MAGAZIN 05. 2015 - GCSC.MAGAZIN
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05 . 2015 german council 19. Jahrgang 2015 | € 12 | ISSN 1614-7804 German Council of Shopping Centers e. V. Impulse, Trends und Nachrichten für Immobilienwirtschaft, Handel, Städte und Kommunen MAgazin THINK
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Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, jetzt endlich werde ich mein Buch zu Ende le- »Think« ist der Titel dieser Ausgabe. »Denken, und branchenrelevanten Themen aufzuneh- sen, jetzt endlich werde ich nur noch das ma- glauben, überlegen, meinen, nachdenken, men, um auf neue Gedanken und Perspekti- chen, was ich will: ausruhen, spazierengehen, sinnen, grübeln, mitdenken« oder auch »sin- ven zu kommen. Nehmen Sie sich das German am Kamin sitzen und vielleicht einfach nur nieren« erklärt uns die Übersetzung die Be- Council Magazin jeden Tag einmal zur Hand, aus dem Fenster schauen und die Gedanken deutung des englischen Wortes. »Die Schule lesen Sie einen Beitrag und gönnen Sie sich mit den Schneeflocken treiben lassen. Kennen von Athen« auf der Titelseite, gemalt im 15. Ihre persönliche Auszeit zum Denken, Glau- Sie das? Ähnlich wie die guten Vorsätze zum Jahrhundert von Raffael, versinnbildlicht die- ben, Überlegen, Meinen, Nachdenken, Sin- neuen Jahr, fokussieren wir lang ersehnte se einzigartigen menschlichen Eigenschaften nen, Grübeln, Mitdenken oder auch Sinnie- Ruhe- und Erholungsphasen in die Weih- zeitlos schön. Unabhängig vom Geschlecht, ren. In vier Wochen kommen bei täglich einer nachtzeit. Gefühlte vier Wochen, und wenn dem Alter, der Hautfarbe und der Religion halben Stunde immerhin 15 Stunden, also gut man dann noch die erste Januarwoche dazu wird in einer ruhigen aber intensiven Atmos zwei Arbeitstage, zusammen. Das meine ich, nimmt ... dann ist das über einen Monat! phäre nachgedacht und diskutiert. Ein »Lern- sollte uns gelingen. Bild« mit aktuellem Bezug. Aber wie ist es wirklich? Wann nehmen wir In diesem Sinne freue ich mich auf eine ruhi- uns in dieser Zeit wirklich die Zeit zum Nach- Das Tagesgeschäft und der routinierte Alltag ge und nachdenkliche Weihnachtszeit, wün- denken und Erholen? Für den Handel ist es verlangen pausenlosen Einsatz. Wann ist da sche Ihnen allen dieses ebenso und verbleibe die wichtigste Zeit im Jahr und die Immobili- Zeit zum Nachdenken? Antworten auf die Fra- mit den besten Wünschen für das neue Jahr, enbranche gibt sich beim Notar die Klinke in gen der Zukunft, auf die Geschäftsmodelle ihr die Hand. Kurzum: es ist das Gegenteil einer des kommenden Jahres und auf die Themen besinnlichen Weihnachtzeit. Zusammen mit der Branche verlangen von uns aber, dass wir den erschreckenden Ereignissen weltweit, die Routine unterbrechen. dem sichtbaren Flüchtlingsstrom und den vie- len Fragen zur Zukunft der Welt rückt die er- Mit dieser Ausgabe wollen wir Ihnen helfen, sehnte Ruhe in weite Ferne. verschiedene Impulse aus gesellschaftlichen Markus Trojansky
GERMAN COUNCIL . inhalt THINK GERMAN COUNCIL . ThINk GERMAN COUNCIL . ThINk WACHStUM FEHlt DIE DynAMIK © Die Hoffotografen GmbH, Berlin Interview mit hDE-hauptgeschäftsführer Stefan Genth zur aktuellen Situation im deutschen Einzelhandel Auf dem German Council Congress in Ber- feld und ihre persönliche Ausstattung zu in- Factory Outlet Center (FOC) sind schlicht groß- lin machte HDE-Hauptgeschäftsführer Ste- vestieren. Schlechter dran sind bisher die flächiger Einzelhandel, auf dessen Flächen fan Genth unter anderem die Verände- händler mit keramik, Glaswaren, Blumen, Bü- überwiegend das Leitsortiment der Innenstäd- rungen durch die Digitalisierung für den chern, aber auch Schuhen und Bekleidung. te – Bekleidung – verkauft wird. Dabei ist Be- Einzelhandel deutlich, als er sagte »Der Han- kleidung auch das kernsortiment des Online- GERMAN COUNCIL . ThINk GERMAN COUNCIL . ThINk del muss die Kunden auf allen Kanälen ab- Wie beurteilen Sie die Entwicklung im Vergleich handels. Somit könnten insbesondere die holen – offline und online.« Er sieht darin zwischen den unterschiedlichen Handelsimmo- FOCs vom wachsenden Online-handel betrof- für viele Unternehmen gerade im Mittel- bilien-Formaten? Sehen Sie noch Chancen für fen sein. Als handelsverband Deutschland sind stand eine große Herausforderung. Gleich- die Warenhäuser, und was trauen Sie z. B. den wir kritisch, wenn das Leitsortiment der Innen- FLüCHTLINGE sIND Nur DIE zeitig biete die Digitalisierung aber auch die Factory Outlet Centern zu? städte großflächig auf der Grünen Wiese ange- © Studio Seekamp, Bremen Chance auf neue Kunden und neue Service- Stefan Genth: Die handelsimmobilie muss fle- boten wird. FOC sollten aufgrund der Ver- BoTsCHAFTEr DEr WELTWEITEN angebote. Das German Council Magazin xibler werden. Denn in Zukunft werden die Nut- kaufsflächengröße, des Einzugsbereichs sowie wollte von ihm in einem Interview aber auch zungszyklen in den handelsimmobilien deut- des Leitsortiments nur in Innenstadtlagen der uNGErECHTIGKEIT Antworten auf andere Fragen erhalten, die lich kürzer werden. Zudem werden die Ansprü- Oberzentren angesiedelt werden dürfen. sowohl den Deutschen Einzelhandel 2015 als che des handels sowie auch der kunden indivi- ThINk-Titelinterview: Deutschlands bekannteste Theologin Margot käßmann auch die Entwicklung der unterschiedlichen dueller. Shopping Center reagieren schon heute, Worin liegen realistische Möglichkeiten, wie über ihre Gedanken zu aktuellen Themen dieser Zeit Handelsimmobilientypen betreffen. indem sie beispielsweise zunehmend eine indi- der stationäre Handel im harten Wettbewerb vidualisierte Fassadengestaltung in den Cen- mit dem Online-Geschäft gestärkt werden kann Wenn das Jahr zu Ende geht, machen sich offizielle Botschafterin für das reformati- aktuell aber noch an eine andere Sache, die mir viele Menschen Gedanken, werden nach- onsjubiläum (500 Jahre) im übernächsten sehr wichtig ist. Ich finde, wir müssen den No- Wie zufrieden waren Sie mit dem Deutschen tern anbieten. Auch Nutzungsmischungen wer- – oder muss das gar nicht sein? denklich, mitunter besinnlich. Nicht um- Jahr und natürlich noch immer Pastorin ist. vember als einen Monat verteidigen, an dem Einzelhandel 2015? den immer mehr das Bild der handelsimmobilie Stefan Genth: Der stationäre handel muss sonst heißt das Leitthema unserer aktuellen Lesen sie die hochinteressanten Aussagen wir auch mal an in die Tiefe gehenden Fragen Ausgabe »THINK«. In den letzten Monaten der gebürtigen Marburgerin zur