Berliner Ärzt:innen - Stresstest Mensch - Wie die Pandemie die Ärzt:innenschaft - Ärztekammer ...
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Berliner MITGLIEDERZEITSCHRIFT ÄRZTEKAMMER BERLIN AUSGABE 06 / 2021 Ärzt:innen Stresstest Mensch – Wie die Pandemie die Ärzt:innenschaft fordert
EDITORIAL seit nun gut 18 Monaten führt uns die COVID-19-Pandemie an unsere Grenzen und immer wieder darüber hinaus. In allen Berliner Gesundheitseinrichtungen PD Dr. med. Peter Bobbert kämpfen wir um das Leben unserer Patient:innen. Wir müssen viel zu oft mit ist Facharzt für Innere Medizin Bitterkeit erleben, dass unser Einsatz nicht ausreicht. Wir trauern um Tausende, und Kardiologie (Zusatzweiter- die in Berlin durch COVID-19 ihr Leben verloren haben. Wir trauern um unsere bildung Notfallmedizin) und Präsident der Ärztekammer Patient:innen, die viel zu häufig auch unsere Kolleg:innen waren: Kolleg:innen, Berlin. die in ihrem Einsatz für das Leben der Menschen ihr eigenes verloren haben. Foto: MB Bundesverband In dieser schweren Zeit erleben wir aber auch Momente der Zuversicht, die uns Halt und Kraft geben. Die Krise lässt uns zusammenrücken. Ob nun in Praxen, Krankenhäusern, Gesundheitsämtern oder anderen Gesundheitseinrichtungen, wir bewältigen die Herausforderungen gemeinsam. Die Gemeinsamkeit innerhalb der Ärzt:innenschaft, aber auch zwischen den einzelnen Gesundheitsberufen verleiht uns die Stärke, die wir brauchen, um die kontinuierliche Belastung auszuhalten: Das „Wir“ bringt uns durch die Krise. Es stärkt uns. Dieses „Wir“ soll stets das Handeln unserer Berliner Ärztekammer prägen. Die Kammer soll an Ihrer Seite stehen und Sie im ärztlichen Alltag unterstützen. Das „Wir“, das wir als Kammer für und mit Ihnen leben wollen, entsteht durch die vielen ehrenamtlich tätigen Ärzt:innen, die in Ihrem Namen die Geschicke unserer Kammer gestalten. Dies tun sie heute trotz oder gerade wegen der COVID-19-Pandemie in einer herausragenden Art und Weise. Dafür möchte ich Danke sagen. Die Kammer ist keine beliebige Institution. Sie ist das Abbild der Berliner Ärzt:innen- schaft. Deswegen muss sie das „Wir“ auch darstellen, um es leben zu können. Unsere Körperschaft soll ein Spiegelbild der Berliner Ärzt:innenschaft sein und hier können wir besser werden: Die Kammer und ihre Gremien müssen weiblicher, jünger, internationaler und diverser werden. Die Realität wollen wir nicht nur darstellen, wir wollen sie leben. Dies hat unsere Delegiertenversammlung am 14. April 2021 in einem klaren ersten Signal ausgedrückt, indem sie in großer Mehrheit der Umbenennung unserer Zeitschrift zugestimmt hat. „Wir“, das sind nicht die Berliner Ärzte, sondern die Berliner Ärzt:innen. Und genau mit diesem „Wir“ werden wir gemeinsam auch zukünftig die größten Herausforderungen meistern. Unsere überarbeitete Mitgliederzeitschrift nimmt den Wandel auf. Sie ist offen, modern und mutig. Das neue Corporate Design macht dies auch für alle sicht- und erfahrbar – die Ärztekammer Berlin stellt sich neu auf. 3
Inhalt EDITORIAL POLITIK & PRAXIS Begrüßung von Peter Bobbert 3 Den Öffentlichen Gesundheitsdienst am Laufen halten eine Fotoreportage von Maurice Weiss 32 KURZ NOTIERT Corona in der Facharztpraxis Aktuelles / Nachrichten 6 von Gunnar Riemer 36 Diagnosestellung drei Jahre verzögert AUS DER KAMMER ein Bericht aus der Arbeitsgruppe „CIRS ambulant“ 38 Weil sich die Zeiten ändern … Projekt: COVID-Heim 39 von Niels Löchel 18 Personalien Bericht von der Delegiertenversammlung • Zum Gedenken an Moritz Mebel 40 am 14. April 2021 • Zum Gedenken an Jürgen Hölzinger 41 von Ole Eggert 20 „Hören Sie mich?“ KULTUR & GESCHICHTE Statements zum 124. Deutschen Ärztetag 22 Virchow-Jahr 2021 42 Weiterbildung • Rudolf Virchow und die medizinische Ethik • Bestandene Facharztprüfungen von Axel W. Bauer März und April 2021 24 Medizinische Fachangestellte • Informationen zur Ausbildung und Weiterqualifizierung 25 Ärztliche Fortbildung • Veranstaltungskalender der Ärztekammer Berlin 28 Meinung 31 Titelbild Dr. med. Nina Winkler, Fachärztin für Innere Medizin, UBN/Praxis Foto: Tobias Kruse, OSTKREUZ / Ärztekammer Berlin 4
KURZ NOTIERT Informationsveranstaltung Ausbildung Weiterbildung in der Beschreibung Allgemeinmedizin Im Rahmen der Veranstaltung er- halten Interessierte alle Informatio- nen zu den Regelungen der Weiter- Auf der Ausbildungsplatzbörse der bildung in der Allgemeinmedizin Ärztekammer Berlin können Sie unter und zur IPAM-Förderung. Außerdem → www.aekb.de/mfa kostenfrei Ihr erklären die Referierenden das Ver- Ausbildungsplatzangebot für Medizi- fahren zur Prüfungsanmeldung und nische Fachangestellte inserieren. Termin beantworten die Fragen der Teil- Weitere Informationen erhalten Sie Mi., 11.08.2021 nehmenden. Um deren Anzahl bes- auf der Website sowie unter 17–19 Uhr ser einschätzen zu können, wird um T 030 408 06 - 26 26. ∕ eine Anmeldung gebeten. Ort in Präsenz, Anmeldung Gesetzgebung alternativ online E kosta-fuer-berlin@aekb.de Intervention Wichtig: Niedergelassene Vertrags- Arzt SUCHT Hilfe – Das Interventionsprogramm der ärztinnen und Vertragsärzte (ein- Suchtproblematik bei Ärztekammer Berlin berät und schließlich Angestellter, die einen begleitet Ärztinnen und Ärzte mit vertragsärztlichen Sitz fortführen) Ärztinnen und Ärzten problematischem Substanzkonsum müssen ihrer Kassenärztlichen Vereini- professionell und kollegial. Suchen gung bis zum 30.06.2021* nachweisen, Suchen Sie Hilfe, Sie Hilfe, Beratung, Unterstützung? dass sie über einen elektronischen Beratung, Nutzen Sie die Möglichkeit, um mit Arztausweis verfügen. Bitte beantragen uns in Kontakt zu kommen: Sie Ihren elektronischen Arztausweis Unterstützung? daher jetzt! E kontakt-suchtprogramm@aekb.de Informieren Sie sich bitte vorab unter Weitere Informationen finden Sie → www.aekb.de/eArztausweis und auf der Website starten Sie hier Ihren Antrag. ∕ → www.aekb.de/suchtintervention * Aktueller Stand der Gesetzgebung Medizinischen Fachangestellte Aufgrund der aktuellen Situation haben wir eine eigene Corona-Rubrik auf unserer Website eingerichtet. Sie gelangen über → www.aekb.de/mfa auf die Seite, auf der Sie aktuelle Informationen (FAQ) zur Ausbildung und Umschulung Medizinischer Fachangestellter erhalten. Zu den Themen „Prüfungswesen“, „Berufsschulunter- richt“ und „Betriebliche Ausbildung“ finden Sie neben wichtigen Informationen auch Hinweise und Antworten auf häufig gestellte Fragen. Die Seite wird fortlaufend aktualisiert. ∕ 6
