WIR SEHEN R O T - STUDIUM FUNDAMENTALE SEMESTERZEITUNG SOSE 2020 - UNI WITTEN/HERDECKE
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Fakultät für Kulturreflexion 01.04.2020 BIS 30.09.2020 STUDIUM FUNDAMENTALE Semesterzeitung SoSe 2020 Wir sehen LETZTE AUSGABE: RO T GESUNDHEIT WIRTSCHAFT KULTUR
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SoSe 20 003 INHALT VORWORT S. 005 SCHWERPUNKTTHEMA: WIR SEHEN ROT „Wir sehen ROT“ S. 023 Hanna Gottschalk, Reflexion auf die Vernissage und das Projekt „Wir sehen Rot“ Lara-Luna Ehrenschneider S. 024 Sollten wir uns selbst überflüssig machen? Maximilian Brücher S. 026 AUS FAKULTÄT UND STUDIUM Kommen & Gehen Dirk Baecker, Matthias Kettner S. 028 „30 Jahre Theater“ Sophie Große-Wöhrmann S. 030 ÖFFENTLICHE VERANSTALTUNGEN & VORTRAGSREIHEN Kalender öffentliche Veranstaltungen im Sommersemester 2020 S. 034 Vortragsreihe „Energie und Gesellschaft: Fusion oder Spaltung“ S. 037 STUDENTISCHE INITIATIVEN DER UNIVERSITÄT WITTEN/HERDECKE S. 040 SPRACHKURSE Sprachkurse an der RUB im Sommersemester 2020 S. 045 LEHRVERANSTALTUNGEN / COURSES S. 048
004 DIE FAKULTÄT FÜR KULTURREFLEXION – STUDIUM FUNDAMENTALE Studium fundamentale – Die Schnittstelle zwischen den Fakultäten! S. 082 Köpfe der Fakultät S. 083 Dozent*innen im Sommersemester 2020 S. 084 Anzeigenkunden dieser Ausgabe S. 086 Impressum S. 086 Förderer der Fakultät › Deutsche Gesellschaft für Philosophie e.V. › Stiftung Dr. Ausbüttel › Friedrich Wilhelm Moll-Stiftung › Stiftung Die Christengemeinschaft in Deutschland › GLS Gemeinschaftsbank eG › Stiftung Private Universität Witten/Herdecke › HB-Stiftung › Universitätsverein Witten/Herdecke e.V. › innogy Stiftung für Energie und Gesellschaft gGmbH › Werner Richard-Dr. Carl Dörken Stiftung › Dr. Wolfgang Klemt › Willner Stiftung › Dr. Marcel Mangen › Wittener Universitätsgesellschaft e.V. › Stadtwerke Witten GmbH › Dr. Walter Wübben › Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft › KARL-KOLLE Stiftung
SoSe 20 005 Vorwort Zwischen Zeiten und Formen und dem Coronavirus Zum letzten Mal sehen wir rot – zumindest als Verbindung der Studiengänge der Kulturreflexion mit dem Bereich des Studium fundamentale. Fast 20 Jahre bestand diese Einheit, wenn auch erst seit 2008 unter diesem Namen. Viel ist in dieser Zeit geleistet worden nicht nur in Lehrveranstaltungen und der Studierendenbetreuung, sondern auch in Aufführungen, Ausstellungen, Lesungen, Tagungen und der Mitarbeit in den universitären Gremien. Diese letzte fakultäre Ausgabe der Stufu-Zeitung sieht noch einmal rot, in dem sie das gleichnamige studentische Projekt in den Mittelpunkt stellt. Prof. Dr. Claus Volkenandt Prodekan Lehre Britta Koch, M.A. Dekanatsreferentin Das „Kommentierte Vorlesungsverzeichnis für Studium fun- kultäten wurden für das Studium fundamentale die Zeiten damentale und Philosophie“ erschien vor rund 34 Jahren in von 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr und von 16.00 Uhr bis 19.15 Uhr dem noch heutigen signalrot der Fakultät. Die Stadtwap- freigehalten. pen von Witten und Herdecke schmückten die Titelseite des schlichten, dünnen DIN A5 Heftchens. Darunter stand In den gut 66 Ausgaben hat sich das Erscheinungsbild in großen Lettern „Universität Witten/Herdecke“. Unter der der Zeitung stark gewandelt. Aus dem schlichten DIN A5 kommissarischen Leitung von Peter Lauer brachte das Ins- Heftchen, das lediglich die Lehrveranstaltungen kommen- titut für Philosophie und Studium fundamentale das erste tierte, wurde ein richtiges Tageszeitungsformat, in dem ne- Vorlesungsverzeichnis heraus. Darin wurde für das Studium ben dem kommentierten Vorlesungsverzeichnis auch der fundamentale noch der Dienstag von 11.00 Uhr bis 13.00 ein oder andere Artikel und die „Freien Initiativen“ Platz Uhr und der Donnerstag von 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr vor- fanden. Heute hat sich die Stufu-Zeitung der Fakultät für gesehen. Das änderte sich, als das Institut durch die För- Kulturreflexion – Studium fundamentale zu einem Magazin derung der Stiftung Dr. jur. Fritz Meyer-Struckmann in das entwickelt, das neben den Lehrveranstaltungen und öffent- Stiftungsinstitut für das Studium fundamentale überführt lichen Veranstaltungen auch Artikel von Professoren und wurde. Unter der Leitung von Prof. Dr. Reinhardt Habel Studierenden zu einem Schwerpunktthema oder zu Projek- wurde der „Stufu-Donnerstag“ etabliert und von allen Fa- ten aus der Universität bereitstellt. Anzeige Benno's Brauhaus Bier gebraut mitten in Witten Im Wiesenviertel Hammerstr. 4, 58452 Witten Öffnungszeiten: Donnerstag 18:00-22:00 Uhr/ Freitag 18:00-24:00 Uhr/ Samstag 17:00-24:00 Uhr
006 Die Entwicklung der Stufu-Zeitung spiegelt zugleich das sollen. Dazu gehören, die Perspektive wechseln zu können, Anliegen und die Entwicklung des Studium fundamentale sich nicht nur nicht dem fachlich Fremden zu konfrontieren, wider. Wollte man einst mit der Einrichtung eines Zentralin- vor allem aber überfachliche Fähigkeiten zu entwickeln, mit stituts im Rang einer Fakultät die Freiheit der Studierenden denen sie gesellschaftlich wirksam handeln können. stärken, für sich selbst herauszufinden, welche Lehrange- bote und/oder Lernziele förderlich und interessant sind, so Die Fakultät für Kulturreflexion und die Fakultät für Wirt- partizipieren die Studierenden im Laufe der Jahre immer schaftswissenschaft gehen nun zusammen und bekommen mehr an den Aktivitäten des Studium fundamentale und nicht nur die Chance, von der Denk- und Arbeitsweise des gestalten es heute maßgeblich mit. Bereits im Verzeichnis Anderen zu lernen und zu profitieren, sondern auch, da- des Sommersemesters 1988 lautet der einleitende Satz un- durch produktiv in Routinen gestört werden. Vielleicht wird ter „Zielsetzung und Aufbau des Studium fundamentale an der Blick für zuvor eher als unwichtig und unmöglich ge- der Universität Witten/Herdecke“: „Mit seinem Studium haltene Möglichkeiten geöffnet und geschult. Das Studium setzt sich der Studierende selbst sein Ziel. Er will sich auf fundamentale wird hingegen eigenständig und kann oder verantwortliches Handeln im auszuübenden Beruf, in Wis- muss sich auf sich selbst besinnen, kann sich gezielt auf- senschaft und Forschung und damit letztlich in der Gesell- und ausbauen und wiederum weiterentwickeln. Für beide schaft vorbereiten.