215 Landtagskurier Ausgabe 5 | 2021 - Der Sächsische Landtag
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VK 2B 03058F Landtagskurier Ausgabe 5 | 2021 kt! Vorgemer F F E N E N T ÜR TAG DERSIO S CH E N L A NDTAG IM SÄCH 0 . 2 0 2 3.1 – 18 Uhr) 1 (14 5 21 Seite 6: Seite 16: Seite 20: Aktuelle Debatte zu Landtagspräsident besucht Historisches Jubiläum: Wetterextremen und Ausstellungseröffnung 400 Jahre Landtag Hochwasser in Sachsen zum Dreißigjährigen Krieg in Kamenz
EDITORIAL I N H A LT PLENUM 34. Sitzung des Sächsischen Landtags Verantwortung für das Ganze Staatsregierung will Impfangebote ausweiten ............................................... 4 34. Sitzung des Sächsischen Landtags Freie Fahrt für das Bildungsticket Chance für den ländlichen Raum und den öffentlichen Nahverkehr............................................................................................... 5 34. Sitzung des Sächsischen Landtags Klimaschutz fortführen Wetterextreme häufen sich, Politik diskutiert Maßnahmen...............6 Hintergrundinformationen zum Hochwasser in Sachsen ...................8 35. Sitzung des Sächsischen Landtags Wohnungsmarkt unter Stress Foto: S. Giersch Knapper Wohnraum in den Städten, Leerstand im ländlichen Raum..........................................................................................9 Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger, 35. Sitzung des Sächsischen Landtags Aus der Krise in die Zukunft schon vor einigen Wochen haben in Sachsen die Sommerferien be- Sachsen soll an vielen Stellen digitaler werden.......................................... 10 gonnen. Nach einem kräftezehrenden Schuljahr dürfen sich die 35. Sitzung des Sächsischen Landtags sächsischen Schülerinnen und Schüler nun freuen, endlich auszu- Abschiebung oder Anerkennung? spannen und sich zu erholen. Auch sonst ist für viele von uns die Fraktionen bewerten Umgang mit Migranten Urlaubszeit angebrochen. Vielleicht haben Sie sich vorgenommen, äußerst unterschiedlich..........................................................................................................11 ein lange liegen gebliebenes Buch zu lesen, den Garten zu pflegen PA R L A M E N T oder zu verreisen. Der Sächsische Landtag befindet sich nach einem arbeitsreichen Die Landarztquote Plenarjahr ebenfalls für mehrere Wochen in der Sommerpause. Noch Anreize beim Hochschulzugang sollen Ende Juli, wenige Tage vor dem Ferienstart, kamen die Abgeordne- Ärztemangel abmildern.......................................................................................................... 12 ten zu zwei Sitzungstagen zusammen. Traditionell bietet sich dieser Laufende Gesetzgebung....................................................................................................... 13 Zeitpunkt an, um eine Arbeitsbilanz der vergangenen 12 Monate zu ziehen. So behandelte der Sächsische Landtag 40 Gesetzentwürfe, AKTUELLES darunter 21 angenommene und vier abgelehnte Beschlüsse. 15 Ge- Der schwebende Gärtner..................................................................................................... 14 setze befinden sich noch in der parlamentarischen Beratung. Die Europäischer Krieg und deutsches Trauma Abgeordneten und Fraktionen stellten insgesamt 2 670 Kleine und Ausstellung thematisiert den Dreißigjährigen Krieg sieben Große Anfragen an die Staatsregierung. und seine Folgen für Europa............................................................................................. 16 Diese Zahlen machen deutlich, dass unser Parlament auch im zweiten Jahr unter Corona-Bedingungen entschlossen und selbst Gedruckte Demokratiegeschichte Landtagskurier informiert seit 30 Jahren über bewusst agierte. Die Abgeordneten nahmen die Staatsregierung in die Arbeit des sächsischen Parlaments............................................................... 18 die Verantwortung, regelmäßig im Hohen Haus über die Pandemie- lage in Sachsen zu berichten. Sie setzten außerdem durch, die SONDERTHEMA Ausschüsse bei den Corona-Schutz-Verordnungen einzubeziehen. »Zu Camentz gieng der Land-Tag an« Die Mitspracherechte gingen den einen dennoch nicht weit genug, Der Kamenzer Landtag von 1621 als erste Oberlausitzer für andere verzögerten sie die Umsetzung wichtiger Beschlüsse. Ständeversammlung unter kursächsischer Herrschaft............................. 20 Ungeachtet dessen hat sich der Landtag in einer Zeit höchst unter- schiedlicher Meinungen als ein Ort zentraler gesellschaftlicher GESCHICHTE Debatten erwiesen. Das Parlament stand nicht an der Seitenlinie, Erich Zeigner – Der umstrittene Krisenmanager von 1923 sondern war als handelnder Akteur auf dem Spielfeld beteiligt. Ministerpräsidenten und Landtag in der Zeit Im vorliegenden Landtagskurier können Sie sich über die jüngsten von 1919 bis 1933 (Teil 3).................................................................................................... 22 Debatten und Beschlüsse des sächsischen Parlaments umfassend informieren. Ich freue mich außerdem, dass es gelungen ist, gleich SERVICE zwei hervorragenden Artikeln zur Landtagsgeschichte in diesem Weitere Informationen des Sächsischen Landtags................................ 24 Heft Platz zu schenken. Dr. Matthias Rößler Präsident des Sächsischen Landtags // Titel: Abstimmung im Plenarsaal // Foto: S. Floss 2
PLENUM Bildungsticket, Wetterextreme, Mietendeckel, Digitalisierung, Zuwanderung // Abgeordnete auf dem Weg in den Plenarsaal // Foto: O. Killig // Die 34. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags am 21. Juli 2021 begann mit dem Bericht der Staatsregierung zur Corona-Lage in Sachsen. Daran schloss sich eine Aktuelle Debatte an, die die Einführung des Bildungstickets zum 1. August 2021 thematisierte. Eine weitere Debatte befasste sich mit den Folgen des Klimawandels. Am darauffolgenden Sitzungstag standen die Mietpreisentwicklung in den Städten, die Chancen der Digitalisierung sowie das Thema Asyl auf der Tagesordnung. // 3