Neue Gebietsbezeichnung In der „ Praxis “ Nach mehrjähriger Vorbereitung durch die internisti- zahlen wir uns aus schen und infektiologischen Fachgesellschaften hat der jüngste Ärztetag die Einführung der neuen Gebiets- bezeichnung beschlossen. In der Ärztekammer Berlin hatte bereits vor zwei Jahren eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Dr. med. Wulf Pankow ein Weiterbil- dungskonzept für die neue Facharztbezeichnung erar- beitet. Beteiligt waren leitende Infektiolog:innen aus den Berliner Kliniken und aus dem ambulanten Bereich. Nach Zustimmung durch den Ärztekammervorstand erfolgte eine Diskussion in allen sechs Weiterbildungs- ausschüssen. Der gemeinsame Weiterbildungsausschuss folgte abschließend mit einem positiven Votum der Argumentation der Antragsteller:innen. So erfordern die gestiegenen Anforderungen an die infektiologische Expertise eine spezialisierte Weiter- bildung, die über die Inhalte der einjährigen Zusatz- Weiterbildung Infektiologie deutlich hinausgeht. Die neuen Fachärzt:innen soll eine wichtige Funktion in der Behandlung komplizierter Infektionskrankheiten, in der Konsiliartätigkeit und bei der Beratung von Ent- scheidungsträger:innen wahrnehmen. Die Tätigkeit ersetzt dabei nicht die fachspezifische infektiologische Behandlung in den Organfächern. Berlin bietet durch ein dichtes Netz an Infektiolog:innen eine ausgezeich- nete Voraussetzung für die Weiterbildung. Dabei werden sich die Weiterbildungsstätten durch Rotationsmöglich- keiten in verschiedenen infektiologischen Schwerpunkten ergänzen. Die Einführung der neuen Facharztbezeich- nung soll zusammen mit der neuen Weiterbildungsord- nung auf einer der nächsten Delegiertenversammlungen im laufenden Jahr beschlossen werden. ∕ Sagen Sie uns zu den Artikeln in Berliner Ärzt:innen Ihre Meinung! Was gefällt Ihnen, was nicht und wo sehen Sie Herausforderungen? Schreiben Sie uns an: E presse@aekb.de 7
IM FOKUS Maria Duran Cortes, Ärztin, Vivantes Klinikum Neukölln 8
Viele Ärztinnen und Ärzte, die es neben der Arbeit und Angehörigen zu Hause. All dies unter neuen, veränderten dem Familienalltag noch schafften, haben sich in den und seit Wochen und Monaten äußerst schwierigen Bedin- vergangenen Monaten Albert Camus‘ berühmten Roman gungen“, zählt Nehls auf. „Die Pest“ vorgenommen. Dessen Hauptfigur, der Arzt Dr. Bernard Rieux, kann mit seinem Engagement schließ- In ihrer Klinik habe es sehr geholfen, dass Intensiv- und lich als Vorbild gelten. Doch nachdem die Seuche einige Palliativmediziner:innen, Pneumolog:innen, Psycholog:in- Monate in der Stadt Oran gewütet hat, verändert sich nen und auch Seelsorger:innen von Beginn der Pandemie etwas in der Seelenlage des Mediziners und seines Teams: an zusammengearbeitet hätten. „Wir sind täglich in der „Da merkten Dr. Rieux und seine Freunde, wie sehr sie Intensivmedizin verabredet und überlegen in jedem Ein- müde waren.“ zelfall, ob eine gemeinsame Gesprächsführung mit den Angehörigen hilfreich sein könnte.“ Der Einstieg in ein Intensive Belastungen in Krankenhäusern Gespräch, in dem letztlich vielleicht auch die Notwendig- Droht den Helfenden von heute nun eine ähnliche Müdig- keit einer Therapieeskalation besprochen werden muss, keit? Eine Online-Umfrage der Deutschen Gesellschaft für geschehe immer über Themen wie Familie und Persönlich- Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) keit der Patientin oder des Patienten. „Dass wir unterschied- unter 1.321 Teilnehmenden ergab jüngst, dass 19 Prozent liche Blickwinkel haben und von den Angehörigen als Team der auf Intensivstationen, Notaufnahmen und im Rettungs- wahrgenommen werden, stützt auch die Intensivmedizi- dienst tätigen Mediziner:innen mit dem Gedanken spielen, nerinnen und -mediziner, die früher oft nur am Erfolg des ihre Stelle in den nächsten zwölf Monaten aufzugeben; bei Überlebens gemessen wurden. Wir haben mit dem Thema den Pflegekräften ist die Zahl deutlich höher. Viele Mitar- Sterben einen versöhnlicheren Umgang.“ beitende der Intensivstationen denken zudem daran, ihre Arbeitsstunden zu reduzieren. Erste, zweite, dritte Welle Was hat sich im Verlauf dieses langen Jahres verändert? Auch wenn das eine nicht repräsentative Momentaufnahme „In der ersten Welle sind wir in eine komplett andere Welt ist, gibt es Grund zur Besorgnis. Während in anderen Fach- eingetaucht“, berichtet Nehls. „Aber tatsächlich war das gebieten eher die Einschränkungen bei der Behandlung Patientenaufkommen gar nicht so groß. Das hat uns erst von Patient:innen belasten, etwa verschobene Operationen im November und Dezember mit voller Wucht getroffen, oder ersatzlos gestrichene Spezialsprechstunden für chro- mit neu eröffneten Stationen, die ganz schnell voll waren, nisch Kranke oder für Seltene Erkrankungen, bedrückt die und mit vielen Quarantänen von Mitarbeitenden.“ Inzwi- stark beschäftigten Infektiolog:innen und Intensivmedizi- schen kommt dazu, dass jüngere COVID-Patient:innen auf ner:innen, dass sie zahlreichen COVID-Patientinnen und den Intensivstationen liegen, mit viel längeren Verläufen -Patienten keine Heilung ermöglichen können. „Wir müssen derzeit damit leben, dass viele Menschen sterben“, sagt die Internistin Dr. med. Wiebke Nehls, Chef- Psychosoziale Unterstützung: Anlaufstellen ärztin der neu geschaffenen Klinik für Palliativmedizin und Die Helpline des Münchner Vereins PSU Akut e. V. Geriatrie am Helios Klinikum Emil von Behring in Zehlen- (→ www.psu-akut.de) bietet Menschen, die in Heilberufen dorf. Und sie fügt gleich hinzu: „Unser Augenmerk muss arbeiten und in einer schwierigen Situation selbst see- trotz aller Belastung darauf liegen, wie sie sterben!“ Die lische Unterstützung brauchen, unkompliziert Hilfe COVID-Erkrankten sind in den Kliniken auf die gemeinsame durch Kolleg:innen. Man kann dort zunächst einen Test und vernetzte Versorgung aus Pneumologie, Intensivmedi- machen, um sich ein Bild über den Grad der eigenen zin und Palliativmedizin angewiesen. Das zu organisieren, persönlichen Belastung zu verschaffen. Hilfe bei Peers erfordert viel Engagement und Kreativität – und von Ärzt:in- suchte zum Beispiel eine Medizinische Fachangestellte, nen aller beteiligten Fachgebiete zudem eine besonders deren Partner auf einer COVID-Station arbeitet und der starke Auseinandersetzung mit dem Tod. Bei der Deutschen auf sie verändert wirkte. Sie suchte Anregungen, wie sie Gesellschaft für Palliativmedizin, in deren Vorstand Nehls mit ihm darüber ins Gespräch kommen könnte. tätig ist, spricht man von einer pandemiebedingten „Not- fall-Palliativversorgung“. „Der Aufgabenbereich in der Eine weitere Anlaufstelle, hauptsächlich für Mitarbei- Palliativmedizin ist erheblich größer geworden: Einerseits tende von Feuerwehr, Rettungsdiensten und Polizei, ist werden wir dringend auf den COVID-19-Stationen gebraucht, die Stiftung „Hilfe für Helfer“ (→ www.hilfefuerhelfer.de). bei den isolierten Patientinnen und Patienten, zum ande- Dort widmet man sich vor allem der Prävention von ren auf den Palliativstationen, in den Altenpflegeheimen, Folgen psychosozialer Einsätze. in den Hospizen sowie bei Schwerstkranken und deren 9