Flücht- des Lebens denken – am Volkstrauertag, Buß- Stefan Genth: Bisher können wir zufrieden bestimmen. Die Mischung von handel, Gastro- sich auf seine traditionellen Stärken besinnen Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer Handelsverband Deutschland (HDE) beschäftigten sich fast alle Bürger mit der lingssituation, zum reformationstag, aber und Bettag, Totensonntag oder dem Ewigkeits- sein. Für das Gesamtjahr erwarten wir einen nomie und Wohnen kennen wir bereits – auch und diese weiter ausbauen. Die Produkte kön- Flüchtlingssituation und mit Fragen rund auch zu einigen Einzelhandelsfragen. sonntag. In diesem Zusammenhang stört mich um Toleranz und Nächstenliebe. Das Ger- zunehmend die anhaltende Frühkommerziali- Umsatz von 471,0 Milliarden Euro. nen vom kunden angefasst und vom man Council Magazin wählte darum An- Das Leitthema dieses Magazins lautet »Think«. sierung. Aktuelles Beispiel ist der Londoner her, dass Menschen den Rhythmus zwischen schwappten Fest in Konkurrenz. Ärgert Sie das Sie sprechen bereits das Reformationsjubiläum Das entspricht einem Anstieg zum händler erklärt oder vorgeführt wer- nur selten geradlinig über einen kanal. Der chenspezifische Lösungen sind gefragt. Bei- tung bieten zu können. Gleichzeitig werden fang November für sein Hauptinterview die berühmte evangelische Theologin Prof. Dr. Worum kreisen gerade Ihre Gedanken? Margot Käßmann: Wie bei allen Menschen im Weihnachtsmarkt, der sage und schreibe be- reits am 1. November eröffnet wurde. Schaffen und Ruhen verloren haben. Fakt ist doch, dass praktisch die ganze Gesellschaft kei- nicht? Margot Käßmann: halloween hat ja in an, das Sie persönlich als offizielle Botschafterin begleiten. Wie sehen dazu Ihre Erwartungen Vorjahr von 2,7 Prozent, preisberei- ›Die Handelsimmobilie muss flexibler den. Zudem bietet das persönliche kauf-Impuls kann beispielsweise aus einem spiele für Verbindungen der kanäle sind An- sich einige Schlagzeilen mit der Digitalisie- werden, denn Nutzungszyklen werden Dr. h. c. Margot Käßmann aus, ehemalige Moment, um die dramatische Situation vieler nen Rhythmus mehr hat. Deutschland eigentlich keine Tradition und aus? nigt ist das ein Plus von 2,5 Prozent. Verkaufsgespräch die Möglichkeit, katalog kommen, die Produktrecherche dann gebote wie Click&Collect. hierbei bestellt der rung des stationären Bereichs auseinanderset- Landesbischöfin der Evangelisch-luthe- Flüchtlinge. Ein dominantes Thema in meinem Eine Gesellschaft braucht meines Erachtens wurde nur durch eine gezielte Millionen- Margot Käßmann: Wer Reformationsjubiläen rischen Landeskirche Hannover, die auch eigenen Denken, aber auch für uns als kirche. feste Rhythmen. Menschen sollten auch mal Die Zeit der Besinnlichkeit rückt näher. Wor- kampagne 1991 nach dem wegen des Irak- der letzten Jahrhunderte anschaut, der hat Das ist durchaus erfreulich, aber kein auch gleich noch weitere Produkte mobil auf dem Smartphone erfolgen und der kunde im Internet und holt die Ware anschlie- zen. Wir werden im kommenden Jahr sicher fünf Jahre lang Generalsekretärin des Evan- gelischen Kirchentages war und seit 2012 Ich sehe es als große herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Als Theologin denke ich warten können, bis der Advent wirklich da ist. Wir sagen ja, das Burnout-Syndrom kommt da- über sollte sich denn unsere Gesellschaft aus Ihrer Sicht Gedanken machen? kriegs abgesagten karnevals bei uns einge- führt. Sicher kann man mit »All hallows' Eve« immer ein deutschtümelndes Luther-Fest vor Augen. Ich wünsche mir, dass wir 2017 ein Grund für Euphorie. Denn trotz der deutlich kürzer.‹ zu empfehlen. Die gute Beratung ist kauf am Ende im Ladengeschäft. Deshalb ist ßend im stationären Geschäft ab. Das Geschäft einen weiteren großen Schritt in Richtung Margot Käßmann: Martin Luther hat einmal ein christliches Brauchtum verknüpfen, aber weltoffenes Reformationsjubiläum feiern, bei außerordentlich guten Rahmenbe- ein erheblicher Teil eines positiven es für die händler so wichtig, auf allen rele- vor Ort kann aber auch über QR-Codes mit An- Cross- und Multichannel-handel sehen. gesagt: »Woran du dein herz hängst, dem wirklich klar wird, was das für dingungen verläuft das Wachstum Stefan Genth Einkaufserlebnisses. Die stationären vanten kanälen präsent zu sein. geboten aus dem Online-Shop verknüpft wer- das ist dein Gott.« Und ich finde, die ein breiter Prozess gewesen ist.Und © Studio Seekamp, Bremen Menschen sollten sich überlegen, ›Wir sind eine Spaßgesellschaft. Soziologen dieser Prozess dauert ja an, Reform damit ohne große Dynamik. händler sollten online zumindest den. Beacons können über das Smartphone woran denn ihr herz hängt. Bei vie- len ist es sicher der konsum: »Ich sagen, es gebe eine sogenannte »Karnevali- und Reformation sind immer wieder notwendig. Es wird daher nicht nur teilweise durch die Forderungen der kommu- auffindbar sein. Es muss nicht immer gleich Wie lautet Ihre Prognose hinsichtlich der EZH- mehr Produktinformationen aus dem Online- kann mir was leisten, entweder et- sierung« der deutschen Gesellschaft.‹ ein historischer Rückblick sein, son- Welche Bereiche haben sich unerwartet gut ge- nen eines Wohnanteils bei der Neuerrichtung der eigene Online-Shop sein. Entwicklung im kommenden Jahr und darüber Shop bereitstellen. Die kunden können online Interview: Thorsten Müller was kaufen oder eine schöne Ur- dern auch ein Blick nach vorn. Wie schlagen, welche drohen durch den E-Commerce von handelsimmobilien. Wir bewegen uns von hinaus? vor oder während des Besuchs des Geschäfts laubsreise machen«. Ich würde den Margot Käßmann wollen wir kirche sein im 21. Jahr- Menschen, vor allem als Pfarrerin, hundert? Ich wäre glücklich, wenn zunehmend an Umsatz zu verlieren? Oder an- Spezialimmobilien hin zu einer Flexi-Immobilie, Die kunden erwarten, dass sie ihren händler Stefan Genth: Die Branche wird sich weiter di- feststellen, ob die gewünschte Ware verfüg- raten: Denkt mal über den Sinn des Lebens letztlich ist es ein konsumfest. Ich habe ver- anschließend Menschen – zum Beispiel aus ders gefragt: Wer sind die Gewinner, wer die die sich den Bedürfnissen der Mieter – auch des gitalisieren, und die Vertriebskanäle werden bar ist und sie ansonsten gleich bestellen. Ins- auch im Internet finden und im Idealfall on- nach! sucht, das mit humor zu nehmen. Wir haben Mitteldeutschland, die vielfach überhaupt zum Reformationstag Luther-Bonbons und nichts mit kirche zu tun haben – sagen, das Verlierer des Jahres? handels – rasch