarkt nachfragt. dem Ambiente zahlreiche interessante Ge- „In einem ersten Schritt wollen wir für die Stadt Ähnlich gute Erfahrungen hat auch Andreas spräche über Einstiegsmöglichkeiten, Praktika Mainz und den Landkreis Mainz-Bingen eine Be- Müller gemacht. Vor zwei Jahren hat er sein und Diplomarbeiten an unserem Stand“. Klar, standsaufnahme machen“, so Projektleiterin Deutsch- und Englischstudium an der Frankfurter dass Boehringer Ingelheim bei der nächsten Job- Astrid Sänger. Ein Weiterbildungsatlas oder eine Uni mit dem ersten Staatsexamen für das Lehr- messe wieder vertreten sein wird. Internetplattform wird dann die Träger und ihre amt an Gymnasien abgeschlossen. Nun, nach Angebote enthalten. Die Kooperationspartner dem Referendariat, möchte er seinen Marktwert Unternehmen kommen wieder planen darüber hinaus, mögliche Lücken im bis- einschätzen. Hierfür ist die Jobmesse genau das herigen Angebot offen zu legen und bestehende Richtige. „Gerade die Personaldienstleistungsun- Mit der Zielsetzung neue Mitarbeiter bzw. regionale Projekte aufzuzeigen. „Wichtig ist es“, ternehmen suchen gut ausgebildete Geistes- und Praktikanten für die Bereiche Informatik, Grafik betont Sänger, „dass wir ein offenes Netzwerk zu Sozialwissenschaftler“, fasst Andreas die ent- Konzept- und Projektmanagement sowie Marke- thematischen Schwerpunkten und unterschiedli- schiedene Zuwendung der Unternehmensvertre- ting zu gewinnen, hat das Unternehmen media- chen Adressatengruppen aufbauen.“ An dem ter zusammen. Neue Perspektiven tun sich nun man bereits das zweite Mal an der Jobmesse teil- Projekt beteiligen sich das Arbeitsamt Mainz, der für Andreas auf, denn „eigentlich wollte ich als genommen. Das in Mainz und München Diözesan-Caritasverband, die Ev. Landesarbeits- Lehrer arbeiten, aber jetzt habe ich einige Visi- ansässige Unternehmen will durch seine Präsenz gemeinschaft für Erwachsenenbildung in Rhein- tenkarten von Firmenvertretern gesammelt, die auf dem Campus außerdem seinen Bekannt- land-Pfalz. e.V., die Industrie- und Handelskam- geradezu gebettelt haben, dass ich mich bei ih- heitsgrad erhöhen. Isabelle Rockert von media- mer Rheinhessen, die Mainzer Gesellschaft für nen bewerbe“. man zeigte sich zufrieden mit dem Verlauf der berufsbezogene Bildung und Beschäftigung Recruiting-Veranstaltung: „Wir hatten sehr GmbH, der Verband der Volkshochschulen von Auf Unternehmerseite ist die Jobmesse be- großen Zulauf und seitens der potenziellen Be- Rheinland-Pfalz sowie das Staatliche Studiense- reits zu einem Standard-Event gereift. Manfred werber großes Interesse – es gab zahlreiche Be- minar für das Lehramt an Gymnasien. Hund von Boehringer Ingelheim möchte die Zu- werbungen, zum Teil qualitativ sehr gute Kandi- sammenarbeit mit verschiedenen Fachbereichen Information: Astrid Sänger, Johannes Guten- daten, die wir leider nicht alle einstellen bzw. der Mainzer Universität u.a. Recht- und Wirt- berg-Universität, Zentrum für wissenschaftliche Praktikumplätze zur Verfügung stellen konnten“. schaft intensivieren. Wichtig bei der Jobmesse ist Weiterbildung, Tel.06131/3922901, . Stefan SCHMIDT ihm, persönliche Kontakte zu qualifizierten Stu- E-Mail: lernende-regionen@verwaltung.uni- denten des Hauptstudiums zu knüpfen, um sie Information: www.jobmesse-mainz.de mainz.de 11 [JOGU] 176/2001
[ Studium & Lehre ] Krisen, Konflikte und Königswege Studium generale im WS 2001/2002 Nachdenken und zum fächerübergreifenden Zukunft der Universitäten, Naturkatastrophen und Kommunizieren und Diskutieren laden die persönliche Extremereignisse, Konflikte durch Themenschwerpunkte des Studium generale Migration und kulturellen Pluralismus – zum im Wintersemester ein. Wie steht es um die „Zukunft der Universität“, Extremereignisse, Migration und wirkungen. Von 1945 bis 1990 wanderten etwa wie wird die „Universität der Zukunft“ ausse- 120 Millionen Menschen über die Grenzen ihres hen? Die einst hochangesehene deutsche Uni- kultureller Pluralismus