100 Jahre Zweig am Goetheanum - Anthroposophie Schweiz
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Schweiz Suisse Svizzera Svizra IX – 2020 Mitteilungen aus dem anthroposophischen Leben Nouvelles de la vie anthroposophique Notiziario della vita antroposofica 100 Jahre Zweig am Goetheanum wurde der von ihm vorgeschlagene Name ‹Anthroposophischer Zweig am Ein Blick auf die 100 Jahre Geschichte und Entwicklung des Zweigs am Goetheanum, Goetheanum’ angenommen. der am 12. September 1920 gegründet wurde. Der Zweig hat beschlossen, ge- genüber der bestehenden Anthropo- Ronald Templeton anum so konzipiert war, dass er un- sophischen Gesellschaft in dem Sinne abhängig von der Berliner Zentrale autonom zu sein, dass er nicht an die Die Initiative zu Gründung des Zwei- sein sollte. Es gehört zur Signatur des Berliner Zentrale angegliedert ist, son- ges am Goetheanum ging von dem Zweiges am Goetheanum, dass von dern einer schweizerischen Anthroposo- Basler Zahnarzt Dr. Emil Grosheintz den sieben Gründungsmitgliedern phischen Gesellschaft, die sich um die aus1. Er hatte mit seiner Frau und eini- sechs Schweizer waren, einzig Elisa- Arbeit des Goetheanums herum glie- gen Freunden dafür gesorgt, dass das beth Vreede war eine Ausländerin. dern soll und als Grundstock dienen Gelände, auf dem das heutige Goethe- wird. Im Sinne dieser Entschliessung anum steht, 1912/13 Rudolf Steiner Gründung des Zweiges wird der Zweig am Goetheanum mit zur Verfügung gestellt werden konn- In einem Brief vom 18. September den bestehenden schweizerischen Zwei- te.2 Das ganze Gelände wurde in eine 1920 an Carl Unger in Stuttgart3 wur- gen4 der Anthroposophischen Gesell- Schweizer Stiftung überführt und Dr. de Folgendes mitgeteilt: «Die Unter- schaft in Verbindung treten, um eine Grosheintz daraufhin Vorsitzender des zeichneten bringen Ihnen hiermit zur in Dornach zentralisierte ‹Schweizeri- Johannes-Bauvereins, nachdem der Kenntnis, dass sich am vergangenen sche Anthroposophische Gesellschaft› projektierte Bau in Schwabing (Mün- Sonntag, den 12. September 1920, hier in aller Form zu begründen, die völlig chen) keine Baugenehmigung erhal- in Dornach ein Zweig der Anthroposo- selbstständig neben der bestehenden, in ten hatte. phischen Gesellschaft konstituiert hat Berlin zentralisierten Gesellschaft ste- Grosheintz’ administrative und aus den Personen: hen wird. organisatorische Fähigkeiten stellten Es ist wohl nicht nötig, längere Aus- ihn mitten hinein in das Dornacher Dr. Emil Grosheintz, als Vorsitzender führungen darüber zu machen, dass Geschehen, und so wundert es nicht, Dr. Roman Boos, als stellvertretender durch die formelle Verselbstständigung dass die Idee auftauchte, in Dornach Vorsitzender der schweizerischen Anthroposophi- einen Zweig zu gründen. Dies geschah Willy Storrer, als Schriftführer schen Gesellschaft der nach wie vor dann am 12. September 1920 im Bei- Frau M(argarete) Dolfuss einheitlichen geistigen Bewegung auf sein Rudolf Steiners. Kurz darauf, am Fräulein E(lisabeth) Vreede, phil. doct. eine wirksamere Weise gedient werden 26. September, wurde das erste Goe- Arnold Ith soll, als es bisher möglich war. In die- theanum provisorisch eröffnet und am Karl Day sem Sinne begrüssen wir Sie als Schrift- 31. Oktober die Schweizerische Lan- führer. Gezeichnet als Vorsitzender: Dr. desgesellschaft gegründet. Interessant Die konstituierende Sitzung fand im Emil Grosheintz, als stellvertretender dabei ist, dass der Zweig am Goethe- Beisein Dr. Rudolf Steiners statt. Es Vorsitz: Dr. Roman Boos.» Emil Grosheintz Roman Boos Willy Storrer Margarete Dolfuss Elisabeth Vreede Arnold Ith Karl Day 1
Der Charakter gerade in Dornach keine Gelegenheit, Haus Friedwart im ersten Stock unter- des Zweiges am Goetheanum Mitglied zu werden, weil kein Zweig gebracht. Dort war auch das Sekreta- Dazu sagte Rudolf Steiner am selben hier war. Deshalb wurde ein Zweig ge- riat des Goetheanums, das gleichzeitig Tag: «Ein drittes, das ich zu verkündigen gründet, der den Namen trägt ‹Zweig Anlaufstelle für alle Besucher war. Hier habe heute noch, das ist dieses, dass ja am Goetheanum›. Selbstverständlich liefen die Fäden zusammen und es endlich einmal hier in Dornach auch ein wird jeder Mitglied dieses Zweiges wer- vermischte sich wohl vieles, was aber Zweig der Anthroposophischen Gesell- den können, der es vorzieht, Mitglied nicht negativ zu bewerten ist, sondern schaft gegründet worden ist. Es ist schon dieses Zweiges zu werden, statt Mitglied als ein Zeichen für die Verwobenheit notwendig geworden, weil immer wie- eines anderen Zweiges zu sein.»5 des Zweiges mit dem ganzen Gesche- derum Leute an einen herangekommen Es war ein für alle Besucher des hen um das und am Goetheanum. sind, die eigentlich nur durch Dornach Goetheanums offener Zweig, aber der Als Roman Boos im Frühsommer 1921 an die anthroposophische Bewegung Kern blieb in Schweizer Hand. Zu- erkrankte, übernahm sein Sekretär Wil- herangekommen sind und die nun auch nächst hört man nicht viel vom Zweig- ly Storrer sein Tätigkeitsfeld. In Juli 1922 Mitglieder werden sollen. Immer war leben; das Zweigsekretariat war im trat Willy Storrer vom Zweigvorstand zurück, um mit Willy Stokar zusammen einen Zweig mit dem Namen «Neue Ge- Die ersten Grundlagen für eine Geschichte des Zweiges am Goetheanum verdanken wir Jan und Ursula Pohl. neration» zu gründen, dessen Leitung 1 Dr. med. dent. Emil Grosheintz (1867–1946) hatte schon 1906 den Paracelsus-Zweig in Basel mitbegrün- er übernommen hatte. Inwiefern die det und ab1908 arbeitete er mit im Vorstand der deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft. Spannungen, die Mitte 1922 aufgetreten Im Dezember 1914 war das Ehepaar Grosheintz Trauzeuge bei der Vermählung von Rudolf Steiner und Marie von Sivers. waren, Storrers Entscheidung mitpräg- 2 Für eine ausführliche Darstellung siehe N. Grosheintz-Laval, S 143 f., in Erinnerungen an Rudolf Steiner. ten, muss unbeantwortet bleiben. Das Gesammelte Beiträge aus den Mitteilungen der anthroposophischen Arbeit in Deutschland, Hrsg. Erika Beltle und Kurt Vierl, Stuttgart 1979. Problem war, dass der Zweig zwar in- 3 Mitteilungen aus dem anthroposophischen Leben in der Schweiz, Sonderheft 7, Weihnachten 2003: ternational ausgelegt war, oft jedoch die Elisabeth Vreede. 