Aktuell Neue Wohnformen verbinden Vielfalt und Gemeinschaft - vbw ...

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Aktuell Neue Wohnformen verbinden Vielfalt und Gemeinschaft - vbw ...
aktuell
25. Jahrgang

Das Magazin der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Baden-Württemberg   Ausgabe 3/19

Neue Wohnformen
verbinden Vielfalt
und Gemeinschaft
Aktuell Neue Wohnformen verbinden Vielfalt und Gemeinschaft - vbw ...
Inhalt

                                                            27   Wohnbaugipfel Rems-Murr: Gemeinsam gegen
    Schwerpunkt:                                                 den Wohnraummangel in der Region

    Neue Wohnformen                                         30   Smart Living made in Germany

                                                            32   Immobilienkongress der HfWU:
                                                                 Wohnungsknappheit in der Region Stuttgart

                                                            34   Wohnraum-Allianz BW: Exkursion in Stuttgart Giebel
                                                                 über genossenschaftliches Wohnen

    4   Anders wohnen – in Gemeinschaft
        oder auf kleinstem Raum

    6   Wohnen in der Stadt von morgen:
        Von Clusterwohnungen und Quartiersgemeinschaften

    8   Baugenossenschaft Neues Heim eG: Entwicklung
        neuer Versorgungsstrukturen und Wohnformen

12      Beate Landis von der Mieterbaugemeinschaft
        "Wohnen am Wiener Platz" in Stuttgart-Feuerbach

15      Drei Beispiele für neue Wohnkonzepte                     MITGLIEDER AKTUELL
16      Wohnen auf kleinstem Raum:                          37   Stadtsiedlung Heilbronn:
        Das Mikrohofhaus in Ludwigsburg                          DGNB-Auszeichnung für Holzhochhaus Skaio

                                                            38   IWS-ImmobilienAward an vbw-Mitglieder verliehen
        AUS DEM VERBAND
                                                            40   Preis Soziale Stadt 2019: Bremerhaven gewinnt,
18      vbw-Fachtagung:                                          vbw-Mitglieder im Ranking vorne dabei
        Digitalisierung in der Wohnungswirtschaft
                                                            42   Böblinger Baugesellschaft mbH:
21      Neuer Vorsitzender der AG Genossenschaften im vbw        Neue Wohnprojekte in Magstadt und Holzgerlingen

21      Neues aus den Fachausschüssen                       43   Wohnungsbau Ludwigsburg GmbH:
                                                                 Grundsteinlegung in Grünbühl-West
BADEN-BADENER TAGE 2019:
                                                            43   Bauverein Breisgau eG:
22      Mutig Neues denken – Wohnungswirtschaft setzt            Auf der Freiburger Jobstartbörse
        Zukunftsakzente bei der Unternehmensleitertagung
                                                            44   SWSG Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesell-
                                                                 schaft mbH: Eröffnung des Stuttgarter Olga-Areals

                                                            45   VOLKSWOHNUNG GmbH: Neue Sportanlage übergeben

                                                            45   Tuttlinger Wohnbau GmbH: Neue Auszubildende

                                                                 VERMISCHTES
                                                            46   Jubiläen / Impressum

                                                            47   Termine
26      Die Abendveranstaltung in der Geroldsauer Mühle

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Editorial

                                              Verehrte
                                              Leserinnen
                                              und Leser…
wie kann dem Wohnungsmangel und steigenden Mieten im Land begegnet werden? Diese Fra­ge
stellen sich alle, die gesellschaftliche Verantwortung tragen oder von den steigenden Kosten
betroffen sind. Die maßgeblichen politischen Amtsträger haben den Neubau als zentrale Ant-
wort auf diese Frage erkannt. Das ist gut so. Auf diesem Gedankengerüst lässt sich arbeiten.
Staatliche Verordnungen oder ein Gegeneinander von Mietern und Vermietern, wie es die
Stadt Berlin derzeit mit dem Mietendeckel praktiziert, helfen mittelfristig nicht weiter. Den bes­
ten langfristigen Mieterschutz bietet ein entspannter und ausgeglichener Wohnungsmarkt!

Um diesen wieder zu erreichen, müssen alle Akteure gemeinsam an einem Strang ziehen. Mit
dem Wohnbaugipfel Rems-Murr in Schorndorf hat die KREISBAUGRUPPE aus Waiblingen ge-
meinsam mit dem Landkreis ein Treffen und Austausch von Vertretern von Städten, Gemeinden,
dem Landkreis, von privaten und öffentlichen Investoren, aber auch von Firmenchefs orga-
nisiert, um gemeinsam nach Lösungen für mehr Wohnungsbau in der Region zu suchen. Ein
Modell, das Schule machen kann.

Bei der ganztägigen Veranstaltung wurde die Situation auf dem Wohnungsmarkt analysiert,
Herausforderungen und möglichen Lösungsansätze in neun Vorträgen präsentiert, in einem
wohnungspolitischen Gespräch diskutiert und in Workshops mit den Teilnehmern erarbeitet.
Die größten Herausforderungen waren schnell benannt. Erstens tun sich die Bürgermeister
zunehmend schwer, im Innenbereich und auch an den Rändern der Städte Wohnungsbau zu
planen, weil der Bürgereinspruch vorprogrammiert ist. Das erschwert den kommunalen Ver-
antwortungsträgern die Bauleitplanung. Zweitens spekulieren viele Grundstücksbesitzer mit
ihrem Grund, was die Preise in die Höhe treibt. Drittens leiden die Wohnungs- und Bauträger­
unternehmen unter dem Flächenmangel sowie hohen Grundstücks- und Baupreisen. Preis-
günstiger Wohnraum lässt sich unter diesen Bedingungen nicht realisieren.

Die Referenten und Diskussionsteilnehmer stellten diverse Lösungsvorschläge vor: Es brauche
mehr Innenentwicklung, Verdichtung und Höhe beim Wohnungsbau, eine Grundsteuer C
könne die Grundstücksbesitzer zum Verkauf animieren, Konzeptvergaben helfen dabei, mehr
bezahlbaren Wohnraum zu generieren, und auch der Bau von Werkswohnungen für Firmen-
mitarbeiter könne dabei helfen, den Markt zu entlasten. Ein Netzwerk der Akteure im Rems-
Murr-Kreis hat sich beim Wohnbaugipfel gefunden und ausgetauscht und auch schon die
ein oder andere Idee für mehr Wohnungsbau eingebracht. Auf dieser Basis können wir wei-
terarbeiten. Der Dialog hilft, gemeinsam voranzukommen.

Mehr über den Wohnbaugipfel, die Wohnraum-Allianz und über das Thema „Neue Wohn-
formen“ erfahren Sie auf den nächsten Seiten. Viel Vergnügen beim Blättern und Lesen
wünscht Ihnen

Dirk Braune, Vorstandsmitglied des vbw

                                                                                                            3
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Anders wohnen –
in Gemeinschaft oder
auf kleinstem Raum

Veränderungen in der Gesellschaft führen auch zu neuen Wohnwünschen           „In den europäischen Städten entstehen zur­
                                                                              zeit gemeinschaftliche Wohnprojekte, die eine
und Wohnraumbedürfnissen. Wenn sich die Lebens- und Arbeitsstile
                                                                              enorme Kraft und Lebendigkeit entfalten.
wandeln, braucht es dafür neue Formen des Wohnens. Idealtypisch wird          Noch vor wenigen Jahren sahen Kritiker in den
seit vielen Jahren Wohnraum für die Kleinfamilie – also Eltern und Kind(er)   neuen Wohnprojekten nur periphere Inseln
                                                                              für gemeinschaftssehnsüchtige Nostalgiker.
– gebaut. Diese Wohnungen orientieren sich an dem Modell Wohn- und            Inzwischen finden gemeinschaftliche Wohn-
Esszimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer, Bad und Küche. Bei zunehmend           und Lebensprojekte eine breite Anerkennung“,
                                                                              schreiben die Architektin Susanne Dürr und
steigenden Zahlen an Single-Haushalten und einem zunehmenden Wohn-            der Wohnsoziologe Gerd Kuhn in ihrer durch
flächenverbrauch muss aber neu gedacht und auch gebaut werden.                die Wüstenrotstiftung herausgegebenen Ver-
                                                                              öffentlichung „Wohnvielfalt. Gemeinschaft-
Was für Familien passt, trifft nicht zwingend die Wünsche von Singles,
                                                                              lich wohnen – im Quartier vernetzt und sozial
alleinerziehenden sowie verwitweten Menschen oder Paaren, deren Kin-          orientiert“ aus dem Jahr 2017. Die Autoren
der ausgezogen sind. Hier braucht es weitere, neue und innovative Ant-        kommen zu dem Schluss, dass „die neuen
                                                                              innovativen gemeinschaftlichen Wohnprojek-
worten auf die zunehmende Singularisierung und auch Vereinsamung              te neue soziale wie bauliche Antworten fin-
der Menschen, auf die hohe Flächennutzung beim Wohnen oder den                den. Sie führen nicht bloß Altes fort, sondern
Wunsch nach Sharing-Möglichkeiten.

