Über-sinnlich - Evangelisch-reformierte Landeskirche beider ...
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magnet Kirchenblatt für die Evangelisch-reformierten Kirchgemeinden beider Appenzell AZB 9100 Herisau September 2020 Nr.7 107.Jahrgang t gefragt Solidaritä enser d e r h e it s kirche Wald Min Seite 13 mehr auf Über-sinnlich
Biblische Betrachtung Scheidung der Geister Unser Glaube findet Ausdruck im Geist des Respekts und der Solidarität. «Ich bin der Geist der stets verneint! / Und das mit Auch ich würde mich sehr freuen, wenn das soziale Recht; denn alles was entsteht, / ist werth daß es zu Leben wieder aufblühen würde und die derzeitigen Be- Grunde geht.» Mit diesen Worten stellt sich der Teu- schränkungen nicht mehr notwendig wären. Und fel in Goethes Werk Faust vor. Kein besonders ange- selbstverständlich beschleicht auch mich gelegentlich nehmer Zeitgenosse wie mir scheint. Dieser Geist die Angst, dass unsere Freiheitsrechte durch Corona hat kein Interesse am Bestehen der Welt oder am dauerhaft eingeschränkt werden könnten. Vorankommen der Menschheit. Dennoch tritt er im- Auf den ersten Blick scheinen die Argumente über- mer wieder an Menschen heran, macht ihnen Ver- zeugend: Hier spricht der Geist der Freiheit. Doch, sprechungen. Doch sein Tun dient dem Ziel, die Welt wenn ich genauer hinschaue, spricht hier doch jemand zugrunde zu richten. Der Geist der Verneinung tritt ganz anderes: Der Geist der Angst und der Verneinung. als treuer Freund und guter Ratgeber auf. Doch Diese beiden Geister sind schlechte Ratgeber. Denn sie letztlich appelliert er stets an den Egoismus des schauen nur auf das eigene Wohl, verneinen die Be- Menschen. dürfnisse der Mitmenschen. Im Endeffekt geht es vie- len Demonstranten ausschliesslich um die eigenen In- Bereits Jesaja weiss, wie trügerisch die Geister sind: teressen. Sie ignorieren die Bedürfnisse anderer: Ge- «Wenn sie aber zu euch sagen: Ihr müsst die Totengeis- sundheit, Sicherheit, Fürsorge. Die Gefühle und Wün- ter und Beschwörer befragen, die da flüstern und mur- sche der Mitmenschen werden schlichtweg verneint, meln, so sprecht: Soll nicht ein Volk seinen Gott befra- die eigene Sicht der Dinge absolut gesetzt. Und so tut gen? Oder soll man für Lebendige die Toten befragen? der Geist, der stets verneint, das Seine, um diese Welt Hin zur Weisung und hin zur Offenbarung!» (Jes 8,19f.). aus den Angeln zu heben. So ruft uns der 1. Johannesbrief dazu auf, die Geister Ganz anders der Geist, von dem ich mich getragen zu prüfen: «Traue nur den Geistern, die sich zu Jesus fühle: «Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Christus bekennen.» Furcht, sondern der Kraft und der Liebe» (2Tim 1,7). Das Kriterium zur Scheidung der Geister ist die Dieser Geist ermutigt dazu, Mitmenschen mit ihren Liebe. «Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, Gefühlen genauso ernst zu nehmen wie die eigenen der bleibt in Gott und Gott in ihm. Und dies Gebot ha- Interessen. Die Kraft, die wir durch diesen Geist erhal- ben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, auch seinen Bru- ten, zeigt sich gerade darin, dass wir nicht immer der der liebe.» (1Joh 4,16.20). Wann immer wir einen Starke sein müssen. Seine Kraft zeigt sich nicht darin, «Geistesblitz» haben, wir zu einer Überzeugung gelan- dass wir laut schreiend für unsere vermeintlichen gen, können wir uns fragen: Welchen Ursprung hat Rechte eintreten, sondern darin, dass wir uns in an- diese Idee und welche Folgen hat sie für mich und dere Menschen einfühlen, ihre Sorgen und Nöte ernst meine Umwelt. Hält die auf den ersten Blick gute Ein- nehmen. Der Geist der Liebe verbindet uns. Und nur, stellung auch einem zweiten Blick stand? wenn wir als Gesellschaft zusammenstehen, uns soli- Derzeit könnte man den Eindruck gewinnen, dass darisch zeigen, werden wir diese Krise meistern. Im diejenigen, die das Corona-Virus verharmlosen, recht Geist der Liebe können wir uns den Herausforderun- haben. Kämpfen diese Menschen nicht für eine gute gen und Veränderungen stellen, unsere Zukunft ge- Sache? Stärkung der Wirtschaft, des sozialen Lebens meinsam gestalten. und der Freiheitsrechte. All diese Werte sind wichtig. Daniel Kiefer, Pfarrer in Wolfhalden MAGNET Nr.7/2020 2
Editorial Impressum Liebe Leserin, Kirchenblatt für die Evan- gelisch-reformierten Kirch- lieber Leser gemeinden beider Appenzell (erscheint monatlich) Herausgegeben im Auftrag Wie kommst Du zu wichtigen Erfahrungen? Erfahrungen, die Dein der Synode der Evangelisch- reformierten Landeskirche Leben verändern? Passieren die Dir einfach? Fallen sie Dir einfach beider Appenzell so zu? Oder bereitest Du das irgendwie vor? Und dann auch: Wo Redaktionskommission machst Du diese wichtigen Erfahrungen? Carlos Ferrer, Grub-Eggersriet (cf); Judith Husistein, Stein (jh); Mir hilft das Meer. Einmal im Jahr brauche ich das. Ein paar Tage Lars Syring, Präsident der Isabelle Kürsteiner, Walzenhau- wenigstens. Komm mit auf die Reise. Zur Nordsee. Im Winter. Da Redaktionskommission sen (iks); Jonathan Németh, St.Gallen (jn); Annette Spitzen- ist das Meer so schön rauh. Und stürmisch. Ganz klein und winzig berg, Reute-Oberegg (as); kommst Du Dir dort vor. Der Wind weht Dir ins Gesicht. Nein. Karin Steffen, Schachen bei Eigentlich weht er nicht. Er peitscht. Pustet Dir den Kopf durch. Reute (ks); Lars Syring, Präs., Bühler (sy) Rückt Deine Massstäbe zurecht. Nordet Dich wieder ein. Redaktion Wenn es stürmt, wirst Du klitschnass. Die Regenjacke, der Nerz Heinz Mauch-Züger (hmz) der Friesen, klebt an Deinem Körper. Du schmeckst das Salz des Steinbruggen 9063 Stein Meeres. Es geht nicht anders. Der Sand knirscht unter Deinen Schu- Tel. 071 278 74 87 hen. Der Wind zerzaust Deine Haare. Er macht, was er will. Du magnet@ref-arai.ch bist ihm ausgeliefert. Kannst Dich zwar gegen ihn stemmen. Aber Magnet-Download www.ref-arai.ch besiegen wirst Du ihn nicht. Niemals. Er ist stärker als Du. Du spürst Produktion seine Macht. Das Meer kommt näher und näher. Das Rauschen in Appenzeller Druckerei AG, Deinen Ohren. Nein. Du hast keine Chance. Du bist winzig. Und 9100 Herisau klein. Adressänderungen melden Sie bitte direkt der örtlichen Wie fühlt sich das an? Kirchgemeinde Wie Treibholz spülen sich Gedanken in Deinen Kopf. Gedanken, WEMF die Du sonst selten denkst. Wer bin ich? Wieso lebe ich? Wohin will Beglaubigte Auflage 3300 ich mit meinem Leben? Und Du gehst Deinen Weg. Den Strand Magnet online www.magnet.jetzt entlang. Du hinterlässt Spuren. Immer wieder. Und immer wieder kommt das Meer und frisst sie auf. Du kannst nicht anders. Du kannst ahnen, woher du kommst. Aber Du kannst es nicht sehen. Auch wenn Du zurück blickst. Du lebst auf der Grenze. Und die Grenze verschwimmt. Was