BODEN DAS UNSICHTBARE ÖKOSYSTEM HEIMLICHE HELFER WERTVOLL UND VERWUNDBAR - Natur+Text
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30. Jahrgang – Nr. 1 Februar bis April 2016 Natur + Text GmbH, Friedensallee 21, 15834 Rangsdorf, ISSN 0935-7602 Ausgabe 1/2016 BODEN DAS UNSICHTBARE ÖKOSYSTEM HEIMLICHE HELFER WERTVOLL UND VERWUNDBAR NATUR UND KUNST NATUR OHNE GRENZEN Teneriffa – subtropische Nachlass aus der Unterwelt Vulkaninsel im Atlantik Seite 30 Seite 32
EDITORIAL Moore in Brandenburg und Berlin LIEBE LESERINNEN UND LESER, Moore sind faszinierend, vielfältig, kompliziert zu nutzen und reagieren sensibel auf Veränderun- die Herausforderungen zum Schutz sind ernüchtert und enttäuscht, wie mit diesen Belangen im Ag- gen. Sie prägen große Landschaften in Brandenburg und Berlin, sind seit Jahrhunderten durch den und zur Pflege der Natur und der rar- und Umweltministerium umgegangen wird. Selbst einhellige Menschen genutzt und nur auf ca. 2 % der einstigen Fläche noch naturnah. natürlichen Lebensgrundlagen in Anträge von politischen Vertretern aus den Regionen zu Gunsten Brandenburg wachsen. Dies ist allen von mehr Naturschutz werden brüsk abgelehnt. Wir können auch Mitgliedern des NABU-Landesvor- nicht den Willen erkennen, die chemieintensive und industrielle Vorgestellt und erläutert werden: standes, die von der Landesvertreter- Landwirtschaft zurückzudrängen. versammlung Ende November für die • ihre Vielfalt und die ihrer Lebewelt, nächsten drei Jahre gewählt worden Natur und Umwelt brauchen eine starke Stimme in Brandenburg. • ihre Charakteristika und Nutzung, sind, sehr bewusst. Wir wollen unsere Der NABU ist inzwischen auf 11.500 Mitglieder angewachsen, ein Mitwirkungsrechte und Gestaltungsmöglichkeiten nutzen, etwa starker Rückhalt bei der praktischen Naturschutzarbeit vor Ort, • ihre Stellung im Klimawandel, bei der beginnenden Erarbeitung von 300 FFH-Managementplä- bei der Umweltbildung und beim Einsatz für die Interessen der • ihre Entstehung und Entwicklung … nen. Aber wir müssen auch unser naturschutzpolitisches Gewicht Natur. Gemeinsam können wir viel bewegen, der Landesvorstand geltend machen, sollten etwa im Zuge der geplanten Verwaltungs- setzt weiterhin auf die wechselseitige Unterstützung und die enge strukturreform in Brandenburg die elf Naturparks vom Land auf Zusammenarbeit mit allen engagierten Mitgliedern, den Kreis- die Kreise übertragen und damit entwertet werden. und Regionalverbänden und den Landesfachausschüssen. Wir müssen leider feststellen, dass für die Landesregierung Um- Friedhelm Schmitz-Jersch welt- und Naturschutz immer weniger Bedeutung besitzt. Wir Landesvorsitzender NABU Brandenburg INHALT BODEN VERANSTALTUNGEN AKTUELLES … und alle Kapitel sind mit zahlreichen Abbildungen, Tabellen, Fotos und Diagrammen illustriert. Titelthema 25 NEUES JAHR – NEUES GLÜCK? 39 NACHRUF & LESERBRIEF 26 VALENTINS-SPECIAL MIT 41 ZUFALLSBEOBACHTUNGEN 4 DAS UNSICHTBARE ÖKOSYSTEM ERNST PAUL DÖRFLER 42 EIN VIERTELJAHRHUNDERT MITTLER 6 HEIMLICHE HELFER 27 BEGEGNUNGEN MIT ZWISCHEN MENSCH UND NATUR 12 UNSER BODEN – WERTVOLL UND UR-BRANDENBURGERN 44 „KILLERBRAUT“ IM VORGARTEN VERWUNDBAR 46 ERLEBTER FRÜHLUNG 2016 15 INNOVATIVE BODENPOLITIK GEFRAGT 17 KOMPOSTIERUNG NATUR … 18 20 KREISLAUFWIRTSCHAFT MIT TRADITION WURM SEI DANK 30 … UND KUNST RUBRIKEN 22 „BODEN“ ODER FASZINIERENDER Nachlass aus der Unterwelt 24 INTERVIEW DRECK? 32 … OHNE GRENZEN 28 REZENSIONEN Teneriffa – subtropische Vulkaninsel 48 AUS DEN VERBÄNDEN im Atlantik 51 IMPRESSUM 36 … IM RÜCKBLICK Wir waren die Champions Vera Luthardt und Jutta Zeitz (Hrsg.) Moore in Brandenburg und Berlin mit Moorbodenkarte und zusätzlichen Informationen auf DVD 384 Seiten, 17 x 24 cm, Hardcover, Natur + Text 2014 ISBN 978-3-942062-13-8, Preis 39,90 Euro DIESE AUSGABE www.naturundtext.de ALS eBOOK LESEN! FÜR ALLE N ATURMAGAZIN-LESER KOSTENLOS ZUM DOWNLOAD UNTER: naturmagazin.info/epub/01-2016.epub Foto: Stefanie Krück 6 Foto: Manfred Keller 44 Die Veröffentlichung wurde freundlicherweise durch das Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg aus der Konzessionsabgabe Lotto gefördert.