PLENUM 34. Sitzung des Sächsischen Landtags // Schweigeminute für die Betroffenen des Hochwassers in Deutschland // Fotos: S. Floss Dr. Daniel Thieme Verantwortung für das Ganze Staatsregierung will Impfangebote ausweiten // Aus aktuellem Anlass begann die 34. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags mit sich durch die Aussetzung der Maskenpflicht einer Schweigeminute für die Opfer der Hochwasserkatastrophe in mehreren deut- seit der vergangenen Woche verstärkt. Die Maßnahme komme im Hinblick auf die ver- schen Bundesländern. Anschließend berichtete die Sächsische Staatsregierung gleichsweise niedrige Impfquote in Sachsen über den Stand der Corona-Pandemie. // und die sich ausbreitende Delta-Variante des Coronavirus viel zu zeitig. Weiteren Lockdown vermeiden Mehr Chancen als Risiken Wirtschaftsminister Martin Dulig, SPD, versi- Alexander Dierks, CDU, forderte die AfD dazu Wachstum nach der Krise cherte, dass die Staatsregierung intensiv auf, ihrer parlamentarischen Verantwortung daran arbeite, die Impfbereitschaft zu erhö- nachzukommen und nicht weiter die Pandemie An den Erfahrungen der Corona-Krise könne hen. Man wolle alles unternehmen, um einen bekämpfung zu gefährden. Man habe sich man wachsen, so Gerhard Liebscher, BÜNDNIS weiteren Lockdown zu vermeiden. Innenmi- in den letzten Monaten ein Stück Normalität GRÜNE. Besonders am Herzen liege seiner nister Roland Wöller, CDU, würdigte den Ein- zurückgeholt, müsse aber weiterhin vorsichtig Fraktion eine Wiederbelebung der Innenstäd- satz von Ärzten, Pflegekräften, Forschern, bleiben. Deshalb sei es richtig, umfassend te. Darüber hinaus investiere man langfristig Logistikern und anderen Berufsgruppen in für eine Impfung zu werben. Letztlich berge in den Klimaschutz, wenn die Einnahmever- der Corona-Pandemie. Ebenso dankte er jenen zwar jede Schutzimpfung auch ein Restrisiko, luste der sächsischen Verkehrsgesellschaften 520 Landesbediensteten, die in den Land- dies sei aber hundertfach geringer als mög- voll ausgeglichen würden. Regionale Pro- kreisen und kreisfreien Städten im Gesund- licherweise eine schwere Corona-Erkrankung. duktionskreisläufe und eine sächsische heitsdienst ausgeholfen hätten. Viele Menschen würden die Gefahr, zu Kreislaufwirtschaft minderten die Abhängig- Der Fraktionsvorsitzende der AfD, Jörg erkranken oder sogar zu versterben, nicht keit von globalen Lieferketten. Urban, warf der Staatsregierung mangelnde mehr ernst genug nehmen, konstatierte Rico Impfen sei und bleibe gegenwärtig die Vorbereitung und fehlerhaftes Management Gebhardt, DIE LINKE. Dieser Eindruck habe höchste Priorität, befand Simone Lang, SPD. in der Corona-Pandemie vor. So habe sie zu Jeder Sachse könne sich selbst vor einer In- spät notwendige Ausrüstung besorgt und fektion schützen und dazu beitragen, eine Alten- und Pflegeheime nicht ausreichend vierte Welle im Herbst zu verhindern. Damit geschützt. Impfen stelle in erster Linie einen würde man nicht nur sich selbst, sondern Eingriff in die körperliche Unversehrtheit insbesondere auch Kinder und erkrankte ältere dar, es sei mit einigen Risiken verbunden. Menschen schützen. Lockerungsdiskussio- Währenddessen sinke aufgrund von Virus- nen seien zum jetzigen Zeitpunkt völlig fehl mutationen gegenwärtig die Wirksamkeit am Platz. Es bedürfe zunächst für den Herbst der Immunisierung. eines funktionierenden Plans. 4 Ausgabe 5 2021 ˚ // Martin Dulig
PLENUM 34. Sitzung des Sächsischen Landtags Foto: S. Floss Dr. Daniel Thieme Freie Fahrt für das Bildungsticket Chance für den ländlichen Raum und den öffentlichen Nahverkehr // In der ersten Aktuellen Debatte am 21. Juli 2021 befasste sich der Sächsische Beitrag zur Mobilitätswende Landtag mit einem Antrag der SPD-Fraktion zum Thema: »Für Schule, Freizeit und Viele Gebiete in Sachsen seien beim ÖPNV Wochenende – endlich kommt das Bildungsticket«. Das Angebot wird ab 1. August unzureichend erschlossen, betonte Gerhard in Sachsen eingeführt. Es verschafft Kindern und Jugendlichen eine günstige Liebscher, BÜNDNISGRÜNE. Kultur- und Frei- Möglichkeit, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. // zeitangebote könnten so nur unter er- schwerten Bedingungen oder mit dem Auto Enorme Kraftanstrengung Alte Strecken reaktivieren erreicht werden. Die Koalition arbeite daher an einer besseren Anbindung des länd Henning Homann, SPD, betonte, das Bildungs Ein Lobgesang auf das Bildungsticket käme lichen Raumes. Mit dem Ausbau des Plus- ticket ermögliche Kindern und Jugendlichen bei aller Sympathie noch zu früh, so Tobias und TaktBus-Verkehrs und der Reaktivierung einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung, Keller, AfD. Das Beförderungsangebot sei stillgelegter Bahnstrecken wolle man die unabhängig davon, wo sie wohnten oder gerade in ländlichen Gemeinden viel zu Kommunen in den unterversorgten Gebieten wie viel ihre Eltern verdienten. Es sei gleich- dünn. Manche Orte seien für einen An- möglichst im Stundentakt anbinden. zeitig ein weiterer Baustein für die Mobili- schluss per se ausgeschlossen. Aber auch Um das Angebot im öffentlichen Nahverkehr tätswende, wenn es gelinge, auf diese Wei- Probleme mit langen Fahrtzeiten oder feh- auszubauen, stelle die Staatsregierung über se junge Menschen für den Nahverkehr zu lenden Direktverbindungen gehörten zu das Landesinvestitionsprogramm 130 Millio begeistern. Das Angebot schenke ihnen zu- Defiziten, die schnellstmöglich behoben nen Euro zur Verfügung, so Wirtschafts sätzliche Freiheit, ermögliche Selbstständig- werden müssten. Es führe kein Weg daran minister Martin Dulig, SPD. Zu den Schwer- keit und entlaste ihre Familien finanziell und vorbei, verschiedene Bahnstrecken zu reak- punkten gehöre die Omnibusförderung und organisatorisch. tivieren. die Förderung neuer Straßenbahn- und Stadt Andreas Nowak, CDU, stimmte den Worten Man freue sich darüber, dass es das Bil- bahnfahrzeuge. Daneben stelle man den seines Vorredners zu, auch für ihn sei das dungsticket nun endlich in Sachsen gebe, so zuständigen kommunalen Aufgabenträgern Bildungsticket ein richtiges und wichtiges Pro- Marco Böhme, DIE LINKE. Bereits in der jährlich über 22 Millionen Euro für den Auf- jekt. Es mache junge Menschen mobiler und vergangenen Legislaturperiode habe man bau eines Busgrundnetzes zur Verfügung. erleichtere ihnen den Einstieg in den ÖPNV. immer wieder Debatten angestoßen, um die Es würden aber auch genügend Busse benö- Koalition an ihr eigenes Versprechen zu er- tigt, um das Potenzial des Bildungstickets innern. Unbefriedigend sei hingegen, dass vollumfänglich ausschöpfen zu können, vor Auszubildende nicht in den Tarif aufgenom- allem im ländlichen Raum. Deshalb gehöre men worden seien. Sie müssten für die Nut- es zu einem wichtigen Anliegen, das Plus- zung von Bussen und Bahnen vielmehr ein Bus- und TaktBus-Netz weiter auszubauen. deutlich teureres AzubiTicket erwerben. www.landtag.sachsen.de Ausgabe 5 2021 5 ˚
