WIR SEHEN R O T - STUDIUM FUNDAMENTALE SEMESTERZEITUNG SOSE 2020 - UNI WITTEN/HERDECKE

 
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WIR SEHEN R O T - STUDIUM FUNDAMENTALE SEMESTERZEITUNG SOSE 2020 - UNI WITTEN/HERDECKE
Fakultät für Kulturreflexion   01.04.2020 BIS 30.09.2020

STUDIUM FUNDAMENTALE
                             Semesterzeitung SoSe 2020

                Wir sehen
                            LETZTE AUSGABE:

                  RO T
GESUNDHEIT   WIRTSCHAFT   KULTUR
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KLIMASCHUTZ
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SoSe 20     003

INHALT
VORWORT                                                                                               S. 005

SCHWERPUNKTTHEMA: WIR SEHEN ROT
„Wir sehen ROT“                                                                                       S. 023

                                                                 Hanna Gottschalk,

Reflexion auf die Vernissage und das Projekt „Wir sehen Rot“     Lara-Luna Ehrenschneider             S. 024

Sollten wir uns selbst überflüssig machen?                       Maximilian Brücher                   S. 026

AUS FAKULTÄT UND STUDIUM
Kommen & Gehen                                                   Dirk Baecker, Matthias Kettner       S. 028

„30 Jahre Theater“                                               Sophie Große-Wöhrmann                S. 030

ÖFFENTLICHE VERANSTALTUNGEN & VORTRAGSREIHEN
Kalender öffentliche Veranstaltungen im Sommersemester 2020                                           S. 034

Vortragsreihe „Energie und Gesellschaft: Fusion oder Spaltung“                                        S. 037

STUDENTISCHE INITIATIVEN DER UNIVERSITÄT WITTEN/HERDECKE                                              S. 040

SPRACHKURSE
Sprachkurse an der RUB im Sommersemester 2020                                                         S. 045

LEHRVERANSTALTUNGEN / COURSES                                                                         S. 048
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004

DIE FAKULTÄT FÜR KULTURREFLEXION – STUDIUM FUNDAMENTALE
Studium fundamentale – Die Schnittstelle zwischen den Fakultäten!                                       S. 082

Köpfe der Fakultät                                                                                      S. 083

Dozent*innen im Sommersemester 2020                                                                     S. 084

Anzeigenkunden dieser Ausgabe                                                                           S. 086

Impressum                                                                                               S. 086

Förderer der Fakultät

› Deutsche Gesellschaft für Philosophie e.V.           › Stiftung Dr. Ausbüttel

› Friedrich Wilhelm Moll-Stiftung                      › Stiftung Die Christengemeinschaft in Deutschland

› GLS Gemeinschaftsbank eG                             › Stiftung Private Universität Witten/Herdecke

› HB-Stiftung                                          › Universitätsverein Witten/Herdecke e.V.

› innogy Stiftung für Energie und Gesellschaft gGmbH   › Werner Richard-Dr. Carl Dörken Stiftung

› Dr. Wolfgang Klemt                                   › Willner Stiftung

› Dr. Marcel Mangen                                    › Wittener Universitätsgesellschaft e.V.

› Stadtwerke Witten GmbH                               › Dr. Walter Wübben

› Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft         › KARL-KOLLE Stiftung
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SoSe 20     005

Vorwort
Zwischen Zeiten und Formen
und dem Coronavirus
          Zum letzten Mal sehen wir rot – zumindest als Verbindung der Studiengänge der
          Kulturreflexion mit dem Bereich des Studium fundamentale. Fast 20 Jahre bestand
          diese Einheit, wenn auch erst seit 2008 unter diesem Namen. Viel ist in dieser Zeit
          geleistet worden nicht nur in Lehrveranstaltungen und der Studierendenbetreuung,
          sondern auch in Aufführungen, Ausstellungen, Lesungen, Tagungen und der Mitarbeit
          in den universitären Gremien.
          Diese letzte fakultäre Ausgabe der Stufu-Zeitung sieht noch einmal rot, in dem sie
          das gleichnamige studentische Projekt in den Mittelpunkt stellt.

          Prof. Dr. Claus Volkenandt
          Prodekan Lehre

          Britta Koch, M.A.
          Dekanatsreferentin

Das „Kommentierte Vorlesungsverzeichnis für Studium fun-     kultäten wurden für das Studium fundamentale die Zeiten
damentale und Philosophie“ erschien vor rund 34 Jahren in    von 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr und von 16.00 Uhr bis 19.15 Uhr
dem noch heutigen signalrot der Fakultät. Die Stadtwap-      freigehalten.
pen von Witten und Herdecke schmückten die Titelseite
des schlichten, dünnen DIN A5 Heftchens. Darunter stand      In den gut 66 Ausgaben hat sich das Erscheinungsbild
in großen Lettern „Universität Witten/Herdecke“. Unter der   der Zeitung stark gewandelt. Aus dem schlichten DIN A5
kommissarischen Leitung von Peter Lauer brachte das Ins-     Heftchen, das lediglich die Lehrveranstaltungen kommen-
titut für Philosophie und Studium fundamentale das erste     tierte, wurde ein richtiges Tageszeitungsformat, in dem ne-
Vorlesungsverzeichnis heraus. Darin wurde für das Studium    ben dem kommentierten Vorlesungsverzeichnis auch der
fundamentale noch der Dienstag von 11.00 Uhr bis 13.00       ein oder andere Artikel und die „Freien Initiativen“ Platz
Uhr und der Donnerstag von 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr vor-      fanden. Heute hat sich die Stufu-Zeitung der Fakultät für
gesehen. Das änderte sich, als das Institut durch die För-   Kulturreflexion – Studium fundamentale zu einem Magazin
derung der Stiftung Dr. jur. Fritz Meyer-Struckmann in das   entwickelt, das neben den Lehrveranstaltungen und öffent-
Stiftungsinstitut für das Studium fundamentale überführt     lichen Veranstaltungen auch Artikel von Professoren und
wurde. Unter der Leitung von Prof. Dr. Reinhardt Habel       Studierenden zu einem Schwerpunktthema oder zu Projek-
wurde der „Stufu-Donnerstag“ etabliert und von allen Fa-     ten aus der Universität bereitstellt.

