COVID-19 Pandemie Ausstieg aus dem Shutdown nur schrittweise?
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www.laekb.de Brandenburgisches Ärzteblatt 5 | 2020 Offizielles Mitteilungsblatt der Landesärztekammer Brandenburg | 30. Jahrgang | Mai 2020 COVID-19 Pandemie Ausstieg aus dem Shutdown nur schrittweise? Seite 5 © Deutscher Bundestag / Achim Melde Medizinische Masken bald Neuer Kammergeschäftsführer aus Deutschland Seite 8 Seite 14 Abweichung von der ÄApprO Entsorgung von kontaminierten in Kraft Abfällen Seite 19 Seite 20
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Brandenburgisches Ärzteblatt Offizielles Mitteilungsblatt der Landesärztekammer Brandenburg | 30. Jahrgang | Mai 2020 5 | 2020 KAMMERINFORMATIONEN / GESUNDHEITSPOLITIK COVID-19 Pandemie – Ausstieg aus dem Shutdown nur schrittweise? .. . . . . . . 5 Exit-Strategie – Auch Forscher machen Vorschläge .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 BMG – DIVI Intensivregister-Verordnung vorgelegt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Redaktion des Brandenburgischen Ärzteblattes – In eigener Sache . . . . . . . . . . . 7 Made in Germany – Medizinische Masken bald aus Deutschland . . . . . . . . . . . . . . 8 Präsidentenlogbuch .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Corona und kein Ende – Persönliche Gedanken eines Krankenhausarztes . . 10 Neue Werte braucht das Land .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Thesenpapier zur Corona-Krise – Experten kritisieren Bundesregierung .. . . . 13 Seite 5 LÄKB – Dr. jur. Daniel Sobotta neuer Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Führungswechsel in der LÄKB – Ass. jur. Herbert Krahforst verabschiedet . 15 Polen schließt Grenzen für Berufspendler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Schutzausrüstung für niedergelassene Ärzte endlich bereitstellen! . . . . . . . . . . . 16 Starke Zeichen der Solidarität .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Kurzarbeit in Rehakliniken und ambulanten Zentren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 COVID 19 in der niedergelassenen Praxis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 RKI – Erste Version der Corona-App verfügbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Paracetamol – BMG für mengenbeschränkte Abgabe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Approbationsordnung – Abweichung von der ÄApprO in Kraft getreten .. . 19 SARS-CoV-2 – Entsorgung von kontaminierten Abfällen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Seite 29 Terminhinweis – Weiterhin Pause bei den Präsenzveranstaltungen . . . . . . . . . . 20 Fortbildung für Praxispersonal auf August 2020 verschoben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Dringend benötigt: KVBB lieferte Schutzartikel an Arztpraxen aus . . . . . . . . . . . 21 Bei der LÄKB erfolgreich abgeschlossene Weiterbildungen IV/2019: .. . . . . . . 22 ARZT UND RECHT Steuertipp .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Von Fall zu Fall .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 KBV – Mehr Konsultationen ab sofort auch per Telefon möglich . . . . . . . . . . . . . 25 FORTBILDUNG Seite 31 Fortbildungsangebote für Ärzte und MFA/MTRA .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Zertifizierung von ärztlichen Fortbildungen – Webinare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 AKTUELL apoTalk zu Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Heilberufe .. . . . . . . . . . . . . 28 Eröffnung der Krebsberatungsstelle Uckermark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Chirurgische Endoskopie – Fünftes Kompetenzzentrum Deutschland . . . . . . . 29 PERSONALIA Wir gratulieren zum Geburtstag im Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Erratum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Nachruf – Virchowbund trauert um Fritz Beske . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 WEITERE RUBRIKEN Editorial .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Kurse und Fortbildungsangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 KVBB informiert .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Brandenburgisches Ärzteblatt 5 • 2020 | 3
EDITORIAL Liebe Kolleginnen und Kollegen, und Folgeabschätzung eher als Ex- sein, dass es genug Zeit gab, um viel- periment einzuschätzen sind und für fältige Gesetze mit Gesundheitsbezug entscheidende Berufsgruppen wie die umzusetzen, den RKI-Pandemieplan unsere zum Teil sinnfreie Belastungen von 2012 aber eben nicht? Dort wur- mit sich bringen. Das Patientenschutz- de ausdrücklich auf eine ausreichende gesetz mit seinen Anordnungen zur Bevorratung von persönlicher Schutz- elektronischen Patientenakte gehört ausrüstung hingewiesen! dazu! Nach Willen des Gesetzgebers sollen wir Ärztinnen und Ärzte Patien- Steht dahinter das Prinzip einer Pri- ten beim Befüllen ihrer Akte helfen, sie orisierung, die auch in der Politik seit beraten und Notfalldatensatz, Medi- ewigen Zeiten gilt? Sind profilierungs- kationspläne, Epikrisen, Therapien im trächtige Gesetzesentwürfe und der Gesundheitskontext sowie Diagnosen Nimbus des digital Modernen gepaart einpflegen. Hier werden vorhandene mit erhoffter möglichst breiter Akzep- analoge Daten mit viel Aufwand in di- tanz in großen Bevölkerungsschichten gitale verwandelt – und nur der Patient einfach attraktiver als vergleichbar Dr. med. Hanjo Pohle darf entscheiden, wer darauf dann Zu- langweilige Routinearbeiten wie die Foto: Thomas Kläber griff bekommt. Beschaffung ausreichender Schutzaus- rüstungen? Die Ergebnisse scheinen ein Land zwischen Shutdown und Statt auf einen Transformationspro- dies zu belegen! drohender Paralyse lässt uns demü- zess digitaler Systeme mit zeitlicher tig, ja sogar schicksalhaft über die Streckung zu setzen, werden hier völlig Allerdings bekommt durch die Corona komplexen Verknüpfungen zwischen unvorbereitete Patientenpopulationen Krise auch das Wort „alternativlos“ Menschen, Natur und die globalen und ihre Behandler einem Gesell- eine neue Dimension. Hätte man Gesellschaftsprozesse nachdenken. Wir schaftsversuch ähnlich