PLENUM 34. Sitzung des Sächsischen Landtags // Lars Rohwer // Jörg Urban // Antonia Mertsching // Volkmar Zschocke // Volkmar Winkler // Fotos: S. Floss Katja Ciesluk Klimaschutz fortführen Wetterextreme häufen sich, Politik diskutiert Maßnahmen // Die zweite Aktuelle Debatte der 34. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags am 21. Juli 2021, redner bei. Hochwasservorsorge beantragt von der Fraktion BÜNDNISGRÜNE, widmete sich dem Thema »Zwischen Trockenheit sei wichtiger denn je, da sich und Überschwemmungen – Auswirkungen des Klimawandels konkret und vor Ort begegnen«. Extremwetterlagen derzeit Die Debatte stand unter dem Eindruck der schweren Unwetter in Deutschland wenige Tage immer wieder häuften. Voran- zuvor. (siehe Hintergrund auf Seite 8) // treiben müsse man zudem die weitere Sanierung der teilweise hundert Jahre alten Abwasser- BÜNDNISGRÜNE: Jetzt und Gesundheit zu schützen, Aufgaben zu lösen. Alle An- kanäle. Bisher gebe es in gemeinsam handeln Wasserversorgung und lebens- strengungen scheiterten je- Deutschland keinen flächende- notwendige Infrastruktur zu doch, wenn nicht zugleich alles ckenden Mangel an Wasser, Die globalen und lokalen Wetter sichern sowie Land- und Forst- getan werde, um die Ursachen es sei aber regional höchst extreme dieses Sommers unter- wirtschaft, aber auch die der Klimakrise in den Griff zu unterschiedlich verfügbar. Man strichen, wie dringend die Siedlungsgebiete anzupassen. bekommen. müsse lernen, mit Wasser- Debatte sei, betonte Volkmar Sachsen habe seit 2002 bereits knappheit umzugehen, verdeut- Zschocke, BÜNDNISGRÜNE. Es 3,6 Milliarden Euro in den lichte der Abgeordnete in seiner sei respektvoll gegenüber den Hochwasserschutz investiert, CDU: Mit Wasser Rede. Die Industrie könne nicht Opfern der jüngsten Unwetter, lobte Zschocke. Er forderte, knappheit umgehen weiter Trinkwasser für betrieb darüber zu reden, wie den Aus- jetzt gemeinsam und ohne liche Abläufe verwenden und wirkungen des Klimawandels Schuldzuweisungen zu handeln. Sachsen habe bereits viel im es brauche Wasserspeicher für vor Ort noch besser begegnet Es brauche gebiets- und ressort Hochwasserschutz getan und die Vorsorge. Die Wiederver- werden könne. Man müsse sich übergreifendes Agieren, um die tue dies nach wie vor, pflichtete wendung von Wasser gelte es besser vorbereiten, um Leben komplexen und schwierigen Lars Rohwer, CDU, seinem Vor- immer mit zu bedenken. Diese 6 Ausgabe 5 2021 ˚
PLENUM fordere man von der Industrie. Bevölkerung gehöre zu den Jeder könne dies aber auch Aufgaben des Staates. Das bei sich zu Hause, im Privaten Nicht-vorbereitet-Sein auf er- umsetzen. wartbare und angekündigte Katastrophen scheine zum Markenzeichen deutscher AfD: Keine Zukunfts- Politik zu werden. angst verbreiten Jörg Urban, AfD, warf den DIE LINKE: BÜNDNISGRÜNEN vor, Zukunfts- Versiegelung reduzieren angst zu verbreiten. Wetter extreme wie Überschwemmun- Antonia Mertsching, DIE LINKE, gen oder Dürren habe es schon lenkte den Blick auf die hohe immer gegeben und werde es Flächenversiegelung, die den auch künftig geben. Regierung Wasserhaushalt beeinträchtige und öffentlich-rechtlicher Rund- und sich auf den Klimawandel // Dr. Daniel Gerber und Volkmar Zschocke funk versuchten, jedes größere auswirke. Sachsen verbrauche Wetterereignis dem Klimawan- täglich 4,3 Hektar Fläche. Grün- del in die Schuhe zu schieben, de seien vor allem das stetige bei Starkregenereignissen. Es nachgedacht werden. Eine obwohl man wisse, dass sich das Wachstum von Verkehrsflächen brauche effiziente Siedlungs- der jetzt wichtigsten Aufgaben Klima schon immer gewandelt und die intensive Bautätigkeit. strukturen sowie eine Stärkung sei es, das Für und Wider einer habe und immer wandeln wer- Sie vermisse eine Strategie, um des ökologischen Hochwasser- Pflichtversicherung für Elemen- de. Vielmehr hänge es in erster das Ausmaß der Versiegelung in schutzes. Und schließlich, tarschäden zu diskutieren. Linie vom Katastrophenschutz Sachsen zu reduzieren, obwohl sagte Mertsching zum Schluss ab, ob eine Überschwemmung der Freistaat sich bereits im Jahr ihres Beitrages, solle der öffent- zur menschlichen Tragödie wer- 2009 das Ziel gesetzt habe, liche Personennahverkehr aus- Staatsregierung: de. Viele hätten jüngst keine maximal 2 Hektar pro Tag zu gebaut werden. Konsequente Chance gehabt, da die Warnun- verbrauchen. Die Zunahme der Klimaschutzpolitik gen bei den örtlichen Entschei- versiegelten Fläche führe zu ei- dern zu spät oder gar nicht ner Zersiedelung der Landschaft SPD: Pflichtversiche- Nachdem Sachsen bei den angekommen und Anwohner und einem enormen Rohstoff- rung diskutieren Jahrhunderthochwassern viel nicht rechtzeitig in Sicherheit verbrauch. Zudem verschlechtere Solidarität erfahren habe, sei er gebracht worden seien, kriti- sich die Versickerung und damit Der menschengemachte Klima- dankbar, dass jetzt der Freistaat sierte Urban. Der Schutz der steige die Hochwassergefahr wandel werde dafür sorgen, den betroffenen Ländern helfe, dass diese Extreme an Intensi- hob Wolfram Günther, Staatsmi- tät und Häufigkeit zunähmen, nister für Energie, Klimaschutz, sagte Volkmar Winkler, SPD. Umwelt und Landwirtschaft, Nach Soforthilfe für die betrof- BÜNDNISGRÜNE, an. Die beste fenen Gebiete müsse man an Antwort auf die Herausforderun- verstärkten Maßnahmen für gen des Klimawandels liefere eine »Genau dieser Klimaschutz und Klimawandel konsequente Klimaschutzpolitik. Zweiteilung von anpassung arbeiten und der Daran arbeite die Koalitionsre- Klimawandel und Natur mehr Raum geben. Beim gierung, betonte Günther mit der Zunahme von Hochwasserschutz habe Sach- Verweis auf das beschlossene sen aus den vergangenen Kata- Energie- und Klimaprogramm. Wetterextremen strophen gelernt. Dennoch ge- Dieses lege bestimmte Dinge müssen wir he es darum, nicht nur auf den auf wissenschaftlich fundierter uns im Freistaat technischen Hochwasserschutz Grundlage anhand gemessener Sachsen zu setzen. Mit Blick auf Schä- Resultate dar. Seit dem 19. Juli stellen.« den und fiskalische Auswirkun- 2021 tage zudem eine innermi- gen bedürfe es keiner Abwä- nisterielle Arbeitsgruppe, die gung zwischen Wirtschaft und konkrete Maßnahmenpläne Klimaschutz. Der von der Koali- erarbeite und aufzeige, wie in tion vorausschauend aufgelegte allen Sektoren der Klimaschutz Klimafonds könne ein Anfang ernst genommen werde und 34. Sitzung des Sächsischen Landtags sein, es sollte aber auch über Energiesysteme umgewandelt größere Lösungen wie einen werden könnten. Sachsen sei auf // Wolfram Günther Investitionsfonds oder die einem guten Weg; es liege aber Lockerung der Schuldenbremse auch noch viel Arbeit vor uns. Ausgabe 5 2021 7 ˚
