Männerbewegung Wo Männerpolitik ansetzt, wieso es mehr braucht und was das mit Schnurrbart und Stöckelschuhen zu tun hat - ERNST Magazin
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Lesen, was bewegt Nr. 57, 1. März 2015 Männerbewegung Wo Männerpolitik ansetzt, wieso es mehr braucht und was das mit Schnurrbart und Stöckelschuhen zu tun hat.
Inhalt MÄnnerbewegung Der Platz meines Vaters am Esstisch 4 Seit je her sind wir Söhne aufgebrochen, um es anders zu machen als unsere Väter. Das kann heute nicht anders sein – und daraus ergibt sich die Bewegung der Männer. Fünfzehn Köpfe der Männerbewegung 6 Was sind das für Männer, die sich für Bubenarbeit und Männerentwicklung einsetzen? Kurzporträts von Schweizer Männeraktivisten. Wieso die Männerbewegung keine Zukunft haben darf 12 Impressum Frauen- und Männerorganisationen gelingt es kaum mehr, junge Mitglieder zu gewinnen. Ist das ein Problem – www.maennerzeitung.ch, ISSN 1661-7231, oder die Lösung? Mühlegasse 14, 3400 Burgdorf Redaktion Ivo Knill (Leitung), 034 422 50 08, Wieso die Männerbewegung eine Zukunft redaktion@maennerzeitung.ch haben muss 16 Paul Hasler, Martin Schoch, Mark Schwyter, Die beiden Männer- und Väterorganisationen «männer.ch» Adrian Soller, Samuel Steiner und «Gecobi» setzen sich mit grosser medialer Wirkung für Lektorat Peter Anliker, Ruggero Ponzio die Anliegen der Männer ein. Die Erfolge sprechen für sich. Erscheint 4-mal jährlich (März, Juni, September, Dezember) Ein Schnauz kann Leben retten 20 Auflage 4500 Exemplare Dank «Movember» beschäftigen sich junge Männer wäh- Abonnemente +41 (0)61 711 81 90, rend einem Monat im Jahr mit Themen wie Prostatakrebs abo@maennerzeitung.ch und Depression. Abonnementspreis 50 Franken pro Jahr, 4 Ausgaben Supermänner in Stöckelschuhen 22 Postkonto 30-381685-6, 3400 Burgdorf In der Tanztheaterproduktion «Männer» am Jungen Euro-Konto IBAN: 91-545041-1 Theater Basel setzen sich sieben Männer im Alter von Inserate 061 711 81 90, 17 bis 26 Jahren mit dem Mann-Sein auseinander. inserat@maennerzeitung.ch Zwei der jungen Schauspieler erzählen von ihrer Arbeit. Inserateschluss sechs Wochen vor Erscheinen (15.1., 15.4., 15.7., 15.10.) Politik und Bewegung ab Seite 26 Gründer Markus Theunert Herausgeber Verein Männerzeitung, Burgdorf Druck Cavelti AG, Gossau, www.cavelti.ch Sinn und Sinne ab Seite 40 Gestaltung Thomas Hirter, www.thomashirter.ch Webdesign Simon Rothfahl, webmaster@maennerzeitung.ch Titelbild Luca Bricciotti Fotos Seiten 12–19, 27: Luca Bricciotti, www.superlunes.com 2
Editorial Braucht es noch eine Männerbewegung? Nein. Wieso auch? Wir müssen noch das Problem der Lohnungleichheit in den Griff bekommen, hie und da eine Quote einführen – und dann ist die Sache geritzt. In den Schulen, an den Universitäten und in der Politik sind die Frauen vertreten. Wenn wir noch etwas hangen und bangen, kriegen Männer zwei Wochen Vaterschaftsurlaub. Dann ist doch alles bestens, oder? Nein, eben nicht. Mit der Gleichberechtigung ist es nicht getan. Die Geschlechtergleichstellung alleine löst ein Problem nicht, das uns täglich auf jeder Seite der aufge schlagenen Zeitung entgegenstarrt. Um die Männer und die Männlichkeit steht es wie eh und je: Nämlich herz lich schlecht. Männer haben und machen Probleme, vom Schulbuben bis zum Weltmachtlenker, vom Hooligan bis zum braven Nachbarn: Wer ein Mann ist und ein Problem hat, der nimmt den Knüppel in die Hand. Und wer’s nicht macht? Der ist, heisst es, kein rechter Mann. Darum geht es in diesem Heft: Um die Frage, wo Männer politik ansetzen muss, und wo die Horizonte einer gemein samen Geschlechterpolitik liegen. Wir sehen, dass es eine Männerpolitik braucht, die Anliegen formuliert und zum Dialog fähig ist. Wir sehen auch eine Bewegung, die unter dem Horizont der Vielfalt allem geschlechtlichen Sein eine Würde gibt. Es gibt noch viel zu tun – auf Männerseite – wenn wir statt krank machender Klischees Lebensentwürfe wollen, die Sinn machen. Es bleibt dabei: Wer nicht darauf schaut, nach welchen Vorstellungen wir Männer unser Geschlecht leben, haut an der Sache vorbei. Wer glaubt, die Frauen würden, einmal gleichberechtigt, die Welt schon in Ordnung bringen, der irrt. Wir Männer sind gefragt. Ivo Knill 3
Männerbewegung Der Platz meines Vaters am Esstisch Seit je her sind wir Söhne aufgebrochen, um es anders zu machen als unsere Väter. Das kann heute nicht anders sein – und daraus ergibt sich die Bewegung der Männer. Ivo Knill Der Platz meines Vaters am Esstisch war gegeben: Er sass am Kopfende, hinter sich die Anrichte, vor sich, zu seiner Rechten und Linken, die Familie, Töchter, Frau und Söhne. Sein Arm war lang und seine gezielten Interventionen mit der Gabel waren gefürchtet: Wer nicht richtig ass, riskierte einen Zwick mit dem Essbesteck. Die Rolle meines Vaters war bestimmend. Man ass, wenn er zu essen begann, man wartete, wenn er noch nicht zuhause war. Man schwieg, wenn er zu den Nachrichten schwieg, und wenn man nicht schwieg, dann hiess es: «Ruhe am Tisch». Man gehorchte ihm, denn sein Leib, seine Vitalität und die Tatsache, dass er uns Kinder gezeugt und uns alle an diesem Tisch ernährte, waren unwiderlegbar. Ausserdem fuhr er ei- nen mächtigen Amerikanerwagen, was seinem Wort zusätz- liche Bedeutung verlieh. Meine Mutter, es waren die sechziger und siebziger J ahre, hielt das mächtige Vaterbild aufrecht. Wenn sie mit Nach barinnen sprach, dann hiess es: «Der Mann hat gesagt». Und wenn sie uns drohen wollte, dann drohte sie mit dem Macht- wort des Vaters. Es war aber auch die Mutter, die, ganz im Stil der antiken Tragödien, uns Kinder als Komplizen in ihren Freiheitsbe- strebungen gegenüber dem Vater aufbaute. Uns klagte sie Leid und Unbehagen, uns gestand sie ihre Freiheitsfantasien. Vaters Tisch im Kopf «Er» war der mächtige Abwesende. So sah ich als Kind von Anfang an beides: Die inszenierte Macht des Vaters, und wie Zu den Bildern dieser Nummer: Unser Fotograf sie hintergangen wurde. In seinem Poltern sah ich auch seine Luca Bricciotti hat seine Gegenüber gebeten, Schwäche, in seinem Vorrecht des Ernährers sah ich auch die sich so an den Tisch zu setzen, wie sie es von ihrem Vater in Erinnerung haben. Die Reaktionen Last des Verdienenmüssens. Ich sah seine hervorgehobene waren verblüffend. Wer genau schaut, sieht die Position und die Fallhöhe eines möglichen Scheiterns – und doppelte Präsenz in den Bildern. mir schien, dass ich so nicht werden wollte. Ich war gegen das 4