anpassen kann. line bei ihm shoppen können. Der kunde zunehmend zusammenwachsen. In Zukunft gesamt ist hier noch viel Raum für innovative Wir sind eine Spaßgesellschaft. Soziologen Luther-kekse in Orange aufgelegt. Und sagen: ist auch für sie interessant war. Wir werden Stefan Genth: Die einzelnen Branchen im treibt die Entwicklung, die Vertriebsstrategien werden wir nicht mehr sinnvoll zwischen On- Ideen. sagen, es gebe eine sogenannte »karnevali- Wenn die kinder was erbetteln, dann wenigs- eine »Weltausstellung Reformation 2017« in sierung« der deutschen Gesellschaft. Also tens etwas in Zusammenhang mit Luther und Wittenberg gestalten, die viel Information handel profitieren von der guten Geschäftsla- Auch Warenhäuser sind Spezialimmobilien, und Geschäftskonzepte richten sich in unserer line und stationär unterscheiden können. nicht nur karneval, sondern alles muss im- Reformation. Unabhängig davon hoffe ich na- und Diskussion ermöglichen wird. Sie wird ge unterschiedlich: Überdurchschnittlich gut die zudem eng mit einem Betriebskonzept ge- Branche ja letztlich immer am aktuellen Ver- Denn die meisten händler werden beide kanä- Was, glauben Sie, wird 2016 für die größte Auf- mer Spaß machen, und deshalb kommen die türlich und bin auch davon überzeugt, dass international sein und natürlich auch eine in die Tiefe gehenden Fragen: »Wie will ich der Reformationstag 2017 eine angemessen ökumenische Dimension haben. läuft es im Einzelhandel mit kosmetik und kör- koppelt sind. Deshalb muss die Zukunft dieser braucherverhalten aus. Und die kunden den- le bedienen und so miteinander verzahnen, merksamkeit im Handel sorgen, sprich Schlag- eigentlich leben?«, »Was ist der Sinn des Le- hohe Aufmerksamkeit bekommen wird. Wir perpflegeprodukten, Uhren und Schmuck, Un- Immobilien anhand der zukünftigen Entwick- ken nicht in unterschiedlichen kanälen, son- dass wir den Umsatz am Ende nicht mehr ei- zeilen machen? bens?« und »Wie lebe ich meine befristete tun derzeit alles dafür, das Jubiläum zum Würde Martin Luther noch leben, wie würde er Zeit auf der Erde bewusst?« deutlich zu kurz. 500-jährigen Bestehen gebührend feiern zu wohl auf das geschwundene Interesse der Men- terhaltungselektronik und Wohnmöbeln. Das lung des Betriebskonzeptes beurteilt werden. dern wollen bei ihrem Lieblingshändler so- nem der einzelnen kanäle zuordnen können. Stefan Genth: Ich bin mir sicher, dass wir noch Bei Beerdigungsgesprächen mit den Angehö- können. Auch der Bundestag hat ja gesagt, schen an christlichem Glauben in kirchlicher Ge- rigen höre ich oft: »Darüber, wie der Vater dass es ein Ereignis von kulturhistorischer Be- meinschaft reagieren? zeigt, dass die Verbraucher in den vergange- Bei der zunehmenden Verschmelzung der Ver- wohl beim Bummel durch die Innenstadt als mehr als bisher reine Online-händler erleben beerdigt werden will, haben wir nie gespro- deutung für unser Land ist, und es liegt mir Margot Käßmann: Ich kann mir schon vor- nen Monaten bereit waren, auch größere An- triebswege besitzen die Warenhäuser exzel- auch von der heimischen Couch aus einkaufen Derzeit sind noch viele Ideen und Innovatio- werden, die stationäre Geschäfte eröffnen, chen.« So etwas finde ich sehr schade. sehr viel daran, dass nach 2017 deutlich mehr stellen, dass er sagen würde: »Besinnt euch Menschen wissen, dass der 31. Oktober der mal auf eure Wurzeln!« Und gerade, wenn schaffungen zu tätigen und in ihr Wohnum- lente Wettbewerbschancen. können. Die Wege der kunden führen dabei nen im Aufbau. Unternehmens- und bran- um den kunden noch mehr Service und Bera- Vom Karneval nun zu Halloween. Der Reforma- Reformationstag ist. Aber bedauerlicherweise im Moment so eine Debatte da ist, welche tionstag steht seit einigen Jahren zu diesem aus haben wir dafür nicht so ein Millionen-Bud- Werte in Deutschland eigentlich gelebt wer- den USA zu uns nach Deutschland rüberge- get wie die Werbeindustrie. den, dann müssen wir sagen, dass unser GCM 5 / 2015 GCM 5 / 2015 GCM 5 / 2015 GCM 5 / 2015 4 Flüchtlinge sind nur die Botschafter der weltweiten Ungerechtigkeit 14 Wachstum fehlt die Dynamik german council think 01 Vorwort 04 Flüchtlinge sind nur die Botschafter der weltweiten Ungerechtigkeit 10 Kein Grund zur Sorge 14 Wachstum fehlt die Dynamik 16 Nachhaltigkeit geht nur, wenn alle mitmachen 18 Städte brauchen mehr Mischung 20 Der Markt befindet sich in einer Reifephase 22 Der Schnüffler unter den Denkern 24 Die über alles geliebte Marke 30 Wichtigster Imagefaktor für die Immobilienbranche ist Professionalität 32 Weihnachtsstimmung insight 34 GCSC stellt sich vor politische arbeit 36 Analog wird digitaler – Digital wird analoger 40 Und abends bei den Ministern ... impressum herausgeber chefredaktion auflage druck Die Redaktion behält sich die erscheinungsdatum German Council of Thorsten Müller (v.i.S.d.P.) 13.000 Kunst- und Werbedruck, Kürzung eingesandter dieser ausgabe: Shopping Centers e. V. Bad Oeynhausen Manuskripte vor. Erfüllungsort Dezember 2015 Bahnhofstraße 29 redaktionsteam Covermotiv und Gerichtsstand ist D-71638 Ludwigsburg dieser ausgabe wikipedia.de Das German Council Magazin Hamburg. Nachdruck oder titelmotiv: Telefon 07141.38 80 83 Franziska Deus, basiert auf Informationen, sonstige Reproduktion (auch Ausschnitt aus dem Fresko Telefax 07141.38 80 84 Jürgen Hainke, verlag / anzeigen die wir als zuverlässig auszugsweise) nur mit des Malers Raffael »Die office@gcsc.de David Huth, GCM-Verlag c/o ansehen, eine Haftung kann Genehmigung des Schule von Athen« (La scuola www.gcsc.de Gerald Nölle Behrens und Behrens GmbH nicht übernommen werden. Herausgebers. di Atene), 1510 bis 1511, Geschäftsführer und Namentlich gekennzeichnete Stanza della Segnatura, beauftragter des bezug Verleger: Ingmar Behrens Beiträge müssen nicht die Vatikan herausgebers Mitgliederzeitschrift für Dorfstraße 64 Meinung der Redaktion Rüdiger Pleus Mitglieder des GCSC e. V. 24107 Kiel-Ottendorf widerspiegeln. Telefon 0431.66 111 88 11 Mediadaten und weitere das nchste german Telefax: 0431.66 111 88 88 Informationen finden Sie council magazin www.behrensundbehrens.de unter www.gcsc-magazin.de. erscheint im februar 2016. GCM 5 / 2015