IM FOKUS und viel Besorgnis bei den Familien. Weil es wegen der dem sie sinnvolle Arbeit leisten können, und das im Kon- Pandemie weniger physischen Kontakt mit den Ange- takt mit Kolleg:innen. In dieser Gesundheitskrise ist die hörigen geben kann und Videoanrufe immer wichtiger allgemeine Wertschätzung für sie weiter gewachsen. Wer werden, sind Mitarbeitende der Palliativmedizin vermehrt ein Restaurant betreibt oder freischaffend als Musikerin bei persönlichen und privaten Gesprächen dabei. „Das oder Musiker arbeitet, kann sie um ihr berufliches Standing hat eine Intensität, die uns sehr bewegt, es uns gleich- und ihre materielle Sicherheit nur beneiden. Etwas Neid zeitig aber auch erschwert, Abstand zu gewinnen.“ Durch anderer junger Eltern zogen Ärzt:innen schon zu Beginn die lange Zeit der Pandemie sei man zwar etwas erschöpft, der Pandemie auch auf sich. Sie wurden sofort als „system- habe aber andererseits auch einen starken Zusammen- relevant“ eingestuft und konnten ihre Kinder in die Not- halt entwickelt, meint Nehls. „Und, wir sind inzwischen betreuung der Kitas und Grundschulen geben, während alle geimpft, wir rechnen also nicht mehr so stark mit eige- andere Mütter und Väter die Betreuung samt Homeschooling nen Ausfällen.“ Ein Angebot zur Prävention für besonders neben dem Homeoffice bewältigen mussten. Angesichts exponierte Mitarbeitende und zur Supervision hält Nehls der aktuellen Situation in Selbstmitleid zu verfallen, scheint für sehr hilfreich. „Und ein Privileg haben wir: Im Unter- vielen Ärzt:innen also völlig unangemessen. schied zu Menschen, die im Homeoffice arbeiten, haben wir hier einen kollegialen Austausch, der sich schon freund- Notbetreuung ist nicht immer ein Privileg schaftlich anfühlt. Die Gefahr der Vereinsamung besteht Erlaubt – und geboten – ist aber eine nüchterne Bestands- nicht.“ aufnahme, auch in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Grundschülerinnen und -schüler hatten und Nehls spricht damit einen Punkt an, der auch anderen haben trotz Notbetreuung zu Hause viel mehr mit der Schule Ärztinnen und Ärzten wichtig ist: Wer darauf schaut, wie zu tun, die Älteren sind ohnehin mit Online-Unterricht auf es Mediziner:innen in dieser langen Zeit der Pandemie sich gestellt. Den Kleinen gingen in den zu Beginn fast leeren geht, der darf die Maßstäbe nicht verlieren. Zunächst Kitas oft die engsten Freundinnen und Freunde „verloren“. einmal haben Ärzt:innen einen krisenfesten Beruf, in Die Töchter von Palliativmedizinerin Wiebke Nehls sind fünf und sieben Jahre alt. Sie waren im vergangenen Frühjahr zunächst in der Notbetreuung. „Es ist nicht immer leicht, den Kindern zu vermitteln, dass die Notbetreuung ein Privi- leg ist, wenn von 60 Kindern noch vier in der Kita sind. Sie erleben sich dann leicht als ‚übrig gelassen‘“, berichtet Nehls. Zusammen mit anderen Eltern aus der Nachbarschaft hat sie schließlich eine private Lösung gefunden – für die sie sehr dankbar ist, zumal sie in der turbulenten Zeit tagsüber nicht viel zur Betreuung beitragen konnte. In ihrem Team arbeiten mehrere engagierte Frauen, die eben- falls kleinere Kinder haben. Sie alle stellten fest, dass es eine Herausforderung ist, den Kindern Stabilität zu geben, berichtet Nehls. „Sie merken ja, dass wir viele Themen mit Der Fotograf und die Porträts Ein Stresstest des Systems führt zu Belastungen des medi- zinischen Personals. Er zeichnet die Menschen, die täglich im Berliner Gesundheitswesen die COVID-19-Pandemie bewältigen. Ärztinnen und Ärzte aus Praxen und von Inten- sivstationen waren dazu bereit, sich nach dem Dienst oder in der Pause vom OSTKREUZ-Fotografen Tobias Kruse por- trätieren zu lassen. Dabei sind Bilder entstanden, die Er- schöpfung und Belastung, aber auch Hoffnung zeigen. Weitere Fotos der Reihe werden im Laufe des Junis auf den Donald Orlov-Wehmann, Arzt/Psychotherapie, Social Media-Kanälen der Ärztekammer Berlin veröffentlicht. Zentrum für ganzheitliche Medizin 10
IM FOKUS „Dass wir arbeiten gehen dürfen, ist ein Geschenk.“ Ein Gespräch zwischen Dr. Adelheid Müller-Lissner und Johann Jakob Maske AML mit Familien zu tun, die wohnen zu fünft in einer Zweizimmerwohnung, leiden unter finanziellen Einbußen, JJM Eindeutig, dass die Kinder und Anfangs haben wir wirklich gesehen, betreuen ihre Kinder zu Hause und Jugendlichen so belastet sind! dass die Kinder seltener gebracht müssen mit mehreren Kindern Home- Das ist eine große Ungerechtigkeit, wurden, weil ihre Eltern Angst hatten. schooling machen, ohne sie wirklich die wir immer wieder anprangern müs- Das haben wir aber sehr, sehr schnell gut unterstützen zu können. sen. Als Pädiater:innen und auch als wieder aufholen können. Es gibt in- Berufsverband fühlen wir uns schließ- zwischen nur noch wenige Lücken, lich auch als deren Anwält:innen. auch weil wir uns aktiv um die Familien bemühen. Was uns Sorgen macht, ist aber, dass Wir stellen häufig enorme Gewichts- etwa Kinder mit einer Diabetes-Erst- zunahmen fest, die wir so noch nie manifestation später in Praxen und gesehen haben. Wir bekommen mit, Kliniken kommen. Und natürlich Ver- dass die Kinder und Jugendlichen viel änderungen bei den Kindern und Ju- zu lange vor Bildschirmen sitzen, und gendlichen. es gibt eine rasante Zunahme psychi- scher Störungen. Außerdem erleben wir vielfach Kinder, die in dieser ganzen Zeit kaum einen Lernzuwachs hatten. An all diesen Stellen kämpfen wir schon Wir hatten Glück, bisher ist keine:r seit Jahren. Dass das relativ schnell erkrankt. Aber es gibt diese Angst, durch eine Pandemie über den Haufen und es gab anfangs Überlegungen geworfen