PLENUM Hintergrundinformationen zum Hochwasser in Sachsen // Kirnitzschflut am 18. Juli 2021 in Bad Schandau // Foto: M. Förster // Nicht erst seit den jüngsten Geschehnissen zeigt sich, dass Langfristige Die Häufung von Extremwetter- es in Deutschland immer wieder zu Hochwassersituationen Entwicklungen lagen in Sachsen lässt sich kommt. Sachsen bleibt von diesen gefährlichen Wetterlagen anhand der erhobenen Klima- Extremes Hochwasser hat in daten nachvollziehen. Auf etwa nicht verschont. Sie bringen Folgen für Menschen und Umwelt Sachsen bereits in den vergan- 70 Prozent der Fläche Sachsens und auch für die Wirtschaft mit sich. // genen Jahren immer wieder hat Starkregen in den vergange- großen Schaden angerichtet. nen 30 Jahren zugenommen. Hochwasser 2021 stein-Ernstthal gab es heftigen In Erinnerung ist vor allem die Besonders deutlich erhöhten Starkregen. In Steinbach bei Jahrhundertflut von 2002 ge- sich die Zuwächse in den Som- Deutschland musste Mitte Juli Jöhstadt im Erzgebirgskreis wur- blieben, als Flüsse wie die mermonaten, also in der Zeit von mit starken Unwettern kämpfen. de beispielsweise ein Mann von Zschopau, Flöha, Freiberger Juli bis September. Die Daten Besonders in Nordrhein-West einer Sturzflut weggerissen. In Mulde oder Weißeritz binnen machen zudem deutlich, dass falen und Rheinland-Pfalz, aber einzelnen Lagen ergossen sich Stunden auf das Vielfache die kräftigen Niederschläge sich auch in Bayern und Sachsen 130 Liter Regenwasser pro Qua- ihrer sonstigen Größe an- häufiger mit trockeneren Jahres- richteten Starkregen, Hochwas- dratmeter binnen 24 Stunden. schwollen. Die Elbe erreichte abschnitten abwechselten. ser und Sturzfluten immensen Das sächsische Jahresmittel in Dresden am 17. August 2002 An Wetterextremen wie Stark Schaden an. Nach Angaben des liegt bei 500 bis 700 Litern. einen Pegel von 9,40 Metern. regen oder ausgeprägten Trocken Deutschen Wetterdienstes fie- perioden sowie einer zunehmend len innerhalb von 72 Stunden angespannten Wasserbilanz bis zu 182,4 Liter Niederschlag zeigen sich die Folgen des Kli- pro Quadratmeter. Dem bisheri- mawandels auch in Sachsen. gen Erkenntnisstand zufolge Die Veränderungen stellen nicht kamen dabei 181 Menschen nur eine Bedrohung für Men- ums Leben, weitere Personen schen und ihre Umwelt dar, sie werden noch vermisst. bringen auch enormen volks- In Ostsachsen gingen eben- wirtschaftlichen Schaden mit falls extreme Regenfälle nieder sich. Für die Landwirtschaft und verursachten Überschwem- sind die Unwetter verheerend, mungen und Erdrutsche. Die weil ihr dann massive Ernte- Unwetter zogen Straßen, Eisen- schäden drohen. bahngleise, Brücken und Ge- STARKREGEN bäude in Mitleidenschaft. Auch Auftrittshäufigkeit im Lausitzer Bergland und im Kerngebiete der Änderung Quelle: Regionales Klimainfor- Zittauer Gebirge sowie in Hohen Vegetationsperiode II (Juli bis September) mationssystem für Sachsen, Änderung 1991 – 2015 vs. 1961 – 1990 Sachsen-Anhalt und Thüringen 8
PLENUM Dr. Daniel Thieme Wohnungsmarkt unter Stress Knapper Wohnraum in den Städten, Leerstand im ländlichen Raum // DIE LINKE beantragte in der 35. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags am 22. Juli 2021 Keine Trennung in eine Debatte zum Thema »Bezahlbare Mieten in Stadt und Land statt Ausverkauf – Arm und Reich Mieten deckeln, mehr sozial bauen, Wohnraum in kommunaler Hand sichern!«. Bis weit in die Mittelschicht hinein seien Besonders in den sächsischen Großstädten steigen die Mieten seit Jahren stark an. // viele Familien auf Wohnungssuche, fänden aber in den sächsischen Städten keinen be- Regulierend eingreifen Sanierungen teilweise zahlbaren Wohnraum, so Albrecht Pallas, SPD. unwirtschaftlich Auf dem Rücken dieser Menschen nun die Privatisierungen seien falsch und anachro- Strukturschwäche im ländlichen Raum lösen nistisch, machte Juliane Nagel, DIE LINKE, zu André Barth, AfD, hob hervor, dass laut dem zu wollen, sei zynisch. Es gehe vielmehr um Beginn der Debatte deutlich. Dennoch setze Sächsischen Wohnungsverband keine Woh- die Frage, ob es dort erschwingliche Wohnun sich dieser Trend in einigen Städten Sachsens nungsknappheit bestehe. Weder in Dresden gen gebe, wo man leben und arbeiten wolle. fort. Die Gründe lägen in der Verschuldung noch in Leipzig, geschweige denn im länd Eine Stadt dürfe nicht in arme und reiche der Kommunen, dem wachsenden Leer- lichen Raum gebe es einen angespannten Stadtviertel gespalten werden. stand und zunehmenden Sanierungsstau. In Wohnungsmarkt. Folglich sei auch genügend Der Staatsminister für Regionalentwick- Dresden oder Leipzig dürfe man die ange- bezahlbarer Wohnraum vorhanden. Für viele lung Thomas Schmidt, CDU, betonte, im spannten Wohnungsmärkte nicht sich selbst kleine Wohnungseigentümer gestalte es ländlichen Raum bestehe nicht etwa das oder den Besserverdienenden überlassen. sich indes problematisch, die geforderten Problem, keinen bezahlbaren Wohnraum zu Wohnungspolitik müsse vielmehr bedarfs- energetischen Sanierungen durchzuführen. finden, sondern den Wohnungsbestand auf gerecht gestaltet werden. Diese würden sich trotz der Fördermöglich- hohem Niveau zu halten. Erfreulich sei, dass Laut Oliver Fritzsche, CDU, stelle sich die keiten als unwirtschaftlich darstellen. sich die Wanderungsbewegung zwischen Wohnungssituation in Sachsen regional äu- Für die Fraktion BÜNDNISGRÜNE ergriff Stadt und Land längst ausgeglichen habe ßerst unterschiedlich dar. Im ländlichen Raum Thomas Löser das Wort. Er wies darauf hin, oder sogar ins Positive kippe. Während die verzeichne man eine Leerstandsquote von dass im aktuellen Landeshaushalt jährlich Menschen noch vor Jahren aus den länd 14,3 Prozent, in den Großstädten Dresden, rund 74 Millionen Euro für den sozialen Woh- lichen Gebieten weggezogen seien, werde Chemnitz und Leipzig hingegen von 5 Prozent. nungsbau und weitere 70 Millionen Euro für dort heute das Bauland knapp. Trotz durchaus moderater Mietsteigerungen in die Wohnraumförderung zur Verfügung stün- den vergangenen Jahren müsse man fragen, den. Die Mietsituation auf dem Lande sei wie bei den momentanen Bau- und Sanie- jedoch deutlich entspannter als in den Städten. rungskosten eine Miete, die im ländlichen So müsse man etwa in Dresden durchschnitt Raum teilweise unter 5 Euro pro Quadratmeter lich 32 Prozent des Nettoeinkommens für liege, noch bestandserhaltend sein könne. eine Wohnung ausgeben. www.landtag.sachsen.de 35. Sitzung des Sächsischen Landtags // Juliane Nagel // Foto: O. Killig 9