1879–1943, S. 24 f. Carl Unger war Vorstandsvorsitzender der Anthroposophischen Gesellschaft mit Sitz in Stuttgart. «Ausländer» bei den Versammlungen in 4 Ascona, Basel, Bern, Locarno, Neuenburg, St. Gallen und Zürich. Dornach dominierten, sodass die Frage 5 Ansprache Rudolf Steiners (Archiv) vom 12.9.1920. 6 Rudolf Steiner, Ansprache vom 12.9.1920. im Raum stand, ob dieser Zweig eigent- 7 Archivmaterial. lich zur Schweizer Landesgesellschaft 8 Dito. gehörte – oder sich nicht lieber von ihr 9 Beides in GA 260a, Die Konstitution der AAG, Dornach 1966, S. 410 ff. 10 Dito, S. 413 f. trennen sollte, um seiner Internationali- 11 Dito, S. 416 ff. tät gerecht zu werden. 12 Dito, S. 421. 13 Brief des Sekretariats des Anthroposophischen Zweiges am Goetheanum von Juni 1928. Rudolf Steiner sagte dazu: «Allein es 14 Die «Denkschrift» von 1935 führte zum Ausschluss von I. Wegman, E. Vreede u.v.m. Siehe J. E. Zeylmans ist ja vorauszusetzen, dass sich in die- van Emmichoven, «Wer war Ita Wegman?», eine Dokumentation, Band 3, Heidelberg 1992, S 259 ff. An ihr waren einige Mitglieder beteiligt, die auch dem Vorstand des Zweiges am Goetheanum angehörten, sem Zweig eine recht internationale Ge- wie z. B. Dr. C. Bessenich, Dr. O Fränkl, Jan Stuten. sellschaft zusammenfindet.»6 Das hatte 15 Englert war u. a. Schulgründer der Rudolf Steiner Schule Zürich, ebenso gründete er die Zeitschrift «Die Menschenschule», die viele pädagogische Vorträge Rudolf Steiners zugänglich machte. Die RSS dann später zur Folge, dass der Zweig Zürich wurde zu einer Art Sammelbecken vieler Menschen, die Marie Steiner in der Nachlassfrage am Goetheanum zwischen zwei Stühle unterstützten. Im Jahre 1943 wurde die «Rudolf Steiner Nachlassverwaltung, Verein zur Verwaltung des literarischen und künstlerischen Nachlasses von Dr. Rudolf Steiner» als unabhängige Institution von geriet; er gehörte der schweizerischen Marie Steiner, der Erbin von Rudolf Steiners Nachlass, gegründet. Landesgesellschaft an, hatte aber kein «Anthroposophie – Schweizer Mitteilungen» September, IX 2020 Inhalt / Table / Indice Publikationsorgan der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz. Ronald Templeton: 100 Jahre Zweig am Goetheanum 1 Unabhängige Beilage zur Wochenschrift «Das Goetheanum», Nr. 35, 28. August 2020. Im Gedenken an Gabriele Gerretsen-Remer (Ilona und Andrea Gerretsen) 5 Redaktionsschluss für Oktober 2020: 9.9.2020 Redaktion: Konstanze Brefin Alt, Peter Selg: La vision sociale dans les «Lettres aux Membres» 6 Thiersteinerallee 66, 4053 Basel, Fon 061 331 12 48, kbrefinalt[ät]anthroposophie.ch. Aus der anthroposophischen Arbeit in der Schweiz / Délai de rédaction pour octobre 2020: 9-9-2020 Rédaction francophone: Catherine Poncey, Du travail anthroposophique en Suisse 10–15 63 rte de la Tsarère, 1669 Les Sciernes-d’Albeuve, c.poncey[ät]bluewin.ch. Hinweise / Informations 15/16 Die Meinung der Autoren muss sich nicht mit der- u.a. Michaelitagung zum Menschheitsrepräsentanten und dem jenigen der Redaktion decken. Die Rechte an den eingesandten Texten bleiben bei den Autoren. «Fünften Evangelium», Goetheanum, 26.–27. Sept. Einzelabonnement: Sekretariat der Anthroposophi- Feier zum 100-Jahr-Jubiläum der Landesgesellschaft, 25. Okt. schen Gesellschaft in der Schweiz, Oberer Zielweg 60, Delegierten- und Zweigvorstände-Konferenz, 25. Okt. 16 4143 Dornach, 061 706 84 40, Fax 061 706 84 41, info[ät]anthroposophie.ch. Congrès du Michael au sujet du Représentant de l’humanité Auflage (Stand Mai 2020): 2400 Exemplare. Papier: RecyStar® Natur, 100% Altpapier. et le «Cinquième Evangile», Goetheanum, 26–27 sept. Druck: Birkhäuser+GBC, Reinach/BL. Fête pour le jubilé des 100 ans de la Sociéte suisse, 25 oct. Weitere Informationen unter: Conférence des délégués et responsables de branches, 25 oct. 16 https://www.anthroposophie.ch/de/gesellschaft/ publikationen/schweizer-mitteilungen.html 2 Anthroposophie – Schweizer Mitteilungen, IX 2020
Stimmrecht, und gleichzeitig war er fert9. Deshalb will ich hier nur kurso- Weiterentwicklung nach nicht an die Berliner Zentrale ange- risch auf die damaligen akuten Fragen Rudolf Steiners Tod schlossen. eingehen. Im Juni 1928 unterschrieb der Zweig- Am 8. Dezember beschwerte sich vorstand einen Aufruf13 an die Mitglie- Das Tätigkeitsfeld die Anthroposophische Gesellschaft der, um für den Ausbau des Zweigrau- des Zweiges am Goetheanum in der Schweiz über die Ausländer- mes innerhalb des neuen Goetheanums «Im Herbst und Winter 1921 und im dominanz und stellte die Frage, ob die nötigen Mittel zur Verfügung zu Frühjahr 1922 beteiligte sich der Zweig der Zweig nicht von ihr abgesondert haben. Das auszubauende Zweiglokal am Goetheanum an zahlreichen Ver- werden sollte. Aber nach längerer Dis- sollte auch als Empfangsraum dienen. anstaltungen, die zum Teil gemeinsam kussion «ist die Sache in der friedlichs- Diese räumliche Erweiterung war mit dem Paracelsus-Zweig in Basel ten Weise geordnet worden», so Rudolf nicht möglich; der Zweig erhielt nur ei- und vom Bund für Dreigliederung in Steiner am 21. Januar 1924, denn es nen kleinen Raum im Goetheanum zu- Dornach und Basel durchgeführt wur- «ist Herrn Dr. Grosheintz als Vorsitzen- gesprochen, der als Sekretariat diente. den. Zusammen mit dem Basler Zweig dem des Zweiges am Goetheanum zu Aus den überlieferten Dokumenten er- wurde auch ein Einführungskurs in allerhöchstem Verdienste anzurechnen, fahren wir sonst keine erwähnenswer- die Anthroposophie von Dr. Ernst Blü- dass er seinerseits eine ganz präzise ten Geschehnisse im Zusammenhang mel veranstaltet.»7 Ende April und im Stellung eingenommen hatte, diejenige mit dem Zweig in den 20er-Jahren, September 1922 wurden Vortragszyk- nämlich, dass es doch nicht angängig abgesehen davon, dass der Neubau len von Rudolf Steiner vom Zweig am ist, in einer radikalen Weise den Zweig des zweiten Goetheanums bewältigt Goetheanum organisiert. «Besondere am Goetheanum von der Anthroposo- werden wollte, Grosheintz seit 1925 