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Neue Wohnformen

schaffen Neues. […] Nicht Abschließung,          Bewohner müssen viel Engagement und Wil-         WOHNEN AUF KLEINSTEM RAUM
sondern Öffnung ist die neue Qualität dieser     len zur Mitbestimmung an den Tag legen.          Wohngemeinschaften sind kein Garant für
Pionierprojekte gemeinschaftlichen Wohnens                                                        das Downsizing, also die Verkleinerung der
und Lebens. Sie wollen individuelles Leben       Zweitens stellen auch die nötigen Vorausset-     Wohnfläche, sogenannte Tiny-Houses schon.
ermöglichen, aber auch neue Formen der           zungen viele Interessierte vor Probleme. Ist     Dies sind Mikro- oder Minihäuser mit einer
Gemeinschaft“.                                   die Wohngemeinschaft noch in der Gründung,       Wohnfläche zwischen 15 und 45 Quadratme-
                                                 braucht es unter Umständen ein Grundstück        tern. Sie versprechen Nachhaltigkeit und eine
Das Wohnen in einer Gemeinschaft, als typi-      oder ein passendes Gebäude, Know-how             Reduzierung auf das Wesentliche. In den
sche WG, in Clusterwohnungen oder auch in        beim Bau oder Umbau, finanzielle Mittel für      USA sind sie häufig auch straßenzugelassen,
Hausgemeinschaften kann ein Weg sein, den        die Realisierung des Wohnraums und kon-          haben also Räder unter dem Boden und sind
Herausforderungen des Alleinlebens durch         krete Regeln für das künftige, gemeinsame        damit mobil. In Deutschland darf man sein
das Wohnen in der Gruppe zu begegnen. Bis-       Handeln und Zusammenleben. An diesen             Tiny-Haus allerdings nicht einfach da abstel-
lang aber ist gemeinschaftliches Wohnen kein     Herausforderungen und auch an den daraus         len, wo man es gerade für schön hält. Ein Bau-
festes Angebot des Marktes. Vielmehr entste-     resultierenden langen Umsetzungszeiträumen       antrag und ein voll erschlossener Stellplatz
hen Wohngemeinschaften und Clusterwoh-           scheitern Wohngemeinschaftsprojekte immer        sind Pflicht, will man nicht auf dem Camping-
nungen meist in Eigenregie und auf Betreiben     wieder. Es kann daher davon ausgegangen          platz leben.
aktiver Menschen mit Durchhaltevermögen,         werden, dass das Interesse an der Wohnform
die sich für diese Wohnform bewusst ent-         deutlich höher ist, als die Wohnungssituation    Die Architekten Atelier Kaiser Shen aus Stutt-
schieden haben und häufig auch schon sehr        dies derzeit widerspiegelt.                      gart haben in Ludwigsburg ein sogenanntes
genaue Vorstellungen von der Gruppe haben,                                                        Mikrohofhaus auf eine Verkehrsinsel gestellt.
in der sie leben wollen. Sie erwarten von den    ANGEBOT UND NACHFRAGE                            Sieben Quadratmeter Wohnraum bietet sich
Wohngemeinschaften eine gesteigerte Le-          Die Wohnungswirtschaft steht gemeinschaft-       den Nutzern. Damit gewannen Sie einen
bensqualität.                                    lichen Wohnprojekten nicht grundsätzlich ne-     Wettbewerb im Rahmen des 300jährigen
                                                 gativ gegenüber. Langwierige Prozesse, ein       Stadtjubiläums der Barockstadt. Florian Kaiser
Umfragen, wie die Bevölkerungsbefragung          hoher Kommunikations- und Mitwirkungs-           sagt aber: „Tiny-Houses sind keine Lösung
2017 in Potsdam, haben gezeigt, dass sich        bedarf und eine intensive Betreuung sind aber    für den hohen Flächenverbrauch in Deutsch-
viele Menschen bereits mit der Idee des ge-      nicht zwingend Pluspunkte für Wohngemein-        land. Quartiere mit Mikrohäusern gleichen
meinschaftlichen Wohnens auseinanderge-          schaftsprojekte. Nicht die Marktgängigkeit,      eher Campingplätzen. Soll Wohnfläche ge-
setzt haben. Nur selten hingegen haben sie       sondern vor allem der zusätzliche Zeit- und      spart werden, muss man in die Höhe denken“.
tatsächlich ein solches Projekt angestoßen       Personaleinsatz solcher Projekte schreckt die
oder sind in eine Wohngemeinschaft einge-        Unternehmen ab. Dennoch steigt die Zahl die-     Das sieht auch Andreas Hofer, Intendant der
zogen. Die quantitative Relevanz von gemein-     ser Projekte wie Seniorenwohngemeinschaf-        IBA 2027 StadtRegion Stuttgart, so. Sein Cre-
schaftlichen Wohnprojekten, das haben auch       ten, ambulant betreute Wohngemeinschaf-          do lautet „mehr Dichte“. Dafür fordert er:
Kommunalbefragungen ergeben, sind daher          ten oder Mieterbaugemeinschaften, die durch      „Baut große Häuser!“. Das ermöglicht kleine-
bislang selbst in den Hochburgen dieser Pro-     Wohnungsunternehmen gebaut, betreut oder         re Wohnflächen auf wenig Grund, aber zudem
jekte – wie in den Städten Berlin, Hamburg       eingerichtet werden.                             auch eine Vielfalt an Begegnungsräumen.
und Tübingen – nicht sehr hoch. Gründe da-                                                        Vom Foyer über den Waschraum bis zur
für liegen auf der Hand.                         Denn Wohngemeinschaften schaffen viel: Sie       Dachterrasse reichen die Räumlichkeiten, die
                                                 zeigen Wege des solidarischen Zusammen-          ein unkompliziertes, zufälliges oder verabre-
VIELE HERAUSFORDERUNGEN                          lebens im Quartier auf, ermöglichen ein Ne-      detes Zusammentreffen der Bewohner mög-
SIND ZU MEISTERN                                 beneinander sozialer, ethnischer, kultureller    lich machen. „Gemeinschaftswohnprojekte
Ersten betrifft das Wohnen immer die Privat-     und Generationen übergreifender Vielfalt,        sowie Tiny-Houses ergänzen den Markt. Sie
sphäre und ist zutiefst persönlich. Eigene       entwickeln eine Kultur des Teilens, können       werden aber keine große Lösung für die der-
Wohnstile, eigene Bedürfnisse an Ruhe, Ord-      Flächen sparen, bergen Raum für solidarische     zeitigen Wohnungsmarktengpässe bieten“,
nung und Sauberkeit, sind in einer Familie,      Hilfe und leisten einen Beitrag zur Partizipa-   ist er überzeugt.
aber eben auch in einer Wohngemeinschaft         tion in den Städten. Das haben Dürr und Kuhn
immer mit Kompromissen verbunden. Intimi-        gemeinsam ermittelt.                             „Wie wollen wir künftig Wohnen?“ lautet die
tät und Öffentlichkeit treffen vehement auf-                                                      zentrale Frage der IBA 2027. Vielleicht wollen
einander. Daher kann und will nicht jeder und    Sie sagen auch, dass die Wohngemeinschaften      wir ja wohnen wie bisher. Wer aber künftig
jede nach konkreter Überlegung in einer          flexible Fördermodelle brauchen. In Deutsch-     anders wohnen will, braucht eine neue Wohn-
Wohngemeinschaft leben. Wer sich aber be-        land sind Gemeinschaftsflächen in der Regel      kultur. Und um die Wohnkultur zu ändern,
wusst dafür entscheidet, mit anderen Men-        nicht oder nur sehr bedingt förderfähig. Es      sind innovative Konzepte beim Wohnungs-
schen zusammen zu wohnen, wird die dafür         bedarf eines einfacheren, weiteren und flexi-    bau unerlässlich. (ms)
passende Gruppe und das passende Projekt         bleren Fördersystems, wie es beispielsweise
finden. Dies kann ein langer Prozess sein. Die   in Österreich besteht.