wird, macht uns natürlich der Älteren, ob es nicht besser wäre, traurig. freigestellt zu sein. Aber alle sind ge- blieben, und wir sind weiterhin ein fröhliches, nettes Team. Eigentlich Ja, die Arbeit im akuten Bereich ist versuchen wir jährlich eine Reise zu- deutlich weniger geworden. Teilweise sammen zu machen. Das geht leider verzeichnen die Praxen 30 bis 40 Pro- im Moment nicht, aber wir können zent weniger akut kranke Kinder. Neu auf der Vorarbeit aufbauen. niedergelassene Kolleg:innen leiden deshalb sehr unter Existenzängsten. Das ist auf Dauer nicht unbedingt ge- rechtfertigt, aber natürlich muss man Wir vermissen alle den persönlichen die Ängste ernst nehmen. Einerseits ist Austausch. Glücklicherweise haben es natürlich erfreulich, dass Kinder der- wir Kinder- und Jugendärzt:innen ein zeit weniger Infekte haben. Es zeigt sehr gut funktionierendes Intranet, nebenbei auch, dass die Maßnahmen sodass wir in Kontakt bleiben können. zur Pandemiebekämpfung wirken. Überhaupt müssen wir Ärzt:innen uns Doch aus fachlicher Sicht ergibt sich immer wieder klar machen, dass wir daraus das nächste Problem: Was be- in mancher Hinsicht viel weniger von deutet diese Veränderung immuno- der Pandemie betroffen sind als an- JJM Johann Jakob Maske Berliner Sprecher des logisch für die Kinder? Fehlen die frü- dere Berufszweige: Es ist ein Geschenk, Berufsverbands der Kinder- hen Infekte in ihrer Entwicklung? Wird dass wir arbeiten gehen dürfen, da und Jugendärzte, niedergelas- es im nächsten Jahr dann die doppelte sind wir fein raus! Gerade hier in sen in Schöneberg-Nord Anzahl an Infekten geben? Schöneberg-Nord haben wir täglich Foto: privat 11
Dr. med. Adriane Halik, Ärztin, Kevin Ummard-Berger, Facharzt für Charité – Universitätsmedizin Berlin Allgemeinmedizin, UBN/PRAXIS nach Hause bringen, sie wissen, dass ihre Mama bei sterben- und Zukunftsperspektiven? Auf den Treffen der Assistenten- den COVID-Patienten dabei ist.“ Ihr persönlich habe es ge- sprecherinnen und -sprecher, die die Ärztekammer Berlin holfen, dass sie mit den befreundeten Eltern offen über ihre als Möglichkeit zum Austausch anbietet, wurde, so eine berufliche Situation sprechen konnte. „Mir hilft, dass ich Teilnehmerin, vielfach berichtet, dass Kolleg:innen aus den meine Arbeit so sinnstiftend finde. Daraus kann ich Kraft operativen Fächern nicht die Eingriffe machen konnten, die schöpfen. Gleichzeitig schöpfe ich auch Kraft aus den Ku- für die Facharztprüfung Voraussetzung sind. Angehende schelstunden mit meinen Kindern.“ Internist:innen wiederum wurden dringend für die Versor- gung von Corona-Patientinnen und -Patienten gebraucht, „Kollegen und Kolleginnen mit Schul- und Kitakindern ma- sodass die Vielfalt ihres Faches zeitweise zu kurz kam. Zu- chen mir in der Pandemie Sorgen, weil sie etwas schultern meist habe im vergangenen Jahr bei den Ärzt:innen in Wei- müssen, was es vorher nicht gab“, sagt die Psychiaterin terbildung aber großes Verständnis für die Ausnahmesitu- Dr. med. Ute Keller, Leitende Oberärztin am Alexianer ation geherrscht, versichert die Sprecherin. Auch Befürch- St. Joseph-Krankenhaus in Weißensee und dort Leiterin tungen hinsichtlich eines Einstellungsstopps hätten sich der Klinik für Suchtmedizin. „Sie sind sehr am Limit, auch – zumindest in dieser Runde – schnell gelegt. wegen der permanenten Diskussionen über Schulöffnungen und -schließungen.“ Sie mahnt die Älteren, auf die jungen In ihrem eigenen Arbeitsbereich als Internistin in einer Kolleg:innen zu achten. „Wir dürfen sie nicht verlieren, wir Medizinischen Klinik stand die Behandlung von Patient:in- müssen sehen, dass sie nicht in Dauererschöpfung geraten nen mit COVID-19 in den vergangenen Monaten ganz im und trotz allem eine gute Ausbildung bekommen.“ Als Plus- Vordergrund. „Wir haben also weiter im eigenen Fachgebiet punkt sieht sie an, dass eine Generation junger Ärzt:innen gearbeitet. Anfangs bestand die Belastung aber in der Ver- heranwachse, die sich besser artikulieren und deutlicher unsicherung angesichts der neuartigen Infektionskrankheit sagen könne, wo ihre Grenzen sind. „Sie sind sehr enga- und natürlich in dem Isolations-Setting mit den zum Teil giert, können aber besser als meine Generation Grenzen sehr schweren Krankheitsverläufen.“ Während der zweiten ziehen.“ Welle, also ab Mitte November 2020, war dann in ihrem Krankenhaus der Krankenstand unter den Mitarbeitenden, Weiterbildung in Zeiten der Pandemie die COVID-Stationen betreuten, extrem hoch. Zugleich wur- Gerade diese nachwachsende Generation von Ärztinnen den viele neue Patient:innen aufgenommen. Kolleginnen und und Ärzten hatte und hat während der Pandemie besonders Kollegen, die frisch von der Uni kamen, konnten strecken- unter Unsicherheit zu leiden: Wie wirkt sich die Situation weise deutlich weniger angeleitet werden, für das üblicher- auf die Weiterbildung aus? Wie auf Vertragsverlängerungen weise sehr gute Weiterbildungsangebot blieb weniger Zeit 12
und Raum. Manchmal habe man den Eindruck gewinnen können, dass es nur ein internistisches Krankheitsbild gebe. „Weil keiner wissen konnte, wie lange das so weiter- gehen und ob es zu schaffen sein würde, war das eine große Belastung. Diese Monate waren arg, alle waren an der Grenze“, sagt die Ärztin rückblickend. Inzwischen zeichne sich eine Normalisierung ab. Ambulante Medizin zwischen Rettungsschirm und Patientenzustrom Die beruflichen Auswirkungen der Pandemie sind auch bei den niedergelassenen Ärzt:innen je nach Fachgebiet sehr unterschiedlich. Viele klagen über wirtschaftliche Einbußen, vor allem während der ersten Welle. In einer repräsentativen Umfrage unter seinen Mitgliedern hat der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) ermittelt, dass mehr als ein Drittel von ihnen die eigene wirtschaftliche Existenz bedroht sieht, mehr als die Hälfte über einen Abbau von Stellen nachdenkt. Das „Gesetz zum Ausgleich COVID-19- Lukas Schäfer, Arzt, bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und Charité – Universitätsmedizin Berlin weiterer Gesundheitseinrichtungen“ (COVID-19-Kranken- hausentlastungsgesetz) und der darauf gestützte „Rettungs- schirm“ der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV Berlin) kommen Niedergelassenen zugute, die durch einen Rück- gang der Fallzahlen während der Pandemie finanzielle Einbußen von mehr als zehn Prozent erlitten. Wer es mit viel zusätzlicher Mühe