Es gibt – das ist der Gewinn – auch andere Militär und den Kapitalismus und gegen Plätze: Wir können stimmen. Und das heisst: Sie kann sich für das Patriarchat. nebeneinander gegen Dinge entscheiden, die einem nicht passen. Heute weiss ich, dass auch mein Vater Der Gewinn aber ist die Gewissheit, dass die andere Wege gegangen war, als sein Vater über mit unseren Frau an meiner Seite mir nicht folgt, weil sie und seine Vorväter. Frauen und Kindern am muss, sondern neben mir geht, weil sie will: Mein Grossvater war ein Arbeiter. Als Tisch sitzen. Ein grössere Sicherheit gibt es nicht. Zimmermann, Schreiner, Bodenleger ar- Und doch war es damit nicht getan: An- beitete er bis ins hohe Alter. Seine Arbeit ders als der Vater zu sein, ist noch keine reichte nicht, um die Familie zu ernähren, Identität für sich. Das ist erst der Aufbruch, aber sie reichte, um seine Gesundheit zu ein Ankommen ist es nicht. Was heisst es ruinieren. Ich erinnere mich an meinen Grossvater als einen denn, ein Mann zu sein? Will ich überhaupt so etwas wie schweren Mann, der auf dem Sofa lag und rauchte und, wenn «Männlichkeit» für mich definieren? Wir leben in einer Zeit, er aufstand, nur schwer gehen konnte. Die Grossmutter ver- die das Konzept einer festen Identität auflöst. Niemand will diente als Heimarbeiterin dazu. Wenn wir zu Besuch waren, als «Schweizer», als Angehöriger einer Berufsgruppe, als An- bügelte sie Bänder und war voller Güte und Zuversicht, wäh- gehöriger einer Religion in eine Rolle gezwängt werden. Wir rend der Grossvater vor dem Fernseher sass. Ich kann mich lösen Rollen, Zuordnungen und Vorrechte auf – und das mit kaum erinnern, mit ihm ein paar Worte gewechselt zu haben. Gewinn. So wie es scheint, konnte man noch nie über sein An seinen Sonntagsanzug erinnere ich mich, in dem er fremd Leben so frei bestimmen wie heute. und feierlich aussah. Wieso also die Freiheit aufgeben, um sich auf irgendeine Für meinen Vater war es zweifellos eine Leistung, dass er Form von Männlichkeit festzulegen? seiner grossen Familie ein Auskommen zu bieten vermochte. Das macht die Männerbewegung aus: Dass sie als Befrei- Ich erinnere mich an die grossen Familienfeste: Jedes Jahr ungsbewegung die Kategorie des Geschlechtes in Frage stellt gab es unter den mehr als dreissig Cousins mehrere, die ge- und zugleich nach einer neuen, offenen Bestimmung einer firmt wurden oder die erste Kommunion erhielten. Die ganze Würde des Geschlechtes sucht. Sippe ergab eine Festgemeinde von über fünfzig Personen. Der beste Ort für diese Bewegung ist die Männergruppe. Man buchte den grossen Saal in der Militärkantine. Während Sie schafft den Rahmen, unter Männern zu sein, aneinander wir Kinder uns draussen die Festanzüge aufscheuerten, fei- Mass zu nehmen, sich kritisch zu betrachten und einander erten drinnen die Väter, die Zios und die Zias: Zwei Stunden auch gut sein zu lassen. am Stück konnten sie beim Nachtisch singen. Das war der Ich trat einer Männergruppe bei und sah in anderen Män- Optimismus einer Generation, die es geschafft hatte, am Auf nern erstmals ein Gegenüber und keine anderen, die es zu schwung der sechziger und siebziger Jahre teilzuhaben. Je- überholen galt. Meine Idee, als bewegter und moderner Mann des Jahr fuhr man im besseren Auto vor, jedes Jahr war man auch der bessere Mann zu sein, zerbröckelte auf heilsame beruflich ein Stück weitergekommen. Weise. Es gab ein Ankommen in einem offenen Land, einem So waren meine Väter anders geworden als ihre Väter. Sie Raum der Möglichkeiten. Mann zu sein – keine Bürde, kein feierten ihren Triumph als Männer, die ihrer Familie als Er- Privileg, sondern Teil dessen, was dieses faszinierende offene nährer vorstanden. Aber wir alle kannten die Risse, die dieses Ganze einer Identität ausmacht. glorreiche Bild hatte. Wir sahen die Mühe unserer Väter, ihrer Kann ich heute der Mann sein, der ich will? Ja. Ganz ge- Aufgabe gerecht zu werden. Das machte sie zu Helden, neben wiss. Und ich denke, es ist die Leistung meiner Generation den anderen Helden, die auf dem Mond landeten. von Männern, dass wir den Platz an der Stirnseite des Tisches Ich aber war der Held einer neuen Liebe: Abhängigkeit und aufzugeben beginnen. Es gibt – das ist der Gewinn – auch an- Liebe können nicht zusammengehen, das war mir klar. Ich dere Plätze: Wir können nebeneinander gegenüber mit unse- konnte mir nicht vorstellen, mich mit einer Frau zu verbinden, ren Frauen und Kindern am Tisch sitzen. Wir müssen nicht die mir nicht gleich, ebenbürtig und gewachsen wäre. Natür- schweigen und Schweigen einfordern, und wir müssen nicht lich war die Konsequenz dieser Wahl nicht leicht auszuhalten, immer siegen. Wir sind die Generation von Männern, die auf denn sie schliesst es aus, den Menschen an sich zu binden, Privilegien verzichtet. Nicht ganz uneigennützig – denn der den man liebt. Sie schliesst es aus, über die Partnerin zu be- Preis dieser Privilegien ist hoch. 5
Männerbewegung fünfzehn Köpfe der Männerbewegung Was sind das für Männer, die sich für Väterzmorge, G ewaltberatung, Bubenarbeit, Männerentwicklung und die Revision des Unterhaltsrechtes einsetzen? Kurzporträts Schweizer Männeraktivisten. Protokolliert von Mark Schwyter und Adrian Soller Illustrationen von Maya Aharon 6
«Die Identität von Männern reift in der Auseinandersetzung «Ich vertraue «Wer Schwäche zulässt, mit Männern.» den Männern.» zeigt Stärke.» Andreas Hartmann, 47 Andreas Treier, 44 Beat Ramseier, 52 Beruf: Gewaltberater, Selbstbehaup- Beruf: Therapeut und Gewalt Beruf: Sozialarbeiter tungstrainer, Coach und Weiter pädagoge Engagement: Geschäftsleiter bildner sowie Phaemotherapeut. Engagement: Leitung von «Netzwerk Schulische Bubenarbeit Engagement: Arbeitet bei «KONFLIKT. «echtstark ohne Gewalt» NWSB» GEWALT.» und «Respect! Selbst behauptung» mit gewalttätigen Frauen, Männern und Jugendlichen. Während meiner Sozialarbeiterausbil- Vor ein paar Jahren träumte ich manch- Ich kannte sie vom Jugendtreff, die dung erhielt ich ein Kompliment von ei- mal von der Arbeit als Schiffsmatrose Jungs, denen ich meine Diplomarbeit ner Frau. Sie lobte mich dafür, dass ich auf dem Vierwaldstättersee. Allzu oft widmen sollte. Als linker Student der meine Gefühle zeigen konnte. Ich erin- arbeitete ich viel – für wenig Geld, vor Fachrichtung «Soziale Arbeit» beobach- nere mich noch genau daran. Denn: Es allem zu Beginn meiner Selbständig- tete ich mit Sorge, wie die