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Von Clusterwohnungen und
Quartiersgemeinschaften
Wohnen in der Stadt von morgen
Im Stuttgarter Stadtpalais fanden sich Anfang August zahlreiche Exper-    Auf den derzeit besonders populären Cluster-
                                                                          Wohnungen lag ein Schwerpunkt der Podi-
ten und interessierte Gäste ein, um einen Blick auf neue Wohnformen zu
                                                                          umsdiskussion. Lisa Schopp, Mitarbeiterin des
werfen. Die Internationale Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart      BBSR Bundesamt für Bauwesen und Raum-
organisierte im Rahmen des Sommerfestivals „Stuttgart am Meer“ ein        ordnung, führte in das Thema ein. Schopp hat
                                                                          in ihrer Masterarbeit „Das Potenzial neuer
Themenwochenende rund um das „Wohnen in der Stadt von morgen“.            Wohnformen zur Reduzierung der Pro-Kopf-
Projekte wie das gemeinschaftliche Wohnprojekt Kesselhof in Stuttgart-    Wohnfläche im urbanen Raum“ untersucht.
                                                                          „Beim Clusterwohnen geht es um kleine
Botnang oder die Obdachlosenunterkünfte mit dem bezeichnenden             Appartements, die über mindestens einen
Namen „Schwarze Häuser“ in Ostfildern waren Teil der Ausstellung. Bei     Wohn- und Schlafraum sowie ein Bad und
                                                                          manchmal auch eine eigene Küche verfügen
der abendlichen Podiumsdiskussion drehte sich alles um neue Wohn-
                                                                          und sich in einer Wohnung befinden. Diese
formen. Martin Gebler von der Baugenossenschaft Neues Heim stellte        Wohnung umfasst neben den abschließbaren
das in der Planung befindliche Quartier in Feuerbach vor. Hier baut die   Appartements einen großen, gemeinsamen
                                                                          Wohn-Essbereich mit integrierter Küche, der
Genossenschaft einen Mix aus Miet- und Eigentumswohnungen, aber           allen Bewohnern zur Verfügung steht“, er-
auch Studierenden-WGs, Wohnraum für eine Mieterbaugemeinschaft            klärte sie. In der Regel gehöre auch ein ge-
                                                                          meinschaftlicher Außenbereich zur gemein-
und Clusterwohnungen.                                                     samen Nutzfläche. Diese Wohngemeinschaf-
                                                                          ten werden auch als WG 2.0 betitelt.

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Aktuell Neue Wohnformen verbinden Vielfalt und Gemeinschaft - vbw ...
Neue Wohnformen

                                                  pelungen seien die betrachteten Projekte zu       NEUE WOHNFORMEN BEI DER
                                                  jung. Sie könnten aber Lösungen für die Fragen    WOHNUNGSWIRTSCHAFT
                                                  nach dem Wohnen im Alter, nach preisgünsti-       „Das werden sie“, sagte Martin Gebler, Pro-
                                                  gem Wohnen oder einer ressourcensparenden         kurist bei der Baugenossenschaft Neues Heim.
                                                  Lebensweise bieten und insbesondere auch          Er berichtete von Quartiersprojekten in den
                                                  inspirierend für lebenswerte Quartiere wirken.    Stuttgarter Stadtteilen Rot und Giebel. Dort
                                                                                                    tritt die Baugenossenschaft mit eigenen
                                                  Manche Projekte habe sich das Ziel gesteckt,      Quartierskonzepten an, die einen vielfältigen
                                                  die Stadtgesellschaft in ihrem Bewohnermix        Wohnungs-, Eigentums- und Wohnformen-
                                                  widerzuspiegeln. „Das erfordert Belegungs-        mix umfassen. „Wir bieten Studierenden-WG’s
                                                  vorschriften und macht die Projekte nicht         und Clusterwohnungen ebenso wie das An-
                                                  eben einfacher“, betonte Lutz. Probleme gebe      gebot einer 24-Stunden-Versorgung für Se-
                                                  es häufig auch mit der Finanzierung, denn         nioren im Quartier an“, sagte Gebler. Die
                                                  jeder Bewohner müsse seinen Teil einbringen.      Mitglieder der Genossenschaft profitieren
                                                  Das falle manchen leichter als anderen und        darüber hinaus aber auch von preiswerten
                                                  somit stellt sich schnell die Frage der Solida-   Mieten, einem Dauerwohnrecht, hohen Mo-
                                                  rität bei der gemeinsamen Finanzierung. Die       dernisierungsraten und guten Nachbarschaf-
                                                  Schweiz habe für solche Gemeinschaftspro-         ten. „Wir bieten Räume für Begegnung und
                                                  jekte bessere und transparentere Förderstruk-     Miteinander und wirken so Vereinsamung in
„Die grundsätzliche Idee der Cluster ist es,      turen als Deutschland. Insgesamt bleibe           unserer singularisierten Gesellschaft entge-
die private Fläche auf ein Minimum zu redu-       festzuhalten, dass die Clusterwohngemein-         gen“, so Gebler. Leider wüssten viele Men-
zieren und durch die gemeinsame Nutzung           schaften positiv in die Quartiere und Städte      schen nur wenig über das Genossenschafts-
der anderen Flächen die Pro-Kopf-Wohnflä-         hineinwirken. Sie verändern die Wohnkultur.       wesen. „Wir wollen insbesondere junge
che zu begrenzen“, sagte Schopp und er-                                                             Menschen und Familien wieder mit diesem
gänzte: „Ich habe in meiner Untersuchung          WOHNKONZEPTE FÜR DAS ALTER                        gemeinschaftlichen Modell bekannt machen“.
allerdings festgestellt, dass entgegen dieser     Auch Susanne Dürr, Vizepräsidentin der Archi-
Annahme die Gruppenwohnprojekte derzeit           tektenkammer Baden-Württemberg, betonte,          Michael Kunert, Leiter der Kontaktstelle
noch keinen Beitrag zur Reduzierung der Pro-      dass das Bauen und Wohnen neue Formen             Baugemeinschaften der Stadt Stuttgart, er-
Kopf-Wohnfläche leisten. Dafür wirkt sich         und Vielfalt brauche. Die Zahl der Baugemein-     klärte, dass die Landeshauptstadt großen
nach dem subjektiven Empfinden der Bewoh-         schaften beispielsweise steige und leiste ei-     Wert auf eine gute soziale und Nutzungsmi-
ner, der Einzug in ein Gruppenwohnprojekt         nen Beitrag im Städtebau. Das Clusterwohnen       schung, aber auch auf hohe Nachhaltigkeit
positiv auf die Lebensqualität aus“. Auf aus-     mache insgesamt nur 1,5 Prozent des Ange-         lege. „Insgesamt sind die Anforderungen,
reichend Privatsphäre werde bei allen Ge-         bots aus. „Insbesondere ältere Menschen, die      die an den jeweiligen Standort gelegt wer-
meinschaftswohnprojekten geachtet. Dies sei       häufig in großen Wohneinheiten leben, nut-        den, sehr hoch und lassen sich kaum errei-
ausschlaggebend dafür, dass sich die Men-         zen diesen Wohntypus nicht all zu häufig."        chen“, so Kunert. Doch die Stadt sei damit
schen für diese neue Wohnform entscheiden.        Es bedürfe weiterer Ideen, um für alle Gene-      insgesamt auf einem guten Weg.
                                                  rationen gute Wohnkonzepte zu generieren.
HOHES MASS AN AUTONOMIE                                                                             RAUS AUS ALTEN STRUKTUREN
UND PARTIZIPATION                                 „Weniger Flächenverbrauch muss die Losung         Bei der Diskussion wurde klar, dass es sich
Manuel Lutz, wissenschaftlicher Mitarbeiter       der Zukunft sein, da wir jahrelang einen stei-    lohnt, über die Frage der IBA 27 „Wie wollen
an der Fachhochschule Potsdam, ergänzte,          genden Flächenverbrauch verzeichnet haben.        wir morgen wohnen und leben?“ Gedanken
dass sich das Cluster-Wohnen durch ein hohes      Dafür könnten Wohnkonzepte mit Gemein-            zu machen. Neue Wohnformen verhelfen zu
Maß an Autonomie und Mitbestimmung der            schaftsräumen ein guter Ansatz sein“, sagte       mehr Gemeinschaft und Lebensqualität. Im
Bewohner auszeichne. Das Zusammenleben            Christine Hannemann, Professorin für Archi-       Moment sind sie aber noch eine Rander-
will geregelt sein. Es sei ein bedeutender        tektur und Wohnsoziologie an der Universität      scheinung, die gefordert und gefördert wer-
Punkt des gemeinschaftlichen Wohnens, dass        Stuttgart. „In den vergangenen Jahren wurde       den muss und die auch künftig nicht alle
sich passende Gruppen finden. „Schließlich        trotz neuer Wohnformen von der Wohnungs-          gesellschaftlichen und ökologischen Heraus-
möchte ich nicht mit jedem die Küche teilen“,     wirtschaft weiterhin sehr konventionell ge-       forderungen lösen können wird. Es ist ein
sagte er. Noch gibt es mit diesen „Pilotprojek­   baut. Ich sehe es auch als ihre Aufgabe,          richtiger Schritt, sich aus den alten Struktu-
ten“ keine Langzeiterfahrungen. Jede einzel-      Wohnungen mit neuem Zuschnitt zu bauen“,          ren zu lösen und Neues zu wagen. (ms)
ne Clustergemeinschaft versteht sich derzeit      so Hannemann. Die althergebrachten Struk-
noch als Experiment. Für konkrete Rückkop-        turen müssten aufgebrochen werden.