geschafft habe, in seinem Fachge- biet trotz erhöhter Vorsichtsmaßnahmen weiterhin gleich viele Patient:innen zu versorgen, gehe dagegen leer aus, monieren Kritiker:innen. Andere haben pandemiebedingt inzwischen erhebliche Mehrarbeit zu schultern, etwa die Allgemeinärzt:innen, die impfen. Hinzu kommt, dass in diesem Jahr viele Pa- tient:innen starben, die jahrelang in die Praxen kamen und ihren Hausärzt:innen sehr vertraut waren oder dass immer wieder Mitarbeitende zeitweise ausfallen und natürlich auch, dass die Schutzmaßnahmen auf Dauer zermürbend wirken können – bis hin zu Hautproblemen, die der Mund-Nasen- Schutz auf die Dauer verursachen kann. Der Schöneberger Kinderarzt Johann Jakob Maske (siehe Interview Seite 11) hat das Glück, dass in seinem Team bislang alle gesund geblieben sind – und dass sie weiter genug zu tun haben. „Was aber viel Arbeit gekostet hat, ist die Umstellung des Praxismanagements: Normalerweise arbeiten wir drei ärztlichen Kolleg:innen alle parallel, in- zwischen sorgen wir dafür, dass Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen sehr abgeschottet stattfinden“, berichtet Mareike Kalisch, Ärztin, Vivantes Klinikum Neukölln er. „Abstriche müssen selbstverständlich mit Visier und 13
IM FOKUS „…, parallel dazu gab und gibt es pausenlos Änderungen der Vorgaben“ Ein Gespräch zwischen Dr. Adelheid Müller-Lissner und Steffen Hampel AML arbeiten wir digital, nur leider, auch wegen des Föderalismus, noch mit unterschiedlicher Software. „Sormas“1 Was mich im Verlauf dieses Jahres am SH Grundsätzlich ist unsere Arbeit flächendeckend einzusetzen ist in Ord- meisten beeindruckt hat, ist der Zu- erfüllend: Man merkt unmittel- nung, wenn die Schnittstellen funk- sammenhalt der Mitarbeitenden. Wir bar, dass das, was man tut, hilfreich tionieren. Und noch etwas: Ich kenne haben uns gegenseitig aufgefangen, ist. Wir konnten im vergangenen Jahr übrigens keine Gesundheitsämter, und das hat mich sehr stolz gemacht. zeigen, was wir leisten können; dass wir die derzeit sonntags nicht besetzt Dass wir aufeinander geachtet haben, wirksame Maßnahmen treffen. So leis- sind. hat sicher die Resilienz gestärkt. ten wir einen wichtigen Beitrag dazu, die Zeit, bis die Impfungen greifen zu überbrücken. Bis zu einem bestimmten Punkt geht das sehr gut. Belastend ist aber natürlich die Dauer der Pan- Bei uns glücklicherweise bisher nicht. demie. Das Gesundheitsamt muss Es kann allerdings sein, dass der eine Das ist zu hoffen. Die Chance, die der schließlich weiter als Ganzes funk- oder die andere kurz davor ist. Von Pakt für den Öffentlichen Gesundheits- tionieren. Das Hilfspersonal, das wir anderen Gesundheitsämtern weiß ich dienst mit der Finanzspritze des Bundes dazubekommen haben, ist einerseits es. Sie müssen sich vorstellen, dass für die nächsten fünf Jahre bietet, muss ein Segen, auf der anderen Seite ist wir täglich Mails oder Anrufe von Quer- nun gut genutzt werden. Es soll 5.000 es aber auch eine extreme Heraus- denkerinnen und Querdenkern oder neue Mitarbeitende bundesweit für die forderung, alle so zu schulen, dass sie ähnlichen bekommen. Bis zum Som- 400 Gesundheitsämter geben. Dabei gut arbeiten können. Dazu kommt der mer letzten Jahres war die Wahrneh- geht es nicht allein um Ärzt:innen, son- häufige Wechsel, parallel dazu gab mung dessen, was die Gesundheits- dern zum Beispiel auch um Hygiene- und gibt es pausenlos Änderungen der ämter getan haben, eher positiv. Man und Verwaltungsfachkräfte und wei- Vorgaben vom Robert Koch-Institut wird aber als verlängerter Arm des tere Professionen. und vom Land. Das ist anstrengend Staates wahrgenommen, damit wird und geht schon an die Substanz. man zur Projektionsfläche. Was in den sozialen Medien abläuft, ist nicht mehr feierlich. Zusätzlich bauen in einigen Fällen Dienststellen Druck auf. Die Kombination von all dem Eher nicht so. In den Nachrichten hört führt an die Grenzen. Dazu kommt man zwar, wie viele Fälle die Gesund- die Schwierigkeit, Familie und Beruf heitsämter täglich melden, doch wir in dieser belastenden Zeit unter einen tun mehr: Wir veranlassen Quarantä- Hut zu bringen. SH Steffen Hampel nen und Maßnahmen, die den Verlauf Vorsitzender des Vebandes der Ärzte des öffentlichen Gesund- der Pandemie steuern. Unser erstes heitsdienstes der Länder Berlin und Anliegen ist es ja, Folgefälle zu ver- Brandenburg, Leiter des Gesund- hindern. Da wäre mehr möglich ge- Man denkt oft nicht daran, dass wir heitsamtes Märkisch Oderland wesen, wenn wir primär besser auf- viel direkten Kontakt mit den betrof- Foto: privat gestellt gewesen wären. Ich habe aller- fenen Familien haben. Wir erleben Ver- dings den Eindruck, dass wir eine längerungen der Quarantänen wegen Bundeskanzlerin haben, die engen langwieriger und schwerer Verläufe 1 SORMAS-ÖGD (Surveillance Outbreak Kontakt mit dem Bundesberufsver- und natürlich auch Todesfälle. Das Response Management and Analysis band hält und die Problematik verstan- geht uns kaum aus dem Kopf. Diese System) ist eine spezialisierte Anwendung den hat. Durchschnittsbürger:innen Art von Gesprächen haben wir eigent- zum Kontaktpersonenmanagement im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie. Sie wissen aber nicht, was wir tun. Die lich nicht gelernt, umso mehr Hoch- unterstützt die Gesundheitsämter bei der Wahrnehmung ist: „Die sind rückstän- achtung habe ich vor der Empathie Identifizierung und Überwachung von dig, versenden noch Faxe.“ Dabei der Mitarbeitenden. Kontaktpersonen. 14