ist fester Grund? Was ist Meer? Was eben noch war: Jetzt ist es weg. Nur Du bist da. Du und Dein Leben. Du und Deine Fragen. Deine Zweifel und Deine Hoff- nungen. Und manchmal hören die Fragen auch auf. Dann bist Du einfach da. Du. Da. Sonst nichts. Alles andere ist still. Ganz still. Vielleicht nur für eine Winzigkeit. Und dann geht es wieder los: Was wird aus Dir? Was lässt Dich leben? Warum kannst Du dem Meer entgegen treten? Warum schwemmt es Dich nicht weg? Vielleicht deshalb: Gott hat Dich, wie das Meer die Fische hat. Die Fische leben vom Wasser. Sie sind im Wasser zu Hause. Sie durchschwimmen es. Sie bestehen ganz und gar daraus. Sie haben es in sich. Sie brauchen es zum Leben. Und später zerfallen sie wieder zu Wasser. Das Meer ernährt sie, gibt ihnen Sauerstoff zum Atmen. Die Fische sind im Wasser geborgen. Es trägt sie. Und es erhält sie. Ob der Fisch weiss, was das Meer für ihn bedeutet, ist nicht wich- tig. Ob der Mensch von seinem In-Gott-Sein weiss, ist auch nicht das Titelbild: Geheimnisvolle Natur- Wichtigste. Hauptsache: Es ist so. stimmung Foto: Jonathan Németh 3 MAGNET Nr.7/2020
Thema Spüren, sehen, wissen Wem ist es nicht schon passiert, dass er an jeman- den intensiv dachte und im gleichen Moment läutete das Telefon. Es gibt aber noch weitere Wege der un- sichtbaren Kommunikation. Oft denke ich plötzlich intensiv, dass ich jemanden be- suchen muss. Komme ich dann an, werde ich meist mit den Worten «Dich wollte ich gerade anrufen» empfan- gen und ich werde um Rat in irgendeiner Sache gefragt. Daran bin ich gewohnt. Erschrocken bin ich jedoch, als ich vor rund vierzig Jahren meinem Gefühl nachge- bend auf den Stadthügel von Edinburgh marschierte und dort ganz alleine im Gras sass. Plötzlich lief ein ganzer Film vor meinen Augen ab. Ich befand mich urplötzlich im Mittelalter inmitten ei- nes Militärlagers. Die Männer bereiteten sich auf eine lange Wanderung vor. Diese Vergangenheit sah ich mit einer Klarheit, dass ich mich nach meiner «Rückkehr» lange davor sträubte, nochmals in eine solche Zeit-Di- geworfen. Dann forderte sie mich auf, meine Eindrü- Sehen als mension zu fallen. Trotzdem war es faszinierend, de- cke zu schildern. Ich spürte eine Weite, die ich noch grenzüber- schreitende tailgenau zu sehen. Anders zu sehen. Zu wissen! nie in meinem Leben so gefühlt hatte. Und eine wun- Wahrnehmung. Zwanzig Jahre später in Australien: Infolge meiner derbare Wärme. Es schien eine Savanne zu sein, am Bild ica franky, Höhenangst kniete ich am Rand eines Canyons und sah Horizont einige Bäume, ich auf einer Veranda eines fotocommunity.de fasziniert auf die wilde Flusslandschaft unter mir. Plötz- Hauses stehend. Dazwischen verdorrtes Gras und tro- lich begann es zu Krachen, Felsen brachen auseinander ckene Sträucher, verschiedene Tierlaute, ein warmer und ich fühlte mich in kleinster Lebensform fliegend Wind. Ein sehr geliebter Ort. Für mich war es Afrika, quer durch diese Szenerie. Noch nie im reellen Leben jedoch ohne das Wissen, in welchem Land oder in wel- hatte ich solches Getöse und solch machtvolles Kra- cher Gegend. Also erzählte ich diese und weitere Ein- chen gehört. drücke. Nachdem ich die Kette zurückgegeben hatte, Nach diesem Erlebnis achtete ich besser auf meine lächelte mich die Dame an und sagte zu mir: «Üben sie. Gefühle, insbesondere wenn ich Steine betastete oder Das ist eine Gabe. Ich lebte in Afrika und liebte das auf grösseren Steinen sass. Bald erschraken mich die Land zutiefst. Sie haben mir den Ausblick von meinem Filme, die dabei vor meinen geschlossenen Augen ab- Haus aus sehr genau beschrieben. Vielen herzlichen liefen nicht mehr, sondern ich genoss es mit den Stei- Dank.» nen zu sprechen. Immer wieder fühlte oder sah ich Sequenzen von Leben aus der Vergangenheit. Dass sie aus alter Zeit stammten, leite ich von den jeweiligen Kleidern ab, die die Menschen trugen. Üben Sie – Als ich auf Indienreise war, umarmte ich eine Stein- säule und liess mir von ihr Geschichten erzählen. Eine das ist eine Gabe. Reiseteilnehmerin sah das und sprach mich abends da- rauf an. Ich erklärte ihr, dass ich vor allem von Steinen, manchmal auch von Bäumen, Bilder oder ganze Filme Schon zuvor, aber seit jenem Erlebnis vermehrt, kom- aus meist vergangener Zeit – wenigen Jahren oder vie- muniziere ich mit Steinen und Bäumen in dieser un- len Jahrhunderten – geschenkt bekäme. Es sei ein Spre- sichtbaren Weise. Es erschreckt mich nicht mehr wie chen ohne Ton oder ein Sehen mit geschlossenen Au- einst. Es sind gute Gespräche. Sie bereichern mich und gen. Für mich eine Kommunikation der anderen Art. ich geniesse diese Augenblicke des Spürens, Sehens Schon als Kind hätten mir immer wieder Bekannte und mit geschlossenen Augen und des Wissens von vorher Verwandte gesagt: «Du hast eben eine sehr grosse Fan- ungekannten Dingen sehr. Aber, es funktioniert nur, tasie!» wenn ich total entspannt bin und am Besten in uner- Ohne dass ich mich weiter um die Frau kümmerte, warteten Situationen. In der Hektik oder auf Kom- hielt ich plötzlich ihre Steinkette in meiner Hand. Sie mando sind die Steine stumm. hatte sie abgenommen und mir einfach in die Hand Isabelle Kürsteiner MAGNET Nr.7/2020 4
Thema Leben in einer übersinnlichen Welt «Ich glaube nur, was ich sehe.» Das war einer dieser was wichtig und damit wesentlich ist, konditionieren Sätze, mit denen ich gross geworden bin. Da ich her- den Kopf und damit alles, was wir wahrnehmen. kunftmässig in einem religiösen Umfeld aufgewach- sen bin, war dieser Satz etwas, das mich als Kind Unsere Grenzen irritiert hat. Irgendwann in der Pubertät kam dann Vergleichen wir uns mit anderen Lebewesen, wird zu meiner Entlastung hinzu, dass der wichtigste Stoff, deutlich, wie eingeschränkt unsere Wahrnehmung ei- den wir zum Leben brauchen, unsichtbar ist und gentlich ist. Das Auge, das heute mit Abstand die Num- trotzdem existiert: der Sauerstoff. mer 1 in Sachen Wahrnehmung ist, erweist sich im Vergleich als nicht sehr umfangreich. Im Bereich der Der Satz funktionierte also bereits im unmittelbaren Licht-Wellenlängen sieht der Mensch von etwa 380 bis Alltag nicht wirklich. Mein Misstrauen wuchs und 780 Nanometern farbig. Da haben andere Lebewesen mittlerweile verrät mir diese Aussage eindeutig, dass noch Bereiche, die uns völlig verborgen bleiben. Ultra- die Person, die ihn äussert, ihn zynisch meint oder violettes Licht nehmen wir nicht wahr. Die Blaumeise über eine deutlich eingeschränkte Wahrnehmung ver- kann das. Früchte reflektieren UV-Licht und laut Stu- fügt. Für mich wurde bereits in jungen Jahren klar, wir dien reagieren die Meisenweibchen auf Männchen, leben in einer übersinnlichen Welt oder etwas «ge- deren Federkleid am stärksten UV-Licht