                                                                                                                                              7
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Die Vielfalt des
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                                                                                                  Stetten e. V. zwei inklusive Wohngemeinschaf-
                                                                                                  ten für behinderte Menschen. Darüber hinaus
                                                                                                  etablierte die Baugenossenschaft Neues Heim

genossenschaftlichen
                                                                                                  mit verschiedenen Partnern weitere Versorgungs­
                                                                                                  angebote für die Bewohner des Quartiers.

Wohnens
Die Baugenossenschaft Neues Heim eG                                                               langem Wohnrecht und preiswerter Miete in
                                                                                                  einer Genossenschaftswohnung kann er Ein-
entwickelt Quartiere mit neuen                                                                    richtungen und Dienstleistungen der Bauge-
                                                                                                  nossenschaft in Anspruch nehmen. Wertvolle
Versorgungsstrukturen und Wohnformen                                                              Vorteile bei der angespannten Lage am Woh-
                                                                                                  nungsmarkt. Doch was hat das mit neuen
                                                                                                  Wohnformen zu tun?
Die Baugenossenschaft Neues Heim in Stuttgart-Rot zeigt mit innovati-
                                                                                                  „Es ist zwar unsere Hauptaufgabe, preiswer-
ven Quartierskonzepten, wie modernes, gutes und bezahlbares Wohnen
                                                                                                  ten Wohnraum zu schaffen und den Bestand
für alle Generationen geht. Treibende Kraft sind die Bedürfnisse der Ge-                          zu verwalten“, erläutert Vorstandsvorsitzender
nossenschaftsmitglieder sowie ein weitsichtiges Denken über die Be-                               Rüdiger Maier das Credo des Neuen Heims.
                                                                                                  „Doch darüber hinaus schauen wir auf die
standserhaltung hinaus. Deshalb fördert das Neue Heim nachbarschaft-                              Bedürfnisse unserer Mieter und stellen
liches Wohnen und entwickelt nachhaltige soziale Strukturen in seinen                             grundlegende Überlegungen zu kommenden
                                                                                                  Entwicklungen an.“ Aus dieser Haltung ent-
Quartieren.                                                                                       stehen Konzepte, welche die Nachbarschaft
                                                                                                  und das Umfeld einbeziehen und tragfähige
Als sich die Baugenossenschaft Neues Heim         Kräften errichtete die Gemeinschaft viel        Strukturen für ganze Quartiere anlegen.
1948 gründete, ging es um Wohnraumver-            schneller als geplant den benötigten Wohn-
sorgung für Nachkriegsflüchtlinge, für die es     raum für alle Betroffenen.                      Zum Quartiersgestalter wurde das Neue Heim
im zerstörten Stuttgart keine Wohnungen                                                           auch, weil viele Bestandsgebäude sich im
gab. Die Gründung der Genossenschaft aus          DER MITGLIEDERZWECK                             gleichen Stadtteil befinden und so das Den-
der Not heraus war ein Schritt zur Selbsthilfe.   GIBT DIE RICHTUNG VOR                           ken über die Türschwelle hinaus auf der Hand
Nachdem die ersten Grundstücke gefunden           Für die Baugenossenschaft Neues Heim gilt       liegt. Die erste größere Quartiersentwick-
waren, packten die Mitglieder eigenhändig         dieser solidarische Grundgedanke bis heute.     lung mit Abbruch und Neubau begann 2011
beim Wohnungsbau mit an. Mit vereinten            Jeder Mieter ist Miteigentümer. Neben lebens­   in Stuttgart-Giebel. Seitdem verwandelt sich

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Aktuell Neue Wohnformen verbinden Vielfalt und Gemeinschaft - vbw ...
Neue Wohnformen

die 1950er-Jahre-Siedlung in der Mittenfeld-     ten Baufeld mit 178 Wohnungen, das bis           schen ansteigen und damit die Nachfrage nach
straße zu einem modernen, lebenswerten           2023 fertig sein soll, werden zwei Pflege-WGs    Unterstützungsbedarf. Ein Ziel des WQ+-
Viertel für alle Generationen. 2017 wurden       entstehen. „Vernünftige Quartiersentwicklun-     Konzepts liegt darin, mit zeitgemäßem Neu-
die barrierefrei erschlossenen Lang- und         gen dieser Größenordnung brauchen Zeit-          bau für eine gute Altersdurchmischung mit
Punkthäuser des ersten Baufelds mit insge-       räume von acht bis zehn Jahren“, weiß Gisbert    jungen Familien zu sorgen. Gleichzeitig sol-
samt 157 Wohneinheiten in drei Bauabschnit-      Renz aus langer Entwicklungserfahrung.           len verlässliche Versorgungsstrukturen dazu
ten fertiggestellt.                                                                               dienen, ein langes, selbstbestimmtes Woh-
                                                 VIELE AKTEURE SIND ZU VERNETZEN                  nen im gewohnten Umfeld zu ermöglichen.
„Selbstverständlich nehmen wir unsere Mieter     „Erfolgreiche Entwicklung ist nur mit der Ver-   Geplant ist ein Versorgungsangebot mit vie-
bei diesen Entwicklungsprozessen mit“, sagt      netzung verschiedener Akteure im Quartier        len Bausteinen: ein Wohncafé als zentrale An-
Gisbert Renz, Vorstand beim Neuen Heim.          möglich“, ergänzt Martin Gebler, Prokurist       laufstelle für den Austausch der Quartiersbe-
„Wir kümmern uns um die sozial verträgliche      und Leiter der Wohnungsverwaltung. „Des-         wohner, WGs für Menschen mit Behinderung,
Umsetzung und beziehen die Wohnungs-             halb wählen wir alle Prozessbeteiligten im       Wohnen mit Betreuung, Tagespflegeeinrich-
wünsche der Mieter in die Neubauplanung          Sinne der Quartiersbewohner aus und vernet-      tungen sowie ambulant betreute Pflegeap-
ein.“ Im Baufeld West blieben über 50 Prozent    zen die Strukturen.“ So auch bei den umfas-      partements. Bleiben wird das etablierte Be-
der Mieterschaft an ihrem angestammten Ort.      senden Veränderungen in Stuttgart-Rot. Mit       ratungs- und Hilfsangebot VIA (Vertrauen im
Sie leben jetzt in einem für die individuelle    zwei weiteren Baugenossenschaften (BG Zuf­       Alltag) der Else-Heydlauf-Stiftung.
Lebensphase passenden – gut ausgestatte-         fenhausen, FLÜWO Bauen Wohnen eG) und
ten und energieeffizienten – Zuhause.            dem Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg         Die Angebote bauen aufeinander auf und sind
                                                 mit der Else-Heydlauf-Stiftung gestaltet das     miteinander vernetzt. Je nach Bedarf können
Weil die Baugenossenschaft den Mietermix         Neue Heim das Konzept WohnquartierPlus           sie erweitert, eingeschränkt oder ergänzt
in ihren Gebäuden sorgfältig steuert, bilden     (WQ+), das bestehende Versorgungsstruktu-        werden. Die aktuellen Kooperationspartner –
in dem ehemals überalterten Quartier heute       ren erweitert und neue Angebote ermöglicht.      auch hier ist man offen für neue Partner –
Singles, Paare und Familien aller Generationen   Der Verein Integrative Wohnformen steuert
eine gute Nachbarschaft. Auf dem Areal ent-      sein Know-how zur Entwicklung passender
standen eine Arztpraxis und ein Pflegezim-       Wohn- und Versorgungskonzepte bei.               Das Neue Heim entwickelt das Quartier am
mer für Nachbarn, die nach einem Kranken-                                                         Wiener Platz federführend zu einem innovati-
hausaufenthalt weiterer Pflege bedürfen. In      Aufgrund der demografischen Struktur in          ven Quartier mit Wohn-, Arbeits- und Lebens-
einem Gebäude betreut die Diakonie Stetten       Rot – mehr als 20 Prozent der Bevölkerung        räumen für unterschiedlichste Menschen und
zwei integrative Behinderten-WGs. Im zwei-       sind älter als 65 – wird die Anzahl alter Men-   Anforderungen.

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Die Verantwortlichen der Baugenossenschaft
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                                                                                                   (v.l.n.r.): Rüdiger Maier, Vorsitzender des
                                                                                                   Vorstands, Gisbert Renz, Technischer Vorstand,
                                                                                                   und Martin Gebler, Prokurist.