„Noch funktionieren wir und beißen die Zähne zusammen …“ Handschuhen gemacht werden, und die FFP-2-Maske muss ganztags sein. Die Gefahr einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 ist dadurch minimal, aber selbstverständlich nie auszuschließen.“ Wenigstens hat sich in seinem Fall die Befürchtung nicht bewahrheitet, dass durch die Vor- sichtsmaßnahmen der Kontakt zu den Kindern leiden würde. „Es geht erstaunlich gut, auch bei kleinen Kindern mit Mund-Nasen-Schutz zu arbeiten. Kinder können sehr gut in den Augen lesen und an der Motorik erkennen, wie man ihnen gegenüber eingestellt ist.“ Notwendige Selbstfürsorge „Es gibt erste Mitarbeiter:innen aus Kliniken, die jetzt als Patienten zu uns kommen“, sagt Psychiaterin Dr. med. Ute Keller vom Alexianer St. Joseph-Krankenhaus in Weißen- see. Eine deutliche Zunahme kann sie allerdings nicht er- kennen. Noch nicht. „Ärzte sind ja wie Kapitäne, sie ver- lassen ihr Schiff zuletzt. Noch funktionieren wir und beißen die Zähne zusammen, und wir neigen dazu, das lange zu tun.“ Keller ist überzeugt davon, dass Angehörige der Ge- sundheitsberufe erst nach Ende der Pandemie in nennens- wertem Ausmaß psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen werden. „Wenn wir loslassen dürfen, werden viele Dr. med. Uwe Naumann, Facharzt für Allgemeinmedizin, ihre Erschöpfung merken.“ UBN/PRAXIS Als Vertrauensärztin der Ärztekammer Berlin für Sucht- probleme kennt Keller die Zusammenhänge zwischen be- ruflichem Stress und der Kompensation mit Alkohol und anderen Substanzen. Ein schambesetztes Thema, speziell für Angehörige der helfenden Berufe, doch es gibt auch das Angebot, sich anonym beraten und in Therapie ver- mitteln zu lassen. „Als Psychiater möchten wir aber auch präventiv wirken“, sagt Keller. Sie sieht sich und ihre ärzt- lichen Kolleg:innen in der Pflicht, sich selbst nicht aus dem links Katharina Zens, Ärztin, Zentrum für ganzheitliche Medizin rechts Bewar Qadir Hamad, Arzt, Vivantes Klinikum Neukölln 15
IM FOKUS „Ärztinnen und Ärzte zögern stärker als andere Menschen, sich professionelle Hilfe zu holen.“ Ein Gespräch zwischen Dr. Adelheid Müller-Lissner und Dr. med. Sabine Köhler AML Dazu kommen oft private Probleme niedergelassenen Kolleg:innen ist durch die Veränderungen bei der Kin- schwieriger: Gerade in unserer Fach- derbetreuung und das Homeschooling. gruppe tendieren sie oft zur Selbst- SK Zu dieser Frage stehe ich in ausbeutung, werden als Neurolog:in- engem Kontakt mit vielen Kol- nen, Psychiater:innen sowie als leg:innen. Wir sehen allgemein eine er- Kinder- und Jugend-Psychiater:innen höhte Inanspruchnahme: Patient:innen, schlechter honoriert als andere Fach- die schon länger zu uns kommen und gruppen und haben extrem viel Büro- in den vergangenen Jahren relativ kratie zu erledigen. Als Berufsverband stabil waren, kommen jetzt kränker Ärztinnen und Ärzte versuchen noch setzen wir uns für die Verbesserung zu uns, sie stehen viel, viel mehr unter mehr als andere, sich zunächst selbst der Honorierung der psychiatrischen Druck. Zusätzlich sehen wir auch viele zu helfen. Es ist mit einer gewissen und neurologischen Gesprächsleitung neue Patient:innen, die durch die Pan- Scheu verbunden, in eine andere Rolle sowie der differenzierten neurologi- demie aus dem Gleichgewicht gebracht zu geraten. Ganz generell ist ja die Gren- schen Diagnostik in den vertragsärzt- worden sind, bis hin zu suizidalen Ge- ze zwischen psychiatrisch-psychothera- lichen Praxen ein und entwickeln in- danken. Auch ich hatte schon einen peutischer Hilfe und Versuchen zum novative Versorgungsprojekte mit ei- Todesfall, der ganz klar mit der gegen- Selbstmanagement für viele Menschen nem multiprofessionellen patienten- wärtigen Stresssituation in Zusammen- zu verwaschen. In bestimmten Fällen zentrierten Behandlungsansatz. Dies hang steht. ist aber professionelle Hilfe nötig. Wenn führt zu einer für die Patient:innen spür- man zum Beispiel über mehrere Wo- baren Verbesserung der individuellen chen merkt, dass das Wohlbefinden Versorgung sowie zu höherer Arbeits- Ganz eindeutig Menschen mit vorbe- nicht mehr herstellbar ist und man zufriedenheit bei unseren Kolleg:innen. stehenden Angsterkrankungen und keine Lebensfreude mehr finden kann depressiven Erkrankungen, die ja im privaten und im beruflichen Leben, ohnehin die größte Gruppe unserer sollte man sich fachlichen Rat suchen. Patient:innen ausmachen. Ein ganz wichtiges Symptom sind Schlafstörungen, sie können auf de- pressive Störungen hindeuten. Ärzt:innen und Pflegekräfte sind ge- nauso gefährdet, viele von ihnen sind derzeit noch direkter mit persönlichem Das stimmt, aber wichtig ist, wie lange Leid konfrontiert und müssen mit einer das anhält. Unser Körper ist ja gut in erhöhten Arbeitsbelastung zurecht- der Lage, schädigende Einflüsse her- kommen. Menschen, die diese Berufe unter zu regulieren. So, dass man nor- wählen, wollen sich ja eher nicht ab- malerweise auch in einer Stresssitua- grenzen, sondern zupacken. Ich ar- tion, wie Corona sie für viele bedeutet, beite in einer Stadt mit einem großen nach einigen schlaflosen Nächten wie- Uniklinikum in der Hotspot-Region der gut schlafen kann. Thüringen, da sammeln sich ganz bri- sante Fälle. Die Kolleg:innen in den Not- aufnahmen sind teilweise mit Proble- men konfrontiert, auf die sie nicht vorbereitet waren. Wichtige Operatio- nen können nicht stattfinden, und für Durchaus. Es gab im vergangenen SK Dr. med. Sabine Köhler Jenaer Psychiaterin Intensivmedizinerinnen und -medizi- Jahr verschiedene Interventionen und Psychotherapeutin, Vor- ner stellt sich immer wieder die Frage, von unserer Seite, etwa wegen der sitzende des Berufsverbandes ob eine Beatmung sinnvoll ist. Das alles Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes Deutscher Nervenärzte (BVDN). sehen wir mittlerweile seit einem Jahr. in den Kliniken. Der Einsatz für die Foto: privat 16
„Diese schönen Dinge dürfen wir nicht aufgeben und der Erschöpfung unterordnen.“ Jasmin Allende, Ärztin, Zentrum für ganzheitliche Medizin Blick zu verlieren. „Wir Ärzte ziehen oft unser Selbstwert- Betrachtens verlassen – zugunsten von guten Kliniken mit gefühl und unsere Anerkennung daraus, wie erschöpft wir guten, gesunden Mitarbeitern.“ sind. Wer in einer Leitungsfunktion arbeitet, muss deshalb jetzt besonders auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter An diese Zeit nach der Pandemie kann auch der Held von aufpassen!“ Dauerbelastungen könnten sonst zu Burn-out Alberts Camus‘ Roman „Die Pest“ nach vielen Monaten oder auch in eine Sucht führen. „Wir ermuntern die Ärzte, endlich denken. Zu Beginn jeder neuen Woche studiert auch jetzt Urlaub zu machen und das nicht nur mit Weg- Dr. Rieux die aktuelle Infektionsstatistik. Irgendwann heißt fahren zu verbinden.“ Manchmal seien es schon die kleinen es: „Sie offenbarte einen Rückgang der Krankheit.“ ∕ Dinge, die wohltuend wirken: „Kurz draußen Pause von der Maske machen, ein Mittagessen in Ruhe, am Wochenende einfach mal ausschlafen und danach Berlin erkunden.“ Keller berichtet vom Präventionskurs der Ärztekammer Berlin, der Ende 2020 online stattfand. Im lebhaften Chat habe es viele gute Ideen gegeben: Zum Beispiel ein Tage- buch führen, in dem man notiert, was man außer Arbeit und Kinderbetreuung noch tut? „Diese schönen Dinge dür- fen wir nicht aufgeben und der Erschöpfung unterordnen.“ Keller betont aber auch, dass in der Pandemie eine Chance liegt: „Ich finde, sie ist ein Brennglas: Wir merken, wie sehr unsere Krankenhäuser teilweise heruntergespart wurden. Dr. Adelheid Müller-Lissner Ich wünsche mir, dass wir uns nach dieser Pandemie fragen, Freie Wissenschaftsjournalistin ob wir nicht ein Stück weit diesen Weg des übermonetären Foto: privat 17