einer Feldstu- künstliche Intelligenz in den letzten befinden uns in einer Situation, in der die ausgesetzt, dessen Ergebnis schon Jahren mehr in die politische Entschei- sich hochentwickelte Industrieländer jetzt zu erahnen ist. Statt die Patienten dungsfindung mit einbezogen, wäre Herausforderungen gegenüber sehen, durch Verbesserung ihrer Gesundheits- diese vielleicht zum Ergebnis gekom- welche an das Mittelalter mit seinen kompetenz überhaupt erst einmal fit zu men, dass ein hochentwickeltes Indus- Seuchen und Epidemien erinnern! Und machen und sie damit in die Lage zu trieland erst einmal seine Ärztinnen wir sind nicht nur völlig überrascht, versetzen, sich sinnvoll einzubringen, und Ärzte, Pfleger , Polizisten etc. mit sondern, was die Schutzausrüstung glauben Spitzenpolitiker, digital sei genügend analogem Schutzmaterial betrifft, ähnlich schlecht vorberei- modern, deshalb gut und außerdem ausstatten sollte, bevor man sich in tet. Ein kleiner Virus macht die ganze alternativlos! Das muss Ablehnung pro- noch nicht einmal ausgereiften digi- Fragilität unserer allzeit gewappneten vozieren und darunter wird leider auch talen Aktenwelten verliert. Ein Patient, Gesellschaft offenkundig und zwingt die Gesamteinstellung zum Digitalisie- der nur deshalb in die Praxis kommt uns neue Fragestellungen auf! Allein rungsprozess Schaden nehmen. Die und dabei seinen Arzt, der nicht über die Aufarbeitung des Systemversagens mithin eintretende innere Verabschie- einen suffizienten Schutz verfügt, an- bei der anfänglich desaströsen Besor- dung vieler Akteure im Gesundheits- steckt, zeigt die durchaus reale gefähr- gung von Schutzausrüstungen und die system wird als Folge auch durchaus liche Skurrilität auf und demaskiert das wirtschaftlichen Auswirkungen des sinnvolle Entwicklungen verzögern! gesamte aktuelle Dilemma politischer Shutdowns, wird zwangsläufig das Prozesse. System Wachstum, Vermehrung von Wenn man das Krisenmanagement Wohlstand und Besitz, Digitalisierung des Gesundheitsministeriums zur Coro- Alles hängt mit allem zusammen. Das sowie Globalisierung auf den Prüf- na Epidemie und die Aktivitäten beim wissen große politische Persönlichkei- stand stellen. Wir stehen ohne Frage Einbringen von Gesetzesvorhaben mit- ten und beziehen es in ihre Handlungs- an einem Scheideweg – nur bemerken einander in einen Bezug setzt, stellen schemata ein! Wann kommt diese Er- es noch nicht alle. Dies ist aber ohne sich schon Fragen, die einen ratlos kenntnis endlich wieder im politischen Corona schon Realität gewesen. Krisen zurücklassen. Es ist abstrus, dass die Berlin an? fokussieren nur schneller auf die ekla- Patienten einen gesetzlichen Anspruch tanten Mängel und Bruchstellen einer darauf haben, ihre elektronischen Ak- Gesellschaft! ten von uns bespielen zu lassen, wäh- rend uns noch nicht einmal einfache Dennoch werden weiterhin Gesetze Schutzausrüstungen wie FFP2-Masken ■ Ihr Dr. med. Hanjo Pohle, verabschiedet, die in ihrer Tragweite zur Verfügung stehen. Wie kann es Vizepräsident 4 | Brandenburgisches Ärzteblatt 5 • 2020
KAMMERINFORMATIONEN/GESUNDHEITSPOLITIK COVID-19 PANDEMIE Ausstieg aus dem Shutdown nur schrittweise? Kein Ereignis hat die Freiheits- rechte der Bürger bislang der- art eingeschränkt wie die CO- VID-19-Pandemie. Das hat nicht nur Folgen für die Gesundheit der Menschen in Deutschland. Auch die Wirtschaft steht vor einer Si- tuation, die die der Bankenkrise in den Schatten stellen wird. All dies ist Folge des nahezu weltweit verhängten Lockdowns. Doch je länger dieser dauert, desto mehr regt sich Wi- derstand (siehe auch Beitrag auf Seite 13). Bislang will sich die Bundesregie- rung auch auf Empfehlung des Robert Koch-Institutes auf keinen Termin für eine so genannte Exit-Strategie festle- gen. Mit Stand vom 4. April hat aber das Bundesinnenministerium (BMI) ein Papier zur COVID-19-Eindämmung, speziell zum Übergang von einer Ver- langsamung in eine Viruskontrollphase, Foto: © Deutscher Bundes- erstellt. Das Papier trägt den Unterti- tag / Achim Melde tel: „Politische Handlungsfähigkeit er- langen, Erwartungshorizonte für Ge- dass nach Lockerung der Ausgangsbe- der Distanzierungsmaßnahmen über sundheit, Gesellschaft und Wirtschaft schränkungen die Ansteckungsrate pro den Ausbau der Kampagne zu physi- schaffen“. erkrankter Person nachhaltig unter 1,0 scher Distanzierung und Hygiene nach gehalten werde. dem Motto „gemeinsam distanziert“ Viruskontrolle statt in den öffentlich-rechtlichen Medien Lockdown? Geplantes gefördert werden. Vorsorglich soll Maßnahmenpaket ein Mundschutz- und Maskengebot Darin kommt das BMI zu der Fest- gelten, sobald das Bundesgesund- stellung, dass sich der aktuelle Lock- Mehrere Maßnahmen sind nach dem heitsministerium hinreichend Masken down-Kontrollansatz zur Verlangsa- Papier des BMI erfolgversprechend. verfügbar gemacht habe. mung der Verbreitung bewährt habe, Dazu gehört z. B. der Ausbau von aber für einen längeren Zeitraum nicht Labortestkapazitäten und umfassen- Krisenmanagement geeignet sei. Benötigt werde lang- den Teststrategien. Ziel sei es, 80 bis ist Chefsache fristig eine wirksame Kontrolle der 100 Prozent der Kontaktpersonen in- COVID-19-Pandemie. Gegenwärtig nerhalb von 24 Stunden aufzufinden. Die Management- und Kommunikati- müsse man davon ausgehen, dass die Dabei sei die Geschwindigkeit beson- onsstrategie soll zentral gesteuert wer- Pandemie noch viele weitere Monate ders wichtig. Die Schätzungen des BMI den. Dazu gehöre unter anderem die andauern und wohl bis ins Jahr 2021 gehen davon aus, dass die deutschen Ansiedelung des Krisenmanagements reichen werde. Testkapazitäten pro Tag von heute im Kanzleramt/beim Bundesminister 60.000 bis Ende Mai auf 500.000 er- für besondere Aufgaben als Krisen- Daher müsse man nun umgehend höht werden müssen. Alle bestätigten manager und der umgehende Aufbau eine neue Phase der Viruskontrolle (asymptomatischen und milden) CO- eines Epidemie-Steuerungscockpits einleiten, die den Lockdown durch VID-19-Fälle und alle Verdachtsfälle sei- (Monitoring) sowie die Etablierung wirksame und verhältnismäßige Kon- en unmittelbar und wirksam zuhause einer übergreifenden bundesweiten trollmaßnahmen ersetze und so die oder in speziellen Quarantäne-Hotels Organisation des Krisenmanagements Rückkehr zu einem annähernd nor- zu isolieren, zu überwachen und zu mit dem integrierten Element eines malen öffentlichen Leben und Wirt- behandeln. Kommunikationsteams. schaften ermögliche. Demnach gelte es jetzt, Maßnahmen zu planen und Um die Lockerung vorzubereiten, Zur Abwendung der schlimms- zu implementieren, die sicherstellten, soll die gesellschaftliche Akzeptanz ten Auswirkungen des weiteren Brandenburgisches Ärzteblatt 5 • 2020 | 5