für Zweigabende sind deshalb nicht ein- phischen Gesellschaft in der Schweiz die Bauadministration zuständig war gerichtet worden, weil Herr Dr. Steiner abzulösen.» «Und dank aller dieser Um- und diese Jahre, finanziell gesehen, in den Zeiten seines Dornacher Aufent- stände (…) dürfen wir sehr froh sein, schwierige Jahre waren. haltes jeweilen Freitag, Samstag und dass der Zweig am Goetheanum in der Erst in den 1930er-Jahren, als die Sonntag Abend am Goetheanum Vor- Anthroposophischen Gesellschaft in der AAG in die erste grosse Gesellschafts- träge für die Mitglieder hält.»8 Schweiz nunmehr drinnen ist und dass krise hineinschlitterte, wird wieder auch vollständige Klarheit über dieses Bewegung bemerkbar. Zunächst stellt Die Bibliothek sein Drinstehen herrscht.»10 sich der Zweig eindeutig hinter Al- am Goetheanum Da der Zweig in Dornach die An- bert Steffen und Marie Steiner. Emil Ein anderer Aspekt seiner Interna- laufstelle für diejenigen war, die Mit- Grosheintz hatte sich an der ominösen tionalität bildete die Bibliothek am glied werden wollten, so lag es auf «Denkschrift»14 beteiligt, die wesent- Goetheanum, initiiert von Elisabeth der Hand, dass seine Aufgaben nach lich dazu beitrug, dass Ita Wegman Vreede, einem Gründungsmitglied der Weihnachtstagung zunahmen. und Elisabeth Vreede aus der Gesell- des Dornacher Zweigs. Die Dornacher «Damit aber erwächst dem Zweig am schaft ausgeschlossen wurden. Damit anthroposophische Bibliothek wurde Goetheanum in allererster Linie die kehrte aber keine Ruhe ein, denn Ende unmittelbar nach der Weihnachtsta- Aufgabe, nun diese Neuorganisation der 30er-Jahre begann die nächste gung (1923) vom Zweig dem Verein der Anthroposophischen Gesellschaft Gesellschaftskrise akut zu werden. des Goetheanums als Eigentum über- voll und mustergültig für alle andern Das manifestierte sich in einem Pro- tragen. Die Kosten wurden geteilt, der Gruppen in der Welt zu verstehen. Denn testbrief von Frau Grosheintz, den sie Verein übernahm die Ausgaben für der Zweig am Goetheanum ist ja sozu- an die Vorsitzenden der Zweige in der das Mobiliar, die Versicherung, Rei- sagen in allernächster, unmittelbarster, Schweiz schickte, worin sie sich gegen nigung, Heizung und Beleuchtung, intimster Verbindung mit dem, was hier Vorwürfe der Herren C. Englert-Faye während der Zweig alle Kosten der am Goetheanum geleistet werden soll und J. Waeger15 verwahrte. Die Testa- Bibliotheksverwaltung, der Bücheran- (…), das ist, sich verpflichtet zu fühlen, mentsfrage und folglich die Frage der schaffung und eventuelle Gehälter zu diejenigen Freunde, die von auswärts Rechte am Werk Rudolf Steiners war tragen sich verpflichtete. Lesegebüh- hierherkommen, in einer nicht nur kon- schon unmittelbar nach dessen Tod ren und Spenden flossen dem Zweig zilianten, sondern herzlichen Weise zu gestellt worden, jetzt war sie wieder zu. Für den Verein unterschrieb Emil empfangen und herzlich mit ihnen zu virulent. Alle Schweizer Zweige wur- Grosheintz‚ für den Zweig Elisabeth sein (…), gerade so (zu) fühlen, wie sich den in den Zwist hereingezogen. Emil Vreede und für die Bibliotheksver- einer, der Leute zu sich eingeladen hat, Grosheintz schrieb in einem Brief vom waltung Hanna Günther. Aus diesem verpflichtet fühlt, die Leute in entspre- 19. Dezember 1939 an alle Vorsitzen- Grund hat es immer eine besondere chender Weise zu empfangen.»11 Rudolf den der anthroposophischen Zweige Beziehung des Zweiges zur Bibliothek Steiner sprach von einem «Lächel-Ko- in der Schweiz: «Um des Friedens und gegeben. mitee»: «Gewiss, diese Höflichkeit wird der ungestörten anthroposophischen Schale sein, aber wenn sie wirklich da Arbeit willen richtete der Vorstand des Die 2. Generalversammlung sein wird, so wird sich immer mehr und Zweiges am Goetheanum am 5. Okto- des Zweiges am Goetheanum mehr schon auch der Kern finden.»12 ber an den Vorstand des Zürcher Zwei- Erst am 21. Januar 1924 fand die 2. Inwiefern sich der Zweig in dieser ges einen Appell: den Konflikt nicht wie- Generalversammlung unter dem Vor- Hinsicht bewährt hat, lässt sich nicht der aufleben zu lassen.»16 sitz von Rudolf Steiner statt. Von dieser feststellen. Gewiss kann man aber da- Leider führte der erwähnte Brief zu Versammlung sind eine ausführliche von ausgehen, dass vielen Mitgliedern keiner Übereinstimmung. Am 24. Juni Berichterstattung und eine längere Rudolf Steiners Anliegen auch ein ei- 1943 nahm Marie Steiner zum letzten Ansprache Rudolf Steiners überlie- genes Anliegen wurde. Mal an einer gemeinsamen Vorstands- Anthroposophie – Schweizer Mitteilungen, IX 2020 3
sitzung der AAG teil, nachdem der mist das gleiche Musikstück individu- gremiums20 aufgrund der Interviews «Verein zur Verwaltung des literari- ell eurythmisch. Aber die Zuschau- die Gelegenheit erhalten, sich gegen- schen und künstlerischen Nachlasses enden schienen weder offen für eine seitig näher kennen zu lernen. Die von Dr. Rudolf Steiner, Dornach» am 3. unbefangene Wahrnehmung noch für Interviewer waren biografisch immer Juni 1943 gegründet worden war. einen Austausch über ihre Eindrü- gut vorbereitet, denn es gab vorberei- Im Jahr 1942 legte Emil Grosheintz cke, über die Wirkung der jeweiligen tende Gespräche mit den Ehepartnern den Zweigvorsitz nieder, blieb noch künstlerischen Ausarbeitung. Diese oder Angehörigen des zu Interviewen- ein Jahr als Ehrenvorsitzender und Offenheit ergab sich dann zwanzig den. Leider stiess das Unternehmen zog sich dann zurück. Er starb in As- Jahre später in Zusammenhang mit auf wenig Interesse. Auch ob die Ver- cona am 24. Oktober 1946. der Sprachgestaltung. schriftlichung der Interviews im «Wo- Als Wolfgang Held die Zweiglei- chenblatt» von den Kollegen gelesen Nach dem Zweiten Weltkrieg – tung übernahm, fanden wiederum wurden, lässt sich schwer sagen. die junge Generation grosse Veränderungen statt. Einige Danach kehrte wieder eine gewisse Im Nachlasskonflikt schlug sich der Jahre zuvor hatte Ursula Zimmer- Ruhe bezüglich der Experimente ein. Zweig eindeutig auf die Seite des Goe- mann18 schon eine Arbeitsgruppe aus Die Zweigarbeit bewegte sich nun um theanums, vor allem vertreten