4 GEWINNER & VERLIERER Titelthema BODEN Titelthema 5 DAS UNSICHTBARE bindet mit etwa 1.500 Milliarden Tonnen allein im Humus fast dreimal mehr Kohlenstoff als die gesam- te lebende Biomasse, also alle Lebewesen inklusive gebunden, sodass die Pflanzenwurzeln ihn nun kaum mehr aufnehmen können. Diese Böden sind daher nährstoffarm. Die Nährstoffe für die reiche Vegeta- ÖKOSYSTEM Bäumen, Sträuchern und Gräsern. Beim Boden ist tion sind statt im Boden in den lebenden Pflanzen es wie beim Käse: Das beinahe Wichtigste sind die gespeichert, denn abgestorbene Pflanzenteile werden Löcher. Die Poren des Bodens, also die Hohlräume sehr schnell zersetzt und die freigewordenen Nähr- zwischen den festen Bestandteilen wie Mineralien stoffe sofort wieder aufgenommen. und Humuspartikeln, sorgen dafür, dass der Boden WIE FRUCHTBAR BÖDEN SIND, WIRD VON V IELEN FAKTOREN BESTIMMT: VOM ALTER, VOM durchlüftet und so die Pflanzenwurzeln und Boden- Wertvoll sind auch wenig fruchtbare Böden AUSGANGSGESTEIN, VOM HUMUSGEHALT, VON DEN KLIMAVERHÄLTNISSEN UND DEN MENSCHEN lebewesen ausreichend mit Sauerstoff versorgt wer- Welche Eigenschaften sie herausbilden, ist maß- den. Wasser wird durch Adhäsions- und Kapillar- geblich abhängig von dem Ausgangsgestein. Ist es Mindestens Jahrhunderte, eher Jahrtausende und Jahrmillionen vergehen, bis das entstanden ist, was wir B oden kräfte gegen die Schwerkraft gehalten – ein Boden quarzreich, entstehen leichte, eher grobkörnige und nennen. So viel Zeit wird gebraucht, damit Gestein an der Erdoberfläche verwittert und eine mehrere Meter kann bis zu 200 Liter pro Kubikmeter speichern und sandige Böden, die gut durchlüftet sind, aber nur Pflanzen auch dann noch mit Flüssigkeit versorgen, wenig Wasser und Nährstoffe speichern können. mächtige Schicht bildet. Sie besteht etwa zur Hälfte aus mineralischen Partikeln wie Sand und Ton, zu jeweils grob wenn es länger nicht mehr geregnet hat. Das Poren- Ist das Ausgangsgestein dagegen reich an Feldspat, 20 Prozent aus Luft und Wasser und zu etwa fünf bis zehn Prozent aus Pflanzenwurzeln, Lebewesen und Humus, volumen eines Bodens ist abhängig von der Größe entsteht aus den immer feiner werdenden Partikeln der den Lebensraum und die Nahrungsquelle für weitere Organismen darstellt. der mineralischen Bodenpartikel, dem Humusge- ein schwerer, tonreicher Boden, der viel Nährstoffe halt und der Durchwurzelung sowie der Aktivität und Wasser speichert, aber schlechter durchlüftet der Bodenlebewesen. ist. Auch ist das Wasser hier so stark im Boden ge- bunden, dass die Pflanzenwurzeln es nur zum Teil Insbesondere Regenwürmer haben hier eine wichti- nutzen können. Optimal für die Landwirtschaft sind ge Funktion, denn ihre Gänge sind wichtige Wasser- daher weder die sandigen leichten noch die tonrei- leitbahnen, die bei starken Niederschlägen die Auf- chen schweren Böden, sondern solche, die lehmig gabe haben, das Wasser von der Oberfläche in den und reich an Schluff sind. Schluffpartikel sind klei- Unterboden zu transportieren. Dieser enthält weni- ner als Sand und größer als Ton. Sie verbinden die ger Humus und Lebewesen als der Oberboden und Vorteile von beiden: gute Durchlüftung und gutes ist heller, durch unterschiedliche Eisenverbindun- Wasser- und Nährstoffspeichervermögen. gen häufig gelblich-ockerfarben oder auch rötlich. Ein tiefgründiger, gut durchwurzelbarer Unterboden Besonders fruchtbare Böden sind interessante Acker- spielt für die Bodenfruchtbarkeit eine große Rolle. flächen; eingeschränkt fruchtbare Böden eignen sich Die Pflanze kann sich über ihre Wurzeln auch dann noch für die Wiesen- und Weidennutzung oder als noch mit Wasser versorgen, wenn der Oberboden Waldfläche. Auch weniger fruchtbare Böden können bereits trocken ist. wertvoll sein, etwa als Lebensräume seltener Arten. Moorböden wiederum sind für eine intensive land- Die geografische Lage ist häufig entscheidend dafür, wirtschaftliche Nutzung zu feucht, speichern aber über welchen Zeitraum die Böden entstanden sind. besonders viel Kohlenstoff. In Mitteleuropa kamen zum Beispiel in den Eiszei- ten immer wieder Gletschermassen dazwischen. Sie Wenn der Boden falsch und zu intensiv genutzt wird, machten Tabula rasa, indem sie neue Sedimente ab- verliert er seine Funktionsfähigkeit und degradiert. lagerten und bereits entstandene Böden umwühl- Schätzungsweise 20 bis 25 Prozent aller Böden welt- ten. Die typischen braunen Böden in Mitteleuropa weit sind bereits davon betroffen und jedes Jahr ver- sind daher mit etwa 10.000 Jahren im internationa- schlechtern sich weitere 5 bis 10 Millionen Hektar. D len Vergleich recht jung und wenig verwittert. Häu- Das entspricht in der Größenordnung der Fläche Der Lebensraum Boden birgt er Humus verleiht dem Boden nahe der bauen sie in Humus um und verteilen diese frucht- fig enthalten sie noch viele Minerale, aus denen sich Österreichs (8,4 Millionen Hektar). Dabei gibt es noch viele Geheimnisse. Oberfläche eine dunkle, braunschwarze bare Substanz im Boden. Humus speichert Nähr- Pflanzennährstoffe wie Kalium und Phosphor lang- durchaus Böden, etwa im Auenbereich von Euph- Nur ein Bruchteil der vielen Arten, die in ihm leben, ist Farbe. Dieser Oberboden wimmelt von Le- stoffe und Wasser und sorgt dafür, dass der Boden sam herauslösen. Die