männlichen waren ihre Worte, die mich dazu brach- keit als Therapeut und Gewaltpädagoge. Teenager in die rechtsradikale Szene ab- ten, über meine Männlichkeit nachzu- Doch letztlich fasziniert mich die Arbeit rutschten. Die intensive Arbeit mit ih- denken. Ich realisierte, dass ich d ieses mit den Buben und Männern einfach nen prägte mich sehr, war es doch mei- «Gefühlszeug» nur machte, um bei den zu sehr. Und das war schon immer so: ne erste eigentliche Bubenarbeit. Jahre Frauen gut anzukommen. Ich machte es Damals schon, als ich meine Mechani- später half ich dann bei der Gründung nicht, weil es mir als Mann ein Bedürfnis kerlehre machte, interessierte ich mich der «IG Bubenarbeit» mit. Neben der war. In der Folge habe ich mir Männer mehr für die Persönlichkeiten der In- Mitorganisation von Tagungen baute ich für den persönlichen Austausch gesucht. dustriearbeiter als für die Maschinen. während meiner zehnjährigen Tätigkeit So half ich im Jahr 1997 schliesslich das Nun ist es schon über zehn Jahre her, als Jugendarbeiter verschiedene Buben- Männerbüro Ostschweiz ins Leben zu als ich mich selbständig machte und ein treffs auf. Seit zwölf Jahren arbeite ich rufen. Beruflich wurde die geschlechts- eigenes Selbstbehauptungstraining für als NWSB-Geschäftsleiter. Dort unter- spezifische Arbeit immer wichtiger für Buben entwickelte. In unserer Praxis halte ich Netzwerke, organisiere Wei- mich. Mit dem Aufbau einer Fachstelle sowie in verschiedenen Schulen arbeite terbildung und leite Projekte im Bereich in den Bereichen Konflikt und Gewalt ich damit, leite Interventionen bei Mob- der geschlechtsbezogenen Pädagogik. sowie dem Angebot von Selbstbehaup- bing oder sexualisierter Gewalt. Neben- In der Männer- und Bubenarbeit gibt es tungs- und Sozialkompetenzentrai- bei arbeite ich auf der Gewaltberatungs- noch vieles zu tun – und nicht nur dort: nings für Jungs machte ich mich im Jahr stelle Agredis in Luzern. Heute ist für Im NWSB möchten wir vermehrt auch 2002 selbständig. Noch heute entwickle mich klar: Die Arbeit als Schiffsmatrose die Mädchenarbeit verstärken. ich mich ständig weiter – und sehe auch muss wohl noch ein Weilchen warten. bei vielen Jungs und Männern, wie sie lebendiger werden, wie sie ihr Leben neu gestalten. 7
«Intensive und sinn «Wer sich mit sich «Es braucht Männer, stiftende Begegnungen selber auseinandersetzt, die sich von mit anderen Männern steigert seine alten Rollenbildern helfen mir Mann zu Lebensqualität.» emanzipieren.» sein – und zu bleiben.» Bruno Manser, 41 Cornel Rimle, 52 Daniel Ammann-Neider, 53 Beruf: Männer- und Jungenarbeiter, Beruf: Agronom und Coach Beruf: Theologe, Ausbildungs Gewalt- und Konfliktberater Engagement: Präsident bei verantwortlicher, Engagement: Spezialist für Gewalt- «Forum Mann», Vorstandsmitglied Systemischer Naturtherapeut prävention und -intervention der bei «männer.ch» Engagement: Vorstandsmitglied bei Organisationen «Respect! Selbst «Mannebüro Luzern – manne.ch», behauptung», «KONFLIKT.GEWALT.» dort verantwortlich für Outdoor und und «ent-wicklung.ch» männerpolitische Veranstaltungen. Ich war anfangs zwanzig, als ich im Ra- Lange habe ich mit meiner ehemaligen In den Achtzigern, ich studierte Theolo- dio ein Interview mit den beiden Deut- Frau um eine gelingende Beziehung ge- gie, beschäftigte ich mich erstmals ein- schen Gewaltberatern Joachim Lempert rungen. Dabei habe ich realisiert, dass gehender mit der Kritik am Patriarchat. und Burkhard Oelemann hörte. Die Sen- wir alle ein Produkt unserer Geschich- Und ich begriff damals schon: Wider- dung zum Thema «Männer gegen Män- te sind. Durchschauen wir das nicht, be- stand gegen die patriarchalische Gesell- nergewalt» packte mich so, dass ich als strafen wir unsere Partnerin für die Feh- schaft bedeutet nicht nur die Befreiung junger Student gleich meine erste Pro- ler unserer Väter und Grossväter – und der Frau – sondern auch die des Mannes. seminararbeit zu diesem Thema ver- umgekehrt. Meine Erfahrungen mit mei- In der Jugendarbeit des Kantons Zürich fasste. Seither begleitet mich das Thema ner Ex-Frau sensibilisierten mich für tätig, führte ich Jugend-Wochenenden «Gewaltprävention und –intervention». Männerthemen. Seither habe ich vier zum Thema «Mann und Frau» durch. Als Mitglied von «Respect! Selbstbehaup- Männergesprächsgruppen organisiert, Damals ein echtes Novum. Seither habe tung» leite ich heute Selbstbehauptungs- rund sechzig Männer in schwierigen ich vor allem auch durch meine Mitar- trainings für Jungs und Weiterbildun- Situationen beraten und mitgeholfen, beit im Verein «manne.ch» ein sehr gu- gen für Fachpersonen und als Mitglied den Verein «Forum Mann» bekannter tes Beziehungsnetz zu unterschiedlichs- der Fachstelle «KONFLIKT.GEWALT.» zu machen, besser zu vernetzen. Bis- ten Männern aufbauen können. 18 Jahre berate ich Männer zu den Themen Kon- weilen frustriert mich, wie marginal die ist es nun schon her, als mich ein Kolle- fliktfähigkeit und Gewaltbeendung.Männerbewegung ist. Doch ich bin über- ge eingeladen hatte, im Beratungstelefon Zudem habe ich als Gründer von «ent- zeugt, dass es diese Bewegung braucht. des Mannebüros Luzern mitzuarbeiten. wicklung.ch» diverse Angebote für Väter Und so engagiere ich mich weiterhin. Acht Jahre später wechselte ich ins Bil- und Söhne entwickelt. Ich mag meine Schliesslich leben wir in einer Zeit, wo dungsressort des Luzerner Mannebüros. Arbeit, nicht zuletzt deswegen, weil sie Chancengleichheit möglich ist; es liegt Seit dem Jahr 2009 bin ich dort Mit- mich immer wieder herausfordert. an uns, sie umzusetzen. glied des Vorstandes. Der ständige Aus- tausch mit anderen Männern gehört zu meiner Lebensgestaltung – und belebt mich immer wieder. 8
