215 Landtagskurier Ausgabe 5 | 2021 - Der Sächsische Landtag

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215 Landtagskurier Ausgabe 5 | 2021 - Der Sächsische Landtag
VK 2B 03058F

                                                                                            Landtagskurier
                                                                                            Ausgabe 5 |
                                                                                            2021

                                          kt!
                                 Vorgemer
                          F F E N  E N T ÜR
               TAG DERSIO
                        S CH E N L A
                                     NDTAG
                      IM SÄCH
                                  0 . 2 0 2
                               3.1 – 18 Uhr) 1
                                       (14

                                                                                                5 21
               Seite 6:                Seite 16:                   Seite 20:
               Aktuelle Debatte zu     Landtagspräsident besucht   Historisches Jubiläum:
               Wetterextremen und      Ausstellungseröffnung       400 Jahre Landtag
               Hochwasser in Sachsen   zum Dreißigjährigen Krieg   in Kamenz
215 Landtagskurier Ausgabe 5 | 2021 - Der Sächsische Landtag
EDITORIAL                                                                                             I N H A LT

                                                                                                                                PLENUM
                                                                         34. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                         Verantwortung für das Ganze
                                                                         Staatsregierung will Impfangebote ausweiten ............................................... 4
                                                                         34. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                         Freie Fahrt für das Bildungsticket
                                                                         Chance für den ländlichen Raum und
                                                                         den öffentlichen Nahverkehr............................................................................................... 5
                                                                         34. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                         Klimaschutz fortführen
                                                                         Wetterextreme häufen sich, Politik diskutiert Maßnahmen...............6
                                                                         Hintergrundinformationen zum Hochwasser in Sachsen ...................8
                                                                         35. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                         Wohnungsmarkt unter Stress
                                                      Foto: S. Giersch   Knapper Wohnraum in den Städten,
                                                                         Leerstand im ländlichen Raum..........................................................................................9
Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger,                                         35. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                         Aus der Krise in die Zukunft
schon vor einigen Wochen haben in Sachsen die Sommerferien be-           Sachsen soll an vielen Stellen digitaler werden.......................................... 10
gonnen. Nach einem kräftezehrenden Schuljahr dürfen sich die             35. Sitzung des Sächsischen Landtags
sächsischen Schülerinnen und Schüler nun freuen, endlich auszu-          Abschiebung oder Anerkennung?
spannen und sich zu erholen. Auch sonst ist für viele von uns die        Fraktionen bewerten Umgang mit Migranten
Urlaubszeit angebrochen. Vielleicht haben Sie sich vorgenommen,          äußerst unterschiedlich..........................................................................................................11
ein lange liegen gebliebenes Buch zu lesen, den Garten zu pflegen
                                                                                                                           PA R L A M E N T
oder zu verreisen.
   Der Sächsische Landtag befindet sich nach einem arbeitsreichen        Die Landarztquote
Plenar­jahr ebenfalls für mehrere Wochen in der Sommerpause. Noch        Anreize beim Hochschulzugang sollen
Ende Juli, wenige Tage vor dem Ferienstart, kamen die Abgeordne-         Ärztemangel abmildern.......................................................................................................... 12
ten zu zwei Sitzungstagen zusammen. Traditionell bietet sich dieser      Laufende Gesetzgebung....................................................................................................... 13
Zeitpunkt an, um eine Arbeitsbilanz der vergangenen 12 Monate zu
ziehen. So behandelte der Sächsische Landtag 40 Gesetzentwürfe,                                                             AKTUELLES
darunter 21 angenommene und vier abgelehnte Beschlüsse. 15 Ge-           Der schwebende Gärtner..................................................................................................... 14
setze befinden sich noch in der parlamentarischen Beratung. Die
                                                                         Europäischer Krieg und deutsches Trauma
Abgeordneten und Fraktionen stellten insgesamt 2 670 Kleine und
                                                                         Ausstellung thematisiert den Dreißigjährigen Krieg
sieben Große Anfragen an die Staatsregierung.                            und seine Folgen für Europa............................................................................................. 16
   Diese Zahlen machen deutlich, dass unser Parlament auch im
zweiten Jahr unter Corona-Bedingungen entschlossen und selbst­           Gedruckte Demokratiegeschichte
                                                                         Landtagskurier informiert seit 30 Jahren über
bewusst agierte. Die Abgeordneten nahmen die Staatsregierung in
                                                                         die Arbeit des sächsischen Parlaments............................................................... 18
die Verantwortung, regelmäßig im Hohen Haus über die Pandemie-­
lage in Sachsen zu berichten. Sie setzten außerdem durch, die                                                          SONDERTHEMA
Ausschüsse bei den Corona-Schutz-Verordnungen einzubeziehen.
                                                                         »Zu Camentz gieng der Land-Tag an«
Die Mitspracherechte gingen den einen dennoch nicht weit genug,          Der Kamenzer Landtag von 1621 als erste Oberlausitzer
für andere verzögerten sie die Umsetzung wichtiger Beschlüsse.           Stände­versammlung unter kursächsischer Herrschaft............................. 20
Ungeachtet dessen hat sich der Landtag in einer Zeit höchst unter-
schiedlicher Meinungen als ein Ort zentraler gesellschaftlicher                                                           GESCHICHTE
Debatten erwiesen. Das Parlament stand nicht an der Seitenlinie,         Erich Zeigner – Der umstrittene Krisenmanager von 1923
sondern war als handelnder Akteur auf dem Spielfeld beteiligt.           Ministerpräsidenten und Landtag in der Zeit
   Im vorliegenden Landtagskurier können Sie sich über die jüngsten      von 1919 bis 1933 (Teil 3).................................................................................................... 22
Debatten und Beschlüsse des sächsischen Parlaments umfassend
informieren. Ich freue mich außerdem, dass es gelungen ist, gleich                                                             SERVICE
zwei hervorragenden Artikeln zur Landtagsgeschichte in diesem            Weitere Informationen des Sächsischen Landtags................................ 24
Heft Platz zu schenken.

                 Dr. Matthias Rößler
                 Präsident des Sächsischen Landtags                      // Titel: Abstimmung im Plenarsaal // Foto: S. Floss

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215 Landtagskurier Ausgabe 5 | 2021 - Der Sächsische Landtag
PLENUM

Bildungsticket, Wetterextreme,
 Mietendeckel, Digitalisierung,
                 Zuwanderung

                                                            // Abgeordnete auf dem Weg in
                                                            den Plenarsaal // Foto: O. Killig

   // Die 34. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags am 21. Juli 2021 begann mit
   dem Bericht der Staatsregierung zur Corona-Lage in Sachsen. Daran schloss
   sich eine Aktuelle Debatte an, die die Einführung des Bildungstickets zum
   1. August 2021 thematisierte. Eine weitere Debatte befasste sich mit den
   Folgen des Klimawandels. Am darauffolgenden Sitzungstag standen die
   Mietpreisentwicklung in den Städten, die Chancen der Digitali­sie­rung sowie
   das Thema Asyl auf der Tagesordnung. //

                                                                                                3
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PLENUM

                                                             34. Sitzung des Sächsischen Landtags
// Schweigeminute für die Betroffenen des Hochwassers in Deutschland // Fotos: S. Floss
                                                                                                                 Dr. Daniel Thieme

                     Verantwortung für das Ganze
                                                    Staatsregierung will Impfangebote ausweiten

// Aus aktuellem Anlass begann die 34. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags mit                            sich durch die Aussetzung der Maskenpflicht
einer Schweigeminute für die Opfer der Hochwasserkatastrophe in mehreren deut-                            seit der vergangenen Woche ver­stärkt. Die
                                                                                                          Maßnahme komme im Hinblick auf die ver-
schen Bundesländern. Anschließend berichtete die Sächsische Staatsregierung
                                                                                                          gleichsweise niedrige Impfquote in Sachsen
über den Stand der Corona-Pandemie. //                                                                    und die sich ausbreitende Delta-Variante
                                                                                                          des Coronavirus viel zu zeitig.
Weiteren Lockdown vermeiden                               Mehr Chancen als Risiken