                                                                                                                   Anzeige

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006

Die Entwicklung der Stufu-Zeitung spiegelt zugleich das         sollen. Dazu gehören, die Perspektive wechseln zu können,
Anliegen und die Entwicklung des Studium fundamentale           sich nicht nur nicht dem fachlich Fremden zu konfrontieren,
wider. Wollte man einst mit der Einrichtung eines Zentralin-    vor allem aber überfachliche Fähigkeiten zu entwickeln, mit
stituts im Rang einer Fakultät die Freiheit der Studierenden    denen sie gesellschaftlich wirksam handeln können.
stärken, für sich selbst herauszufinden, welche Lehrange-
bote und/oder Lernziele förderlich und interessant sind, so     Die Fakultät für Kulturreflexion und die Fakultät für Wirt-
partizipieren die Studierenden im Laufe der Jahre immer         schaftswissenschaft gehen nun zusammen und bekommen
mehr an den Aktivitäten des Studium fundamentale und            nicht nur die Chance, von der Denk- und Arbeitsweise des
gestalten es heute maßgeblich mit. Bereits im Verzeichnis       Anderen zu lernen und zu profitieren, sondern auch, da-
des Sommersemesters 1988 lautet der einleitende Satz un-        durch produktiv in Routinen gestört werden. Vielleicht wird
ter „Zielsetzung und Aufbau des Studium fundamentale an         der Blick für zuvor eher als unwichtig und unmöglich ge-
der Universität Witten/Herdecke“: „Mit seinem Studium           haltene Möglichkeiten geöffnet und geschult. Das Studium
setzt sich der Studierende selbst sein Ziel. Er will sich auf   fundamentale wird hingegen eigenständig und kann oder
verantwortliches Handeln im auszuübenden Beruf, in Wis-         muss sich auf sich selbst besinnen, kann sich gezielt auf-
senschaft und Forschung und damit letztlich in der Gesell-      und ausbauen und wiederum weiterentwickeln. Für beide
schaft vorbereiten.“                                            Einheiten ist dies als Chance zu sehen, denn wie die Zeit
                                                                und die Gesellschaft unterliegt auch die Universität, die
Dazu trugen einst die 25 bis 35 Lehrveranstaltungen in den      Fakultät und das Studium fundamentale dem Wandel. Für
Feldern                                                         das Studium fundamentale ist es eine Chance, maßgeblich
› Philosophie, Fundamentaltheorie, Erkenntnistheorie,           dazu beizutragen, dass man die Studierenden außerhalb
  Ethik                                                         der Universität als UW/H-Studierende wiedererkennt. Wie
› Sinneslehre, Ästhetik, Kunstwissenschaft                      an der Geschichte des Studium fundamentale dieser Uni-
› Geschichte und Kulturwissenschaft                             versität selbst deutlich wird, muss diese Entwicklung kei-
› Künstlerische Übungen                                         neswegs den „Point of no Return“ bedeuten.
bei. Aus ihnen sind in einer deutlichen Weiterentwicklung
rund 100 Lehrveranstaltungen geworden, die sowohl die           Aber nicht nur, dass sich zwei Fakultäten auflösen, aus ihnen
reflexiven und kommunikativen als auch die künstlerischen       eine neue Fakultät gebildet wird und das Studium funda-
Kompetenzen einer jeden einzelnen Studierenden und ei-          mentale zu einer eigenständigen akademischen Einrich-
nes jeden einzelnen Studierenden stärken sollen. Mit den        tung wird – all dieses wäre für ein Semester schon genug,
Jahren hat sich die Fakultät für Kulturreflexion und vor al-    nein, das Coronavirus wirbelt unser Leben zur Zeit ziemlich
lem das Studium fundamentale immer mehr zu einem Ort            durcheinander, auch das universitäre. Es kann gut sein, dass
entwickelt, an dem sich Studierende intensivkritisch mit sich   im kommenden Sommersemester keine Präsenzlehre statt-
selbst und dem, was sie in Studium und Gesellschaft ge-         finden wird, wir stattdessen digitale Lehrformate kurzfristig
stalterisch leisten wollen, auseinandersetzen können und        etablieren müssen. Spannende Zeiten, so oder so.

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          ●   Veranstaltungsräume zum Feiern und Tagen
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Wir sehen
 SCHWERPUNKTTHEMA

 RO T
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008

                                          Ich finde Kure-Studenten ein bisschen träumerisch, das ist überhaupt nicht
                                          negativ gemeint, sehr positiv eigentlich und was für die Uni definitiv ei-
                                          nen sehr positiven Aspekt hat, ist, dass man mit den PPÖlern und Kure-
                                          Studierenden Paradiesvögel an der Uni hat, die eben ihr Ding machen,
                                          Dinge hinterfragen und nicht alles für gegeben hinnehmen.
                                          Ich würde sagen, die meisten meiner Kommilitonen in meinem Studien-
                                          gang sind Freigeister, die die Welt anders sehen, beziehungsweise dabei
                                          sind die Welt anders kennenzulernen und auch daran interessiert sind die
                                          Welt oder die Dinge da draußen im Ganzen zu verstehen. Das sind alles
                                          sehr interessierte und wissbegierige Menschen.

                                          Rafael Dietzel, 25
                                          studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Heidenheim

      Mit dem Stufu, damit steht und fällt alles. Und wo ich wirklich - und mit die-
      sem ganzen neuen Stufukonzept muss man wirklich sehen, dass es gelingt
      - wo ich wirklich Sorgen hab, ist, dass die Kultur unter die Räder kommt.
      Von den Kure-Studierenden wünsche ich mir Gelassenheit, eine gute Por-
      tion Frechheit, Selbstsicherheit im Einfordern der Möglichkeit des eigenen
      Wegs und dass bis in zwei oder drei Jahren sich so manche Wogen ge-
      glättet haben und, je nachdem wie die Struktur dann aussieht, wo dann wie
      verortet, vielleicht auch wirklich wieder am Stufu, dann richtig spannende
      Leute dran zu kriegen und (dass) es irgendwie möglich wird eine interes-
      sante Studiengangsform zu finden, die dann auch besser vermittelbar ist.
      Ideen dazu habe ich.

      Friedemann Uhl, 41
      studiert Philosophie und Kulturreflexion im Master

                                          Wie mein Kulturbegriff aussieht? Naja, […] im Grunde [ist] alles Kultur und
                                          in dem Sinne finde ich es auch äußerst schrecklich, dass die Kultur auch bei
                                          uns an der Uni derart jetzt in Zukunft vernachlässigt wird. Ich hatte noch vor
                                          meinem O-Studium, glaube ich, einen sehr begrenzten Kulturbegriff, der
                                          sich ja jetzt ins Unendliche ausgedehnt hat. Ich habe mich, für mich war das
                                          eigentlich eine Hochkultur und habe Kultur halt wirklich nur mit Museum
                                          und anderen Kulturinstitutionen assoziiert und das ist natürlich falsch.
                                          Kunst ist ja einfach dieser Bereich, wo man sich mal frei von den vorgege-
                                          benen Richtlinien bewegen kann.

                                          Nikolas Middelmann, 21
                                          studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Witten
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Schwerpunktthema Wir sehen ROT   009

                                   Ich dachte, das wäre so eine Floskel mit dem „Du kannst hier alles machen
                                   was du willst, aber du musst halt wissen was du willst und dann wird aber
                                   auch geholfen“. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es wirklich so ist.
                                   Hier werden dir nicht absichtlich irgendwelche Steine in den Weg gelegt
                                   und mit dieser Freiheit muss man aber auch erst mal umgehen können.
                                   Die Studierenden werden hier mehr als Mehrwert angesehen und nicht als
                                   Ballast und das gibt einfach Mut sich auch selbst darüber im Klaren zu sein,
                                   was man will. Das hat man hier nicht. Es gibt keine doofen Fragen und die
                                   Türen sind immer offen. Das kaufe ich hier auch jedem ab.

                                   Simone Philippen, 24
                                   studiert Ethik und Organisation im Master, hat ihren Bachelor in
                                   Kulturwissenschaften gemacht, kommt aus Düsseldorf

Ich hatte tatsächlich bisher nicht so super viele Kunstkurse. Eigentlich noch
gar keinen an der Uni, aber das ist etwas, was ich schon gerne noch weiter
ausbauen würde. Ich glaube, dass Kunst auch eine Möglichkeit ist, Din-
ge anders darzustellen. Man kann Sachen durch Texte darstellen und sa-
gen: „Logisch, das kann man erklären.“ Aber manchmal üben Bilder oder
Kunstwerke nochmal eine ganz andere Art von Kritik oder weisen auf an-
dere Sachen hin, die jeder für sich interpretieren kann und das ermöglicht
noch mehr Vielfalt.
Die Kures haben die Gesellschaft im Blick, aber von einem anderen Punkt
aus. PPÖ ist eher diese wirtschaftlich-politische Richtung und bei Kure, was
ich bisher mitbekommen habe, interessieren sich viele eher für kulturelle,
auch künstlerische Sichtweisen und es ist einfach nochmal ein anderer Blick
auf die Gesellschaft.

Hannah Müller, 22
studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Darmstadt

                                   Vermutlich ist es die größte Herausforderung, sich der Freiheiten zu stel-
                                   len, die eine Universität wie die UW/H bietet. Sich selbst zu finden und
                                   mit ganzer Kraft den Zielen nachzugehen, die ich für sinnvoll, wertvoll und
                                   richtig halte.
                                   Als Kultur verstehe ich die Ansammlung der gegenwärtig praktizierten Mo-
                                   dus operandi, welche sich im gesellschaftlichen Spannungsfeld aus Ver-
                                   gangenheitsbezug und Zukunftsprojektion ermöglichen.

