PORT OF HAMBURG MAGAZINE - DAS OFFIZIELLE MAGAZIN DES HAMBURGER HAFENS MÄRZ
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Liebe Leserinnen und Leser, die Seeschifffahrt ist Triebfeder der Globalisie- © BWVI rung und gleichzeitig auch Profiteur. Vor allem die Containerisierung der Ladung hat erheb- liches Potenzial gebracht. Im Hamburger Ha- fen wurde vor 50 Jahren das erste Container- schiff abgefertigt. Das war der Startschuss in ein neues Zeitalter und hat den Wandel im Hamburger Hafen nachhaltig geprägt. Und jetzt stehen wir sozusagen vor der nächs- ten epochalen Veränderung mit dem Thema Industrie 4.0 und Digitalisierung. Digitale Tech- nologien durchdringen zunehmend alle Bereiche der öffentlichen Infrastruktur und des öffentlichen Raums. Voraussetzungen hierfür sind Breitband, schnel- les Internet, 5G und eine umfassende Vernetzung im Hafen und in der Lo- gistik. Echtzeitdaten, Brückenöffnung, Wetterbeobachtung, Windwarnung, Hochwasserwarnung, Verkehrsmeldungen sind nur einige der Stichworte. Der Hamburger Hafen ist ein bedeutender globaler Logistikhub mit einem umfassenden Netz an Liniendiensten und effizienten Verbindungen in ein großes Hinterland. Diese Position wollen wir erhalten und weiter stärken. Die Veränderungen durch die Digitalisierung betreffen alle Lebensbereiche. Wenn wir es klug angehen, liegen hierin große Chancen für Hamburg und für ganz Deutschland. Es ist Zeit für proaktives Handeln. Im Hamburger Hafen werden die Maßnah- men zunehmend sichtbar. Die HPA setzt mit dem smartPORT-Programm ver- schiedene Digitalisierungsprojekte nach und nach um, um die Verkehrs- und Warenflüsse intelligent zu steuern – und zwar nicht nur unter ökonomischen, sondern auch unter ökologischen Gesichtspunkten. Der digitale Wandel muss gemeinsam mit allen Akteuren gestaltet werden. Wir als Senat wollen gemeinsam mit den Unternehmen dafür sorgen, dass die Branche die Zukunft erfolgreich angeht und Hamburg auch weiterhin in der ersten Liga spielt. Ihr Frank Horch, Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg
IM HAMBURGER HAFEN WURDE VOR 50 JAHREN DAS ERSTE CONTAINERSCHIFF ABGEFERTIGT. DAS WAR DER STARTSCHUSS IN EIN NEUES ZEITALTER UND HAT DEN WANDEL IM HAMBURGER HAFEN NACHHALTIG GEPRÄGT.
Inhaltsverzeichnis 02 EDITORIAL 50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG 06 CONTAINERVERKEHR – WAS BRINGT DIE ZUKUNFT? Die Branche kommt an ihre Grenzen und ist reif für Innovationen 10 WIE SIEHT DER HAFEN VON MORGEN AUS? 06 Innovationstreiber Digitalisierung 14 GRÖSSENENTWICKLUNG IN DER CONTAINERSCHIFFFAHRT Ist die Schmerzgrenze erreicht, oder geht das Größenwachstum von Containerschiffen weiter? 18 SLOTBUCHUNGSVERFAHREN AN HAMBURGS CONTAINERTERMINALS Fuhre 4.0 sorgt für zuverlässige Lkw-Abfertigung 22 HAMBURGS HAFEN UND DER CONTAINER 10 Wie eine Box Deutschlands größten Seehafen verändert hat 28 DIE KRUX MIT DER LEERCONTAINERLOGISTIK Eine Online-Plattform soll dazu beitragen, die Zahl teurer Leercontainerbewegungen zu reduzieren 30 DER SPEDITEUR UND DAS BINNENSCHIFF Aufbau eines regelmäßigen Binnenschiffs-Containerdienstes zwischen Berlin und Hamburg 32 PAPIERLOGISTIK IN DER BOX Wie aus klassischer Breakbulk-Ladung Containerladung wurde 14 36 SHORTSEA-POWER Kurzstreckenseeverkehr ist eine ausgezeichnete Alternative zu Lkw und Bahn im innereuropäischen Transport 38 EIN STAHLBEHÄLTER FÜR ALLE ZWECKE Der Container wird nicht nur als Transportbehälter genutzt, sondern auch für Spezialanwendungen HAFEN HAMBURG MARKETING E.V. 18 40 PETER PICKHUBENS PINNWAND Tipps und Storys von Hamburgs frechster Hafenmöwe 42 HAFEN HAMBURG MARKETING E.V. Jubiläumsjahr 2018: Ganz schön was los! 42 IMPRESSUM 22
Por ts & Logistics Ein starker Verbund von 16 Hafen- und Logistikstandorten in Norddeutschland und Skandinavien INTERNATIONAL • UNIVERSAL • ZUVERLÄSSIG Por ts & Logistics SWEDEN SCHRAMM Ports & Logistics GmbH Elbehafen, 25541 Brunsbüttel Telefon: +49 (0) 4852 884-0 Fax: +49 (0) 4852 884-26 www.schrammgroup.de E-Mail: info-bp@schrammgroup.de
■ 50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG Containerverkehr: Was bringt die Zukunft? In diesem Jahr feiert der Hamburger Hafen 50 Jahre Containerverkehr. Der Container hat die Seeschifffahrt revolutioniert, die Entwicklung der Handelsströme weltweit enorm vorangetrieben und eine internationale Verlagerung und Vernetzung der Wirtschaft in vorher ungeahnten Ausmaßen ermöglicht. Allerdings stößt der maritime Containertransport jetzt an seine Grenzen. Welche Innovationen werden den Containerseeverkehr erfolgreich durch die nächsten 50 Jahre bringen? Die Containerisierung in der Schifffahrt brachte vielfäl- ten Frachtraten bieten – ein großer Wettbewerbsvorteil. tige Innovationen mit sich, die Zeit und Kosten sparen. Die wirtschaftlichen Vorteile der immer größeren Der Containerverkehr veränderte den Hafenbetrieb Schiffe haben zu einer steigenden Konzentration in grundlegend: Spezialisierte Containerterminals wur- der Seeschifffahrt geführt. In den letzten Jahrzehnten den mit besonderer Umschlagtechnik wie Container- kam es immer wieder zu Fusionen und Übernahmen. brücken und Staplern ausgerüstet. Durch ihre Standar- Der Markt hat sich neu strukturiert, sodass die vier disierung boten und bieten die genormten Boxen auch größten Reedereien nun über mehr als die Hälfte der Rationalisierungseffekte und betriebsgrößenbezogene Kapazitäten weltweit verfügen. Außerdem haben Kostenvorteile. Zudem hat die Entwicklung immer grö- sich alle weltweit operierenden Linien in drei globalen ßerer Schiffe die Geschichte der Containerschifffahrt Allianzen zusammengetan, die wie Oligopole funktio- geprägt. Das derzeit größte im Einsatz befindliche Con- nieren und die wichtigen Ost-West-Relationen be- tainerschiff hat eine Kapazität von mehr als 20.000 herrschen. Das hängt mit den Schiffsgrößen zusam- TEU, also über hundert Mal mehr als die ersten Schif- men, denn Konsolidierungen und Allianzen ermög- fe. Die Linien mit den größten Schiffen haben die nied- lichen es den Reedereien, größere Schiffe zu bestel- rigsten Kosten, können also ihren Kunden die günstigs- len und sie mit Ladung zu füllen. 06 | Port of Hamburg Magazine | März 2018