“ Einheiten ist dies als Chance zu sehen, denn wie die Zeit und die Gesellschaft unterliegt auch die Universität, die Dazu trugen einst die 25 bis 35 Lehrveranstaltungen in den Fakultät und das Studium fundamentale dem Wandel. Für Feldern das Studium fundamentale ist es eine Chance, maßgeblich › Philosophie, Fundamentaltheorie, Erkenntnistheorie, dazu beizutragen, dass man die Studierenden außerhalb Ethik der Universität als UW/H-Studierende wiedererkennt. Wie › Sinneslehre, Ästhetik, Kunstwissenschaft an der Geschichte des Studium fundamentale dieser Uni- › Geschichte und Kulturwissenschaft versität selbst deutlich wird, muss diese Entwicklung kei- › Künstlerische Übungen neswegs den „Point of no Return“ bedeuten. bei. Aus ihnen sind in einer deutlichen Weiterentwicklung rund 100 Lehrveranstaltungen geworden, die sowohl die Aber nicht nur, dass sich zwei Fakultäten auflösen, aus ihnen reflexiven und kommunikativen als auch die künstlerischen eine neue Fakultät gebildet wird und das Studium funda- Kompetenzen einer jeden einzelnen Studierenden und ei- mentale zu einer eigenständigen akademischen Einrich- nes jeden einzelnen Studierenden stärken sollen. Mit den tung wird – all dieses wäre für ein Semester schon genug, Jahren hat sich die Fakultät für Kulturreflexion und vor al- nein, das Coronavirus wirbelt unser Leben zur Zeit ziemlich lem das Studium fundamentale immer mehr zu einem Ort durcheinander, auch das universitäre. Es kann gut sein, dass entwickelt, an dem sich Studierende intensivkritisch mit sich im kommenden Sommersemester keine Präsenzlehre statt- selbst und dem, was sie in Studium und Gesellschaft ge- finden wird, wir stattdessen digitale Lehrformate kurzfristig stalterisch leisten wollen, auseinandersetzen können und etablieren müssen. Spannende Zeiten, so oder so. Anzeige Ringhotel ● Direkt am Ruhrtalradweg Zweibrücker Hof ● Biergarten, Ruhrstrand 54 mit Cocktailbar Zweibrücker Hof 4 ● Restaurant mit Wintergarten und Terrasse D-58313 Herdecke ● 117 Zimmer, teils mit Balkon Tel.: 02330 605-0 ● Schwimmbad, Sauna, Dampfbad Fax: 02330 605-555 ● Veranstaltungsräume zum Feiern und Tagen zbh@riepe.com
008 Ich finde Kure-Studenten ein bisschen träumerisch, das ist überhaupt nicht negativ gemeint, sehr positiv eigentlich und was für die Uni definitiv ei- nen sehr positiven Aspekt hat, ist, dass man mit den PPÖlern und Kure- Studierenden Paradiesvögel an der Uni hat, die eben ihr Ding machen, Dinge hinterfragen und nicht alles für gegeben hinnehmen. Ich würde sagen, die meisten meiner Kommilitonen in meinem Studien- gang sind Freigeister, die die Welt anders sehen, beziehungsweise dabei sind die Welt anders kennenzulernen und auch daran interessiert sind die Welt oder die Dinge da draußen im Ganzen zu verstehen. Das sind alles sehr interessierte und wissbegierige Menschen. Rafael Dietzel, 25 studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Heidenheim Mit dem Stufu, damit steht und fällt alles. Und wo ich wirklich - und mit die- sem ganzen neuen Stufukonzept muss man wirklich sehen, dass es gelingt - wo ich wirklich Sorgen hab, ist, dass die Kultur unter die Räder kommt. Von den Kure-Studierenden wünsche ich mir Gelassenheit, eine gute Por- tion Frechheit, Selbstsicherheit im Einfordern der Möglichkeit des eigenen Wegs und dass bis in zwei oder drei Jahren sich so manche Wogen ge- glättet haben und, je nachdem wie die Struktur dann aussieht, wo dann wie verortet, vielleicht auch wirklich wieder am Stufu, dann richtig spannende Leute dran zu kriegen und (dass) es irgendwie möglich wird eine interes- sante Studiengangsform zu finden, die dann auch besser vermittelbar ist. Ideen dazu habe ich. Friedemann Uhl, 41 studiert Philosophie und Kulturreflexion im Master Wie mein Kulturbegriff aussieht? Naja, […] im Grunde [ist] alles Kultur und in dem Sinne finde ich es auch äußerst schrecklich, dass die Kultur auch bei uns an der Uni derart jetzt in Zukunft vernachlässigt wird. Ich hatte noch vor meinem O-Studium, glaube ich, einen sehr begrenzten Kulturbegriff, der sich ja jetzt ins Unendliche ausgedehnt hat. Ich habe mich, für mich war das eigentlich eine Hochkultur und habe Kultur halt wirklich nur mit Museum und anderen Kulturinstitutionen assoziiert und das ist natürlich falsch. Kunst ist ja einfach dieser Bereich, wo man sich mal frei von den vorgege- benen Richtlinien bewegen kann. Nikolas Middelmann, 21 studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Witten
Schwerpunktthema Wir sehen ROT 009 Ich dachte, das wäre so eine Floskel mit dem „Du kannst hier alles machen was du willst, aber du musst halt wissen was du willst und dann wird aber auch geholfen“. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es wirklich so ist. Hier werden dir nicht absichtlich irgendwelche Steine in den Weg gelegt und mit dieser Freiheit muss man aber auch erst mal umgehen können. Die Studierenden werden hier mehr als Mehrwert angesehen und nicht als Ballast und das gibt einfach Mut sich auch selbst darüber im Klaren zu sein, was man will. Das hat man hier nicht. Es gibt keine doofen Fragen und die Türen sind immer offen. Das kaufe ich hier auch jedem ab. Simone Philippen, 24 studiert Ethik und Organisation im Master, hat ihren Bachelor in Kulturwissenschaften gemacht, kommt aus Düsseldorf Ich hatte tatsächlich bisher nicht so super viele Kunstkurse. Eigentlich noch gar keinen an der Uni, aber das ist etwas, was ich schon gerne noch weiter ausbauen würde. Ich glaube, dass Kunst auch eine Möglichkeit ist, Din- ge anders darzustellen. Man kann Sachen durch Texte darstellen und sa- gen: „Logisch, das kann man erklären.“ Aber manchmal üben Bilder oder Kunstwerke nochmal eine ganz andere Art von Kritik oder weisen auf an- dere Sachen hin, die jeder für sich interpretieren kann und das ermöglicht noch mehr Vielfalt. Die Kures haben die Gesellschaft im Blick, aber von einem anderen Punkt aus. PPÖ ist eher diese wirtschaftlich-politische Richtung und bei Kure, was ich bisher mitbekommen habe, interessieren sich viele eher für kulturelle, auch künstlerische Sichtweisen und es ist einfach nochmal ein anderer Blick auf die Gesellschaft. Hannah Müller, 22 studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Darmstadt Vermutlich ist es die größte Herausforderung, sich der Freiheiten zu stel- len, die eine Universität wie die UW/H bietet. Sich selbst zu finden und mit ganzer Kraft den Zielen nachzugehen, die ich für sinnvoll, wertvoll und richtig halte. Als Kultur verstehe ich die Ansammlung der gegenwärtig praktizierten Mo- dus operandi, welche sich im gesellschaftlichen Spannungsfeld aus Ver- gangenheitsbezug und Zukunftsprojektion ermöglichen. Jonathan Harth wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Soziologie