wahrnehmen. schwollen» gesagt, intellektuelle Redlichkeit bleibt of- fen für Phänomene, die sich unserer Wahrnehmung als Spezies Mensch oftmals entziehen. Wir sollten etwas Unsere fünf Sinne, Sehsinn, Hörsinn, Tastsinn, Ge- schmacksinn und Geruchsinn, mit welchen wir unsere bescheidener werden. Umwelt wahrnehmen, sind nicht absolut, sondern ein- geschränkt. Sie nehmen zwar sehr viel wahr, mehr als wir oft meinen, doch bei der Verarbeitung geht dann Biologen meinen, dass das ein Hinweis auf eine gute eine ganze Menge verloren. Unser Gehirn, das andau- Gesundheit sein könnte. Der Fangschreckenkrebs ver- ernd mit inneren und äusseren Informationen umge- fügt über 8 verschieden Rezeptoren im «sichtbaren» hen muss, konzentriert sich auf das Wesentliche. Und und vier im «unsichtbaren» Bereich, da ist der Mensch dieses Wesentliche ist wiederum entscheidend vom mit seinen 3 Rezeptoren wirklich schwach ausgerüstet. Umfeld abhängig in dem wir leben. Prägungen darüber, Ausnahmen gibt es auch beim Menschen. Viele Frauen besitzen tatsächlich einen zusätzlichen Farbrezeptor. Es heisst jedoch, dass das Gehirn diesen Zusatz selten Mikroskopische Aufnahme von menschlichem Knochengewebe wirklich verarbeitet. – unsichtbar tun sich Welten auf. Wissenschaftliches entdecken Und mit dem Hören sieht es nicht besser aus. Wir vergrössert Welt- und Glaubensbilder. hören zwischen 20 und 20 000 Hertz. Das ergibt etwa Bild ddp Images 400 000 Töne. Der Hund bewegt sich nach oben bis 50 000 Hertz, die Katze bis 65 000 Hertz, der Delfin bis 150 000 Hertz, die Fledermaus bis 120 000 Hertz und auch der Igel bringt es noch auf 60 000 Hertz. Da- mit wären mal unsere beiden Hauptsinne für den All- tag schon ziemlich eingeschränkt. Auch bei den ande- ren Sinnen finden sich immer auch Lebewesen mit weit höherer Sensibilität. Für mich heisst das, wir sollten wohl etwas beschei- dener werden, wenn es um unsere Wahrnehmung und der daraus folgenden Beurteilung geht. Wir Menschen selber unterscheiden uns «von Natur aus» stark in den Wahrnehmungen. Alle Sinne können jedoch trainiert und verfeinert werden. Das hat Auswirkung auf die Wahrnehmung und relativiert vieles, was für uns un- umstösslich schien. Nur das zu Glauben was wir sehen oder fühlen, ist eine sehr dürftige Ausgangslage. Heinz Mauch-Züger 5 MAGNET Nr.7/2020
Thema Absinthe – Mystische Aura des Verruchten Da drin ist nun also der Teufelstrunk, den die Obrig- griffen bestaunen wir in der milden Frühlingsmorgen- keit für so gefährlich hielt, dass er ihn über fast 100 sonne das Schauspiel und lassen uns durch das Farben- Jahre verbot. Unschuldig präsentiert sich uns heute und Formenspiel verzaubern. die «Grüne Fee» in einem gefrorenen Soufflé, pas- send begleitet durch ein Gläschen puren Absinthe. Vom Heilelixier zum Teufelstrunk Empfohlen wurde uns dieses köstliche, nach Wermut Zurück im Maison de l’Absinthe sind wir in unserer und Anis duftende Dessert im «Les Six-Communes» entrückten Stimmung gar nicht mehr so erpicht darauf, in Môtiers im Val-de-Travers. dem Mythos «Grüne Fee» auf die Schliche zu kommen. Trotzdem lassen wir uns auf den informativen Rund- Das altehrwürdige Restaurant befindet sich einen Stein- gang ein, nicht zuletzt, weil an seinem Ende eine De- wurf vom Maison de l’Absinthe entfernt, einem Mu- gustation auf uns wartet. Die «Grüne Fee» soll schon seum, welches dazu einlädt, die Geschichte des Absin- manchen Trinkenden in den Wahnsinn getrieben ha- thes, seine Entstehung, die Dämonisierung zum Verbot ben. Im 19. Jahrhundert wurden leidenschaftliche De- und sein Weiterleben im Untergrund zu erkunden. batten für und vor allem auch gegen den Genuss von Absinthe geführt. Abschreckende Plakate und Berichte Mystische Quellen aus dieser Zeit warnen vor dem Teufelstrunk. Bis zum Auf Empfehlung unserer Schlummermutter spazieren heutigen Tag hält sich die Legende seiner psychoakti- wir jedoch vorerst auf der Grande Rue, welche ihrem ven Wirkung hartnäckig und diese dürfte wesentlich Namen alle Ehre macht, durch das malerische, etwas verschlafene Môtiers. Im angrenzenden Wald, am Fuss der vordersten Jurakette, stossen wir auf eine Quelle. Der Neid der Weinlobby über Etwas versteckt, zwischen bemoosten Bäumen und Farnen, quillt Wasser einfach aus dem Waldboden, er- dessen starke Verbreitung liess giesst sich über die Steine und wächst schon bald zu einem fröhlich plätschernden kleinen Bächlein an. Er- nicht lange auf sich warten. Mit eisgekühl- tem Quell- wasser wird die «Grüne Fee» zum Le- ben erweckt. MAGNET Nr.7/2020 6
Thema che der Trinker? Der Absinthe war im 19. Jahrhundert äusserst günstig zu haben und deshalb entsprechend weit verbreitet. Für Bohemians auf der ganzen Welt wurde das Trinken des Kräuterschnapses zur soge- nannten grünen Stunde um 17 Uhr zum beliebten Ri- tual. Eisgekühltes Wasser liessen sie aus einer Fontäne über einen, auf einem perforierten Silberlöffel liegen- den, Würfelzucker in den Absinthe tröpfeln. Dieser verfärbt sich in der Folge grünlich trüb. Der Neid der Weinlobby über dessen starke Verbreitung liess nicht lange auf sich warten. Gemeinsam mit den Prohibitio- nisten, den Antialkoholikern und Politikern konnten sie 1910 das Verbot des Absinthes erwirken, welches sich bis 2005 hielt. Heute regelt das Gesetz unter an- derem auch den erlaubten Thujon-Gehalt. Neuere Stu- dien konnten beweisen, dass der historische Thujon- Gehalt im Absinthe nicht über dem heute erlaubten lag. Die beobachteten Symptome waren vielmehr dem Al- Das traditio- zum Kultstatus der Spirituose beigetragen haben. Das kohol geschuldet: Zum Einen der hohen Konzentration nelle Dessert älteste Rezept für das ehemalige Heilelixier stammt aus von bis zu 90 Prozent, zum Anderen dem generell aus dem dem Jahr 1797 und wird bis heute aus heimischen übermässigen Alkoholkonsum während der Industriali- Val-de-Tra- vers: Soufflé Kräutern, hauptsächlich Wermut, Anis und Fenchel, sierung. Und dann wurde bei der Herstellung der «Grü- nach Art der hergestellt. nen Fee» auch oft genug geschlampt und minderwerti- «Grünen Fee» ger Alkohol mit gesundheitsschädlichen Fuselölen ver- Die grüne Stunde wendet. War nun das Nervengift Thujon, welches im Wermut enthalten ist, verantwortlich für die Wahnsinnsausbrü- Verbrechen oder Brauchtum? Über die gesamte Zeitspanne der Prohibition wurde Absinthe im Tal munter weiter schwarz gebrannt. Von Rezept: den Behörden des Kantons Neuenburg wurde das auch Gefrorenes Soufflé nach Art der «Grünen Fee» nicht unbedingt als Verbrechen angesehen, sondern als Für 6 Portionen: Brauchtum. Die Verbannung in die Illegalität verlieh der «Grünen Fee» dann auch eine mystische Aura des 3 Eier Verruchten. Auch wir geniessen am Ende des Rund- 100 g Zucker gangs den regionalen Kräuterschnaps und erwecken 2,5 dl Vollrahm mit eisgekühltem Quellwasser aus den bewaldeten Ju- 0.5 dl Absinthe rahängen die grüne Fee zum Leben. 1. 6 Gläser mit Backpapier umkleiden, das Papier Karin Steffen oben 2 cm überstehen lassen. Mit Gummiband Prohibitio- oder Tesafilm befestigen. nisten, Anti- 2. Die Eier und den Zucker vermischen und im alkoholiker Wasserbad erhitzen. Zu einer cremigen, schlag- und die rahmähnlichen Masse schlagen Weinlobby brachten 3. Die Masse auf Eiswasser abkühlen lassen um 1910 4. Vollrahm schlagen die «Grüne 5. Den Vollrahm mit dem Absinthe in die Masse Fee» zu Fall. geben und vorsichtig umrühren 6. In die Gläser füllen, die Masse 1,5 cm überste- hen lassen 7. Eine Nacht ins Gefrierfach stellen. 5 Minuten vor dem Servieren aus dem Gefrierfach nehmen, das Papier entfernen und mit Schokoladenpulver garnieren. Wer mag, kann auch ein kleines Loch ins Soufflé machen und nach Belieben Absinthe hineingies- sen. 7 MAGNET Nr.7/2020