50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG ■ AN DIE GRENZEN GEKOMMEN – REIF FÜR portketten zu erreichen, werden Innovationssprünge INNOVATIONEN? nötig. Welche könnten das sein? Meiner Meinung nach Die Containerschifffahrt steckt in einem Teufelskreis, werden sie sich um neue Formen der Modularität, Di- scheinbar ohne Ausweg. Das funktioniert so: Eine Lini- gitalisierung und neue Geschäftsmodelle drehen. enreederei kann Geld verdienen, wenn sie ihre Konkur- renz preislich unterbietet. Größere Schiffe ermöglichen IST DER CONTAINER NOCH EINE solche Preisvorteile. Aber sobald eine Reederei größe- RELEVANTE EINHEIT? re Schiffe bestellt, ziehen die anderen nach, um wett- Während Containerschiffe den Umschlag in den bewerbsfähig zu bleiben. So werden sehr viele größe- 1960er Jahren vereinfachten, führen die neuen Groß- re Schiffe gebaut, und daraus resultieren Über- containerschiffe eher zu Komplikationen. Sie bringen kapazitäten. Es sind dann zu viele Schiffe für die im Tausende, oft sogar mehr als zehntausend Container Markt vorhandene Menge an Ladung; das Angebot auf einmal in einen Hafen, die am Terminal umgeschla- übersteigt die Nachfrage. Aus der Überkapazität folgen gen werden müssen. Um diese Menge schnell zu be- niedrigere Frachtraten, also sinkende Einnahmen für wältigen, braucht ein Terminal bis zu zehn der größten die Schifffahrtsunternehmen, die dann Verluste erlei- Containerbrücken, die unter Höchstleistung arbeiten den. Es werden folglich wieder neue Maßnahmen zur müssen. Es entstehen Spitzen mit hoher Auslastung Gewinnsteigerung erforderlich. Am Ende werden noch und gleichzeitig Zeiten mit geringerer Beschäftigung. größere Schiffe bestellt und gebaut, um Kosten zu spa- Wenn bei der Abfertigung eines Großcontainerschiffs ren, und der Teufelskreis dreht sich wieder von vorne, eine so große Zahl an Containern in kurzer Zeit geladen mit den eben beschriebenen Folgen. und gelöscht wird, beansprucht dies auch die Um- schlagkapazität und Infrastruktur auf dem Terminal in Das aktuelle Geschäftsmodell hat seine Grenzen er- starkem Maße. Die Container müssen umgeladen reicht. Der Sektor ist reif für einen grundsätzlichen Um- werden, da sie mit Bahn, Lkw oder Binnenschiffen an- bruch. Um größere Effizienz in den maritimen Trans- kommen oder weiter transportiert werden. Die riesi- Port of Hamburg Magazine | März 2018 | 07
■ 50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG Die Schnittstellen zwischen See- transport und Hafen sowie zwischen Hafen und den Landwegen bieten noch großes Potenzial für Produk- tivitätssteigerung. der Deutschen räsentiert über itgliedschaften rungsindustrie. gen Containerschiffe benötigen besonders ausgestat- Einheit jeweils 384 Container tragen und mit speziellen tete und große Containerterminals, aber es gibt LASH-Schiffen zwischen dem Offshore-Hafen und Grenzen des Wachstums. Die meisten Häfen sind in dem Festland transportiert werden. Auf diese Weise der Nähe von Städten, da dort Produktion und Konsum kann man die Umschlagzeit im Offshore-Hafen sehr konzentriert sind. In den Städten ist der Platz aber be- stark verkürzen. grenzt, und allzu viele Hafenstädte leiden jetzt schon Eine ähnliche Möglichkeit, eine zusätzliche Ebene der unter Verkehrsstaus. Viele dieser Engpässe entstehen, Standardisierung einzubauen, könnte man auf einer nied- weil der Container immer noch als die unbestrittene rigeren Ebene der Frachtkonsolidierung schaffen. Könnte Norm gilt. es eine Form der Modularisierung zwischen dem Contai- Es stellt sich die Frage, ob es möglich wäre, eine wei- ner und dem einzelnen Paket oder Frachtstück geben? tere Ebene der Standardisierung zu konzipieren, eine Beispielsweise könnte eine Art Sub-Container – wie im Einheit, die viele Container umfasst? Das ist die Idee Konzept des „Physical Internets“ angedacht – die Leis- hinter dem neuen Konzept für einen Offshore-Hafen in tungsfähigkeit im Gütertransport erhöhen. Venedig. Statt einzelne Container mit konventionellen Containerbrücken umzuschlagen, soll nach diesem DIGITALISIERUNG Konzept der Offshore-Hafen die großen Schiffe mit Privatisierungen und die Globalisierung haben die Effi- größeren Einheiten, sogenannten Kassetten, be- und zienz in der Schifffahrt und im Hafenbetrieb gesteigert, entladen. Die Kassetten sind spezielle Leichter, die pro aber die Schnittstellen zwischen Seetransport und Ha- 08 | Port of Hamburg Magazine | März 2018
50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG ■ Globale Finanz- und 50 JAHRE CONTAINERUMSCHLAG IN HAMBURG Wirtschaftskrise IN 1000 TEU (SEIT 1968 WURDEN IM HAMBURGER HAFEN INSGESAMT 186 MIO. TEU UMGESCHLAGEN) 10.000 9.000 Eröffnung Container Terminal Altenwerder 8.000 7.000 China wird WTO-Mitglied 6.000 Bisher letzte Fahrrinnen- 5.000 anpassung der Elbe 1-Mio.-TEU-Marke 4.000 Eröffnung Container in Hamburg erstmals 3.000 Terminal Tollerort geknackt 2.000 1.000 0 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Quelle Datenbasis: HPA / Grafik: Elbreklame fen sowie zwischen Hafen und den Landwegen bieten jedoch mit einem weitaus stärkeren Fokus auf die noch großes Potenzial für Produktivitätssteigerung. materielle Infrastruktur inklusive Schiffe, Überseehä- Datenverarbeitung ist von größter Wichtigkeit an die- fen und Eisenbahnen, die von staatseigenen chinesi- ser Stelle, denn effektiver Datentransfer trägt viel zur schen Firmen gebaut, betrieben, finanziert und ge- Optimierung bei. Verschiedene Schifffahrtsgesell- führt werden. schaften haben sich mit IT-Firmen zusammengetan, In den kommenden Jahren werden wir den harten um auf diese Herausforderung zu antworten. Ein Bei- Wettstreit solcher Paradigmen beobachten können. spiel ist die neue Zusammenarbeit von Maersk und Neuankömmlinge werden versuchen, den Container- IBM. Zukünftig ist es durchaus denkbar, dass der phy- transport durch intelligente Strategien zu revolutio- sische Umschlag von Containern im Hafen für den nieren, während die etablierten Firmen sich darum Containertransport weniger wichtig ist als der rei- bemühen, ihre Kontrolle über den Markt zu behalten, bungslose Austausch von Daten über leistungsfähige indem sie Teile des Daten-Know-hows adoptieren. Schnittstellen. Die Internationalisierung durch staatskapitalistische Auch andere Veränderungen in der Schiffsabferti- Firmen wird mit stärker fragmentierten geopoliti- gung sind in der Diskussion. Beispielsweise könnten schen Antworten konkurrieren, die eher auf Gegen- Drohnen, Offshore-Häfen und Container-Hochregal- seitigkeit achten und Multilateralismus in den Vorder- lager als Antworten auf den Platzmangel dienen, der grund stellen. ■ zunehmend zum Problem für moderne Seehäfen weltweit wird. NEUE GESCHÄFTSMODELLE Kann man das Geschäftsprinzip von Uber auf die See- schifffahrt übertragen? Werden Containerschiffe bald die Taxis der Meere? Chartern kann gewissermaßen als eine Art „Uberisierung“ gesehen