010 Kultur ist nicht etwas, was wie ein Pfannkuchen schnell gebacken werden kann, es ist das Gegenteil davon. Es ist etwas, was man über sehr lange Zeit, sehr aufmerksam wachsen lässt und um was man sich für sehr lange Zeit sehr kümmert. [...] Es muss bewusst gepflegt werden, es muss aber nicht unbedingt in Begriffen gefasst werden. Es kann durchaus ohne Be- griffe funktionieren, auch ohne Definitionen. Ich verstehe Reflexion als eine Ableitung vom lateinischen Verb „reflec- tere“. Das bedeutet eigentlich nicht „wiederspiegeln“, sondern „sich (zurück)wenden, zurückbeugen“. Also Reflexion wäre eine Herangehens- weise, bei der man an den Gegenstand des Interesses sich nicht frontal annähert, sondern sich mit dem Rücken wendet. Ich hatte allmählich den Schluss gezogen, dass man sehr gut zur Kunst herantreten kann, auf in- direkte Weise, durch Quereinstiege oder durch Annäherung von schein- bar voneinander fern liegenden Bereichen. Man erlebt dabei eine ganz spezielle geistige Anstrengung, die zum selbstständigen Denken anregt und eventuell zu äußerst spannenden Einsichten führen kann. Das ist ein Gegenteil von verschulter Methode, bei der man sich fertigen Wissensin- halte einprägt, und funktioniert häufig viel besser, aber, und das ist das wichtigste, es muss nicht missverstanden werden als einfach ein spaßiges Quatschen. (...) Es ist nicht etwas Leichtsinniges. Genau dieser Gegensatz von verschulter Didaktik, ist vor allem was mich nach wie vor in Witten anzieht und warum ich diese Uni schätze. Alexander Jakobidze-Gitman seit 2012 Mitarbeiter am Lehrstuhl für Phänomenologie der Musik, obwohl der Lehrstuhl nicht mehr existiert, aus Moskau Für mich steht die Farbe stellvertretend für Menschen, die voller Überzeu- gung brennen, in denen es glüht, die Lust haben sich wirklich für etwas zu begeistern. Auch so in Bezug auf unsere Universität, nicht zu allgemein auf die Farbe Rot gesprochen. Überzeugungstäter. Das ist es für mich, weil genau das für mich auch diese Fakultät war. Entweder schafft man jetzt, dass der Geist dieser Fakultät weiterhin besteht, wir weiterhin diese Art von Menschen haben werden oder wir werden uns dann bald nur noch als ein Relikt aus vergangenen Zeiten zurückerinnert. Wir sitzen in einem Container, den ich selbst noch gar nicht von innen ge- sehen habe. Es ist das erste Mal, dass ich hier bin. Man weiß gar nicht so richtig in welche Richtung es geht. So eine Ungewissheit. Ich hatte immer das Gefühl, das eine gewisse Identifikation unter den Studierenden mit der Universität da ist. Zurzeit ist diese Identifikation eben auch im Wandel. Viele haben Angst, dass diese starke Identifikation womöglich im Zuge der Restrukturierung verloren geht. Für mich, als einer der von dieser Fakultät gelebt hat, ist das natürlich erstmal ein immenser Verlust. Ich sehe da erst- mal nichts Positives. Das schmerzt. Als ich die Entscheidung mitbekom- men habe und diesen ganzen Prozess - war da irgendwie viel Schmerz. Aber wobei - du hast nach Chancen gefragt: Chancen gibt es immer und wir können uns auch jetzt neu erfinden. Wir sind in einer Transformations- phase. Natürlich ergibt das auch gewisse Möglichkeiten. Aber die Rich- tung, die eingeschlagen worden ist, würde ich von meiner Wahrnehmung her als nicht richtige beschreiben, als eine mit der ich mich nicht identifi- zieren kann. Flavio von Witzleben, 26 studiert Ethik und Organisation im Master, hat zuvor Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis studiert, kommt aus Karlsruhe
Schwerpunktthema Wir sehen ROT 011 Hier versucht man Sinnfragen zu beantworten, was im Jurastudium über- haupt nicht der Fall ist, weil man im Prinzip immer nur die Gesetze anwen- det. Man fragt sich nicht, ob die Gesetze sinnvoll sind oder ob die Gesetze gut sind oder ob man sie vielleicht anpassen könnte. Bei PPÖ ist es oft so, dass wir auch darüber sprechen, wie man vielleicht die Wirtschaftsordnung wieder so verändern könnte, dass sie besser wird. Paula Adams, 20 studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Dortmund Dieses Studium stellt alles in Frage – auch dich selbst. Eine der größten Herausforderungen, unter vielen anderen, ist die Selbstorganisation in diesem sehr freien Studiengang, es kann Fluch und Segen zugleich sein. Wenn man die Freiheit hat, das zu studieren, was man will, für das man sich interessiert und aus einem scheinbar unerschöpflichen Pool an Lehrveran- staltungen auswählen kann, muss man bisweilen aufpassen, dass man sich und seine Ziele (die man mal zu Anfang hatte) nicht aus den Augen verliert. Besonders, wenn man viele Interessen hat, ist die „Gefahr“ groß, zwar von vielem einiges zu wissen, aber dennoch irgendwie immer das Gefühl zu haben, bloß an der Oberfläche zu kratzen. Melanie Laskowski, 33 studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Dortmund
012 Kulturreflexion: Damit identifiziere ich mich irgendwie total, weil es ein Diskussionsthema ist. Wenn ich das anspreche, dann stehen erstmal über- all Fragezeichen in den Gesichtern und dann muss ich darüber reden und dann habe ich die Möglichkeit, das rüber zu bringen, was es für mich be- deutet […]. In Kulturreflexion – da ist eine Diversität inbegriffen und ein breites Spektrum, das so viel sein kann und wo ich das Gefühl habe wirklich meinen individuellen Weg gehen zu können. Ich bin der Fakultät unglaublich dankbar für das, was sie mir ermöglicht, das was ich hier studieren kann und weil ich das Gefühl habe, das ist ein Studium, das ich allein für mich mache. Immer wieder komme ich an einen Punkt, wo ich überlege: „Okay, mache ich noch das was ich will? Ist das irgendwie noch das richtige für mich gerade hier zu studieren oder über- haupt zu studieren?” Und jedes Mal komme ich wieder an einen Punkt, wo ich merke: „Ja.” Was bräuchte die Uni, damit ich mich nochmal dafür entscheide? Diese Offenherzigkeit, ich glaube, das ist, was ich durch die Kulturreflexion ge- kriegt habe. Dieses: offen für alle und alles und jeden. Das ist das, was die Kulturreflexion irgendwie für mich bedeutet. Also, dass es kein Wenn und Aber (gibt) und jeder komische Kauz ist herzlich willkommen und auch Leu- te, die denken, sie sind normal. (lacht). Wo ich auch traurig bin oder enttäuscht, das ist so, dass ich das Gefühl habe, die Fakultät oder die Universität ergibt sich so ein bisschen und folgt einem Impuls der Angst statt einem Impuls der Liebe. Jette Wolf, 21 studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Rostock Kultur kann man doch zum Beispiel der Natur gegenüberstellen, begriffich. Dieser Unterscheidung möchte ich, unter dem Risiko einer Polarisierung, eine Wertigkeit beigeben. Unter Zuhilfenahme der Erfahrung spreche ich mich hiermit für die Kultur aus. Letztens zum Beispiel, als ich aus dem Hau- se trat, wurde mir kalt. Da lob ich mir meine Jacke, die mich nicht nur vor Wind, sondern auch vor Regen schützt. Zumindest die eine, die andere schützt nur vor Wind. Naja und nochmal eine andere weder noch, vielleicht ein wenig vor Kälte. Trotzdem ziehe ich sie manchmal an, ich finde die sieht gut aus. Für den Winter ist die aber zu kalt. Welche Jacke ich wähle, liegt also zum einen daran, wie sehr ich mich der Natur (in dieser Geschichte also dem Regen und dem Wind) anpassen will und zum anderen, wie ich mich in Gesellschaft geben will (nur von der besten Seite!). Und das würde ich Kultur nennen. Glücklich darf ich anfügen, dass ich die Geschichte mit einem Happy End schließen kann. Ich entschied mich für erstere Jacke und bezwang so die Kälte, zumindest für den Moment. Ich denke bei der Farbe Rot an Paprika (die roten!). Hannes Schulz, 27 studiert Philosophie und Kulturreflexion im Master, hat zuvor den gleichnamigen Bachelor gemacht