Heimatlandes, um sich eine neue Existenz aufzu- versität befindet sich gegenwärtig in einer tiefen bauen. Die globale Migration beschleunigt die „Extremereignisse“ der Vergangenheit und Ge- Krise: Arbeitgeber bemängeln die unzureichende Begegnung und wechselseitige Durchdringung genwart, der Umgang mit ihnen und ihre Bewäl- Ausbildung der Studierenden, Universitätslehrer der Kulturen. Die dadurch ausgelösten Transfor- tigung stehen im Mittelpunkt einer fächerüber- klagen über zu viele und zu schlecht mierungsprozesse begründen einen kulturellen greifenden Vorlesungsreihe. Extreme qualifizierte Studierende. Die Stu- Pluralismus, der auch einen Verlust an kultureller Ereignisse wie das Erdbeben von dierenden kritisieren den ano- Identität und Orientierung bewirkt. ? Lissabon, Auschwitz, der Zusam- nymen Massenbetrieb. Und menbruch der DDR oder Krank- An der in einer Zeit der Globalisierung unaus- den Politikern bereitet die Fi- heit und Tod können das weichlich gewordenen Auseinandersetzung mit nanzierung des gesamten Selbstverständnis eines Indivi- Migration und modernem Pluralismus beteiligen Bildungssystems immense duums, einer Gesellschaft sich im Rahmen der Ringvorlesung renommierte Probleme. Gibt es einen Kö- oder sogar die Zivilisation ins- Referentinnen und Referenten wie der Direktor nigsweg aus der Krise? Die gesamt in Frage stellen. Jenseits des Zentrums für Türkeistudien in Essen, Prof. Dr. „Mainzer Universitätsge- des Alltäglichen stehend, verän- Faruk Sen, ¸ der Passauer Amerikanist Prof. Dr. spräche“ beteiligen sich mit in- dern sie grundlegend, nachhaltig Klaus P. Hansen oder Cornelia Schmalz-Jacobsen, terdisziplinär angelegten Kollo- und beschleunigen den Wandel. Physik, Beauftragte der Bundesregierung für Ausländer- quien an der aktuellen Debatte. Philosophie und Politikwissenschaft, Biologie, fragen a. D. Unter dem Titel „Migration als kultu- Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Medizin und Psychiatrie – Referenten mit unter- relle Leistung“ rückt eine Tagung am 18. Januar Prof. Dr. Klaus Landfried, eröffnet mit einem Vor- schiedlichsten Sichtweisen werden sich mit Ex- weniger die Probleme, als vielmehr die positiven trag zur „Internationalisierung als Herausforde- tremem auseinandersetzen: Prof. Dr. Stefan Aspekte in den Vordergrund. rung für die europäischen Universitäten“ am 7. Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafol- November die Ringvorlesung. Der im Dezember genforschung thematisiert abrupte Klimawech- Wildnis im Umfeld von Werbung, sein Amt antretende neue Präsident der Univer- sel, Prof. Dr. Keith Bullivant von der University of sität Mainz, Prof. Dr. Jörg Michaelis, wird sich am Florida Endzeitszenarien in der Literatur, der Literatur und Musik 16. Januar zur „Reform der Universität - Erwar- Mainzer Anästhesiologe PD Dr. Ulrich Fauth Near Mit der Tagung „Wildnis begreifen. Formen und tungen an die Hochschulgesetzgebung“ äußern. Death Experience. Funktionen von Naturkommunikation“ setzt das „Forderungen an die Universität der Zukunft“ Zu den extremen Erlebnissen gehört für viele Studium generale am 12. und 13. Dezember die dürfen bereits bei der gleichnamigen Tagung am Menschen auch die Migration. Der dritte The- Veranstaltungsreihe zum Thema „Leitbild Wild- 23. November von den Referenten, aber auch menschwerpunkt des Studium generale „Migra- nis?“ fort. Vorträge über Natur und Wildnis im von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern for- tion und kultureller Pluralismus“, in Zusammen- Umfeld von Werbung, Literatur und Musik wer- muliert werden. arbeit mit dem Mainzer Zentrum für den durch das Erleben von Naturkommunikation Interkulturelle Studien (ZIS), geht nicht nur der an Beispielen aus der Musik des 20. Jahrhunderts Migration als Wan- bereichert. Am Streitgespräch „Was überzeugt? derung nach, son- Emotion versus Argumentation“ beteiligt sich dern auch ihren unter anderen Dr. Thilo Bode von Greenpeace. mittelbaren und Das Studium generale hat darüber hinaus für langfristigen Aus- das Wintersemester 2001/2002 wieder zahlrei- che Einzelveranstaltungen, Reihen, Tagungen und Workshops für alle Universitätsangehörigen und die interessierte Öffentlichkeit organisiert. Information: Das Semesterprogramm liegt ab dem 22. Oktober auf dem Campus aus. Das jeweils aktuelle Programm ist unter folgender Internetadresse zu finden: Internet: www.studgen.uni-mainz.de [JOGU] 176/2001 12