typischen roten Böden der rat und Tigris oder im Hochland von Neuguinea, bisher erforscht. ben: Neben Regenwürmern, Asseln, Spinnen, Mil- eine stabile Struktur mit vielen Poren erhält. Zu- Tropen hatten dagegen Millionen Jahre Zeit für die die seit 7.000 Jahren unter ganz unterschiedlichen Quelle: Bodenatlas 2015 Urheber: Heinrich-Böll- ben und Springschwänzen leben in einer Hand voll dem enthält er viel Kohlenstoff, der ursprünglich Verwitterung, mit der die Mineralien aufgelöst, um- Bedingungen genutzt werden – und nach wie vor – Heinrich-Böll-Stiftung, Stiftung u.a. (CC BY-SA 3.0) Institute for Advanced Boden mehr Mikroorganismen (etwa Bakterien, Pil- von Pflanzen im Form des Klimagases CO2 aus der gebildet und teilweise ausgewaschen wurden. Der fruchtbar sind. S ustainability Studies, ze oder Amöben) als Menschen auf der Erde. Die- Luft aufgenommen wurde. Der Boden ist einer der freigesetzte Phosphor wurde dabei von ebenfalls BUND und Le Monde diplo- se Lebewesen zersetzen abgestorbene Pflanzenteile, bedeutendsten Kohlenstoffspeicher überhaupt: Er frei gewordenen Eisen- und Aluminiumoxiden fest Knut Ehlers matique (CC BY-SA 3.0 DE) naturmagazin 1/2016 naturmagazin 1/2016
6 BODEN Titelthema BODEN Titelthema 7 HEIMLICHE HELFER bekannten und jährlich neubeschriebenen Arten wi- der. Beispielsweise kannte man Mitte der 1950er Jah- re nur weniger als 2.000 Raubmilbenarten (Raubmil- ben werden beispielsweise in Gewächshäusern als Zu viel Gift In Deutschland wurden 2014 mehr als 45.000 Ton- nen Pflanzenschutzwirkstoffe – beispielsweise Neuro- toxine wie die Neonikotinoide Poncho, Gaucho oder DIE WICHTIGSTEN ÖKOLOGISCHEN Antagonisten gegen Spinnmilben eingesetzt). Heute, die Pyrethroide – auf deutschen Äckern ausgebracht. 50 Jahre später, sind fast 9.000 Arten bekannt, und Der zurzeit heftig geführte Diskurs zum Einsatz von D IENSTLEISTUNGEN DER BODENTIERE jährlich werden etwa hundert neue Arten dieser Mil- Pflanzenbehandlungsmitteln in der Land- und Forst- bengruppe beschrieben. Der wachsende Anzahl be- wirtschaft stellt immer wieder die Frage nach dem schriebener Arten steht allerdings eine weltweit im- Einsatz der Bodentiere als biologische Pflanzenschüt- mer kleiner werdende Zahl von Bestimmern – in der zer. Der biologische Pflanzenschutz umfasst die Ver- Wissenschaft „Taxonomen“ genannt – gegenüber, die wendung natürlich vorkommender Organismen als überhaupt in der Lage sind, neue Arten zu erkennen Gegenspieler von Schädlingen und Krankheitserre- und diese einordnen zu können. Das jedoch ist die gern an Kulturpflanzen und Bäumen. Es kommen Grundlage jeder weiteren ökologischen und natur- sowohl Makroorgansimen (räuberische oder para- schutzfachlichen Anwendung, ebenso ist sie für die sitierende Gliederfüßler und entomopathogene Ne- Umsetzung der Biodiversitätsstrategie unverzichtbar, matoden = Kleinwürmer im Boden) sowie Mikroor- sowohl auf landes-, bundes- oder globaler Ebene, als ganismen (Pilze, Bakterien, Protozoen) und Viren in auch in der Forschung. Die schwindender Anzahl Frage. Der biologische Pflanzenschutz lebt somit von der Taxonomen hat dazu geführt, dass die Aussa- der biologischen Vielfalt natürlicher Antagonisten – ge „Biologische Vielfalt verschwindet, bevor wir sie und zwar in zweifacher Hinsicht: kennen“, immer stärker zur Realität wird. Hier sind die Regierungen gefordert, die Weichen richtig zu (1) Wird die funktionelle Artenvielfalt eines Agrar stellen. Für die Sicherung der Lebensgrundlagen des ökosystems gefördert, werden die zum Standort ge- Menschen ist es essentiell, die biologische Vielfalt zu hörenden Bodentiere möglichen Schädlingen künftig erforschen, bevor sie durch Veränderungen in der stärker entgegenwirken können. Hierzu müssen insbe- Biosphäre unerkannt verloren geht. Das Bundesmi- sondere bodenbezogene Pflanzenschutzmittelanwen- nisterium für Umwelt und Bauen (BMUB) hat das dungen vermieden oder so gestaltet werden, dass deren Problem der fehlenden Taxonomen erkannt und for- Auswirkungen auf die biologische Vielfalt möglichst dert in dem 2015 vorgelegten Programm zur Natur- gering bleiben. Dies lässt sich unter anderem durch schutzoffensive 2020, entsprechende Finanzmittel für eine angepasste Landnutzung erreichen, etwa durch neue Institutionen, aber auch für den citizen scien- Habitatmanagement, bodenschonenden Maschin ce Bereich (Bürgerwissenschaften), bereit zu stellen. eneinsatz und durch eine Förderung der Nützlinge. Beim Anblick von Asseln, Milben oder Würmern hört die Tierliebe bei vielen Menschen auf. Doch als Recycling Anzeige arbeiter sind Bodentiere im Verbund mit Bodenmikroorganismen für das Pflanzenwachstum unerlässlich – und somit auch für das Leben der Menschen. Bei landwirtschaftlich genutzten Böden sind die durch abgestorbene Pflanzenwurzeln und Regenwurmröhren entstandenen Hohlräume, die Makroporen, äußerst wertvoll. E benso ist die Bildung bestimmter Bodenaggregate den Bodenbewohnern zu verdanken. In der Summe bestimmt d eren Wirken schließlich die Fähigkeit eines Bodens, Wasser schnell aufnehmen und speichern zu können. D arüber hinaus zersetzen die Bodenorganismen auch noch tote Wurzeln und Ernterückstände, bekämpfen auf ganz natürliche Art und Weise mikrobielle Schadorganismen und bauen Schadstoffe ab, die beispielsweise aus Pflanzenschutzmitteln und über die Gülle in den Boden gelangt sind. D Foto: Stefanie Krück ie Leistungsfähigkeit des Bodens steht also und ihre Funktionen im Lebensraum Boden sowie in engem Zusammenhang mit den in ihm im Nahrungsnetz noch äußerst lückenhaft. Teilweise vorkommenden Organismen. Doch ob- ist es nicht einmal möglich, alle Arten, i nsbesondere wohl die Bodenorganismen wichtige Ökosystem- deren Entwicklungsstadien, sicher zu bestimmen. funktionen gewährleisten, ist das Wissen über die Der Kenntnisstand der bodenzoologischen Biodi- vorkommenden Arten, ihre ökologischen Ansprüche versität spiegelt sich gut in der Anzahl der weltweit naturmagazin 1/2016 naturmagazin 1/2016