durch Zweigmitgliedern gebildet, die paral- die «Apokalypse des Johannes», um die Person Karl Days. Es hatte schnelle lel zu den Vorträgen im Grundstein- die «Ich bin»-Worte, um die Grund- Wechsel im Vorstand gegeben und erst saal intensiv und gesprächsweise die pfeiler des Christusverständnisses, allmählich konnte man sich wieder «Leitsätze» studierte. Die Form der bevor wir uns den Mysteriendramen auf die anthroposophische Arbeit kon- Gesprächsarbeit wurde dann auch mit zuwandten. Erkenntnisfragen wurden zentrieren, bis in den 80er-Jahren jun- etwas Verzögerung vom Zweig über- ebenso erörtert wie die Entwicklung ge Mitglieder der Nachkriegsgenerati- nommen, zum grossen Leidweisen einer Gesprächskultur gepflegt, was on, Andreas Heertsch, Martin Barkhoff vieler Mitglieder, die die wöchentliche mit dem Studium der «Zwölf Weltan- und Nana Goebel, Erneuerung brach- Wochenspruch-Eurythmie und die schauungen» vertieft wurde. Die akti- ten. Die älteren treuen Zweigverwalter Teilnahme an den Vorträgen vermiss- ve Zweigrunde wuchs wieder. Aus der traten zurück und eine Wachablösung ten. Eine gewisse Kompensation ergab Leitsatz-Gruppe bildete sich eine neue fand statt. Die Zweigtätigkeit hatte sich durch die Initiative von Ursula Initiative, die sich später als Christian sich im Lauf der Zeit immer mehr in Zimmermann und Thomas Didden Morgenstern-Zweig formierte. Richtung Vorträge im Grundsteinsaal zur Vertiefung der Wochensprüche in Die neueste Initiative bestand dar- verschoben. Andreas Heertsch war Sonntagsmatineen. in, dass der Dialog zwischen den Dor- Zweigleiter geworden und er sprudel- Der Zweig schrumpfte mittlerweile nacher Mitgliedern und dem Vorstand te vor Erneuerungsideen. Vor allem rasant und für eine gewisse Zeit sah der AAG gesucht wurde. Anfänglich war es seiner Initiative zu verdanken, es so aus, als ob er sich nicht wieder verlief er noch etwas harzig, aber in- dass der Zweig in der Umgebung auch beleben liesse, was für Heinz Zimmer- zwischen kommen wir gut miteinan- bekannter wurde, z. B. durch die «Dor- mann der Anlass war, uns zu fragen, der ins Gespräch. nacher Gespräche» mit Vertretern der ob wir nicht eine neue Gemeinsamkeit Eine andere Initiative des Zweiges, katholischen und der reformierten aufbauen wollten. Das geschah dann das «Zweigforum zu aktuellen Gesell- Kirche. Das weitete sich dann zur Be- doch nicht; um den Zweig am Goethe- schaftsfragen», kam nicht richtig vor- gegnung mit anderen Kirchenvertre- anum wieder zu beleben, wurden Po- an, war man es doch nicht gewohnt, tern und gipfelte in der Darstellung diumsgespräche zu aktuellen Themen die Dinge miteinander in gegensei- von Yonassan Gerschom, «Kehren die im Umkreis der Anthroposophie in tiger Wertschätzung zu besprechen; Opfer des Holocaust wieder?».17 Hier der Wandelhalle eingerichtet. Es war bislang wurden sie einseitig in An- ging es konkret um die Auseinan- der Versuch, eine neue Form zu ent- trägen an der Generalversammlung dersetzung mit dem Phänomen, dass wickeln, aber diese Form sagte dann zum Ausdruck gebracht. Dieses Ins- immer mehr junge Menschen von Er- auch wieder nicht zu. Gespräch-Bringen der unterschied- lebnissen während des Holocausts er- Aber der Innovationswille, auch lichen, divergierenden Auffassungen zählten. Die Reinkarnationsfrage wur- nachdem Ronald Templeton die Zwei- und Interpretationen wird verschie- de greifbar. Nicht weniger spektakulär gleitung 2006 übernommen hatte, war dentlich als Herausforderung aus der war ein Abend mit Arthur Zajonc und ungebrochen. In der ersten Jahreshälf- Zukunft erlebt. Tho Havinh über die Begegnung von te 2007 wurden alle Vorstandsmitglie- Als Joan Sleigh die Verantwortung Anthroposophen mit dem Dalai Lama der und Sektionsleiter am Goethea- für die Zweigarbeit vonseiten des und dem Buddhismus. Ebenso ist der num von je zwei Menschen interviewt. AAG-Vorstandes übernahm, wurde Besuch von George G. Ritschie zu er- Danach wurden die Interviews ausfor- der Zweig am Goetheanum aktiv mit- wähnen, der von seinen Nahtoderfah- muliert und in der Wochenschrift «Das gestaltend einbezogen. Es ging um die rungen erzählte. In Andreas Heertsch Goetheanum» publiziert19. Die Idee Neuausrichtung der Zweige, indem lebte ein eindeutiger Bezug zu erleb- war, dass die Mitglieder des Leitungs- man Klausuren mit den Zweigverant- barer Anthroposophie. Dann gab es ein ganzes Sommertri- mester lang die Auseinandersetzung 16 Brief vom Vorstand des Zweiges am Goetheanum an den Vorstand des Zürcher Zweiges. Archiv am Goetheanum. mit der modernen Musik, mit Kom- 17 Was Yonassan Gerschom unter diesem Titel als Buch im Verlag am Goetheanum, Dornach 1997, publizierte. ponisten und Musikwissenschaftlern. 18 Jüngere Mitglieder haben dann später mit der Unterstützung von Ursula und Heinz Zimmermann den Dag Hammerskjold Zweig initiiert. In einem Experiment interpretierten 19 Es wurde möglich durch eine Spende der «Iona Stichting» in Amsterdam. zwei Eurythmistinnen und ein Euryth- 20 Vor einigen Jahren wurde das Leitungsgremium aus Vorstand und Hochschulkollegium geschaffen. 4 Anthroposophie – Schweizer Mitteilungen, IX 2020
wortlichen organisierte und durch- Jetzt, wo der Zweig am Goethea- sen und die Standortbestimmung sind führte. Das Thema lag in der Luft, num mit einer Feier auf sein hundert- gemacht. Die kommende Klausur, denn es wurde sowohl von der schwei- jähriges Bestehen zurückblickt, steht wahrscheinlich im Spätherbst, wird zerischen wie auch von der deutschen die Zukunft der Zweigarbeit umso be- den nächsten Schritt in die Zukunft Landesgesellschaften aufgegriffen. deutender im Brennpunkt. Die Analy- anvisieren. die volle Verantwortung für den Haus- halt und den kleineren Bruder, da der Vater arbeitshalber abwesend war. Nach der Flucht aus der Ostzone wur- de die Familie 1949 auf dem Bauckhof freundschaftlich aufgenommen. Hier durften die Kinder zum ersten Mal seit Wochen wieder richtige Nahrung zu sich nehmen. 