                                   Jonathan Harth
                                   wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Soziologie
WIR SEHEN R O T - STUDIUM FUNDAMENTALE SEMESTERZEITUNG SOSE 2020 - UNI WITTEN/HERDECKE
010

                                           Kultur ist nicht etwas, was wie ein Pfannkuchen schnell gebacken werden
                                           kann, es ist das Gegenteil davon. Es ist etwas, was man über sehr lange
                                           Zeit, sehr aufmerksam wachsen lässt und um was man sich für sehr lange
                                           Zeit sehr kümmert. [...] Es muss bewusst gepflegt werden, es muss aber
                                           nicht unbedingt in Begriffen gefasst werden. Es kann durchaus ohne Be-
                                           griffe funktionieren, auch ohne Definitionen.
                                           Ich verstehe Reflexion als eine Ableitung vom lateinischen Verb „reflec-
                                           tere“. Das bedeutet eigentlich nicht „wiederspiegeln“, sondern „sich
                                           (zurück)wenden, zurückbeugen“. Also Reflexion wäre eine Herangehens-
                                           weise, bei der man an den Gegenstand des Interesses sich nicht frontal
                                           annähert, sondern sich mit dem Rücken wendet. Ich hatte allmählich den
                                           Schluss gezogen, dass man sehr gut zur Kunst herantreten kann, auf in-
                                           direkte Weise, durch Quereinstiege oder durch Annäherung von schein-
                                           bar voneinander fern liegenden Bereichen. Man erlebt dabei eine ganz
                                           spezielle geistige Anstrengung, die zum selbstständigen Denken anregt
                                           und eventuell zu äußerst spannenden Einsichten führen kann. Das ist ein
                                           Gegenteil von verschulter Methode, bei der man sich fertigen Wissensin-
                                           halte einprägt, und funktioniert häufig viel besser, aber, und das ist das
                                           wichtigste, es muss nicht missverstanden werden als einfach ein spaßiges
                                           Quatschen. (...) Es ist nicht etwas Leichtsinniges. Genau dieser Gegensatz
                                           von verschulter Didaktik, ist vor allem was mich nach wie vor in Witten
                                           anzieht und warum ich diese Uni schätze.

                                           Alexander Jakobidze-Gitman
                                           seit 2012 Mitarbeiter am Lehrstuhl für Phänomenologie der Musik, obwohl der
                                           Lehrstuhl nicht mehr existiert, aus Moskau

      Für mich steht die Farbe stellvertretend für Menschen, die voller Überzeu-
      gung brennen, in denen es glüht, die Lust haben sich wirklich für etwas zu
      begeistern. Auch so in Bezug auf unsere Universität, nicht zu allgemein auf
      die Farbe Rot gesprochen. Überzeugungstäter. Das ist es für mich, weil
      genau das für mich auch diese Fakultät war. Entweder schafft man jetzt,
      dass der Geist dieser Fakultät weiterhin besteht, wir weiterhin diese Art
      von Menschen haben werden oder wir werden uns dann bald nur noch als
      ein Relikt aus vergangenen Zeiten zurückerinnert.
      Wir sitzen in einem Container, den ich selbst noch gar nicht von innen ge-
      sehen habe. Es ist das erste Mal, dass ich hier bin. Man weiß gar nicht so
      richtig in welche Richtung es geht. So eine Ungewissheit. Ich hatte immer
      das Gefühl, das eine gewisse Identifikation unter den Studierenden mit
      der Universität da ist. Zurzeit ist diese Identifikation eben auch im Wandel.
      Viele haben Angst, dass diese starke Identifikation womöglich im Zuge der
      Restrukturierung verloren geht. Für mich, als einer der von dieser Fakultät
      gelebt hat, ist das natürlich erstmal ein immenser Verlust. Ich sehe da erst-
      mal nichts Positives. Das schmerzt. Als ich die Entscheidung mitbekom-
      men habe und diesen ganzen Prozess - war da irgendwie viel Schmerz.
      Aber wobei - du hast nach Chancen gefragt: Chancen gibt es immer und
      wir können uns auch jetzt neu erfinden. Wir sind in einer Transformations-
      phase. Natürlich ergibt das auch gewisse Möglichkeiten. Aber die Rich-
      tung, die eingeschlagen worden ist, würde ich von meiner Wahrnehmung
      her als nicht richtige beschreiben, als eine mit der ich mich nicht identifi-
      zieren kann.

      Flavio von Witzleben, 26
      studiert Ethik und Organisation im Master, hat zuvor Philosophie, Kulturreflexion
      und kulturelle Praxis studiert, kommt aus Karlsruhe
Schwerpunktthema Wir sehen ROT   011

                                    Hier versucht man Sinnfragen zu beantworten, was im Jurastudium über-
                                    haupt nicht der Fall ist, weil man im Prinzip immer nur die Gesetze anwen-
                                    det. Man fragt sich nicht, ob die Gesetze sinnvoll sind oder ob die Gesetze
                                    gut sind oder ob man sie vielleicht anpassen könnte. Bei PPÖ ist es oft so,
                                    dass wir auch darüber sprechen, wie man vielleicht die Wirtschaftsordnung
                                    wieder so verändern könnte, dass sie besser wird.

                                    Paula Adams, 20
                                    studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Dortmund

Dieses Studium stellt alles in Frage – auch dich selbst. Eine der größten
Herausforderungen, unter vielen anderen, ist die Selbstorganisation in
diesem sehr freien Studiengang, es kann Fluch und Segen zugleich sein.
Wenn man die Freiheit hat, das zu studieren, was man will, für das man sich
interessiert und aus einem scheinbar unerschöpflichen Pool an Lehrveran-
staltungen auswählen kann, muss man bisweilen aufpassen, dass man sich
und seine Ziele (die man mal zu Anfang hatte) nicht aus den Augen verliert.
Besonders, wenn man viele Interessen hat, ist die „Gefahr“ groß, zwar von
vielem einiges zu wissen, aber dennoch irgendwie immer das Gefühl zu
haben, bloß an der Oberfläche zu kratzen.

Melanie Laskowski, 33
studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Dortmund
012

                                          Kulturreflexion: Damit identifiziere ich mich irgendwie total, weil es ein
                                          Diskussionsthema ist. Wenn ich das anspreche, dann stehen erstmal über-
                                          all Fragezeichen in den Gesichtern und dann muss ich darüber reden und
                                          dann habe ich die Möglichkeit, das rüber zu bringen, was es für mich be-
                                          deutet […]. In Kulturreflexion – da ist eine Diversität inbegriffen und ein
                                          breites Spektrum, das so viel sein kann und wo ich das Gefühl habe wirklich
                                          meinen individuellen Weg gehen zu können.
                                          Ich bin der Fakultät unglaublich dankbar für das, was sie mir ermöglicht,
                                          das was ich hier studieren kann und weil ich das Gefühl habe, das ist ein
                                          Studium, das ich allein für mich mache. Immer wieder komme ich an einen
                                          Punkt, wo ich überlege: „Okay, mache ich noch das was ich will? Ist das
                                          irgendwie noch das richtige für mich gerade hier zu studieren oder über-
                                          haupt zu studieren?” Und jedes Mal komme ich wieder an einen Punkt, wo
                                          ich merke: „Ja.”
                                          Was bräuchte die Uni, damit ich mich nochmal dafür entscheide? Diese
                                          Offenherzigkeit, ich glaube, das ist, was ich durch die Kulturreflexion ge-
                                          kriegt habe. Dieses: offen für alle und alles und jeden. Das ist das, was die
                                          Kulturreflexion irgendwie für mich bedeutet. Also, dass es kein Wenn und
                                          Aber (gibt) und jeder komische Kauz ist herzlich willkommen und auch Leu-
                                          te, die denken, sie sind normal. (lacht).
                                          Wo ich auch traurig bin oder enttäuscht, das ist so, dass ich das Gefühl
                                          habe, die Fakultät oder die Universität ergibt sich so ein bisschen und folgt
                                          einem Impuls der Angst statt einem Impuls der Liebe.