german council . inhalt GERMAN COUNCIL . pOLItIsChE ARbEIt GERMAN COUNCIL . pOLItIsChE ARbEIt AnAlog wird digitAler – © Tina und Frank Dietz digitAl wird AnAloger brand eins Fachkonferenz zum thema handel in partnerschaft mit dem GCsC machte deutlich: Die technik spielt für die Einzelhändler eine immer größere Rolle. Alte tugenden wie Qualität und beratung bleiben dennoch teile erfolgreicher Geschäftsmodelle Was hat Sie 2015 am meisten gefreut und geärgert? der einzelhandel ist im Umbruch. online- Schwerpunkt Handel sieht er eine Plattform, bedenken. sie generierten schon heute Jahr für Shopping verändert zusehends den Markt. um Chancen und risiken zu diskutieren. Jahr ein solides Umsatzwachstum. Ohne den die Fachkonferenz »Kommen wir ins ge- »gemeinsam können wir so die Marktplätze Foodbereich liegt laut der GfK der Marktanteil Die Erkenntnis, dass Food ein essen schäft?« des wirtschaftsmagazins brand eins der Zukunft gestalten.« des Online-handels im Jahr 2025 bei einem Vier- tieller Bestandteil eines Shopping hat im oktober in Hamburg versucht, auf die tel. technik, sport, Freizeit, Fashion und Lifestyle Erlebnisses ist und entsprechend mit einem Frage, wie die Zukunft des Handels aussehen modernen, ansprechenden FoodCourt zele GERMAN COUNCIL . CENtER GERMAN COUNCIL . CENtER Ein Viertel gehrt Online seien die bereiche, in denen die shops im Netz könnte, Antworten zu finden. Und klar wur- weiterhin zulegen würden. briert werden muss, hat sich auch in Deutsch de dabei, dass in der Shopping-welt von Davon hat Manuel Jahn (48) eine sehr klare Vor- land immer mehr durchgesetzt. In neuen Cen morgen die Bereiche online und Stationär stellung. Er leitet den bereich Consulting bei der Was den Erfolg der Onliner gerade bei Fashion tern sowie bei Refurbishments gibt es fast immer verschmelzen. »die Zukunft des Handels – GfK Geomarketing und betreut handelsunter- ausmacht, lässt sich schon heute bei Zalando ansprechende FoodCourts. Neben der Gestal egal ob im Shopping Center oder beim klas- nehmen, banken und Investoren bei Fragen zu beobachten. »technologie und Mode auf eine tung in den Centern zeigt sich dies auch durch »tHINK« Special in Kooperation mit dem EHI sischen einzelhändler in der einkaufsstraße handelsimmobilien. Für das Jahr 2025 prognos- gute Art miteinander verbinden«, sagt Robert zentrale nationale Ansprechpartner für die Gas – wird durch die wachsende digitalisierung der welt grundlegend geprägt«, sagt Klaus tiziert sein Unternehmen, dass der Online-han- del einen Marktanteil von 15,2 prozent haben Gentz (31). Das sei der Grundgedanke gewe- sen, als er 2008 mit seinem studienkollegen tronomie bei den ShoppingCenterBetreibern. CEnTER-nEuEnTwICKLungEn 2016 – 2021 EVER.S München Striebich, Vorsitzender des Vorstandes des Dementsprechend konnten wir 2015 eine Rekor werde. Der traditionelle Einzelhandel liege David schneider das Unternehmen gründete. Alle wichtigen Daten im Überblick ergänzt durch zahlreiche Projekt-Kurzporträts german Council of Shopping Centers dann bei 84,8 prozent. »Wir halten unsere Zah- Wie bei jedem Geschäftsmodell sei es zunächst danzahl an neuen Restaurants in Shopping Cen Das EVER.S bietet modernes Shoppingerlebnis auf rund 14.300 qm Geschäftsfläche. Sämtliche (gCSC). in der Partnerschaft mit brand eins len für sehr realistisch«, sagt er. Grundsätzlich darum gegangen, dem Kunden einen Mehr- tern eröffnen, vor allem zusammen mit der ECE. Ladengeschäfte liegen ebenerdig und werden bei der ersten Fachkonferenz mit dem müsse man die stärke der Lebensmittelhändler wert zu bieten. durch ein ansprechendes gastronomisches An- gebot sowie Büros und Dienstleister im mehrge- Welcher Herausforderung schauen Sie 2016 Damit Sie schon jetzt Bescheid wissen, was in Köln auf den folgenden Seiten die bis heute be- der Planungen finden Sie sogar schon etwas nä- schossigen Kopfbau sowie im Solitärgebäude er- den nächsten sechs Jahren auf dem Center- kannten Einkaufscenter-Bauprojekte zusam- her vorgestellt in Kurz-Porträts. Die Informati- gänzt. Nebenan entstehen 9 MFH sowie 25 RH am gespanntesten entgegen? Markt passieren wird, haben wir in enger Zu- mengestellt. Sie finden eine Übersicht in einer onen dazu sowie das Bildmaterial erhielten wir gehobenen Standards. Baubeginn: ca. Sommer/ sammenarbeit mit dem EHI Retail-Institut in diesem Beitrag beigefügten Liste. Einen Teil direkt von den jeweiligen Projektentwicklern. Herbst 2016. Entwickler: MOEG GmbH, eine Ge- © Tina und Frank Dietz meinschaftsgesellschaft der Zech Group, Bremen, Die wichtigsten Herausforderungen und der Christmann Unternehmensgruppe aus Er spricht von einem »betriebssystem für die auch, dass solche Ansätze Online und Offline 2016 für uns als Marke in Shopping Grünwald. Mode«, das Zalando entwickeln möchte. Der verbinden werden. »Digital wird analoger, und Centern sind zum einen die Öffnungszeiten, Chef von Europas größter Online-plattform für Fa- analog wird digitaler«, sagt er. Für ihn ist die die der Gastronomie gerecht werden müs Mercaden® Dorsten Einkaufszentrum Singen shion bleibt zwar im Fachjargon des Digital Nati- Frage, wie kann ich den Kunden über technik sen. Der Kunde isst gerne auch abends nach ve, aber er blendet den stationären handel kei- unterstützen.« Augmented Reality wie virtuel- dem Einkauf, muss darauf allerdings verzich In bester Innenstadtlage werden sich die Mer- Die ECE plant die Eröffnung des direkt an neswegs aus. In der Zukunft werde er auch für le spiegel erlaubt es den Menschen, sich anzu- caden® Dorsten ab Frühjahr 2016 in das Stadt- Bahnhof und Fußgängerzone gelegenen Cen- Geschäftsmodelle wie Zalando immer interessan- schauen, wie ein t-shirt in unterschiedlichen ten, weil die FoodCourts fast zur selben Zeit bild von Dorsten integrieren. Die einzigartige ters mit rund 80 Shops und 16.000 qm Ver- ter – das zeige heute schon der asiatische Markt. Farben aussieht. Intelligente schaufenster re- schließen wie die Einzelhändler. Zum anderen Architektur sowie die konzeptionelle Gestal- kaufsfläche auf 3 Verkaufsebenen für Herbst tung auf ca. 12.400 qm Einzelhandelsfläche 2018. Der architektonische Entwurf orientiert agieren auf die person, die vor ihnen steht, wäre eine bessere Balance zwischen zentraler plus Gastronomie, verteilt auf zwei Etagen, sich gestalterisch an regionalen themen und Schnelle Lieferung durch Geschfte und Werbetafeln zeigen produkte an, die zum FoodCourtGestaltung und der Möglichkeit mit 420 eigenen Parkplätzen, werden vor al- lem durch die einladende und freundliche At- der vulkanisch geprägten Geologie, die sich in den Farben und Materialien der Fassade wie- jeweiligen betrachter passen. Über smartwat- für jede Gastronomiemarke, sich selbst in ihrer mosphäre überzeugen. Hier entsteht ein ech- derfinden und sich im Innenraumkonzept fort- ter Publikumsmagnet durch das Joint Venture setzen. Im 1. OG bildet