Wirtschaftsminister Martin Dulig, SPD, versi-             Alexander Dierks, CDU, forderte die AfD dazu    Wachstum nach der Krise
cherte, dass die Staatsregierung intensiv                 auf, ihrer parlamentarischen Verantwortung
daran arbeite, die Impfbereitschaft zu erhö-              nachzukommen und nicht weiter die Pandemie­     An den Erfahrungen der Corona-Krise könne
hen. Man wolle alles unternehmen, um einen                bekämpfung zu gefährden. Man habe sich          man wachsen, so Gerhard Liebscher, BÜNDNIS­
weiteren Lockdown zu vermeiden. Innenmi-                  in den letzten Monaten ein Stück Normalität     GRÜNE. Besonders am Herzen liege seiner
nister Roland Wöller, CDU, würdigte den Ein-              zurückgeholt, müsse aber weiterhin vorsichtig   Fraktion eine Wiederbelebung der Innenstäd-
satz von Ärzten, Pflegekräften, Forschern,                bleiben. Deshalb sei es richtig, umfassend      te. Darüber hinaus investiere man langfristig
Logistikern und anderen Berufsgruppen in                  für eine Impfung zu werben. Letztlich berge     in den Klimaschutz, wenn die Einnahmever-
der Corona-Pandemie. Ebenso dankte er jenen               zwar jede Schutzimpfung auch ein Restrisiko,    luste der sächsischen Verkehrsgesellschaften
520 Landesbediensteten, die in den Land-                  dies sei aber hundertfach geringer als mög-     voll ausgeglichen würden. Regionale Pro-
kreisen und kreisfreien Städten im Gesund-                licherweise eine schwere Corona-Erkrankung.     duktionskreisläufe und eine sächsische
heitsdienst ausgeholfen hätten.                               Viele Menschen würden die Gefahr, zu        Kreislaufwirtschaft minderten die Abhängig-
   Der Fraktionsvorsitzende der AfD, Jörg                 erkranken oder sogar zu versterben, nicht       keit von globalen Lieferketten.
Urban, warf der Staatsregierung mangelnde                 mehr ernst genug nehmen, konstatierte Rico          Impfen sei und bleibe gegenwärtig die
Vorbereitung und fehlerhaftes Management                  Gebhardt, DIE LINKE. Dieser Eindruck habe       höchste Priorität, befand Simone Lang, SPD.
in der Corona-Pandemie vor. So habe sie zu                                                                Jeder Sachse könne sich selbst vor einer In-
spät notwendige Ausrüstung besorgt und                                                                    fektion schützen und dazu beitragen, eine
Alten- und Pflegeheime nicht ausreichend                                                                  vierte Welle im Herbst zu verhindern. Damit
geschützt. Impfen stelle in erster Linie einen                                                            würde man nicht nur sich selbst, sondern
Eingriff in die körperliche Unversehrtheit                                                                insbesondere auch Kinder und erkrankte ältere
dar, es sei mit einigen Risiken verbunden.                                                                Menschen schützen. Lockerungsdiskussio-
Währenddessen sinke aufgrund von Virus-                                                                   nen seien zum jetzigen Zeitpunkt völlig fehl
mutationen gegenwärtig die Wirksamkeit                                                                    am Platz. Es bedürfe zunächst für den Herbst
der Immunisierung.                                                                                        eines funktionierenden Plans.

4                                                                                                                                     Ausgabe 5 2021
                                                                                                                                               ˚
                                        // Martin Dulig
215 Landtagskurier Ausgabe 5 | 2021 - Der Sächsische Landtag
PLENUM

                                                    34. Sitzung des Sächsischen Landtags
Foto: S. Floss
                                                                                                        Dr. Daniel Thieme

            Freie Fahrt für das Bildungsticket
                       Chance für den ländlichen Raum und den öffentlichen Nahverkehr

// In der ersten Aktuellen Debatte am 21. Juli 2021 befasste sich der Sächsische                 Beitrag zur Mobilitätswende
Landtag mit einem Antrag der SPD-Fraktion zum Thema: »Für Schule, Freizeit und
                                                                                                 Viele Gebiete in Sachsen seien beim ÖPNV
Wochenende – endlich kommt das Bildungsticket«. Das Angebot wird ab 1. August
                                                                                                 unzureichend erschlossen, betonte Gerhard
in Sachsen eingeführt. Es verschafft Kindern und Jugendlichen eine günstige                      Liebscher, BÜNDNISGRÜNE. Kultur- und Frei-
Möglichkeit, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. //                                           zeitangebote könnten so nur unter er-
                                                                                                 schwerten Bedingungen oder mit dem Auto
Enorme Kraftanstrengung                           Alte Strecken reaktivieren                     erreicht werden. Die Koalition arbeite daher
                                                                                                 an einer besseren Anbindung des länd­
Henning Homann, SPD, betonte, das Bildungs­       Ein Lobgesang auf das Bildungsticket käme      lichen Raumes. Mit dem Ausbau des Plus-
ticket ermögliche Kindern und Jugendlichen        bei aller Sympathie noch zu früh, so Tobias    und TaktBus-Verkehrs und der Reaktivierung
einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung,      Keller, AfD. Das Beförderungsangebot sei       stillgelegter Bahnstrecken wolle man die
unabhängig davon, wo sie wohnten oder             gerade in ländlichen Gemeinden viel zu         Kommunen in den unterversorgten Gebieten
wie viel ihre Eltern verdienten. Es sei gleich-   dünn. Manche Orte seien für einen An-          möglichst im Stundentakt anbinden.
zeitig ein weiterer Baustein für die Mobili-      schluss per se ausgeschlossen. Aber auch           Um das Angebot im öffentlichen Nahverkehr
tätswende, wenn es gelinge, auf diese Wei-        Probleme mit langen Fahrtzeiten oder feh-      auszubauen, stelle die Staatsregierung über
se junge Menschen für den Nahverkehr zu           lenden Direktverbindungen gehörten zu          das Landesinvestitionsprogramm 130 Millio­
begeistern. Das Angebot schenke ihnen zu-         Defiziten, die schnellstmöglich behoben        nen Euro zur Verfügung, so Wirtschafts­
sätzliche Freiheit, ermögliche Selbstständig-     werden müssten. Es führe kein Weg daran        minister Martin Dulig, SPD. Zu den Schwer-
keit und entlaste ihre Familien finanziell und    vorbei, verschiedene Bahnstrecken zu reak-     punkten gehöre die Omnibusförderung und
organisatorisch.                                  tivieren.                                      die Förderung neuer Straßenbahn- und Stadt­
   Andreas Nowak, CDU, stimmte den Worten             Man freue sich darüber, dass es das Bil-   bahnfahrzeuge. Daneben stelle man den
seines Vorredners zu, auch für ihn sei das        dungsticket nun endlich in Sachsen gebe, so    zuständigen kommunalen Aufgabenträgern
Bildungsticket ein richtiges und wichtiges Pro-   Marco Böhme, DIE LINKE. Bereits in der         jährlich über 22 Millionen Euro für den Auf-
jekt. Es mache junge Menschen mobiler und         vergangenen Legislaturperiode habe man         bau eines Busgrundnetzes zur Verfügung.
erleichtere ihnen den Einstieg in den ÖPNV.       immer wieder Debatten angestoßen, um die
Es würden aber auch genügend Busse benö-          Koalition an ihr eigenes Versprechen zu er-
tigt, um das Potenzial des Bildungs­tickets       innern. Unbefriedigend sei hingegen, dass
vollumfänglich ausschöpfen zu können, vor         Auszubildende nicht in den Tarif aufgenom-
allem im ländlichen Raum. Deshalb gehöre          men worden seien. Sie müssten für die Nut-
es zu einem wichtigen Anliegen, das Plus-         zung von Bussen und Bahnen vielmehr ein
Bus- und TaktBus-Netz weiter auszubauen.          deutlich teureres AzubiTicket erwerben.                                www.landtag.sachsen.de

Ausgabe 5 2021                                                                                                                               5
         ˚
215 Landtagskurier Ausgabe 5 | 2021 - Der Sächsische Landtag
PLENUM

                                                      34. Sitzung des Sächsischen Landtags

// Lars Rohwer               // Jörg Urban                     // Antonia Mertsching           // Volkmar Zschocke           // Volkmar Winkler // Fotos: S. Floss

                                                                                                                       Katja Ciesluk

                 Klimaschutz fortführen
                                             Wetterextreme häufen sich, Politik diskutiert Maßnahmen