AUS DER KAMMER Weil sich die hat die Umstellung ein gutes weiteres Jahr gedauert. Die Zeiten ändern … Mitarbeitenden der Stabsstelle Gesundheitspolitik/Presse- und Öffentlichkeitsarbeit waren durch den Ausbruch des Coronavirus und die damit verbundenen, in ihrer Anzahl deutlich gestiegenen Presseanfragen und -mitteilungen Sie halten die überarbeitete sowie Hintergrundgespräche stark eingebunden. Dennoch haben wir parallel zu den Regelaufgaben kontinuierlich Mitgliederzeitschrift der Ärzte- an der Umsetzung des neuen Corporate Designs weiter- kammer Berlin in Ihren Händen: gearbeitet und die neuen Produkte der Öffentlichkeits- arbeit vorbereitet. Mit der Veröffentlichung der ersten Aus- mit neuer Gestaltung, frischen gabe der in „Berliner Ärzt:innen“ umbenannten und im neuen Design gestalteten Mitgliederzeitschrift können wir Ideen und einem neuen Namen. Ihnen nun endlich das neue Erscheinungsbild der Ärzte- Sie ist eines der vielen Kommu- kammer Berlin vorstellen. nikationsmedien, die wir im Rah- Das neue Corporate Design Mit dem neuen Corporate Design zeigt sich die Ärztekammer men der Entwicklung unseres Berlin zeitgemäß. Der Entwicklungsprozess wurde durch konkrete Anforderungen bestimmt. Einbezogen wurden neuen Corporate Designs von die Vorstellungen des Vorstandes und die Frage, mit wel- Grund auf überarbeitet haben. chen Botschaften und Signalen die Ärztekammer Berlin nach außen treten möchte. Der Anspruch war es, die Form Mit der Veröffentlichung erreicht respektive die Gestaltung aus dem Inhalt und der Funktion zu entwickeln. Weitere Anforderungen ergaben sich außer- die Ärztekammer Berlin einen dem aus den Arbeitsweisen des Hauptamtes, aus techni- Meilenstein in ihrer Öffentlich- schen Voraussetzungen und durch rechtliche Aspekte, wie zum Beispiel den Standards der (digitalen) Barrierefreiheit. keitsarbeit. Im Ergebnis ist die Gestaltung schlicht, modern und vor allem auch mutig. Dabei darf der neue Auftritt der Ärzte- kammer Berlin polarisieren – wir haben kein Konformitäts- Vielleicht wundern Sie sich, wieso wir diesen Schritt gerade design beauftragt. Das Ergebnis sehen wir als große Stärke: jetzt – mitten in der Pandemie – gehen. Nun, das Corona- Es bricht mit dem Etablierten und vermittelt Veränderung. virus hat auch uns überrascht. Den Prozess zur Entwicklung eines neuen Corporate Designs für die Ärztekammer Berlin Ärzt:innen, Kammer, Berlin haben wir bereits im Herbst 2019 angestoßen. Fertig war es Ein zentrales Element des neuen Corporate Designs ist das im darauffolgenden Frühjahr und wurde im Mai 2020 durch neue ÄKB-Logo. Es ist eine abstrakte Weiterentwicklung den Vorstand beschlossen. Bedingt durch die Pandemie des bisherigen Schriftzuges, allerdings ergänzt um den Der Weg zum neuen → Mai 2020: Der Vorstand → Bis Mai 2021: Die klas- Berlin sich in ausgewähl- Corporate Design der Ärztekammer Berlin sischen Elemente der ten sozialen Medien zu beschließt, das moderni- Geschäftsausstattung präsentieren: → www. → Dezember 2019: Die zu- sierte Corporate Design werden in das neue twitter.com/aekberlin + ständigen Mitglieder des umzusetzen. Design überführt. → www.instagram.com/ Vorstandes treffen die → September 2020: Als → Juni 2021: Die Mitglie- aekberlin Richtungsentscheidung erstes Produkt im neuen derzeitschrift erscheint in → Sommer/Herbst 2021: für ein neues Logo, für Corporate Design wird neuem Gewand und mit Der nächste große Mei- die Primärfarben und für der Tätigkeitsbericht neuem Namen. Zeitgleich lenstein ist der Relaunch die Schriftart. 2019 veröffentlicht. beginnt die Ärztekammer der Website. 18
Auswertung der Mitgliederbefragung Wie gut die Zusammenarbeit mit unseren Leser:innen Cluster Namensvorschläge (jeweils Auswahl) funktioniert, hat unser Aufruf zur Umbenennung der Mit- Medizinischer Bezug Gegenderter Titel Berliner Bezug gliederzeitschrift gezeigt: Die Ärztekammer Berlin hat sich → medicininberlin → Berliner Ärzt*innen → Hauptstadt-Docs → Medizin in Berlin → Berliner Ärzt:innen → Doktor in Berlin 2020 zu einer geschlechtergerechten Sprache verpflichtet und daraus resultierend beschlossen, BERLINER ÄRZTE um- → MEDIZINISCHES JOURNAL → Berliner ÄrztInnen → ÄK Berlin – Aktuell BERLIN → Berliner Ärzt_innen → Visite Berlin → MEDICAL JOURNAL BERLIN Kammer-Bezug Kunstbegriffe zubenennen. Nach Rückmeldungen aus dem Redaktions- → KammÄR Blatt → Charlie beirat und dem Arbeitskreis „Ärztinnen für Parität“ hat der → Kammerblatt → Vita medica → Kammernachrichten → Ä-Blatt Vorstand eine Mitgliederbefragung initiiert. Um die Kammer- → Kammerzeitschrift → Friedrichstraße 16 → Subcutan mitglieder in diesen Prozess einzubinden, haben wir im Niels Löchel Stabsstelle Gesundheitspolitk/Presse- Delegiertenversammlung Seite 3 Januar 2021 die Leser:innen mithilfe einer ganzseitigen und Öffentlichkeitsarbeit 14.04.2021, Berlin Anzeige über die geplante Umbenennung informiert und Auswertung der Namensvorschläge für die Umbenennung der nach ihren Titelideen gefragt. Insgesamt wurden 75 Vor- Mitgliederzeitschrift der Ärztekammer Berlin schläge und Rückmeldungen eingereicht. Diese wurden gesichtet, kategorisiert und aufbereitet. Im Ergebnis hat sich die Mehrheit der Leser:innen für eine gendergerechte Variante des ursprünglichen Titels ausgesprochen. Diesem regionalen Bezug. Die einzelnen Buchstaben sind für sich Votum sind dann auch der Redaktionsbeirat, der Vorstand genommen nicht erkennbar und ergeben erst in ihrer Ge- und in letzter Instanz die Delegiertenversammlung der samtheit ein stimmiges Bild: Ärzt:innen, Kammer, Berlin. Ärztekammer Berlin (siehe Bericht Seite 20/21) mit großer Das ist unsere Kernbotschaft: die kollegiale Zusammen- Mehrheit gefolgt. Und so liegt vor Ihnen die erste Ausgabe arbeit der ärztlichen Selbstverwaltung in Berlin. der Berliner Ärzt:innen. Die Medien der Ärztekammer Berlin Die Zukunft Mit der neuen Gestaltung haben wir auch die Chance er- Die Umstellung unserer Öffentlichkeitsarbeit verstehen griffen, die Medien der