der Food-Court mit In shanghai bekommt der Online-Kunde seine ches und andere Devices lässt sich der Kunde Farbwelt ansprechend herauszustellen, wün aus hkm Management AG und OFB Projekt- Ausblick auf Innenstadt und Bahnhof den bestellung in drei bis vier stunden nach hause mit der beacon-technologie direkt anspre- schenswert. Das Markenbild kann nicht unter entwicklung GmbH. treffpunkt des neuen Quartiers. geliefert. solche Lieferzeiten werden möglich, chen, er wird auf Angebote hingewiesen und geordnet sein, denn ein Food Court lebt davon, weil die Ware nicht von einem Zentrallager, in ein Ladengeschäft gelockt. dass er verschiedene starke Marken hat und sondern direkt aus einzelnen Geschäften ver- Husum Shopping Center Stadtquartier Viktoriastraße Bochum diese auch in ihrer jeweiligen Einzigartigkeit schickt wird. »Es ist viel effizienter für alle, Was händler bedenken sollten, das ist aus ben- mit ihrem unverwechselbaren Erscheinungs wenn das Geschäft von einem lokalen händler digs sicht, dass den Menschen der Kanal, über bild präsentiert, statt sie in ein FoodCourt Im Zentrum einer der attraktivsten Ferienre- 2014 beteiligte sich die HBB am Auswahlver- gemacht wird«, sagt Gentz. Deswegen sieht den sie einkaufen, zunächst egal ist. sie verlan- gionen Deutschlands entwickelt die Prelios fahren für das Stadtquartier Viktoriastraße. sich der Zalando-Gründer auch nicht als Feind gen, dass die Unternehmen auf eine einheitli- Design zu pressen. Immobilien Management GmbH das »Hu- Ziele der Neubebauung sind die Ergänzung sum Shopping Center« mit 12.000 qm Ver- eines städtischen Netzes von Nutzungen und des klassischen Einzelhandels. che Omni-Channel-strategie setzen. »Der Kun- kaufsfläche, 700 Parkplätzen und etwa 40 die Schaffung neuer Einkaufsmöglichkeiten. Insa Klasing Shops gegenüber dem bekannten Kaufhaus Das geplante Einkaufsquartier umfasst knapp de kann bei jedem punkt des Einkaufsvorgangs CJ Schmidt. Dank der hohen Zentralität, des 20.000 qm Verkaufsfläche, Gastronomie, öf- GENERAL MANAGER, KFC DEUtsChLAND thomas bendig (43), Geschäftsführer des entscheiden, wo er ihn fortsetzen will«, nennt großen Einzugsgebietes und mehreren Milli- fentliche Nutzungen, Büros und optional ein onen tagestouristen ist Husum ein hochat- Hotel. Außerdem wird eine tiefgarage mit 500 Fraunhofer-Verbunds IUK-technologie, denkt bendig den Faktor, der zukünftig über Erfolg traktiver Einzelhandelsstandort. Die Fertig- Stellplätzen entstehen. Die Eröffnung ist für stellung ist für 2018 vorgesehen. Die Vorver- 2020 geplant. mietung hat begonnen. GCM 5 / 2015 GCM 5 / 2015 GCM 5 / 2015 GCM 5 / 2015 36 Analog wird digitaler – Digital wird analoger 64 Center-Neuentwicklungen 2016 – 2021 nextgen marktplatz – advertorial 41 Rechtliche Grundlagen für ein erfolgreiches Refurbishment 76 First Christmas 78 Agentur Randolph Hopp vor ort 79 B&L 42 Ein perfektes Zusammenspiel 80 DMS GmbH 44 Erst Retail – dann Christmas 81 Sonae Sierra think neu im markt – advertorial 46 Think Big – Quartier machen 83 Neuer Shopping-Magnet in Aachens Innenstadt 50 Kommentar: Wohnen, Arbeiten und Einkaufen müssen bezahlbar sein in neuem glanz – advertorial 52 Vielschichtiger Umbruch wird sich fortsetzen 84 Ein Feuerwerk neuer Einkaufserlebnisse 54 Fachmarktcenter im Aufwind: Stimmung könnte kaum besser sein bald am start – advertorial 58 Wachstum im Outlet-Geschäft 86 Mercaden® Dorsten machen Innenstadt zukunftsfähig 60 Warenhäuser haben sich viel vorgenommen 62 Erlebnisshopping beeinflusst Einkaufsart und -ort gcsc mitglieder 87 Aufnahmeantrag center 64 Center-Neuentwicklungen 2016 – 2021: Projekt-Kurzporträts 68 Center-Neuentwicklungen 2016 – 2021: Komplettliste news 72 Nachrichten ›Mancher ist von Antworten so fasziniert, dass er die Fragen dazu erfindet.‹ Samuel Beckett, Schriftsteller (*1906, †1989) GCM 5 / 2015
GERMAN COUNCIL . Think Flüchtlinge sind nur die Botschafter der weltweiten Ungerechtigkeit THINK-Titelinterview: Deutschlands bekannteste Theologin Margot Käßmann über ihre Gedanken zu aktuellen Themen dieser Zeit Wenn das Jahr zu Ende geht, machen sich offizielle Botschafterin für das Reformati- aktuell aber noch an eine andere Sache, die mir viele Menschen Gedanken, werden nach- onsjubiläum (500 Jahre) im übernächsten sehr wichtig ist. Ich finde, wir müssen den No- denklich, mitunter besinnlich. Nicht um- Jahr und natürlich noch immer Pastorin ist. vember als einen Monat verteidigen, an dem sonst heißt das Leitthema unserer aktuellen Lesen Sie die hochinteressanten Aussagen wir auch mal an in die Tiefe gehenden Fragen Ausgabe »THINK«. In den letzten Monaten der gebürtigen Marburgerin zur Flücht- des Lebens denken – am Volkstrauertag, Buß- beschäftigten sich fast alle Bürger mit der lingssituation, zum Reformationstag, aber und Bettag, Totensonntag oder dem Ewigkeits- Flüchtlingssituation und mit Fragen rund auch zu einigen Einzelhandelsfragen. sonntag. In diesem Zusammenhang stört mich um Toleranz und Nächstenliebe. Das Ger- zunehmend die anhaltende Frühkommerziali- man Council Magazin wählte darum An- Das Leitthema dieses Magazins lautet »Think«. sierung. Aktuelles Beispiel ist der Londoner fang November für sein Hauptinterview die Worum kreisen gerade Ihre Gedanken? Weihnachtsmarkt, der sage und schreibe be- berühmte evangelische Theologin Prof. Dr. Margot Käßmann: Wie bei allen Menschen im reits am 1. November eröffnet wurde. Dr. h. c. Margot Käßmann aus, ehemalige Moment, um die dramatische Situation vieler Landesbischöfin der Evangelisch-luthe- Flüchtlinge. Ein dominantes Thema in meinem Eine Gesellschaft braucht meines Erachtens rischen Landeskirche Hannover, die auch eigenen Denken, aber auch für uns als Kirche. feste Rhythmen. Menschen sollten auch mal fünf Jahre lang Generalsekretärin des Evan- Ich sehe es als große Herausforderung für die warten können, bis der Advent wirklich da ist. gelischen Kirchentages war und seit 2012 gesamte Gesellschaft. Als Theologin denke ich Wir sagen ja, das Burnout-Syndrom kommt da- © Studio Seekamp, Bremen GCM 5 / 2015