KAMMERINFORMATIONEN/GESUNDHEITSPOLITIK Epidemie-Verlaufs gehöre schließlich Übergang Kundenkontakt, desto später die der konsequente Schutz von Risiko- in die Viruskontrollphase Öffnung. Je besser die Schutzmaß- gruppen (ca. 20 Mio. in der Bevöl- nahmen, desto eher die Öffnung. Je kerung, davon 1 Mio. in Alten- und Ein differenzierter Ansatz für den größer die gesellschaftliche Relevanz Pflegeheimen). Alle Menschen (inklu- Übergang in die Viruskontrollphase des Unternehmens, desto eher die sive Menschen ohne Aufenthaltssta- muss nach Auffassung des BMI zum Öffnung. Großveranstaltungen, private tus, Menschen im Asylverfahren und Beispiel die schrittweise Öffnung von Feiern und der Betrieb von Clubs sollen z. B. obdachlose Menschen) müssten vorab definierten Wirtschafts- und bis auf Weiteres verboten bleiben. Zugang zu kostenlosen Testverfahren Industriezweigen („Wirtschaftsin- sowie zu einer optimalen und würde- seln“) beinhalten, sofern diese eige- vollen Behandlung erhalten – auch in ne (zertifizierte) Schutzsysteme auf- ■ BÄK/Elmar Esser Isolation. gebaut haben. Faustregeln: Je mehr EXIT-STRATEGIE Auch Forscher machen Vorschläge Neben der Politik hat sich auch einen schrittweisen Ausstieg aus dem der oben genannten einschränken- eine interdisziplinäre Experten- Shutdown folgende Vorkehrungen zu den Maßnahmen (psychotherapeu- gruppe mit der Frage beschäftigt, treffen: tische Hilfen, Beratungsangebote, wie die geltenden Beschränk • Umfassende Information und Bildungsförderung, etc.). ungen in Gesellschaft und Wirt- Schulung zu den erforderlichen schaft allmählich gelockert und Hygienemaßnahmen; Um die Bevölkerung „mitzunehmen“, dabei die medizinische Versor- • breite Information und verbindli- sieht das Konzept ferner eine „sachli- gung der gesamten Bevölkerung che Vorgaben zur Verwendung von che, einheitliche, überzeugende“ Kom- gesichert werden kann. Schutzausrüstungen (adaptiert nach munikationsstrategie vor. Planungen Risikobereichen); für die stufenweise Wiederaufnahme In einem Positionspapier plädieren • koordinierte, großflächige Testun- der Tätigkeit/Produktion müssten die Forscher um ifo-Präsident Clemens gen zur Überwachung der Ausbrei- hinreichend früh vorliegen und kom- Fuest und Martin Lohse, Präsident der tung des Erregers und des Anstiegs muniziert sein, damit die betroffenen Gesellschaft Deutscher Naturforscher der Immunität in der Bevölkerung; Akteure, etwa Unternehmen und und Ärzte, für einen Stufenplan für die • Wiederherstellung der umfassenden Bildungseinrichtungen, eigene Vor- Zeit nach dem Shutdown. „Wir emp- und uneingeschränkten medizini- kehrungen für die Öffnung beginnen fehlen ein graduelles, an bundesweiten schen Versorgung der Bevölkerung; können. ebenso wie an regionalen Möglichkei- • die massive Steigerung der Produk ten und Gefährdungen orientiertes tion von Schutzkleidung und -masken Vorgehen hin zur risikoadaptierten in Deutschland; ■ BÄK/E.E. Strategie“, heißt es in dem Papier. Die- • die Sicherung von Produktionskapa- ses Vorgehen sollte von einer bei der zität für Impfstoffe und Medikamen- Bundesregierung angesiedelten Natio- te in Deutschland; nalen Taskforce sowie Regionalen Task- • die regionale und überregionale Ko- forces auf der Ebene der Bundesländer ordination der Beatmungskapazität, begleitet werden. Benennung von Schwerpunktzen- tren und die Stabilisierung des be- Die Taskforces sollten untereinander darfsgerechten Ausbaus; in Kontakt stehen. Bei ihnen würden • den Auf- und Ausbau einer IT-basier- alle relevanten Informationen zusam- ten Struktur zur Koordination und menlaufen, die zur flexiblen Steuerung Strategieplanung; einzelner Schritte benötigt werden. • Stärkung der Kapazitäten und Erwei- Die Aufgabe der Taskforce würde es terung der Finanzierungsmöglichkei- sein, die Maßnahmen für einen ef- ten von Hilfen; fektiven Gesundheitsschutz mit einer • Begleitung für Personen aus graduellen Lockerung von Beschrän- Risikogruppen; kungen im gesellschaftlichen und • Stärkung der Kapazitäten und Erwei- wirtschaftlichen Umfeld zu verbinden. terung der Finanzierungsmöglichkei- ten für die Bewältigung von psychi- Konkret schlagen die Forscher vor, für schen und sozialen Folgeschäden 6 | Brandenburgisches Ärzteblatt 5 • 2020
KAMMERINFORMATIONEN/GESUNDHEITSPOLITIK BUNDESGESUNDHEITSMINISTERIUM DIVI Intensivregister-Verordnung vorgelegt Am 3. April 2020 hat das BMG die nicht nur für das Bettenmanage- noch nicht das Beatmungsgerät benö- den „Referentenentwurf einer ment von Intensivkapazitäten, sondern tigen, dokumentiert werden sollen. Verordnung zur Aufrechterhal- auch für die Generierung verlässlicher tung und Sicherung intensivme- Zahlen für eine abschließende Auswer- Zuvor hatte sich bereits BÄK-Präsident dizinischer Krankenhauskapazitä- tung und Aufarbeitung der Pandemie Dr. Reinhardt für eine verpflichtende ten (DIVI Intensivregister-Verord- unerlässlich sei. Gleichzeitig gibt die zentrale Erfassung von Intensivkapa- nung)“ vorgelegt und die Verbän- Bundesärztekammer aber zu beden- zitäten in deutschen Kliniken ausge- de um Stellungnahme gebeten. ken, dass Patienten auch aufgrund sprochen und gefordert, dass sich alle anderer schwerer Erkrankungen auf Krankenhäuser an dem Intensivregister Mit der Verordnung sollen die inten- eine intensivmedizinische Therapie der Deutschen Interdisziplinären Verei- sivbettenführenden Krankenhäuser angewiesen sind (z. B. Schlaganfall, nigung für Intensiv- und Notfallmedi- verpflichtet werden, sich auf der Web- Herzinfarkt). Eine bevorzugte Vergabe zin (DIVI) beteiligen. Dann könnte man site des DIVI Intensivregisters der Deut- von Intensivbetten an Patienten mit punkt- und zielgenau analysieren, in schen Interdisziplinären Vereinigung COVID-19 wäre insbesondere mit dem welcher Stadt, in welchem Kranken- für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Grundsatz der Gleichbehandlung nicht haus wie viele Beatmungsplätze frei des Robert Koch- Institutes und der vereinbar. Verteilungsentscheidungen sind, und sie entsprechend schnell und Deutschen Krankenhausgesellschaft zu für ggf. knappe Ressourcen seien im sinnvoll nutzen. registrieren und ihre intensiv- medizini- Sinne der Gleichbehandlung nach fai- schen Kapazitäten täglich zu aktualisie- ren, transparenten und medizinisch ren. Die zentrale Koordination und ein begründeten Verfahren und Kriterien ■ E.B. täglich aktualisierter Überblick über die für alle Patienten, die einer intensiv- intensivmedizinischen Behandlungska- medizinischen Behandlung bedürfen, pazitäten sei ein Schlüsselelement zur unabhängig von einer SARS-CoV-2-In- Bewältigung der aktuellen epidemi- fektion durch ÄrztInnen und Ärzte zu schen Lage von nationaler Bedeutung treffen. Um eine reibungslose Umset- und für die Sicherstellung der Versor- zung und einheitliche Dokumentation gung mit Beatmungskapazitäten in den zu gewährleisten, sollte zudem darauf Krankenhäusern von herausragender geachtet werden, den Krankenhäusern Bedeutung. Die Verordnung soll am ausreichende Informationen und prak- Tag nach ihrer Verkündung in Kraft tikable Anwendungshilfen zur Verfü- treten. gung zu stellen. So sollte Krankenhäu- sern klar kommuniziert werden, wie In ihrer Stellungnahme vom 6. April beispielsweise Intensivbetten mit Beat- 2020 unterstützt die Bundesärztekam- mungsmöglichkeiten, in denen aktuell mer die geplante Verordnung als eine Patienten versorgt werden, die zwar richtige und notwendige Maßnahme, den Monitorplatz, aber nicht bzw. REDAKTION DES BRANDENBURGISCHEN ÄRZTEBLATTES In eigener Sache Liebe Leserinnen und Leser, mit zweiwöchigem Vorlauf vom end- Gesundheitswesen in Atem hält, nicht gültigen Redaktionsschluss bis zum außen vor zu lassen. Für aktuelle Zah- die Berichterstattung über die am Erscheinungstag naturgemäß nicht len verweisen wir auf die Webseiten 11. März von der WHO als Pandemie nachvollzogen werden. Dies gilt ins- der Landesärztekammer Brandenburg erklärte COVID 19-Infektion ist für ein besondere für aktuelle Nachrichten. und des Robert-Koch-Institutes. Periodikum wie das Brandenburgi- Hier ist man bestenfalls im Stand des sche Ärzteblatt herausfordernd. Die gegenwärtigen Irrtums. täglich nach oben zu korrigierenden Herausgeber und Redaktion haben ■ Ihre Redaktion des Brandenburgischen Zahlen an Infektionen oder Todes- sich dennoch dazu entschlossen, das Ärzteblattes fällen können von einer Zeitschrift Thema, das Deutschland und sein Brandenburgisches Ärzteblatt 5 • 2020 | 7
KAMMERINFORMATIONEN/GESUNDHEITSPOLITIK MADE IN GERMANY Medizinische Masken bald aus Deutschland Der bisherige Verlauf der CO- Ausgaben von 40 Millionen Euro ein- Versorgung des medizinischen Perso- VID-19-Pandemie hat schmerzhaft malig für 2020 geschaffen. nals mit Atemmasken mit Filterfunktion deutlich gezeigt, wie sehr abhän- (FFP2 und FFP3) zu gewährleisten. gig das deutsche Gesundheits- Hierfür sind allerdings Voraussetzung ystem von globalen Lieferketten zu erfüllen. Dazu gehört: Zukünftig soll es die Möglichkeit ge- ist. Nachdem bereits einige Un- ben, im Rahmen des Verfahrens eine ternehmen ihre Hilfe angeboten 1. dass die Produktion mit der geför- begrenzte Wiederaufbereitung von haben, will das Corona-Kabinett derten Anlage noch im Jahr 2020 Atemschutzmasken insbesondere mit das Problem zumindest bei den tatsächlich begonnen wird, Filterfunktion (FFP2 und FFP3) durchzu- medizinischen Schutzmasken 2. dass das Vlies, das mit den geför- führen. Dies soll maximal dreimal mög- angehen. derten Anlagen produziert wird, lich sein. Dazu sind besondere Sicher- bis Ende 2023 ausschließlich an Un- heitsauflagen einzuhalten: Das neue Hintergrund ist, dass die Produktion ternehmen veräußert wird, die ih- Verfahren sieht das ordnungsgemäße von medizinischen Schutzmasken als rerseits mit dem Vlies als Vorpro- Personifizieren, Sammeln und Dekon- Vorprodukt und als „Herzstück“ der dukt medizinische Schutzmasken in taminieren der Masken durch Erhitzen Maske die Herstellung von Vliesstoff Deutschland oder innerhalb der EU vor. Es soll in Ausnahmefällen - wenn erfordert, der im Meltblown Verfahren produzieren. Ist nachweislich ein nicht ausreichend persönliche Schut- hergestellt wird. Das Meltblown-Vlies vollständiger Verkauf dieses Vlie- zausrüstungen vorhanden ist - in den dient in der Maske als Filter und stellt ses auf dem deutschen Markt nicht Einrichtungen des Gesundheitswesens die medizinische Wirksamkeit des Pro- möglich, kann das Vlies auf Antrag mit vorhandenen Mitteln kurzfristig dukts sicher. Damit sich die Abhängig- auf dem internationalen Markt ver- umgesetzt werden. keit von Drittländern nunmehr nicht äußert werden. Ein solcher Antrag auf dieses Vorprodukt verlagere, müsse ist an das BMWi zu richten und ge- Bundesärztekammer lehnt auch die Produktion von Vliesstoffen, meinsam mit dem BMG und dem das Verfahren ab die im Meltblown-Verfahren gefertigt BMF binnen vier Wochen zu prüfen. werden, in Deutschland ausgebaut 3. dass die förderfähigen Kosten nach- In einem Schreiben an das BMG lehn- werden, heißt es in dem Beschluss. gewiesen werden. Förderfähig sind te die Bundesärztekammer (BÄK) die- Um einen Unterschied noch in diesem Investitionskosten von maximal zehn ses Verfahren ab. Sie sieht darin keine Jahr 2020 machen zu können, seien Millionen EUR je Unternehmen. För- tragfähige Lösung für das Problem der die notwendigen Investitionsentschei- derfähig sind ausschließlich Kosten, Knappheit an Schutzausrüstungen. dungen zeitnah zu treffen, da der Auf- die in direktem Zusammenhang mit Es sei dem ohnehin schon über die bau des entsprechenden Maschinen- der Produktionsanlage stehen, also Maße in Anspruch genommenen Per- parks mindestens drei bis vier Monate keine Grundstücke und Gebäude. sonal in Krankenhäusern und Praxen brauche. 