Schwerpunktthema Wir sehen ROT 013 Klar, ich kann verstehen, dass man als Uni wachsen muss, um sich wirt- schaftlich tragen zu können, aber ich denke mir: „Ist stetiges Wachstum nötig oder ist es nicht auch gerade diese Uni, die verstehen könnte oder sollte, dass man nicht immer größer werden muss, sondern irgendwann auch sagen kann: ‚Wir haben eine Größe erreicht. Wir wollen gar nicht grö- ßer werden, weil sonst Qualität für Quantität flöten geht.‘“ Suffzient sein, das rechte Maß einhalten, das fände ich wichtig für die Uni. Johanna Hofmann studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Berlin Herausfordernd war für mich das Gefühl, dass die Uni, was progressive, kritische Sozialwissenschaften angeht, gerade feministische und postkolo- niale Theorie, nicht gut aufgestellt ist. Das ist eigentlich essenziell für einen PPÖ Studiengang, finde ich. Aber da tut sich inzwischen immer mehr. Es ist bereichernd, wenn Dozierende Erfahrungen von anderen Universi- täten mitbringen können. Andere Forschungsschwerpunkte, ein anderes Kollegium – da kommen neue Impulse. Jolinde Hüchtker, 21 studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Berlin Die Universität, beziehungsweise die Studierenden stellen mich immer wie- der vor die Herausforderung, nicht in eine Routine zu verfallen, sondern dem Zeitgeist so nah wie möglich zu sein, will heißen, dem Noch-Nicht-Vorhan- denen Raum zu geben, damit es sich entwickeln kann. Insofern verstehe ich mich als Entwicklungshelfer für das Neue, Noch-Nicht-Bestehende… Ich verstehe unter Kultur etwas immer wieder neu Im-Entstehen-Begriffe- nes, etwas Prozessuales, Lebendiges. Sobald das Leben entweicht, ist auch die Kultur weg und es erstarrt, wird museal und letztlich tot. Kultur ist für mich die Fähigkeit, Gesetz und Leben, Gewordenes und Werdendes, Sinnliches und Geistiges so zu verbinden, dass es eine neue Einheit vor Augen bringt und das sonst Getrennte als Ganzheit erscheint. David Hornemann von Laer Wissenschaftlicher Projektmitarbeit an der Professur für Kunstwissenschaft
014 Die Uni, und die UW/H im besonderen Maße, stellt mich vor allem vor die Herausforderung, an ihren eigenen Herausforderungen mitzuarbeiten. Was es heißt, an einer Universität zu studieren, ist ja ganz offensichtlich nicht bloß den Studierenden unklar geworden. Ich arbeite vor allem seit 1,5 Jahren im Wuppertaler Skulpturenpark, den Tony Cragg gegründet hat. Dort erlebe ich ebenfalls eine Institution, das Museum, im Wandel, auch wenn dies nicht derart explizit gemacht wird wie an der Universität. „Wer kommt da eigentlich warum hin? Und wer erzählt dort eigentlich warum was?“ sind aber Fragen, die an beiden Or- ten gleichermaßen interessieren. Im Museum wird man allerdings anders und bisher weniger mit der Frage nach der Funktion seines Gegenstands konfrontiert. Man kann dort im Gegenteil den Verzicht auf zumindest eine explizite Antwort erproben. Maximilian Brücher, 31 studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis Eigentlich mache ich das, was ich auch vor, beziehungsweise zwischen meiner Zeit an der UW/H gemacht habe, denn auch die Tätigkeit jetzt bringt immer neue Facetten mit sich, immer neue Situationen, auf die ich reagieren und eingehen muss. Das macht die Arbeit für mich so interessant und spannend. Nicht zuletzt sind es die unterschiedlichen Menschen und Charaktere, die das Arbeiten gerade im Studium fundamentale so reizvoll machen. Angefangen von den verschiedenen Studierenden bis hin zu den Lehrenden und Künstlerinnen und Künstlern. Es wird einfach nie langwei- lig! Britta Koch Dekanatsreferentin in der Fakultät für Kulturreflexion - Studium fundamentale
Schwerpunktthema Wir sehen ROT 015 Meine größte Herausforderung war es sicherlich, zusammen mit meinen Kollegen die Fakultät zu erhalten. Leider ist uns das nicht gelungen. Die Zahl der Bewerber um unsere Studiengänge hat nicht genügt. Meine zweitgrößte Herausforderung war es, die Fakultät als eine Fakultät zu pro- filieren, die im Vergleich alter und neuer Medien einzigartige Arbeit leistet. Auch das ist mir nicht gelungen. Die Studierenden an der Fakultät für Kulturreflexion sind einzigartig. Sie verbinden eine große Neugier mit einer wunderbaren Fähigkeit, sich auf ungewisse Projekte und ungewisse Berufsziele einzulassen. Unsere Studien- gänge haben aus der beruflichen Praxis immer sehr viel Zuspruch erfahren. Es ist schade, dass wir die Einsätze, um die es uns in unseren Studiengän- gen geht, nicht für Bewerber attraktiv machen konnten. Kultur ist für mich die Art und Weise, wie eine Gesellschaft ihren eigenen Sinn beobachtet, vergleicht und pflegt. Man kann auch von den Werten sprechen, die eine Gesellschaft sich selbst zuspricht. Das hat einiges mit den Künsten zu tun, lässt sich darauf jedoch nicht beschränken. Die Küns- te liefern dort einen Beitrag zur Kultur, wo sie den Menschen sinnlich zur Reflexion auf sein eigenes Leben herausfordern. Aber jede Kultur, auch eine Esskultur, Arbeitskultur oder Gesprächskultur, stellt die Frage, ob ich so, genau so, leben möchte. Dirk Baecker Lehrstuhlinhaber für Kulturtheorie und Management, Dekan der Fakultät Eine Sache, die ich an unserer Uni sehr schätze, ist die Vielseitigkeit und es ist auf jeden Fall eine große Angst meinerseits, dass diese Vielseitig- keit in irgendeiner Art und Weise weniger wird und dass dadurch wichtige Perspektiven - sei sie von den Studierenden, die hier nicht mehr Kultur- reflexion anfangen können - wegfällt. Sei es dadurch, dass vielleicht Profs aufhören, die für sich hier nicht mehr den richtigen Platz finden oder auch altersmäßig bedingt nicht mehr in Witten sind. Aber auch dadurch, dass andere Menschen nicht wieder angezogen werden, anderen Profs wieder angezogen werden, die vielleicht mit einer ähnlichen Perspektive denken und dass dadurch ein wichtiger Teil verschwindet, der unsere Uni enorm bereichert. Mein Studium war immer mit der Fakultät für Kulturreflexion verbunden. Ich kann es mir gerade nicht so gut vorstellen, wie es ohne sein wird. Die Chancen hängen stark von der jetzigen Ausgestaltung der neuen Fakultät ab. Sie vielleicht eine Chance in dem Bilde, das ich mir in unserer Uni wünsche, dass die Fakultäten mehr zusammenarbeiten und das, was die Studis zumindest annähernd im Stufu versuchen auch mal von insti- tutioneller oder professoraler Ebene kommt. Yanika Meyer-Oldenburg, 24 studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Mainz