8 BODEN Titelthema BODEN Titelthema 9 Bodenschonend wird hier (2) Werden kommerziell vermehrte Bodentiere als Regenwürmer. In den abgegebenen Kothäufchen Losungshäufchen von unerwünschtes Beikraut mit Regenwürmern. Antagonisten von Schädlingen ausgebracht, setzt wiederum bilden sich nach einiger Zeit Ton-Hu- der Hacke entfernt. Foto: Stefanie Krück ©BLE, Bonn, dies eine hinreichend genaue Kenntnis ihrer biolo- mus-Komplexe, welche die mineralische und die Der Gemeine Regenwurm Foto: Thomas Stephan gischen Eigenschaften und potenziellen ökosyste- organische Substanz in Bodenaggregaten zusam- Lumbricus terrestris er- maren Auswirkungen voraus. Diese Eigenschaften menhalten. Besonders wichtig sind die sogenann- schafft stabile Makroporen müssen in staatlich überwachten Zulassungsverfah- ten Mikroaggregate mit einem Durchmesser von von bedeutender Größe im Boden ren geprüft und gesetzlich festgeschrieben werden. weniger als 250 Mikrometern. In diesen ist die or- ganische Substanz, die meist den Kern der Mikro- Von Nematoden abgetötete Larve des Dickmaulrüsslers. aggregate bildet, physikalisch vor einem weiteren Wenn der Käfer in großer Abbau geschützt. Dadurch erst kann der für die Bo- Zahl vorkommt, kann er indem sie durch ihre Aktivität wichtige physikali- denfruchtbarkeit wichtige Dauerhumus entstehen. Schaden anrichten. Zum Pflanzenschutz können sche, chemische oder biologische Bodenprozesse be- Zum anderen sind die Mikroaggregate Bestandteile Nematoden der Art Heter- einflussen. Am bekanntesten sind die Regenwürmer. von größeren Bodenaggregaten, welche bei Regen- orhabditis bacteriophora Weltweit waren 2008 von ihnen etwa 670 Arten be- fällen und Trockenheit stabil sind und so das Risi- eingesetzt werden. Die Art ist bei uns heimisch, kommt kannt, in Deutschland sind es 46 (mehr hierzu auf S. ko einer Verschlämmung oder Erosion des Bodens allerdings von selbst nicht 20/21). Unter einem Quadratmeter Wiese können – verringern. Immerhin gehen auf nicht von Regen- in ausreichend hoher Kon- je nach Bodenart und Bewirtschaftungsform – zwi- würmern besiedelten Böden in der EU jährlich bis zentration vor. Die Ausbrin- gung wird daher zwei- bis schen hundert und vierhundert Regenwürmer leben. zu zehn Tonnen Oberboden verloren. dreimal wiederholt, jeweils In Ackerböden konventionell wirtschaftender Be- einmal in den darauffolgen- den Jahren. triebe, häufig mit Pflanzenschutzmitteln behandelt Welche anderen Bodentiere Foto: Kratz Biotech AG und oft gepflügt, findet man allerdings oft nicht einen Prozessen unterscheiden. Bei der Darmpassage wer- sind auch sehr nützlich? einzigen. Im Gegensatz dazu leben auf den Äckern den die organischen und mineralischen Bestandteile Neben Regenwürmern beeinflussen auch andere ökologisch wirtschaftender Bio-Betriebe pro Qua- des Nahrungsbreis befeuchtet und gemischt, Boden- Tiere, beispielsweise Landasseln, die Bodenprozes- Diese Verpackung ent- hält zwar die Florfliege dratmeter mehr als hundert Tiere. Doch Wurm ist aggregate zerstört und Tonminerale aufgelöst. Darü- se. Sie gehören zur Klasse der Höheren Krebse und Chrysoperla carnea, doch nicht gleich Wurm – am Senckenberg Forschungs- ber hinaus wird der Brei mit Enzymen und Schleim zählen zu den Primärzersetzern: Mit ihren kräfti- in gleicher Art und Weise institut in Görlitz wurde eine komplette Auflistung angereichert, die von der Darmwand und Kalkdrü- gen Mundwerkzeugen zerkleinern sie die frisch ge- wird auch die bodenlebende Raubmilbe Hypoaspis miles aller Regenwurmarten Deutschlands vorgenom- sen abgegebenen werden. Diese Prozesse sind not- fallene Blattstreu und bereiten sie für den weiteren an die Kundschaft versandt. men und dazu 16.000 Datensätze ausgewertet, die wendig, damit der Regenwurm die organische Sub- Abbau durch Bodenkleintiere und Mikroorganis- Im Inneren der Verpackung in der Datenbank www.edaphobase.com allgemein stanz im Boden verdauen kann, führen aber auch men vor. Sie haben sieben Beinpaare und Kiemen, befindet sich dann ein erdähnliches Substrat mit zugänglich sind. Seit Charles Darwins Buch «The dazu, dass die Nährstoffverfügbarkeit in frischem bekannt sind sie den meisten Menschen aus Kellern Raubmilben und Futter- formation of vegetable mould through the action of Regenwurmkot stark erhöht ist. Dies ist einer der und Garagen. Sie sind meist nachtaktiv und haben Im Ökolandbau wird auf milben, das auf dem Boden den Einsatz von Pestiziden worms» wurde mit unzähligen Arbeiten gezeigt, dass wichtigsten Gründe für die mehrfach nachgewie- verschiedene morphologische Einrichtungen zum verzichtet. BLE, Bonn