                                                                                                   An der Burgenlandstraße entsteht ein Modell-
                                                                                                   projekt mit einer Mieterbaugemeinschaft, die
                                                                                                   den genossenschaftlichen Gedanken stark
                                                                                                   ins Quartier transportiert. Neben klassischen
                                                                                                   Wohneinheiten werden Cluster-Wohnungen
                                                                                                   sowie Wohnraum für Studierende gebaut.
                                                                                                   Herzstück der Gemeinschaft ist ein kommu-
                                                                                                   nikationsfördernder Waschsalon mit Kreativ-
                                                                                                   bereich. Die "waschBAR" als Treffpunkt der
                                                                                                   Hausgemeinschaft soll sich für das gesamte
                                                                                                   Quartier öffnen. Der Innenhof soll gemein-
                                                                                                   sam entwickelt und als Kommunikations-
                                                                                                   plattform im Quartier genutzt werden (siehe
                                                                                                   Artikel Mieterbaugemeinschaft).

      Die aktive Baugenossenschaft vernetzt kompetente                                             Das Quartier am Wiener Platz bietet ein hohes
                                                                                                   Potenzial für den Aufbau eines funktionieren-
      Akteure und entwickelt so attraktive, wirtschaftliche                                        den und fruchtbaren Gemeinwesens, das un-
      und soziale Quartiere, in denen unterschiedlichste                                           terschiedlichsten Bevölkerungsgruppen Woh-
                                                                                                   nen und Arbeiten im Quartier anbietet. Beides
      Wohnformen Platz haben.                                                                      gilt auch für Menschen mit Beeinträchtigun-
                                                                                                   gen, sodass für diese eine gesellschaftliche
                                                                                                   Teilhabe in der Stadtregion möglich ist und
formulieren ihre Ziele so: Es geht um gutes     Selbiges gilt für ein weiteres Projekt in Stutt-   damit ein inklusives Quartier entstehen kann.
und sicheres Wohnen in einem Quartier mit       gart-Feuerbach. Auf dem ersten Bündnis für         Der Baubeginn ist für 2020 geplant.
innovativen Versorgungsformen und ange-         Wohnen-Grundstück – dem ehemaligen
messenem Wohnraum für alle Lebenslagen.         Schoch-Areal beim Feuerbacher Bahnhof –            QUARTIERSENTWICKLER
Durch die angestrebte 24-Stunden-Versor-        entsteht mit dem „Quartier am Wiener Platz“        AM PULS DER ZEIT
gungssicherheit können die Quartiersbewoh-      ein innovatives, nachhaltiges und multifunk-       Quartiersentwicklungen brauchen sowohl den
ner auch bei hohem Unterstützungsbedarf         tionales Quartier. Projektbeteiligte sind neben    Blick auf die urbane Architektur als auch auf
in ihrer Wohnung bleiben. Gute Nachbar-         der Landeshauptstadt Stuttgart erneut das          soziale und identitätsstiftende Inhalte. Die
schaft und neue junge Bewohner im Quartier      Wohlfahrtswerk mit der Else-Heydlauf-Stif-         Baugenossenschaft Neues Heim, die als sat-
sorgen für die soziale Balance.                 tung, zudem soziale Partner wie die Evange-        zungsgemäßen Hauptzweck die Mitglieder-
                                                lische Gesellschaft Stuttgart, die Diakonie        förderung hat, ist mit dieser ganzheitlichen
Seit 2018 laufen die Entwicklung der Ange-      Stetten sowie ein Träger für die Kita. Betei-      Betrachtung vertraut. Heute kommt ihr zu-
bote und die Herstellung der notwendigen        ligt sind auch der Verein Integrative Wohn-        nehmend die Rolle zu, unterschiedliche Ak-
Vernetzungen für WQ+. Im Herbst 2021 sol-       formen, der Verein zur Förderung ausländi-         teure für eine Quartiersentwicklung zu mo-
len Wohncafé und Tagespflege, bis 2025          scher Studierender sowie eine Mieterbauge-         tivieren, zusammenzuführen und das Projekt
weitere barrierearme Neubauten mit vielfälti-   meinschaft.                                        über die bauliche Seite hinaus zu koordinie-
gen Angeboten wie Familienwohnen, geför-                                                           ren und langfristig im Sinne der Mitglieder
dertem Wohnen, Kurzzeitpflege und Pflege-       Als zentraler Akteur dieser Quartiersentwick-      zu begleiten.
WGs fertiggestellt sein. Die angestrebte        lung schafft das Neue Heim in mehreren
24-Stunden-Versorgungssicherheit soll bis       Baulosen diverse Wohnformen für unter-             „Wir sehen es als unsere Aufgabe an“, resü-
2024 erreicht sein.                             schiedliche Einkommen und für verschiedene         miert Rüdiger Maier, „unsere Quartiere mit ge-
                                                Bedarfe. Eine Kita, eine inklusive Gastrono-       eigneten Partnern systematisch zu entwickeln.
BEDÜRFNISSE AUFNEHMEN UND                       mie, eine Tagespflege und Beschäftigungs-          Als Bauherren schaffen wir bedarfsgerechte
ANGEBOTE GESTALTEN                              angebote kommen als soziale Einrichtungen          und architektonisch anspruchsvolle Gebäude
„Das WQ+-Konzept zeigt, dass die Quar-          hinzu. In den Erdgeschossen sind weitere           mit modernen Wohnkonzepten für alle Ge-
tiersentwicklung vor der Wohnformentwick-       Gastronomie- und Freizeitangebote geplant.         nerationen. Wir setzen Impulse im Quartier,
lung steht“, erläutert Martin Gebler, „denn     Das Quartier soll unterschiedliche Gesell-         bringen die passenden Akteure zusammen
erst nach der Bedürfnisermittlung können wir    schaftsgruppen beheimaten, vorgedacht ist          und sorgen für die Moderation dieser Entwick-
passende Angebote konfigurieren, die auch       ein bunter, lebendiger Mix an Menschen und         lungsprozesse. Diese integrierte Handlungs-
neue Wohnformen ermöglichen.“                   Wohnformen.                                        weise macht uns zum kompetenten Gestalter.“

 10
Neue Wohnformen

             11
Gesellschaftliche Vielfalt
     und Verantwortung unter
     einem Dach
     Findung und Ziele der Mieterbau­gemeinschaft
     „Wohnen am Wiener Platz“

                    Für die Entwicklung des Quartiers am Wiener Platz waren vier Baulose
                    ausgeschrieben. Mit Los 4 stellte die Stadt Stuttgart vier Baugrundstü-
                    cke zur Verfügung, auf die sich Baugemeinschaften im Rahmen eines
                    Vergabeverfahrens mit ihren gemeinschaftlich ausgerichteten Wohn-
                    projekten bewerben konnten. Eine dieser Gemeinschaften suchte und
                    fand in der Baugenossenschaft Neues Heim den Partner, mit dem sie ihr
                    Projekt „Wohnen am Wiener Platz“ umsetzen wird. Die Mieterbauge-
                    meinschaft agiert dabei als aktive, selbst initiierte und selbst organi-
                    sierte Gruppe mit einem ambitionierten Sozialkonzept, die Baugenos-
                    senschaft ist Bauherr, Eigentümer sowie Betreiber und begleitet mit
                    professionellem Know-how alle Planungs-, Bau- und Vermietungspro-
                    zesse. Beate Landis von der Mieterbaugemeinschaft berichtet, wie alles
                    begann und sich bis heute entwickelte.

12
Neue Wohnformen

DIE ENTSTEHUNGSGESCHICHTE
Unsere Gruppe entstand im Zeitraum von
2015 bis 2017. Wir trafen uns eher zufällig in
den Räumen des treffpunkt 50plus am Rote-
bühlplatz bei der Stuttgarter Plattform für
selbstorganisiertes gemeinschaftliches Woh-
nen, bei zugehörigen Kontaktbörsen oder
bei Informationstreffen zu den anstehenden
Ausschreibungen für die Grundstücksverga-
be an Baugemeinschaften nach dem Stuttgar-
ter Konzeptverfahren.