016 Ich glaube, Kunst ist ein Fertigkeit, die man der Fertigkeit wegen tut und nicht um irgendeinen anderen Zweck zu erfüllen und deswegen fällt fast alles unter Kunst, was ich gerne mache und intrinsisch motiviert, wo ich das auch zu einer gewissen Meisterschaft bringen möchte, und das ist tatsäch- lich eben nicht nur bildnerische Kunst, sondern eben auch die Kunst des Denkens, würde ich es nennen, Kunst der Rhetorik und des Alltags. Richard Ulrich, 22 studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Arnsberg Herausfordernd ist für mich die Freiheit nicht nur ideell, sondern auch real zu konfrontieren. Grenzen auszutesten. Vernünftig und unvernünftig zu sein: im besten und im dümmsten Sinne. Florian Kämpf studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Herdecke Ich finde die PPÖler sind schon alle sehr ähnlich, von ihrer Herangehens- weise auch. Bei den Management Studierenden merkt man das oft an den Uhren. Die PPÖler haben oft bescheidene, oft sehr flache Uhren. Und bei Management haben die oft dickere Uhren. Und die Kure Studierenden tra- gen entweder gar keine Uhren oder ganz feine, ein bisschen andersartig. Und wenn es dann aber in Seminaren zusammenkommt und das Seminar richtig miteinander arbeitet, dann schätze ich das, wenn alle drei da sind. Das war der Grund, warum ich nach Witten gekommen bin, weil es eben Studium Fundamentale gibt. Für mich ist jedes Semester Stufu eigentlich das, was die Sache rund macht. In meinen Kursen geht es immer ums Le- sen, Lesen, Lesen noch mehr Lesen und dann manchmal auch ein bisschen Rechnen und andere Dinge, aber das wäre nie rund, weil es eben auf die reflexive Komponente ankommt. Im Stufu mehr Künstlerisches zu haben oder Kurse zu haben, wo es wirklich um persönliche Weiterentwicklung geht, da freue ich mich jedes Semester drüber und denke mir: „Ein geiles halbes Jahr.“ Florian Mende, 21 studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Würzburg
Schwerpunktthema Wir sehen ROT 017 Die größte Herausforderung war gewiss, den 8-semestrigen BA kurzfristig und überraschend bereits nach 7 Semestern abschließen zu müssen, weil sonst keine Möglichkeit mehr bestanden hätte, den zugehörigen Master zu studieren, denn der Studiengang wurde eingestellt. Ohne die immense Unterstützung meiner Dozenten hätte ich das nicht geschafft. Lara Venghaus, 32 studiert Philosophie und Kulturreflexion im Master, hat zuvor den gleichnamigen Bachelor gemacht, kommt aus Bielefeld Rot ist Rot und nicht Blau. Kultur wirkt wie die Aushandlung und Konven- tionalisierung von Setzungen zum Gewinn von Lebens- und Handlungs- sicherheit. Die Kunst durchschlägt dieses Anliegen immer wieder. Ich erlebe die Studierenden im Zusammenhang der Lehre, meiner Tätig- keit als Prodekan und in den Gremien von Fakultät und Universität. Ich er- lebe sie vor allem in der Lehre für meine Vorstellungen als wenig neugierig. Claus Volkenandt Professor für Kunstwissenschaften, Prodekan für Lehre
018 Ich habe erst in der Charité in Berlin angefangen Medizin zu studieren, habe aber ganz schnell gemerkt, dass ich nur mit Medizin da nicht überlebe […]. Es war auch mit Grund nach Witten Herdecke zu wechseln, dass ich dort neben Humanmedizin auch kulturelle Inhalte haben und wahrnehmen kann. Kultur ist alles, was durch den Menschen bewusst und kreativ geschaffen wird, in einem Prozess, der sich dann auch etablieren kann und als Festes in der Gesellschaft weiterlebt, aber der Ursprung aus einem kreativen Prozess entsteht. Wobei ich finde, dass man in allen Lebensbereichen kreativ sein kann und es wenig gibt, wo Kreativität nicht sein Platz hätte. Martha Koelman, 30 Alumna der Studiengänge Humanmedizin und Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Berlin Aus meinem direkten Umfeld, also aus meiner Familie kam sehr viel Unverständnis. Warum will er nochmal studieren? Warum will er Vollzeit studieren? Warum will er Philosophie studieren? Und was ist überhaupt Kulturreflexion? Sehr, sehr viel Unverständnis. Wenn man mich aber einmal erklären lässt, warum mich mein Weg hierher geführt hat, dann ist das auf jeden Fall für die meisten mittlerweile sehr schlüssig geworden. Für mich ist Reflexion die zentrale Kompetenzen, die man ganz einfach im Stufu er- lernen kann. Ich war immer schon ein Mensch, der sich mit sich selbst aus- einandersetzt, aber die Erfahrungen, die man im Studium Fundamentale machen kann - selbstreflexiven Kompetenzen - die sind schon sehr einzig- artig. Witzig ist, dass ich vielen Freunden von mir von meinen Seminaren berichte und die dann erst einmal abblocken, aber am Ende ist dann doch auf einmal Interesse da. Ich habe schon Bücher ausgeliehen und meine Seminarunterlagen weitergegeben und alles Mögliche. Das ist schon faszi- nierend, dass die Leute damit fast immer etwas anfangen können. Markus Tervoort, 29 studiert im Master Philosophie und Kulturreflexionen, hat seinen Bachelor in BWL gemacht, kommt aus Krefeld