Thema Geister, Dämonen und anderes Noch selten habe ich als reformierte und damit auch sehen oder spüren, so wie eben ein guter Musiker Zwi- wissenschaftlich geschulte Pfarrerin so gerungen mit schentöne wahrnimmt, die mir als normaler Hörerin einem Artikel für den Magnet. Wie schreibe ich über entgehen. dieses Thema? Erfahrungsbezogen? Doch mit mei- Eine deutliche Ahnung von dieser anderen Form nen eigenen Erfahrungen in diese kleine Öffentlich- von Wahrnehmung bekam ich bei einem meiner ersten keit zu treten, dazu brauche ich Mut, denn ich setze Trauergespräche als junge Pfarrerin. Ich sass der trau- mich unweigerlich dem Risiko aus, entweder für ver- ernden Witwe gegenüber und hatte ständig das Gefühl, rückt oder biblizistisch erklärt oder in eine esoteri- da liege jemand an einer bestimmten Stelle auf dem sche Ecke gestellt zu werden. Boden. Schliesslich sagte sie mir: «Genau hier ist mein Mann tot umgefallen» und deutete auf die Stelle, die Soll ich also doch lieber nur wissenschaftlich darüber ich gespürt hatte. schreiben, verbunden mit dem Anspruch, allgemein Es kann mir geschehen, dass ich manche Dinge ein- verständlich zu sein für meine Lesenden? Ich habe fach plötzlich «weiss», ohne zu wissen, warum. Mit mich schliesslich entschlossen, doch bei der persönli- der Zeit habe ich gelernt, mich mit dieser Art Fähigkeit chen Erfahrung anzufangen und bei der Deutung und zu befreunden und sie in den Dienst zu stellen. Fromm dem Versuch einer Einordnung aufzuhören. Dies nicht ausgedrückt: ich habe sie als Teil meiner Berufung ak- zuletzt aus dem Grund, als ich weiss, dass ich beileibe zeptiert, auch wenn ich damit manchmal konfessio- nelle Grenzen überschreite. Einmal, da rief mich eine sehr erfahrene Frau an, Ich sass der trauernden Witwe gegen- mit der ich seit vielen Jahren vertraut bin, eine äusserst erfahrene Kontemplationslehrerin. Sie gehört zu den über und hatte ständig das Gefühl, Menschen, die sehr vieles wahrnehmen, was nicht alle da liege jemand an einer bestimmten sehen oder spüren. Ein Kollege im Kontakt mit jungen Menschen rief sie an und bat sie um Hilfe. Die junge Stelle auf dem Boden. WG wohnte in einem alten Haus, in dem sie geplagt wurden von einem Geist in der leeren Nachbarwoh- nung, und sie wussten nicht mehr aus noch ein. Die Welle und nicht die Einzige bin, die solche Erfahrungen kennt Kontemplationslehrerin wusste aus Erfahrung, dass es Teilchen. und macht, insbesondere nicht im Appenzellischen hilfreich ist, wenn möglichst viele unterstützend teil- Quelle: mit seiner lebendigen Heilertradition. Und dass es an- nehmen an einem Ritual der Befreiung. Und so fanden futurezone.at dere ähnlichen Mut kostet, über solche Erfahrungen zu sprechen. Ich tue dies im Wissen, dass gilt, was Paulus schreibt: «Und wenn ich alle Gaben hätte, aber ohne Liebe, so wäre das alles nichts.» Beispiele aus meiner Erfahrung werde ich je nach dem so verfremden, dass beteiligte Personen geschützt sind. Manche Menschen sind besonders musikalisch, an- dere besonders begabt beim Malen und Gestalten, wei- tere sind begabt in Mathematik, Sprachen, Sport, Na- turwissenschaften, Handwerk, usw. Und es gibt auch manche Menschen, die spirituelle Begabungen haben in der Art, wie sie die Welt wahrnehmen. Hildegard von Bingen (12. Jh) beispielsweise konnte die Kälber im Leib ihrer Mutterkühe sehen. Sie dachte zuerst, alle Menschen sähen das, bis sie realisierte, dass dem nicht so war. Auch Schamanen in den indigenen Kulturen sind Menschen mit solchen Begabungen und Wahrneh- mungen. Man könnte sie als eine Art spirituelle Bega- bung bezeichnen durch eine Öffnung der inneren Sinne. Nicht immer ist eine solche Begabung spektaku- lär. Und nicht alle Menschen mit einer solchen Gabe sind im engeren Sinne religiös. Doch auch mir kann es passieren, dass ich Dinge wahrnehme, die andere nicht MAGNET Nr.7/2020 8
Thema Wahrneh- mung als sehen und spüren von Einwirkungen über das Alltägliche hinaus. Quelle wikipedia.org sich einige ein, Theologen und andere. Wir liessen uns Und ja, wie kann ich ein solches Geschehen deuten? die Situation erzählen und teilten uns in zwei Gruppen Zu Jesu Zeiten wäre das ziemlich einfach gewesen, da auf, jene die in die Nachbarswohnung gingen und die ging man selbstverständlich davon aus, dass Dämonen andern, die zurückblieben in der Obhut eines Kollegen. existieren. Da wäre dieses Phänomen klar benannt ge- Wir gingen hinüber, ich sah die verwüstete Woh- wesen als Dämon, der ausgetrieben wurde in Jesu Na- nung, Spiegel in Scherben, umgedrehte Kreuze, spürte men resp. der erlöst wurde. die fremde Energie. Der junge Mann, der jeweils ange- Eine Deutung, die in ähnliche Richtung geht, wäre griffen wurde, stand neben mir im Kreis. Wir begannen diejenige, die solche Geister als unerlöste Seelen ver- zu beten, und mit einem Mal spürte ich neben mir eine steht, die eine dämonische Gestalt annehmen können. blitzschnelle zischende Verdichtung von Energie, und Johann Christoph Blumhardt, der pietistische Pfarrer der Junge neben mir brach zusammen. Er war angegrif- aus dem 19. Jahrhundert, hat ganz stark mit dieser Art fen worden, auf seinem Rücken bluteten ganz frische Erfahrung gelebt. Er hat jahrelang eine junge Frau, tiefe Kratzer. Wir begleiteten ihn zurück in die andere Gottliebin Dittus, begleitet, bis sie frei wurde. Das war Wohnung in die Obhut des Kollegen und fuhren dann der Beginn einer grossen Erweckungsbewegung, die weiter. Es gelang der Kontemplationslehrerin, in Kon- auch durchaus umstritten war. Doch Johann Blumhardt takt zu kommen mit dieser Energie. Tränen strömten sah verstorbene Seelen und wies ihnen teilweise einen über ihr Gesicht. Sie spürte tief hinein und nahm wahr, Platz in der Kirche an, wo sie bleiben könnten. Wenn dass hinter und unter dieser Aggression eine Ge- wir dieser Deutung folgen, dann hätte eine verlorene schichte von übergrosser Verletzung und Leiden ge- Seele ins Licht gefunden durch unser Ritual. standen hatte. Und irgendwann fand dann das, was da Eine weitere Deutung wäre ein psychologischer Zu- im Raum war, ins Licht. Wir spürten es alle, wie die gang. Dann wären die Phänomene, die passieren, vor Atmosphäre sich wandelte, klärte und frei wurde. «Das allen Dingen erklärlich durch die Personen, denen sie ist eine Erfahrung, die eigene Weltbilder infrage stellt», widerfahren. Dann müssten wir fragen, was der Angriff sagte einer der Beteiligten. mit dem Angegriffenen zu tun hat und inwiefern er mit 9 MAGNET Nr.7/2020