werden. Aller- dings gibt es einen entscheidenden Unterschied zum Taxi: Ein Auto zu besitzen, ist erheblich billiger als ein Schiff. Diese Markteintrittsschwelle schützt Reeder © ITF vor einer schnellen „Uberisierung“. Das meiste Geld kann man mit der Planung und Koordination von Liefer- ketten verdienen. Darauf konzentrieren sich auch die DER AUTOR meisten neuen Markteinsteiger wie die Hightech- Startups, indem sie globale Plattformen anbieten, die Olaf Merk ist Projektmanager für Häfen und Schifffahrt beim auf einer datenintensiven und „Asset-light“-Strategie International Transport Forum (ITF), einer zwischenstaatlichen basieren. Das kann jedoch nur funktionieren, wenn die Organisation mit 59 Mitgliedsländern, die der Organisation für Reedereien mitmachen. wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ange- Neben diesem Plattform-Modell wird ein anderes gliedert ist. Er hat zahlreiche Studien über Häfen und Seetrans- Modell ähnlich intensiv diskutiert: das global sich aus- port geleitet, darunter „The Impact of Mega-Ships“ und „The breitende staatskapitalistische Modell, wofür die chi- Competitiveness of Global Port Cities“ sowie etliche Studien nesische Strategie der „Neuen Seidenstraße“ (“One über Hafenstädte, u.a. Hamburg, Shanghai und Jakarta. Sein Belt – One Road”) ein Musterbeispiel liefert. Diese neuester Bericht „Decarbonising Maritime Transport: The Case Initiative verfolgt auch globale und integrative Ziele, of Sweden“ wird im März erscheinen. Port of Hamburg Magazine | März 2018 | 09
■ 50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG Hafen der Zukunft: Innovationstreiber Digitalisierung Der Container wird auch im Hafen der Zukunft das Maß aller Dinge bleiben – doch fast alles um ihn herum verändert sich. Neben den Handel mit Gütern tritt der Handel mit Daten. Häfen werden so zum Integrator verschiedenster Player. „Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Häfen hängt die richtigen Experten vor Ort, um die Stadt Hamburg entscheidend davon ab, wie die maritime Branche die bei technischen Herausforderungen auf dem Weg zu Digitalisierung als Chance zur Weiterentwicklung nutzt.“ einem ‚Hafen 4.0‘ zu unterstützen“, so Eriksen. Das ist das Fazit eines intensiven Gedankenaustau- sches, den der Hamburger Wirtschaftssenator Frank „Internet der Dinge“, „Logistik 4.0“ oder „Hafen 4.0“ Horch und der CEO der Klassifikationsgesellschaft DNV – diese Schlagworte der Digitalisierung bestimmen GL, Remi Eriksen, Ende vergangenen Jahres im Rat- längst die Strategie des Hamburger Hafens, um sich haus der Hansestadt geführt haben. auf die Zukunft einzustellen. „Im internationalen Gü- terhandel zeichnen sich massive Veränderungen ab, Mit der Hamburg Port Authority (HPA) ist DNV GL die auch dramatische Folgen für Hamburg mit sich längst zu verschiedenen Nachhaltigkeits- und Digitali- bringen“, prognostiziert Professor Thomas Straub- sierungsthemen im Gespräch, denn „mit unserem haar. Der Ökonom und frühere Direktor des Hambur- maritimen Hauptquartier hier in Hamburg haben wir gischen Weltwirtschafts-Instituts (HWWI) mahnt: Die Zukunft der Globalisierung gehört nicht mehr allein dem Handel mit Gütern, sondern mit Daten. © HHM/Michael Lindner 10 | Port of Hamburg Magazine | März 2018
50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG ■ „Es gilt, rechtzeitig darauf zu reagieren, nämlich Chief Digital Officer der HPA, beobachtet: „Diese jetzt!“ Die Zukunft der Globalisierung gehöre nicht branchenfremden Anbieter stellen den Status Quo mehr allein dem Handel mit Gütern, sondern mit Da- durch innovative, digitale Geschäftsmodelle erfolg- ten: „Je stärker und schneller diese Entwicklung vor- reich in Frage. Es ist daher an der Zeit, den digitalen anschreiten wird, desto eher werden sich gigantoma- Wandel entlang der Logistikkette gemeinsam mit den nische Containerschiffe und ausufernde Seehäfen als etablierten Akteuren der Hafenwirtschaft zu gestal- Dinosaurier der Wirtschaftsgeschichte erweisen.“ ten.“ Häfen könnten hier ihre Funktion als Integrator verschiedener Player nutzen und proaktiv die entlang Die Digitalisierung ist bereits seit vielen Jahren der Transportkette gesammelten Daten einsetzen, um wichtiges Kernthema der HPA – neben den klassi- digitale Geschäftsmodelle aufzubauen. schen Aufgaben im physischen Infrastrukturbe- reich rund um Deutschlands größten Seehafen. „Die Digitalisierung bietet Seehäfen große Chan- „Durch engere Zusammenarbeit insbesondere cen, noch effektiver und effizienter zu arbeiten“, beim Datenaustausch, aber auch bei der Ausbil- ist sich Professor Carlos Jahn sicher. Er ist Leiter dung von Mitarbeitern entlang der Logistikkette des Instituts für Maritime Logistik der Techni- können wir in Zukunft deutlich mehr Effizienz beim schen Universität Hamburg und in Personalunion Transport bis zum Empfänger erreichen“, erwartet Leiter des Fraunhofer-Centers für Maritime Logis- HPA-CEO Jens Meier. tik und Dienstleistungen CML in Hamburg und be- stätigt die Einschätzungen Saxes: „Sobald die Allerdings kann Digitalisierung auch bedeuten, dass Möglichkeiten eines intensiven Datenaustausches marktfremde Akteure heute Dienstleistungen anbie- in Echtzeit genutzt werden, ermöglicht die Digita- ten, die bisher von etablierten Playern der maritimen lisierung die Optimierung der gesamten Supply Wirtschaft erbracht wurden. Diese disruptiven Ge- Chain und kann so zu sicheren und umweltfreund- schäftsmodelle, die von innovativen Startups wie von licheren Prozessen beitragen und die Wett- globalen Konzernen gleichermaßen umgesetzt wer- bewerbssituation stärken.“ ■ den, finden sich immer häufiger im Logistiksektor. So Schwarz auf weiß: Visionen und Ideen Um den Digitalisierungsprozess innerhalb der maritimen Supply Chain zu unterstützen, hat die HPA zusammen mit dem Hamburger Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML eine englischspra- chige Publikation erstellt, in der die zukünftigen Anfor- derungen an Seehäfen beispielhaft dargestellt werden. Das Buch „Digitalization of Seaports – Visions of the Future“ ist als Softcover oder als E-Book über den Fraun- hofer-Verlag erhältlich (www.verlag.fraunhofer.de, ISBN 978-3-8396-1178-4, Preis 49,00 EUR). Eine Einführungs- broschüre („Digitalization of Seaports – First Ideas“) ist als kostenloser Download auf der Homepage des Fraunhofer CML (www.cmls.fraunhofer.de) oder über den QR-Code verfügbar. Port of Hamburg Magazine | März 2018 | 11