Schwerpunktthema Wir sehen ROT 019 Um zu dem Punkt zu kommen, an dem man versteht, dass man für sein Lernen selbst verantwortlich ist und dass man wirklich nur für sich selbst lernen kann; ich glaube dazu ist das Studium extrem gut (lacht). Weil man halt wirklich nicht für irgendeinen Plan oder für irgendwas oder für irgend- ein Ziel danach lernt, sondern wirklich nur für sich. Was macht man dann damit? Ja, mittlerweile amüsiert es mich einfach, dass ich dann sagen kann: „Och, ich weiß noch nicht und ich studiere das jetzt erstmal für mich und dann mal gucken”. Denn die meisten Menschen das, glaube ich, nicht verstehen können, dass man etwas studiert, ohne zu wissen, was man genau damit macht. Meine Vision ist, nie aufzuhören zu denken und den Wittener Geist - was auch immer das ist - irgendwie in die Welt zu tragen, wie auch immer. Den Humor dabei nicht zu verlieren. Ja und einfach immer eigenverantwortlich mein Lernen und mein Leben zu gestalten. Shaya Werner, 22 studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Worms Statt zu studieren, würde ich mich wahrscheinlich am liebsten in den Urwald zurückziehen und einfach nur schreiben. An eine Uni bringen mich eher Gedanken wie: „Man muss ja etwas gesellschaftlich Sinnvolles tun und für seine Zukunft sorgen“. Gemessen daran, dass ich mir dann vor al- lem Freiheit und Eigenverantwortung im Studium wünsche, ist dieser Stu- diengang wahrscheinlich der beste, der mir passieren könnte. David Röhrig studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Meschede Meiner Meinung nach ist alles Kultur, was nicht Natur ist. Das heißt zur Kul- tur gehört nicht nur Beethoven, Hundertwasser und Ballett, sondern auch der zweite Weltkrieg, Umweltzerstörung und Populismus. Milo Munnix, 22 studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis
020 Gesundheit, Wirtschaft und Kultur. Kultur kann sich nie halten. Ich habe auch als Veranstaltungskauffrau in einem soziokulturellen Zentrum in Ha- meln gearbeitet, der „Sumpfblume“. Da wurde das ständig kritisiert. Wir haben Zuschüsse bekommen von der Stadt, weil das kulturelle Programm sich allein nicht gehalten hat, weil die Leute durch YouTube und Kultur- angebot im Internet gar nicht unbedingt den Drang haben rauszugehen und ein Theaterstück anzugucken, darüber zu diskutieren und darüber selber nachzudenken. Sie wollen es sich eher bequem machen und Kultur auf dem Tablett serviert bekommen. Sie wollen schmecken, ohne den Gau- men zu benutzen. Deswegen stirbt die Kultur zuerst. Die Wirtschaft hält sich über Wasser. Stereotypisierungen nicht ausgeschlossen, aber so wie ich meinen Kommi- litonen wahrnehme, ist es schon eher so, dass PPÖler und auch die rest- lichen Studiengänge dazu neigen, sich in Gruppen zu formieren. Bei den Kure-Studierenden ist es eher so: die sind überall und nirgendwo. Jeder für sich – nicht immer und nicht ausschließlich – aber das Studium, was ich mache, wird niemals so sein, wie das Studium, was du machst. Genau darin liegt eigentlich die Brillanz für mich. Melissa Klemme, 23 studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Hameln Jeden Tag ein Gedicht lesen, ist so etwas wie ein schönes Bild sehen oder in einem schönen Haus wohnen oder in einen schönen Wald gehen, eine schöne Blume sehen: es löst Wohlgefühl aus. Wenn Form und Inhalt über- einstimmen, dann ist es ein gutes Gedicht. Es gibt sehr schöne Gedichte, die nenne ich Tagebuchgedichte, die über sich selbst erzählen und auch Emotionen wiedergeben. Aber das heißt noch nicht, dass es ein gutes Ge- dicht ist. Ich von Paul Celan aus, der darüber geschrieben hat, dass es dicht sein muss, es muss verdichtet sein. Deswegen sind Gedichte nicht immer einfach, weil Gedichte ja auch verdichtet sind und immer nur ein Bild zeich- nen und ich muss selbst den Hintergrund finden. Also jetzt hier beim Foto- grafieren habe ich zum Beispiel ein Gedicht von Else Lasker-Schüler gesagt und gedacht. Das heißt „Ein alter Teppich“. Ich habe jahrelang nur Schwarz getragen – nur schwarz - und dann irgend- wann hing im Schaufenster mein rotes Mützchen. Das ist schon die zweite Generation, die ich jetzt habe. Ich habe dieses rote Mützchen aufgesetzt und gedacht: „Aha“. Jetzt habe ich sehr viele rote Sachen inzwischen. Ich kann sie nicht immer anziehen, weil das erfordert für mich auch immer sehr viel Kraft. Rot ist eine Kraft. Diese Kraft muss man haben, es auch zu tragen. Ein rotes Mützchen geht noch aber, eine rote Bluse ist schon ganz schön mutig. Wir haben eine Farbskala für Buchstaben und da gibt es so eine Regel und da ist A rot. A ist der kräftigste Laut, es ist der Schmerzlaut, aber auch der Lebenslaut oder des Staunens Laut. Wenn wir jetzt politisch denken, dann ist es die rote Nelke und die rote Fahne. Das ist nicht mein Ding. Das löst es bei mir nicht aus. Da kommt zwar eine Erinnerung an früher, aber da ist für mich die Verbindung, dass ich rot mit links oder so verbinde nicht da. Rot verbinde ich noch mit Blut, Wut, Schmerz, wie Lust, wie Freude, wie lebendig sein. Blanche Kommerell Dozentin für Sprache und Schauspiel, leitet unter anderem das Theater und den Stufu Kurs „Freude am Sprechen“
Schwerpunktthema Wir sehen ROT 021 Kulturbegriff, ey, jetzt haut ihr mich auch echt in die Pfanne. Über die Frage habe ich mir ja noch nie Gedanken gemacht. Was ist denn Kultur? Also, das schwebt eigentlich überall rum. Eine Kultur das ist ja der Klebstoff, der eigentlich um uns herum ist, wenn wir glauben, andere Sachen zu machen, die wichtig sind. Es ist eigentlich das Wie. Ich würde es jetzt mal Kultur ganz salopp beschreiben als das Wie, man was macht. An diesem Unternehmenstag sind verschiedene Universitäten da gewe- sen, aber auch Unternehmen und irgendwann quatscht mich einer an mit langen zotteligen Haaren und sagt: „Ey, hast du nicht Bock Medizin zu studieren?“ und ich sag so: „Nee, auf keinsten“ und habe dann auf sein Schild geguckt und da stand dann „Philosophie, Politik und Ökonomik“ und ich so: „Alter, was ist das denn?“ und dann hat er mir das erklärt und dann war ich so: „Ah, das ist ja geil, das mache ich“ und dann bin ich auch hier hingekommen. Benjamin Waldow, 26 studiert Philosophie, Politik und Ökonomik, kommt aus Dormagen Bei Kure ist es genau anders [als in der Management Welt]. Da hat man keine „starre“ Studienverlaufsplanung. Es ist einem selbst überlassen. Man kann und soll sich freier entwickeln. Ich habe damals mit Kure ganz bewusst angefangen, weil ich dachte: „Wenn du jetzt einen Studiengang wählst, wo du in diesem Tunnel bist mit dieser einen Idealvorstellung und nur den Formalitäten folgst, dann verlierst du ganz viel und musst aufgeben, was du auch noch sein könntest.“ Nicole Steller, 22 studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis B.A. und Management B.Sc., kommt aus Hagen Ich behaupte von mir auch immer, dass ich nicht so ganz die klassische Studentin bin, weil ich gefühlt mehr nebenbei arbeite und mit meinen Pro- jekten zu tun habe. Ich glaube, das war auch die größte Herausforderung, immer alles in Balance zu halten und das gut miteinander zu vereinbaren – Seminare mit meinen Projekten – sodass ich für alles auch genug Zeit hatte. Rahel Steffen, 23 studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Bochum