4. dass die einen Antrag stellenden Un- nicht zuzumuten, sich nun auch noch ternehmen Expertise und Erfahrung mit komplizierten Mechanismen zum Unternehmen erhalten zur notwendigen zügigen Umset- Wiederaufbereiten einschließlich einer Zuschuss – unter zung mitbringen und nachweisen; Dokumentationspflicht auseinander- bei Unternehmen, die bereits zum zusetzen. Die dafür benötigte Zeit und Bedingungen Zeitpunkt der Antragstellung in der die Ressourcen würden schlichtweg Unternehmen, die bis zum 30. Juni Meltblown-Vliesstoff-Produktion tä- dringender für die Versorgung der Pa- 2020 einen Antrag auf einen Zuschuss tig sind, wird diese unterstellt. tientinnen und Patienten gebraucht, so zum Ausbau der Vliesproduktion im BÄK-Vizepräsidentin Heidrun Gitter in sogenannten Meltblown-Verfahren in Wiederaufbereitung von dem Schreiben. Deutschland stellen, erhalten für ent- Atemschutzmasken sprechende Investitionen, die seit der Die Prüfung, welche Masken sich für Feststellung der besonderen Dringlich- Zusätzlich hat der Krisenstab der eine thermische Wiederaufbereitung keit der Beschaffung für medizinische Bundesregierung ein neues Wieder- eignen und welche nicht, könne un- Schutzmasken am 28.02.2020 durch verwendungsverfahren für medizini- möglich Krankenhäusern und Arztpra- den Krisenstab der Bundesregierung sche Schutzmasken in Ausnahmefäl- xen auferlegt werden. Einrichtungen getätigt wurden, einen Zuschuss von len bekannt gegeben. Da die Versor- der Patientenversorgung könnten nicht 30 Prozent auf die Investitionskos- gungslage für Schutzausrüstungen die Arbeit von Materialpüfungsinstitu- ten für entsprechende Produktions- durch die weltweite Nachfrage extrem ten, Benannten Stellen oder sonstigen anlagen. Zur Finanzierung der Zu- angespannt ist, gelte es jetzt, pragma- darauf spezialisierten Einrichtungen schüsse wird beim BMWi ein neuer tische und zielführende, aber dennoch zur Prüfung von Medizinprodukten Haushaltstitel mit außerplanmäßigen sichere Lösungen zu finden, um die oder Persönlichen Schutzausrüstungen 8 | Brandenburgisches Ärzteblatt 5 • 2020
KAMMERINFORMATIONEN/GESUNDHEITSPOLITIK ersetzen. Insbesondere der Vorschlag, Ebenfalls werde in den Verfahrens- Die Hersteller hingegen wären entlas- Masken nach dem thermischen Ver- hinweisen das Haftungsrisiko negiert. tet. Auch dies könne nicht im Sinne der fahren „visuell und physisch“ auf Be- Wenn sich die Gesundheitseinrichtun- Einrichtungen und der dort arbeiten- einträchtigung ihrer Funktionsweise gen auf ein solches Wiederaufberei- den Menschen sein. zu überprüfen, erscheine nicht nur un- tungsverfahren einließen, übernähmen geeignet, sondern berge zudem noch sie auch die Haftung für das Material Gesundheitsrisiken für die Benutzer. und die Folgen seiner Anwendung. ■ E.B. PRÄSIDENTENLOGBUCH Globalisierte Risiken „Denke global und handle lokal!“ Die- wie viele Arzneimittel vielleicht schon se schon seit Jahren genutzte Motto bald für eine längere Zeit nicht liefer- für die Internationalisierung der Märk- bar sein werden. Das Problem ist nicht te bekommt im Rahmen der aktuellen neu. Auf die Gefahren weisen Ärzte Corona-Pandemie eine völlig neue Be- und Apotheker sowie die pharmazeu- deutung. Denn die Entwicklung seit tische Industrie bereits seit Jahren hin Anfang des Jahres hat gezeigt, welche und fordern zumindest die teilweise dramatischen Risiken die Globalisie- Rückverlagerung der Arzneimittelpro- rung mit sich bringt – auch aber eben duktion nach Europa. Aber das System nicht nur für heimische Arbeitsplätze. aus Rabattverträgen und Festbeträgen Globale Geschäftstermine und Fern- hat dazu geführt, dass sich Hersteller, reisen haben ihren Beitrag dazu geleis- die im Markt bleiben wollen, die kom- tet, dass sich der neue Virus in gerade- plett heimische Produktion nicht mehr zu atemberaubender Geschwindigkeit leisten können. über die gesamte Welt ausbreiten Vor dem Schock der Corona-Krise konnte. Die europäischen Staaten, vor versucht die Politik nun, eine Produk- allem aber auch die USA traf COVID tion für Schutzausrüstung wie Masken, Dipl.-Med. 19 mit voller Wucht. Die Gesundheits- Kittel und Brillen (wieder) in Deutsch- Frank Ullrich Schulz, systeme stehen in vielen Ländern am land und Europa aufzubauen. Zahlrei- Präsident der LÄKB Foto: Elmar Esser Rande des Kollapses und die kaum ab- che Kassen setzen ihre Rabattverträge gestimmten staatlichen Maßnahmen aus. Jetzt werden vor allem Intensiv fatal! Denn weitere könnten folgen. zur Eindämmung des Infektionsge- betten neu aufgebaut, während Wir müssen heraus aus der Abhängig- schehens reißen durch Reisebeschrän- noch vor Kurzem darüber debattiert keit von globalisiert zerstückelten Lie- kungen auch für Ärzte und Pflegende wurde, Betten in großem Umfang zu ferketten. Deutschland ist ein reiches weitere kaum zu schließende Lücken. reduzieren. Land, das sich mehr Autarkie in der In Deutschland sind wir da zumin- All das sind Anfänge, aber keine Gesundheitsversorgung seiner Bürger dest aktuell noch relativ gut aufge- nachhaltigen Lösungen. Ein funktio- nicht nur leisten kann, sondern auch stellt. Aber auch wir spüren die Aus- nierendes und autarkes Gesundheits- leisten muss. Davon werden auch un- wirkungen der Globalisierung mehr system ist einer der wesentlichsten sere Nachbarn in der EU profitieren. als deutlich. Es fehlt an Schutzaus- Standpfeiler der Daseinsfürsorge, für Nicht zuletzt ist lange genug darüber rüstung, die, weil noch vor wenigen die der Staat die Verantwortung trägt. geredet worden, dass die Menschen Monaten ein Billigartikel, nicht mehr Wir alle haben uns daran gewöhnt, in Pflegeberufen zu wenig verdienen. bei uns, sondern in Asien produ- dass unser Land im Ernährungsbe- Sie leisten derzeit, wie auch die Ärz- ziert wird. Und das Gesamtproblem reich autark sein muss. Dafür fließen tinnen und Ärzte in den Praxen und wird sich erheblich weiter verschär- seit Jahrzehnten milliardenschwere Kliniken Großartiges. Dabei setzen fen, wenn die Produktionsausfälle Subventionen in die Landwirtschaft. Ärzte wie Pflegende sich und ihre