Thema solchen Phänomenen in Resonanz steht. Was fällt ihm können es messen mit Hirnströmen und können Medi- in den Rücken? Was greift ihn hinterrücks an? Welche kamente dagegen verabreichen. Die beobachteten Phä- Kräfte sind da zugegen? Zieht er solche Erfahrungen nomene sind aber dieselben. an? Was kann er tun und dazu beitragen, dass ihm sol- Und wenn wir wieder aus der Sicht des Konstrukti- ches nicht mehr von aussen widerfährt? Dass er abge- vismus zurückgehen zu dem, was damals in diesem spaltene Persönlichkeitsteile, falls es sich um solche Haus geschehen ist, so haben wir alle, die dabei gewe- handelt, integrieren kann? Für diese Deutung spricht, sen sind, etwas erlebt, Phänomene gesehen, gespürt, dass der junge Mann später erneut angegriffen worden gefühlt, beobachtet, und wir haben alle je versucht, sie ist. Hat er seine Dämonen mitgenommen? irgendwie zu deuten. Deutung entspricht unserem menschlichen Bedürfnis. Ich habe gelernt, dass Liebe Ich weiss nicht, ob ich alle Phänomene, die mir wider- fahren, richtig deute. Ich versuche sie jeweils einzu- hinsehen kann, den Schmerz ordnen in den Strom der Erfahrungen, die ich bereits und das Leiden sehen kann. gemacht habe und der Erkenntnisse, die ich bereits gewonnen habe, und lasse es auch immer wieder zu, dass neue Erfahrungen aufblitzen, die Gewohntes Und dann wäre da die Aufklärung, der Rationalismus, durchbrechen. Und natürlich ist es auch nicht einfach der sagen würde, dass solche Erfahrungen gar nicht egal, wie ich Phänomene deute. Würde ich darauf be- möglich sind. Sie widersprechen der Vernunft und dem stehen, dass Epilepsie eine dämonische Besessenheit Verstand. Und ich gebe gerne zu, das tun sie tatsächlich. ist und mit einem Betroffenen einen Exorzismus durch- Doch ob sie auch Erkenntnissen moderner Naturwis- führen, mich vielleicht sogar auf die Bibel berufen da- senschaften widersprechen, ist keineswegs ebenso klar. bei, so wäre dies für die betroffene Person fatal. Ich verstehe nicht viel von Physik. Doch eines habe ich Doch ich weiss, ich bin limitiert, meine Wahrneh- begriffen: Niels Bohr hat bereits 1927 mit dem be- mung ist es und mein Verstand ebenso, meine Wahr- rühmten Experiment vom Licht bewiesen, dass man es nehmung ist subjektiv und ich lebe in der dritten Di- je nach Beobachtungsanlage sowohl als Welle als auch mension ausgespannt in Raum und Zeit. Natürlich gibt als Teilchen beobachten kann und dadurch das Kom- es Momente, die mir eine Ahnung davon vermitteln, plementaritätsprinzip eingeführt. Es durchbricht das wie eine Wahrnehmung jenseits von Raum und Zeit Entweder-Oder-Denken in Gegensätzen und führt dazu, dass Eigenschaften sich zueinander komplemen- tär verhalten können (= einander ergänzend). Das gilt Doch ich weiss, ich bin limitiert, auch für Eigenschaften, von denen wir bislang dachten, dass sie sich gegenseitig ausschliessen. Es ist eine meine Wahrnehmung ist es Frage der Perspektive. Heutige Theorien beschäftigen sich mit Paralleluniversen und Parallelwelten. Reso- und mein Verstand ebenso. nanzphänomene gibt es auch in der Physik (z. B. die verschränkten Teile). Denn diese haben die meisten möglich sein kann, z. B. in nächtlichen Träumen oder wohl schon erlebt. Man denkt an jemanden Bestimm- in Momenten tiefer Kontemplation, in denen ich etwas tes und das Handy klingelt oder eine Nachricht poppt davon ahne, wie es ist, ganz mit dieser EINEN Wirk- auf von der betreffenden Person. lichkeit verbunden zu sein, dort, wo alles eins ist, wo Dazu kommen Forschungen aus der modernen Er- alles in allem ist, wo es weder gut noch böse, weder kenntnistheorie. Der sogenannte Konstruktivismus Engel noch Dämonen gibt, kein ich, kein du, keine geht davon aus, dass wir uns die Wirklichkeit konstru- Worte mehr. ieren und wir daher keinen objektiven Zugang zur Welt und zur Wirklichkeit haben können. Denn wir sind Und eines weiss ich bestimmt. Diese Erfahrung hat immer Teil davon, immer Beobachter davon. Das heisst, mich etwas gelehrt: Übergrosses Leiden, übergrosser ich erstelle eine Übungsanlage und ich beobachte an- Schmerz, übergrosses Unrecht kann dazu führen, dass schliessend Licht entweder als Welle oder als Teilchen. etwas sich abspaltet und «böse» wird, aggressiv wird, Die Wirklichkeit bildet sich in meinem Gehirn ab. Ich sich rächen will, vielleicht sogar so um Aufmerksam- lerne als kleines Kind zu konstruieren, dass wenn keit heischt für das erlittene Unrecht. Das passiert – meine Mutter dass Zimmer verlässt, sie dann nicht ein- meistens Menschen aus Fleisch und Blut. Dieses Lei- fach aufhört zu existieren, sondern im andern Raum ist. den will gesehen und verwandelt werden. Und sie hat Die Menschen zur Zeit Jesu haben Epilepsie als Be- mich gelehrt, dass Liebe hinsehen kann, den Schmerz sessenheit gedeutet, dasselbe Phänomen deuten wir und das Leiden sehen kann unter dem «Bösen», dass heute als Neuronen, die gleichzeitig unkontrolliert Im- Liebe heilt. Und wo Liebe ist, da ist Gott. pulse aussenden als Folge der Krankheit Epilepsie. Wir Annette Spitzenberg MAGNET Nr.7/2020 10
Thema Erfahrungen mit Gott sammeln Selbstgespräche eine Landpfarrers. Teil 15. Herr Syring, heute geht es um Erfahrungen, die unseren normalen Rahmen sprengen. Das ist doch was für Mys- tiker. Ganz genau. [Er blickt erwartungsvoll.] Was wollen Sie wissen? Fangen wir vorne an: Was ist eigentlich «Mystik»? [Er lächelt.] «Das kann keiner recht sagen, der nicht selbst ein Mystiker ist, oder sich zumindest auf dem Weg befindet, einer zu werden», hat Gerhard Terstee- gen auf diese Frage geantwortet. Das reicht mir noch nicht. [Er runzelt die Stirn.] Versu- chen Sie es bitte noch einmal anders. Ok. Stellen Sie sich eine Nuss vor. Wir versuchen heute, die Nussschale ganz genau zu beschreiben. Wir leben reflektiert. Die Grundlage des Reflektierens sind Ähren kennen jede Furche der Schale, wissen, wie die beiden keine Gedankenspiele, sondern die Erfahrungen, die wiegen im Sonnenlicht. Hälften heissen. Auch, was sie zusammen hält. Aber ich mit Gott gemacht habe. wir schaffen es nicht mehr, bis zum Kern vorzustossen. Wir