[ Studium & Lehre ] Gestaltungs-Spielraum tolerant. „Wenn in eine Veranstaltung das Kind einmal mitgenommen wird, sind die Eltern oft unwillkommenen Blicken und Bemerkungen aus- gesetzt“, empörte sich Ehlers. Kinder als Kapital der Gesellschaft Auch für studierende Eltern erweist sich Anwesende Eltern beklagten die schwierige Erziehung nicht als Kinderspiel. Sie kämpfen gegen Intoleranz und Geldnöte. finanzielle Situation von Studierenden mit Kin- dern.Viele müssten jobben trotz BaföG. Diese Be- anspruchung ginge zu Lasten der Kinder und der Vereinzelt laufen Gestalten mit Taschen und aber nicht nur ihre Sprösslinge. „Studierende mit eigenen Gesundheit. Krippen- und Hortplätze an Rucksäcken die breiten Gehwege auf dem Cam- Kindern sind mehr oder weniger verdeckter Dis- der Uni reichten nicht aus und zu viele Seminare pus entlang. Sie verlieren sich zwischen den ver- kriminierung ausgesetzt“, ärgerte sich Johanna fänden außerhalb der Öffnungszeiten der Kin- lassen wirkenden Universitätsgebäuden. Semes- Ehlers. Die Leiterin der Förderungs- und Sozial- dergärten statt, bemängelten die Eltern. terferien vielleicht. Oder aber ganz normaler beratung der Uni Mainz nahm Anfang des Jahres Unibetrieb im Jahre 2020. Die Demographen kla- 2001 an einer Diskussion teil zu dem Thema „Ist Hoffnung machte Dr. Karl Martin Grass vom gen, dass immer mehr Frauen in Deutschland es ein Studium mit Kindern überhaupt möglich und rheinland-pfälzischen Bildungsministerium: „Die zu schwierig finden, Kinder groß zu ziehen. Auch sinnvoll?“, organisiert von der Katholischen BaföG-Regelförderung wird am 1.April dieses Foto: Thomas Hartmann studierende Mütter bleiben von den Schwierig- Hochschulgemeinde. Jahres erheblich verlängert.“ Den Universitäten keiten des Alltags nicht verschont. Diese bereiten riet er, ihren Gestaltungsspielraum zu nutzen: Ehlers monierte die mangelnde Rücksicht- „Die Prüfungsordnungen unterliegen dem Ver- nahme von Professoren und wissenschaftlichen waltungsrecht der Universität und können von Mitarbeitern: „Studierende Eltern bekommen ihr selbst eltern- und kinderfreundlich gestaltet Schwierigkeiten bei der Fristverlängerung für die werden.“ Grass schlug vor, Stiftungen einzurich- Hausarbeit, weil das Kind erkrankt ist. Prüfun- ten, die Studierende mit Kind in Geldnöten un- gen können nur an einem Stück terstützen. stattfinden und nicht geteilt werden.“ Sogar Kommilito- Die Teilnehmer der Diskussion stimmten darüber nen verhielten sich wenig ein, dass mehr für die studierenden Eltern getan werden müsse. Auch sollten die Eltern sich soli- darisieren und selbstbewusst an die Öffentlich- keit herantreten. Schließlich seien die Kinder das Kapital und die Zukunft der Gesellschaft. Wenn Eltern heute von allen Seiten mehr Unterstützung erfahren, tummeln sich auch im Jahr 2020 viele Studenten auf dem Campus, einige von ihnen re- Vereinzelt Studenten: spektierte Mütter oder Väter. Oliver Egli normaler Unibetrieb 2020? Kontakt: Die Initiative „Studieren mit Kind“ trifft sich jeden dritten Mittwoch um 10 Uhr im Kinderraum des Inter II, Jakob-Welder-Weg 30. Auskunft unter Tel. 06131/602358, 373812 oder 322105. 13 [JOGU] 176/2001
[ Titel ] Fachwerkkonstruktion Saurierschädel Illustration: John Sibbick egt r zerl Struktu exe ompl ente: K m e Ele Finit ften scha issen für Geow ut © Instit Bild: [JOGU] 176/2001 14