Ärztekammer Berlin kritisch zu wir als fortlaufenden Prozess. Daher hoffen wir auf Ihre prüfen, Möglichkeiten zur Verbesserung zu finden und Rückmeldung und sind dankbar für Feedback. Wir sind moderne Formate einzuführen. So planen wir für die kom- voller Tatendrang und freuen uns darauf, die neuen Medien menden Monate den Aufbau einer medialen Infrastruktur und Möglichkeiten in den kommenden Wochen und Monaten durch weitere Kommunikationskanäle (unter anderem mehr und mehr auszuschöpfen. ∕ Social Media), aber auch eine engere Verzahnung zwischen den bestehenden Online- und Printmedien. Dazu wollen wir beispielsweise die vielen Berliner Ärzt:innen häufiger „Mit der neuen Gestaltung haben in ihrem Arbeitsumfeld begleiten und ihnen durch Foto- wir auch die Chance ergriffen, die reportagen mehr Raum in unserer Außendarstellung geben. Medien der Ärztekammer Berlin Berliner Ärzt:innen kritisch zu prüfen, Möglichkeiten Worauf Sie sich freuen dürfen, sehen Sie bereits sowohl zur Verbesserung zu finden und auf als auch in dieser ersten umgestalteten und umbe- nannten Ausgabe unserer Mitgliederzeitschrift. Hier steht moderne Formate einzuführen.“ nicht nur „Berliner Ärzt:innen“ drauf, künftig bekommen sie auf der Titelseite und im Innenteil einen festen Platz! Im Zuge der Umstellung auf das Layout im neuen Corpo- rate Design der Ärztekammer Berlin arbeiten wir künftig mit Fotograf:innen der Agentur OSTKREUZ zusammen. OSTKREUZ ist eine Berliner Agentur mit viel Erfahrung und Referenzen in der Dokumentation von Zeitgeschichte – auch im Gesundheitswesen. Sie wird die Arbeit unserer Kammer- Niels Löchel mitglieder für uns fotografisch festhalten und die Berliner Leiter Stabsstelle Ärzt:innen zeigen. Durch Porträts, Fotoreportagen und Gesundheitspolitik / Presse- Bilderserien. Haben Sie Vorschläge für gute Motive oder und Öffentlichkeitsarbeit Geschichten? Sprechen Sie uns an! Foto: privat 19
AUS DER KAMMER Wegweisende Beschlüsse Bericht von der Delegiertenversammlung am 14. April 2021 Die letzte Delegiertenversammlung lag nur einen Monat zurück. Doch Tages- ordnungspunkte wie die geänderte Berufsordnung, die Umbenennung der Mitgliederzeitschrift, Nachwahlen für Gremien der Ärztekammer Berlin oder eine Resolution gegen die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens ließen die Standesvertretung zeitnah erneut zusammenkommen. Mit Blick auf die umfangreiche Tagesordnung kündigte Unter dem Tagesordnungspunkt drei wurde die Versamm- Präsident PD Dr. med. Peter Bobbert (Marburger Bund) lung über das Ergebnis der geheimen Abstimmung zur Ent- eine konzentrierte Versammlungsleitung an. Michael schädigungsregelung informiert. Die Regelung zur Entschä- Hahn, Geschäftsführer der Ärztekammer Berlin, klärte digung der oder des Präsident:in und der oder des Vize- anschließend die Versammlung über die Regeln der aber- präsident:in für erheblichen Zeitaufwand musste in gehei- mals hybrid stattfindenden Versammlung auf. mer Abstimmung und damit schriftlich erfolgen. Demnach hatten 38 Delegierte an der geheimen Abstimmung für die Danach wurde ein Protokollergänzungsantrag des Dele- neue „Entschädigungsregelung Präsident:in und Vizeprä- gierten Dr. med. Philipp Pickerodt (FrAktion Gesundheit) sident:in“ teilgenommen. 20 Stimmen konnte Vorschlag 1 hinsichtlich des Protokolls zur letzten Delegiertenver- auf sich vereinen. Drei Delegierte enthielten sich und 15 sammlung am 17. März 2021 diskutiert. Pickerodt fand Stimmen entfielen auf den Vorschlag 2, der eine geringere sich im Protokoll mit seinem Wortbeitrag zum Tagesord- Summe vorsah. Hiernach fand die Entschädigungsrege- nungspunkt „Allgemeine Entschädigungsregelung der lung insgesamt die Zustimmung einer großen Mehrheit Ärztekammer Berlin“ nicht zitiert. Es folgte eine Diskus- der Delegierten. Nach Bekanntgabe im Amtsblatt für Ber- sion darüber, ob es nicht sinnvoll wäre, künftig ausführ- lin am 30. April 2021 konnte die Regelung rückwirkend lichere Protokolle zu verfassen. Der Versammlungsleiter zum 1. April 2021 in Kraft treten. ließ dazu abstimmen, mit dem Ergebnis, dass die Proto- kolle in der derzeitigen Form verbleiben. Verankerung bundesrechtlich eingerichteter Ethik- Kommissionen in der Berufsordnung der Ärztekammer Unter dem Tagesordnungspunkt zwei informierte Bobbert Berlin darüber, dass für die nächste Delegiertenversammlung am Der zur Beschlussfassung vorliegende Antrag auf Änderung 16. Juni 2021 als zu diskutierendes Schwerpunktthema der Berufsordnung bezog sich im Wesentlichen auf die Frage, „Menschenrechte“ vorgeschlagen sei, und dabei insbeson- ob bundesrechtlich eingerichtete Ethik-Kommissionen in dere die Problematik der nicht oder nur unzureichend kran- der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin verankert wer- kenversicherten Menschen. Er bat die Delegierten, weitere den sollen. Nach den geltenden Regelungen müssen sich Themen einzureichen. Weiterhin berichtete Bobbert, dass Kammermitglieder vor der Durchführung eines Forschungs- der Vorstand sich dazu entschieden habe, einen Arbeits- vorhabens am Menschen grundsätzlich von der Ethik-Kom- kreis zum Thema ärztlich assistierter Suizid zu gründen. mission der Ärztekammer Berlin bzw. der Ethikkommission Hierfür sollten dem Vorstand interessierte Mitglieder aus der Charité – Universitätsmedizin Berlin beraten lassen. Dem den Listen benannt werden – je Liste zwei, maximal drei Änderungsantrag zufolge sollte der Kreis der beratungs- Personen. fähigen Ethik-Kommissionen erweitert werden auf nach „Bundesrecht bei einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung Hinsichtlich des 124. Deutschen Ärztetages, der am 4. und 5. gebildete, unabhängige und interdisziplinär besetzte Ethik- Mai 2021 ausschließlich digital stattfand, drückten mehrere Kommissionen“. Die Delegiertenversammlung diskutierte Delegierte ihr Bedauern darüber aus, dass der Tagesord- diesen Änderungsantrag vor dem Hintergrund der Absicht nungspunkt Klimaschutz gestrichen wurde. Derzeit sei, so des Robert Koch-Instituts (RKI), eine eigene Ethik-Kommis- Bobbert weiter, von der Bundesärztekammer geplant, das sion für Forschungsvorhaben einzurichten. Der Versamm- Thema noch in diesem Jahr auf einem gesonderten Ärzte- lungsleiter begrüßte für diese Diskussion als Gäste den Vize- tag aufzugreifen. präsidenten des RKI, Prof. Dr. med. Lars Schaade sowie 20
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