      // Die zweite Aktuelle Debatte der 34. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags am 21. Juli 2021,
                                                                                                                       redner bei. Hochwasservorsorge
      beantragt von der Fraktion BÜNDNISGRÜNE, widmete sich dem Thema »Zwischen Trockenheit
                                                                                                                       sei wichtiger denn je, da sich
      und Überschwemmungen – Auswirkungen des Klimawandels konkret und vor Ort begegnen«.                              Extremwetterlagen derzeit
      Die Debatte stand unter dem Eindruck der schweren Unwetter in Deutschland wenige Tage                            immer wieder häuften. Voran-
      zuvor. (siehe Hintergrund auf Seite 8) //                                                                        treiben müsse man zudem die
                                                                                                                       weitere Sanierung der teilweise
                                                                                                                       hundert Jahre alten Abwasser-
      BÜNDNISGRÜNE: Jetzt                    und Gesundheit zu schützen,           Aufgaben zu lösen. Alle An-         kanäle. Bisher gebe es in
      gemeinsam handeln                      Wasserversorgung und lebens-          strengungen scheiterten je-         Deutschland keinen flächende-
                                             notwendige Infrastruktur zu           doch, wenn nicht zugleich alles     ckenden Mangel an Wasser,
      Die globalen und lokalen Wetter­       sichern sowie Land- und Forst-        getan werde, um die Ursachen        es sei aber regional höchst
      extreme dieses Sommers unter-          wirtschaft, aber auch die             der Klimakrise in den Griff zu      unterschiedlich verfügbar. Man
      strichen, wie dringend die             Siedlungsgebiete anzupassen.          bekommen.                           müsse lernen, mit Wasser-
      Debatte sei, betonte Volkmar           Sachsen habe seit 2002 bereits                                            knappheit umzugehen, verdeut-
      Zschocke, BÜNDNISGRÜNE. Es             3,6 Milliarden Euro in den                                                lichte der Abgeordnete in seiner
      sei respektvoll gegenüber den          Hoch­wasserschutz investiert,         CDU: Mit Wasser­                    Rede. Die Industrie könne nicht
      Opfern der jüngsten Unwetter,          lobte Zschocke. Er forderte,          knappheit umgehen                   weiter Trinkwasser für betrieb­
      darüber zu reden, wie den Aus-         jetzt gemeinsam und ohne                                                  liche Abläufe verwenden und
      wirkungen des Klimawandels             Schuldzuweisungen zu handeln.         Sachsen habe bereits viel im        es brauche Wasserspeicher für
      vor Ort noch besser begegnet           Es brauche gebiets- und ressort­­     Hochwasserschutz getan und          die Vorsorge. Die Wiederver-
      werden könne. Man müsse sich           übergreifendes Agieren, um die        tue dies nach wie vor, pflichtete   wendung von Wasser gelte es
      besser vorbereiten, um Leben           komplexen und schwierigen             Lars Rohwer, CDU, seinem Vor-       immer mit zu bedenken. Diese

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                                                                                                                                                  ˚
215 Landtagskurier Ausgabe 5 | 2021 - Der Sächsische Landtag
PLENUM

fordere man von der Industrie.      Bevölkerung gehöre zu den
Jeder könne dies aber auch          Aufgaben des Staates. Das
bei sich zu Hause, im Privaten      Nicht-vorbereitet-Sein auf er-
umsetzen.                           wartbare und angekündigte
                                    Katastrophen scheine zum
                                    Markenzeichen deutscher
AfD: Keine Zukunfts-                Politik zu werden.
angst verbreiten

Jörg Urban, AfD, warf den           DIE LINKE:
BÜNDNIS­GRÜNEN vor, Zukunfts-       Versiegelung reduzieren
angst zu verbreiten. Wetter­
extreme wie Überschwemmun-          Antonia Mertsching, DIE LINKE,
gen oder Dürren habe es schon       lenkte den Blick auf die hohe
immer gegeben und werde es          Flächenversiegelung, die den
auch künftig geben. Regierung       Wasserhaushalt beeinträchtige
und öffentlich-rechtlicher Rund-    und sich auf den Klimawandel         // Dr. Daniel Gerber und Volkmar Zschocke
funk versuchten, jedes größere      auswirke. Sachsen verbrauche
Wetterereignis dem Klimawan-        täglich 4,3 Hektar Fläche. Grün-
del in die Schuhe zu schieben,      de seien vor allem das stetige       bei Starkregenereignissen. Es               nachgedacht werden. Eine
obwohl man wisse, dass sich das     Wachstum von Verkehrsflächen         brauche effiziente Siedlungs-               der jetzt wichtigsten Aufgaben
Klima schon immer gewandelt         und die intensive Bautätigkeit.      strukturen sowie eine Stärkung              sei es, das Für und Wider einer
habe und immer wandeln wer-         Sie vermisse eine Strategie, um      des ökologischen Hochwasser-                Pflichtversicherung für Elemen-
de. Vielmehr hänge es in erster     das Ausmaß der Versiegelung in       schutzes. Und schließlich,                  tarschäden zu diskutieren.
Linie vom Katastrophenschutz        Sachsen zu reduzieren, obwohl        sagte Mertsching zum Schluss
ab, ob eine Überschwemmung          der Freistaat sich bereits im Jahr   ihres Beitrages, solle der öffent-
zur menschlichen Tragödie wer-      2009 das Ziel gesetzt habe,          liche Personennahverkehr aus-               Staatsregierung:
de. Viele hätten jüngst keine       maximal 2 Hektar pro Tag zu          gebaut werden.                              Konsequente
Chance gehabt, da die Warnun-       verbrauchen. Die Zunahme der                                                     Klimaschutzpolitik
gen bei den örtlichen Entschei-     versiegelten Fläche führe zu ei-
dern zu spät oder gar nicht         ner Zersiedelung der Landschaft      SPD: Pflichtversiche-                       Nachdem Sachsen bei den
angekommen und Anwohner             und einem enormen Rohstoff-          rung diskutieren                            Jahrhunderthochwassern viel
nicht rechtzeitig in Sicherheit     verbrauch. Zudem verschlechtere                                                  Solidarität erfahren habe, sei er
gebracht worden seien, kriti-       sich die Versickerung und damit      Der menschengemachte Klima-                 dankbar, dass jetzt der Freistaat
sierte Urban. Der Schutz der        steige die Hochwassergefahr          wandel werde dafür sorgen,                  den betroffenen Ländern helfe,
                                                                         dass diese Extreme an Intensi-              hob Wolfram Günther, Staatsmi-
                                                                         tät und Häufigkeit zunähmen,                nister für Energie, Klimaschutz,
                                                                         sagte Volkmar Winkler, SPD.                 Umwelt und Landwirtschaft,
                                                                         Nach Soforthilfe für die betrof-            BÜNDNIS­GRÜNE, an. Die beste
                                                                         fenen Gebiete müsse man an                  Antwort auf die Herausforderun-
                                                                         verstärkten Maßnahmen für                   gen des Klimawandels liefere eine
                                   »Genau dieser                         Klimaschutz und Klimawandel­                konsequente Klimaschutzpolitik.
                                   Zweiteilung von                       anpassung arbeiten und der                  Daran arbeite die Koalitionsre-
                                   Klimawandel und                       Natur mehr Raum geben. Beim                 gierung, betonte Günther mit
                                      der Zunahme von                    Hochwasserschutz habe Sach-                 Verweis auf das beschlossene
                                                                         sen aus den vergangenen Kata-               Energie- und Klimaprogramm.
                                        Wetterextremen
                                                                         strophen gelernt. Dennoch ge-               Dieses lege bestimmte Dinge
                                          müssen wir                     he es darum, nicht nur auf den              auf wissenschaftlich fundierter
                                           uns im Freistaat              technischen Hochwasserschutz                Grundlage anhand gemessener
                                            Sachsen                      zu setzen. Mit Blick auf Schä-              Resultate dar. Seit dem 19. Juli
                                             stellen.«                   den und fiskalische Auswirkun-              2021 tage zudem eine innermi-
                                                                         gen bedürfe es keiner Abwä-                 nisterielle Arbeitsgruppe, die
                                                                         gung zwischen Wirtschaft und                konkrete Maßnahmenpläne
                                                                         Klimaschutz. Der von der Koali-             erarbeite und aufzeige, wie in
                                                                         tion vorausschauend aufgelegte              allen Sektoren der Klimaschutz
                                                                         Klimafonds könne ein Anfang                 ernst genommen werde und
           34. Sitzung des Sächsischen Landtags                          sein, es sollte aber auch über              Energie­systeme umgewandelt
                                                                         größere Lösungen wie einen                  werden könnten. Sachsen sei auf
                        // Wolfram Günther                               Investitionsfonds oder die                  einem guten Weg; es liege aber
                                                                         Lockerung der Schuldenbremse                auch noch viel Arbeit vor uns.