                                          Jette Wolf, 21
                                          studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Rostock

      Kultur kann man doch zum Beispiel der Natur gegenüberstellen, begriffich.
      Dieser Unterscheidung möchte ich, unter dem Risiko einer Polarisierung,
      eine Wertigkeit beigeben. Unter Zuhilfenahme der Erfahrung spreche ich
      mich hiermit für die Kultur aus. Letztens zum Beispiel, als ich aus dem Hau-
      se trat, wurde mir kalt. Da lob ich mir meine Jacke, die mich nicht nur vor
      Wind, sondern auch vor Regen schützt. Zumindest die eine, die andere
      schützt nur vor Wind. Naja und nochmal eine andere weder noch, vielleicht
      ein wenig vor Kälte. Trotzdem ziehe ich sie manchmal an, ich finde die sieht
      gut aus. Für den Winter ist die aber zu kalt. Welche Jacke ich wähle, liegt
      also zum einen daran, wie sehr ich mich der Natur (in dieser Geschichte
      also dem Regen und dem Wind) anpassen will und zum anderen, wie ich
      mich in Gesellschaft geben will (nur von der besten Seite!). Und das würde
      ich Kultur nennen. Glücklich darf ich anfügen, dass ich die Geschichte mit
      einem Happy End schließen kann. Ich entschied mich für erstere Jacke und
      bezwang so die Kälte, zumindest für den Moment.
      Ich denke bei der Farbe Rot an Paprika (die roten!).

      Hannes Schulz, 27
      studiert Philosophie und Kulturreflexion im Master, hat zuvor den gleichnamigen
      Bachelor gemacht
Schwerpunktthema Wir sehen ROT   013

                                    Klar, ich kann verstehen, dass man als Uni wachsen muss, um sich wirt-
                                    schaftlich tragen zu können, aber ich denke mir: „Ist stetiges Wachstum
                                    nötig oder ist es nicht auch gerade diese Uni, die verstehen könnte oder
                                    sollte, dass man nicht immer größer werden muss, sondern irgendwann
                                    auch sagen kann: ‚Wir haben eine Größe erreicht. Wir wollen gar nicht grö-
                                    ßer werden, weil sonst Qualität für Quantität flöten geht.‘“ Suffzient sein,
                                    das rechte Maß einhalten, das fände ich wichtig für die Uni.

                                    Johanna Hofmann
                                    studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Berlin

Herausfordernd war für mich das Gefühl, dass die Uni, was progressive,
kritische Sozialwissenschaften angeht, gerade feministische und postkolo-
niale Theorie, nicht gut aufgestellt ist. Das ist eigentlich essenziell für einen
PPÖ Studiengang, finde ich. Aber da tut sich inzwischen immer mehr.
Es ist bereichernd, wenn Dozierende Erfahrungen von anderen Universi-
täten mitbringen können. Andere Forschungsschwerpunkte, ein anderes
Kollegium – da kommen neue Impulse.

Jolinde Hüchtker, 21
studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Berlin

                                    Die Universität, beziehungsweise die Studierenden stellen mich immer wie-
                                    der vor die Herausforderung, nicht in eine Routine zu verfallen, sondern dem
                                    Zeitgeist so nah wie möglich zu sein, will heißen, dem Noch-Nicht-Vorhan-
                                    denen Raum zu geben, damit es sich entwickeln kann. Insofern verstehe
                                    ich mich als Entwicklungshelfer für das Neue, Noch-Nicht-Bestehende…
                                    Ich verstehe unter Kultur etwas immer wieder neu Im-Entstehen-Begriffe-
                                    nes, etwas Prozessuales, Lebendiges. Sobald das Leben entweicht, ist auch
                                    die Kultur weg und es erstarrt, wird museal und letztlich tot.
                                    Kultur ist für mich die Fähigkeit, Gesetz und Leben, Gewordenes und
                                    Werdendes, Sinnliches und Geistiges so zu verbinden, dass es eine neue
                                    Einheit vor Augen bringt und das sonst Getrennte als Ganzheit erscheint.

                                    David Hornemann von Laer
                                    Wissenschaftlicher Projektmitarbeit an der Professur für Kunstwissenschaft
014

                                          Die Uni, und die UW/H im besonderen Maße, stellt mich vor allem vor
                                          die Herausforderung, an ihren eigenen Herausforderungen mitzuarbeiten.
                                          Was es heißt, an einer Universität zu studieren, ist ja ganz offensichtlich
                                          nicht bloß den Studierenden unklar geworden.
                                          Ich arbeite vor allem seit 1,5 Jahren im Wuppertaler Skulpturenpark, den
                                          Tony Cragg gegründet hat. Dort erlebe ich ebenfalls eine Institution, das
                                          Museum, im Wandel, auch wenn dies nicht derart explizit gemacht wird
                                          wie an der Universität. „Wer kommt da eigentlich warum hin? Und wer
                                          erzählt dort eigentlich warum was?“ sind aber Fragen, die an beiden Or-
                                          ten gleichermaßen interessieren. Im Museum wird man allerdings anders
                                          und bisher weniger mit der Frage nach der Funktion seines Gegenstands
                                          konfrontiert. Man kann dort im Gegenteil den Verzicht auf zumindest eine
                                          explizite Antwort erproben.

                                          Maximilian Brücher, 31
                                          studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis

      Eigentlich mache ich das, was ich auch vor, beziehungsweise zwischen
      meiner Zeit an der UW/H gemacht habe, denn auch die Tätigkeit jetzt
      bringt immer neue Facetten mit sich, immer neue Situationen, auf die ich
      reagieren und eingehen muss. Das macht die Arbeit für mich so interessant
      und spannend. Nicht zuletzt sind es die unterschiedlichen Menschen und
      Charaktere, die das Arbeiten gerade im Studium fundamentale so reizvoll
      machen. Angefangen von den verschiedenen Studierenden bis hin zu den
      Lehrenden und Künstlerinnen und Künstlern. Es wird einfach nie langwei-
      lig!

      Britta Koch
      Dekanatsreferentin in der Fakultät für Kulturreflexion - Studium fundamentale
Schwerpunktthema Wir sehen ROT   015

                                   Meine größte Herausforderung war es sicherlich, zusammen mit meinen
                                   Kollegen die Fakultät zu erhalten. Leider ist uns das nicht gelungen. Die
                                   Zahl der Bewerber um unsere Studiengänge hat nicht genügt. Meine
                                   zweitgrößte Herausforderung war es, die Fakultät als eine Fakultät zu pro-
                                   filieren, die im Vergleich alter und neuer Medien einzigartige Arbeit leistet.
                                   Auch das ist mir nicht gelungen.
                                   Die Studierenden an der Fakultät für Kulturreflexion sind einzigartig. Sie
                                   verbinden eine große Neugier mit einer wunderbaren Fähigkeit, sich auf
                                   ungewisse Projekte und ungewisse Berufsziele einzulassen. Unsere Studien-
                                   gänge haben aus der beruflichen Praxis immer sehr viel Zuspruch erfahren.
                                   Es ist schade, dass wir die Einsätze, um die es uns in unseren Studiengän-
                                   gen geht, nicht für Bewerber attraktiv machen konnten.
                                   Kultur ist für mich die Art und Weise, wie eine Gesellschaft ihren eigenen
                                   Sinn beobachtet, vergleicht und pflegt. Man kann auch von den Werten
                                   sprechen, die eine Gesellschaft sich selbst zuspricht. Das hat einiges mit
                                   den Künsten zu tun, lässt sich darauf jedoch nicht beschränken. Die Küns-
                                   te liefern dort einen Beitrag zur Kultur, wo sie den Menschen sinnlich zur
                                   Reflexion auf sein eigenes Leben herausfordern. Aber jede Kultur, auch
                                   eine Esskultur, Arbeitskultur oder Gesprächskultur, stellt die Frage, ob ich
                                   so, genau so, leben möchte.