Ge- durch Werksschließungen in China Warum das aber ausgerechnet für sundheit aktuell großen Gefahren aus. und die noch kommenden in Indien den nun wirklich systemrelevanten Das verdient nicht nur besonderen die Arzneimittelhersteller erreichen. Gesundheitssektor weniger gelten soll, Dank. Dieses Engagement muss sich Denn auch die von ihnen eingesetz- kann zumindest mir niemand erklären. zumindest in der Pandemie-Zeit auch ten Wirkstoffe werden kaum noch in Ich hoffe sehr, dass die Verantwortli- in einer Sondervergütung niederschla- Deutschland oder Europa produziert, chen in der Politik und bei den Kosten- gen – für Ärzte wie für Pflegeberufe! sondern ebenfalls in Niedriglohnlän- trägern Lehren aus den Erfahrungen dern. Im Generikabereich stehen Chi- mit dieser Pandemie ziehen. Eine Kri- na und Indien für rund 80 Prozent der se zu verhindern, ist nicht immer mög- ■ Mit besten kollegialen Grüßen! Wirkstoffproduktion. Niemand weiß, lich. Nichts daraus zu lernen wäre aber Ihr Frank-Ullrich Schulz Brandenburgisches Ärzteblatt 5 • 2020 | 9
KAMMERINFORMATIONEN/GESUNDHEITSPOLITIK CORONA UND KEIN ENDE Persönliche Gedanken eines Krankenhausarztes Seit Wochen bereiten wir uns wichtigen und verlässlichen Partner. um es anschließend teuer weiterzuver- Schritt für Schritt auf die Corona- Fast täglich kommen neue Ideen, wie kaufen, ist nur ein Beispiel. Auch die Krise vor. Mittlerweile hat uns wir geschützt miteinander kommuni- explodierenden Kosten für Schutzaus- das Virus zwar erreicht, aller- zieren. Telefonkonferenzen und Video- rüstung und Desinfektionsmittel sind dings noch nicht mit voller Wucht konferenzen haben sich in rasender einer entwickelten Gesellschaft einfach getroffen. Die angespannte Lage Geschwindigkeit etabliert. Wir denken unwürdig. Ein Rechtssystem, dass seine ist schwer zu verkraften, erinnert intensiver über Online-Fortbildungs- Bürger nicht vor solchen verachtungs- mich irgendwie an das Jahr 1997, formate nach. Ja, wir hatten den Wert würdigen Geschäftemachern schützen als wir auf die Welle des Oder- der digitalen Vernetzung auch vor der kann, muss sich grundsätzlich hin- hochwassers warteten. Auch heu- Coronakrise gekannt. Die Dynamik terfragen. Geschäfte mit der Not der te sitzen wir wie das Kaninchen der Umsetzung stößt jedoch in neue Menschen werden schließlich auch in Dr. med. Steffen König vor der Schlange. Dimensionen vor. Obwohl es seltsam normalen Zeiten zugelassen. Was wir Foto: Anja Zimmermann M.A. klingt: „Ein Virus wirkt als Katalysator erleben, ist doch nur eine Zuspitzung. Respekt und Dank bei der Umsetzung der Digitalisierung.“ Krankenhausfinanzierung Es ist allerdings keine Zeit für depres- Schnelles politisches in der Krise sive Gedanken. Ganz im Gegenteil Handeln erleben wir viele positive Dinge. Ich Von Anfang an beschäftigten uns denke an die Menschen, die sich um Vor dem Virus sind alle gleich. Es in den Krankenhäusern zwei Fragen: ihre älteren Mitbürger kümmern, für schert sich nicht um die Aussagen no- Wann sollen und müssen wir unsere ge- sie einkaufen, damit sie zu Hause blei- torischer Lügner und Blender in poli- planten Leistungen herunterfahren und ben können. Ich denke an Sachspen- tisch verantwortlichen Positionen. Es wie kriegen wir die Verluste ersetzt? den, Geldspenden und Initiativen, die unterwirft Fake-News und sogenannte Es ist das grundlegende Dilemma für unsere Mitarbeiter in Heimarbeit alternative Fakten dem Realitätscheck unseres Krankenhausfinanzierungs- Masken nähen. Ich habe höchsten und entlarvt Populisten. Ich habe vor systems, das wir auf eine solche Krise Respekt vor unseren Mitarbeitern, die kurzem gelesen, dass die Erde sich nicht vorbereitet sind. Ohne entspre- sich täglich neuen Herausforderun- über das Vehikel des Virus gegen die chende Leistungen verdienen wir kein gen stellen müssen und diese nahezu Menschheit auflehnt. Das ist sicherlich Geld. Wir haben auf eine klare Ansage klaglos akzeptieren. Was am Morgen falsch. Aber die Art und Weise wie wir gewartet. Stattdessen kam ein Schrei- eine großartige Idee war, mussten wir mit unserer Erde umgehen und vor ben des Bundesgesundheitsministers, schon mehrfach im Laufe des Tages allem, wie wir die zwischenmensch- in dem er die Krankenhäuser bat, elek- revidieren. Aufgaben und Einsatzorte lichen Beziehungen im persönlichen, tive Eingriffe herunterzufahren. Das ändern sich ständig. Wir haben wieder nationalen und globalen Kontext ge- verband er mit der Bitte um Vertrauen. gelernt, mit dem Mangel zu leben. stalten, gehört auf den Prüfstand. Viel- Genau dieses Vertrauen fällt uns sehr Berufsgruppen, von denen wir vorher leicht wehrt sich die Erde gegen Egois- schwer. Ist es doch der gleiche Minis- gerade mal wussten, dass sie auch exis- mus, Arroganz und Populismus. ter, der noch vor kurzem „mehr Mut tieren, haben enorm an Bedeutung ge- Bei aller Kritik an der Politik im Allge- bei der Schließung von Krankenhaus- wonnen und verdienen unseren höchs- meinen ziehe ich doch meinen imagi- standorten“ forderte. Warum sollten ten Respekt. Ich denke da in erster nären Hut vor der Geschwindigkeit, mit wir ihm in der Überlebensfrage der Linie an die Hygienefachkräfte und die der die Politik reagiert hat. Das ist be- Krankenhäuser vertrauen? Mitarbeiter des Einkaufs. Die tägliche merkenswert für einen Berufstand, der Die Verordnungen des Landes und Zusammenarbeit mit tatsächlichen und sich lieber mit sich selbst beschäftigt, die Verantwortung für unsere Pati- selbsternannten Corona-Experten im sich durch endloses Diskutieren, Lamen- enten haben uns schließlich dazu ge- Krankenhaus ist nicht gerade vergnü- tieren – beides auch Debattieren ge- bracht, alle Anstrengungen auf die gungssteuerpflichtig. Die Kreativität nannt – und Aussitzen von Problemen Vorbereitungen zur Versorgung der bei der Beschaffung der persönlichen hervortut oder blind und aktionistisch Covid-19-Patienten zu konzentrieren. Schutzausrüstung ist bemerkenswert Entscheidungen trifft, deren Tragweite Mittlerweile hat der Bund reagiert. Die und erinnert mich an die Zeit vor 1990. den Entscheidern häufig nicht bewusst Ausgleichzahlungen für nicht beleg- Mein höchster Respekt gilt auch den ist. Im aktuellen Kontext begrüße ich bare Betten sind eine echte Hilfe. Die Mitarbeitern des Gesundheitsamtes ausdrücklich den Aktionismus. Geldmittel pro Fall für den vermehrten und dem Amtsarzt. Ohne deren gute Leider kommen in Krisensituationen Bedarf an Schutzausrüstung sind zeit- Führung würden die vielfältigen Aktivi- nicht nur die positiven, sondern auch lich begrenzt. Es bleibt abzuwarten, täten in der Coronabekämpfung völlig die negativen Eigenschaften der Men- ob sie der Preisentwicklung gerecht chaotisch und unkoordiniert verlaufen. schen zum Vorschein. Das Horten von werden. Die Erhöhung des Pflegestel- Wir schätzen das Gesundheitsamt als Alltagsartikeln, wie Toilettenpapier, lensatzes sichert im Moment Liquidität. 10 | Brandenburgisches Ärzteblatt 5 • 2020