Ausgabe 5 2021                                                                                                                                      7
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215 Landtagskurier Ausgabe 5 | 2021 - Der Sächsische Landtag
PLENUM

                                  Hintergrundinformationen zum
                                     Hochwasser in Sachsen
// Kirnitzschflut am 18. Juli 2021 in Bad Schandau // Foto: M. Förster

// Nicht erst seit den jüngsten Geschehnissen zeigt sich, dass                   Langfristige                            Die Häufung von Extremwetter-
es in Deutschland immer wieder zu Hochwassersituationen                          Entwicklungen                           lagen in Sachsen lässt sich
kommt. Sachsen bleibt von diesen gefährlichen Wetterlagen                                                                anhand der erhobenen Klima-
                                                                                 Extremes Hochwasser hat in              daten nachvollziehen. Auf etwa
nicht verschont. Sie bringen Folgen für Menschen und Umwelt
                                                                                 Sachsen bereits in den vergan-          70 Prozent der Fläche Sachsens
und auch für die Wirtschaft mit sich. //                                         genen Jahren immer wieder               hat Starkregen in den vergange-
                                                                                 großen Schaden angerichtet.             nen 30 Jahren zugenommen.
Hochwasser 2021                               stein-Ernstthal gab es heftigen    In Erinnerung ist vor allem die         Besonders deutlich erhöhten
                                              Starkregen. In Steinbach bei       Jahrhundertflut von 2002 ge-            sich die Zuwächse in den Som-
Deutschland musste Mitte Juli                 Jöhstadt im Erzgebirgskreis wur-   blieben, als Flüsse wie die             mermonaten, also in der Zeit von
mit starken Unwettern kämpfen.                de beispielsweise ein Mann von     Zschopau, Flöha, Freiberger             Juli bis September. Die Daten
Besonders in Nordrhein-West­                  einer Sturzflut weggerissen. In    Mulde oder Weißeritz binnen             machen zudem deutlich, dass
falen und Rheinland-Pfalz, aber               einzelnen Lagen ergossen sich      Stunden auf das Vielfache               die kräftigen Niederschläge sich
auch in Bayern und Sachsen                    130 Liter Regenwasser pro Qua-     ihrer sonstigen Größe an-               häufiger mit trockeneren Jahres-
richteten Starkregen, Hochwas-                dratmeter binnen 24 Stunden.       schwollen. Die Elbe erreichte           abschnitten abwechselten.
ser und Sturzfluten immensen                  Das sächsische Jahresmittel        in Dresden am 17. August 2002               An Wetterextremen wie Stark­
Schaden an. Nach Angaben des                  liegt bei 500 bis 700 Litern.      einen Pegel von 9,40 Metern.            regen oder ausgeprägten Trocken­
Deutschen Wetterdienstes fie-                                                                                            perioden sowie einer zunehmend
len innerhalb von 72 Stunden                                                                                             angespannten Wasserbilanz
bis zu 182,4 Liter Niederschlag                                                                                          zeigen sich die Folgen des Kli-
pro Quadratmeter. Dem bisheri-                                                                                           mawandels auch in Sachsen.
gen Erkenntnisstand zufolge                                                                                              Die Veränderungen stellen nicht
kamen dabei 181 Menschen                                                                                                 nur eine Bedrohung für Men-
ums Leben, weitere Personen                                                                                              schen und ihre Umwelt dar, sie
werden noch vermisst.                                                                                                    bringen auch enormen volks-
    In Ostsachsen gingen eben-                                                                                           wirtschaftlichen Schaden mit
falls extreme Regenfälle nieder                                                                                          sich. Für die Landwirtschaft
und verursachten Überschwem-                                                                                             sind die Unwetter verheerend,
mungen und Erdrutsche. Die                                                                                               weil ihr dann massive Ernte-
Unwetter zogen Straßen, Eisen-                                                                                           schäden drohen.
bahngleise, Brücken und Ge-
                                                                            STARKREGEN
bäude in Mitleidenschaft. Auch
                                                                            Auftrittshäufigkeit
im Lausitzer Bergland und im                                                Kerngebiete der Änderung                     Quelle: Regionales Klimainfor-
Zittauer Gebirge sowie in Hohen­                                            Vegetationsperiode II (Juli bis September)   mationssystem für Sachsen,
                                                                            Änderung 1991 – 2015 vs. 1961 – 1990         Sachsen-Anhalt und Thüringen

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      Wohnungsmarkt unter Stress
                       Knapper Wohnraum in den Städten, Leerstand im ländlichen Raum

// DIE LINKE beantragte in der 35. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags am 22. Juli 2021              Keine Trennung in
eine Debatte zum Thema »Bezahlbare Mieten in Stadt und Land statt Ausverkauf –                       Arm und Reich
Mieten deckeln, mehr sozial bauen, Wohnraum in kommunaler Hand sichern!«.
                                                                                                     Bis weit in die Mittelschicht hinein seien
Besonders in den sächsischen Großstädten steigen die Mieten seit Jahren stark an. //                 viele Familien auf Wohnungssuche, fänden
                                                                                                     aber in den sächsischen Städten keinen be-
Regulierend eingreifen                           Sanierungen teilweise                               zahlbaren Wohnraum, so Albrecht Pallas, SPD.
                                                 unwirtschaftlich                                    Auf dem Rücken dieser Menschen nun die
Privatisierungen seien falsch und anachro-                                                           Strukturschwäche im ländlichen Raum lösen
nistisch, machte Juliane Nagel, DIE LINKE, zu    André Barth, AfD, hob hervor, dass laut dem         zu wollen, sei zynisch. Es gehe vielmehr um
Beginn der Debatte deutlich. Dennoch setze       Sächsischen Wohnungsverband keine Woh-              die Frage, ob es dort erschwingliche Wohnun­
sich dieser Trend in einigen Städten Sachsens    nungsknappheit bestehe. Weder in Dresden            gen gebe, wo man leben und arbeiten wolle.
fort. Die Gründe lägen in der Verschuldung       noch in Leipzig, geschweige denn im länd­           Eine Stadt dürfe nicht in arme und reiche
der Kommunen, dem wachsenden Leer-               lichen Raum gebe es einen angespannten              Stadtviertel gespalten werden.
stand und zunehmenden Sanierungsstau. In         Wohnungsmarkt. Folglich sei auch genügend              Der Staatsminister für Regionalentwick-
Dresden oder Leipzig dürfe man die ange-         bezahlbarer Wohnraum vorhanden. Für viele           lung Thomas Schmidt, CDU, betonte, im
spannten Wohnungsmärkte nicht sich selbst        kleine Wohnungseigentümer gestalte es               ländlichen Raum bestehe nicht etwa das
oder den Besserverdienenden überlassen.          sich indes problematisch, die geforderten           Problem, keinen bezahlbaren Wohnraum zu
Wohnungspolitik müsse vielmehr bedarfs-          energetischen Sanie­rungen durchzuführen.           finden, sondern den Wohnungsbestand auf
gerecht gestaltet werden.                        Diese würden sich trotz der Fördermöglich-          hohem Niveau zu halten. Erfreulich sei, dass
   Laut Oliver Fritzsche, CDU, stelle sich die   keiten als unwirtschaftlich darstellen.             sich die Wanderungsbewegung zwischen
Wohnungssituation in Sachsen regional äu-             Für die Fraktion BÜNDNISGRÜNE ergriff          Stadt und Land längst ausgeglichen habe
ßerst unterschiedlich dar. Im ländlichen Raum    Thomas Löser das Wort. Er wies darauf hin,          oder sogar ins Positive kippe. Während die
verzeichne man eine Leerstandsquote von          dass im aktuellen Landeshaushalt jährlich           Menschen noch vor Jahren aus den länd­
14,3 Prozent, in den Großstädten Dresden,        rund 74 Millionen Euro für den sozialen Woh-        lichen Gebieten weggezogen seien, werde
Chemnitz und Leipzig hingegen von 5 Prozent.     nungsbau und weitere 70 Millionen Euro für          dort heute das Bauland knapp.
Trotz durchaus moderater Mietsteigerungen in     die Wohnraumförderung zur Verfügung stün-
den vergangenen Jahren müsse man fragen,         den. Die Mietsituation auf dem Lande sei
wie bei den momentanen Bau- und Sanie-           je­­doch deutlich entspannter als in den Städten.
rungskosten eine Miete, die im ländlichen        So müsse man etwa in Dresden durchschnitt­
Raum teilweise unter 5 Euro pro Quadratmeter     lich 32 Prozent des Nettoeinkommens für
liege, noch bestandserhaltend sein könne.        eine Wohnung ausgeben.                                                                www.landtag.sachsen.de

      35. Sitzung des Sächsischen Landtags                                                           // Juliane Nagel // Foto: O. Killig

                                                                                                                                                           9
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                                                                 35. Sitzung des Sächsischen Landtags
// Lars Rohwer und Holger Mann am Mikrofon // Fotos: O. Killig

                  Aus der Krise in die Zukunft
                                            Sachsen soll an vielen Stellen digitaler werden

         Dr. Daniel Thieme                                 // »Digitalisierung nach der Pandemie als zentralen Treiber für Gesellschaft und
                                                           Wirtschaft verstehen!«, unter diesem Titel stand die zweite Aktuelle Debatte der
                                                           35. Sitzung am 22. Juli 2021. Der Antrag stammte von der CDU-Fraktion. //