                                   Dirk Baecker
                                   Lehrstuhlinhaber für Kulturtheorie und Management, Dekan der Fakultät

Eine Sache, die ich an unserer Uni sehr schätze, ist die Vielseitigkeit und
es ist auf jeden Fall eine große Angst meinerseits, dass diese Vielseitig-
keit in irgendeiner Art und Weise weniger wird und dass dadurch wichtige
Perspektiven - sei sie von den Studierenden, die hier nicht mehr Kultur-
reflexion anfangen können - wegfällt. Sei es dadurch, dass vielleicht Profs
aufhören, die für sich hier nicht mehr den richtigen Platz finden oder auch
altersmäßig bedingt nicht mehr in Witten sind. Aber auch dadurch, dass
andere Menschen nicht wieder angezogen werden, anderen Profs wieder
angezogen werden, die vielleicht mit einer ähnlichen Perspektive denken
und dass dadurch ein wichtiger Teil verschwindet, der unsere Uni enorm
bereichert. Mein Studium war immer mit der Fakultät für Kulturreflexion
verbunden. Ich kann es mir gerade nicht so gut vorstellen, wie es ohne sein
wird. Die Chancen hängen stark von der jetzigen Ausgestaltung der neuen
Fakultät ab. Sie vielleicht eine Chance in dem Bilde, das ich mir in unserer
Uni wünsche, dass die Fakultäten mehr zusammenarbeiten und das, was
die Studis zumindest annähernd im Stufu versuchen auch mal von insti-
tutioneller oder professoraler Ebene kommt.

Yanika Meyer-Oldenburg, 24
studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Mainz
016

                                          Ich glaube, Kunst ist ein Fertigkeit, die man der Fertigkeit wegen tut und
                                          nicht um irgendeinen anderen Zweck zu erfüllen und deswegen fällt fast
                                          alles unter Kunst, was ich gerne mache und intrinsisch motiviert, wo ich das
                                          auch zu einer gewissen Meisterschaft bringen möchte, und das ist tatsäch-
                                          lich eben nicht nur bildnerische Kunst, sondern eben auch die Kunst des
                                          Denkens, würde ich es nennen, Kunst der Rhetorik und des Alltags.

                                          Richard Ulrich, 22
                                          studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Arnsberg

      Herausfordernd ist für mich die Freiheit nicht nur ideell, sondern auch real
      zu konfrontieren. Grenzen auszutesten. Vernünftig und unvernünftig zu
      sein: im besten und im dümmsten Sinne.

      Florian Kämpf
      studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Herdecke

                                          Ich finde die PPÖler sind schon alle sehr ähnlich, von ihrer Herangehens-
                                          weise auch. Bei den Management Studierenden merkt man das oft an den
                                          Uhren. Die PPÖler haben oft bescheidene, oft sehr flache Uhren. Und bei
                                          Management haben die oft dickere Uhren. Und die Kure Studierenden tra-
                                          gen entweder gar keine Uhren oder ganz feine, ein bisschen andersartig.
                                          Und wenn es dann aber in Seminaren zusammenkommt und das Seminar
                                          richtig miteinander arbeitet, dann schätze ich das, wenn alle drei da sind.
                                          Das war der Grund, warum ich nach Witten gekommen bin, weil es eben
                                          Studium Fundamentale gibt. Für mich ist jedes Semester Stufu eigentlich
                                          das, was die Sache rund macht. In meinen Kursen geht es immer ums Le-
                                          sen, Lesen, Lesen noch mehr Lesen und dann manchmal auch ein bisschen
                                          Rechnen und andere Dinge, aber das wäre nie rund, weil es eben auf die
                                          reflexive Komponente ankommt. Im Stufu mehr Künstlerisches zu haben
                                          oder Kurse zu haben, wo es wirklich um persönliche Weiterentwicklung
                                          geht, da freue ich mich jedes Semester drüber und denke mir: „Ein geiles
                                          halbes Jahr.“

                                          Florian Mende, 21
                                          studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Würzburg
Schwerpunktthema Wir sehen ROT   017

Die größte Herausforderung war gewiss, den 8-semestrigen BA kurzfristig
und überraschend bereits nach 7 Semestern abschließen zu müssen, weil
sonst keine Möglichkeit mehr bestanden hätte, den zugehörigen Master
zu studieren, denn der Studiengang wurde eingestellt. Ohne die immense
Unterstützung meiner Dozenten hätte ich das nicht geschafft.

Lara Venghaus, 32
studiert Philosophie und Kulturreflexion im Master, hat zuvor den gleichnamigen
Bachelor gemacht, kommt aus Bielefeld

                                    Rot ist Rot und nicht Blau. Kultur wirkt wie die Aushandlung und Konven-
                                    tionalisierung von Setzungen zum Gewinn von Lebens- und Handlungs-
                                    sicherheit. Die Kunst durchschlägt dieses Anliegen immer wieder.
                                    Ich erlebe die Studierenden im Zusammenhang der Lehre, meiner Tätig-
                                    keit als Prodekan und in den Gremien von Fakultät und Universität. Ich er-
                                    lebe sie vor allem in der Lehre für meine Vorstellungen als wenig neugierig.

                                    Claus Volkenandt
                                    Professor für Kunstwissenschaften, Prodekan für Lehre
018

                                          Ich habe erst in der Charité in Berlin angefangen Medizin zu studieren, habe
                                          aber ganz schnell gemerkt, dass ich nur mit Medizin da nicht überlebe […].
                                          Es war auch mit Grund nach Witten Herdecke zu wechseln, dass ich dort
                                          neben Humanmedizin auch kulturelle Inhalte haben und wahrnehmen kann.
                                          Kultur ist alles, was durch den Menschen bewusst und kreativ geschaffen
                                          wird, in einem Prozess, der sich dann auch etablieren kann und als Festes in
                                          der Gesellschaft weiterlebt, aber der Ursprung aus einem kreativen Prozess
                                          entsteht. Wobei ich finde, dass man in allen Lebensbereichen kreativ sein
                                          kann und es wenig gibt, wo Kreativität nicht sein Platz hätte.

                                          Martha Koelman, 30
                                          Alumna der Studiengänge Humanmedizin und Philosophie, Kulturreflexion und
                                          kulturelle Praxis, kommt aus Berlin

      Aus meinem direkten Umfeld, also aus meiner Familie kam sehr viel
      Unverständnis. Warum will er nochmal studieren? Warum will er Vollzeit
      studieren? Warum will er Philosophie studieren? Und was ist überhaupt
      Kulturreflexion? Sehr, sehr viel Unverständnis. Wenn man mich aber einmal
      erklären lässt, warum mich mein Weg hierher geführt hat, dann ist das auf
      jeden Fall für die meisten mittlerweile sehr schlüssig geworden. Für mich
      ist Reflexion die zentrale Kompetenzen, die man ganz einfach im Stufu er-
      lernen kann. Ich war immer schon ein Mensch, der sich mit sich selbst aus-
      einandersetzt, aber die Erfahrungen, die man im Studium Fundamentale
      machen kann - selbstreflexiven Kompetenzen - die sind schon sehr einzig-
      artig. Witzig ist, dass ich vielen Freunden von mir von meinen Seminaren
      berichte und die dann erst einmal abblocken, aber am Ende ist dann doch
      auf einmal Interesse da. Ich habe schon Bücher ausgeliehen und meine
      Seminarunterlagen weitergegeben und alles Mögliche. Das ist schon faszi-
      nierend, dass die Leute damit fast immer etwas anfangen können.

      Markus Tervoort, 29
      studiert im Master Philosophie und Kulturreflexionen, hat seinen Bachelor in BWL
      gemacht, kommt aus Krefeld
Schwerpunktthema Wir sehen ROT   019

                                    Um zu dem Punkt zu kommen, an dem man versteht, dass man für sein
                                    Lernen selbst verantwortlich ist und dass man wirklich nur für sich selbst
                                    lernen kann; ich glaube dazu ist das Studium extrem gut (lacht). Weil man
                                    halt wirklich nicht für irgendeinen Plan oder für irgendwas oder für irgend-
                                    ein Ziel danach lernt, sondern wirklich nur für sich.
                                    Was macht man dann damit? Ja, mittlerweile amüsiert es mich einfach,
                                    dass ich dann sagen kann: „Och, ich weiß noch nicht und ich studiere das
                                    jetzt erstmal für mich und dann mal gucken”. Denn die meisten Menschen
                                    das, glaube ich, nicht verstehen können, dass man etwas studiert, ohne zu
                                    wissen, was man genau damit macht.
                                    Meine Vision ist, nie aufzuhören zu denken und den Wittener Geist - was
                                    auch immer das ist - irgendwie in die Welt zu tragen, wie auch immer. Den
                                    Humor dabei nicht zu verlieren. Ja und einfach immer eigenverantwortlich
                                    mein Lernen und mein Leben zu gestalten.