«Lustvoll such’ ich «Wer mehr Mann sein zusammen mit anderen will, braucht Solidarität «Mann bin ich – Männern neue und echte Freundschaft und das ist zentral Wege für ein kraftvolles unter Männern.» nebensächlich.» Mann-Sein.» Hansjürg Sieber, 64 Lu Decurtins, 51 Martin Bachmann, 45 Beruf: Dozent Gender Beruf: Sozialpädagoge, Supervisor Beruf: Lehrer, Erwachsenenbildner Engagement: Gründungs- und Vor- Engagement: Mitbegründer «themenzentrierte Interaktion», standsmitglied «Netzwerk Schulische mannebüro züri, Vorstandsmitglied systemischer Berater und klinischer Bubenarbeit», Vorstandsmitglied des «Netzwerks Schulische Sexologe in Ausbildung bei «männer.ch» sowie Gründungs- Bubenarbeit NWSB», männer.ch- Engagement: Männerberater beim mitglied und Präsident bei Projektleiter «MaKi» mannebüro züri «männer.bern» (mehr Männer in der Kinderbetreuung) Die Scheidung von meiner Frau warf Danach sah ich ihn mit anderen Augen. Immer samstags stand ich als Cevi-Leiter ganz persönliche Fragen auf: Wie wei- Als ich im Alter von 25 Jahren selbst mit den Jungs im Wald. Damals, in den ter? Was macht mich aus, als Mensch, Vater wurde, änderte sich die Beziehung Achtzigern, experimentierte ich erstmals als Mann? Wie definiere ich nun mein zu meinem eigenen Vater. Auf einmal mit geschlechtersensiblen Programmen. Mann-Sein? Über die Arbeit? Oder wo- konnte ich ihn annehmen, so wie er war, Seither habe ich sehr viele Begegnungen rüber sonst? So kam ich in den Achtzi- mit seiner ganz anderen Männlichkeit. mit Jungen und Männern gehabt; viele gern zur Männerbewegung. Die Ausei- Ich begann aus meiner Frauenwelt, mei- Männer beraten und eine riesige Men- nandersetzung mit gesellschaftlichen ner Anti-Männerwelt auszubrechen. Ich ge an Entwicklungen und Lernschritten Konzepten von Männlichkeit wurde zu suchte den Bezug zu anderen Männern – begleitet. In den vergangenen 14 Jahren meinem Lebensprojekt. Mir wurde klar: und so schliesslich auch zu meiner eige- prägte ich das mannebüro züri massgeb- Mit vielen männlichen Akteuren in un- nen Männlichkeit. Auf dieser lebenslan- lich mit. Aber ebenso wichtig wie beruf- serer Gesellschaft kann ich mich nicht gen Suche konnte ich mittlerweile schon liche Erfolge ist mir, dass ich die Lust am identifizieren. Als Mann fühle ich mich einige Wegstücke mit andern Männern Mannsein nicht verloren habe, neugierig durch sie nicht vertreten. So begann ich, teilen. Ich gründete den ersten Väter- geblieben bin. Ich habe mich für ein an- Männerpolitik zu machen. In meiner treff, organisierte die erste – und viel- spruchsvolles Arbeits- und Familien- Arbeit mit Männern und Jungs habe ich leicht einzige – Männerdemo in Zürich modell entschieden, erlebe mich immer stets den Anspruch, das, was ich vermitt- und entwickelte Geburtsvorbereitungs- wieder suchend und fragend. Als Män- le und fordere, selber auch zu leben. kurse für Männer. Neben dem Aufbau nerberater, Gewaltberater und Sexologe des mannebüro Züri engagierte ich blicke ich oft in «dunkle» Männerwel- mich auch als Mitbegründer verschie- ten. Es ist meine Aufgabe, das, was wir dener Netzwerke und Projekte. Immer Männer tun können, kritisch und kon- noch kommen neue Fragestellungen frontativ zu hinterfragen. Aber nicht nur und Herausforderungen an mich heran. das: Es ist ebenso meine Aufgabe, den Meine Söhne werden zu Männern – und Männern, die hinter diesen Taten stehen, ich werde älter. So bleibt das Mannsein wertschätzend zu begegnen. Und das gilt für mich wohl ein Lebensthema. auch für mich selbst: Ich bin zwar Män- nerarbeiter, aber als Mann koche ich auch nur mit Wasser. Mir zuzugestehen, dass ich irren darf, dass ich probieren darf, ist eine Herausforderung. 9
«Die Frauen sind uns Männern in Sachen «Kinder dürfen Selbstreflexion nicht instrumen- «Kinder brauchen immer noch voraus.» talisiert werden.» starke Väter.» Max Gautschi-Sprecher, 65 Michel Craman, 76 Michael Gohlke, 45 Beruf: pensionierter Primarlehrer Beruf: Fotograf Beruf: Kindergärtner und Schulleiter Engagement: Präsident von Engagement: Gründer und Engagement: Präsident des Vereines mannschafft, Beratung Präsident von «Avanti Papi – «Basler Männerpalaver» bei Trennung und Scheidung progressive Väter Schweiz» Es war eine tolle Woche auf einem Ka- Am 3. August 1979 lag eine Strafanzeige Nach der Geburt meines ersten Kindes nalboot in Frankreich. Sieben Tage. Acht in meinem Briefkasten. Sie war von mei- machte ich mich auf die Suche nach Männer. Ein Boot. Es war grossartig. ner Ex. Ich war völlig erschüttert und Gleichgesinnten. Ich suchte Väter, die Kurz danach gründeten wir zusammen überfordert; zum Glück machte mich so wie ich Teilzeit arbeiten, fand sie je- mit anderen Männern das «Basler Män- meine neue Partnerin auf eine Männer- doch weder auf Spielplätzen noch in ei- nerpalaver». Der Verein plant, organi- organisation aufmerksam. Kostenlos nem Verein. So kam es, dass ich selber siert und führt öffentliche Gesprächsfo- erhielt ich dort sehr gute Beratung. In eine Krabbelgruppe gründete, Väter an- ren für Männer durch. In einem politisch der Männerbewegung aktiv wurde ich sprach und ein Netzwerk aufbaute. So und konfessionell neutralen Rahmen re- dann, weil ich meinen Unterstützern entstand im Jahr 2001 «Avanti Papi». den Männer über das Mannsein. Männer etwas zurückgeben wollte. Da ich zwei- Zwar ist es heute immer noch schwie- hören zu, wie andere sich fühlen in ih- sprachig aufgewachsen bin, konnte ich rig, Väter zu finden, die sich aktiv für die rer Männerhaut. Wir tauschen unsere beim Schmieden von nationalen Alli- Anliegen von «Avanti Papi» einsetzen. persönlichen Erfahrungen aus. Und das, anzen von Männer-, Väter- und Kinder- Aber immerhin: Durch viel Medienprä- ohne Angst haben zu müssen, unser Ge- Organisationen einiges erreichen. Seit senz hat «Avanti Papi» dazu beigetra- sicht – oder unsere Männlichkeit zu ver- dem Jahr 2005 bin ich nun Präsident gen, dass das Väterthema nicht von der lieren. Mittlerweile stehen wir schon in der Trennungs- und Scheidungsbera- Agenda verschwindet. Auch hoffe ich, der neunten Palaversaison. Jedes Mal tung «mannschafft». Trotz meiner 76 viele Väter motiviert zu haben, sich Zeit nehmen 15 bis 25 Männer unterschied- Jahre denke ich nicht wirklich ans Auf- für eine intensive Beziehung zu ihren lichsten Alters an den Palavern teil. Für hören. Menschen in Not zu helfen, ge- Kindern zu nehmen. mich ist klar: Wir Männer können von hört zu meinem Charakter. den Frauen lernen, wenn’s um persönli- che Gespräche geht. 10