Wir hatten alle keine genaue Vorstellung von
dem, was wir suchten. Wir wussten nur, dass
wir alle nicht mehr auf Dauer alleine leben
wollten, sondern eine neue Form des Mitein­
anders und der Gemeinschaft im innenstadt-
nahen Bereich von Stuttgart suchten. In vielen
Gesprächen sammelten wir Wünsche und
formulierten Ziele: Weg von der Anonymität
moderner Wohnsiedlungen sollen individuel-
le Wohnräume für persönliche Lebenskonzep-
te und alle Lebensphasen entstehen, aber
auch reichlich Fläche für Begegnung und
Gemeinschaft mit viel Platz für Engagement,
Hilfe und nachbarschaftliche Unterstützung.
Wir wünschen uns Mietverhältnisse ohne
drohende Eigenbedarfskündigungen, Miet-
spekulationen oder Edelsanierung. Ein we-         Engagiert und experimentierfreudig: Die Mieterbaugemeinschaft „Wohnen am Wiener Platz“ –
sentlicher Faktor soll die Mitentscheidung        (von links) Albrecht Lannes, Theresa Kaiser, Elke Hirschbach-Zentner, Ingrid Herrmann, Beate Landis.
und Mitgestaltung und somit Mitverantwor-
tung für Gebäude und Flächen sein, mög-
lichst jedoch ohne das finanzielle Risiko einer   Basis des Konzepts ist unsere Initiative als        die potenzielle Interessenten für unsere An-
privaten Wohnungseigentümergemeinschaft           selbst organisierte Baugruppe, die in einer         frage hätten sein können. Freunde und Be-
oder den Aufwand einer eigenen Genossen-          solidarischen und selbst geplanten Hausge-          kannte belächelten unsere Bemühungen meist
schaftsgründung. Und schließlich wollen wir       meinschaft zusammen wohnen und leben                mitleidig. Sie schienen anfangs Recht zu be-
als Gemeinschaft in ein buntes, lebensfrohes,     möchte. Klar war der Wunsch nach einem              halten, es kamen nur Absagen. Freundlich,
sozial gemischtes, verantwortliches und nach-     genossenschaftlichen Eigentumsmodell for-           aber meist kurz und klar. Bis die Nachricht
haltiges Quartier eingebettet sein.               muliert. Vor allem, um das Belastungs- und          von der Baugenossenschaft Neues Heim ein-
                                                  Krisenpotenzial von Wohnungseigentümer-             traf: ein anderes Schreiben, offen und interes-
ERFOLGREICHE PARTNERSUCHE                         gemeinschaften – mit unterschiedlichen finan-       siert, verbunden mit der Einladung zu einem
Mit diesen fast utopisch anmutenden Zielen        ziellen Möglichkeiten und Interessen der Mit-       Treffen und Austausch. Und mit dem Ergeb-
bildete sich unsere Gruppe heraus, die ihre       eigentümer – in Fragen der Hausverwaltung           nis, es mit einer Kooperation zu versuchen.
Ideen in einem gemeinsamen Sozialkonzept          und des Immobilienmanagements (Instand-
weiterentwickeln und umsetzen wollte. Als         haltung, Reparatur, Investitionen) auszuschlie-     KONKRETISIERUNG
Ende 2017 die Ausschreibungen für die Grund-      ßen. Gesucht wurden ein Grundstück und              DER WOHNFORMEN
stücke anstanden, mussten wir uns entschei-       eine Immobilie, wo solidarisches Miteinander        Im Januar 2018 startete der Wettbewerb für
den: Wollen wir selbst kaufen, oder wollen        aufgrund der persönlichen und beruflichen           das Vergabeverfahren im Los 4 des Quartiers
wir zumindest den Versuch starten, einen          Erfahrungen der Gruppenmitglieder gelingen          am Wiener Platz. Gemeinsam mit der Bauge-
professionellen Partner unter den Stuttgarter     kann. Als ideale Lösung erschien uns eine           nossenschaft und dem Architekten konkreti-
Wohnungsbaugenossenschaften zu finden,            Partnerschaft und Planungsgemeinschaft              sierte sich unser Plan des zukünftigen Hauses
der mit uns als Tandempartner und Bauträger       zwischen unserer aktiven Mietergemeinschaft         der Mieterbaugemeinschaft. Das Sozialkon-
eine Bewerbung für das Schoch-Areal abge-         und einer Baugenossenschaft als professio-          zept wurde in Grundrisse und Architektur
ben würde. Dafür entwickelten wir aus unse-       nellem Bauherren und Eigentümer.                    übersetzt.
ren gemeinsamen Zielen eine Projektskizze
für unseren Traum eines genossenschaftlichen      Ende 2017 verschickten wir unser Sozialkon-         Das erste Ergebnis der Vergabekommission
Mietwohnungsprojekts.                             zept und eine Kurzvorstellung unserer Gruppe        für die vier Baugemeinschaften war erfreu-
                                                  an alle Baugenossenschaften in der Region,          lich und zugleich ein wenig enttäuschend.

                                                                                                                                                 13
Produktive Zusammenarbeit: Martin Gebler
                                                                                                  (rechts) von der Baugenossenschaft Neues
                                                                                                  Heim im Planungsgespräch mit der Mieter­
                                                                                                  baugemeinschaft.

                                                                                                  lesbergpark ist fußläufig erreichbar, das Zen-
                                                                                                  trum von Feuerbach vor der Türe. Auf der
                                                                                                  anderen Seite liegt der Bahnhof, der uns in
                                                                                                  wenigen Minuten ins Stuttgarter Zentrum
                                                                                                  oder die Region bringt.

                                                                                                  Nicht alle Interessierten, die mit uns am Start
                                                                                                  waren, sind geblieben. Einige entschieden
                                                                                                  sich für eine Bewerbung in anderen Quartie-
                                                                                                  ren, andere gingen aufgrund von Spannun-
                                                                                                  gen in der Gruppe, weitere mussten absagen,
                                                                                                  nachdem das erfolgreiche Konzept ein klei-
                                                                                                  neres Grundstück bekam und so nicht alle
                                                                                                  geplanten Wohnlösungen realisiert werden
                                                                                                  konnten.

Trotz der höchsten Bewertung im Sozialkon-     Freiflächen sowie die Bauantragsverfahren          „Wir bauen Ihr Haus.“ Als Gisbert Renz, Vor-
zept bekamen wir nicht das gewünschte          aller vier Lose sind in vollem Gange. Unser Ein-   stand der Baugenossenschaft Neues Heim,
größte Grundstück zugesprochen, sondern        zug in unser neues Heim mit frei finanzierten      diesen Satz kurz vor Weihnachten 2018 aus-
das kleinste. So mussten wir erheblich um-     Genossenschaftswohnungen und die gesam-            sprach, erfüllte sich unser Traum als Mieter-
planen und unser Konzept an das andere         te Belebung des neu entstehenden Quartiers         baugemeinschaft „Wohnen am Wiener Platz“.
Grundstück und die aktualisierten Vorgaben     ist für 2023 vorgesehen.                           Denn wenn sich engagierte Partner vertrau-
der Stadt anpassen.                                                                               en und aufeinander verlassen können, dann
                                               AUS UTOPIE WIRD REALITÄT                           ist vieles möglich, was zunächst als Utopie
Im Ergebnis entstand dabei eine Hausstruk-     Manchmal können wir es immer noch nicht            erscheint. Wir möchten ein Leuchtturmpro-
tur mit Gewerbeflächen im Erdgeschoss und      glauben. Dann sehen wir die Pläne unseres          jekt sein und viele andere Menschen ermu-
drei Wohnformen. Eine studentische Wohn-       Hauses vor uns liegen, daneben den Lage-           tigen, ein solches Mietwohnprojekt zu grün-
gemeinschaft erhält im ersten OG sechs Zim-    plan mit dem eingerahmten Quartier, das in         den. Gerne teilen wir unsere Erfahrungen
mer zuzüglich eines großen Gemeinschafts-      wenigen Jahren unsere neue Heimat sein             und beraten interessierte Menschen.
raums, zwei Gemeinschaftsbädern und einer      wird: in perfekter urbaner Stadtlage. Der Kil-
Wohnküche. Der Verein zur Förderung aus-
ländischer Studienbewerber und Studieren-
der Stuttgart wird hier eine internationale     KONTAKT:
Studierenden-WG betreiben.                      www.bgneuesheim.de/mieterbaugemeinschaft-wohnen-am-wiener-platz.html

In den oberen Etagen entstehen drei Cluster-
wohnungen – jeweils Zweizimmerapparte-                                                                                     Süße Vorfreude:
ments – ebenfalls mit einer Wohnküche und                                                                                  Das Baukonzept
einem großzügigen Gemeinschaftsraum.                                                                                       von Los 4.3. in
Darüber hinaus wird es vier klassische Woh-                                                                                gebackener Form
nungen, davon drei Zweizimmer- und eine                                                                                    auf der kleinen
Dreizimmerwohnung geben. Zu alledem                                                                                        Feier nach Erhalt
kommen noch große Hausgemeinschaftsflä-                                                                                    des Zuschlages für
chen im Erdgeschoss, dem Ort der geplanten                                                                                 das Grundstück
waschBAR, sowie dem Dachgeschoss mit                                                                                       am Wiener Platz.
Terrasse, Pergola und Hochbeeten für die
ganze Hausgemeinschaft.