GERMAN COUNCIL . Think © Studio Seekamp, Bremen her, dass Menschen den Rhythmus zwischen schwappten Fest in Konkurrenz. Ärgert Sie das Sie sprechen bereits das Reformationsjubiläum Schaffen und Ruhen verloren haben. Fakt ist nicht? an, das Sie persönlich als offizielle Botschafterin doch, dass praktisch die ganze Gesellschaft kei- Margot Käßmann: Halloween hat ja in begleiten. Wie sehen dazu Ihre Erwartungen nen Rhythmus mehr hat. Deutschland eigentlich keine Tradition und aus? wurde nur durch eine gezielte Millionen- Margot Käßmann: Wer Reformationsjubiläen Die Zeit der Besinnlichkeit rückt näher. Wor Kampagne 1991 nach dem wegen des Irak- der letzten Jahrhunderte anschaut, der hat über sollte sich denn unsere Gesellschaft aus Kriegs abgesagten Karnevals bei uns einge- immer ein deutschtümelndes Luther-Fest vor Ihrer Sicht Gedanken machen? führt. Sicher kann man mit »All Hallows' Eve« Augen. Ich wünsche mir, dass wir 2017 ein Margot Käßmann: Martin Luther hat einmal ein christliches Brauchtum verknüpfen, aber weltoffenes Reformationsjubiläum feiern, bei gesagt: »Woran du dein Herz hängst, dem wirklich klar wird, was das für das ist dein Gott.« Und ich finde, die ein breiter Prozess gewesen ist.Und Menschen sollten sich überlegen, ›Wir sind eine Spaßgesellschaft. Soziologen dieser Prozess dauert ja an, Reform woran denn ihr Herz hängt. Bei vie- len ist es sicher der Konsum: »Ich sagen, es gebe eine sogenannte »Karnevali- und Reformation sind immer wieder notwendig. Es wird daher nicht nur kann mir was leisten, entweder et- sierung« der deutschen Gesellschaft.‹ ein historischer Rückblick sein, son- was kaufen oder eine schöne Ur- dern auch ein Blick nach vorn. Wie laubsreise machen«. Ich würde den Margot Käßmann wollen wir Kirche sein im 21. Jahr- Menschen, vor allem als Pfarrerin, hundert? Ich wäre glücklich, wenn raten: Denkt mal über den Sinn des Lebens letztlich ist es ein Konsumfest. Ich habe ver- anschließend Menschen – zum Beispiel aus nach! sucht, das mit Humor zu nehmen. Wir haben Mitteldeutschland, die vielfach überhaupt zum Reformationstag Luther-Bonbons und nichts mit Kirche zu tun haben – sagen, das Wir sind eine Spaßgesellschaft. Soziologen Luther-Kekse in Orange aufgelegt. Und sagen: ist auch für sie interessant war. Wir werden sagen, es gebe eine sogenannte »Karnevali- Wenn die Kinder was erbetteln, dann wenigs- eine »Weltausstellung Reformation 2017« in sierung« der deutschen Gesellschaft. Also tens etwas in Zusammenhang mit Luther und Wittenberg gestalten, die viel Information nicht nur Karneval, sondern alles muss im- Reformation. Unabhängig davon hoffe ich na- und Diskussion ermöglichen wird. Sie wird mer Spaß machen, und deshalb kommen die türlich und bin auch davon überzeugt, dass international sein und natürlich auch eine in die Tiefe gehenden Fragen: »Wie will ich der Reformationstag 2017 eine angemessen ökumenische Dimension haben. eigentlich leben?«, »Was ist der Sinn des Le- hohe Aufmerksamkeit bekommen wird. Wir bens?« und »Wie lebe ich meine befristete tun derzeit alles dafür, das Jubiläum zum Würde Martin Luther noch leben, wie würde er Zeit auf der Erde bewusst?« deutlich zu kurz. 500-jährigen Bestehen gebührend feiern zu wohl auf das geschwundene Interesse der Men Bei Beerdigungsgesprächen mit den Angehö- können. Auch der Bundestag hat ja gesagt, schen an christlichem Glauben in kirchlicher Ge rigen höre ich oft: »Darüber, wie der Vater dass es ein Ereignis von kulturhistorischer Be- meinschaft reagieren? beerdigt werden will, haben wir nie gespro- deutung für unser Land ist, und es liegt mir Margot Käßmann: Ich kann mir schon vor- chen.« So etwas finde ich sehr schade. sehr viel daran, dass nach 2017 deutlich mehr stellen, dass er sagen würde: »Besinnt euch Menschen wissen, dass der 31. Oktober der mal auf eure Wurzeln!« Und gerade, wenn Vom Karneval nun zu Halloween. Der Reforma Reformationstag ist. Aber bedauerlicherweise im Moment so eine Debatte da ist, welche tionstag steht seit einigen Jahren zu diesem aus haben wir dafür nicht so ein Millionen-Bud- Werte in Deutschland eigentlich gelebt wer- den USA zu uns nach Deutschland rüberge get wie die Werbeindustrie. den, dann müssen wir sagen, dass unser GCM 5 / 2015
GERMAN COUNCIL . Think Land geprägt ist von den christlichen Grund- Und was sagen Sie zum Agieren der Bundes Im Zeichen der zunehmenden Digitalisierung überzeugungen, der Barmherzigkeit, der regierung, speziell zu Angela Merkel? hat sich die Beziehung zwischen Mensch und Nächstenliebe und auch der Verantwortung Margot Käßmann: Frau Merkel findet in bei- Mensch spürbar verändert. Wie bewerten Sie des eigenen Lebens vor Gott. Steuern hinter- den großen Kirchen für ihre Haltung große diese Entwicklung? ziehen, betrügen oder mauscheln sind je- Unterstützung. Doch natürlich muss bei je- Margot Käßmann: Ich habe da spontan das denfalls keine christlichen Werte. Insofern dem Flüchtling wieder gefragt werden: Was Bild von dem Ehepaar vor Augen, das sich im glaube ich schon, dass Luther die Menschen ist am Ende der Asylstatus? Aber in dieser Restaurant gegenüber sitzt, und beide gu- auffordern würde, mehr in der Bibel zu lesen Notsituation, in der wir Ende September wa- cken und tippen in ihr Smartphone. Aber ich bzw. nachzulesen. Für mich als Christin ist ren, wo Flüchtlinge ankamen und es keine denke auch, dass jede Generation ihren eige- die Bibel ein Glaubensbuch, aber natürlich ist Perspektive gab, war es richtig, dass ein rei- nen Weg finden muss. Vieles ist ja auch posi- sie auch ein Kulturgut. Ein Mensch kann ches Land wie Deutschland erst einmal auf- tiv. Diese App beispielsweise, bei der junge doch in Deutschland und Europa Geschichte, nimmt und erst dann klärt, wie der Status Leute sagen: »Ich will heute Abend ins Kino Architektur und Literatur überhaupt nicht ist. In so einer Situation hätten wir doch gehen – wer in meinem Umkreis kommt verstehen, wenn er keinen Schimmer von der Menschen da nicht einfach abweisen und mit?« Und dann finden sich drei oder vier, die Bibel hat. verhungern lassen können. Allerdings wird zusammen gehen. es jetzt äußerst schwierig sein, eine europä- Was würde er denn zur Flüchtlingssituation ische Lösung zu finden. Beschämend aber Ich denke, dass alles Vor- und Nachteile hat, so sagen, und wie zufrieden sind Sie selbst ei ist, dass in den Lagern im Frühsommer die wie in jeder Zeit. Als ich jung war, kam das gentlich mit Deutschland und den Deut Essensrationen gekürzt, wenn nicht sogar Fernsehen verstärkt auf, und da dachten alle: schen? »Jetzt bleibt jeder nur noch zuhause Margot Käßmann: Luther hätte ge- und guckt in die Röhre.« Das war na- sagt, es ist ein biblisches und damit ein ›Jede Generation muss ihren eigenen türlich dann doch nicht so. Der christliches Gebot, den Fremden zu schützen. Und in der Bibel steht sogar, Weg gehen.