«Mich fasziniert «Männer gehören «Unterdrücken Männer die Geschlechtlichkeit nicht per se zu Männer, schadet das in ihrer Vielfalt.» den Privilegierten.» der Welt.» Philipp Gonser, 32 René Setz, 60 Ronald Halbright, 58 Beruf: Sozialarbeiter, Integraler Beruf: Sozialarbeiter und Fach Beruf: Pädagoge, Ethnologe Berater berater «Männergesundheit» Engagement: Koordination Engagement: Männerberater Engagement: Fachberater und IG Bubenarbeit Schweiz, beim «mannebüro züri» Projektrealisator beim «Forum Vorstand NWSB, Ko-Präsident Männergesundheit» sowie «Männer an die Primarschule», Vorstandsmitglied bei männer.bern Ko-Präsident NCBI Schweiz Ich war fünf Jahre alt, als eine Grup- Seit meinem 16. Altersjahr engagiere Es war im Jahr 1976, als alles begann. pe von Soldaten an unserem Haus vor- ich mich für soziale Gerechtigkeit. Mich Ich studierte Physik, lebte in den USA beimarschierte. Uniformen. Rucksäcke. interessiert, welche Rolle Männer da- auf dem Campus – und fand nach Gen- Gewehre. Das Bild, das sich mir bot, be- bei übernehmen, als Akteure und als der-Streitgesprächen mit einer Femi- eindruckte und befremdete mich glei- Opfer. Zusammen mit Fachpersonen nistin zur Männerbewegung. Seither chermassen. Als es dann dreizehn Jahre habe ich Grundlagen für die Arbeit mit ist viel passiert: Anfangs Neunziger später so weit war, verweigerte ich den Jungen und Männern erarbeitet und kam ich in die Schweiz, organisierte mit Militärdienst – und absolvierte statt- Projekte realisiert. Als Gründungsmit- anderen Studenten einen Beitrag zum dessen meinen Zivildiensteinsatz im glied der «Männerzeitung», sowie des Frauenstreiktag. Im Jahr 1992 habe «National Coalition Building Institute». «Netzwerks schulische Bubenarbeit», ich an einer Jungenarbeit-Tagung des Zum Glück. Denn so kam es, dass ich des «Netzwerks Gender Health», des mannebüro züri teilgenommen, wo ich im Namen des privaten Bildungsanbie- «Forums Männergesundheit» und von später im Vorstand aktiv war. Danach ters an einer Männerretraite teilnehmen «männer.bern» half ich mit, die Qua- habe ich erst die IG Bubenarbeit, dann konnte. Irritiert und neugierig ging ich lität der Männer- und Bubenarbeit zu das Netzwerk Schulische Bubenarbeit an dieses exklusive Männertreffen – und stärken. Da bin ich echt stolz darauf. Ein (NWSB) mitbegründet. Hauptberuflich es war super. Ein offener und achtsamer persönlicher Meilenstein für mich war arbeite ich heute beim NCBI, einem kon- Raum des Austausches. Seither s etzte die Publikation des Manifests «Männer- fessionell und parteipolitisch neutralen ich mich aktiv mit der Männerarbeit gesundheit» im Jahr 2000. Auch heu- Verein, der sich für den Abbau von Vor- auseinander. In über tausend Beratungs- te noch gibt es viel zu tun: Ich möchte urteilen, von Rassismus und Diskrimi- stunden durfte ich bereits verschiedens- mich im neu gegründeten «Schweizer nierung einsetzt. Längst ist die Männer- te Männerwelten erforschen. Institut für Männer- und Geschlechter- und Bubenarbeit ein Teil von mir. Ich fragen» engagieren. Und was mir auch kann mir nicht vorstellen, damit aufzu- ein Anliegen ist: Ich möchte die Migrati- hören. Die Arbeit ist integral zu meiner onsmänner stärker in die Männerarbeit Identität. miteinbeziehen. 11
Männerbewegung Wieso die Männerbewegung keine Zukunft haben darf In der Schweiz sind wir von der Geschlechter gleichstellung noch weit entfernt. Frauen- und Männerorganisationen gelingt es trotzdem kaum mehr, junge Mitglieder zu gewinnen. Letzteres aber ist nicht das Problem – sondern die Lösung. Samuel Steiner und Adrian Soller Die Schweiz ist ein gleichstellungspolitisches Schwellenland. Zwar steht die Gleichbehandlung der Geschlechter seit 33 Jahren in der Verfassung, umgesetzt aber ist sie in den wenigsten Lebensbereichen. Ob Erwerbsart, Führungsverantwortung, Lohnhöhe oder Familienengagement: Nach wie vor zeigen die Zahlen des Bundesamts für Statistik krasse Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern auf. Umso dramatischer ist es, dass die Schweiz kaum gleichstellungspoliti- sche Fortschritte erzielt. Statt zu Nordeuropa aufzuschliessen, verschlech- tern wir uns. In der jüngsten Gleichstellungsrangliste des WEF haben wir gegenüber dem Vorjahr zwei Plätze eingebüsst. Die Schweiz rangiert noch auf Platz 11, hinter Ruanda, Nicaragua und den Philippinen. Von der Geschlechtergleichstellung sind wir also hierzulande weit ent- fernt. Trotzdem engagieren sich immer weniger Menschen für Gleichstel- lung. Vor allem unter Jugendlichen suchen Frauen- wie Männerorganisati- onen vergebens nach Mitgliedern. In den meisten geschlechterpolitischen Organisationen sind kaum Menschen unter vierzig zu finden. Viele kla- gen über Mitgliederschwund. Doch was für die Institutionen ein vitales Problem ist, ist gesellschaftlich gesehen kein Drama. Im Gegenteil: Es ist Teil der Lösung. Feministinnen wie Männeraktivisten gehören der Vergangenheit an Frauenaktivistinnen und Männeraktivisten haben in den vergangenen fünfzig Jahren viel erreicht. Unvergessen sind sie, jene Feministinnen der ersten Stunde, die gegen die männlich dominierte Gesellschaft auf- begehrten und bestehende Machtverhältnisse grundlegend hinterfragten. Auch die aktiven Männer jener Generation stehen für Aufbruch. Der Schweizer Männerbewegung gelang es – vor allem seit den Neunzigern – die Gleichstellungspolitik thematisch auszuweiten. Staatliche Stellen sollten «Gleichstellung» nicht mehr mit «Frauenrechten» gleichsetzen. 12
Neue Themenkomplexe wie «Sorgerecht» und «Unterhalts- Geschlechterpolitik recht» kamen aufs politische Parkett. Dank Männeraktivis- ist ein Überlegungsfehler ten führen die Schweizer Politikerinnen und Politiker den In der Gleichstellung geht es nicht ums Geschlecht. Nicht Gleichstellungsdiskurs zunehmend ganzheitlich. Neben dem wirklich. Vielmehr geht es um einen gesellschaftlichen Sys- Lebensbereich Arbeit sprechen sie vermehrt auch über die temwechsel, weg vom Patriachat, hin zu einem egalitären Ge- Familie (siehe Seite 28). schlechtermodell. Das mag eine technokratische Ansicht sein, Doch so gross die Verdienste jener Vorkämpferinnen und doch genau das ist heute – im Jahr 2015 – gefragt: Es braucht Vorkämpfer für eine gerechtere Gesellschaft auch sein mögen: mehr Gleichstellungs- und weniger Geschlechterpolitik. Nicht wenige von ihnen drohen zu einer Hypothek zu wer- Während es bei Gleichstellungspolitik um das Allgemein- den. Denn: Viele dieser Aktivistinnen und Aktivisten sind in wohl geht, geht es bei der Geschlechterpolitik um partiku- der Zeit des Geschlechterkampfes stehen geblieben. Allzu oft läre Interessen. So wie die Gewerkschaften die Interessen verstehen sie die Positionen der Männer- und Frauenpolitik der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertreten, so ver- noch immer als gegenteilig. Und das ist fatal. treten Frauenorganisationen die Interessen der Frauen und 13