                                    Shaya Werner, 22
                                    studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Worms

Statt zu studieren, würde ich mich wahrscheinlich am liebsten in den
Urwald zurückziehen und einfach nur schreiben. An eine Uni bringen mich
eher Gedanken wie: „Man muss ja etwas gesellschaftlich Sinnvolles tun
und für seine Zukunft sorgen“. Gemessen daran, dass ich mir dann vor al-
lem Freiheit und Eigenverantwortung im Studium wünsche, ist dieser Stu-
diengang wahrscheinlich der beste, der mir passieren könnte.

David Röhrig
studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Meschede

                                    Meiner Meinung nach ist alles Kultur, was nicht Natur ist. Das heißt zur Kul-
                                    tur gehört nicht nur Beethoven, Hundertwasser und Ballett, sondern auch
                                    der zweite Weltkrieg, Umweltzerstörung und Populismus.

                                    Milo Munnix, 22
                                    studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis
020

                                         Gesundheit, Wirtschaft und Kultur. Kultur kann sich nie halten. Ich habe
                                         auch als Veranstaltungskauffrau in einem soziokulturellen Zentrum in Ha-
                                         meln gearbeitet, der „Sumpfblume“. Da wurde das ständig kritisiert. Wir
                                         haben Zuschüsse bekommen von der Stadt, weil das kulturelle Programm
                                         sich allein nicht gehalten hat, weil die Leute durch YouTube und Kultur-
                                         angebot im Internet gar nicht unbedingt den Drang haben rauszugehen und
                                         ein Theaterstück anzugucken, darüber zu diskutieren und darüber selber
                                         nachzudenken. Sie wollen es sich eher bequem machen und Kultur auf
                                         dem Tablett serviert bekommen. Sie wollen schmecken, ohne den Gau-
                                         men zu benutzen. Deswegen stirbt die Kultur zuerst. Die Wirtschaft hält
                                         sich über Wasser.
                                         Stereotypisierungen nicht ausgeschlossen, aber so wie ich meinen Kommi-
                                         litonen wahrnehme, ist es schon eher so, dass PPÖler und auch die rest-
                                         lichen Studiengänge dazu neigen, sich in Gruppen zu formieren. Bei den
                                         Kure-Studierenden ist es eher so: die sind überall und nirgendwo. Jeder
                                         für sich – nicht immer und nicht ausschließlich – aber das Studium, was ich
                                         mache, wird niemals so sein, wie das Studium, was du machst. Genau darin
                                         liegt eigentlich die Brillanz für mich.

                                         Melissa Klemme, 23
                                         studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Hameln

      Jeden Tag ein Gedicht lesen, ist so etwas wie ein schönes Bild sehen oder
      in einem schönen Haus wohnen oder in einen schönen Wald gehen, eine
      schöne Blume sehen: es löst Wohlgefühl aus. Wenn Form und Inhalt über-
      einstimmen, dann ist es ein gutes Gedicht. Es gibt sehr schöne Gedichte,
      die nenne ich Tagebuchgedichte, die über sich selbst erzählen und auch
      Emotionen wiedergeben. Aber das heißt noch nicht, dass es ein gutes Ge-
      dicht ist. Ich von Paul Celan aus, der darüber geschrieben hat, dass es dicht
      sein muss, es muss verdichtet sein. Deswegen sind Gedichte nicht immer
      einfach, weil Gedichte ja auch verdichtet sind und immer nur ein Bild zeich-
      nen und ich muss selbst den Hintergrund finden. Also jetzt hier beim Foto-
      grafieren habe ich zum Beispiel ein Gedicht von Else Lasker-Schüler gesagt
      und gedacht. Das heißt „Ein alter Teppich“.
      Ich habe jahrelang nur Schwarz getragen – nur schwarz - und dann irgend-
      wann hing im Schaufenster mein rotes Mützchen. Das ist schon die zweite
      Generation, die ich jetzt habe. Ich habe dieses rote Mützchen aufgesetzt
      und gedacht: „Aha“. Jetzt habe ich sehr viele rote Sachen inzwischen. Ich
      kann sie nicht immer anziehen, weil das erfordert für mich auch immer sehr
      viel Kraft. Rot ist eine Kraft. Diese Kraft muss man haben, es auch zu tragen.
      Ein rotes Mützchen geht noch aber, eine rote Bluse ist schon ganz schön
      mutig. Wir haben eine Farbskala für Buchstaben und da gibt es so eine
      Regel und da ist A rot. A ist der kräftigste Laut, es ist der Schmerzlaut,
      aber auch der Lebenslaut oder des Staunens Laut. Wenn wir jetzt politisch
      denken, dann ist es die rote Nelke und die rote Fahne. Das ist nicht mein
      Ding. Das löst es bei mir nicht aus. Da kommt zwar eine Erinnerung an
      früher, aber da ist für mich die Verbindung, dass ich rot mit links oder so
      verbinde nicht da. Rot verbinde ich noch mit Blut, Wut, Schmerz, wie Lust,
      wie Freude, wie lebendig sein.

      Blanche Kommerell
      Dozentin für Sprache und Schauspiel, leitet unter anderem das Theater und den
      Stufu Kurs „Freude am Sprechen“
Schwerpunktthema Wir sehen ROT   021

                                    Kulturbegriff, ey, jetzt haut ihr mich auch echt in die Pfanne. Über die Frage
                                    habe ich mir ja noch nie Gedanken gemacht. Was ist denn Kultur? Also,
                                    das schwebt eigentlich überall rum. Eine Kultur das ist ja der Klebstoff, der
                                    eigentlich um uns herum ist, wenn wir glauben, andere Sachen zu machen,
                                    die wichtig sind. Es ist eigentlich das Wie. Ich würde es jetzt mal Kultur
                                    ganz salopp beschreiben als das Wie, man was macht.
                                    An diesem Unternehmenstag sind verschiedene Universitäten da gewe-
                                    sen, aber auch Unternehmen und irgendwann quatscht mich einer an mit
                                    langen zotteligen Haaren und sagt: „Ey, hast du nicht Bock Medizin zu
                                    studieren?“ und ich sag so: „Nee, auf keinsten“ und habe dann auf sein
                                    Schild geguckt und da stand dann „Philosophie, Politik und Ökonomik“
                                    und ich so: „Alter, was ist das denn?“ und dann hat er mir das erklärt und
                                    dann war ich so: „Ah, das ist ja geil, das mache ich“ und dann bin ich auch
                                    hier hingekommen.

                                    Benjamin Waldow, 26
                                    studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Dormagen

Bei Kure ist es genau anders [als in der Management Welt]. Da hat man
keine „starre“ Studienverlaufsplanung. Es ist einem selbst überlassen. Man
kann und soll sich freier entwickeln. Ich habe damals mit Kure ganz bewusst
angefangen, weil ich dachte: „Wenn du jetzt einen Studiengang wählst,
wo du in diesem Tunnel bist mit dieser einen Idealvorstellung und nur den
Formalitäten folgst, dann verlierst du ganz viel und musst aufgeben, was
du auch noch sein könntest.“

Nicole Steller, 22
studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis B.A. und Management
B.Sc., kommt aus Hagen

                                    Ich behaupte von mir auch immer, dass ich nicht so ganz die klassische
                                    Studentin bin, weil ich gefühlt mehr nebenbei arbeite und mit meinen Pro-
                                    jekten zu tun habe. Ich glaube, das war auch die größte Herausforderung,
                                    immer alles in Balance zu halten und das gut miteinander zu vereinbaren –
                                    Seminare mit meinen Projekten – sodass ich für alles auch genug Zeit hatte.