PLENUM 35. Sitzung des Sächsischen Landtags // Lars Rohwer und Holger Mann am Mikrofon // Fotos: O. Killig Aus der Krise in die Zukunft Sachsen soll an vielen Stellen digitaler werden Dr. Daniel Thieme // »Digitalisierung nach der Pandemie als zentralen Treiber für Gesellschaft und Wirtschaft verstehen!«, unter diesem Titel stand die zweite Aktuelle Debatte der 35. Sitzung am 22. Juli 2021. Der Antrag stammte von der CDU-Fraktion. // Positiver Datenschutz Nicht der Wirtschaft überlassen Bürgerfreundliche Angebote Die Corona-Pandemie habe in Deutschland Nico Brünler, DIE LINKE, verwies ebenfalls Holger Mann, SPD, betonte, man müsse in die Digitalisierung kräftig angeschoben, so auf die europäische Richtlinie. Darin gehe es Sachsen zunächst die technische Mindest Lars Rohwer, CDU. Dieser Impuls sei längst unter anderem um die Frage, wer die Stan- ausstattung schaffen, damit die Digitalisie- überfällig gewesen. Handlungsbedarf gebe es dards festlege und wie die Schnittstellen rung vorankomme. Zu den guten Beispielen in Unternehmen, Ämtern und Schulen. Zu definiert würden. Man dürfe diese Aufgaben gehörten die Fortschritte bei der Anwendung den wichtigsten Voraussetzungen gehörten nicht den großen Digitalkonzernen überlas- der sächsischen Geodaten-Infrastruktur oder schnelles Internet, aber auch ein anwender- sen, vielmehr sei dies ein Auftrag der Politik. des Open-Data-Portals. Wenn der Staat leis- freundlicher Datenschutz. Letzteren könne ein In Sachsen habe die Corona-Pandemie ge- tungsfähig bleiben wolle, brauche es zeitnah Gutachtensiegel ermöglichen, das sichere zeigt, dass der Freistaat schlecht vorbereitet ein Angebot, über das jeder Bundesbürger Programme datenschutzrechtlich zertifiziere. gewesen sei. Beim Netzausbau oder bei digi sich an- und ummelden, die Trauung terminie- Bei künstlicher Intelligenz brauche es mehr talen Angeboten hinke man weit hinterher. ren oder Geburtsurkunden bestellen könne. Best-Practice-Beispiele. Die Debatte sei überfällig und müsse Wenn Technik in neue gesellschaftliche Mario Beger, AfD, forderte, die Gesell- eigentlich regelmäßig geführt werden, hob Bereiche vorstoße, bedürfe es immer eines schaft solle die Digitalisierung vorantreiben, Dr. Daniel Gerber, BÜNDNISGRÜNE, hervor. verantwortlichen ethischen Handlungsrah- ohne dass sie selbst zum Getriebenen werde. Bei der Digitalisierung müssten alle Bevöl- mens, so der Staatsminister für Bundesange Nachdenklich mache ihn die Zahl jüngster kerungsschichten mitgenommen werden. legenheiten und Medien, Oliver Schenk, CDU. Meldungen zu Hackerangriffen in Deutsch- Ebenso wichtig seien Change-Manage- Daher sei es wichtig, für dieses Thema ein land. Es bräuchte daher mehr IT-Experten, ment-Prozesse in der Verwaltung, die eine gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen. um sichere Netze zu schaffen. In den EU-Ver- gesunde Fehlerkultur erlaubten. Bei der Vorteile bringe die Digitalisierung in vielen ordnungen zu den Themen Digitalisierung IT-Sicherheit dürfe nicht gespart werden, Bereichen, etwa im Gesundheitssektor. So und Künstliche Intelligenz finde man zwar Sicherheitslücken für Staatstrojaner solle es könnten mit der elektronischen Patienten- viele gut klingende Regelungen, diese seien nicht geben. Wohin Nachlässigkeit in die- akte Daten in Echtzeit ausgetauscht und jedoch alle, in Wirklichkeit längst erlegte, sem Bereich führe, verdeutlichten aktuelle mögliche Vorerkrankungen rasch erfasst Papiertiger. Vorfälle. werden. 10 Ausgabe 5 2021 ˚
PLENUM // Die dritte Aktuelle Debatte der 35. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags hatte die AfD-Fraktion zum Thema »Zuwanderung und Sicherheit – Wie geht es weiter?« beantragt. Nach statistischen Angaben nahm Sachsen im Jahr 2020 von 102 581 registrierten Personen, die in Deutschland Asyl begehrten, 4 912 auf. // 35. Sitzung des Sächsischen Landtags Dr. Daniel Thieme // Sebastian Wippel // Fotos: O. Killig Abschiebung oder Anerkennung? Fraktionen bewerten Umgang mit Migranten äußerst unterschiedlich Bedenkliche Lage sich beispielsweise die Frage, wie man mit hindere man nicht durch Ausschluss, sondern Migranten umgehe, die nicht abgeschoben indem man die Menschen zum Teil der Ge- Carsten Hütter, AfD, verwies auf Zahlen aus werden könnten, weil in ihren Herkunftslän- sellschaft mache. dem Jahr 2016, nach denen Migranten in dern, wie beispielsweise Syrien, die Voraus- Deutschland insgesamt über 2 000 Straftaten setzungen fehlten. Um an der Situation etwas verübt hätten. In vielen Fällen seien dafür zu ändern, sollten endlich Asylzentren außer Brücken bauen junge Männer, eingereist ab dem Jahr 2015, halb der Europäischen Union entstehen. verantwortlich gewesen. Vor allem in den Seine Partei nehme die Gefahren sehr ernst, Gemeinschaftsunterkünften gebe es ein ho- so Albrecht Pallas, SPD. Man müsse früh hes Gewaltniveau. Sebastian Wippel, AfD, Vielfältige Ursachen zeitig erkennen, wenn sich Menschen radi- fügte in einer zweiten Rednerrunde an, dass kalisierten. Auch sollte zunächst versucht derzeit in Sachsen 14 700 vollziehbar aus- Juliane Nagel, DIE LINKE, warf der AfD vor, werden, islamistische Gefährder in ihre reisepflichtige Personen lebten. sich an einer Schwarz-Weiß-Logik festzuhal- Heimatländer zurückzubringen. Gelinge das Rico Anton, CDU, hielt dagegen, mit dieser ten. In der Realität seien die Ursachen für den nicht, müssten die Sicherheitsbehörden Debatte biete die AfD keinerlei Lösungsmög Zusammenhang von Migration und Krimina- diese Personen im Blick behalten. Daher lichkeiten. Man müsse aber die Situation nun lität vielschichtig. Vielfach sei das Leben in gebe es Brücken hin zur Zuwanderung, zum einmal so bewerten, wie sie sei. Es stelle Sammelunterkünften ein Problem, denn in Beispiel über die Ausbildungs- und Arbeits- diesem Bereich werde häufig Gewalt verübt. platzduldung. // Prof. Dr. Roland Wöller Daher müssten diese Unterbringungsmög- Für die Staatsregierung sprach am Ende lichkeiten abgeschafft werden. Bessere Per- der Debatte Innenminister Prof. Dr. Roland spektiven bräuchte es zudem in der Bildung Wöller, CDU. Nach seiner Einschätzung sei und am Arbeitsmarkt. die geregelte Migration von Fachkräften ent- Wenn man schon über Sicherheit rede, scheidend, damit die sächsische Wirtschaft dann müsse man das Thema auf alle ihren Erfolgsweg fortsetzen könne. Man wolle, Menschen beziehen, warf Petra Čagalj Sejdi, dass diese Menschen und ihre Familien lang BÜNDNISGRÜNE, ein. Personen mit Migrati- fristig blieben. Damit aber den Betroffenen onsbiografie erlebten Diskriminierung und und ihren Angehörigen eine lange Hänge- Ausgrenzung. Das beginne mit kleinen Dingen, partie zwischen Asylantrag und Asylbescheid auch mit dummen Sprüchen und ende mit- erspart bleibe, müssten Anerkennungs- und unter wie bei den rassistischen Vorfällen in Ablehnungsverfahren dringend beschleunigt Hanau, München und Halle. Straftaten ver- werden. Ausgabe 5 2021 11 ˚