Männerorganisationen die Interessen der Männer. Interes- als Secondos, als Schwule oder als Heterosexuelle. Mit einer senspolitik aber erfordert eine Identifikation mit einer ab- politischen Männerbewegung aber identifizieren sich die we- grenzbaren Gruppe. nigsten. Und das ist längst nicht die einzige Herausforderung Was bei Arbeitnehmenden um die Jahrhundertwende und für die Männerorganisationen. Denn: Geschlechterpolitik hat bei den Frauen in den Siebzigerjahren noch bestens funkti- noch ein viel grundlegenderes Problem – einen Systemfehler. oniert hat, funktioniert heute immer weniger. In der westli- chen Welt des 21. Jahrhunderts gibt es nicht mehr viele Men- Geteilte Sorge und Mankoteilung schen, die sich primär als Frauen, primär als Arbeitnehmende gehören zusammen verstehen. Der anhaltende Trend zur Individualisierung und Wer eine Interessengruppe vertritt, wird ein gesellschaftliches Differenzierung erschwert solche Formen der Interessens- Problem nie ganzheitlich lösen können. Genauso unglaubwür- bündelung. Und das gilt sowieso für die Männerbewegung. dig wie sich der Freisinn für gesicherte Arbeitsplätze einsetzt, Das blosse Mannsein politisiert kaum. Männer verstehen setzen sich Frauen- oder Männerorganisationen für Gleich- sich als Sportler oder als Intellektuelle, als Schweizer oder stellung ein. Wer mit partikulärem Interesse gesellschaftliche 14
Probleme lösen will, muss scheitern. Und das systematisch. So da gelingen mag, die andere Geschlechtersicht zu integrieren: offenbart die Logik der Geschlechterpolitik auf beiden Seiten Eine zielführende Gleichstellungsdebatte verhindert auch sie immer wieder krasse Widersprüche. zuweilen. Viele Frauengruppen setzen sich für Lohngleichheit ein – In der Gleichstellungsdebatte sollte es um progressive und und kämpfen gleichzeitig gegen eine Angleichung des AHV- konservative Wertvorstellungen gehen – und nicht um Ge- Alters. Klar: Es gibt gute gewerkschaftliche Gründe für ein schlechterpolitik. Denn: Die Revolution der Geschlechter ist tieferes Rentenalter. Wehren sich Frauen aber aus geschlech- vorbei. Es ist Zeit für eine Evolution. Die Revolution hat er- terpolitischen Gründen gegen eine Angleichung der Alters- reicht, dass Frauen und Männer in den meisten Lebensberei- grenzen, ist das vor allem eines: peinlich. Denn eine Frau, die chen theoretisch und juristisch gleichgestellt sind. Die Evo- nicht gleichlange arbeiten will wie ein Mann, zementiert das lution muss nun erreichen, dass das Geschlecht auch in der patriarchale System. gesellschaftlichen Praxis keine Rolle mehr spielt. Jugendli- In ähnliche Widersprüche verstricken sich Männeraktivis- ches Engagement wäre vor allem dort gefragt. ten. Eine Männerorganisation, die für die geteilte Sorge plä- Die Jugend versucht kaum noch Forderungen wie väter- diert, sich aber gleichzeitig gegen die Mankoteilung ausspricht, freundlichere Familienpolitik, Förderung von Teilzeitarbeit ist als Gleichstellungsorganisation unglaubwürdig. Wer mehr und Massnahmen zur Gewaltprävention unter dem Label Vorrechte in der Familie fordert, muss Vorrechte im Erwerbs «Mann» zu vereinen. Klar: Verlieren solche Geschlechterlabel leben abgeben. Das ist eine sachlogische Konsequenz. an Bedeutung, wird es schwieriger, junge Menschen für die Ähnliches gilt für die Geschlechterquote. Eine echte Sache der Gleichstellung zu begeistern. Mit mangelnden Ide- Gleichstellungsbewegung kann sich ein Nein zu einer solchen alen der Generation «Facebook» aber hat dies wenig zu tun. Quote nicht erlauben. Es wäre illusionär, zu hoffen, dass die Männer ihr Monopol an der Spitze der Wirtschaft freiwillig Es braucht eine Gleichstellungsbewegung aufgäben. Auch wenn es –zugegeben –andere Lösungen gibt: Vielleicht gab es in den Siebzigern nicht mehr Ideale – son- Eine Geschlechterquote ist die schnellste – und konsequen- dern weniger differenzierte Informationen. Wer sich einer teste Lösung. politischen Seite anschloss, sah die Welt schnell durch die Konsequent in der Quotenfrage ist allerdings auch nicht, entsprechende Brille. Im Informationszeitalter ist es schwie- wer von einer «Frauenquote» spricht. Auch wenn es nur Ein- riger, alternative Sichtweisen nicht zu beachten. Heute lernen zelfälle sind: Verwaltungsräte mit marginalem Männeranteil schon Primarschulkinder, verschiedene Seiten einer Frage zu müssten ihre Zusammensetzung genauso anpassen. Auch sehen. Sie lernen mit widersprüchlichen Aussagen umzuge- wenn eine Frauenquote die Ungleichbehandlung faktisch hen, sich eine differenzierte Meinung zu bilden. minimiert, rhetorisch zementiert sie sie. Und nicht nur das: Junge Männer sind heute womöglich genauso engagiert, Wer Frauenquoten fordert, macht die Frauenförderung zum wie sie es früher waren. Vielleicht treten sie keiner Organisa- Ziel. Geschlechterquoten hingegen verfolgen ein gleichstel- tion bei, vielleicht unterstützen sie eher Aktionen wie «Mo- lungspolitisches Ziel. vember» (siehe Seite 20). Zugegeben: Wer einmal bei Movem- Auch problematisch ist das Verhalten vieler Männerorga- ber teilnimmt, engagiert sich nicht langfristig. Doch sind wir nisationen gegenüber den Antifeministen. Eine glaubwürdi- realistisch. Aktivismus, Unverbindlichkeit und Spontanität ge Gleichstellungsorganisation nutzt jede Gelegenheit, sich waren schon immer das Privileg der Jugend. Die Jugend der vom Patriarchalismus zu distanzieren. Und das auch auf die Achtziger plante auch keine nachhaltige Bewegung. Eher Gefahr hin, dass einige der «Scheidungsverlierer» als poten- waren die Jugendunruhen damals eine zufällige Anhäufung zielles Klientel abwandern könnten. spontaner Aktionen. Aktionen, an denen auch viele ohne po- litische Hintergedanken teilnahmen. Geschlechterpolitik Wie auch immer: Es ist richtig, dass langfristige Interes- klammert Schwule und Lesben aus senbündelung schwierig geworden ist, gerade in der Gleich- Geschlechterpolitik verstrickt sich also ständig in Wider- stellungsfrage. Klar ist aber auch, dass in der komplexen sprüche. Und nicht nur das: Sie klammert auch einzelne Ge- Evolutionsphase eine geschlechtsneutrale Gleichstellungsin- sellschaftsgruppen aus. Während es bei einer echten Gleich- stitution die Interessen am ehesten bündeln könnte. Künf- stellungspolitik um die ganze Gesellschaft geht, pflegt die tig braucht es weder «alliance F» noch «männer.ch». Es Geschlechterpolitik einen heterosexuell geprägten Diskurs. braucht Institutionen mit Namen wie «Frauen und Männer Die lesbische Frau, die mit ihrer Partnerin eine Familie grün- für Gleichstellung». Es braucht Institutionen, die sich genau- den will, findet sich darin kaum wieder. so