■ 50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG „Flexibilität wird zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor“ Drei Fragen an Henning Kinkhorst, Geschäftsführer und Partner von Hamburg Port Consulting (HPC), zum Thema „Hafen der Zukunft“ Port of Hamburg Magazine (PoHM): Das Thema Di- verkehren batteriebetriebene, fahrerlose Transportsys- gitalisierung hat nun auch die Hafenwirtschaft er- teme auf dem HHLA Container Terminal Altenwerder. reicht. Springt die Branche auf einen Modebegriff Auch für den Einsatz von Drohnen sehe ich vielfältige auf oder steckt mehr dahinter? Möglichkeiten. Sie könnten in naher Zukunft den Trans- Kinkhorst: Vor den Häfen liegen enorme Herausforde- port von Containern zwischen Terminals übernehmen. rungen, die sie ohne Digitalisierung nicht meistern wer- Autonom fahrende Lkw und Schiffe werden ebenfalls den. Im Fokus steht nicht Realität und die Verkehre in den Häfen mitbestimmen. Der Container bleibt mehr vorrangig die Be- seitigung von Kapazi- PoHM: Wird denn künftig gar nichts mehr aus der für den Transport von tätsengpässen, sondern die Effizienzsteigerung der „alten“ Hafenwelt Bestand haben? Kinkhorst: Die Anbindung an das Hinterland wird im- Waren noch lange bestehenden Infrastruktur. Robotik und 3D-Druck, die mer einer der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren sein. Und auch der Container bleibt für den Transport von das Maß aller Dinge. für eine hohe Volatilität der Warenströme sorgen, Waren noch lange das Maß aller Dinge. Was uns aber nicht daran hindern sollte, über die Frage nachzuden- werden ebenfalls wich- ken: Was kommt neben dem Container? tiger. Flexibilität wird für Häfen zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. PoHM: Gibt es weitere Schlagwörter, die den Hafen der Zukunft beschreiben – neben der Digitalisierung? Kinkhorst: Sie hängen eng mit der Digitalisierung zu- sammen: Elektrifizierung und Automatisierung. Die Hä- fen werden deutlich umweltfreundlicher. Schon heute Hamburg Port Consulting HPC Hamburg Port Consulting wurde 1976 gegründet und zählt zu den weltweit renommiertesten Unter- nehmen im Bereich der Hafen- und Transportbera- tung. Kunden sind private Firmen, institutionelle Auftraggeber sowie Ministerien und Behörden. HPC bietet seine Leistungen unter anderem in den Berei- chen Hafen-Management, Planung und Simulation, Finanzanalyse, Privatisierung, Engineering und IT- © HPC Lösungen an. HPC ist ein 100-prozentiges Tochter- unternehmen der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Henning Kinkhorst www.hamburgportconsulting.de Geschäftsführer und Partner von Hamburg Port Consulting 12 | Port of Hamburg Magazine | März 2018
50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG ■ CONRO-SCHIFFE DER SUPERLATIVE Deck laden. Unter Deck stehen 28.900 Quadratme- ter für rollende Ladung zur Verfügung. Das entspricht Es sind nicht immer nur Vollcontainerschiffe, die einer Kapazität von mehr als 1.300 Fahrzeugen. Über Boxen nach Hamburg bringen. Auch Multipurpose- die Heckrampe kann rollende Ladung mit einem Ge- Frachter, Schwergut-Carrier und ConRo-Schiffe beför- wicht von 420 Tonnen auf das Schiff geladen werden. dern häufig Container als Decksladung. Die „Atlantic Im Hamburger Hafen werden die Schiffe am Mehr- Star“ ist so ein ConRo-Schiff, und zwar das weltweit zweckterminal O´Swaldkai der Unikai Lagerei- und größte seiner Art. Sie und ihre vier Schwesternschiffe Speditionsgesellschaft abgefertigt. Um die ConRo- der Reederei ACL, eine Tochter der Grimaldi-Gruppe, Schiffe der Superlative abfertigen zu können, wur- sind in der Transatlantik-Fahrt beschäftigt und laufen den extra zwei Containerbrücken vom HHLA Con- regelmäßig den Hamburger Hafen an. Sie messen tainer Terminal Tollerort zum neuen Einsatzort am 296 Meter in der Länge und können 3.800 TEU an O´Swaldkai verlagert. © HHLA Logistik im Wandel. Vom kaiserlichen Postdienst zum vollintegrierten Supply-Chain-Logistiker. Friedrich A. Kruse jun. Internationale Spedition e.K. F.A. Kruse jun. Internationale Spedition e.K. Fährstraße 49, 25541 Brunsbüttel Tel. 04852/881-0 · Fax 04852/881-199 www.kruse-unternehmensgruppe.de Port of Hamburg Magazine | März 2018 | 13 info@kruse-unternehmensgruppe.de
■ 50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG © HHM/Dietmar Hasenpusch Technisch machbar, aber auch sinnvoll? Ist die Schmerzgrenze erreicht, oder geht das Größenwachstum von Containerschiffen weiter? Werden aus Mega-Carriern bald Giga-Carrier? Wann ist Schluss mit dem Gigantismus? Dazu gibt es ganz unterschiedliche Meinungen, und zwar von durchaus renommierten Institutionen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sieht in einer Studie die Grenzen bereits als erreicht. Der Grund: Noch größere Containerschiffe brächten keine nennenswerten Kostenvorteile mehr und würden gleichzeitig die Häfen vor immer neue Probleme bei der Schiffsabfertigung stellen. Das weltweit tätige Beratungshaus McKinsey rechnet im Gegensatz dazu innerhalb der kommenden Jahrzehnte mit dem Einsatz von 50.000-TEU-Containerschiffen. Das Port of Hamburg Magazine hat in der Branche bei denjenigen nachgefragt, die tagtäglich mit © xxxxxxxxxxxx der Containerschifffahrt zu tun haben, und um ihre Meinung gebeten. 14 | Port of Hamburg Magazine | März 2018
50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG ■ © Hapag-Lloyd Jens Meier Rolf Habben Jansen Geschäftsführer der Hamburg Chief Executive Officer (CEO), Port Authority Hapag-Lloyd AG „Großcontainerschiffe mit „Mit größeren Schiffen ist es einer Kapazität von mehr als möglich, die Kosten pro trans- 16.000 TEU steuern mittler- portiertem Container für Linien- weile mehrmals wöchentlich reedereien deutlich zu senken. die Terminals im Hamburger Die Mega-Schiffe der neuesten Hafen an. Das zeigt: Hamburg Generation, die jetzt schon im ist mittendrin und beherrscht Einsatz sind, bieten daher einen © HPA das Handling. Doch Wett- spürbaren Wettbewerbsvorteil bewerbsfähigkeit und Fort- gegenüber Schiffen, die zum schritt am Größenwachstum Beispiel 8.000 TEU tragen kön- der Containerschiffe festzumachen, halte ich für den falschen nen – und vor gut einem Jahrzehnt noch die größten Schiffe der Weg. Ich teile die Ansicht, dass das Größenwachstum der Con- Welt waren. Allerdings dürfte dieser Skaleneffekt bei noch grö- tainerschiffe ein Ende finden muss. Die Branche sollte sich an ßeren Schiffen wieder abnehmen. Zudem stellen immer größere die Fehlentwicklungen im Tankergeschäft erinnern. Optimierte Schiffe die Häfen vor logistische Probleme. Sie sind längst nicht Prozesse an den Kaikanten bieten für die Zukunft ein viel höheres für alle Fahrtgebiete geeignet. Hapag-Lloyd wird in den nächsten Wachstums- und Verbesserungspotenzial als immer mehr Gigan- Jahren nicht in Neubauten investieren, also auch nicht in noch grö- tismus auf dem Wasser. Wenn es uns mit allen Beteiligten der ßere Schiffe. Wir haben durch den Zusammenschluss mit UASC im maritimen Lieferkette gelingt, den globalen Warentransport von vorigen Jahr sehr große und effiziente Einheiten in unsere Flotte Tür zu Tür weiter zu beschleunigen, dann stellen wir gemeinsam bekommen. Damit verfügen wir über die jüngste und im Durch- die richtigen Weichen für die Zukunft. Den Rahmen dafür bieten schnitt größte Flotte in der Industrie – und damit einen sehr wett- uns die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung.“ bewerbsfähigen Mix an modernen Schiffen für unser Netzwerk.“ Søren Toft Chief Operating Officer, © A.P. Møller - Mærsk AS Maersk Line „In der Containerschifffahrt ist Rentabilität in hohem Maße Jens Hansen abhängig von der Fähigkeit der COO, Vorstand Container Betrieb Branche, die Kosten zu senken © HHLA/Nele Martensen und Technik, Informationssys- und die Effizienz zu steigern. So teme, Hamburger Hafen und ergeben sich klare Vorteile aus Logistik AG der Konzentration der Ladung „Ich denke nicht, dass Schif- auf einigen größeren Schiffen, fe mit einer Kapazität von anstatt viele kleinere Schiffe 50.000 TEU in absehbarer einzusetzen. Die Entwicklun- Zeit gebaut werden. Dennoch gen in den letzten Jahren, günstige Zeitcharter und niedrige Treib- halte ich den Impuls für wich- stoffkosten haben allerdings die Argumente für Megaboxer etwas tig, sich im Rahmen der stetig geschwächt. Unseres Erachtens würde eine weitere Vergrößerung wachsenden Schiffsgrößen der Schiffsdimensionen erhebliche Investitionen in der gesamten nicht im Detail zu verlieren. Lieferkette erfordern, die nicht sinnvoll durch Rückgänge der Ge- Es wäre fahrlässig, sich nicht über das weitere Schiffsgrößen- samtkosten ausgeglichen werden könnten. Auch die Flexibilität wachstum Gedanken zu machen. In den Auftragsbüchern der der Transportunternehmen bei der Anpassung an sich verändernde Werften finden sich derzeit Schiffsbauten mit einer Breite von Handelsströme würde verringert. Das Potenzial der gegenwärtigen etwa 62 Metern. Ich kann mir vorstellen, dass Schiffslängen Ultra Large Container Vessels (ULCVs) ist noch nicht vollständig aus- noch auf 430 Meter anwachsen werden. Ein zunehmender An- geschöpft – nicht zuletzt in Bezug auf Verbesserungen im Bereich stieg von Breite und Höhe vergrößert neben den technischen der Produktivität der Terminals bei der Abfertigung von ULCVs. Bei Herausforderungen auch die Anforderungen an die Be- und Ent- Maersk Line konzentrieren wir uns derzeit auf neue Ansätze, um die ladung. So werden Skaleneffekte durch ansteigende Wege im Effizienz des Hafenbetriebs in Zusammenarbeit mit Häfen und Ter- Be- und Entladezyklus vermindert.“ minals zu steigern.“ Port of Hamburg Magazine | März 2018 | 15
■ 50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG Jan Tiedemann Jan Holst Senior Analyst Liner Shipping and Country Head Deutschland, Ports, Alphaliner/BRS Hamburg ONE Ocean Network Express, der Fusion von „K“ Line, MOL „Seit rund zwanzig Jahren © ONE Ocean Network Express und NYK verfolgt Alphaliner sehr © HHM/Markus Grabsch detailliert die Entwicklung der „Ich bin durchaus skeptisch, globalen Containerflotte. Trotz was die Entwicklung hin zu Weltwirtschaftskrise hat sich die immer größeren Container- Gesamtkapazität dieser Flotte in schiffen betrifft. Wir als ONE den letzten zehn Jahren ungefähr werden zwar auch einige verdoppelt – zuletzt auf mehr wenige 20.000-TEU-Frachter als 21 Millionen TEU. An der in unserer Flotte haben, aber Gesamtzahl der Containerschiffe, durch unsere Linienstruktur derzeit rund 5.200 Einheiten, hat sich in diesem Zeitraum jedoch relativ mit vielen innerasiatischen Verbindungen können wir Megafrach- wenig verändert und der Großteil des Wachstums ergab sich durch die ter nicht in dem Maße einsetzen, weil die Häfen nicht die nötige stetig steigende Größe der Schiffsneubauten. Waren vor zehn Jahren noch Kapazität dafür aufweisen. Außerdem darf man den Anschluss zur Schiffe von 8.000 TEU der Standard auf den Hauptrouten, so sind es heute Kundenentwicklung nicht verpassen. Wir alle bestellen kostenori- Schiffe von bis zu 21.000 TEU und Einheiten von über 23.000 TEU befinden entiert. Das heißt: ausgewählter, aber dafür regelmäßig. Somit ist sich derzeit im Bau. Aktuell geht Alphaliner davon aus, dass diese neue es wichtig, gerade auf der Route Asien-Europa, wo der Konsum- Größenklasse langfristig die Obergrenze der Entwicklung bleibt. Zwar ist güterbereich dominiert, eine konstante Verbindung zwischen den nicht auszuschließen, dass weitere Optimierung Schiffe bis zu 25.000 TEU beiden Kontinenten zu gewährleisten. Die zyklische Nutzung von hervorbringt, doch einen nächsten Größensprung auf 30.000 TEU oder sogar 14.000-TEU+-Containerschiffen ist für uns daher zeitgemäß. Das mehr halten wir für unwahrscheinlich. Zwar wären solche Schiffe technisch ist die Philosophie von Ocean Network Express.“ machbar, sie bringen jedoch weder Reedern noch Häfen nennenswerte zusätzliche Skaleneffekte und Einsparungen. Dafür bergen solche Riesen erhebliche finanzielle und operative Risiken. Das Marktwachstum findet also eher über eine weiter steigende Anzahl sehr großer Schiffe statt, als über noch größere Einheiten.“ Ralf Nagel Norman Zurke © VDR/Frank Krems Geschäftsführendes Geschäftsführer, Präsidiumsmitglied, Verband Unternehmensverband Deutscher Reeder Hafen Hamburg „Wird der Trend zu immer „Auf absehbare Zeit wird sich größeren Containerschiffen der Hafen Hamburg auf Schiffs- weitergehen? Der Blick in größen mit einer Kapazität von die Vergangenheit zeigt: Die etwa 22.000 TEU einstellen müs- Realität hat immer wieder sen. Noch größere Schiffe sind © UVHH die Prognosen zur maximalen technisch sicherlich realisierbar, Größe von Containerschiffen jedoch setzen betriebswirtschaft- übertroffen. Technisch haben liche und nautische Aspekte einer wir auch heute noch keine weiteren Schiffsgrößenentwick- absolute Grenze erreicht. Aufgrund der Skaleneffekte machen grö- lung enge Grenzen. Bei den jetzt in Fahrt befindlichen Schiffen sind die ßere Schiffe grundsätzlich aus betriebswirtschaftlicher Sicht Sinn. Einsparungspotenziale bei den Transportkosten bereits weitgehend Containerschiffe mit 30, 40 oder gar 50.000 Stellplätzen dürften al- ausgeschöpft. Weitere Kostenvorteile durch