022 […] Ich habe immer so eine leichte Blasen-Aversion, also ich reflektiere das immer: Stecke ich gerade in so einer bestimmten sozialen Blase drin? Das ist die hier auch, aber das ist bisher die angenehmste, die ich gefunden habe (lacht). Es ist ein Verständnis von: Ja, Uni hat was mit Seminaren und Lesen und Dis- kutieren zu tun, wenn du aber Uni auch darunter verstehst geistig und als Mensch und als Persönlichkeit zu wachsen, dann gehört diese Initiativen- Welt total dazu und kann da was leisten und das führt am Ende zu Leu- ten, die aus der Uni rauskommen und einfach weiter sind, als sie es wären, wenn sie nur dieses akademische Angebot gehabt hätten. Justus von Verschuer, 29 studiert den Master Ethik und Organisation, kommt aus Essen Kure Studierende in drei Worten? Mittwochs, Donnerstags und am Wochenende. Paavo Schimrigk, 24 studiert Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, kommt aus Bochum
Schwerpunktthema Wir sehen ROT 023 „WIR SEHEN ROT“ Kulturreflexion ein abstrakter Begriff unter dem jede*r et- Das war der Text der Ausstellung “Wir sehen Rot!”, die was anderes zu verstehen scheint. vom 10.10.-16.10.19 in der Großen Halle der Universität Dabei verbirgt sich an unserer Universität dahinter etwas Witten/Herdecke zu sehen war. Die beiden Studierenden ganz Konkretes – die rote Fakultät mit einer Gruppe von Hanna Gottschalk und Lara-Luna Ehrenschneider (beide Menschen. Bachelor Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis) Menschen, die hier an der Universität studieren, lehren, ar- haben das Projekt ins Leben gerufen. Ihre Idee war es, zu beiten oder studiert haben. zeigen, wie vielfältig die Fakultät für Kulturreflexion ist. Und Aber wer sind diese Menschen? Was verstehen sie unter das ist Ihnen gelungen. Fast ein halbes Jahr lang haben sie dem Begriff Kultur? An welchen Projekten arbeiten sie? Studierende, Dozierende und Mitarbeiter der Fakultät ein- Wie erleben sie die Universität und die Stadt Witten? geladen, um Interviews mit ihnen zu führen. Dazu kamen Woher kommen die Mitarbeiter*innen und was sind die Portraitaufnahmen, die von Joao Hermeto aufgenommen Schwerpunkte in der Forschung und Lehre unserer Do- wurden. zent*innen? In unserer dokumentarischen Ausstellung „Wir sehen Rot“ möchten wir die Vielfalt dieser Persönlichkeiten präsent machen und zeigen, welche Gesichter und Geschichten Teil dieser Fakultät sind. Wir möchten diese manchmal un- scheinbar wirkendende Gruppe sichtbar machen und zei- gen, dass sie noch präsent an unserer Universität ist. Nehmt euch Zeit, die Menschen zu betrachten und zu le- sen, was sie zu sagen haben. Lasst es auf euch wirken. Rot die Farbe von Wut und Liebe, Kampf und Willenskraft, von Schmerz und Leid, Revolution und Neuanfang.
024 REFLEXION AUF DIE VERNISSAGE UND DAS PROJEKT „WIR SEHEN ROT“ Musik erklingt und sanftes Licht erhellt den Raum, Menschen schlendern an den großen Fotografien vorbei, unterhalten sich über das Gesehen und Gelesene. Überall sieht man rote Fragmente. Hanna Gottschalk und Lara-Luna Ehrenschneider Studierende B.A. Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis Es war Donnerstag der 10. Oktober 2019 und nach einer in- Mit der Veröffentlichung des Wissenschaftsratsberichts im tensiven, schlafarmen Vorbereitungswoche kehrte erst zehn Sommer 2018 wurde für uns die Frage immer drängender, Minuten vor der Vernissage etwas Ruhe ein. Zuvor wurde welche Personen Teil der Fakultät für Kulturreflexion sind noch fleißig austariert, ausgedruckt und letzte Änderungen und was sie bewegt. Wir wollten zeigen, was sonst im Uni- vorgenommen. Die Bilder der Ausstellung „Wir sehen Rot“ alltag im Verborgenen blieb. Über das Wintersemester füllten die Große Halle der Universität Witten/Herdecke. 56 hinweg kristallisierte sich aus unserer vagen Absicht, sicht- Fotografien von Studierenden, Dozierenden und Mitarbei- bar zu machen, was bis dahin in den Tiefen der Fakultät ter*innen der Fakultät für Kulturreflexion. Zum ersten Mal verborgen lag, der handfeste Plan, eine Foto-Ausstellung hingen sie alle wahrhaftig, nebeneinander an ihrem Platz. zu organisieren. Bei einer Probe für den Balladenabend ka- Teilweise von den Balustraden an Nylonseilen herunter men wir mit João Hermeto, dem Fotografen, ins Gespräch. oder an den Wänden. Die Endkuration in ihrem vollen Aus- Er erklärte sich sofort bereit einzusteigen. Seine fotografi- maß zu sehen, war für uns ein überwältigender Moment, in sche Erfahrung und sein akademischer Hintergrund an der dem wir vom Glück überwältigt wurden. Eine kleine Reise KuRe Fakultät ermöglichte uns von Beginn an eine kritische lag hinter uns. Wir ergriffen das Wort und berichteten den Auseinandersetzung und Reflexion mit unserer Herange- Gästen von dem Erstehungsprozess unseres Projekts: hensweise. Nach Konzepttreffen, Probeshootings und Ma-
Schwerpunktthema Wir sehen ROT 025 terialbeschaffung, begannen wir Ende April 2019 mit den ersten Foto-Sessions und Interviews. Auf dem Dachboden von Lunas WG piepte beim Auslösen zunächst der Blitz, während rote Accessoires durch die Luft flogen. Anschlie- ßend erfüllten Wortbeiträge die WG Küche, während das Aufnahmegerät lief. Andere Male hatten wir einen Raum an der Universität gebucht und dort unser kleines Studio errichtet. Im Sommer stand dann die zähe Arbeit der Tran- skriptionen an, der wir uns mutig stellten und so aus den vielen Interviews, Zitate herausfilterten, die zum Teil nun in der vorliegenden Stufuzeitung zu lesen sind. In den Semes- terferien fertigten wir Probedrucke an, schickten Sponso- ringanfragen und filterten die in unseren Augen passenden Bilder heraus. Ernst wurde es, als die Fotographien in den Druck gingen. Rückblickend wurde uns zu diesem Zeitpunkt erst so richtig klar, dass unsere Idee nun in die Tat umge- setzt werden würde. Voller Spannung fuhren wir zur Drucke- cher Dank geht auch an Lunas WG, die uns geduldig ertra- rei, um die A1 Formate abzuholen und sie zum ersten Mal gen und die Küche geräumt hat und insbesondere André in den Händen zu halten. Zuvor hatten wir sie nur vereinzelt und Christian, deren Autos wir leihen durften. Wir danken auf unseren Bildschirmen betrachtet. außerdem Jette, Shaya, Laura, Blanche und Alexander Ja- kobidze-Gitman für ihre künstlerischen Beiträge am Abend In den letzten Stunden vor der Eröffnung waren es nicht zu- unserer Vernissage, sowie den vielen Helfer*innen beim letzt die vielen helfenden Hände, die unsere Ausstellung Aufbau und hinter der Theke: Jolinde, Leon, Leila, Simone, möglich machten, weil sie uns mit dem Aufbau und dem Hanna, Ramona, Olli, Max, Fabio, Moritz, Nastasia, Tatja- Catering unterstützten. Im weiteren Eröffnungsprogramm na. Zudem bedanken wir uns bei dem BIT und dem Facility beschenkte uns Alexander Jakobidze-Gitman mit einem Management, welches uns stets hilfreich beraten hat, sowie wundervollen Stück am Klavier, Jette und