‹ Mensch sollte immer ethisch unter- scheiden, wie er mit den Mögli- wo wir Fremde aufnehmen, nehmen Margot Käßmann ckeiten, die er hat, umgeht. Ich finde wir Christus selbst auf. Ich selbst freue vieles wunderbar, dass ich zum Bei- mich, dass so viele Menschen bereit spiel mit meinen vier Töchtern, die sind zu helfen. Das sehe ich ja auch in unseren ganz eingestellt wurden, weil UNHCR keine alle an unterschiedlichen Orten leben, digital Kirchengemeinden. Überall sind Räume geöff- finanziellen Mittel mehr hatte. Dass die Si- kommunizieren kann. Dadurch weiß ich immer, net worden, gibt es Sprachunterricht, werden tuation so dramatisch wurde, hängt auch was bei ihnen passiert und, kann sie über sol- Menschen auf Ämter begleitet. Auf der anderen damit zusammen, dass wir die Fluchtursa- che Services wie »Face Time« auch noch sehen. Seite sehen wir in Deutschland aber auch Frem- chen in den Lagern verschärft haben, wie im denhass. Das Gepöbel, auch gerade vor Flücht- Libanon, in der Türkei oder an der syrischen Aber natürlich gibt es auch Nachteile. Dass lingsheimen, finde ich beängstigend, und einer Grenze. Ich finde, wir müssen uns immer Menschen vereinsamen können, wenn sie Pegida-Bewegung spreche ich massiv ab, das auch fragen: Was hat es mit uns zu tun? Die nur noch mit ihrem mobilem Gerät kommuni- christliche Abendland zu verteidigen, weil jenes Flüchtlinge sind schließlich nur die Bot- zieren statt Face to Face mit anderen Men- doch gerade den Wert der Barmherzigkeit und schafter der weltweiten Ungerechtigkeit vor schen, das halte ich für ein ernstzunehmen- der Nächstenliebe hochhält. unserer Haustür. des Problem. © Studio Seekamp, Bremen GCM 5 / 2015
GERMAN COUNCIL . Think GROOTERHORST & PaRTnER REcHTSanwälTE MBB Ihre erste Adresse für Immobilienrecht Grooterhorst & Partner verfügen über umfassende Kompetenz bei allen Rechtsfragen auf dem Gebiet der Gewerbeimmobilien. Zu unserer immobilienrechtlichen Praxis gehören die Begleitung von Immobilientransaktionen auf Ver- käufer- oder Käuferseite. Wir übernehmen für unsere Auftraggeber die vertragliche Umsetzung von Investi- tionen sowie die Due-Diligence. Öffentliches und privates Baurecht sowie das gewerbliche Mietrecht sind Schwerpunkte unserer Arbeit. Großflächige Einzelhandelsprojekte bilden einen der Schwerpunkte, bei denen wir unsere intensive und breitgefächerte Erfahrung einsetzen. • Grundstücksrecht • Portfoliotransaktionen • Öffentliches und privates Baurecht • Gewerbemietrecht und Bauvertragsrecht • Restrukturierung von Problemimmobilien • Vergaberecht und öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP / PPP) Grooterhorst & Partner Rechtsanwälte MBB • Königsallee 53–55 40212 Düsseldorf • Tel. +49 (0) 211/ 864 67-0 • Fax +49 (0) 211/13 13 42 info@grooterhorst.de • www.grooterhorst.de GCM 5 / 2015
GERMAN COUNCIL . Think Als Magazin für die Handelsimmobilienwirt hat auch überlebt. Ich fand damals schön, © Studio Seekamp, Bremen schaft interessiert uns natürlich auch Ihre Sicht miterleben zu können, wie es zum Wochen- auf das veränderte Konsumentenverhalten. ende ruhiger in der Stadt wurde. Margot Käßmann: Der stationäre Handel steht vor einer großen Herausforderung, Die Sonntagsruhe halte ich für sehr wichtig. wenn sich Menschen im Laden beraten las- Mir tun immer die Verkäuferinnen leid, die sen und auswählen, dann aber im Internet da arbeiten müssen. Wo sollen sie denn ihre kaufen. Hier ist es erforderlich, das Bewusst- Kinder unterbringen? Dann müssten ja auch sein der Konsumenten zu schärfen. Die die Kindertagesstätten öffnen. Familien ha- Menschen sollten sich einmal fragen, wie ben dadurch viel weniger gemeinsame Zei- sie denn leben wollen, wenn es bei ihnen ten, und ein bisschen traurig finde ich es vor Ort keinen nennenswerten Einzelhandel auch, dass Menschen sich nichts anderes mehr gäbe. Dazu ein Beispiel aus meinem mehr am Sonntag vorstellen können, als persönlichen veränderten Einkaufsverhal- shoppen zu gehen. Wäre natürlich schön, ten: Ich brauchte neulich einen Rasenmäher. wenn sie in den Gottesdienst gingen, aber Ich habe mich zuvor im Internet nach den sie könnten ja auch spazieren gehen oder unterschiedlichsten Modellen erkundigt, ein Buch lesen. dann aber mit einem Händler vor Ort einen, wie ich finde, tollen Deal gemacht. Das Geld Dass unser Freizeitverhalten ganz auf Kon- habe ich bei ihm ausgegeben, obwohl der sum konzentriert ist, ist schon ein Armuts- Preis bei ihm schon um einiges höher war. zeugnis! Am besten würde ich es finden, German-Council-Magazin-Chefredakteur Thorsten Müller Dafür aber hat er mir den Rasenmäher ohne wenn der Sonntag vollständig einkaufsfrei nach dem Gespräch mit Margot Käßmann Aufpreis nach Hause geliefert und funkti- bliebe. Dann hätten wir auch eine Verläss- onsbereit übergeben. Das hat super ge- lichkeit, die den Menschen sich in seiner klappt, und beide Parteien waren zufrieden. Freizeit konsequent auf andere Dinge kon- Ich denke, dass wir ja auch zukünftig den zentrieren ließe. Ausnahmen würde ich nur Händler bei uns vor Ort haben wollen. Dar- dann akzeptieren, wenn es auch tatsächlich die Vielzahl an Flüchtlingen, aber an den um sollten sich die Konsumenten ihrer dies- solche wären – nicht so wie in Berlin, wo Waffen wollen wir verdienen. Das kann doch bezüglichen Verantwortung bewusst sein. durch das riesige Einkaufscenterangebot ei- nicht richtig sein. gentlich immer ein Zentrum geöffnet hat. Wie kaufen Sie denn in der Regel selber ein – Und für meine Kirche wünsche ich mir, dass klassisch im Laden, oder legen Sie Ihre Wunsch Was, glauben Sie, erwartet uns 2016? Wird uns wir eine Begeisterung für das Reformations- ware in den digitalen Einkaufswagen? das Flüchtlingsthema noch das gesamte Jahr jubiläum erzeugen und diese nutzen, um im Margot Käßmann: Ich bin so wenig zuhause, beschäftigen, oder werden ganz andere The Land über den christlichen Glauben zu spre- dass ich mir lieber nichts bestelle, weil ich ja men auf uns zukommen? chen. Und dass die Kirchen sich weiter ein- die Pakete gar nicht annehmen könnte. Ich Margot Käßmann: Ich denke, dass das mischen in öffentliche Debatten, denn der kaufe daher hauptsächlich unterwegs ein. Vor Flüchtlingsthema anhalten wird. Die Men- Staat braucht trotz der sinnvollen Trennung oder nach meinen Terminen. Halt dort, wo ich schen, die hier bleiben und einen Aufent- von Kirche und Staat doch auch die Kirche, gerade bin. Das kann in der Fußgängerzone haltsstatus bekommen, müssen ja integriert die nämlich nicht aus parteipolitischen Über- sein, aber auch in einem Einkaufszentrum. Ich werden. Das wird aber sicher nicht schnell zeugungen spricht, sondern aus ganz ande- würde es allerdings sehr begrüßen, wenn