1952 wurde der Bruder Hubertus geboren, für den Gabriele wiederum viel Verantwortung übernahm. Na- hezu in einer Mutterrolle und müde während des Unterrichts, führte das aber nicht zu schlechteren Schulleis- Gabriele tungen. Gerretsen-Remer Mit 17 hatte Gabriele eine schwere Blinddarmentzündung. Sie erfuhr eine radikale Besserung nach einer einzi- 12. Februar 1937 · 14. November 2019 gen kräftigen Massagebehandlung durch Simeon Pressel, wodurch Ga- Gabriele Gerretsen wurde als erstes land zurück zum elterlichen Schloss, brieles Interesse an dem medizini- Kind von Dr. Dipl. Ing. Agr. Nicolaus wo Gabriele das Leben als Enkelkind schen Heilberuf geweckt war. Remer und Erika Remer, geb. Freiin der Gutsbesitzer intensiv miterlebte. Die Suche nach Erholung und ihr von Massenbach, im grosselterlichen Bald begannen die Entbehrungen grosses Interesses für die Landwirt- Schloss Pinne im heutigen Polen ge- der Kriegszeit. Man lebte auf verschie- schaft führten sie auf den Oswald-Hof boren. denen landwirtschaftlichen Betrieben. in Klarsreuti, wo sie bei Demeter- Der Vater, Nicolaus Remer, war Gabriele fühlte sich schon bald für die Bauern während eines Jahres die durch seinen Vater auf Arbeiten Ru- kleineren Brüder verantwortlich. Dies Grundlagen der Landwirtschaft und dolf Steiners zur Frage des Kiesels in war besonders schwerwiegend, als landwirtschaftlichen Hauswirtschaft der Boden- und Humusqualität auf- der kleine Bruder Engelhardt plötzlich in schweizerischer Qualität lernen merksam gemacht worden und hatte verstarb und Gabriele dies, obwohl es durfte. Bald war es Gabriele aber klar sich ganz der biologisch-dynamischen keine objektiven Gründe dafür gab, geworden, dass sie als Frau in der Landwirtschaft und Forschung ver- als ihr eigenes Versagen im Bewachen landwirtschaftlichen Umgebung nicht schrieben. Auch war er sehr an neuen des Kindes erleben musste. Während genügend Einfluss auf ihre eigene Zu- Sozialformen im Umgang mit Bodenbe- der Kriegszeit lebte die Familie in kunft und Arbeit würde nehmen kön- sitz interessiert. Damit war es schwie- Berlin, wo die Kinder als Kuriere der nen. Sie liess sich zur medizinischen rig, während der späten 1930er-Jahre anthroposophischen Untergrundbe- Fusspflegerin und Masseurin/Bade- und in den Kriegsjahren eine Arbeit zu wegung oft tagelang in der Stadt un- meisterin ausbilden. Später holte sie finden, die auch eine wachsende Fa- terwegs waren. Früh fühlten sie, dass das Abitur an der Waldorfschule Han- milie ernähren konnte. So sah sich die die Mutter keine Sympathien für die nover nach, um dann zu studieren. Es Mutter gezwungen, für den Unterhalt herrschende Regierung aufbrachte. In bedeutete, sich gegen den Wunsch des der Familie aufzukommen, was sie den Bombennächten mied die Mutter Vaters, Gabriele weiterhin an seiner anfangs mit Betreuungsaufgaben und die Schutzkeller, um die Kinder nicht Seite für die landwirtschaftliche For- später mit selbstständiger Tätigkeit als der Angst, die unter den Menschen schung und den Haushalt der Familie medizinische Masseurin/Bademeiste- dort herrschte, auszusetzen. Bei Si- zu haben, aufzulehnen Dies wurde rin jahrzehntelang ausführte. renenalarm liefen Gabriele und Rai- dann auch akzeptiert, aber nicht fi- Ein gutes Jahr nach Gabriele wur- mund schnell zur Mutter nach Hause, nanziell unterstützt. de der Bruder Raimund, weitere zwei um dort aus der geliebten Bilderbibel Ihr Ziel war, Tiermedizin zu stu- Jahre später Engelhardt geboren. vorgelesen zu bekommen. dieren. Durch ihre Grundausbil- Zu Raimund bestand von Anfang an Nach Kriegsende lebte die Familie dungen in einem Heilberuf und nach eine enge und innige Beziehung. Die in der Ostzone. Schwer erkrankt war einem Praktikum in einer Arztpraxis Mutter reiste zur Geburt der Kinder die Mutter ein Jahr ans Bett gebunden. in der Nähe von Kiel bekam sie dann jeweils aus dem westlichen Deutsch- Die neunjährige Gabriele übernahm jedoch ein Stipendium zum Studi- Anthroposophie – Schweizer Mitteilungen, IX 2020 5
um der Humanmedizin, welches sie Durch die Geburt der Töchter Sylvia werden. Zugleich war die Pflege ihrer dankbar entgegennahm. Mit viel Be- Andrea (1970) und Paula Ilona (1976) Eltern und das Leben im Zusammen- geisterung begann sie das Studium in erwuchs bei Gabriele der feste Ent- hang mit einer landwirtschaftlichen Göttingen. Ein zweimaliger Studien- schluss, eine neue Art der Geburtshilfe Gemeinschaft möglich. Die Nähe zum platzwechsel nach Hamburg und Ber- auszuüben und zu lehren. Mit tatkräf- geliebten Bruder Raimund erlebte sie lin kam der Lebenserfahrung zugute tiger Unterstützung durch Herrn Dr. als herzerwärmend, enorm stützend und ermöglichte Gabriele, parallel PD Ernst Theodor Rippmann, Basel, und schicksalshaft. zum Medizinstudium auch das erste konnte eine geburtshilfliche Abteilung Hier begannen sich dann langsam Jahr der Eurythmieausbildung in Ber- an der Ita Wegman-Klinik eröffnet die Zeichen der demenziellen Erkran- lin bei Frau Reisinger zu absolvieren. werden. Im Laufe der folgenden Jah- kung zu zeigen, die aber bis zu Gab- Im Anschluss ans Studium folgten ei- re erblickten dort an die 3000 Kinder rieles 70. Geburtstag noch kein Hin- nige Jahre Assistenzarzttätigkeit im das Licht der Welt. Durch Antons un- derungsgrund für die Fortsetzung der Norden, wo man billig bei den Eltern terstützende Anwesenheit sowohl zu ärztlichen Tätigkeit war. Neben einer wohnen und parallel im Labor und auf Hause als auch in der Klinik konnte sie erblichen Belastung – die Schwester Forschungs- und Ausbildungsreisen die Doppelbelastung mit Familie und ihres Vaters hatte an der gleichen Er- mithelfen konnte. Arbeit meistern und an beiden Orten krankung gelitten – sah sie ihre kon- Im Jahr 1967 erfolgte der Umzug innerlich und äusserlich immer zum stante Überlastung mit Schlafmangel nach Arlesheim, um sich einige Zeit richtigen Zeitpunkt völlig präsent sein. und pausenloser Anspannung min- weiter in die anthroposophische Me- Ende der 1990er-Jahre folgten destens als Mitursache für die Erkran- dizin zu vertiefen. Schon bei ihrem Gabriele und Anton, der schon eini- kung an. Der ständige Wunsch und die ersten Besuch in der Ita Wegman-Kli- ge Jahre pensioniert war, der Anfra- Liebe, Hilfe zu leisten und für andere nik war sie dort Anton Gerretsen vor- ge ihrer Eltern nach Amelinghausen da zu sein, war