ausgestreut wird. Foto: Kratz Biotech AG Regenwürmer die Bildung von Humus, der dunkel sene Stimulierung des Pflanzenwachstums durch Verdunstungsschutz. Kellerasseln, Mauerasseln Foto: Thomas Stephan gefärbten oberen Bodenschicht, fördern und zu einer optimalen Aggregatstruktur des Bodens beitragen. Ihr positves Wirken in Kürze: Regenwürmer setzen organische Substanz um und tragen damit zur Hu- musbildung bei. Mit ihrer Losung beeinflussen Re- Zertifizierte Zuchten von Bodentieren sind die Vor- genwürmer die Krümmelstabilität des Bodens, ih- aussetzung für eine erfolgreiche Erforschung biologi- re Gänge haben Einfluss auf die Porenstruktur und scher Pflanzenschutzmittel, insbesondere, wenn neu Infiltration des Bodens. Durch ihre grabende und auftretende invasive Schaderreger kontrolliert wer- durchmischende Tätigkeit belüften und befeuchten den sollen. Der Erhalt und die Pflege von Stamm- sie den Boden. Aber auch andere Bodenorganismen zuchten sind zudem unerlässlich, um eine profunde werden durch die Aktivität der Regenwürmer geför- Ausbildung in der Formenkenntnis des wissen- dert, der Boden wird durch sie stärker belebt. schaftlichen Nachwuchses zu gewährleisten. Stimulierung des Pflanzenwachstums durch Bodentiere als Ökosystem-Ingenieure die Aktivität von Bodentieren Bodentiere haben einen entscheidenden Einfluss auf Um den Einfluss der Regenwürmer auf Humus und viele ökologische Prozesse, die im Boden ablaufen. Struktur im Oberboden zu verstehen, muss man Viele Bodentiere wirken als Ökosystem-Ingenieure, zwischen darmspezifischen und kotspezifischen naturmagazin 1/2016 naturmagazin 1/2016
10 BODEN Titelthema BODEN Titelthema 11 und Rollasseln sind die bei uns heimischen Vertre- zudem die Versickerung des Wassers und damit die mehr abgeweidet werden können. Schuld daran ist Durch ihre grabende Tätig- keit leisten Termiten einen ter. Aber selbst in so extremen Lebensräumen wie Wasserversorgung der Pflanzen. der vom Menschen aus dem schweizerischen Mittel- Beitrag zur Auflockerung den trockenen Halbwüsten von Nordafrika wirken land eingeschleppte Regenwurm Aporrectodea noc- des Bodens. Asseln als Ökosystem-Ingenieure. Die Wüstenas- Können Bodentiere auch Probleme bereiten? turna. In seiner Heimatregion bereitet er wegen der Foto: © petert2 – www.fotolia.com sel Hemilepistus reaumuri etwa hat zum Überleben Doch nicht überall sind die Leistungen der Ökosys- dortigen topographischen und klimatischen Bedin- in diesem Ökosystem ein spezielles Sozialverhalten tem-Ingenieure positiv. Der ursprünglich im Nor- gungen allerdings keinerlei Probleme. entwickelt. Wüstenasseln bilden monogam zusam- dosten Südamerikas beheimatete Regenwurm Pon- menlebende Paare, die zusammen mit ihren nicht toscolex corethrurus beispielsweise hat sich weit Gezielte Nutzung von Bodentieren geschlechtsreifen Nachkommen einen 40 bis 80 Zen- ausgebreitet und besiedelt als invasive Art nach der Die Eigenschaften von Bodentieren können auch timeter tiefen Gang in den Wüstenboden graben, um Abholzung tropischer Wälder nun die dort für Rin- gezielt zur Verbesserung von Ökosystemen und dort im heißen Sommer zu überleben. Alle Mitglie- derhaltung und Steakproduktion angelegten Weiden. zu deren nachhaltiger Nutzung eingesetzt werden. der der Familie fressen dabei Bodenmaterial und Viele Arten der ursprünglichen Bodenfauna haben In Westafrika etwa hat der Anteil von Böden ohne füllen und dann speziell für diesen Zweck gezüchte- deponieren es als Kot am Ausgang der Höhle. An das Nachsehen und verschwinden. Im brasilianischen Pflanzenbewuchs mit einer gestörten Struktur und te Regenwürmer in sie einzusetzen. Für das Funkti- Asseln können auch in Hanglagen werden diese Kotpellets bei Regen fort- Zentralamazonien produziert P. corthrurus jährlich einer wasserundurchlässigen Oberfläche zugenom- onieren der Methode ist es wichtig, die Qualität des vergleichsweise trockenen Lebensräumen überleben. geschwemmt, die Dicke des Oberbodens nimmt da- bis zu hundert Tonnen Regenwurmkot pro Hektar. men. Die Gründe sind eine Kombination von klima- Komposts zu kontrollieren und Regenwürmer mit Fotos: oben durch ab. In den Senken hingegen lagert sich das Doch im Darm der Würmer werden die Bodenpar- tischen Bedingungen, Überweidung und Tritt durch unterschiedlichen ökologischen Strategien zu züch- © martin filzwieser – erodierte, an organischen Stoffen reiche und damit tikel zerstört und äußerst dicht. Die Regenwurmart die Rinder. Die dortigen Bauern versuchen nun, sol- ten. Die Ergebnisse der ersten Pilotversuche sind er- www.fotolia.com, unten: Ronny Hirschmann– die Ansiedelung von Pflanzen fördernde Material ab. trägt deshalb in einem ähnlichen Ausmaß zur Bo- che Böden zu verbessern, indem sie die Aktivität mutigend, gegenüber dem konventionellen Anbau www.fotolia.com Die tief in den Boden reichenden Gänge verbessern denverdichtung bei, wie es von schweren Landma- der im Boden dominierenden Termiten durch Auf- werden höhere Erträge und Gewinne erzielt. schinen bekannt ist. Die bis zu fünf Zentimeter dicke lagen von Mulch aus Stroh und holzigem Materi- und zum Teil sehr feuchte Kotauflage führt darüber al stimulieren. Diese Termitenarten graben bei der Ausblick hinaus in manchen Weiden zu anaeroben Bodenbe- Suche nach Nahrung unterirdische