Positiver Datenschutz                                      Nicht der Wirtschaft überlassen                   Bürgerfreundliche Angebote

Die Corona-Pandemie habe in Deutschland                    Nico Brünler, DIE LINKE, verwies ebenfalls        Holger Mann, SPD, betonte, man müsse in
die Digitalisierung kräftig angeschoben, so                auf die europäische Richtlinie. Darin gehe es     Sachsen zunächst die technische Mindest­
Lars Rohwer, CDU. Dieser Impuls sei längst                 unter anderem um die Frage, wer die Stan-         ausstattung schaffen, damit die Digitalisie-
überfällig gewesen. Handlungsbedarf gebe es                dards festlege und wie die Schnittstellen         rung vorankomme. Zu den guten Beispielen
in Unternehmen, Ämtern und Schulen. Zu                     definiert würden. Man dürfe diese Aufgaben        gehörten die Fortschritte bei der Anwendung
den wichtigsten Voraussetzungen gehörten                   nicht den großen Digitalkonzernen überlas-        der sächsischen Geodaten-Infrastruktur oder
schnelles Internet, aber auch ein anwender-                sen, vielmehr sei dies ein Auftrag der Politik.   des Open-Data-Portals. Wenn der Staat leis-
freundlicher Datenschutz. Letzteren könne ein              In Sachsen habe die Corona-Pandemie ge-           tungsfähig bleiben wolle, brauche es zeitnah
Gutachtensiegel ermöglichen, das sichere                   zeigt, dass der Freistaat schlecht vorbereitet    ein Angebot, über das jeder Bundesbürger
Programme datenschutzrechtlich zertifiziere.               gewesen sei. Beim Netzausbau oder bei digi­       sich an- und ummelden, die Trauung terminie-
Bei künstlicher Intelligenz brauche es mehr                talen Angeboten hinke man weit hinterher.         ren oder Geburtsurkunden bestellen könne.
Best-Practice-Beispiele.                                      Die Debatte sei überfällig und müsse              Wenn Technik in neue gesellschaftliche
   Mario Beger, AfD, forderte, die Gesell-                 eigentlich regelmäßig geführt werden, hob         Bereiche vorstoße, bedürfe es immer eines
schaft solle die Digitalisierung vorantreiben,             Dr. Daniel Gerber, BÜNDNISGRÜNE, hervor.          verantwortlichen ethischen Handlungsrah-
ohne dass sie selbst zum Getriebenen werde.                Bei der Digitalisierung müssten alle Bevöl-       mens, so der Staatsminister für Bundesange­
Nachdenklich mache ihn die Zahl jüngster                   kerungsschichten mitgenommen werden.              legenheiten und Medien, Oliver Schenk, CDU.
Meldungen zu Hackerangriffen in Deutsch-                   Ebenso wichtig seien Change-Manage-               Daher sei es wichtig, für dieses Thema ein
land. Es bräuchte daher mehr IT-Experten,                  ment-Prozesse in der Verwaltung, die eine         gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen.
um sichere Netze zu schaffen. In den EU-Ver-               gesunde Fehlerkultur erlaubten. Bei der           Vorteile bringe die Digitalisierung in vielen
ordnungen zu den Themen Digitalisierung                    IT-Sicherheit dürfe nicht gespart werden,         Bereichen, etwa im Gesundheitssektor. So
und Künstliche Intelligenz finde man zwar                  Sicherheitslücken für Staatstrojaner solle es     könnten mit der elektronischen Patienten-
viele gut klingende Regelungen, diese seien                nicht geben. Wohin Nachlässigkeit in die-         akte Daten in Echtzeit ausgetauscht und
jedoch alle, in Wirklichkeit längst erlegte,               sem Bereich führe, verdeutlichten aktuelle        mögliche Vorerkrankungen rasch erfasst
Papiertiger.                                               Vorfälle.                                         werden.

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                                                                                                                                                  ˚
PLENUM

// Die dritte Aktuelle
Debatte der 35. Sitzung des
7. Sächsischen Landtags
hatte die AfD-Fraktion zum
Thema »Zuwanderung und
Sicherheit – Wie geht es
weiter?« beantragt. Nach
statistischen Angaben nahm
Sachsen im Jahr 2020 von
102 581 registrierten Personen,
die in Deutschland Asyl
begehrten, 4 912 auf. //

                                                 35. Sitzung des Sächsischen Landtags

   Dr. Daniel Thieme                                                                                // Sebastian Wippel // Fotos: O. Killig

      Abschiebung oder Anerkennung?
                      Fraktionen bewerten Umgang mit Migranten äußerst unterschiedlich

Bedenkliche Lage                                  sich beispiels­weise die Frage, wie man mit       hindere man nicht durch Ausschluss, sondern
                                                  Migranten umgehe, die nicht abgeschoben           indem man die Menschen zum Teil der Ge-
Carsten Hütter, AfD, verwies auf Zahlen aus       werden könnten, weil in ihren Herkunftslän-       sellschaft mache.
dem Jahr 2016, nach denen Migranten in            dern, wie beispiels­weise Syrien, die Voraus-
Deutschland insgesamt über 2 000 Straftaten       setzungen fehlten. Um an der Situation etwas
verübt hätten. In vielen Fällen seien dafür       zu ändern, sollten endlich Asylzentren außer­     Brücken bauen
junge Männer, eingereist ab dem Jahr 2015,        halb der Europäischen Union entstehen.
verantwortlich gewesen. Vor allem in den                                                            Seine Partei nehme die Gefahren sehr ernst,
Gemeinschaftsunterkünften gebe es ein ho-                                                           so Albrecht Pallas, SPD. Man müsse früh­
hes Gewaltniveau. Sebastian Wippel, AfD,          Vielfältige Ursachen                              zeitig erkennen, wenn sich Menschen radi-
fügte in einer zweiten Rednerrunde an, dass                                                         kalisierten. Auch sollte zunächst versucht
derzeit in Sachsen 14 700 vollziehbar aus-        Juliane Nagel, DIE LINKE, warf der AfD vor,       werden, islamistische Gefährder in ihre
reisepflichtige Personen lebten.                  sich an einer Schwarz-Weiß-Logik festzuhal-       Heimatländer zurückzubringen. Gelinge das
    Rico Anton, CDU, hielt dagegen, mit dieser    ten. In der Realität seien die Ursachen für den   nicht, müssten die Sicherheitsbehörden
Debatte biete die AfD keinerlei Lösungsmög­       Zusammenhang von Migration und Krimina-           diese Personen im Blick behalten. Daher
lichkeiten. Man müsse aber die Situation nun      lität vielschichtig. Vielfach sei das Leben in    gebe es Brücken hin zur Zuwanderung, zum
einmal so bewerten, wie sie sei. Es stelle        Sammelunterkünften ein Problem, denn in           Beispiel über die Ausbildungs- und Arbeits-
                                                  diesem Bereich werde häufig Gewalt verübt.        platzduldung.
// Prof. Dr. Roland Wöller                        Daher müssten diese Unterbringungsmög-                Für die Staatsregierung sprach am Ende
                                                  lichkeiten abgeschafft werden. Bessere Per-       der Debatte Innenminister Prof. Dr. Roland
                                                  spektiven bräuchte es zudem in der Bildung        Wöller, CDU. Nach seiner Einschätzung sei
                                                  und am Arbeitsmarkt.                              die geregelte Migration von Fachkräften ent-
                                                      Wenn man schon über Sicherheit rede,          scheidend, damit die sächsische Wirtschaft
                                                  dann müsse man das Thema auf alle                 ihren Erfolgsweg fortsetzen könne. Man wolle,
                                                  Menschen beziehen, warf Petra Čagalj Sejdi,       dass diese Menschen und ihre Familien lang­
                                                  BÜNDNISGRÜNE, ein. Personen mit Migrati-          fristig blieben. Damit aber den Betroffenen
                                                  onsbiografie erlebten Diskriminierung und         und ihren Angehörigen eine lange Hänge-
                                                  Ausgrenzung. Das beginne mit kleinen Dingen,      partie zwischen Asylantrag und Asylbescheid
                                                  auch mit dummen Sprüchen und ende mit-            erspart bleibe, müssten Anerkennungs- und
                                                  unter wie bei den rassistischen Vorfällen in      Ablehnungsverfahren dringend beschleunigt
                                                  Hanau, München und Halle. Straftaten ver-         werden.