PA R L A M E N T Die Landarztquote Anreize beim Hochschulzugang sollen Ärztemangel abmildern Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/ J. Büttner // Schon seit einigen Jahren fehlt es dem Freistaat Sachsen an Janina Wackernagel Ärzten im ländlichen Raum. Fast ebenso lange wird darüber diskutiert, wie es gelingen kann, angehende Medizinerinnen Der Sächsische Landtag befasst und Mediziner schon zu Beginn ihres Studiums zu verpflichten, gar keine Approbation anstreben. sich aktuell mit gleich zwei Ge- Sie könnten somit ihrer Ver- später in unterversorgten Gebieten zu arbeiten. // setzentwürfen zur Lösung des pflichtung zum Arbeiten auf dem Ärztemangels auf dem Lande. Land straffrei entgehen. Andere Aus der Feder der Staatsregie- verfahren die Zugangshürden Aufgrund des hohen Bedarfes Sachkundige, wie Sabine Giese rung stammt das »Gesetz zur zum Medizinstudium für jene an ausgebildeten Medizinern von der Konferenz der Sächsi- Stärkung der ärztlichen Versor- erleichtert, die statt exzellenter auf dem Lande sei dieses Mittel schen Studierendenschaften, gung im Freistaat Sachsen«; Abiturnoten zum Beispiel medi- gerechtfertigt, so Anna Büscher verwiesen auf die damit einher- die AfD-Fraktion brachte das zinische Berufserfahrung mit- von der Universität Bochum. gehenden Grundrechtseingriffe. »Sächsische Gesetz zur Sicher- bringen. Bei Nichteinhalten der Mit Blick auf die vorgesehe- Die freie Lebensgestaltung so- stellung der hausärztlichen Ver- Verpflichtung sind Vertragsstra- nen Vertragsstrafen zeigten die wie die Berufsfreiheit würden sorgung in Bereichen besonde- fen in Höhe von 250.000 Euro Anwesenden der öffentlichen erheblich eingeschränkt, wenn ren öffentlichen Bedarfs« ein. vorgesehen. Anhörung reichlich Gesprächs- am Ende des Medizinstudiums Beide Gesetzentwürfe erörter- bedarf. So regte Rechtsanwalt zwingend der Umzug aufs Land ten am 5. Juli 2021 Abgeordnete Wilhelm Achelpöhler an, die anstehe und womöglich auf dem und Sachkundige in einer öffent- Ein herausragendes Vertragsstrafe mit dem Studien- Weg zum Facharzt die Wahl an lichen Anhörung des Ausschus- Abitur macht noch abschluss zu verknüpfen und Spezialisierungsmöglichkeiten ses für Wissenschaft, Hoch- keinen Landarzt nicht mit der Approbation. Ein begrenzt werde. schule, Medien, Kultur und erheblicher Prozentsatz der Ab- Eine weitere Frage befasste Tourismus. Die meisten Sachkundigen be- solventen würde nämlich erst sich mit der Höhe der ange- Bei einigen Unterschieden fürworteten, die Zulassung zum dachten Vertragsstrafe. Der Be- im Detail sehen beide Gesetzes Medizinstudium nicht nur über trag müsse durchaus empfind- texte gleichermaßen vor, bei einen Numerus clausus zu re- lich sein, um den Zweck der der Auswahl der Studierenden geln, sondern vielmehr auch Protokoll Quote zu erfüllen, fand der ZUM NACHLESEN eine Vorabquote für Landärzte auf die praktischen und sozia- Öffentliche Allgemeinmediziner Christoph Anhörung einzusetzen. Medizinstudenten len Fähigkeiten von Studienbe- Lohmann. Statt eines festen sollen sich demnach vertraglich werbern zu schauen. Auch der Betrags könne sich die Summe verpflichten, im Anschluss an Vorschlag, die Zugangserleich- etwa am Jahreseinkommen ihr Studium zehn Jahre auf dem terung mit einem Kontingent der verschiedenen Facharzt Land zu arbeiten. Zugleich wür- für zukünftige Landärzte zu ver- richtungen orientieren. den durch veränderte Auswahl- knüpfen, fand Zustimmung. 12 Ausgabe 5 2021 ˚
PA R L A M E N T LAUFENDE GESETZGEBUNG TITEL | EINBRINGER ERLÄUTERUNG STATUS Sächsisches Gesetz zur Sicher Durch eine Vorabquote sollen Bewerber Öffentliche Anhörung im Ausschuss für stellung der hausärztlichen einen Medizinstudienplatz erhalten, wenn Wissenschaft, Hochschule, Medien, Kul- Versorgung in Bereichen sie sich verpflichten, nach ihrem Abschluss tur und Tourismus am 5. Juli 2021 besonderen öffentlichen Bedarfs für eine bestimmte Zeit in Regionen mit (Sächsisches Landarztgesetz – besonderem Bedarf zu arbeiten. SächsLAG), 7/1941 | AfD Gesetz zur Stärkung der ärztlichen Um die ärztliche Versorgung im ländlichen Öffentliche Anhörung im Ausschuss Versorgung im Freistaat Sachsen, Raum zu sichern, sieht der Gesetzentwurf für Wissenschaft, Hochschule, Medien, 7/6673 | Staatsregierung eine Landarztquote für Humanmedizin in Kultur und Tourismus am 5. Juli 2021 Sachsen vor. Gesetz zur Anpassung landes Mit dem geänderten Ausführungsgesetz Überweisung an den Ausschuss rechtlicher Vorschriften an den zum Glücksspielstaatsvertrag sollen unter für Inneres und Sport (ffd.) sowie den Glücksspielstaatsvertrag 2021, anderem der Spielerschutz und die Sucht Haushalts- und Finanzausschuss 7/6895 | Staatsregierung prävention weiter gestärkt werden. am 24. Juni 2021 Erstes Gesetz zur Änderung Die Gesetzesänderung zielt darauf ab, örtlich 1. Beratung am 22. Juli 2021 und des Sächsischen Polizeibehörden- und zeitlich begrenzte Alkoholkonsumverbote Überweisung an den Ausschuss für gesetzes, in bestimmten öffentlichen Bereichen Inneres und Sport 7/6950 | AfD auszuweiten, bspw. im Umkreis von Schulen. ABGESCHLOSSENE GESETZGEBUNG TITEL | EINBRINGER ERLÄUTERUNG STATUS Gesetz zur Erweiterung der Der Gesetzentwurf verfolgte das Ziel, dass abgelehnt sachunmittelbaren Demokratie bereits 0,5 Prozent aller Wahlberechtigten im Freistaat Sachsen, in Sachsen einen Volksantrag einreichen 7/2702 | AfD können. Für ein Volksbegehren sollte das erforderliche Quorum auf sieben Prozent gesenkt werden. Grafik: Jezper / Adobe Stock Die Übersicht zur laufenden Gesetzgebung stellt alle Gesetzentwürfe dar, die bis zum 22. Juli 2021 neu in den Sächsischen Landtag eingebracht, beraten oder an die Ausschüsse überwiesen wurden. Unter »Abgeschlossene Gesetzgebung« sind angenommene oder abgelehnte Gesetzentwürfe aufgeführt. 13