noch größere Schiffe lerdings nur in sehr ausgewählten Fahrtgebieten zum Einsatz kom- sind zwar im geringen Maße noch möglich, allerdings setzt dies eine men. Denn die Skaleneffekte greifen natürlich nur, wenn größere Auslastung der Schiffe voraus. Da nur noch wenige Häfen Schiffe mit Schiffe ausreichend mit Waren beladen sind. Jede Reederei ent- mehr als 22.000 TEU abfertigen können, ist auch ein flexibler Einsatz scheidet nach ihrem Geschäftsmodell und Marktsegment, welche dieser Mega-Carrier nicht mehr möglich. Deshalb gehen wir davon Schiffsgrößen für sie am meisten Sinn machen. Wer mit Container- aus, dass es keinen weiteren großen Quantensprung bei der Schiffs- schiffen im Liniendienst auf den Haupthandelsrouten fährt, plant größenentwicklung geben wird. Die Unternehmen im Hafen Hamburg anders als ein Unternehmen, das Schiffe auch in der Karibik oder im sind zurzeit dabei, ihre Umschlaganlagen sukzessive anzupassen, um Afrikaverkehr einsetzt. Auf vielen Routen werden daher in Zukunft Schiffe mit einer Ladekapazität von mehr als 20.000 TEU abfertigen zu auch weiterhin kleinere Schiffe unterwegs sein.“ können. Wenn nun noch mit der Umsetzung der Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe begonnen werden kann, wird der Hafen Hamburg für die Zukunft gut aufgestellt sein.“ 16 | Port of Hamburg Magazine | März 2018
50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG ■ Olaf Fölsch Größenentwicklung in CEO, Junge & Co. Versicherungsmakler GmbH der Containerschifffahrt Der Versicherungsaspekt spielt bei der Schiffsgrößenentwicklung nur eine untergeordnete Rolle. Werden die Schiffe noch größer, dann wird sich die Versicherungswirtschaft den © Junge & Co. neuen Anforderungen anpassen. Da- ran werden noch größere Carrier also Über 20.000 TEU Baujahr ab 2016/17 Länge: 400 m, Breite 59 m, Tiefgang 16 m nicht scheitern. Aber: Nicht alles was machbar ist, ist betriebswirtschaft- lich auch sinnvoll. Die maritime Infra- struktur kann einfach nicht in gleichem Tempo mitwachsen. Ich denke da nur an den Panamakanal. Gerade erst wurde er für mehrere Milliarden US-Dollar ausgebaut, aber für die größten Containerschiffe ist er schon wieder zu klein. Natürliche Grenzen bildet zum Beispiel auch die Straße von Malakka, die an Über 10.000 TEU Baujahr ab 2006 Länge: 350 m, Breite 46 m, Tiefgang 15 m einigen Stellen nur eine Wassertiefe von 25 Metern aufweist. Deshalb glaube ich nicht, dass es in naher Zukunft Containerschiffe mit mehr als 25.000 TEU geben wird. Diese großen Schiffe müssen ja auch ausgelastet werden, damit sie betriebswirtschaftlich Sinn machen. Es nützt nichts, wenn man am Ende nur noch wenige Häfen in China und vielleicht noch weniger in Europa hat, die einigermaßen voll abgeladen angelaufen werden können. Man würde damit enormes Kapital binden, das nicht flexibel eingesetzt werden kann. Das wäre ein sehr großes, schwer kalkulierbares Risiko. Über 8.000 TEU Baujahr ab 1997 Länge: 316 m, Breite 43 m, Tiefgang 14,5 m Innovative Solutions for Logistics Provider it-systeme e-logistic software software as a service services CargoSoft GmbH, Buschhöhe 10, 28357 Bremen / Germany Tel. +49 421 98500-0, sales@cargosoft.de www.cargosoft.de Port of Hamburg Magazine | März 2018 | 17
■ 50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG Fuhre 4.0 sorgt für zuverlässige Lkw-Abfertigung Ohne Slot keine Abfertigung am Terminal: Ein neu- es Verfahren verändert den Containertransport im Hamburger Hafen. Wie kommen Trucker und Termi- nalmitarbeiter mit der neuen Software zurecht? Eine Zwischenbilanz. Bereits zum 15. Mal fährt Samir Dedic heute über die Hamburger Köhlbrandbrücke. Der 32-Jährige ist Tru- cker bei einem Fuhrunternehmen. Sein Job: die Ge- stellung von Containern. Mehrmals pro Schicht braust der gebürtige Bosnier mit seinem Sattelschlepper an die großen Containerterminals im Hamburger Hafen. Auf jeder Tour nimmt er einen Container auf, fährt ihn zum Kunden und wartet, bis die große Stahlbox entla- den wird. „Danach geht es wieder zurück zum Termi- nal“, so Dedic. Treuer Begleiter ist dabei sein Smart- phone. Geschäftig brummt es während der Fahrt auf Neuestes IT-Projekt dem Beifahrersitz vor sich hin. Doch es sind keine pri- im Hamburger Hafen vaten Nachrichten, die ihn erreichen, es sind job-rele- ist das Slotbuchungs- vante Informationen, die ihm per App zugespielt verfahren werden. Zu welchem La- ger muss der Container, wann kann ich die nächste Box abholen, wann wird mir die nächste bereitge- stellt? Das alles wird im Hamburger Hafen mittlerwei- le digital gelöst. Neuestes IT-Projekt ist dort das Slot- buchungsverfahren (SBV). MEHR PLANBARKEIT Dass Trucker wie Dedic möglichst viele Touren abwi- ckeln können, darum kümmert sich „Fuhre 4.0“, ein Projekt der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), das bereits 2011 aufgesetzt wurde, um den Container- umschlag im Hafen effizienter und schneller zu ma- chen. So ist seit November 2016 die Voranmeldung ei- nes Containertransports auf allen Containerterminals in Hamburg Pflicht. Seit November 2017 werden nur noch Lkw abgefertigt, die einen gültigen Slot zugewie- sen bekommen haben. Beim SBV vereinbaren Trucker © HHLA/Rätzke und Terminal im Vorfeld ein Zeitfenster, in dem der 18 | Port of Hamburg Magazine | März 2018
50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG ■ FRÜHER WURDE DER LKW ABGEFERTIGT, DER ZUERST AM GATE WAR. NUN WERDEN DIE SLOTS VON DEN DISPONENTEN VERGEBEN Transportspitzen durch Großschiffsanläufe im Hafen Hamburg EXEMPLARISCHE SPITZENLASTEN AM BEISPIEL 3.596 Lkw EINES 20.000-TEU-SCHIFFES 49 Ganzzüge Umschlag von 14.500 TEU 5 Feederschiffe 1 20.000 TEU-Schiff 2 Binnenschiffe Dies sind theoretische Werte. In der Realität liegt die Anzahl der Verkehrsträger deutlich höher. Port of Hamburg Magazine | März 2018 | 19