Ausgabe 5 2021                                                                                                                                 11
         ˚
PA R L A M E N T

                    Die Landarztquote
                                 Anreize beim Hochschulzugang sollen Ärztemangel abmildern

Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/ J. Büttner

                                             // Schon seit einigen Jahren fehlt es dem Freistaat Sachsen an           Janina Wackernagel
                                             Ärzten im ländlichen Raum. Fast ebenso lange wird darüber
                                             diskutiert, wie es gelingen kann, angehende Medizinerinnen
Der Sächsische Landtag befasst               und Mediziner schon zu Beginn ihres Studiums zu verpflichten,           gar keine Approbation anstreben.
sich aktuell mit gleich zwei Ge-                                                                                     Sie könnten somit ihrer Ver-
                                             später in unterversorgten Gebieten zu arbeiten. //
setzentwürfen zur Lösung des                                                                                         pflichtung zum Arbeiten auf dem
Ärztemangels auf dem Lande.                                                                                          Land straffrei entgehen. Andere
Aus der Feder der Staatsregie-               verfahren die Zugangshürden          Aufgrund des hohen Bedarfes        Sachkundige, wie Sabine Giese
rung stammt das »Gesetz zur                  zum Medizinstudium für jene          an ausgebildeten Medizinern        von der Konferenz der Sächsi-
Stärkung der ärztlichen Versor-              erleichtert, die statt exzellenter   auf dem Lande sei dieses Mittel    schen Studierendenschaften,
gung im Freistaat Sachsen«;                  Abiturnoten zum Beispiel medi-       gerechtfertigt, so Anna Büscher    verwiesen auf die damit einher-
die AfD-Fraktion brachte das                 zinische Berufserfahrung mit-        von der Universität Bochum.        gehenden Grundrechtseingriffe.
»Sächsische Gesetz zur Sicher-               bringen. Bei Nichteinhalten der         Mit Blick auf die vorgesehe-    Die freie Lebensgestaltung so-
stellung der hausärztlichen Ver-             Verpflichtung sind Vertragsstra-     nen Vertragsstrafen zeigten die    wie die Berufsfreiheit würden
sorgung in Bereichen besonde-                fen in Höhe von 250.000 Euro         Anwesenden der öffentlichen        erheblich eingeschränkt, wenn
ren öffentlichen Bedarfs« ein.               vorgesehen.                          Anhörung reichlich Gesprächs-      am Ende des Medizinstudiums
Beide Gesetzentwürfe erörter-                                                     bedarf. So regte Rechtsanwalt      zwingend der Umzug aufs Land
ten am 5. Juli 2021 Abgeordnete                                                   Wilhelm Achelpöhler an, die        anstehe und womöglich auf dem
und Sachkundige in einer öffent-             Ein herausragendes                   Vertragsstrafe mit dem Studien-    Weg zum Facharzt die Wahl an
lichen Anhörung des Ausschus-                Abitur macht noch                    abschluss zu verknüpfen und        Spezialisierungsmöglichkeiten
ses für Wissenschaft, Hoch-                  keinen Landarzt                      nicht mit der Approbation. Ein     begrenzt werde.
schule, Medien, Kultur und                                                        erheblicher Prozentsatz der Ab-        Eine weitere Frage befasste
Tourismus.                                   Die meisten Sachkundigen be-         solventen würde nämlich erst       sich mit der Höhe der ange-
   Bei einigen Unterschieden                 fürworteten, die Zulassung zum                                          dachten Vertragsstrafe. Der Be-
im Detail sehen beide Gesetzes­              Medizin­studium nicht nur über                                          trag müsse durchaus empfind-
texte gleichermaßen vor, bei                 einen Numerus clausus zu re-                                            lich sein, um den Zweck der
der Auswahl der Studierenden                 geln, sondern vielmehr auch                                Protokoll    Quote zu erfüllen, fand der
                                                                                       ZUM NACHLESEN

eine Vorabquote für Landärzte                auf die praktischen und sozia-                            Öffentliche   Allgemeinmediziner Christoph
                                                                                                       Anhörung
einzusetzen. Medizinstudenten                len Fähigkeiten von Studienbe-                                          Lohmann. Statt eines festen
sollen sich demnach vertraglich              werbern zu schauen. Auch der                                            Betrags könne sich die Summe
verpflichten, im Anschluss an                Vorschlag, die Zugangserleich-                                          etwa am Jahreseinkommen
ihr Studium zehn Jahre auf dem               terung mit einem Kontingent                                             der verschiedenen Facharzt­
Land zu arbeiten. Zugleich wür-              für zukünftige Landärzte zu ver-                                        richtungen orientieren.
den durch veränderte Auswahl-                knüpfen, fand Zustimmung.

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                                                                                                                                              ˚
PA R L A M E N T

LAUFENDE GESETZGEBUNG
TITEL | EINBRINGER                                ERLÄUTERUNG                                                   STATUS

Sächsisches Gesetz zur Sicher­                    Durch eine Vorabquote sollen Bewerber                         Öffentliche Anhörung im Ausschuss für
stellung der hausärztlichen                       einen Medizinstudienplatz erhalten, wenn                      Wissenschaft, Hochschule, Medien, Kul-
Versorgung in Bereichen                           sie sich verpflichten, nach ihrem Abschluss                   tur und Tourismus am 5. Juli 2021
besonderen öffentlichen Bedarfs                   für eine bestimmte Zeit in Regionen mit
(Sächsisches Landarztgesetz –                     besonderem Bedarf zu arbeiten.
SächsLAG), 7/1941 | AfD

Gesetz zur Stärkung der ärztlichen                Um die ärztliche Versorgung im ländlichen                     Öffentliche Anhörung im Ausschuss
Versorgung im Freistaat Sachsen,                  Raum zu sichern, sieht der Gesetzentwurf                      für Wissenschaft, Hochschule, Medien,
7/6673 | Staatsregierung                          eine Landarztquote für Humanmedizin in                        Kultur und Tourismus am 5. Juli 2021
                                                  Sachsen vor.

Gesetz zur Anpassung landes­                      Mit dem geänderten Ausführungsgesetz                          Überweisung an den Ausschuss
rechtlicher Vorschriften an den                   zum Glücksspielstaatsvertrag sollen unter                     für Inneres und Sport (ffd.) sowie den
Glücksspielstaatsvertrag 2021,                    anderem der Spielerschutz und die Sucht­                      Haushalts- und Finanzausschuss
7/6895 | Staatsregierung                          prävention weiter gestärkt werden.                            am 24. Juni 2021

Erstes Gesetz zur Änderung                        Die Gesetzesänderung zielt darauf ab, örtlich                 1. Beratung am 22. Juli 2021 und
des Sächsischen Polizeibehörden-                  und zeitlich begrenzte Alkoholkonsumverbote                   Überweisung an den Ausschuss für
gesetzes,                                         in bestimmten öffentlichen Bereichen                          Inneres und Sport
7/6950 | AfD                                      auszuweiten, bspw. im Umkreis von Schulen.

ABGESCHLOSSENE GESETZGEBUNG
TITEL | EINBRINGER                                ERLÄUTERUNG                                                   STATUS

Gesetz zur Erweiterung der                        Der Gesetzentwurf verfolgte das Ziel, dass                    abgelehnt
sachunmittelbaren Demokratie                      bereits 0,5 Prozent aller Wahlberechtigten
im Freistaat Sachsen,                             in Sachsen einen Volksantrag einreichen
7/2702 | AfD                                      können. Für ein Volksbegehren sollte das
                                                  erforderliche Quorum auf sieben Prozent
                                                  gesenkt werden.
                                                                                                                                                          Grafik: Jezper / Adobe Stock

Die Übersicht zur laufenden Gesetzgebung stellt alle Gesetzentwürfe dar, die bis zum 22. Juli 2021 neu in den
Sächsischen Landtag eingebracht, beraten oder an die Ausschüsse überwiesen wurden. Unter »Abgeschlossene
Gesetzgebung« sind angenommene oder abgelehnte Gesetzentwürfe aufgeführt.

                                                                                                                                                         13
AKTUELLES

                 Der
                 schwebende
                 Gärtner
                 In luftiger Höhe, zirka 12 Meter
                 über der Erdoberfläche,
                 kletterte Mitte Juni für einige
                 Tage ein Gärtner am Landtags-
                 gebäude. Der schwindelfreie
                 Grünpfleger kümmerte sich um
                 die belaubte Fassade des Land-
                 tagsaltbaus, der seit 25 Jahren
                 von Wein berankt wird. Ober-
                 armdick schauen die Rebstöcke
                 aus dem Boden des Innenhofes.
                 Ihre Triebe schlängeln sich wie
                 ein fein verzweigtes Leitungs-
                 netz bis unters Dach und klam-
                 mern sich dabei am rauen Putz
                 fest. Auf Fensteröffnungen
                 oder Dachrinnen nehmen die
                 wuchernden Pflanzen kaum
                 Rücksicht. Würde man das
                 Grün nicht regelmäßig zurück-
                 schneiden, wäre das Parla-
                 mentsgebäude wohl in wenigen
                 Jahren völlig eingewachsen.
                 Wichtig ist der Pflegeschnitt
                 auch, damit Jalousien frei bleiben
                 und durch die Fenster genügend
                 Licht einfällt. Übrigens sorgen
                 die unzähligen Laubblätter
                 nicht nur für Arbeit, sie spenden
                 auch Schatten und halten die
                 Räume damit im Sommer etwas
                 kühler. Sowohl die Abgeordneten
                 als auch die Mitarbeiterinnen
                 und Mitarbeiter, deren Büro­
                 außenseite berankt ist, wissen
                 den Vorteil der natürlichen
                 Isolierung zu schätzen.