AKTUELLES Der schwebende Gärtner In luftiger Höhe, zirka 12 Meter über der Erdoberfläche, kletterte Mitte Juni für einige Tage ein Gärtner am Landtags- gebäude. Der schwindelfreie Grünpfleger kümmerte sich um die belaubte Fassade des Land- tagsaltbaus, der seit 25 Jahren von Wein berankt wird. Ober- armdick schauen die Rebstöcke aus dem Boden des Innenhofes. Ihre Triebe schlängeln sich wie ein fein verzweigtes Leitungs- netz bis unters Dach und klam- mern sich dabei am rauen Putz fest. Auf Fensteröffnungen oder Dachrinnen nehmen die wuchernden Pflanzen kaum Rücksicht. Würde man das Grün nicht regelmäßig zurück- schneiden, wäre das Parla- mentsgebäude wohl in wenigen Jahren völlig eingewachsen. Wichtig ist der Pflegeschnitt auch, damit Jalousien frei bleiben und durch die Fenster genügend Licht einfällt. Übrigens sorgen die unzähligen Laubblätter nicht nur für Arbeit, sie spenden auch Schatten und halten die Räume damit im Sommer etwas kühler. Sowohl die Abgeordneten als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Büro außenseite berankt ist, wissen den Vorteil der natürlichen Isolierung zu schätzen. Fotos: Landtag 14 Ausgabe 5 2021 ˚
AKTUELLES Ausdruck von Macht und Mahnung zum Frieden // Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden themati- sieren die Rolle der Kunst während des Dreißigjährigen Krieges in Sachsen und Mitteleuropa. Die ausgestellten Gemälde, Skulpturen und Waffen legen Zeugnis über // Themenbereich der Sonderausstellung eine Epoche voller Leid, Gewalt und Zerstörung ab. // »BELLUM ET ARTES« // Foto: O. Killig 15
AKTUELLES // Im Beisein von Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler öffnete am 7. Juli 2021 die Ausstellung »BELLUM ET ARTES. Sachsen und Mitteleuropa im Dreißigjährigen Krieg«. Es ist die erste Sonderschau der Staatlichen Kunstsammlungen seit der coronabedingten Schließung im Herbst 2020. // Redaktion Europäischer Krieg und Ausstellung thematisiert den Dreißigjährigen Krieg und seine Folgen für Europa Fast jedes Kind kennt den Prager Fenstersturz, jenes Ereignis des Jahres 1618, als böhmische Aufständische zwei kaiserliche Räte aus der Prager Burg warfen. Die Aktion verfehlte ihre Wirkung nicht, denn in der Folge entspann sich ein Krieg von 30-jähriger Dauer. Nach und nach dehnte er sich auf weite Teile Europas aus und brachte unfass- bares Leid für die Bevölkerung mit sich. Heute gehört diese Zeit zu den dramatischsten Epochen in der Geschichte unseres Kontinents. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) widmen dem drei Jahrzehnte andauernden Krieg seit Anfang Juli eine Sonder- schau im Residenzschloss Dresden. Die Ausstellung verdeutlicht das Geschehen anhand von etwa 150 Exponaten aus dem Bestand der SKD, ergänzt durch zahlreiche Leihgaben. Sie entwirft anhand von fünf Themenbereichen ein umfassendes Bild von der Rolle der Kunst während des Krieges, vor allem in Sachsen. Zurück im öffentlichen Leben anspruchsvolles und vielschichtiges Thema auf. Wir kennen die Kunst vor allem als eine Zeugin großer Blütezeiten, des Wohlstands Die Vorbereitungen verlangten den Organisatoren reichlich Mühe und des Friedens. Sie kann aber auch eine Chronistin von Krisen und und Geduld ab. Unter den erschwerten Umständen der Corona-Pan- Kriegen, von Leid, Gewalt, Tod und Zerstörung sein.« Im Hinblick auf demie mussten sie recherchieren, forschen und aufbauen. Der erste die Auftaktveranstaltung fügte er hinzu, dass Kunst und Kultur jetzt Eröffnungstermin fiel dann zunächst den unsicheren Gegebenhei- wieder an ihren ursprünglichen Platz, in die Mitte des öffentlichen ten zum Opfer und wurde verschoben. Umso größer war die Freude, Lebens, zurückkehren würden. Es sei an der Zeit, den Meisterstücken als sich am 7. Juli endlich der Vorhang hob. In seiner Ansprache der sächsischen Geschichte aufs Neue gegenüberzutreten. dankte Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler dem Direktor des Die Ausstellung in der Fürstengalerie des Dresdner Residenz- Grünen Gewölbes, Prof. Dr. Dirk Syndram, und seinem Team: »Mit schlosses beginnt für den Besucher im Grunde genommen auf dem der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges greifen Sie ein durchaus Kriegsschauplatz selbst. So zeigen Feldharnische, Pistolen und guss 16 Ausgabe 5 2021 ˚
AKTUELLES AUSSTELLUNG »BELLUM ET ARTES. Sachsen und Mitteleuropa im Dreißigjährigen Krieg« Residenzschloss Dresden Fotos: O. Killig Taschenberg 2 01067 Dresden deutsches Trauma Laufzeit: bis zum 4. Oktober 2021 täglich geöffnet von 10 bis 17 Uhr, Dienstag geschlossen aufgeworfen, welchen Einfluss diese Plünderungen auf den europä- ischen Kulturtransfer hatten. In interaktiven Medienstationen lassen sich die Wege der erbeuteten Kunstwerke nachverfolgen. Neben der Fürstengalerie erstreckt sich die Ausstellung auf wei- tere Bereiche im Dresdner Residenzschloss. Der Sponselraum des Neuen Grünen Gewölbes beinhaltet persönliche Gegenstände des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen, während im Studiolo im Georgenbau wichtige Archivalien und Verträge vorgestellt werden. Darüber hinaus können in der ständigen Präsentation des Grünen Gewölbes und der Rüstkammer zahlreiche weitere Werke entdeckt werden. Europäische Zusammenarbeit Begleitend zur Ausstellung haben die Staatlichen Kunstsammlun- eiserne Handgranaten sehr selten erhaltene Kriegsgeräte der dama- gen eine Kooperation mit elf namhaften Museen und Forschungs ligen Zeit. Wichtige Schlachten, darunter die am Weißen Berg 1620, institutionen aufgelegt. Sie wollen so ein europäisches Gesamtbild wurden akribisch genau in Bildern festgehalten. des Dreißigjährigen Krieges zeichnen. Von 2021 bis 2025 ist unter Ein weiterer Bereich führt an eine opulente Tafel, an der die Federführung des Leibniz-Instituts für Geschichte und Kultur des Hauptakteure des Krieges vorgestellt werden, darunter der sächsi- östlichen Europa in Leipzig eine Reihe von Ausstellungen, Tagungen sche Kurfürst Johann Georg I., der Habsburger Kaiser Ferdinand II. und Workshops geplant. sowie der schwedische König Gustav II. Adolf. Trotz des Krieges Der Europäische Gedanke ist auch dem Landtagspräsidenten ein gaben sie weiterhin hohe Summen für die Kunst aus. Herzensanliegen. Am Ende seiner Rede betonte er: »Heute, über Der dritte Abschnitt in der Fürstengalerie befasst sich mit Beute- 400 Jahre nach dem Prager Fenstersturz, bilden nicht mehr Zwang und kunst. Gezeigt wird eine Auswahl hochkarätiger Stücke aus unter- Gewalt, sondern Freiheit und Frieden die Grundwerte Europas. Deutsch schiedlichen fürstlichen Sammlungen. Dabei wird auch die Frage land ist ein Stützpfeiler des europäischen Hauses geworden.« Ausgabe 5 2021 17 ˚