Seit 2019 laufen die Ausschreibungen und
Architektenwettbewerbe der Lose 1 bis 3 im
Quartier am Wiener Platz. Die Planung der
gemeinsamen Quartierstiefgarage und der

 14
Neue Wohnformen

Ein passendes Konzept
für jede Lebenslage
Bei den Mitgliedsunternehmen des vbw ist es keine Seltenheit, dass Men-
schen ein Leben lang Mieter bleiben. Daraus ergeben sich über die
Dauer des Mietverhältnisses neue Anforderungen und Bedürfnisse, denen
Rechnung getragen werden muss. aktuell stellt einige unterschiedliche
Konzepte kurz vor:

Landes-Bau-Genossenschaft                       ulmer heimstätte eG:
Württemberg eG:                                 AUS WUNSCH WIRD WIRKLICHKEIT
DIE SENIOREN-WG IM HERZEN                       Es begann alles mit einer Mitgliederbefra-
DER LANDESHAUPTSTADT                            gung im Jahr 2006. Damals antworteten 20
Unter dem Motto „Gemeinsam statt Einsam“        Prozent der Befragten, dass sie sich vorstellen
startete im Jahr 2013 Stuttgarts erste Senio-   könnten, in ein gemeinschaftsorientiertes
ren-WG. Die Wohngemeinschaft besteht aus        Wohnprojekt zu ziehen. Mehrere Workshops,
sechs separaten und abschließbaren Wohnun-
gen, die mit einem eigenen Bad mit boden-
gleicher Dusche, einem Wohn-/Schlafbereich                                                         MiKa MieterInneninitiative Karlsruhe eG:
und einer modernen Küchenzeile sowie einer                                                         MITEINANDER ALS
Terrasse oder einem Balkon ausgestattet                                                            ORGANISATIONSPRINZIP
sind. Diese Wohnform verbindet Gemein-                                                             Gemeinschaft und Vielfalt waren bereits bei
schaft und selbstbestimmtes Leben miteinan-                                                        der Gründung Grundvoraussetzung für die
der. Eine akribische Planung und Auswahl-                                                          Mieterinitiative Karlsruhe. In einer ehemaligen
verfahren, um die richtige Mischung an Be-                                                         Mannschaftsbarracke mit großem Innenhof
wohnern zu finden, sind entscheidend für                                                           entstanden 86 sozial gebundene Wohnun-
den Erfolg. Zudem betreut eine Sozialpäda-                                                         gen und ein Kultur- und Gemeinschaftshaus.
gogin das Projekt, und auch der ASB-Service                                                        Dabei waren die zukünftigen Bewohner vom
bietet den Bewohnern seine Hilfe an.                                                               ersten Spatenstich an in das Planungskonzept
                                                                                                   eingebunden und erledigten auch viele Arbei-
                                                                                                   ten selbst. Auch ein eigens initiierter Baube-
                                                Exkursionen und viele Gespräche später ent-        schäftigungsbetrieb für Langzeitarbeitslose
                                                stand das Mehrgenerationenwohnen Ulm-              und Sozialhilfeempfänger war an der Entste-
                                                Weststadt. Ein eigener Verein wurde eben-          hung beteiligt. Bis heute trifft die Genossen-
                                                falls gegründet, der sich schon in der Planungs-   schaft Entscheidungen gemeinschaftlich, ba-
                                                phase aktiv einbringen und Entscheidungen          sisdemokratisch und nach dem Konsensprinzip
                                                treffen konnte. Das Modell entpuppte sich          und bindet die Bewohner kontinuierlich in die
                                                schnell als Erfolg. Im Jahr 2011 folgte das        Entscheidungsprozesse der Genossenschaft
                                                nächste Mehrgenerationen-Wohnhaus mit              ein. Ungefähr 150 Erwachsene und 80 Kinder
                                                30 Wohnungen in Ulm Eselsberg. Im Okto-            (ein Drittel der Bewohner mit Migrationshin-
                                                ber 2019 wurde das Projekt am Unteren              tergrund) nutzen den MiKa-Wohnhof als
                                                Kuhberg der ulmer heimstätte und des Ver-          Garten, Spielplatz, Bobbycar-Rennbahn, Grill-
                                                eins aktiv gemeinsam wohnen e.V. fertigge-         platz oder Treffpunkte zum gemeinsamen
                                                stellt. 29 der insgesamt 75 barrierefreien         Essen. Auch gegenseitiges Babysitten, ge-
                                                Wohnungen stehen dem Verein zur Verwirk-           meinsames Zur-Schule- oder In-den-Kinder-
                                                lichung ihres Mehrgenerationenprojekts zur         garten-Bringen und Car-Sharing sind in der
                                                Verfügung, in dem von der jungen Familie           engen Gemeinschaft eine Selbstverständlich-
                                                bis zur alleinstehenden Rentnerin alle ge-         keit, ganz nach dem Motto „Wir leben nicht
                                                meinsam von der engen Bindung und dem              nebeneinander her, sondern miteinander, in
                                                hilfsbereiten Miteinander profitieren sollen.      vielfältigen sozialen Beziehungen.“ (bb)

                                                                                                                                             15
Wohnen auf
                                             kleinstem Raum
                                             Das Mikrohofhaus bietet kleinen
                                             Wohnraum mit Garten

Das Mikrohofhaus des Stuttgarter Ateliers Kaiser Shen hat als kleine Oase
an unruhigem Ort die Auszeichnung des Wettbewerbs „Raumpioniere“
der Stadt Ludwigsburg im Jahr 2018 erhalten. Der Platz, auf dem das
Mikrohofhaus mit seinen 7,3 Quadratmetern Fläche steht, ist unwirtlich:
auf der Sternkreuzung, einer lärmumspülten Grüninsel inmitten der Stadt
Ludwigsburg. Das kleine Stückchen Raum zwischen den Fahrbahnen wird
von vielen Tausend Fahrzeugen täglich umfahren und von Fußgängern
im Eiltempo überquert, um entweder ins Grün der Bärenwiese oder in die
Fußgängerzone der Ludwigsburger Innenstadt zu gelangen.

                  Das Mikrohofhaus steht für eine neue Herangehensweise an das
                  Thema »Wohnen auf kleinstem Raum«. Diese beispielhafte Wohnty-
                  pologie erreicht ihre Qualität durch konsequente Abgrenzung vom
                  Außenraum und ermöglicht dadurch eine überraschende Privatheit
                  im Inneren. Die Architektur lebt vom Spannungsverhältnis zwischen
                  Innen und Außen, offen und geschlossen, Lärm und Ruhe, privat und
                  öffentlich. Der schneckenförmig angelegte Zugang in eine ansonsten
                  rundherum geschlossene Fläche erweckt Neugier: Nur ein kleines,
                  quadratisches Fenster verweist darauf, dass sich in dem mysteriös
                  wirkenden, schwarzen Objekt, Leben verbergen könnte.

                  Auf nur 7,3 qm werden alle benötigten Funktionen untergebracht.
                  Funktionale Nutzungen wie das Bad, Schränke oder die Küche sammeln
                  sich mit einer Tiefe von 85 cm entlang der Rückwand. Aus dieser
                  kann ein Esstisch geklappt und ein Bett gefaltet werden. Gartenseitig
                  bleibt somit eine großzügige, multifunktional nutzbare Fläche entlang
                  der Fassade. Der Garten wird Bestandteil des Wohn­raums: Im Winter
                  durch große Glas­elemente abgetrennt, wachsen im Sommer durch
                  Öffnen der Scheibe Innen- und Außenbereich zusammen. Der Innen-
                  raum wird optisch bis zur angrenzenden Mauer wahrgenommen. So­mit

 16
Neue Wohnformen

    Beim Entwurf wurden wir von chinesischen Hutongs und
    marrokanischen Riads inspiriert. Diese Hofhäuser, die wir auf
    Reisen kennenlernen durften, bieten eine atemberaubende
    Ruhe im Inneren und somit einen Kontrast zum hektischen
    Leben außerhalb der Hofmauern. 		                  Guobin Shen

entsteht eine eigene Welt innerhalb der Mau-     „Mit dem Mikrohofhaus wollten wir eine Antithese zum klassischen
ern. Nur durch das kleine quadratische Küchen-   Mikrohaus schaffen. Die herkömmlichen Entwürfe zeigen kleine, nach
fenster entsteht Blickkontakt nach außen.        Außen gerichtete Häuser, die wunderbar in der freien Landschaft
                                                 funktionieren. Allerdings bietet ein solcher Typus keine Privatsphäre und
Die schlichte Außenraumgestaltung erinnert an    stellt somit kein Beitrag zur Nachverdichtung der Stadt dar.“
ein chinesisches Hofhaus und wird von einer
asymmetrisch angeordneten Felsenbirne geglie-
dert. Der Brunnen im Garten ist nicht nur ein
landschaftliches Element, sondern bildet ge-
meinsam mit der Mauer eine wirksame Akus-
tikmaßnahme gegen den Straßenlärm. Die Holz-
rahmenbauwände aus Fichte-Dreischichtplat-
ten liegen auf dem massiv wirkenden Sockel
auf und schweben 20 cm über dem Garten,
wodurch sie extrem leicht wirken. Die warme
Holzoptik im Inneren wird durch das schwar-
ze Wellblech der Außenfassade kontrastiert.