Gänge, die an Die Leistungen der Bodentiere als Ökosystem-In- dingungen mit einer erhöhten Produktion von Me die Bodenoberfläche münden, bedecken das orga- genieure sind Dienstleistungen für die Menschen. than, was zum Absterben der Pflanzendecke führt. nische Material an der Bodenoberfläche zu ihrem Sie helfen uns, Ökosysteme nachhaltig zu nutzen. Im Norden der USA wiederum haben Regenwürmer Schutz mit einer Schicht von Erde und bilden im Bo- Der Wert dieser Dienstleistungen wird meist ver- Waldökosysteme besiedelt, in denen zuvor keine Re- deninneren neue Bodenkrümel. In der Folge kann kannt und ist auch nicht direkt zu erfassen. Oft wer- genwürmer verbreitet waren. Diese aus Europa und das Regenwasser leichter in den Boden eindringen, den wir uns ihrer Bedeutung erst bewusst, wenn sie Asien stammenden Arten wurden durch die Fisch- die Erosion wird vermindert und der Abbau des to- nicht mehr automatisch erbracht werden. Wenn köderindustrie, durch eingeführte Pflanzen und über ten organischen Materials stimuliert. Zudem ver- Erträge abnehmen oder die Qualität der Produk- Wurmkompostanlagen eingeschleppt. Die Aktivität bessert sich die Struktur des Bodens, Pflanzen kön- te nicht mehr stimmt. Im Kontext einer nachhal- der Regenwürmer bewirkte, dass die Blattstreu der nen sich wieder ansiedeln. Studien in Burkina Faso tigen Landnutzung und Erhaltung der natürlichen Wälder nun schneller als zuvor abgebaut und die zeigten, dass durch die Aktivität der Termiten – vor Ökosysteme ist es daher wichtig, die Zusammen- Struktur der oberen Bodenschicht erheblich verän- allem der Spezies Odontotermes smeathmani – eine hänge zwischen der Biologie und der Wirkung der dert wurde. Nach einer anfänglichen Stimulierung Verbesserung der Bodenqualität und das Wachstum Bodentiere gut zu verstehen. Nur mit diesem Wis- verringerten sich dadurch sowohl die mikrobielle einer neuen Vegetation innerhalb weniger Monate sen können für die Bewirtschaftung der Böden und Biomasse in den Oberböden als auch die Vielfalt möglich sind. Auch beim Anbau von Tee in Indi- die Erhaltung natürlicher Ökosysteme die richtigen und Anzahl der einheimischen Milben und Spring- en nutzt man die positiven Auswirkungen von Bo- Wege beschritten werden. Eine vom Bundesministe- schwänze. Der Oberboden verlor schließlich seine dentieren. In vielen Plantagen ist durch den jahr- rium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Eignung als Saatbeet für diverse Waldkräuter. Teil- zehntelangen Anbau die Fruchtbarkeit der Böden November 2015 durchgeführte Tagung mit dem Titel weise sank die Anzahl der Waldbodenpflanzenarten beträchtlich gesunken. Durch eine neue Methode, an „Mikroorganismen und Wirbellose – entscheiden- um 20 bis 25 Prozent. Während man im Ausland deren Entwicklung das Institut de Recherche pour de Dienstleister für Landwirtschaft und Ernährung“ erst vor wenigen Jahren auf die negativen Auswir- le Développement in Bondy in Frankreich, die Uni- zeigte, dass die Bewahrung der biologische Vielfalt kungen invasiver Bodentiere auf Ökosysteme auf- versität Sambalpur in Orissa, Indien, und ein priva- im Boden für die pedogenen Stoffumsetzungen, den merksam geworden ist, ist den Bodenzoologen in der ter Betreiber von Teeplantagen beteiligt waren, wird Wasserkreislauf, Erosionsschutz, Klimaregulation, Schweiz dieses Phänomen schon seit über 50 Jahren in solchen Plantagen die Bodenfruchtbarkeit wie- Regulation von Kulturschädlingen und Pflanzenpro- bekannt. So wurde und wird in der Ostschweiz auf der verbessert und die Produktivität der Teepflan- duktion immens wichtig ist. vereinzelten Weiden und Wiesen eine erhöhte Pro- zen erhöht. Das Prinzip der „Fertilisation Bio-Orga- duktion von Regenwurmkot beobachtet. Dies be- nique dans les Plantations Arborées“ (FBO) besteht Werner Kratz reitet vor allem im Herbst Probleme, weil bei einem darin, in den Plantagen zwischen den Teepflanzen 2. Vorsitzender des NABU Brandenburg späten Schnitt das Gras verschmutzt ist und geneigte 180 Zentimeter lange, 30 Zentimeter breite und 45 Privatdozent für Ökologie, Zoologie, Lagen wegen der Ausrutschgefahr für das Vieh nicht Zentimeter tiefe Gräben zu ziehen, mit Kompost zu E ntomologie, Bodenzoologie und Ökotoxikologie naturmagazin 1/2016 naturmagazin 1/2016
12 BODEN Titelthema BODEN Titelthema 13 UNSER BODEN – L andwirte müssen heute „multi tasking“-fähig sein, auf vielen Gebieten zu Haus und mög- lichst viel zugleich erledigen können. Ob das Thema „kaut“ er bis heute: „Ich müsste eine mittlere Entscheider-Ebene einziehen, damit nicht alles an mir hängen bleibt.“ Doch die Region ist von Weg- Gut ausgebildete Wurzeln beider Kulturen, breiter oder länglich ausgebildet WERTVOLL UND geht? Jens Petermann versucht es, und das frisst ihn zug betroffen, daher: keine Chance auf Änderung manchmal regelrecht auf. Vor allem, weil er nicht der Situation. mehr auf ausgetretenen landwirtschaftlichen Pfa- den laufen will und kann. Denn die haben sich für Wie aufs Stichwort klingelt das Telefon. Wieder geht VERWUNDBAR ihn gründlich erledigt. Petermann hat Schluss ge- es um etwas, das man hätte delegieren können. Aber macht mit dem ständigen Tiefpflügen der Böden, es steht niemand da, dem er den Ball zuwerfen könn- dem massiven, breitgefächerten Einsatz von Dün- te. Nach wenigen Minuten klingelt ein anderes Tele- ger und Pflanzenschutzmitteln. Er will dem Boden fon. Konzentriert hört Jens Petermann zu. „Wie zu wiedergeben, was ihm immer eigen war, bevor der erwarten war!