Laura mit einer unseren Spender*innen für die Speisen, allen voran Gel- Gesangseinlage und Shaya und Blanche mit kräftigen, dermann für ihre großzügige Sektspende. Zu guter Letzt nachwirkenden Worten. Der Ausstellungsauftakt war ein möchten wir uns herzlich bei der Wittener Universitätsge- sellschaft bedanken, die uns den Druck der Bilder ermög- licht hat und bei unserer Fakultät und allen Teilnehmenden, ohne die dieses Projekt nie hätte entstehen können. wundervoller Abend, voller Gespräche, Fröhlichkeit und Nachdenklichkeit. Diese besondere, familiäre Atmosphäre machte für uns den Zusammenhalt (der Fakultät?) spürbar. Wir hoffen, dass es auch in Zukunft solche Momente geben wird, in denen Kultur gelebt und erlebt wird. Wir möchten uns an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei João Hermeto bedanken, der uns immer zur Seite stand und all die hervorragenden Fotographien geschaffen hat. Wir danken auch Herrn Volkenandt, der uns von Anfang an seine Unterstützung zugesichert und uns während des Ent- stehungsprozesses begleitet hat. Ebenso danken wir Britta Koch und Melanie Laskowski aus dem Sekretariat, so wie Gebhard Reis für die Ausleihe des Fotoequipments. Herzli-
026 SOLLTEN WIR UNS SELBST ÜBERFLÜSSIG MACHEN? Kurexit: Für eine Kulturreflexion ohne Kulturreflexion „What happens at 11pm this friday [...] marks the point of no return. [...] And the rest frankly is detail“, sagte ein euphorischer Nigel Farage wenige Tage vor dem Brexit. Maximilian Brücher B.A. Philosophie, Kulturreflexion und kulturelle Praxis, studentischer Vertreter für die Fakultät für Kulturreflexion – Studium Fundamentale Natürlich sind die Unterschiede zwischen dem Ende der Dabei ist die Entzweiung kaum zu verhindern. Was man im Fakultät für Kulturreflexion (Kurexit) und dem Brexit ekla- laufenden Prozess beobachtet, kann mit kritischem Impetus tant. Das Bild ist aber auch deswegen schief, weil Farages ‚Mikropolitik‘ genannt werden. Mir fallen dazu andererseits Radikalität Wunschdenken ist. Selbst wenn Großbritannien aber auch die Worte unseres Dekans, Prof. Baecker, ein, niemals mehr Teil der EU sein sollte, ist der ‚Point of no Re- mit denen er in anderen Kontexten die aufziehende Netz- turn‘ unhaltbar, sofern er nicht die Tautologie beschreiben werkgesellschaft beschreibt: „A macht B mit C bekannt und soll, dass nichts so sein wird wie es war. „Nach dem Brexit muss sich von da an sorgen, dass B und C auch ohne A zu- ist vor dem Brexit“ liest man momentan häufiger.1 rechtkommen.“ Und Bekanntschaften werden dieser Tage viele gemacht. Es ist einerseits toll, wie kurz die Wege an Dieser Text ist allerdings kein Plädoyer für die Rück-Ab- der UW/H sein können, und wer mit wem schnell ins Ge- wicklung. Kurexit means Kurexit! Zu diesem Semester wer- spräch kommt. Alle können mitreden, Studierende wenden den die eingesetzten Arbeitsgruppen neue Ordnungen sich direkt an Organe der Verwaltung und nicht zuletzt So- für das Zentrum des Studiums Fundamentale und für die cial Media erlaubt Kommunikation an allen etablierten Ins- neue Fakultät für Wirtschaft und Gesellschaft erarbeitet titutionen vorbei. haben. Vielleicht werden diese Arbeitstitel der neuen Ein- richtungen angepasst worden sein. Mit der Auflösung der Andererseits wächst damit die Sorge, überflüssig zu wer- alten Strukturen werden u.a. Vertreterposten wie meiner den. Bei den Studierenden der Kulturreflexion ist dieses verschwinden, damit an anderer Stelle andere Strukturen Gefühl, aus naheliegenden Gründen, recht ausgeprägt. entstehen können. Drei Fakultäten werden von zwei Fakul- Aber auch anderswo ist es nicht unbekannt. Ich würde mir täten und einem Zentrum abgelöst werden. The rest frankly für den weiteren Prozess daher eine Sensibilität für diese is detail. Fallstricke wünschen, eine Reflexion der Universitätskultur also. Gelingt dies, entstünde wohl ein spannender Ort: Aber steckt nicht ausgerechnet im Detail der Teufel? Die “Heute habe ich mich experimentell überflüssig gemacht. am Prozess bisher Beteiligten wissen dies allzu gut. Doch Morgen sehen wir uns wieder!“ die Bedeutung des Teuflischen, des Diabolischen, des Aus- einanderwerfenden, also des Entzweienden2 scheint weiter 1 zu reichen. Die Sorge darum, zu entzweien, meine ich in So oder ähnlich u.a. zu finden als Titel bei der Tagesschau und Deutscher Welle. Gesprächen der vergangenen Monate mit Kommilitonin- 2 Als Philosophiestudent ohne Altgriechischkenntnisse muss ich einschlägi- nen und Kommilitonen, mit Vertreterinnen und Vertretern gen Ressourcen zur Bedeutung von διαβάλλειν vertrauen. meiner Fakultät, und mit dem Präsidium aufrichtig erfahren zu haben. Noch schwerer wiegt nur die Sorge, entzweit zu werden.
Fakultät Studium AUS UND
028 KOMMEN & GEHEN Dirk Baecker Dekan der Fakultät für Kulturreflexion – Studium fundamentale PROF. DR. RENATE BUSCHMANN Nach der Promotion wird Frau Buschmann Direktorin der Video- und Medienkunst-Stiftung imai in Düsseldorf, wo sie Frau Buschmann ist die erste Bau- und Möbeltischlerin, die sich um die Sammlung und das Archiv kümmert, Symposien an der Fakultät für Kulturreflexion auf einen Lehrstuhl beru- durchführt, Forschungsprojekte konzipiert und Ausstellun- fen wird. Nach dem Erwerb des Gesellenbriefs beginnt Frau gen verantwortet. 2018 erreicht diese Arbeit mit einer Aus- Buschmann ein Studium der Kunstgeschichte, Klassischen stellung zu den Video Paintings von Brian Eno, der Einrich- Archäologie und Ur- und Frühgeschichte an der Universität tung eines Video Online-Archivs und einer internationalen zu Köln, verbringt ein Jahr mit Studium und Ausgrabungen Konferenz zur Video Art Distribution weitere Höhepunkte. in Florenz und schließt ihr Studium mit einer Masterarbeit An der Universität Witten/Herdecke plant Frau Buschmann über Gestaltungsprinzipien im italienischen Möbeldesign die Fortsetzung ihrer Beschäftigung mit den elektronischen der 1960er und 1970er Jahre ab. 2007 wird Frau Buschmann Künsten. Sie wird die Auseinandersetzungen im Studium mit einer Kunstausstellung promoviert, die eine nicht statt- fundamentale mit den klassischen Medien Bild, Ton und Text gefundene Ausstellung dokumentiert: „Between 1969–73: um einen entscheidenden Akzent in Richtung Echtzeitmedi- Chronik einer Nicht-Ausstellung“. Diese Arbeit führt in die en erweitern. unruhigsten Jahre der Düsseldorfer Kunstszene und ist ein Beitrag zur Institutionenkritik, die die Künste seit dieser Zeit Wir freuen uns, Renate Buschmann für den Lehrstuhl für Di- zuverlässig begleitet. gitale Medien und Kulturvermittlung begrüßen zu können.
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