KAMMERINFORMATIONEN/GESUNDHEITSPOLITIK Beschlüsse Veränderungen nach als reinen Wirtschaftsbetrieb führen? nicht (krisen-)tauglich der Krise Dazu müsste man die Leistungen der Krankenhäuser in Bezug auf die „pro- Bleiben meine zwei Lieblingsthemen, Wir wissen heute noch nicht, wann duzierte“ Gesundheit bewerten. Das die Pflegepersonaluntergrenzenver- wir wieder zur Normalität zurückkeh- ist bisher nicht praktikabel. Wohl und ordnung und das MDK-Reformgesetz. ren können. Sicher ist, es wird ein Le- Wehe der Krankenhäuser allein den Beides wurde ausgesetzt. Offensicht- ben nach Corona geben. Wir wissen Mechanismen des Marktes zu überlas- lich ist man im BMG zu der Ansicht ge- auch nicht, wie viele Menschenleben sen, konterkariert ihren eigentlichen kommen, dass der bürokratische Auf- das Virus fordern wird. Die Achtung Zweck. Nicht die Besten überleben wand und die drohenden Strafzahlun- vor jedem einzelnen Opfer gebietet es, dann, sondern die, die sich am besten gen, die Krankenhäuser in eine nicht die Lehren aus der Pandemie zu ziehen. auf diese Mechanismen einstellen. Das zu verantwortende Situation bringen Ein abschließendes Resümee ist noch führt zu Investitionen in Milliarden- würden, die das Überleben zumindest nicht möglich, ein paar Gedanken höhe für Dinge, die keinem Patienten massiv erschwert. Nur, gilt das nicht schon. etwas nutzen. Hat eigentlich mal je- ausschließlich in Krisenzeiten. Beide Veränderung fängt bei jedem Ein- mand die Kosten unnützer Bürokratie Gesetze wurden gerade deshalb verab- zelnen an. Der hemmungslose Drang berechnet? Die Gesetze des Marktes schiedet, um die sogenannte Marktbe- nach Selbstverwirklichung, ohne auf sind nicht zwangsläufig unmenschlich, reinigung am Krankenhausmarkt – was die Bedürfnisse der Mitmenschen ein- Menschlichkeit spielt nur einfach keine für ein furchtbares Wort – zu beschleu- zugehen, ist ein Grundübel unserer Rolle. nigen. Auch darf man nicht vergessen, Gesellschaft. Ich habe beim Kampf ge- Vor kurzem erhielt ich die Information, dass beide Gesetze die Unterschrift gen das Oderhochwasser eine Welle dass der Medizinische Dienst in einem von Bundesminister Spahn tragen. Er der Solidarität und gegenseitigen Hilfe anderen Bundesland die stationäre Be- sieht also, dass in der Krise seine Ge- erlebt. Leider ist das in den Jahren da- handlungsnotwendigkeit von „Corona setze schädlich sind. Sollte ihn das zum nach abgeebbt. Wir werden den Ideal- verdachtsfällen“, die letztlich keinen Nachdenken anregen? Auch, wenn die zustand nie erreichen. Die Schamlosig- positiven Laborbefund aufwiesen, in aktuellen Reaktionen des BMG zu- keit, bei der Bereicherung auf Kosten Zweifel zieht und den Krankenhäusern mindest in Teilen positiv zu bewerten des Leides anderer Menschen, muss eine Fehlbelegung attestiert. Ich hoffe sind, ist der Minister nach wie vor auf aber gesellschaftlich geächtet werden. inständig, dass es sich hier nur um eine dem besten Weg, als der „Macher“ der Individuelle Selbstverwirklichung geht Fehlinformation handelt. Der Fakt an größten Bürokratisierungswelle der nicht ohne Verantwortung. sich ist aber so widerlich, dass ich es deutschen Krankenhausgeschichte in Wir müssen über unser Rechtssystem mir durchaus vorstellen kann. dieselbe einzugehen. nachdenken, was für viele Bürger völlig In der Krise sind wir froh, so viele unverständliche Entscheidungen trifft. „überflüssige“ Krankenhäuser mit so Dringend Schutz Wir leben in einer Gesellschaft, die vielen „ungenutzten“ Intensivbetten ausrüstung beschaffen jedem Straffälligen eine zweite Chan- zu haben. Was ist aber danach? Fallen ce gibt. Das ist wichtig. Leider wurde wir in die alten Denkstrukturen zurück? Unser größtes Problem ist der Mangel beim Bemühen um die Rehabilitation Lassen Sie uns gemeinsam den Be- an Schutzausrüstung und Desinfekti- der Täter, der Schutz der Opfer völ- darf neu definieren, ohne die übertrie- onsmitteln. Seit Wochen hören wir uns lig aus dem Auge verloren. Die Justiz benen Träumereien von vermeintlichen die Versprechungen der Politik an. Nur muss aus ihrem Elfenbeinturm herab- Experten. Lassen Sie uns so an einem die Hilfe kommt nicht. Das mal schnell steigen und wieder Diener der Gesell- möglichst bürokratiearmen Finanzie- sechs Millionen Masken auf einem schaft werden. Das heißt nicht, dass rungssystem arbeiten, welches die Flughafen in Kenia verschwinden, ist ir- sie die jeweiligen politischen Strömun- richtigen Ansätze setzt, krisenfest – so- gendwie passend. Wir helfen uns selbst gen bedienen muss. Die Unabhängig- weit wie möglich – ist und die Gesell- mit unserer Kreativität, halten das aber keit vor politischen Entscheidungsträ- schaft nicht überfordert. Es ist möglich. nicht ewig durch. Unsere Kollegen in gern muss gewahrt bleiben. Was mir Wir müssen es nur wollen! den Praxen werden genauso im Stich schon länger auf der Seele brennt: Ein Zum Schluss noch eine Überlegung gelassen. Geben wir uns keiner Illusion System, was überlasteten Ärzten und zum ambulanten Bereich. Für mich als hin. Wenn es uns gelingt, die Infekti- Krankenhäusern unterlassene Hilfeleis- Krankenhausarzt ist es schwer zu beur- onswelle abzuflachen, mit dem Ziel tung und Organisationsverschulden teilen, wie wir die Praxen und Versor- unsere Krankenhausressourcen nicht vorwirft, eigene grobe Fehler aber mit gungszentren vor den wirtschaftlichen zu überfordern, verbreitert sich die einem Achselzucken und dem Hinweis Folgen der Krise schützen können. Das Welle. Das ist simple Mathematik und auf Personalmangel quittiert, stellt sich wir es müssen, steht außer Zweifel. bedeutet, dass es kein schnelles Ende selbst in Frage! der Pandemie geben wird. Jeder, der Nicht zuletzt verdient das Finanzie- Bleiben Sie gesund! den Bürgern das Gegenteil verspricht, rungsmodel unserer Krankenhäuser ist entweder ein notorischer Lügner eine Generalinventur. Ja, auch Ge- wie Donald Trump oder verkennt die sundheitsleistungen müssen wirt- ■ Dr. med. Steffen König Situation. Wir werden über längere Zeit schaftlich erbracht werden. Aber kann Schutzausrüstungen brauchen. Also tut man deshalb Krankenhäuser, die doch mal was, Ihr lieben Politiker! Elemente der Daseinsfürsorge sind, Brandenburgisches Ärzteblatt 5 • 2020 | 11