aber bis in die letzten gestellt worden, dessen ruhige, milde in den Norden Deutschlands. Hier in Wochen ihres Lebens sicht- und spür- und liebevolle Art sie sehr beeindruckt der Nähe des Bauckhofes konnte in bar und hatte sie trotz ihrer schweren hatte. Bald vertiefte sich die Beziehung kleinerem Rahmen die ärztliche und Krankheit nie verlassen. der beiden und 1969 wurde geheiratet. geburtshilfliche Tätigkeit fortgesetzt Ilona und Andrea Gerretsen La vision sociale dans les «Lettres aux Membres» Peter Selg cadence de la Société après 1918; des «projets» et des «pro- grammes» très prometteurs ont été lancés dans le monde Un nouveau départ face aux ruines mais leurs responsables n’ont pas tenu la route, manquant Juste deux semaines après la clôture du Congrès de Noël, d’une «volonté de fer». «On s’est hâté de programme en pro- le 13 janvier 1924, parut pour la première fois la feuille gramme; on entendit de grandes paroles comme on n’en d’information (Nachrichtenblatt) interne «Ce qui se passe avait jamais entendu auparavant dans la Société anthro- dans la Société anthroposophique». Elle contenait le texte posophique; des méthodes de travail ont été introduites: de Rudolf Steiner: «La formation de la Société anthroposo- en fait des non-méthodes.»1 Entretemps, les adversaires de phique universelle par le Congrès de Noël 1923». Ensuite, l’anthroposophie se seraient emparés des écrits anthroposo- Rudolf Steiner introduisit chacun des numéros suivants de phiques, les auraient cités de façon sélective, sortis de leur ce complément de l’hebdomadaire «Das Goetheanum» par contexte jusqu’à en faire une absurde caricature, et dépré- une lettre «Aux Membres!» dans laquelle il s’exprimait sur ciés en public. Cependant, comme Rudolf Steiner l’a maintes des questions principales et sur les buts principaux de la fois souligné, la grande majorité des anthroposophes se Société mais informait aussi de ses activités et des cours seraient beaucoup trop peu intéressés à ce processus de qu’il donnait. destruction, à toutes les «objectives non-vérités» que les Replaçons-nous dans la situation: le Goetheanum était ennemis de l’anthroposophie répandaient. Ils auraient sim- complétement détruit, une ruine totale. Il en allait de l’être plement poursuivi leurs études dans leurs branches et leur ou du non être de la Société anthroposophique, de la résur- vie anthroposophique personnelle – et auraient perdu toute rection ou de la complète disparition. C’était les «derniers véracité de par cette ignorance et ce manque d’engagement espoirs» pour la Société que Rudolf Steiner posait dans le pour la protection de l’anthroposophie. «Tant que nous Congrès de Noël, comme il l’écrivit à Marie Steiner juste sommes nos propres ennemis intérieurs, nous n’avons pas avant Noël. Le noyau de la Société était-il encore vivant à nous étonner qu’une redoutable adversité nous attaque de – ou bien aussi détruit que le bâtiment à la vue duquel le l’extérieur. Car nous nous trouvons là, n’est-ce pas, sur un congrès eut lieu? En 1923, un an après l’incendie, dans le temps précédant 1. Rudolf Steiner, L’Année du destin 1923 dans l’histoire de la Société anthropo- le Congrès de Noël, Rudolf Steiner a maintes fois répété que sophique. De l’incendie du Goetheanum au Congrès de Noël (1923), GA 259, la reconstruction du Goetheanum n’avait de sens qu’avec non traduit. 2. Idem. un renforcement intérieur, une consolidation interne de la 3. Rudolf Steiner, Science terrestre et connaissance céleste (1923), GA 221, EAR Société. Que la Société avait absolument besoin de force et 2011, 1e conférence. 4. Voir note 1. de volonté si elle voulait subsister. Et il a sans cesse rappelé 5. Rudolf Steiner, La Fondation de la Société anthroposophique (1924–1925), les erreurs des dernières années et – selon ses mots – la dé- GA 260a, EAR 1999, juin 1924. 6 Anthroposophie – Schweizer Mitteilungen, IX 2020
terrain occulte.»2 À propos de la Société anthroposophique, part, posa la pierre de fondation d’une nouvelle «Société de Rudolf Steiner se demandait à la fin de sa vie si ce processus sentiment» – dans le cœur des hommes et en prit lui-même pouvait encore être inversé. La Société pouvait-elle encore la direction, lui qui jusque-là avait été un maître spirituel une fois devenir une «réalité», un organe agissant de l’an- libre. Ce dont la nouvelle Société avait besoin – c’est ce throposophie; pas une famille ni une association, mais un dont traitaient et traitent ses lettres aux membres depuis instrument social et spirituel pour l’agir de l’esprit du temps janvier 1924. J’aimerais maintenant évoquer quatre des Michael? La Société pouvait-elle encore une fois intensifier qualités requises pour le développement de cette société. la véritable anthroposophie en elle, dans les rangs de ses membres, dans chaque individu et dans la communauté, 1. La vie dans le «courant vivant d’être humain à être humain»? Une C’est d’une «nouvelle vie anthroposophique» dans la So- nouvelle société pouvait-elle surgir avec un nouveau sens ciété anthroposophique dont il s’agit dès lors, comme le de la véracité et de la fraternité, pour la compréhension des montrent clairement les lettres – et cela par le fait que la autres hommes, une société de la confiance réciproque – Société en tant que telle doit d’abord trouver le «rapport au lieu de sombrer? Une société de la reconnaissance réci- juste à l’anthroposophie». C’était là la chose la plus impor- proque, de la perception des réalisations de l’autre, de sa tante et la plus primordiale: la vie de l’anthroposophie contribution particulière et indispensable au tout – au lieu dans la Société, sa vie ésotérique aimerais-je dire. Com- d’une société de concurrence égoïste? Une société qui est ment vit l’anthroposophie dans une société, de quoi a-t-elle pénétrée d’une «spiritualité commune» et dans laquelle tout besoin? Elle a besoin d’êtres humains qui l’intériorisent, ce que les individus réalisent est fait avec amour et intérêt qui l’accueillent profondément dans leur être le plus pro- jusque dans les tâches les plus pratiques? Dans la mesure où fond, pas seulement en tant