■ 50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG EIN SLOT UMFASST EINE VOLLE STUNDE. VOR UND NACH DIESER STUNDE KOMMEN JEWEILS 30 MINUTEN TOLERANZ DAZU, ZWISCHEN 19 UHR ABENDS UND 6 UHR MORGENS SOGAR 90 MINUTEN © HHM/Dietmar Hasenpusch Container angeliefert und abgeholt wird. „Früher Ein Plus an Planbarkeit kommt nun durch das lief es nach dem Motto: Wer vorne steht, wird als SBV dazu. So lassen sich beispielsweise die Erster abgefertigt“, sagt Marijo Pavlovic, Leiter Transportspitzen bei Großschiffanläufen mit bis Operations beim Transport- und Fuhrunterneh- zu 14.500 Bewegungen (Container, die gelöscht men Container-Transport-Dienst (CTD). „Nun wer- oder geladen werden) besser über den Tag ver- den die Slots vom Disponenten in unserer Zentra- teilen. „Das ist ein enormer Fortschritt gegen- le im Reiherdamm festgelegt.“ über dem bisherigen Prozedere“, sagt Pavlovic. „Wir können jetzt kurzfristig und auf Basis der WENIGER STAU aktuellen Situation entscheiden, für welche Tour © Logix Die Voraussetzung für das SBV ist dabei die Da- der Fahrer eingesetzt werden kann und ihm das tenschnittstelle TR02 zwischen Terminal und via Push-Message mitteilen“, so Pavlovic. Trucker. Hier können der Fahrer über eine App Grundsätzlich gilt: Ein Slot umfasst eine volle oder sein Disponent über verschiedene Soft- Stunde, etwa von 10 bis 11 Uhr. Jedoch kommen warelösungen die geplante Tour anmelden. Sie vor und nach dieser Stunde jeweils 30 Minuten liefern im Vorfeld alle notwendigen Daten, und Toleranz dazu, zwischen 19 Uhr abends und 6 Uhr das Terminal prüft, ob Informationen fehlen und morgens sogar 90 Minuten. Das macht also zwei, eine Abfertigung anhand der übermittelten Da- später vier Stunden. Kann der Trucker den Slot tenlage überhaupt möglich ist. Im Anschluss be- nicht einhalten, bekommt er automatisch einen kommt der Trucker per EDI (Electronic Data Inter- neuen Auftrag zugewiesen. Die fixen Zeitfenster change) eine zuverlässige Rückmeldung auf sein können bis zu drei Tage im Voraus und sollten min- Handy: Sind Containernummer, Buchungsnum- destens vier Stunden vor Ankunft gebucht wer- mer und Freistellung korrekt, erhält er grünes den. Auch das Tauschen und Zubuchen sowie Licht und eine sechsstellige Tourenplannummer Stornieren und Umbuchen von Slots ist möglich. – und den Slot, in dem er seinen Container brin- gen beziehungsweise abholen kann. SCHNELLERE ABFERTIGUNG Durch die vorgemeldeten Daten ist der Prozess Seit einigen Wochen ist das SBV nun an allen drei einfacher und effizienter geworden. „Früher HHLA-Containerterminals sowie am Eurogate- war es gar nicht klar, mit welchen Daten der Terminal aktiv – und die erste Zwischenbilanz fällt Trucker überhaupt zu uns kommt“, sagt Jill positiv aus. „Alle Beteiligten hatten sich gut vor- Bödicker, Leiterin des Containerbüros am Con- bereitet. Auf der anderen Seite befinden wir uns tainer Terminal Tollerort (CTT). „Alles musste alle gemeinsam noch in einer Lernphase, in der manuell aufgenommen werden. Das hat oft sich das neue System einschwingt“, sagt Bernd Wartezeiten mit sich gebracht“, berichtet die Mau, Programm-Manager bei der HHLA-Bera- Logistikexpertin. tungstochter HPC. „Wir haben zahlreiche kon- 20 | Port of Hamburg Magazine | März 2018
50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG ■ struktive Rückmeldungen erhalten, die wir prüfen, DER „BUCHUNGSKNIGGE“ um die Slotbuchung operativ weiter zu verbessern. Ein Schwerpunkt für den Umgang mit dem System Gewissenhaft: Nur Containermengen buchen, die für den liegt darin, die Zuverlässigkeit in der Slotnutzung zu betreffenden Tag auch tatsächlich benötigt werden. erhöhen“, so Mau. Pflichtbewusst: Vorausbuchungen erst mit Ablauf des Zeit- Denn bislang wurden offenbar mehr Slots gebucht als fensters wiederholt umbuchen, also in das nächste freie Zeit- benötigt. Das führt dazu, dass Abfertigungskapazitä- fenster schieben. ten blockiert und damit nicht von anderen Fahrern ge- Planungssicher: Erst buchen, wenn der Transport final ein- nutzt werden können. Hier gibt es also noch Verbes- geplant ist. serungsbedarf. Mau wünscht sich daher eine Pünktlich: Mindestens vier Stunden im Voraus buchen. möglichst frühzeitige und zuverlässige Buchung durch Zuverlässig: Alle gebuchten Slots nutzen – Umbuchungen die Trucker. Berücksichtigen sie den Verhaltenskodex und Stornos vermeiden. Wenn es nicht anders geht: Frühzeitig (siehe Kasten), nützt das allen Beteiligten. stornieren/umbuchen. Dabei sind die Fahrer nicht auf sich allein gestellt: „Wir beobachten kontinuierlich das System, spre- chen gezielt mit einzelnen Teilnehmern und werden werpen und New York zum Einsatz. Durch solche di- bei Bedarf geeignete Maßnahmen ergreifen, um die gitalen Lösungen wird der komplexe logistische korrekte Nutzung sicherzustellen“, sagt Ingo Witte, Ablauf im Hafen vereinfacht. Das bestätigt auch Fah- Geschäftsführer des Container Terminal Altenwerder rer Samir Dedic: „Die App läuft immer im Hintergrund (CTA) und für die Einführung der Slotbuchung bei der und meldet mir relevante Informationen. Früher muss- HHLA verantwortlich. te ich für jede Tour Containernummer und Freistel- Dank TR02 und SBV können die Trucker Fehltouren lungsnummer ausdrucken und vorlegen. Jetzt läuft al- vermeiden und die Terminalbetreiber besser planen. les papierlos übers Handy.“ Das spart Zeit – und Geld. Ähnliche Systeme zur koordinierten Abfertigung kom- Und davon profitieren am Ende beide Seiten: die Ter- men auch in anderen großen Containerhäfen wie Ant- minalbetreiber und die Trucker. ■ Port of Hamburg Magazine | März 2018 | 21
■ 50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG DER CONTAINER IST EIN GARANT DAFÜR, DASS HAMBURG BIS HEUTE EINE SCHLÜSSELROLLE IM WELTHANDEL SPIELT. Hamburgs Hafen © Andreas Vallbracht und der Container Am 31. Mai 1968 macht die „American Lancer“ am Burchardkai der HHLA fest. Sie ist nicht das erste Frachtschiff in Hamburg, das Container an Bord hat – aber das erste reine Containerschiff, das den Hamburger Hafen erreicht. Zu Recht gilt deshalb dieser Tag als ein historisches Datum für den größten deutschen Seehafen. Denn der Container hat den Hamburger Hafen seither stärker geprägt und verändert als alle Technologien zuvor. Der Container war die Voraussetzung dafür, dass Hamburg ein zentraler Ort für den Welthandel des späten 20. Jahrhundert wurde – und dass der Hafen bis heute einer der wichtigsten Seehäfen der Welt ist. Die Einführung standardisierter Schiffscontainer war auch im Hamburger Hafen eingeführt wurde: Der dama- für den Seetransport und für den gesamten Welt- lige Wirtschaftssenator und spätere HHLA-Chef Hel- handel so einschneidend, wie es heutzutage das muth Kern (SPD) überzeugte den Senat davon, dass der Aufkommen des 3D-Drucks für die industrielle Ferti- Hafen für den Container ertüchtigt werden musste. Er gung ist. Doch während die Vorteile einer dreidimen- ließ zunächst den Burchardkai zum Containerterminal sionalen, computergestützten Fertigung sofort ein- umrüsten und half maßgeblich, bei internationalen Ree- leuchten, stieß der Container in der Schifffahrt und dereien Linienverbindungen für Containertransporte in der Hafenwirtschaft anfangs auf massive Ableh- über Hamburg zu akquirieren. Der Unternehmer Kurt nung, auch