“, sagt er kurz und später enttäuscht: LANDWIRT IM ODERBRUCH SCHAUT DER Mensch sich als dessen Ausbeuter aufschwang: seine „Das kann alles nicht wahr sein“ und drückt kopf- natürliche Fruchtbarkeit. schüttelnd die Aus-Taste. „Da sprechen sie beim Kli- N ATUR WIEDER AUF DIE FINGER magipfel über Kohle und Kühe als CO2-Emittenten. Ein Erlebnis mit Folgen Kühe – dass ich nicht lache!“. Da müsse die Seren- Ohne die Rückbesinnung auf die Natur, ist sich der geti ja längst tot sein, weil Millionen Gnus da leben. Landwirt sicher, werde es auf dieser Erde schon bald Über den modernen, konventionellen Ackerbau als keine fruchtbaren Böden mehr geben – jene dünne Ursache massenhafter CO2-Emmission spreche kei- fruchtbare Schicht, nur etwa 15 Zentimeter stark, ner. Das macht ihn wütend. Wieder sei eine Chan- welche die Nahrungsgrundlage aller Menschen ist. ce vertan, die Umkehr der verhängnisvollen indus- Doch sollte es nicht möglich sein, sich dieser schma- triellen Bodennutzung einzuläuten. Er hat sie 2007 len Erdschicht anzunehmen, sie zu kurieren? So ganz bei sich begonnen, ist noch auf dem Weg. Doch er von allein dämmerten Jens Petermann die Einsicht findet, wenn man anfängt, sich über den immer hö- und alle damit verbundenen Konsequenzen nicht. heren Düngemitteleinsatz, über Ertragssteigerung, Keine Sturmflut, nur ein kräftiger Regen im August Ackermethoden und Erosion Gedanken zu machen, 2007, der tiefe Erosionsrinnen in seinem 19 Hektar wenn man bereit ist, alte Zöpfe zu hinterfragen – und großen Maisacker hinterließ, hatte ungläubiges Er- abzuschneiden –, ist man in der richtigen Richtung staunen und Entsetzen, danach eine tiefgehende Be- unterwegs. Viel Literaturstudium, manchmal so sim- schäftigung mit dem Boden und dessen Fruchtbar- pel wie über den Nutzen des Mulchens, war nötig. keit und dann ein Umdenken für ihn zur Folge. Das Er konsultierte Experten – andere als früher – und war nicht absehbar, als Petermann 2003 den Job als ließ die neuen Maßnahmen von unabhängiger Seite Geschäftsführer der Produktivgesellschaft Dannen- wissenschaftlich begleiten. Sein Ziel hatte Jens Peter- berg, als „Herr“ über 750 Hektar Land, 165 Milchkü- mann dabei fest im Blick: Den Ackerboden als Sys- he und 14 Mitarbeiter übernahm. Der gebürtige Tor- tem, das sich selbst ernährt, so wie der Waldboden. gelower (Vorpommern), gelernter Agrotechniker/ „Wenn wir im Ackerbau nicht die Pflanze, sondern Mechanisator mit Abitur, hat ein Landwirtschaftsstu- den Boden ernähren, haben wir es geschnallt“, gibt dium aufgesattelt, das 1990 endete. Der Liebe wegen er die Erkenntnis des Amerikaners Neal Kinseys wie- zog er in die Nähe Strausbergs, östlich von Berlin. der. „Wir müssen den Boden bewirten, damit er uns 13 Jahre lang war er dort in einer Genossenschaft seine Fruchtbarkeit schenkt“, sagt Petermann, der für den Ackerbau zuständig. Bis der Ruf aus Dan- gern mit Gleichnissen arbeitet. nenberg kam. Der neue Posten versprach berufliche Verbesserung und Herausforderung zugleich. „Ich Konsequenzen einer Bestandsaufnahme freute mich darauf, Dinge selbst gestalten, verän- Die auf seinen Äckern von Vorgängern begangenen dern zu können“, erinnert sich Petermann. Die En- „Sünden“ wurden analysiert: Bodenverdichtung, zu Ein Gespräch mit Jens Petermann kann nicht nur dem Städter die Idylle von der Landwirtschaft restlos zerstören: ten wurden abgeschafft, das Dienstleistungsangebot tiefes Pflügen, kahle Böden, Überdüngung, Mono- Nicht der ständig tief gepflügte Acker ist gut. Nicht die riesige Fläche, die nackt und sauber auf den Winter wartet. verbreitert, eine „Milchtankstelle“ kam, ein Hofla- kulturen. Sehr wenig Leben war in der oberen Bo- den, der auch Produkte anderer regionaler Erzeuger denschicht geblieben, wo eigentlich Pilze, Bakteri- Auch nicht die soldatisch schnurgeraden, endlosen Reihen derselben Frucht auf dem Boden. Und im Winter macht anbietet. Die Ackererträge stiegen. Es lief eigentlich en und Mikroorganismen für Bodenfruchtbarkeit der Landwirt auch kein Nickerchen, um sich von den Strapazen des Jahres auszuruhen und Saat und Gerätschaften ganz gut, auch wenn der Chef mit Mitarbeiterzahl durch Zersetzung alter, abgestorbener Pflanzenteile fürs neue Jahr scharf zu machen. und Qualifikation noch nicht zufrieden war. An dem sorgen müssten. Woher sollten sie auch kommen, naturmagazin 1/2016 naturmagazin 1/2016