                 Fotos: Landtag

14                                Ausgabe 5 2021
                                           ˚
AKTUELLES

Ausdruck von
Macht und Mahnung
zum Frieden

// Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden themati-
sieren die Rolle der Kunst während des Dreißigjährigen
Krieges in Sachsen und Mitteleuropa. Die ausgestellten
Gemälde, Skulpturen und Waffen legen Zeugnis über        // Themenbereich der
                                                         Sonderausstellung
eine Epoche voller Leid, Gewalt und Zerstörung ab. //    »BELLUM ET ARTES« //
                                                         Foto: O. Killig

                                                                                15
AKTUELLES

     // Im Beisein von Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler
     öffnete am 7. Juli 2021 die Ausstellung »BELLUM ET ARTES.
     Sachsen und Mitteleuropa im Dreißigjährigen Krieg«. Es ist
     die erste Sonderschau der Staatlichen Kunstsammlungen
     seit der coronabedingten Schließung im Herbst 2020. //

      Redaktion

                       Europäischer Krieg und
                       Ausstellung thematisiert den Dreißigjährigen Krieg und seine Folgen für Europa

Fast jedes Kind kennt den Prager Fenstersturz, jenes Ereignis des
Jahres 1618, als böhmische Aufständische zwei kaiserliche Räte aus
der Prager Burg warfen. Die Aktion verfehlte ihre Wirkung nicht, denn
in der Folge entspann sich ein Krieg von 30-jähriger Dauer. Nach und
nach dehnte er sich auf weite Teile Europas aus und brachte unfass-
bares Leid für die Bevölkerung mit sich. Heute gehört diese Zeit zu
den dramatischsten Epochen in der Geschichte unseres Kontinents.
   Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) widmen dem
drei Jahrzehnte andauernden Krieg seit Anfang Juli eine Sonder-
schau im Residenzschloss Dresden. Die Ausstellung verdeutlicht
das Geschehen anhand von etwa 150 Exponaten aus dem Bestand
der SKD, ergänzt durch zahlreiche Leihgaben. Sie entwirft anhand
von fünf Themenbereichen ein umfassendes Bild von der Rolle der
Kunst während des Krieges, vor allem in Sachsen.

Zurück im öffentlichen Leben                                            anspruchsvolles und vielschichtiges Thema auf. Wir kennen die
                                                                        Kunst vor allem als eine Zeugin großer Blütezeiten, des Wohlstands
Die Vorbereitungen verlangten den Organisatoren reichlich Mühe          und des Friedens. Sie kann aber auch eine Chronistin von Krisen und
und Geduld ab. Unter den erschwerten Umständen der Corona-Pan-          Kriegen, von Leid, Gewalt, Tod und Zerstörung sein.« Im Hinblick auf
demie mussten sie recherchieren, forschen und aufbauen. Der erste       die Auftaktveranstaltung fügte er hinzu, dass Kunst und Kultur jetzt
Eröffnungstermin fiel dann zunächst den unsicheren Gegebenhei-          wieder an ihren ursprünglichen Platz, in die Mitte des öffentlichen
ten zum Opfer und wurde verschoben. Umso größer war die Freude,         Lebens, zurückkehren würden. Es sei an der Zeit, den Meisterstücken
als sich am 7. Juli endlich der Vorhang hob. In seiner Ansprache        der sächsischen Geschichte aufs Neue gegenüberzutreten.
dankte Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler dem Direktor des              Die Ausstellung in der Fürstengalerie des Dresdner Residenz-
Grünen Gewölbes, Prof. Dr. Dirk Syndram, und seinem Team: »Mit          schlosses beginnt für den Besucher im Grunde genommen auf dem
der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges greifen Sie ein durchaus     Kriegsschauplatz selbst. So zeigen Feldharnische, Pistolen und guss­

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                                                                                                                                    ˚
AKTUELLES

                                                                                                      AUSSTELLUNG
                                                                                                            »BELLUM ET ARTES.
                                                                                                         Sachsen und Mitteleuropa
                                                                                                         im Dreißigjährigen Krieg«
                                                                                                         Residenzschloss Dresden
 Fotos: O. Killig
                                                                                                              Taschenberg 2
                                                                                                              01067 Dresden

deutsches Trauma
                                                                                                                 Laufzeit:
                                                                                                          bis zum 4. Oktober 2021
                                                                                                              täglich geöffnet
                                                                                                             von 10 bis 17 Uhr,
                                                                                                           Dienstag geschlossen

                                                                         aufgeworfen, welchen Einfluss diese Plünderungen auf den europä-
                                                                         ischen Kulturtransfer hatten. In interaktiven Medienstationen lassen
                                                                         sich die Wege der erbeuteten Kunstwerke nachverfolgen.
                                                                            Neben der Fürstengalerie erstreckt sich die Ausstellung auf wei-
                                                                         tere Bereiche im Dresdner Residenzschloss. Der Sponselraum des
                                                                         Neuen Grünen Gewölbes beinhaltet persönliche Gegenstände des
                                                                         Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen, während im Studiolo im
                                                                         Georgenbau wichtige Archivalien und Verträge vorgestellt werden.
                                                                         Darüber hinaus können in der ständigen Präsentation des Grünen
                                                                         Gewölbes und der Rüstkammer zahlreiche weitere Werke entdeckt
                                                                         werden.

                                                                         Europäische Zusammenarbeit

                                                                         Begleitend zur Ausstellung haben die Staatlichen Kunstsammlun-
 eiserne Handgranaten sehr selten erhaltene Kriegsgeräte der dama-       gen eine Kooperation mit elf namhaften Museen und Forschungs­
 ligen Zeit. Wichtige Schlachten, darunter die am Weißen Berg 1620,      institutionen aufgelegt. Sie wollen so ein europäisches Gesamtbild
 wurden akribisch genau in Bildern festgehalten.                         des Dreißigjährigen Krieges zeichnen. Von 2021 bis 2025 ist unter
    Ein weiterer Bereich führt an eine opulente Tafel, an der die        Federführung des Leibniz-Instituts für Geschichte und Kultur des
 Haupt­akteure des Krieges vorgestellt werden, darunter der sächsi-      östlichen Europa in Leipzig eine Reihe von Ausstellungen, Tagungen
 sche Kurfürst Johann Georg I., der Habsburger Kaiser Ferdinand II.      und Workshops geplant.
 sowie der schwedische König Gustav II. Adolf. Trotz des Krieges            Der Europäische Gedanke ist auch dem Landtagspräsidenten ein
 gaben sie weiterhin hohe Summen für die Kunst aus.                      Herzensanliegen. Am Ende seiner Rede betonte er: »Heute, über
    Der dritte Abschnitt in der Fürstengalerie befasst sich mit Beute-   400 Jahre nach dem Prager Fenstersturz, bilden nicht mehr Zwang und
 kunst. Gezeigt wird eine Auswahl hochkarätiger Stücke aus unter-        Gewalt, sondern Freiheit und Frieden die Grundwerte Europas. Deutsch­
 schiedlichen fürstlichen Sammlungen. Dabei wird auch die Frage          land ist ein Stützpfeiler des europäischen Hauses geworden.«

 Ausgabe 5 2021                                                                                                                            17
          ˚
AKTUELLES

// Druckabnahme des Landtagskuriers // Foto: Ö GRAFIK, sp

                      Redaktion

Gedruckte Demokratiegeschichte
             Landtagskurier informiert seit 30 Jahren über die Arbeit des sächsischen Parlaments