                                    Rahel Steffen, 23
                                    studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Bochum
022

      […] Ich habe immer so eine leichte Blasen-Aversion, also ich reflektiere das
      immer: Stecke ich gerade in so einer bestimmten sozialen Blase drin? Das
      ist die hier auch, aber das ist bisher die angenehmste, die ich gefunden
      habe (lacht).
      Es ist ein Verständnis von: Ja, Uni hat was mit Seminaren und Lesen und Dis-
      kutieren zu tun, wenn du aber Uni auch darunter verstehst geistig und als
      Mensch und als Persönlichkeit zu wachsen, dann gehört diese Initiativen-
      Welt total dazu und kann da was leisten und das führt am Ende zu Leu-
      ten, die aus der Uni rauskommen und einfach weiter sind, als sie es wären,
      wenn sie nur dieses akademische Angebot gehabt hätten.

      Justus von Verschuer, 29
      studiert den Master Ethik und Organisation, kommt aus Essen

                                         Kure Studierende in drei Worten?
                                         Mittwochs, Donnerstags und am Wochenende.

                                         Paavo Schimrigk, 24
                                         studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Bochum
Schwerpunktthema Wir sehen ROT     023

„WIR SEHEN ROT“

Kulturreflexion ein abstrakter Begriff unter dem jede*r et-    Das war der Text der Ausstellung “Wir sehen Rot!”, die
was anderes zu verstehen scheint.                              vom 10.10.-16.10.19 in der Großen Halle der Universität
Dabei verbirgt sich an unserer Universität dahinter etwas      Witten/Herdecke zu sehen war. Die beiden Studierenden
ganz Konkretes – die rote Fakultät mit einer Gruppe von        Hanna Gottschalk und Lara-Luna Ehrenschneider (beide
Menschen.                                                      Bachelor Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis)
Menschen, die hier an der Universität studieren, lehren, ar-   haben das Projekt ins Leben gerufen. Ihre Idee war es, zu
beiten oder studiert haben.                                    zeigen, wie vielfältig die Fakultät für Kulturreflexion ist. Und
Aber wer sind diese Menschen? Was verstehen sie unter          das ist Ihnen gelungen. Fast ein halbes Jahr lang haben sie
dem Begriff Kultur? An welchen Projekten arbeiten sie?         Studierende, Dozierende und Mitarbeiter der Fakultät ein-
Wie erleben sie die Universität und die Stadt Witten?          geladen, um Interviews mit ihnen zu führen. Dazu kamen
Woher kommen die Mitarbeiter*innen und was sind die            Portraitaufnahmen, die von Joao Hermeto aufgenommen
Schwerpunkte in der Forschung und Lehre unserer Do-            wurden.
zent*innen?
In unserer dokumentarischen Ausstellung „Wir sehen Rot“
möchten wir die Vielfalt dieser Persönlichkeiten präsent
machen und zeigen, welche Gesichter und Geschichten
Teil dieser Fakultät sind. Wir möchten diese manchmal un-
scheinbar wirkendende Gruppe sichtbar machen und zei-
gen, dass sie noch präsent an unserer Universität ist.

Nehmt euch Zeit, die Menschen zu betrachten und zu le-
sen, was sie zu sagen haben. Lasst es auf euch wirken.
Rot die Farbe von Wut und Liebe, Kampf und Willenskraft,
von Schmerz und Leid, Revolution und Neuanfang.
024

REFLEXION AUF DIE
VERNISSAGE UND DAS
PROJEKT „WIR SEHEN ROT“

            Musik erklingt und sanftes Licht erhellt den Raum, Menschen schlendern an den
            großen Fotografien vorbei, unterhalten sich über das Gesehen und Gelesene. Überall
            sieht man rote Fragmente.

            Hanna Gottschalk und Lara-Luna Ehrenschneider
            Studierende B.A. Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis

Es war Donnerstag der 10. Oktober 2019 und nach einer in-                         Mit der Veröffentlichung des Wissenschaftsratsberichts im
tensiven, schlafarmen Vorbereitungswoche kehrte erst zehn                         Sommer 2018 wurde für uns die Frage immer drängender,
Minuten vor der Vernissage etwas Ruhe ein. Zuvor wurde                            welche Personen Teil der Fakultät für Kulturreflexion sind
noch fleißig austariert, ausgedruckt und letzte Änderungen                        und was sie bewegt. Wir wollten zeigen, was sonst im Uni-
vorgenommen. Die Bilder der Ausstellung „Wir sehen Rot“                           alltag im Verborgenen blieb. Über das Wintersemester
füllten die Große Halle der Universität Witten/Herdecke. 56                       hinweg kristallisierte sich aus unserer vagen Absicht, sicht-
Fotografien von Studierenden, Dozierenden und Mitarbei-                           bar zu machen, was bis dahin in den Tiefen der Fakultät
ter*innen der Fakultät für Kulturreflexion. Zum ersten Mal                        verborgen lag, der handfeste Plan, eine Foto-Ausstellung
hingen sie alle wahrhaftig, nebeneinander an ihrem Platz.                         zu organisieren. Bei einer Probe für den Balladenabend ka-
Teilweise von den Balustraden an Nylonseilen herunter                             men wir mit João Hermeto, dem Fotografen, ins Gespräch.
oder an den Wänden. Die Endkuration in ihrem vollen Aus-                          Er erklärte sich sofort bereit einzusteigen. Seine fotografi-
maß zu sehen, war für uns ein überwältigender Moment, in                          sche Erfahrung und sein akademischer Hintergrund an der
dem wir vom Glück überwältigt wurden. Eine kleine Reise                           KuRe Fakultät ermöglichte uns von Beginn an eine kritische
lag hinter uns. Wir ergriffen das Wort und berichteten den                        Auseinandersetzung und Reflexion mit unserer Herange-
Gästen von dem Erstehungsprozess unseres Projekts:                                hensweise. Nach Konzepttreffen, Probeshootings und Ma-
Schwerpunktthema Wir sehen ROT   025

terialbeschaffung, begannen wir Ende April 2019 mit den
ersten Foto-Sessions und Interviews. Auf dem Dachboden
von Lunas WG piepte beim Auslösen zunächst der Blitz,
während rote Accessoires durch die Luft flogen. Anschlie-
ßend erfüllten Wortbeiträge die WG Küche, während das
Aufnahmegerät lief. Andere Male hatten wir einen Raum
an der Universität gebucht und dort unser kleines Studio
errichtet. Im Sommer stand dann die zähe Arbeit der Tran-
skriptionen an, der wir uns mutig stellten und so aus den
vielen Interviews, Zitate herausfilterten, die zum Teil nun in
der vorliegenden Stufuzeitung zu lesen sind. In den Semes-
terferien fertigten wir Probedrucke an, schickten Sponso-
ringanfragen und filterten die in unseren Augen passenden
Bilder heraus. Ernst wurde es, als die Fotographien in den
Druck gingen. Rückblickend wurde uns zu diesem Zeitpunkt
erst so richtig klar, dass unsere Idee nun in die Tat umge-
setzt werden würde. Voller Spannung fuhren wir zur Drucke-       cher Dank geht auch an Lunas WG, die uns geduldig ertra-
rei, um die A1 Formate abzuholen und sie zum ersten Mal          gen und die Küche geräumt hat und insbesondere André
in den Händen zu halten. Zuvor hatten wir sie nur vereinzelt     und Christian, deren Autos wir leihen durften. Wir danken
auf unseren Bildschirmen betrachtet.                             außerdem Jette, Shaya, Laura, Blanche und Alexander Ja-
                                                                 kobidze-Gitman für ihre künstlerischen Beiträge am Abend
In den letzten Stunden vor der Eröffnung waren es nicht zu-      unserer Vernissage, sowie den vielen Helfer*innen beim
letzt die vielen helfenden Hände, die unsere Ausstellung         Aufbau und hinter der Theke: Jolinde, Leon, Leila, Simone,
möglich machten, weil sie uns mit dem Aufbau und dem             Hanna, Ramona, Olli, Max, Fabio, Moritz, Nastasia, Tatja-
Catering unterstützten. Im weiteren Eröffnungsprogramm           na. Zudem bedanken wir uns bei dem BIT und dem Facility
beschenkte uns Alexander Jakobidze-Gitman mit einem              Management, welches uns stets hilfreich beraten hat, sowie
wundervollen Stück am Klavier, Jette und Laura mit einer         unseren Spender*innen für die Speisen, allen voran Gel-
Gesangseinlage und Shaya und Blanche mit kräftigen,              dermann für ihre großzügige Sektspende. Zu guter Letzt
nachwirkenden Worten. Der Ausstellungsauftakt war ein            möchten wir uns herzlich bei der Wittener Universitätsge-
                                                                 sellschaft bedanken, die uns den Druck der Bilder ermög-
                                                                 licht hat und bei unserer Fakultät und allen Teilnehmenden,
                                                                 ohne die dieses Projekt nie hätte entstehen können.

wundervoller Abend, voller Gespräche, Fröhlichkeit und
Nachdenklichkeit. Diese besondere, familiäre Atmosphäre
machte für uns den Zusammenhalt (der Fakultät?) spürbar.
Wir hoffen, dass es auch in Zukunft solche Momente geben
wird, in denen Kultur gelebt und erlebt wird.