haben vergessen, dass das köstliche, nahrhafte Und wenn Jesus sagt: «Das Reich Gottes ist inwendig in nicht die Schale ist, sondern der Kern. euch!» – Dann bekommt so ein Satz eine ganz andere – auch körperliche – Dimension? Und die Mystik versucht zum Kern vorzustossen? Genau. Paulus meint, dass der Christus in uns lebt. Ja! Zum Kern des Glaubens. Mystiker reden selten Wir sind nicht von Gott getrennt, sondern ineinander über Gott. Sie reden lieber mit Gott. Und sammeln so verwoben, tanzen miteinander. MystikerInnen erfah- Erfahrungen. Und so ist Mystik die Erkenntnis Gottes ren so sehr konkret, was es heisst, Kind Gottes zu sein. aus der Erfahrung. Dass Gott sie bei ihrem Namen gerufen hat und sie zu Also: Kein Kopfwissen. Was Mystiker über Gott sa- ihm gehören. gen können, entstammt selten ihrem Nachdenken. Und sie wachsen hinein in die wunderbare Freiheit Sondern ihrem Erleben. Und natürlich wird dieses Er- der Kinder Gottes. Diese Freiheit heisst: Ich habe das Recht, ein anderer zu werden, anders zu leben. So wie Licht durch- ich es aus der Verbindung mit Gott heraus für richtig bricht das halte. Und da keimt der Widerstand. Dickicht. Wo muss ich «Nein!» sagen? Und wo muss ich auch Bilder-Quelle sy noch deutlicher werden? Sie haben gesagt, dass einE MystikerIn Erfahrungen mit Gott sammelt. Wie meinen Sie das? Manchmal öffnet sich der Himmel für einen Augen- blick. Der Alltag wird durchlässig. Und dann nehmen wir nicht nur mit unseren fünf Sinnen wahr. Da öffnet sich auch unser Herz. Die Bibel spricht deshalb vom Auge des Herzens. Oder vom Ohr des Herzens. Wie kommt es zu solchen Momenten? Sie tauchen spontan auf. Ohne Ankündigung. Wir können sie nicht herbei zwingen. [Er macht eine Pause.] Es gibt viele Wege, auf denen wir etwas von Gott erfahren können. Und jeder Mensch hat einen Zugang zu solchen Erfahrungen. Aber jeder einen an- deren. Häufig sind sie mit Naturerfahrungen verbun- 11 MAGNET Nr.7/2020
Thema den. Ich selbst habe das in jungen Jahren auf einsamen Im Judentum ist der Name Gottes so heilig, dass er Wanderungen erlebt. Ich deute vorsichtig an, was ich überhaupt nicht ausgesprochen wird. Stattdessen sagen meine. Nicht als Bekenntnis einer schönen Seele, son- sie, wenn JHWH in der hebräischen Bibel vorkommt: dern damit Sie wissen, was ich meine. GOTT, HERR, oder DER EWIGE. Wie auch immer wir das Wort übersetzen: Das Wort Ich bin gespannt. für Gott ahmt unseren Atem nach. Es ist ein Wort, bei Einmal war ich bei einem Herbststurm unterwegs. dem wir weder den Mund, noch die Zunge bewegen Querfeldein. Den Wind hart im Gesicht. Ich stemmte müssen. Wir können den Mund nicht mal schliessen. mich dagegen. Und irgendwann breiteten sich wie von Der Name Gottes ist reiner Atem. Jah-Weh. [Er atmet selbst meine Arme aus. Ich war bereit, jeden Moment das Wort mehrmals. Beim Einatmen: Jah. Beim Ausat- abzuheben. Und ich wusste: Mir kann nichts passieren. men: Weh. Dann fährt er fort:] Ich war eingehüllt in tiefe Geborgenheit. Ich hatte fes- Wir können den Namen Gottes nicht sprechen. Wir ten Boden unter den Füssen und für einen kurzen Mo- können ihn nur atmen. Jeder Mensch hat so einen un- ment passte alles zusammen. Meine Angst war wie mittelbaren Zugang. Schon sein erster Atemzug nach- weggeblasen. Alles war richtig. Alles war gut. Alles war dem er aus seiner Mutter heraus gekommen ist, ist der schön. Name Gottes. Mit jedem Atemzug atmet jeder Mensch den Namen Gottes. Und da haben Sie Gott erfahren? Ich will dieses Erlebnis nicht überhöhen. Aber ich weiss: das war eine Erfahrung, die viel tiefer ging als vieles andere, was ich erlebt habe. Und ich sage: Das war mehr. Das war ein heiliger Moment. Da habe ich eine Ahnung bekommen, was es heisst, bei Gott gebor- gen zu sein. Staunt da die Schnecke Sie haben eben gesagt, dass wir diese Erlebnisse nicht nicht? herbei zwingen können. Können wir gar nichts tun? Doch. Wir können uns vorbereiten. Wir können Und so sind wir verbunden mit allem, was um uns he- üben, mit dem Ohr des Herzens zu hören. Und mit rum ebenfalls atmet. Mit den anderen Menschen und dem Auge des Herzens zu sehen. [Er kratzt sich am mit den Tieren. Und vielleicht sogar mit den Pflanzen. Ohr.] Zum Beispiel, indem wir unseren Atem kennen Wir atmen ja nicht mal selber. Unser Körper ist stär- lernen. Unser Atem ist was ganz Besonderes. Er ist un- ker als unser Verstand und unser Wille. Wir können ser Lebenselexier. Wir leben nur, solange wir atmen. zwar den Atem anhalten, aber wir können den Atem Sobald wir damit aufhören, ist es vorbei. nicht unterdrücken. Es atmet in uns. Wer oder was auch immer dieses Es ist. Das autonome oder vegeta- In der Sprache der Bibel ist der Atem ein Geschenk Got- tive Nervensystem lässt nicht zu, dass wir nicht atmen. tes. Gott haucht ihn seinen Menschen in die Nase. [Er guckt ihn erwartungsvoll an.] Und so wird der Mensch Gott atmet in uns. Und wir sind quasi die Orgelpfeifen, eine lebendige Seele. auf denen er die Melodie des Lebens spielt. Und so wer- Genau. Solange wir leben, atmet Gott in uns. Sein den wir durchbetet. Atem, sein Geist ist in uns. Ich finde das schön. Und Mit jedem Atemzug sind wir Gott auf der Spur. Und dann, am Ende unserer Lebensreise, hauchen wir mit so sackt das Gebet vom Kopf immer tiefer in unseren unserem letzten Atemzug seinen Atem wieder aus. Er Körper ein! [Seine Hand wandert vom Kopf runter auf geht seinen Weg zurück zu Gott. Wieder dahin zurück, die Höhe des Herzens, hält dort kurz an und geht run- von wo er gekommen ist. ter bis zum Bauchnabel.] Mit dieser Übung bereiten wir uns auf diese heiligen Momente vor. Wir stellen Hat das auch etwas mit dem Namen Gottes zu tun? unsere Antennen auf Empfang. Und spüren die tiefe Ja! [Er ist begeistert.] Der Name Gottes, den uns die Verbundenheit. hebräische Bibel verrät, heisst JHWH. So stellt sich Gott am brennenden Dornbusch Mose vor. JHWH: Das Das ist sehr interessant. Vielen Dank! ist ein hebräisches Wort. Es besteht nur aus Konsonan- Es war mir ein Vergnügen. Und im nächsten Heft ten. Und wir wissen kaum, wie es auszusprechen ist. verrate ich Ihnen, wie eine solche Übung ganz konkret Und wir können es auch nicht richtig übersetzen. Vie- aussehen kann. Oder Sie gucken auf meinem youtube- les spricht dafür, dass es Jahweh auszusprechen ist. Am Kanal nach. Da habe ich das schon beschrieben. ehesten wäre dann zu übersetzen: Ich bin, der ich bin. Oder: Ich werde sein, der ich sein werde. Oder: Ich bin Lars Syring führte dieses Gespräch mit sich selbst – bei dir. in der Hitze des Augusts 2020. MAGNET Nr.7/2020 12