que «système de connaissance» tout cela n’arriverait pas dans un proche avenir, tout serait mais comme vie dans les coeurs, comme vie spirituelle ou bientôt fini, même si cela devait se poursuivre encore exté- bien comme «vie qui s’écoule de l’esprit». Rudolf Steiner rieurement pour un temps – c’est ce que rappelait sans cesse écrit aux membres que le «trait principal» de l’anthroposo- Rudolf Steiner. À la vue des ruines de l’incendie et de l’état phie, c’est justement la «vie». Que l’anthroposophie vient extrêmement difficile de la situation politique et sociale en chez les hommes dans la «forme primordiale» de l’«idée» Europe, il parlait d’une nécessaire «volonté d’éveil», qui de- et s’adresse à leur discernement. Mais que cela concerne vait prendre place dans la Société anthroposophique et qui toujours la vie, une vie qui doit sans cesse être multipliée de là devait irradier dans la civilisation. L’Anthroposophie et renouvelée à partir de l’idée, au contact de l’idée et avec devait être représentée de façon juste par la Société et être l’idée, individuellement et dans la communauté, dans la portée par elle dans le monde; la Société anthroposophique discussion et l’intériorisation des contenus spirituels. Que devait être un «témoignage valable et vivant de la vérité inté- l’anthroposophie n’est pas une «chose pour les biblio- rieure de ce qui est anthroposophique»3; elle ne devait plus thèques» – et les livres qu’elles gèrent doivent aussi «deve- être un obstacle à l’anthroposophie mais la favoriser et la nir vivants dans l’acte de lire». À ce propos, Rudolf Steiner répandre, la porter à la connaissance et à la vue du monde. écrivit: «Elle (l’anthroposophie) doit chaque fois surgir de Il s’agissait, comme l’avait précisé Rudolf Steiner en façon nouvelle quand le cœur humain se consacre au livre février 1923 quelques semaines après l’incendie, d’une afin d’apprendre quelque chose d’elle. Cela n’est possible «revivification de la Société anthroposophique»; dans la que si le livre est ainsi écrit que l’auteur, en écrivant, a construction du Goetheanum et dans la communauté regardé dans les cœurs des autres hommes pour savoir d’urgence de la nuit de l’incendie, la Société a montré sa ce qu’il a à leur dire. Mais cela ne sera possible que si «stabilité» (Bestand), sa stabilité «du côté de l’amour qui l’homme en écrivant est aussi touché par la vie de l’esprit, collabore».4 Les hommes sont restés unis et se sont enga- et s’il devient ainsi capable de confier à l’écriture morte gés activement durant le long temps de construction et ce que l’âme du lecteur en quête d’esprit peut ressentir dans l’heure de la plus grande urgence; de principe, ils comme une résurrection de l’esprit à partir des mots. Il n’y étaient ainsi en mesure de le faire. Dans d’innombrables a de livres anthroposophiques que ceux qui peuvent deve- conférences et rencontres en 1923, Rudolf Steiner tenta nir vivants dans l’homme qui lit.»5 Rudolf Steiner dit aussi d’éveiller une compréhension parmi les membres pour un qu’on peut carrément tuer l’anthroposophie en la prenant nouveau départ radical de la Société dans ce sens; nous d’une façon purement intellectuelle, sans la participation savons cependant qu’avec les fonctionnaires et bien des du cœur humain. Mais que l’anthroposophie peut vivre si membres de la Société, il ne put pas aller très loin avec l’on va à sa rencontre avec «l’amour comme tonalité de cela. Je crois que la grande majorité ne l’a pas compris fond», avec le respect devant sa vie spirituelle. et qu’ils étaient d’avis que tout était globalement en ordre Nous le savons tous: à l’époque de ses lettres aux dans les branches et les comités; ils ne virent pas du tout la membres, Rudolf Steiner avait déjà depuis trois septaines vision de Steiner et les forces qui venaient à son encontre, tenu des conférences anthroposophiques et écrit des livres. ils ne virent absolument pas la grande urgence du temps Beaucoup de tout cela était publié, sous la forme des édi- et le combat puissant de Michael avec Ahriman. Ils étaient tions des «cycles» et siégeant sur les étagères des membres. satisfaits de leurs communautés d’études et de leurs fonc- Mais lors du Congrès de Noël et après encore, il a insisté tionnaires – du moins beaucoup d’entre eux. Au final, après pour que la littérature disponible devienne progressive- toute l’analyse des erreurs de l’année 1923 et du peu de ment et réellement la propriété spirituelle des membres, «volonté d’éveil», Rudolf Steiner s’orienta vers l’acte, tiré de qu’elle ne reste pas seulement un «savoir de tête» mais ses forces les plus profondes, parce qu’il ne lui restait plus qu’elle soit pensée à fond, sentie à fond, et accueillie dans rien d’autre à faire pour sauver le tout, mission du destin et la volonté. Le cœur des anthroposophes devait être revivi- communauté de destin, et pour le conduire vers l’avenir. Il fié par l’anthroposophie – plus intensivement que jamais réalisa la pose de la Pierre de Fondation d’un nouveau dé- auparavant. C’est là précisément à cet endroit que Rudolf Anthroposophie – Schweizer Mitteilungen, IX 2020 7
Steiner voyait le point de renversement de la situation – throposophie. La Société anthroposophique devrait deve- c’est à partir de là que le retournement devait s’engager et nir un cercle d’hommes actifs, qui fassent des affaires de le chemin vers l’avenir commencer, dans la connaissance l’anthroposophie et de sa société les leurs propres. C’est à de soi et dans une rencontre authentique, de moi à toi, avec partir de cela – de cette conscience pour le grand et le tout l’être Anthroposophie: «Laisse-moi entrer, car je suis toi- – que devrait se mesurer l’engagement pour l’anthropo- même; je suis ton véritable être.» C’est en cela, dans ce sophie, dans la discussion avec ses adversaires s’activant mouvement, que Rudolf Steiner voyait la vie future de la dans les médias, et dans d’autres domaines. À partir de la Société, la vie vers l’avenir – la vie et l’amour. conscience pour le grand et le tout, dans le dépassement Nous pouvons nous demander, soucieux et touchés: Est- de l’égoïsme privé, c’est