unmissverständlich zur Gleichstellung bekennen, wie sich Eine lösungsorientierte Gleichstellungspolitik anerkennt, eine Umweltschutzorganisation zum Umweltschutz bekennt. dass unter den geschlechtsspezifischen Zwängen nicht nur Wir brauchen keine Organisationen, die immer dann in Frauen, nicht nur Männer leiden – sondern Menschen. Men- einem Dilemma stecken, wenn sie die Rechte der eigenen schen, die sich nicht ins traditionelle Rollenbild einfügen wol- Mitglieder im Sinne der Gleichstellung beschneiden müss- len. Die Mutter, die Karriere in der Bank machen will, leidet ten. Eine zukunftsfähige Lobby-Organisation steht weder genauso, wie der geschiedene Vater, der seine Kinder betreu- für die Sache der Frauen, noch für die Sache der Männer ein. en möchte. Vielmehr steht sie für die gesellschaftliche Freiheit ein. Und Wegen der falschen Logik der Geschlechterpolitik ist es echte Freiheit bedeutet Integration statt Abgrenzung. Ech- nicht schlimm, wenn die Frauen- und Männerorganisationen te Freiheit braucht Abbau der Unterschiede statt Betonung keinen Nachwuchs finden. Im Gegenteil: Es ist gut so. Es ist der Differenzen. Reiben sich Frauen- und Männerorganisati- gut, dass solche Organisationen über kurz oder lang ausster- onen weiterhin im politischen Diskurs auf, schaffen sie neue ben werden. Denn erst dann können wir den lösungsfeindli- Zwänge. Solange wir Geschlechter- statt Gleichstellungspo- chen Geschlechterkampf wirklich begraben. Selbst wenn es litik betreiben, bleibt die Schweiz ein gleichstellungspoliti- einer jüngeren geschlechterpolitischen Organisation hie und sches Schwellenland. 15
Männerbewegung Wieso die Männerbewegung eine Zukunft haben muss Die beiden Männer- und Väterorgani sationen männer.ch und Gecobi setzen sich mit grosser medialer Wirkung für die Anliegen der Männer ein. Zu ihren Erfolgen gehören die Einführung der gemeinsamen Elterlichen Sorge und die Anerkennung von Väterlichem Engagement in der Familie. Männer.ch- Präsident Markus Theunert und Gecobi-Präsident Oliver Hunziker er klären, wo moderne Geschlechter- politik ansetzen muss. Ivo Knill 16
Wenn bei «20minuten» ein Geschlechterthema aufs Tapet Mehr Aktivismus kommt, dann läutet bei männer.ch-Präsident Markus Theunert Diese Leistungen mögen dem debattierfreudigen Idealisten das Telefon: «Ist es diskriminierend, dass es zwar für Frauen gering erscheinen, dem Theoretiker, der davon ausgeht, dass eine Brustkrebsvorsorgeuntersuchung gibt, aber für Männer sich Politik da oben in Bern irgendwie ereignet. Tatsache ist keine Prostatauntersuchung?» Und: Wenn in der Schweiz ein aber, dass kein Anliegen einfach so Eingang in die Politik Fall von Kindsmissbrauch durch die Mutter auftritt, dann muss findet, auch nicht jenes der gelebten Elterlichkeit von Vätern. Gecobi-Präsident Oliver Hunziker Auskunft geben. Die Medi- Vielmehr ist es das Resultat beharrlicher Lobby-Arbeit. Lob- en lieben die Männerorganisationen, weil sie ihnen als Gegen- byieren heisst, Kontakte zu Politikern knüpfen und pflegen. stimme zu den Frauenverbänden dienen. Dank ihnen können Es heisst, in Gremien mitarbeiten, Inputreferate halten, Brie- die Medien ein Thema kontradiktorisch darstellen. Doch damit fe schreiben, Mails beantworten, Parolen diskutieren, Eini- befördern sie ein Bild der Männerorganisationen, das falsch ist. gungsprozesse durchlaufen sowie Statements, Pressecom- Denn die Männerorganisationen sehen sich nicht a priori als muniqués und Positionspapiere schreiben. Lobbyieren heisst Gegenpol zu den Frauenorganisationen. auch, für Medien ansprechbar sein, sich exponieren, sich wichtig machen, Kritik einstecken und sich zu Wort melden. Mehr elterliche Verantwortung Genau das tun die beiden Präsidenten Hunziker und Theu- Die Erfolge der Männerorganisationen lassen sich sehen: nert. Und sie können das nur tun, weil in ihren Organisatio- Seit dem Jahr 2007 feiert die Schweiz jeweils am ersten Ju- nen noch viel mehr Arbeit geleistet wird. Die Männerbüros nisonntag den Vätertag. Dieser Tag ist ein wiederkehrender und Männerinitiativen in Basel, Bern, Luzern, St. Gallen und Anlass, um das väterliche Engagement zu würdigen. Lanciert Zürich organisieren «Väterzmorge», leisten Täterberatung und hatte diesen Tag die Dachorganisation männer.ch. Ein ande- arbeiten mit Gleichstellungsbüros zusammen. Die lokalen Or- rer Erfolgt ist die männer.ch-Kampagne «Der Teilzeitmann». ganisationen des Gecobi organisieren Beratungstreffs für ge- Die Kampagne machte den Begriff der männlichen Teilzeitar- schiedene Väter, leisten Unterstützung, formulieren Anliegen. beit salonfähig, bis in die oberen Teppichetagen. Sie hat dem Und so kann es Hunziker als Erfolg seines Vereines werten, Wunsch vieler Männer nach mehr familiärem Engagement dass es mit dem «Zwüschehalt» ein Haus für Männer und ihre Ausdruck verliehen. Kinder gibt, wo sie in einer Konfliktsituation Schutz finden. Am 1. Juli 2014 wurde wegen der politischen Arbeit der beiden Organisationen Gecobi und männer.ch das gemein- Mehr als Frauenversteher same Sorgerecht etabliert. Die Parlamentarier übernahmen und Scheidungsverlierer in ihren Voten Begriffe und Formulierungen, die in den Pa- Die Geschichte der beiden Organisationen Gecobi und männer. pieren der Männerorganisationen entwickelt wurden: «En- ch ist unterschiedlich. Gecobi wurde im Jahr 2008 gegründet gagierte Väter», «väterliches Engagement in der Familie», und fasste ein bis dahin loses Netz verschiedener Organisa- «Beziehung zu beiden Elternteilen» und insbesondere der tionen zusammen, die in den Achtzigern gegründet worden Begriff «elterliche Verantwortung» ersetzten Kampfbegrif- waren. «Unsere Vorgänger engagierten sich aus einem ausge- fe wie jenen des «abwesenden Vaters» oder «das Erstreiten prägten Gefühl, Opfer einer ungerechten Justiz zu sein», sagt und Verweigern eines Sorge-‹Rechtes›». Ein anderes Thema Hunziker. «In den Achtzigern begannen die Scheidungen zu- ist das neue Unterhaltsrecht: Wenn die Beziehung zu beiden zunehmen. Viele Männer fielen aus ihren traditionellen Fa- Elternteilen als Grundsatz in diesem Gesetz stehen wird, ist milienmodellen heraus, empfanden sich zu Unrecht vor die das auch ein Verdienst der beiden Männerorganisationen. Türe gesetzt, zu Unrecht zu Zahlvätern degradiert. Dagegen Das Gesetz ist noch in der Beratung von National-und Stän- wehrten sie sich. Sie bauten ein Beratungsnetzwerk auf, um derat, und es wird sich zeigen, ob auch das Modell der alter- sich gegenseitig zu unterstützen. Die Schwierigkeit dieser Or- nierenden Obhut ausdrücklich ermöglicht wird. ganisationen war, dass man sie vor allem mit der Opferrolle 17