Weitblick Solidarität gefragt Minderheitskirche Waldenser Eing. Ende August 2019, an der Syn- Motivi di speranza: Grund zur ode der Waldenserkirche in Torre Pel- Hoffnung lice, wurde Alessandra Trotta zur Die Waldenserkirche versteht sich als neuen «Moderatora» (Kirchenratsprä- Gegenstimme gegen die auch in Italien sidentin) gewählt. Zum zweiten Mal weit verbreitete homophobe, fremden- übernimmt damit eine Frau die Lei- feindliche und rassistische Haltung. tung der Waldenserkirche. Die Metho- Dafür vernetzt sie sich mit anderen Be- distin Alessandra Trotta stammt aus wegungen, die sich für eine offene Ge- Sizilien, ist gelernte Juristin und sellschaft einsetzen. Sie hat sich zur wurde zur Diakonin ordiniert. Aufgabe gesetzt, in der Gesellschaft sicht- und hörbar zu sein. Allerdings Einige Jahre lang war sie Direktorin des sind die einzelnen Kirchgemeinden oft Sozialwerkes La Noce in Palermo. Fünf klein und haben nicht immer ausrei- Alessandra Trotta, Kirchenratspräsidentin der sieben Mitglieder der neu zusam- chend Ressourcen zur Erfüllung dieses der Waldenser, informiert über laufende mengesetzten «Tavola» (Kirchenrat) Projekte und die aktuelle finanziell ange- Auftrages. sind Frauen. Auf die Frage, warum wir spannte Situtation im «Corona-Jahr». Eine zusätzliche Schwierigkeit ist in der Schweiz die Waldenser immer die sich verändernde Zusammenset- noch unterstützen sollen, gibt Alessan- wenn Sie neu oder treu mitmachen. zung der Gemeinden: Die traditionel- dra Trotta zur Antwort: Wir freuen uns sehr, wenn Sie in Ihrem len jahrhundertealten Zugehörigkeiten «Die Waldenserkirche könnte für die Bekanntenkreis auf die Waldenser auf- von Familien zur Waldenserkirche lö- europäischen reformierten Kirchen ei- merksam machen. Wir sind darauf an- sen sich auf. Dafür stossen zunehmend ne ‹Laborfunktion› haben. Denn die gewiesen, dass sich der Kreis der Freun- neue Mitglieder, die einen langen Weg Herausforderungen an eine Minder- dinnen und Freunde wieder vergrös- der spirituellen Suche zurückgelegt ha- heitskirche sind überall ähnlich. Die sert. Für alle Ihre Hilfe sind wir Ihnen ben, zu den Kirchgemeinden, die sie starke Präsenz in der Öffentlichkeit und zu grossem Dank verpflichtet!» gastfreundlich aufnehmen. die Interaktion mit der Gesellschaft Ita- Die Bedürfnisse dieser neuen Mit- liens als wichtiger Teil der Waldenser- Die Waldenserkirche in Italien glieder sind unterschiedlich. Die einen kirche sind vorbildlich. Der ein- Zum kirchlichen Leben gehören suchen mit protestantischem Hinter- drückliche diakonische Einsatz der Wal- Verkündigung und Diakonie. Das grosse grund eine evangelische Kirche, andere denserkirche wird zwar zu einem gros- diakonische Wirken funktioniert sehr kommen mit schmerzlichen Erfahrun- sen Teil aus dem ‹otto per mille›-Geld gut und ist breit abgestützt durch die gen aus evangelischen und katholi- finanziert. Auch bei diesen Projekten Beiträge aus der Mandatssteuer «otto schen Kirchen zu den Waldensern und wird aber ‹kirchliches› Geld benötigt. per mille». Seine Ausstrahlung in die suchen eine Möglichkeit, den Glauben Zudem ist und bleibt das kirchliche Le- Gesellschaft hinein ist gross und wird authentisch zu leben. Deshalb stellt ben unabdingbare Voraussetzung für wahrgenommen. Im kirchlichen Ge- sich bereits unter den italienischen Ge- den Einsatz für die Letzten der Gesell- meindeleben hingegen gibt es grosse meindegliedern die Frage, wie man ge- schaft. Dieser Teil der Kirche braucht Herausforderungen, wie zum Beispiel meinsam Kirche sein kann. weiterhin finanzielle Unterstützung. die Überalterung. Veränderungen sind Spenden an Waldenserkomitee in der deut- Wer waren Die freundschaftlichen Beziehungen im Gang, die zu Spannungen führen schen Schweiz auf Konto 80-44699-8 | IBAN und sind die und die gegenseitige Unterstützung der und angegangen werden müssen. Zwei CH14 0900 0000 8004 4699 8. Ansprech- Waldenser? Reformierten nicht nur in Italien, son- Motive leiten den Prozess an: person AR/AI und Vermittler von Kontakten Lesen Sie wei- dern in ganz Europa, haben historische zu Vertretungen der Waldenserkirche: Tho- ter auf der Wurzeln und sind eine wichtige Traditi- Prima gli ultimi: Zuerst die Letzten mas Gugger, Kirchenrat, Kontakt: thomas. nächsten Seite on. Durch die Corona-Krise fehlen der «Prima gli ultimi» bezieht sich auf die gugger@ref-arai.ch, Tel. 071 790 03 79. unten! Waldenserkirche sehr viele Einnahmen aktuell verbreiteten nationalistischen (Kollekten und innergemeindliche Slogans «Prima gli italiani» oder «Ame- Sammlungen für die Zentralkasse, für rica first». Mit «prima gli ultimi» sind Löhne und Renten). nicht nur die Immigranten gemeint, Liebe Freundinnen und Freunde der sondern auch Alte, Behinderte, Arbeits- Valdes Waldenser, liebe Spenderinnen und lose, Obdachlose und weitere Rand- von Lyon. Spender, es gibt genug Gründe für die gruppen. Dieses diakonische Engage- Solidarität mit dieser kleinen evangeli- ment ist ökumenisch breit abgestützt, schen Kirche in Italien und am Rio de politisch aber immer wieder sehr um- la Plata in Argentinien und Uruguay. stritten. Mit hässlichen Worten wird Wir bleiben aus Überzeugung auch im manchmal sogar der Entzug des Bei- 2020 dran und sind Ihnen sehr dankbar, trags an «otto per mille» angedroht. 13 MAGNET Nr.7/2020
Weitblick Trotz Corona ausgebucht! KiK-Sommerlager 2020 Zuversicht und Bedenken Rauminstallation in Hundwil Das traditionelle KiK-Sommerlager konnte durchgeführt werden! Lange Zeit war ungewiss, ob durch den Lock- 44 lachende Kinder im KiK-Sommerlager down das Lager stattfinden kann. Die Flond Graubünden Bild: gb freiwilligen Helferinnen und Helfer ha- Neben der Postautohaltestelle in Hund- ben die Unsicherheit ausgehalten und Liebe Gottesdienstbesucherinnen wil lädt seit dem 1. August eine Ge- sich dennoch vorbereitet. und -besucher denkstätte Besucher von nah und fern Einmal im Jahr wird innerhalb des Got- zu einem kurzen oder längeren Verwei- Als die Werbung die Familien erreichte tesdienstes die Kollekte für das KiK-Som- len ein. Die Rauminstallation vergegen- mit dem Vermerk «Das Lager findet un- merlager erhoben. Vielleicht haben Sie wärtigt die Themen, die Bruder Klaus ter dem Vorbehalt statt, dass das Bun- sich mit einem Beitrag beteiligt. Wäh- (1417–1487) in seinem Brief an die desamt für Gesundheit eine Öffnung rend des Lagers kam immer mal wieder Berner Ratsherren anspricht. Themen, ermöglicht» haben sich innert kürzes- die Frage von älteren Kindern, wie es die damals wie heute eine Aktualität ter Zeit 39 Kinder angemeldet. Wenige möglich ist, dass wir so viele schöne Sa- haben, der man sich von Zeit zu Zeit Tage später und mit dem Okay des BAG chen im Lager erleben können. Ich habe stellen sollte. So kann man sich freuen, waren es 44 Kinder. Das Lager war so- dann den Kindern von Ihnen erzählt staunen und frische Zuversicht schöp- mit komplett ausgebucht und die Kin- und davon, dass sie nach Ihrem Gottes- fen beim Bedenken der Grundlagen, der im Alter von 7–12 Jahren haben dienstbesuch mit Ihrer Kollekte das KiK- die für unser Zusammenleben gelegt eine vielseitige und spannende Lager- Sommerlager unterstützt haben. Herzli- sind. woche vom 4.