AKTUELLES // Druckabnahme des Landtagskuriers // Foto: Ö GRAFIK, sp Redaktion Gedruckte Demokratiegeschichte Landtagskurier informiert seit 30 Jahren über die Arbeit des sächsischen Parlaments // Knapp 250 Mal erschien der Landtagskurier seit seinem Für die kommende Ausgabe des Start im Jahr 1991. Jede einzelne Ausgabe steht für ein Stück tion fiel es dabei keineswegs Landtagskuriers, die als Jubilä- Parlamentsgeschichte in Sachsen. Aus Anlass des runden leicht, aus mehreren Hundert umsheft erscheint, hat die Beiträgen die besten herauszu- Jubiläums erscheint im September ein einmaliges Sonderheft. // Redaktion eine große Menge an greifen. Fakten und Zahlen zusammen- Um nicht nur im Gestern zu getragen. Sie ist außerdem zu verharren, zeigt das Sonderheft einer Zeitreise aufgebrochen, Zeitungspapier. Um Platz zu ihre eigenen Themen und auch Einblicke in den Redakti- hat die besten Beiträge aus sparen, begannen die Artikel Schwerpunkte. Das Archiv des onsalltag von heute. Wie findet drei Jahrzehnten aufgespürt bereits auf der Titelseite, Fotos Landtagskuriers ist in dieser ein Beitrag seinen Weg ins und gibt bisher unbekannte hatten noch Seltenheitswert. Hinsicht gedruckte Demokratie- Heft? Wer kümmert sich um Einblicke in die Entstehung Später passte sich der Land- geschichte in Sachsen. Bilder, Texte und Gestaltung? des Heftes. tagskurier dem Zeitgeschmack Welche Aufgaben hat die Re- und den technischen Möglich- daktionskonferenz? Um eine keiten an und erschien ab 1999 Wie entsteht ein Antwort auf diese Fragen zu 30 Debatten in Farbe, angereichert mit zahl- Landtagskurier? geben, ließ sich die Redaktion aus 30 Jahren reichen Fotos und mit mehr als über die Schulter schauen. doppelt so vielen Seiten. So Das kommende Sonderheft Doch der Reihe nach: Im März ist über die Jahre aus einer wirft zudem einen Blick auf eine 1991, sechs Monate nach der einfachen Zeitung eine anspre- Auswahl von Beiträgen, die Konstituierung des ersten chende Broschüre erwachsen. ausschließlich für den Land- Alle Abonnenten erhalten die Sonder- Sächsischen Landtags kam Neben den Äußerlichkeiten tagskurier entstanden. Dazu ge- ausgabe wie gewohnt zugestellt. Darüber hinaus kann sie beim die erste Ausgabe aus der gab es in 30 Jahren eine ganze hören unter anderem die Repor- Publikationsservice des Sächsischen Druckmaschine. Die Hefte des Menge Inhaltliches zu erzählen. tageserie »Ein Tag mit …« über Landtags bestellt werden. ersten Jahrgangs umfassten Die Jubiläumsausgabe blickt den Alltag von Abgeordneten, Tel. 0351 493-5133 jeweils acht Seiten, gedruckt auf 30 wichtige Debatten seit Artikel zu Sonderthemen sowie publikation@slt.sachsen.de in Schwarz-Weiß auf dünnem 1991 zurück. Jede Zeit kannte die Geschichtsreihe. Der Redak- 18 Ausgabe 5 2021 ˚
SONDERTHEMA Zeitzeugnis einer Huldigung // Am 12. Juli 1621 berief Johann Georg I. von Sachsen seinen ersten Oberlausitzer Landtag nach Kamenz ein. An die enge Beziehung der // Epitaph für Kurfürst Johann Kamenzer zum Kur fürsten Georg I. von Sachsen, Martin Georg Kasper Haberkorn erinnert bis heute ein kost- im Auftrag des Kamenzer bares Epitaph. // Rats, um 1658, Öl, Holz, farbig gefasst // © Städtische Sammlungen Kamenz / Dietmar Träupmann (Augustusburg) 19
SONDERTHEMA Dr. Jan Bergmann-Ahlswede und Norbert Portmann »Zu Camentz gieng der Land-Tag an« Der Kamenzer Landtag von 1621 als erste Oberlausitzer Stände versammlung unter kursächsischer Herrschaft // Im Juli 1621, mithin vor nunmehr genau vierhundert Jahren, berief der sächsische Kurfürst Johann Georg I. (1585–1656) einen Landtag in die Oberlausitzer Sechs- stadt Kamenz ein. Dieser Vorgang war in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert und doch reiht er sich in eine Jahrhunderte währende Geschichte der Oberlausitzer Landtage ein. // // Bautzen, Ortenburg, Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen // Foto: © SLUB / Deutsche Fotothek / Meister, ? Der neue Herr (1578–1637) im Sommer 1620 militärischen Auseinanderset- Ferdinands II. als rechtmäßigen der Oberlausitz den sächsischen Kurfürsten zung zerrieben zu werden. Die böhmischen König versprach Johann Georg I. verpflichten, als Haltung der Stände war jedoch der Kurfürst, sich beim Kaiser Der Kamenzer Landtag fällt in kaiserlicher Kommissar die ab- ambivalent. Während die ge- für die Erhaltung der ständischen die Zeit der wohl nachhaltigsten trünnigen Lausitzen und Schle- nannten Städte und ein Teil Privilegien und der Religions- Zäsur in der Oberlausitzer sien zurück unter habsburgi- des Adels königstreu blieben, freiheit in der Oberlausitz ein- Geschichte – als das Land unter sche Botmäßigkeit zu bringen. unterwarfen sich die nicht zusetzen. sächsische Herrschaft kam. Die Oberlausitz hatte zu diesem besetzte Stadt Kamenz sowie In den Wirren der sog. Böhmi- Zeitpunkt einer eventuellen die Ritterschaft der westlichen schen Unruhen, die den Beginn militärischen Invasion durch Oberlausitz dem Kurfürsten. Johann Georg I. lädt des Dreißigjährigen Krieges kursächsische Truppen nichts Bevor es aber zu einer Ent- nach Kamenz markieren, hatten sich die entgegenzusetzen. Und so scheidungsschlacht oder zur Stände des Markgraftums Ober- empfingen sie den kursächsi- Spaltung des Landes kommen Auf dem angesetzten Landtag lausitz, bemüht um ihre verfas- schen Abgesandten. Dies be- konnte, entschied sich die Herr- in Kamenz im Juli 1621 forderte sungsmäßige Eigenständigkeit deutete jedoch eine Abkehr von schaftsfrage andernorts. In der Kurfürst die Huldigung der im Verband der böhmischen der Linie des Konföderations- der Schlacht am Weißen Berg Oberlausitzer Stände gegenüber Kronländer, der protestantischen heeres, woraufhin dieses die unterlagen im November 1620 dem Kaiser auf der einen und Böhmischen Konföderation an- Oberlausitzer Städte Bautzen, die Truppen der Böhmischen gegenüber ihm selbst als kaiser geschlossen. Man unterstützte Görlitz, Lauban, Löbau und Konföderation dem kaiserlichen lichem Kommissar auf der an- den »Winterkönig« Friedrich von Zittau besetzte. Das militärisch Heer. Schließlich unterwarfen deren Seite. Damit wurde offen- der Pfalz (1596–1632) gegen aber deutlich stärkere kursäch- sich auch die verbliebenen sichtlich, dass Johann Georg I. die habsburgischen Ansprüche sische Heer rückte gegen Baut- Städte und Angehörigen des eigene Pläne mit den Lausitzen auf die Böhmische Krone. zen vor und belagerte die bald Adels und baten den sächsi- verfolgte, die später mit der Nach längeren Verhandlun- darauf brennende Stadt. Damit schen Kurfürsten um Pardon. Im Verpfändung und schließlich der gen konnte Kaiser Ferdinand II. drohte der Oberlausitz, in einer Gegenzug für die Anerkennung Übertragung der Lausitzen als 20 Ausgabe 5 2021 ˚
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