ainsi que devrait grandir l’avenir. ce qu’alors tous les élèves des trois premières septaines, adonnés totalement à l’anthroposophie, ont fait tout faux? 3. L’efficacité N’avaient-ils qu’un «savoir de tête»? Non, ce n’était définiti- C’est ainsi, comme Rudolf Steiner l’a exprimé, que quelque vement pas ainsi – et personne d’autre ne le savait mieux que chose pourrait naître, une chose qui promet l’efficacité – Rudolf Steiner. Quand on lit ses nombreuses allocutions lors l’efficacité de la Société. La Société anthroposophique des cérémonies organisées à la mort de membres décédés, pourrait devenir un «témoin vivant» de la «vérité» de l’an- et parmi eux aussi beaucoup d’anthroposophes «inconnus» throposophie – aussi un «témoin vivant» de la vérité de ce qui n’avaient jamais tenu de grandes conférences ni écrit lieu que Rudolf Steiner a continué de soutenir de façon de livres, on se rend compte qu’il y avait depuis longtemps décisive avec le Congrès de Noël: le Goetheanum. Une So- des êtres humains qui laissèrent entrer l’anthroposophie de ciété anthroposophique renouvelée, vivante et consciente façon essentielle dans leur cœur. Et justement, c’était sou- d’elle-même et de ses tâches, devrait répondre pour la vent les membres «inconnus», les «silencieux au pays» (Stil- vérité du Goetheanum et elle devrait représenter effica- len im Lande) qui le faisaient dans la plus grande humilité, cement Anthroposophie. Rudolf Steiner a insisté sur le fait spirituellement et sans détour. Simplement, Rudolf Steiner qu’Anthroposophie a une tâche d’importance pour le pré- souhaitait cela pour tout l’ensemble de la Société, pour tous sent à accomplir à travers la «voix du cœur humain», qu’elle les comités, partout – et il ne s’en adressait pas moins aux ne serait même en elle – même rien d’autre que le «désir «représentants» et aux fonctionnaires, même s’il ne s’adres- ardent des hommes du présent». Pour la Société se tenant sait pas qu’à eux. C’est donc une nouvelle vie qui devait devant cet arrière-plan, être efficace devrait signifier en advenir «s’écoulant à partir de l’esprit...» première ligne «travailler de telle manière que les besoins des hommes puissent être saisis avec ardeur par ce qui 2. La conscience vient à eux en tant qu’anthroposophie», travailler de telle J’arrive au deuxième point, à la deuxième qualité du chan- manière que beaucoup d’êtres humains puissent trouver ce gement nécessaire qui joue un rôle considérable dans les qu’ils cherchent intérieurement et profondément. Devenir lettres aux membres, et je le traiterai plus succinctement. efficace signifierait pour une Société anthroposophique re- J’aimerais décrire cette qualité avec le mot conscience – fondée, revivifiée et éveillée à elle-même: saisir l’esprit de conscience pour l’anthroposophie (et sa vie), mais aussi la Pentecôte et le mettre en pratique, viser l’élargissement conscience pour l’être (Sein) et la nécessité d’une société du cœur afin de pouvoir parler avec tous les hommes dans pour l’anthroposophie, et je dirais même pour l’essence leurs «langages», «délier les langues» – la sienne propre et (Wesen) d’une telle société. Rudolf Stener a parlé de la tâche celle des autres. Rudolf Steiner espérait après le Congrès d’élever l’ensemble des membres jusqu’à une conscience de Noël une nouvelle façon de représenter l’anthroposo- commune de l’essence de la Société anthroposophique, phie, non dogmatique, directe et ouverte, non dissimulée jusqu’à un esprit réel et unique, qui devrait à l’avenir et franche. Un nouvel engagement, une nouvelle prise de s’écouler par la Société anthroposophique dans tout le connaissance de l’anthroposophie dans l’esprit de la Pen- mouvement anthroposophique. Il a clairement montré que tecôte, dans l’ouverture et le lien au monde, devrait deve- pour atteindre ce but, la Société devra se transformer fon- nir possible pour ce qui «à travers l’anthroposophie appa- damentalement – jusque dans ses branches. Là, on ne de- raît comme connaissance sur le monde spirituel, afin que vrait plus désormais y trouver des prestations narcissiques l’homme puisse acquérir un rapport humainement digne de personnes qui recherchent un podium et un auditoire avec ce monde»6 – dans l’estime positive de ce qui n’est pas personnels pour eux et pour leur compréhension subjec- anthroposophique et dans la conscience clairement éveil- tive de l’anthroposophie (et autres choses); «Des lieux où lée de la signification incontournable de l’anthroposophie l’on prend soin» de l’anthroposophie réelle devraient appa- et de sa Société pour l’avancée de la civilisation. raître, des lieux qui soient en contact les uns avec les autres et qui dépassent l’isolement dans lequel les branches ont 4. L’essence vécu jusqu’ici – «le chaos des différents groupes» comme Que cela réussisse, dans quelle mesure cela réussira, et la So- l’exprime Steiner. La Société anthroposophique devrait ciété anthroposophique elle-même subsistera aussi; elle va désormais – enfin! – devenir un organisme spirituel vivant toujours plus faire l’expérience et apprendre à comprendre, par le biais d’une activité commune ciblée, un organisme comme dit Rudolf Steiner, «ce qui vit à la base d’une telle d’êtres humains qui poursuivent ensemble un but spiri- communauté comme la Société anthroposophique et qui tuel commun, une communauté de travail spirituelle et est de nature cosmique-spirituelle»7, c’est-à-dire: La Société concrète, une Société avec un contenu spirituel concret et trouvera toujours plus l’accès à l’essence (Wesen) anthro- au contour clair – un contenu d’importance centrale pour posophique et à l’essence (Wesen) de l’École de Michael qui l’avenir de l’humanité terrestre. L’anthroposophie devrait est à la base de son être (Sein), son être en tant que société. à l’avenir vivre intensivement dans la communauté – et la Dans le cours du développement de la Société anthroposo- communauté devrait savoir ce qu’elle est et ce qu’est l’an- phique, tel que présenté ici, se trouve préfiguré le fait de 8 Anthroposophie – Schweizer Mitteilungen, IX 2020
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