–11. Juli zum Thema chen Dank dafür, auch an die Paul und Auskunft: Bernhard Rothen, Präsident Klubferien in Flond Graubünden erlebt. Ida Rohner-Schweizer-Stiftung für die der Stiftung Bruder Klaus, T 079 594 58 94 Gaby Bürgi Gsell Unterstützung. oder info@stiftungbruderklaus.ch Wer sind die Waldenser? der Katharer am selben Konzil. Die Oberitalien und den deutschsprachigen Eine Gruppe der im 12. Jahrhundert Waldenser bekamen die Zusage, in Ar- Gebieten, so auch im Donauraum. Die entstandenen Armutsbewegungen wa- mut leben und zudem predigen zu dür- Zahl der österreichischen Waldenser ren die Waldenser. Valdes zählte zu den fen, wenn es die jeweils lokalen Kir- um 1315 wird auf 80 000 geschätzt. vornehmen Kaufleuten der Stadt Lyon, chenmänner erlaubten. ihm gehörten unter anderem zwei Verfolgung Backstuben. Um 1175 entschloss er Gott mehr gehorchen als dem Bischof Gegen die Waldenser wurde zunächst sich zu einem Leben als Jünger Jesu. Als der Bischof von Lyon die von seinem mit Predigt und Polemik, später mit In- Anlass dafür war ein Lied über das Le- Vorgänger gegebene Zusage zurückzog, quisition und Verfolgung vorgegangen. ben des heiligen Alexios, das ein fah- widersetzte sich Valdes mit dem bibli- In Hartberg in der Oststeiermark gab es render Sänger auf dem Markt vortrug: schen Wort: «Man muss Gott mehr ge- im Februar 1401 einen Inquisitionspro- Ein reicher junger Mann gibt seine Kar- horchen als den Menschen» (Apg zess, bei dem drei Waldenserinnen der riere auf, wird Bettler und vollbringt 5,29). Der Bischof verstand das als Un- weltlichen Obrigkeit zur Verbrennung Wunder. Valdes sorgte für den Unterhalt gehorsam, er verbot Valdes und seiner übergeben wurden: «die Wendel, die seiner Frau und seiner Töchter, bevor Gruppe Predigt und Sakramente und Els Persteyner und die Peters». er sie verliess. Er verkaufte seinen Be- wies sie aus Lyon aus. Am Konzil von sitz, gab das Geld den Armen und wur- Verona 1184 wurde dann gegen die Waldenser heute de Wanderprediger. Waldenser verfügt, dass sie mit dem Kir- Als einzige der verurteilten Ketzerbe- chenbann belegt würden, wenn sie oh- wegungen überstanden die Waldenser Die Armen von Lyon ne Erlaubnis predigten. das Mittelalter, in entlegenen Gegen- Valdes und diejenigen, die sich ihm an- den und unteren Gesellschaftsschich- schlossen, wurden auch «Arme von Ly- Wandernde Ausbreitung ten. 1532 schlossen sie sich der schwei- on» genannt. Beim Dritten Laterankon- Die Waldenser gewannen im Lauf der zerischen Reformation an. Die grössten zil 1179 wurde ihre Lebensform bestä- nächsten Jahrzehnte viele Anhänger waldensischen Gemeinden gibt es heu- tigt, im Unterschied zur Verdammung und Anhängerinnen in Südfrankreich, te in Italien, Argentinien und Uruguay. MAGNET Nr.7/2020 14
Weitblick Bettagsgottesdienst live auf SRF Feiern Sie mit! Bericht einer Nahtoderfahrung Bedeutsam im Trauerprozess Wir fragen: Welche Bedeutung hat ihre Nahtoderfahrung für Trauernde und deren Begleitung? Gespräch mit Monika Dreier Leuthold, Pflegefach- frau und Autorin. Sie veröffentlichte 2008 ihr erstes Buch: «Die Lawine – ich bin drunterdrindraussen». Die Autorin schildert ihre Begegnung mit dem Tod und den schwierigen Weg zurück ins Leben. In ihrem wei- Am 20. September um 10 Uhr wird in auch in Deutschland auf ZDF übertra- teren Buch «Aber sterben werde ich Teufen der Dank-, Buss- und Bettag zum gen. Es wirken unter anderem das gut» von 2012 setzt sich die Autorin Thema «Was uns trägt» gefeiert. Neben «Buebechörli Stein» und die Familien- mit einem würdevollen Sterben aus- Appenzeller Zäuerli erklingt auch das kapelle «Tüüfner Gruess» mit. einander. Donnerstag, 24. Septem- Landsgemeindelied, das dankbar Gottes Wer gerne in der Kirche dabei ist, ber 2020, 19.30–21.30 Uhr im Saal Gegenwart besingt. wird gebeten zwischen 9.15 und 9.45 des Evang.-ref. Kirchgemeindehau- Pfarrerin Andrea Anker predigt aus- Uhr vor Ort zu sein; die Platzzahl ist ses, Poststrasse 14a, Herisau. Ein- gehend vom Apostel Paulus darüber, coronabedingt beschränkt. Ob zuhause tritt frei/Kollekte! Anschliessend was Menschen trägt. Dieser Gottes- vor dem Bildschirm oder in der Gruben- sind alle herzlich zum Apéro einge- dienst wird live am Fernsehen auf mannkirche: Wir freuen uns, wenn Sie laden. Wir freuen uns auf eine rege SRF 1, am Radio und eine Woche später mitfeiern! Beteiligung unter Einhaltung der gel- tenden COVID19-Richtlinien! Wer wir sind … Geborgen unter … und was wir tun! Gottes Wort Die evangelische Frauenhil- trag, auf sozialwissenschaftliche Ein- Ein Begleiter durch das Jahr fe St.Gallen–Appenzell ar- sichten und auf zeitgemässe Praxisori- beitet gemeinnützig. Sie entierung der Sozialarbeit. Die Wochensprüche bringen führt in St.Gallen eine Sozi- Die Beratungsstelle der evangeli- die Essenz jedes Sonn- oder alberatungsstelle für Frauen. schen Frauenhilfe St.Gallen–Appenzell Feiertages im Kirchenjahr Die angebotene Beratung und Hilfeleis- unterstützt Frauen bei der Vermeidung auf den Punkt. Sie sind in tung stützt sich auf die Grundgedanken und Bewältigung sozialer Notlagen. Das weiten Teilen der Kirchen des Menschenrechts und der Men- Angebot steht allen Frauen offen, die und Gemeinden verbreitet, schenwürde, auf den christlichen Auf- sich in Notlagen befinden. Das Bera- werden aber oft kaum wahr- tungs- und Unterstützungsangebot kön- genommen. Lassen Sie sich nen Frauen unabhängig davon nutzen, von Hans-Martin Heins ein- ob kritische Situationen durch Persön- laden zu einem intensiven lichkeitsaspekte, zwischenmenschliche Jahr unter Gottes Wort. Die Beziehungen, soziale, wirtschaftliche 72 Andachten öffnen die oder kultureller Gegebenheiten bedingt Schatzkammer des jeweili- sind. gen Bibelwortes und schliessen den ganzen Reichtum auf, der darin steckt. Wichtige Tätigkeitsbereiche sind: Mit jeweils einem abschliessenden Ge- – Beratung und Betreuung von Frauen bet und einem Liedvorschlag aus dem in schwierigen Lebenssituationen Evangelischen Gesangbuch entsteht so – Vermittlung finanzieller Hilfe eine wöchentliche Andacht, deren Wir- – Hilfe zu Schritten, die (wieder) in die kung sich über viele Jahre entfaltet. Selbständigkeit führen Denn in jedem einzelnen wiederkeh- renden Wochenspruch leuchtet nun ein Information und Bewusstmachung in neuer Glanz – ein kostbarer, biblischer der Öffentlichkeit über Strukturen, die Edelstein, der in die Woche hinein- für Frauen Not erzeugen. strahlt. 15 MAGNET Nr.7/2020
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