KAMMERINFORMATIONEN/GESUNDHEITSPOLITIK NEUE WERTE BRAUCHT DAS LAND Gesellschaftliche Lehren für die Gesundheitsversorgung aus der Corona-Krise ziehen! Wie durch ein Brennglas lässt Er trifft dabei auf ein Gesundheits- Effizienz und der Ökonomische Wett- uns die Corona-Krise sowohl auf system, das sich seit Jahren in einem bewerb in der Gesundheitsversorgung die Mangelstrukturen, wie feh- extremen Ökonomisierungsprozess erstrebenswert sind, sondern schlicht lende Schutzausrüstungen für mit zum Teil menschenverachtenden und ergreifend die Gesundheit ohne das medizinische Personal, als Effizienz- und Profitoptimierungs- Bedingungen durch wirtschaftliche auch auf die nun gepriesenen bestreben befindet! Das jahrelange Kennziffern! guten Ausstattungsverhältnisse Kaputtsparen von Krankenhausstruk- im Intensivversorgungsbereich turen, die sich natürlich nicht jeden Angesichts der Bekämpfung die- schauen. Was dabei erstaunt Tag rechnen können, war das Ziel ser Viruspandemie muss nun unsere und irritiert: Die selben Politiker, sämtlicher Regierungen. Man kann freiheitliche Gesellschaft erkennen die noch vor ein paar Wochen froh sein, dass die Spar- und Reformie- das sie unweigerlich an einem Schei- Dr. med. Hanjo Pohle ein Gesetz zur Reduktion von rungspläne der GroKo mit der Über- deweg steht und die zukünftigen Foto: Thomas Kläber Krankenhausbetten auf den Weg führung von Krankenhäusern in am- Herausforderungen andere Antwor- brachten und auch gleich 600 bulant-stationäre MVZ‘S nicht bereits ten und Mechanismen benötigen. Nur Krankenhäuser für entbehrlich stattgefunden haben. Es ist kaum aus- so kann die Gesundheitsversorgung hielten, feiern nun stolz und froh zudenken, was dies für die Menschen unter sich schnell verändernden Rah- die hervorragende Aufstellung zusätzlich zum jetzigen Leid bedeutet menbedingungen sichergestellt wer- im Krankenhausbereich und prei- hätte. den. Nicht die Diktatur der Ökonomie sen diese als den entscheidenden und das Dogma der Beitragsstabilität Unterschied zu unseren Nachbar- • Aber es zeigen sich die Auswirkun- werden die richtigen Antworten ge- ländern. Und in der Tat: NRW hat gen der massiven Abbauprozesse ben können. Es braucht eine neue genauso viele Intensivbetten wie im und beim öffentlichen Gesund- Definition von gesellschaftlichen Pri- ganz Italien. heitswesen – von der abschrecken- märbedürfnissen wie Gesundheit und den Attraktivität in der Bezahlung Wohlergehen. Die Gesellschaft muss Wurde dies vor der Krise als Argu- ganz abgesehen. entscheiden, wie viel ihr der einzelne ment für die Notwendigkeit genutzt, • Die nicht leistungsgerechte Entloh- Mensch wert ist! die Intensivkapazitäten zu verringern, nung und die schlechten Arbeitsbe- ist jetzt deren Ausbau im Fokus all de- dingungen im Pflegebereich, Gesundheit ist keine Handelsware rer, die in der staatlichen Gesundheits- • die irrsinnige Taktbeschleunigung im und darf auch nicht wirtschaftlichen politik Verantwortung tragen. Aber: Krankenhaus und Kriterien geopfert werden! Natürlich In den Kliniken und in der ambulanten • damit einhergehend der extreme geht dies bis zu einem gewissen Punkt. Versorgung war Ende März so gut wie Leistungsdruck für alle ärztlichen Krisen bringen aber schnell die Pro keine Schutzausrüstung mehr vor- Kollegen, bleme und Mängel ans Tageslicht. Erst handen. Die Produktion war schon • die zunehmende Hinterfragung der dann zeigt sich, ob ein so verändertes lange aus Deutschland ausgelagert ethisch-moralischen Sinnhaftigkeit System den Ansprüchen der Menschen und eine ausreichende Bevorratung ihres Tuns durch Ärztinnen und überhaupt gerecht werden kann. hatte trotz der bereits 2012 erfolg- Ärzte ten dringenden Empfehlung im Pan- So wie die Entschleunigung und das demieplan des Robert Koch-Instituts sind Ausdruck eines nach außen hin Innehalten Menschen aktuell wie- nicht stattgefunden. Dabei war auch funktionierenden aber dennoch zu- der anregt, über das gesellschaftliche aufgrund wissenschaftlicher Studien nehmend patientenunfreundlichen, Miteinander nachzudenken, ist es klar, dass uns irgendwann eine Pande- kranken Systems. Wie in Hamsterrä- endlich an der Zeit, die Gesundheits- mie treffen würde. Viren machen vor dern erfolgt die Behandlung und die versorgung nach ärztlich geleiteten, staatlichen Grenzen eben nicht halt. Durchschleusung von Patienten, ein ethischen Grundsätzen neu auszurich- Nun schauen wir alle fast ungläubig Halt oder eine Verlangsamung sind ten und die Ökonomen sowie Betriebs- und mit Erstaunen darauf, wie dieser einfach nicht vorgesehen! wirtschaftler zurückzudrängen. Nur so Virus eine ganze Nation nahezu lahm- erhalten die Menschen wieder Sicher- legen kann. COVID-19 setzt Zäsur heit in der Gesundheitsbetreuung. Die Krise fokussiert auf elementare Gesundheitsystem COVID-19 setzt eine Zäsur. Auf ein- Entscheidungskonflikte in der Ge- leidet seit Jahren an mal bemerken die Gesellschaft und vor sundheitsversorgung. Diese müssen allem die politisch Verantwortlichen, aber auch allen Bürgerinnen und Ökonomisierungsprozess dass weder die schwarze Null noch die Bürgern ehrlich klargemacht werden. 12 | Brandenburgisches Ärzteblatt 5 • 2020
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