                                          // Knapp 250 Mal erschien der Landtagskurier seit seinem
Für die kommende Ausgabe des              Start im Jahr 1991. Jede einzelne Ausgabe steht für ein Stück          tion fiel es dabei keineswegs
Landtagskuriers, die als Jubilä-          Parlamentsgeschichte in Sachsen. Aus Anlass des runden                 leicht, aus mehreren Hundert
umsheft erscheint, hat die                                                                                       Beiträgen die besten herauszu-
                                          Jubiläums erscheint im September ein einmaliges Sonderheft. //
Redaktion eine große Menge an                                                                                    greifen.
Fakten und Zahlen zusammen-                                                                                         Um nicht nur im Gestern zu
getragen. Sie ist außerdem zu                                                                                    verharren, zeigt das Sonderheft
einer Zeitreise aufgebrochen,             Zeitungspapier. Um Platz zu         ihre eigenen Themen und            auch Einblicke in den Redakti-
hat die besten Beiträge aus               sparen, begannen die Artikel        Schwerpunkte. Das Archiv des       onsalltag von heute. Wie findet
drei Jahrzehnten aufgespürt               bereits auf der Titelseite, Fotos   Landtagskuriers ist in dieser      ein Beitrag seinen Weg ins
und gibt bisher unbekannte                hatten noch Seltenheitswert.        Hinsicht gedruckte Demokratie-     Heft? Wer kümmert sich um
Einblicke in die Entstehung               Später passte sich der Land-        geschichte in Sachsen.             Bilder, Texte und Gestaltung?
des Heftes.                               tagskurier dem Zeitgeschmack                                           Welche Aufgaben hat die Re-
                                          und den technischen Möglich-                                           daktionskonferenz? Um eine
                                          keiten an und erschien ab 1999      Wie entsteht ein                   Antwort auf diese Fragen zu
30 Debatten                               in Farbe, angereichert mit zahl-    Landtagskurier?                    geben, ließ sich die Redaktion
aus 30 Jahren                             reichen Fotos und mit mehr als                                         über die Schulter schauen.
                                          doppelt so vielen Seiten. So        Das kommende Sonderheft
Doch der Reihe nach: Im März              ist über die Jahre aus einer        wirft zudem einen Blick auf eine
1991, sechs Monate nach der               einfachen Zeitung eine anspre-      Auswahl von Beiträgen, die
Konstituierung des ersten                 chende Broschüre erwachsen.         ausschließlich für den Land-       Alle Abonnenten erhalten die Sonder-
Sächsischen Landtags kam                      Neben den Äußerlichkeiten       tagskurier entstanden. Dazu ge-    ausgabe wie gewohnt zugestellt.
                                                                                                                 Darüber hinaus kann sie beim
die erste Ausgabe aus der                 gab es in 30 Jahren eine ganze      hören unter anderem die Repor-     Publikationsservice des Sächsischen
Druckmaschine. Die Hefte des              Menge Inhaltliches zu erzählen.     tageserie »Ein Tag mit …« über     Landtags bestellt werden.
ersten Jahrgangs umfassten                Die Jubiläumsausgabe blickt         den Alltag von Abgeordneten,
                                                                                                                 Tel. 0351 493-5133
jeweils acht Seiten, gedruckt             auf 30 wichtige Debatten seit       Artikel zu Sonderthemen sowie      publikation@slt.sachsen.de
in Schwarz-Weiß auf dünnem                1991 zurück. Jede Zeit kannte       die Geschichtsreihe. Der Redak-

18                                                                                                                                  Ausgabe 5 2021
                                                                                                                                             ˚
SONDERTHEMA

                                               Zeitzeugnis
                                           einer Huldigung

                                                // Am 12. Juli 1621 berief
                                                Johann Georg I. von Sachsen
                                                seinen ersten Oberlausitzer
                                                Landtag nach Kamenz ein.
                                                An die enge Beziehung der
// Epitaph für Kurfürst Johann                  Kamenzer zum Kur­    fürsten
Georg I. von Sachsen, Martin
Georg Kasper Haberkorn
                                                erinnert bis heute ein kost-
im Auftrag des Kamenzer                         bares Epitaph. //
Rats, um 1658, Öl, Holz,
farbig gefasst //
© Städtische Sammlungen
Kamenz / Dietmar Träupmann
(Augustusburg)

                                                                           19
SONDERTHEMA

                    Dr. Jan Bergmann-Ahlswede und Norbert Portmann

»Zu Camentz gieng der Land-Tag an«
                                                                                                                             Der Kamenzer Landtag
                                                                                                                             von 1621 als erste
                                                                                                                             Oberlausitzer Stände­
                                                                                                                             versammlung unter
                                                                                                                             kursächsischer Herrschaft

                                                                                                                             // Im Juli 1621, mithin vor
                                                                                                                             nunmehr genau vierhundert
                                                                                                                             Jahren, berief der sächsische
                                                                                                                             Kurfürst Johann Georg I.
                                                                                                                             (1585–1656) einen Landtag
                                                                                                                             in die Oberlausitzer Sechs-
                                                                                                                             stadt Kamenz ein. Dieser
                                                                                                                             Vorgang war in mehrerlei
                                                                                                                             Hinsicht bemerkenswert und
                                                                                                                             doch reiht er sich in eine
                                                                                                                             Jahrhunderte währende
                                                                                                                             Geschichte der Oberlausitzer
                                                                                                                             Landtage ein. //

 // Bautzen, Ortenburg, Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen // Foto: © SLUB / Deutsche Fotothek / Meister, ?

 Der neue Herr                               (1578–1637) im Sommer 1620                   militärischen Auseinanderset-      Ferdinands II. als rechtmäßigen
 der Oberlausitz                             den sächsischen Kurfürsten                   zung zerrieben zu werden. Die      böhmischen König versprach
                                             Johann Georg I. verpflichten, als            Haltung der Stände war jedoch      der Kurfürst, sich beim Kaiser
 Der Kamenzer Landtag fällt in               kaiserlicher Kommissar die ab-               ambivalent. Während die ge-        für die Erhaltung der ständischen
 die Zeit der wohl nachhaltigsten            trünnigen Lausitzen und Schle-               nannten Städte und ein Teil        Privilegien und der Religions-
 Zäsur in der Oberlausitzer                  sien zurück unter habsburgi-                 des Adels königstreu blieben,      freiheit in der Oberlausitz ein-
 Geschichte – als das Land unter             sche Botmäßigkeit zu bringen.                unterwarfen sich die nicht         zusetzen.
 sächsische Herrschaft kam.                  Die Oberlausitz hatte zu diesem              besetzte Stadt Kamenz sowie
 In den Wirren der sog. Böhmi-               Zeitpunkt einer eventuellen                  die Ritterschaft der westlichen
 schen Unruhen, die den Beginn               militärischen Invasion durch                 Oberlausitz dem Kurfürsten.        Johann Georg I. lädt
 des Dreißigjährigen Krieges                 kursächsische Truppen nichts                    Bevor es aber zu einer Ent-     nach Kamenz
 markieren, hatten sich die                  entgegenzusetzen. Und so                     scheidungsschlacht oder zur
 Stände des Markgraftums Ober-               empfingen sie den kursächsi-                 Spaltung des Landes kommen         Auf dem angesetzten Landtag
 lausitz, bemüht um ihre verfas-             schen Abgesandten. Dies be-                  konnte, entschied sich die Herr-   in Kamenz im Juli 1621 forderte
 sungsmäßige Eigenständigkeit                deutete jedoch eine Abkehr von               schaftsfrage andernorts. In        der Kurfürst die Huldigung der
 im Verband der böhmischen                   der Linie des Konföderations-                der Schlacht am Weißen Berg        Oberlausitzer Stände gegenüber
 Kronländer, der protestantischen            heeres, woraufhin dieses die                 unterlagen im November 1620        dem Kaiser auf der einen und
 Böhmischen Konföderation an-                Oberlausitzer Städte Bautzen,                die Truppen der Böhmischen         gegenüber ihm selbst als kaiser­
 geschlossen. Man unterstützte               Görlitz, Lauban, Löbau und                   Konföderation dem kaiserlichen     lichem Kommissar auf der an-
 den »Winterkönig« Friedrich von             Zittau besetzte. Das militärisch             Heer. Schließlich unterwarfen      deren Seite. Damit wurde offen-
 der Pfalz (1596–1632) gegen                 aber deutlich stärkere kursäch-              sich auch die verbliebenen         sichtlich, dass Johann Georg I.
 die habsburgischen Ansprüche                sische Heer rückte gegen Baut-               Städte und Angehörigen des         eigene Pläne mit den Lausitzen
 auf die Böhmische Krone.                    zen vor und belagerte die bald               Adels und baten den sächsi-        verfolgte, die später mit der
    Nach längeren Verhandlun-                darauf brennende Stadt. Damit                schen Kurfürsten um Pardon. Im     Verpfändung und schließlich der
 gen konnte Kaiser Ferdinand II.             drohte der Oberlausitz, in einer             Gegenzug für die Anerkennung       Übertragung der Lausitzen als

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                                                                                                                                                      ˚
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