Wir möchten uns an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich
bei João Hermeto bedanken, der uns immer zur Seite stand
und all die hervorragenden Fotographien geschaffen hat.
Wir danken auch Herrn Volkenandt, der uns von Anfang an
seine Unterstützung zugesichert und uns während des Ent-
stehungsprozesses begleitet hat. Ebenso danken wir Britta
Koch und Melanie Laskowski aus dem Sekretariat, so wie
Gebhard Reis für die Ausleihe des Fotoequipments. Herzli-
026

SOLLTEN WIR UNS SELBST
ÜBERFLÜSSIG MACHEN?
Kurexit: Für eine Kulturreflexion ohne Kulturreflexion

             „What happens at 11pm this friday [...] marks the point of no return. [...] And the rest
             frankly is detail“, sagte ein euphorischer Nigel Farage wenige Tage vor dem Brexit.

             Maximilian Brücher
             B.A. Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis,
             studentischer Vertreter für die Fakultät für Kulturreflexion – Studium Fundamentale

Natürlich sind die Unterschiede zwischen dem Ende der                          Dabei ist die Entzweiung kaum zu verhindern. Was man im
Fakultät für Kulturreflexion (Kurexit) und dem Brexit ekla-                    laufenden Prozess beobachtet, kann mit kritischem Impetus
tant. Das Bild ist aber auch deswegen schief, weil Farages                     ‚Mikropolitik‘ genannt werden. Mir fallen dazu andererseits
Radikalität Wunschdenken ist. Selbst wenn Großbritannien                       aber auch die Worte unseres Dekans, Prof. Baecker, ein,
niemals mehr Teil der EU sein sollte, ist der ‚Point of no Re-                 mit denen er in anderen Kontexten die aufziehende Netz-
turn‘ unhaltbar, sofern er nicht die Tautologie beschreiben                    werkgesellschaft beschreibt: „A macht B mit C bekannt und
soll, dass nichts so sein wird wie es war. „Nach dem Brexit                    muss sich von da an sorgen, dass B und C auch ohne A zu-
ist vor dem Brexit“ liest man momentan häufiger.1                              rechtkommen.“ Und Bekanntschaften werden dieser Tage
                                                                               viele gemacht. Es ist einerseits toll, wie kurz die Wege an
Dieser Text ist allerdings kein Plädoyer für die Rück-Ab-                      der UW/H sein können, und wer mit wem schnell ins Ge-
wicklung. Kurexit means Kurexit! Zu diesem Semester wer-                       spräch kommt. Alle können mitreden, Studierende wenden
den die eingesetzten Arbeitsgruppen neue Ordnungen                             sich direkt an Organe der Verwaltung und nicht zuletzt So-
für das Zentrum des Studiums Fundamentale und für die                          cial Media erlaubt Kommunikation an allen etablierten Ins-
neue Fakultät für Wirtschaft und Gesellschaft erarbeitet                       titutionen vorbei.
haben. Vielleicht werden diese Arbeitstitel der neuen Ein-
richtungen angepasst worden sein. Mit der Auflösung der                        Andererseits wächst damit die Sorge, überflüssig zu wer-
alten Strukturen werden u.a. Vertreterposten wie meiner                        den. Bei den Studierenden der Kulturreflexion ist dieses
verschwinden, damit an anderer Stelle andere Strukturen                        Gefühl, aus naheliegenden Gründen, recht ausgeprägt.
entstehen können. Drei Fakultäten werden von zwei Fakul-                       Aber auch anderswo ist es nicht unbekannt. Ich würde mir
täten und einem Zentrum abgelöst werden. The rest frankly                      für den weiteren Prozess daher eine Sensibilität für diese
is detail.                                                                     Fallstricke wünschen, eine Reflexion der Universitätskultur
                                                                               also. Gelingt dies, entstünde wohl ein spannender Ort:
Aber steckt nicht ausgerechnet im Detail der Teufel? Die                       “Heute habe ich mich experimentell überflüssig gemacht.
am Prozess bisher Beteiligten wissen dies allzu gut. Doch                      Morgen sehen wir uns wieder!“
die Bedeutung des Teuflischen, des Diabolischen, des Aus-
einanderwerfenden, also des Entzweienden2 scheint weiter
                                                                               1
zu reichen. Die Sorge darum, zu entzweien, meine ich in                            So oder ähnlich u.a. zu finden als Titel bei der Tagesschau und Deutscher
                                                                                   Welle.
Gesprächen der vergangenen Monate mit Kommilitonin-
                                                                               2
                                                                                   Als Philosophiestudent ohne Altgriechischkenntnisse muss ich einschlägi-
nen und Kommilitonen, mit Vertreterinnen und Vertretern                            gen Ressourcen zur Bedeutung von διαβάλλειν vertrauen.
meiner Fakultät, und mit dem Präsidium aufrichtig erfahren
zu haben. Noch schwerer wiegt nur die Sorge, entzweit zu
werden.
Fakultät
  Studium
AUS      UND
028

KOMMEN & GEHEN

             Dirk Baecker
             Dekan der Fakultät für Kulturreflexion –
             Studium fundamentale

PROF. DR. RENATE BUSCHMANN                                         Nach der Promotion wird Frau Buschmann Direktorin der
                                                                   Video- und Medienkunst-Stiftung imai in Düsseldorf, wo sie
Frau Buschmann ist die erste Bau- und Möbeltischlerin, die         sich um die Sammlung und das Archiv kümmert, Symposien
an der Fakultät für Kulturreflexion auf einen Lehrstuhl beru-      durchführt, Forschungsprojekte konzipiert und Ausstellun-
fen wird. Nach dem Erwerb des Gesellenbriefs beginnt Frau          gen verantwortet. 2018 erreicht diese Arbeit mit einer Aus-
Buschmann ein Studium der Kunstgeschichte, Klassischen             stellung zu den Video Paintings von Brian Eno, der Einrich-
Archäologie und Ur- und Frühgeschichte an der Universität          tung eines Video Online-Archivs und einer internationalen
zu Köln, verbringt ein Jahr mit Studium und Ausgrabungen           Konferenz zur Video Art Distribution weitere Höhepunkte.
in Florenz und schließt ihr Studium mit einer Masterarbeit         An der Universität Witten/Herdecke plant Frau Buschmann
über Gestaltungsprinzipien im italienischen Möbeldesign            die Fortsetzung ihrer Beschäftigung mit den elektronischen
der 1960er und 1970er Jahre ab. 2007 wird Frau Buschmann           Künsten. Sie wird die Auseinandersetzungen im Studium
mit einer Kunstausstellung promoviert, die eine nicht statt-       fundamentale mit den klassischen Medien Bild, Ton und Text
gefundene Ausstellung dokumentiert: „Between 1969–73:              um einen entscheidenden Akzent in Richtung Echtzeitmedi-
Chronik einer Nicht-Ausstellung“. Diese Arbeit führt in die        en erweitern.
unruhigsten Jahre der Düsseldorfer Kunstszene und ist ein
Beitrag zur Institutionenkritik, die die Künste seit dieser Zeit   Wir freuen uns, Renate Buschmann für den Lehrstuhl für Di-
zuverlässig begleitet.                                             gitale Medien und Kulturvermittlung begrüßen zu können.
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