in Deutschland, auch in Hamburg. Der Eckelmann wiederum trotzte der Stadt Hamburg in jah- US-Spediteur Malcolm McLean hatte seit 1956 die relangen Verhandlungen die nötigen Flächen ab, um ge- ersten Containerschiffe in Fahrt gebracht. In den genüber dem Burchardkai im Waltershofer Hafen den USA etablierte sich das System bis zur Mitte der Eurokai als zweiten großen Hamburger Containertermi- 60er Jahre allmählich. In der stark traditionsgepräg- nal zu errichten. Eckelmanns Familie zählte mit ihrer ten Schifffahrtsbranche und Hafenwirtschaft Flotte von Ewern und mit Schiffsdienstleistungen zu herrschte dennoch weiterhin Skepsis. Reeder wie den wichtigsten Unternehmern im Hamburger Hafen. auch Hafenbetreiber fürchteten riesige Fehlinvestiti- Bei internationalen Konferenzen hatte Eckelmann, der onen beim Umstieg von klassischen Stückgutfrach- McLean selbst kannte, zur Standardisierung der Contai- tern auf Containerschiffe. Die Hafenarbeiter und ihre nergrößen beigetragen. Mit dem Eurokai legte er den Gewerkschaften glaubten, durch die neue Stahlkiste Grundstein für Eurogate, heutzutage einer der führen- würden zigtausende Arbeitsplätze ersatzlos ver- den Terminalbetreiber in Europa. schwinden. Vor allem sie organisierten viel Wider- Hamburgs Einstieg in die Containerwirtschaft zahlte stand gegen den Container. sich schnell aus. Anfang der 80er Jahre erreichte der Zwei Persönlichkeiten trugen entscheidend dazu bei, Hafen die Marke von einer Million umgeschlagenen dass das neue Transportsystem Ende der 60er Jahre Containereinheiten (TEU). Die Zeit der Stückgutfrachter 22 | Port of Hamburg Magazine | März 2018
50 JAHRE CONTAINER IN HAMBURG ■ ging endgültig zu Ende. Seit Mitte der 80er Jahre zeugt Industrieanlagen errichtet werden. Im vergangenen Jahr- davon an den Landungsbrücken das Museumsschiff zehnt war dort zunächst ein weiteres, fünftes Container- „Cap San Diego“. Im Jahr 1990 schlug der Hamburger terminal vorgesehen. Bedingt durch die Welt-Finanz- Hafen erstmals rund zwei Millionen TEU um. Im Jahr marktkrise wurden diese Pläne nicht realisiert. Das 2008 waren es annähernd zehn Millionen TEU. Chinas verschafft Hamburg heutzutage Spielraum für neue Pla- Rückkehr in die Weltwirtschaft seit den 80er Jahren nungen, womöglich unter anderem dafür, Liniendienste und der Fall des Eisernen Vorhangs 1989 machten Ham- auf europäischen Mittelstreckenverkehren in der Hanse- burg zum wichtigsten Seehafen für Zentraleuropa. stadt zu etablieren. Mit modernster Technologie nutzten die Politik und die Die Entwicklung der richtigen Infrastruktur ist auch des- Hafenwirtschaft die Chancen, die der neue Welthandel halb so kritisch, weil die Größe von Containerschiffen in der Hansestadt bot. 2002 ging das Containerterminal den vergangenen Jahren rapide gestiegen ist, auf inzwi- Altenwerder (CTA) der Hamburger Hafen und Logistik schen bis zu 400 Meter Länge, 60 Meter Breite und ma- AG (HHLA) in Betrieb, eine Anlage, die damals stärker ximal 16,5 Meter Tiefgang. Obwohl die geplante, neunte automatisiert war als jedes andere Containerterminal Vertiefung und Verbreiterung der Elbfahrrinne noch nicht weltweit. Zudem baute die HHLA den Tollerort zu ei- vollzogen werden konnte, schicken die Reedereien ihre nem vierten großen Hamburger größten Containerschiffe die El- Containerterminal aus. Die Hafen- bahn und die IT-Systeme des Etwa zwei Drittel be hinauf, die heutzutage mehr als 21.000 TEU Kapazität haben Hafens wurden und werden fort- laufend modernisiert, die Anbin- des Hamburger und die 20 Mal so viel laden kön- nen wie einst die „Cap San Die- dungen an das europäische Inland ausgebaut. Trotz aller Rationalisie- Hafenumschlags go“. Das zeigt die Attraktivität des Hafens in der internationalen rung und Modernisierung des Umschlags stieg auch die Zahl entfallen auf den Transportkette. Diese Schiffe laufen Hamburg zwar, aus der der Arbeitsplätze dank neuer Be- rufsbilder immer weiter – über Container. Logik der Liniendienste heraus, nie voll beladen an. Dennoch 150.000 Menschen aus der Metropolregion Hamburg muss für die immer größeren Containerschiffe aus nauti- arbeiten heutzutage im und mit dem Hafen. schen Gründe die Elbe ein weiteres Mal stellenweise Etwa zwei Drittel des gesamten Hamburger Hafenum- verbreitert und vertieft werden. Nach langer Zeit der Pla- schlags entfallen inzwischen auf den Container. Die Ab- nungen und der gerichtlichen Auseinandersetzung kön- hängigkeit des Hafens von der Stahlkiste ist groß – das nen die Bauarbeiten vermutlich Ende 2018 beginnen. Die zeigt die Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren Elbvertiefung wird dazu beitragen, dass Hamburgs Hafen deutlich. Seither stagniert der Containerumschlag unter beim globalen Containertransport auch in den kommen- zehn Millionen TEU. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die den 50 Jahren erfolgreich bleibt. ■ Ströme des Welthandels ändern sich aus wirtschaftli- chen und aus politische Gründen. Das beeinträchtigte in jüngerer Zeit vor allem den Handel mit China und mit Russland, den wichtigsten Partnerländern des Hambur- ger Hafens. An der Nord- und an der Ostsee entstanden in den vergangenen Jahren neue Terminals in Wilhelms- haven und in Gdansk (Danzig), aber auch neue Anlagen in Rotterdam oder Antwerpen. Die Folge sind Überka- pazitäten und ein immer härterer Wettbewerb. Nir- gends in Europa hatte die Hafenwirtschaft damit ge- © Olaf Preuß rechnet, dass die Wachstumsraten im Container- transport nach den Nullerjahren zurückgehen würden. Ein Grund dafür ist auch, dass alles, was in Containern transportiert werden kann, mittlerweile auch darin zu DER AUTOR finden ist. Der Prozess der „Containerisierung“ ist weit- gehend abgeschlossen. Der Journalist und Sachbuchautor Olaf Preuß, Wirtschafts- Containerterminals allerdings brauchen viel Platz. Die Er- reporter bei der WELT und der WELT AM SONNTAG in Hamburg, neuerung der Infrastruktur, die Jahre in Anspruch nimmt, berichtet seit vielen Jahren über die maritime Wirtschaft. In erfordert politische Weitsicht und wirtschaftliches Ge- seinem Buch „Eine Kiste erobert die Welt“ von 2007 beschreibt schick – und letztlich auch Glück. Im zentralen Hambur- er die Geschichte des Schiffscontainers aus deutscher Sicht. Das ger Hafenbereich auf Steinwerder werden in den kom- Buch „Hafen Hamburg“ von 2016 ist ein kompaktes Porträt des menden Jahren neue Terminals und vielleicht auch größten deutschen Seehafens. Port of Hamburg Magazine | März 2018 | 23
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