die gehen, sondern viel Integrationsleistung von ren Quellen schöpft. Mir geht es zudem dar- Ladenstraßen nicht so aussehen würden, dass beiden Seiten erfordern. Ich denke auch, um, dass Religion dazu beiträgt, Konflikte zu sie in einer Stadt kaum von anderen Städten dass das, was sich am rechten politischen entschärfen und Religion nicht länger als ein zu unterscheiden sind. Inhabergeführte Ge- Rand tut, kein Übergangsphänomen sein Faktor auftritt, der Konflikte verschärft. schäfte mit guter Beratung steuere ich am wird. Demokratie muss weiter erkämpft wer- liebsten an. den. Wir brauchen Freiheitsrechte, die nicht auf bestimmte Menschen begrenzt sind. Da Und was erhoffen Sie sich privat vom neuen Und wie stehen Sie zu den Ladenöffnungszei wird es gesellschaftliche Auseinandersetzun- Jahr? ten. Sollte der Sonntag einkaufsfrei bleiben, gen geben – und zwar erhebliche. Margot Käßmann: Ich darf nächstes Jahr obwohl er es im Internet ja noch nie war? zwei meiner Enkelkinder taufen, und eine Margot Käßmann: Da werden Sie mit mir Ferner wünsche ich mir, dass das Thema Rüs- meiner Töchter heiratet – das sind auf jeden jetzt wahrscheinlich eher in einen Konflikt tungsexporte auf die Tagesordnung kommt. Fall private Höhepunkte für mich. geraten, denn das dritte Gebot lautet ja »Du Im ersten Halbjahr 2015 haben wir wieder sollst den Feiertag heiligen!« Es hat weniger verstärkt und auch in den mittleren Osten Verbots- als vielmehr Gebotscharakter, da- exportiert. Wir sollten noch einmal darüber mit Menschen auch mal zur Ruhe kommen. debattieren, was das eigentlich bedeutet. Das Gespräch führte In meiner Kindheit schlossen die Läden Wir exportieren Waffen. Mit denen werden Thorsten Müller, samstags um 13 Uhr und machten montags dann Kriege geführt und die Flüchtlinge Chefredakteur um acht erst wieder auf. Aber der Mensch kommen zu uns. Den Krieg beklagen wir und German Council Magazin GCM 5 / 2015
GERMAN COUNCIL . Think Trinity Leeds (GB) The International Local Trinity Kitchen Chapman Taylor Architektur und Städtebau Planungsgesellschaft mbH GCM 5 / 2015 Klaus-Bungert-Str. 3 D-40468 Düsseldorf +49 (0)211 88 28 69-0 www.chapmantaylor.de duesseldorf@chapmantaylor.com
GERMAN COUNCIL . Think Kein Grund zur Sorge Der Deutsche macht sich gerne Sorgen um die Zukunft. Doch aus nur wenigen düsteren Vorhersagen wurde Realität. Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit Die Europäische Union erwartet bis Ende Irrationales anhaftet, wie sich leicht zeigen an der Situation von vor einem Jahr festma- 2016 noch weitere drei Millionen Flücht- lässt. Denn: Deutschland kennt die aktuellen chen. Im November 2014 berichtete etwa die linge. Der Krieg in Syrien hält weiter an. Die Probleme aus seiner Vergangenheit, und es Immobilien Zeitung, dass die Flüchtlingskrise Attentate von Paris schüren Ängste vor Ter- gibt genügend Gründe, um positiv auf das die Kommunen unter »den Beherbergungs- rorismus in Europa. Der Konflikt in der Os- kommende Jahr zu blicken. Anforderungen« zusammenbrechen lasse. Zu tukraine ist nicht gelöst. Die OECD sieht diesem Zeitpunkt ging das Bundesamt für Mi- für das kommende Jahr nur eine langsame Gute Perspektive fr Integration gration und Flüchtlinge von rund 200.000 Erholung der Wirtschaft, der Welthandel Menschen im Jahr 2014 aus, die in Deutsch- soll weiter schwächeln. Die Eurokrise ist Die Flüchtlingskrise beispielsweise begleite- land Asyl suchen wollten. Für 2015 liegt diese längst noch nicht ausgestanden. Der Abgas- te uns in den vergangenen Monaten täglich. Zahl bei mehr als 800.000. Und bislang ist es Skandal bei VW erschüttert das Vertrauen Kein Tag vergeht ohne neue Schlagzeilen. dem Gros der deutschen Städte gelungen, für in das Gütesiegel »Made in Germany«. An Die Anzahl rassistisch motivierter Straftaten all diese Menschen ein Obdach zu finden – Krisen und Schreckensszenarien mangelt es nimmt beständig zu. Die Städte und Ge- auch wenn Turnhallen und andere öffentliche derzeit gewiss nicht. meinden sind überfordert. Wohnraum wird Gebäude dafür herhalten müssen. knapp. Die Stimmung in Deutschland kippt Die Deutschen verfallen hier gerne in allmählich. Laut einer aktuellen Umfrage Und jüngst bescheinigte die OECD der Bun- Schwarzmalerei und Hysterie – die scheinbar des ZDF-Politbarometers sorgt sich die knap- desrepublik obendrein, dass sie beste Voraus- tief verwurzelt sind in ihrem Bewusstsein. pe Mehrheit der Deutschen, dass das Land setzungen habe, um die Flüchtlinge zu inte Das deutsche Wort »Weltschmerz« hielt den Zustrom der Flüchtlinge nicht mehr be- grieren. Die Kindergärten und die duale Aus- nicht umsonst Einzug in die Sprache der Dä- wältigen kann. Das denken 51 Prozent der bildung seien zwei Stärken, mit denen nen, Polen, Engländer, Schweden, Portugie- Befragten. Deutschland punkten könne. Das ging aus sen und Spanier. Den Begriff prägte der dem OECD-Bericht »Bildung auf einen Blick« Schriftsteller Jean Paul im 19. Jahrhundert. Dass es bei einem solchen Stimmungsbild hervor. Heute spricht man wohl eher von der »Ger- aber oft weniger um Fakten, als vielmehr um man Angst«. Eine Angst, der mitunter etwas eine gefühlte Realität geht, lässt sich schon Schreckensszenario nicht eingetreten Die Ängste der Deutschen 2015 Infocenter der R+V Versicherung Eine Krise anderer Art ist die gemeinsame © Infocenter der R+V Versicherung Auf Rekordtief: Ängste vor Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsflaute Währung in Europa. Und auch wenn es um Ängste im Vergleich zum Rekordjahr 2005 Griechenland ruhiger geworden ist, ist die in Prozent Misere um den Euro längst nicht ausgestan- Unterschiede in Prozentpunkten den. Ohnehin wäre es zu kurz gegriffen, bei dieser Krise alleine von Griechenland zu spre- chen. Portugal, Italien, Spanien, Frankreich und auch Deutschland sind Staaten, die einen -33 -37 -30 maßgeblichen Anteil an der aktuellen Situati- on haben. Dennoch sind die wenigsten Schreckenssze- narien eingetreten, die Ökonomen und Politi- ker befürchtet hatten. Allen Unkenrufen zum 65 … 33 32 68 … 33 31 70 … 41 40 Trotz ist Griechenland nicht aus der Eurozone 2005 2014 2015 2005 2014 2015 2005 2014 2015 ausgetreten. Und mehr noch: Das Land eigene höhere Arbeitslosigkeit schlechte braucht wahrscheinlich sogar weniger Geld, Arbeitslosigkeit in Deutschland Wirtschaftslage um den Staatsbankrott abzuwenden, als ge- dacht wurde. Für das dritte Hilfspaket waren 86 Milliarden Euro veranschlagt. Aktuell geht GCM 5 / 2015
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