Paläontologe Fastnacht: „Manchmal haben wir geredet und geredet.“ Den Rätseln der Flugsaurier auf der Spur Rund 100 Millionen Jahre ist er alt und seit 1994 im Besitz des Staatlichen Museums für Naturkunde in Karlsruhe. Dass er so gut erhal- ten ist und jetzt mit modernsten Computer- techniken von dem Mainzer Geowissenschaftler Michael Fastnacht und seinen Forschungs- partnern untersucht werden kann, verdankt der Flugsaurierschädel seinem Fundort. Die geo- logische Beschaffenheit des Chapada do Araripe, ein Hochplateau in Brasilien, hat den Schädel in einzigartiger Weise dreidimensional konserviert. M i c h a e l Fa s t n a c h t 31, Studium der Geologie und Paläonto- Für kurze Zeit war der Schädel der „Anhan- logie in Stuttgart und Mainz. Diplom- arbeit: Zahnwechsel bei Flugsauriern. guera“, so die wissenschaftliche Artbezeichnung Arbeit im Naturhistorischen Museum in des Flugsauriers, in Mainz. Mittels einer an der Mainz. Seit 1998 Lehrbeauftragter im Mainzer Klinik für Radiologie durchgeführten Bereich Paläontologie am Institut für Geo- Computertomographie soll die Internstruktur ei- wissenschaften der Universität Mainz. Foto: Sascha Kopp nes der am besten erhaltenen Flugsaurierschädel der Welt erforscht und ein dreidimensionales Ab- zu ziehen. Daraus ergeben sich auch Hinweise zum Beispiel von Gebäuden, Flugzeugflügeln bild erstellt werden. Die so erhaltenen Daten auf das mögliche Beutespektrum der Flugsaurier oder bei der Simulation von Crashtests bei PKWs. werden in ein Computerprogramm eingespeist, und das plötzliche Aussterben vor 65 Millionen „Das ist genau das, was wir auch brauchen“, welches bisher hauptsächlich von Ingenieuren Jahren. erzählt Fastnacht. „Wir haben eine recht kom- und Maschinenbauern benutzt wird. Damit plexe Struktur, wir wollen diese modellieren könnten Rückschlüsse auf die Schädelmechanik „Immer wieder und anschließend berechnen, was in dem Schä- und auf das Ernährungsverhalten gezogen wurde überlegt, del passiert.“ werden. wie man wis- senschaft- Die Vielfalt der Schädelformen und deren lich Computertomograph bringt mechanische Besonderheiten beschäftigen Michael Fastnacht, Paläontologe und wissen- Hohlräume ans Licht schaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geo- Mit der Methode der Finiten Elemente wissenschaften, schon lange. „Uns (FEM) stieß Fastnacht auf ein computergestütz- interessiert in erster Linie die tes Verfahren, mit dem die Ingenieure genau Nahrungsaufnahme. diese Probleme lösen. Eine so komplexe Struktur wie ein Schädel lässt sich nicht mit einer einzigen vorgehen sollte, um Aussagen Formel berechnen. Im Computer-Modell zerlegt treffen zu können, die nicht gefühls- die Methode der Finiten Elemente die Schädel- mäßig waren, sondern die sich in Zahlen belegen Struktur in eine endliche (finite) Anzahl einzelner lassen“, erklärt Fastnacht. „Aber wir haben sehr Bausteine (Elemente), die dann jede für sich mit schnell gemerkt, dass die Paläontologen alleine seinen mechanischen Eigenschaften berechnet Was passiert, wenn dieses Problem nicht lösen können.“ werden kann. Anschließend werden die Teilchen so ein Flugsaurier seine Beute wieder zusammengefügt. Auf diese Weise greift, zubeißt und damit über die Zähne Kräfte in den Schädel eingeleitet werden? Wie Computergestütztes Verfahren der kann das Verhalten der gesamten Struktur erfasst werden. werden die Kräfte in den unterschiedlichen Schä- Ingenieure eingesetzt deltypen weitergeleitet, was hat das für Konse- Für eine exakte Berechnung müssen die Ma- quenzen für den Schädelaufbau?“, so Fastnacht. Also wurde zu den Ingenieuren geschaut, die terialeigenschaften (die Knochen) genau be- Die Wissenschaftler erhoffen sich, Rückschlüsse täglich mit solchen Problemen zu tun haben. In- kannt sein. Hierin liegt eine der Schwierigkeiten, auf die Muskulatur und den sich im Laufe der genieure modellieren komplexe Strukturen im mit denen Fastnacht zu kämpfen hat. An der 100 Millionen Jahre stark veränderten Zahnbestand Rechner und berechnen dann den Kräfteverlauf, Millionen Jahre alten versteinerten „Material- 15 [JOGU] 176/2001
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