und mit dem Stigma der halsstarrigen Verlierer etikettierte.» für die Gleichwertigkeit aller Geschlechter ein. In einer Zeit, Mit der Gründung des Dachverbandes Gecobi wollte man ei- wo weltweite Kampagnen unter dem Slogan «He for she» die nerseits politisch mehr Wirkung erzielen – und anderseits aus Männer als Helfer der weiblichen Gleichstellung einspannen, der Ecke der Verweigerer und Verlierer herauskommen. ist das Einstehen für männliche Interessen ungewohnt und Der Dachverband für Schweizer Männer- und Väteranlie- erregt Anstoss. Theunert betont deshalb: «Wir setzen uns für gen männer.ch wurde im Jahr 2005 gegründet. Seine Vorläu- Anliegen von Männern ein und solidarisieren uns gleichzeitig fer und heutigen Kollektivmitglieder sind Männerorganisa- mit den Frauen für eine bessere Gesellschaft. Beide Anliegen tionen, die sich gegen ein traditionelles Männerbild wandten vertreten wir gleichwertig. Das ist pionierhaft.» Für Theunert und in der Männerbewegung verwurzelt waren. Theunert ist klar, dass es keinen Dialog der Geschlechter geben kann, hält fest: «Diese Männer wollen ihr Mannsein erweitern, aus- wenn Männer sich nicht mit Männlichkeit auseinanderset- loten, entwickeln, neuerfinden. Sie wollen Beziehungen leben, zen. «Wir müssen dran bleiben und benennen, dass Vandalis- die nicht durch Dominanz und Konkurrenz geprägt sind, son- mus, Terrorismus und Gewalt die Folgen beengender Männ- dern durch Ebenbürtigkeit und Solidarität. Sie lehnen Ste- lichkeitskonzepte und ihrer Folgen sind.» reotypen der Männlichkeit ab, die sie als selbstzerstörerisch, Mit der Gecobi-Gründung setzten die Mitgliederorgani- lebensfeindlich und krankmachend empfinden. Sie sind im sationen ein klares Zeichen: Nicht um Vaterschaft oder Mut- Aufbruch zu einer neuen Vielfalt anerkannter Männlichkei- terschaft sollte sich die Debatte drehen – sondern um die ge- ten. Ein wichtiges Engagement dieser Männerbewegung galt meinsame Elternschaft. Darum hat sich Gecobi von Anfang auch dem Kampf gegen Männergewalt.» Wenn Gecobi und an als Eltern-Organisation, nicht als Väter-Organisation po- andere Organisationen für geschiedene Männer in die Ecke sitioniert. Der Verband sieht denn auch sein primäres Ziel der kämpferischen Looser gestellt wurden, so hing der Bewe- nicht in der Erlangung von Väter- oder Mütterrechten, son- gung für eine neue Männlichkeit schnell einmal das Klischee dern vielmehr in der Anpassung der Gesetzgebung an das der «Softies» an. Klar ist: Beide Klischees greifen zu kurz. bestmögliche Interesse der Kinder. Und zwar unter Einbe- zug beider Elternteile. Aus dieser Warte ist der Geschlech- Mehr als Männerrechtler terdialog unabdingbar, Elternschaft ist Geschlechterdialog In der Sorgerechtsdebatte bewegten sich die beiden Organisa- – und getrenntlebende Eltern müssen diesen Dialog unter er- tionen männer.ch und Gecobi aufeinander zu. Ein Sorgerecht, schwerten Bedingungen fortführen. An dieser Basis orien- das automatisch der Mutter zufällt, kann beim besten Willen tiert sich die Arbeit von Gecobi. nicht als gleichberechtigt angesehen werden. Als Simonet- ta Sommaruga die Sorgerechtsdebatte mit der Unterhaltsde- Für das eigene Geschlecht – und solidarisch batte verknüpfen wollte, ging Gecobi auf die Barrikaden. Es mit dem anderen Geschlecht wurden Pflastersteine eingepackt und an die Bundesrätin ge- Trotz ihrer Erfolge werden weder männer.ch noch Gecobi von schickt. männer.ch schloss sich dem Protest an, gemeinsam Mitgliedern überrannt. Im Zeitalter der Ich-AG ist verbind- hielt man Mahnwache vor dem Bundeshaus. Vielen Mitglie- liches Engagement schwer zu bekommen. «Jeder erfindet dern von männer.ch sträubten sich die Nackenhaare ob der sich selber, da kommt es einem kaum in den Sinn, sich als nächtlichen Fackelromantik – aber die Bundesrätin nahm’s Mann einer Männerbewegung anzuschliessen», sagt Theu- gelassen, reagierte konstruktiv und einige Jahre und viele nert. Während der Genderdiskurs das Geschlecht aufheben Bemühungen später, wurde das gemeinsame Sorgerecht am will, grassieren im «Blick am Abend» und in jedem Blockbus- 1. Juni 2014 wahr. Möglich wurde es auch, weil die Fachlich- ter krudeste Männlichkeitsbilder. «Ironischerweise ist es Auf- keit von männer.ch und die Betroffenheit von Gecobi zusam- gabe von uns Männlichkeitskritikern, Umrisse einer positiven menkamen. Beide Organisationen ergänzten sich solidarisch Männlichkeit zu zeichnen.» Dabei steht fest: Jedwede Vorstel- und lernten ständig voneinander. lung von Männlichkeit oder Geschlechtlichkeit, die nicht auch Mittlerweile ist Gecobi mit seinem Konzept der alternie- die Solidarität mit dem anderen, respektive den anderen Ge- renden Obhut auch im fachlichen Diskurs um neue Famili- schlechtern betont, läuft in die Irre. Die Umrisse eines neuen enformen internationaler Taktgeber. Auch engagiert sich Ge- Geschlechterdiskurses werden in dieser Gleichzeitigkeit von cobi heute für Elternzeit und Vaterschaftsurlaub. «Für uns ist Anwaltschaft für das eigene und Solidarität mit dem oder den völlig klar, dass eine verlässliche Beziehung zu den Kindern anderen Geschlechtern bestehen. Und in einer gehörigen Por- nicht erst nach der Scheidung erstritten, sondern von Geburt tion von Aufmerksamkeit. «Das Patriarchat war eine Maske des Kindes an gelebt werden muss. Auch dafür braucht es für tiefer liegende Formen der gesellschaftlichen Macht. Heu- gesellschaftliche Rahmenbedingungen», hält Hunziker fest. te sitzen nicht mehr nur Männer oben, Frauen dürfen auch bestimmen. Aber haben wir damit die Ungerechtigkeit über- Mehr als Helfer der wunden?», fragt Hunziker. Und Theunert stellt fest: «Dran- weiblichen Gleichstellung bleiben hilft» und meint damit den Mut, für eine besonnene männer.ch setzte schon bei der Gründung ein differenziertes Politik auch hie und da ein provokatives Mittel einzusetzen. Fundament mit seiner dreifachen Ausrichtung, dem «Tripple Advocacy»-Ansatz: Der Dachverband engagiert sich erstens für die Anliegen der Männer, steht zweitens für die Solidarität Mehr Infos zu den beiden Organisationen finden Sie unter: mit der Emanzipation der Frauen ein und setzt sich drittens www.maenner.ch respektive www.gecobi.ch. 18
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