Das kompakte Mikrohof­haus stellt somit ei-
nen Beitrag zum immer knapper werdenden
Wohnungsbedarf dar und ist nicht nur ein
Vorschlag, eine unwirtliche Restflächen nach­
zuverdichten, sondern auch ein überzeugen-
der Gegen­entwurf zu immer größer werden-
den Woh­nungsgrößen.

                                                                                                                             17
vbw Fachtagung:

                                                          Digitalisierung in der
                                                          Wohnungswirtschaft

vbw veranstaltet erste Tagung zur Digitalisierung
in der Wohnungswirtschaft
Anfang November hatte der vbw zu seiner ersten Tagung zum facetten-                               schon darauf vorbereitet. Dabei spielt die
                                                                                                  Größe des Unternehmens eine entscheidende
reichen Thema Digitalisierung in den Hospitalhof in Stuttgart geladen.
                                                                                                  Rolle. Während alle großen und viele mittel-
Dass das Thema die Wohnungswirtschaft bewegt, war bereits bei einer                               große Unternehmen sich schon auf den Weg
zuvor durchgeführten Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen deut-                                 in die Digitalisierung ihres Unternehmens ge-
                                                                                                  macht haben, steht der Schritt vielen kleine-
lich geworden. Zahlreiche Geschäftsführer, Vorstände, Fachbesucher und                            ren Unternehmen noch bevor. Auffällig ist,
Interessierte folgten daher der Einladung, um mehr darüber zu erfahren,                           dass vielen Unternehmen noch eine ganzheit-
                                                                                                  liche Strategie zur Digitalisierung des Unter-
was in Zukunft noch alles auf die Wohnungswirtschaft zukommen wird.                               nehmens fehlt. Aber auch externe Einflussfak-
                                                                                                  toren, die den Unternehmen Steine in den
stelle für Wohnungsunternehmen in Bayern         Dass die Auswirkungen der Digitalisierung        Weg legen, spielen eine Rolle. So ist zum Bei-
GmbH wurden die Mitgliedsunternehmen des         Wirtschaft und Gesellschaft durcheinander        spiel weiterhin ein eklatantes Gefälle zwischen
vbw detailliert zu verschiedenen Themen-         wirbeln, ist nichts Neues. Auch vor der Woh-     Stadt und Land festzustellen, was die verfüg-
komplexen der Digitalisierung befragt, um        nungswirtschaft macht diese Entwicklung          bare Internetgeschwindigkeit angeht. Eine
festzustellen, wo bereits Fortschritte erzielt   nicht Halt und sorgt dafür, dass Altbekanntes    klare Meinung haben die Unternehmen auch
wurden und wo noch der Schuh drückt.             neu überdacht und mancherorts ganz neue          dazu, welche Felder für ihre derzeitige Arbeit
                                                 Wege gegangen werden müssen. Darauf hat          am relevantesten sind: digitale Geschäfts-
UNTERNEHMEN STEHEN                               der vbw mit der Einrichtung eines Fachaus-       prozesse stehen dabei ganz oben auf der
IN DEN STARTLÖCHERN                              schusses zum Thema reagiert, der dem Vor-        Agenda, gefolgt von mobilem Arbeiten, Pro-
Wie wichtig das Thema für die Wohnungs-          stand zuarbeiten und wichtige Impulse und        zessen mit dem Kunden und mit Geschäfts-
unternehmen im vbw ist, ließ sich schnell an     Best-Practice-Beispiele für die Mitgliedschaft   partnern. Die Themen Social Media, Smart
der Anzahl der Antworten ablesen. Annäh-         geben soll. Dieser Fachausschuss lieferte nun    Home, sowie BIM (Building Information Mo-
rend hundert Unternehmen beteiligten sich        wertvolle Inhalte für die erste Tagung des       deling) spielen für sie hingegen noch keine
an der Umfrage der Treuhand. Neunzig Pro-        Verbandes zur Digitalisierung in der Woh-        große Rolle.
zent dieser Unternehmen gehen davon aus,         nungswirtschaft.
dass sie in den nächsten fünf Jahren von der                                                      ALLER ANFANG IST SCHWER
Digitalisierung betroffen sein werden, jedoch    Den zweiten Impuls gaben die Mitglieder          Nach der Begrüßung durch vbw-Verbands-
fühlen sich nur zehn Prozent von ihnen heute     selbst. In Zusammenarbeit mit der Treuhand-      direktorin Dr. Iris Beuerle startete die Tagung

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Aus dem Verband

mit einem Grundsatzvortrag von Professor
Dr. Sacha Friesike. Friesike ist Professor für
Design digitaler Innovationen an der Univer-
sität der Künste Berlin und Direktor des
Weizenbaum-Instituts für die vernetzte Ge-
sellschaft und beschäftigt sich in seiner For-
schung maßgeblich damit, wie neue Techno-
logien uns dazu zwingen, altbekannte Denk-
und Handlungsmuster neu zu überdenken und
wie sie die Gesellschaft im Allgemeinen ver-
ändern. Mit witzigen, skurrilen und interes-
santen Alltagsbeispielen aus verschiedensten
Branchen illustrierte Friesike, wie Roboter,
Apps und Software den Arbeitsalltag und
soziale Interaktionen beeinflussen. Dabei
stellte er klar, dass Technologie nie um ihrer
selbst willen eingesetzt werden sollte, frei
nach dem Motto: „Wir brauchen jetzt eine
App“. Zuerst gibt es immer eine Problemstel-       Verbandsdirektorin Dr. Iris Beuerle begrüßte die zahlreichen Teilnehmer zur ersten Fachtagung
lung. Die Technologie kann dabei nur Mittel        zum Thema Digitalisierung im vbw.
und Zweck zur Lösung dieses Problems sein.
Digitalisierung kann eines sehr gut: einfache,     nie endender Prozess, der alle Lebensbereiche     nisse werden anschließend in ein Modell zur
monotone und unkreative Prozesse automati-         verändert und umspannt. Jeder muss sich da-       Bestimmung des „digitalen Reifegrads“ des
sieren. Etwas Neues aus sich heraus zu kreie-      her selber fragen, welches Ziel es zu erreichen   Unternehmens übersetzt, um genau beurtei-
ren, dafür benötigt es den Menschen. Doch          gilt und welche digitalen Werkzeuge und           len zu können, auf welchem Grad der Digita-
Großraumbüros, Messengerdienste und auf-           Hilfsmittel für die Erreichung dieser Ziele zur   lisierung (Stufe 0: noch keine Digitalisierung
ploppende Emailbenachrichtigungen sorgen           Verfügung stehen.                                 des Prozesses bis Stufe 6: Aktuellster Stand
dafür, dass die Menschen immer weniger Zeit                                                          der Technik ist erreicht, voll implementiert
zum ununterbrochenen Nachdenken haben              Wie so etwas bei einem Unternehmen der            und der Prozess läuft autonom ab) sich das
und verhindern, dass Kreativität und Innova-       Wohnungswirtschaft konkret aussehen kann,         Unternehmen und einzelne Teilbereiche be-
tion entstehen können. Vier von fünf Inno-         das präsentierten Gerald Pfretzschner und         finden. Danach bespricht man, welche Ziele
vations-Labs werden aufgelöst, ohne je ein         Bernhard Fügen von der Treuhandstelle für         mit der Digitalisierung eines bestimmten Be-
Ergebnis hervorgebracht zu haben.                  Wohnungsunternehmen in Bayern GmbH,               reichs oder Prozesses überhaupt erreicht wer-
                                                   die die anfangs genannte Studie für den vbw       den sollen und legt anhand dieser Daten und
So räumte Sascha Friesike gleich zu Beginn der     durchgeführt hatten. Um die Lage im Unter-        Zielsetzungen schließlich eine Strategie für
Veranstaltung mit einigen Mythen auf: Es           nehmen realistisch einschätzen zu können,         das Unternehmen fest. Dazu gehören gene-
gibt nicht DIE Digitalisierung, den einen ide-     empfehlen sie eine detaillierte Bestandsauf-      relle Leitlinien, Prozesse, die organisatorische
alen Weg. Die Digitalisierung ist auch nicht       nahme der IT, der Geschäftsprozesse, des          Verankerung, IT-Systeme, Personal und der
einfach fertig, vielmehr ist Digitalisierung ein   Budgets und der Kapazitäten. Diese Ergeb-         Umgang mit Daten. Anschließend werden

                                                                                                                              Siri El Jundi berichtete
                                                                                                                              von den Vorteilen der
                                                                                                                              BIM-Methode (links),
                                                                                                                              darüber hinaus
                                                                                                                              erfuhren die Teil­
                                                                                                                              nehmer mehr
                                                                                                                              zu Mieter-Apps,
                                                                                                                              Smart Home und
                                                                                                                              einer wirkungsvollen
                                                                                                                              Digitalisierungs­
                                                                                                                              strategie im
                                                                                                                              Unternehmen.

                                                                                                                                                 19
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