14 BODEN Titelthema BODEN Titelthema 15 INNOVATIVE BODEN POLITIK GEFRAGT ANHALTENDER FLÄCHENVERBRAUCH LÄSST 30-HEKTAR-ZIEL UTOPIE WERDEN Milchtankstelle – Ein wenn der Acker stets leergeräumt wurde? Das Er- Kulturen gleichzeitig. Was von den abgemähten Weltweit gehen jährlich zehn Millionen Hektar fruchtbaren Bodens verloren, heißt es in einer gemeinsamen Versuch, realere Milchpreise gebnis war ein fast humusloser Boden mit feinsan- Pflanzen nicht verwertet wird, wie Stroh, wird nur zu erzielen Pressemitteilung von Umweltbundesamt und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und diger, statt stabiler Krümelstruktur. Bläst der Wind leicht in die Oberfläche eingearbeitet oder einfach Entwicklung im Dezember 2015, ausgangs des internationalen Jahr des Bodens. Eine Entwicklung, an der auch Jens Petermann im Büro über solche Felder, können bis zu 30 Tonnen der liegengelassen. Die Humusbildung kann dann begin- fruchtbaren Oberkrume von einem Hektar abgetra- nen, die Mikroorganismen haben zu tun. Letztere hat Deutschland seinen Anteil hat, sowohl als Importeur von Waren und Rohstoffen und somit als Nutzer von Böden in gen werden. Das führt zu Sandstürmen auf den Stra- Jens Petermann inzwischen reichlich auf seinen Fel- aller Welt als auch im eigenen Land. ßen, und der Boden ist für den Ackerbau verloren. dern. Wenn er leicht den Spaten in den Acker sticht, Wenn es regnet, kann das Wasser nicht in den ver- staunt man über die krümlige Struktur des Aushubs, dichteten, strukturlosen Acker eindringen, es bildet die vielen Regenwürmer und die gut ausgebildeten Erosionsrinnen und läuft an der tiefsten Stelle zu- Wurzeln der verschiedenen Pflanzen. Die eine hat sammen. Petermanns Ackergerät ist ein anderes ge- eine flache verzweigte, die andere eine kräftige tiefe worden. Er wendet den Boden nicht mehr tief und Wurzel. So werden Konkurrenzen vermieden und lässt die fruchtbare Oberschicht nicht auf Nimmer- unterschiedliche Stärken ausgespielt. Den Stab ei- wiedersehen nach unten abtauchen. Der Boden wird ner Sonde kann Petermann inzwischen leicht einen stattdessen mit Scheiben nur oberflächlich aufge- Meter tief in den Acker stecken, die Verdichtung ist ritzt, gleichzeitig wird gesät, das Korn kommt oh- Vergangenheit, der Boden wasserdurchlässig. Die ne großen Eingriff in den Boden. Direktsaat heißt Erträge sind bei all den nach und nach einsetzenden das Verfahren. Gedüngt wird nun gezielt mit einer Maßnahmen natürlich zurückgegangen. Petermann Art Injektor. Dabei wird punktuell und viel weniger hält das aus, obwohl es für die Produktivgesellschaft Mineraldünger verwendet als früher, die Substan- fatal ist, weil auch die Milchpreise zurückgehen. Auf zen gelangen an die Pflanze und nicht ins Grund- Dauer ist das nicht zu schultern. Doch Abstriche am wasser. Außerdem sorgt der Landwirt dafür, dass neuen Ackern sind nicht drin, „dann gehe ich mit Auf dem Feld vor dem inter: Immer mindestens W immer etwas auf dem Feld wächst, der Boden nie dem Projekt lieber unter“, sagt der Landwirt fest. zwei verschiedene Kulturen kahl ist. Am liebsten sind ihm zwei, drei oder mehr Sollte jemand denken, dass andere Landwirte mit Spannung und Freude nach Dannenberg schauen, O ist er auf dem falschen Weg. Es gebe viele Leute, die sein Scheitern nur zu gern sehen würden, sagt Pe- hne intakte Böden wäre die Erzeugung und 13,6 Prozent (Stand 2013) nehmen Siedlungs- Foto: Wolfgang Ewert termann. Dann wäre der alte Weg doch der richti- von Lebensmitteln einschließlich Trink- und Verkehrsflächen ein. Der Anteil letzterer steigt ge. Auch Hersteller und Vertreiber von Maschinen, wassers undenkbar. Zugleich sind sie Le- jedoch stetig, insbesondere zu Lasten landwirt- Dünger und Pflanzenschutzmitteln dürften über sein bensgrundlage und -raum für Tiere und Pflanzen. schaftlicher Flächen. Aktuell werden für Wohnen Treiben wenig glücklich sein. Wo wir landen, wenn Ihre Verfügbarkeit ist endlich. Jeder weiß das und und Gewerbe, Freizeit, Erholung und Verkehr täg- jeder weiter nur an heute und seinen größtmögli- trotzdem wird diese Ressource in einem Maße be- lich etwa 70 Hektar „verbraucht“. Zwar hat sich der chen Gewinn denkt, will man sich nicht ausmalen. ansprucht, als gäbe es unbegrenzt Ersatz. Etwa die Flächenverbrauch in den vergangenen Jahren ste- Hälfte der knapp 360.000 Quadratkilometer umfas- tig verlangsamt – zwischen 1997 bis 2000 waren es Andrea von Fournier senden Fläche Deutschlands wird landwirtschaft- durchschnittlich 129 Hektar pro Tag – das in der Text und Fotos lich genutzt, zirka ein Drittel ist mit Wald bedeckt nationalen Nachhaltigkeitsstrategie formulierte Ziel, naturmagazin 1/2016 naturmagazin 1/2016
16 BODEN Titelthema BODEN Titelthema 17 auch zum Erlöschen ganzer Populationen aufgrund genetischer Verarmung führen. Der Siedlungsneu- bau trägt ein Übriges zum Lebensraumverlust bei. Noch immer werden Baugebiete am Rande beste- KOMPOSTIERUNG DAS WELTÄLTESTE RECYCLINGVERFAHREN hender Siedlungen ausgewiesen, statt die Innenbe- reiche zu verdichten. Der menschlichen Natur ge- mäß werden beste Lagen besiedelt und gehen für die landwirtschaftliche Nutzung oder als naturbelassene Flächen irreversibel verloren. Zudem, etwa die Hälfte der neuen Siedlungs- und Verkehrsflächen werden vollständig versiegelt und damit jeglicher Boden- funktionen, einschließlich der Grundwasserneubil- dung, beraubt. Niederschlagswasser wird über Flüsse Straßenbau versiegelt nicht den Verbrauch bis 2020 auf 30 Hektar zu reduzieren, abgeleitet, was wiederum die Hochwassergefahr in nur Boden, er zerschneidet wird mit diesem Tempo deutlich verfehlt werden. bestimmten Regionen erhöht. auch Lebensräume. Foto: Wolfgang Ewert Selbst das vom Umweltbundesamt für 2015 gesteckte Zwischenziel von 55 Hektar wurde nicht erreicht. Es Doch auch die ökonomischen Probleme infolge der dürfte jedoch noch schlimmer kommen, denn in der Zersiedlung sind nicht unbedeutend, denn die Aus- Antwort der Bundesregierung im März 2015 auf eine weitung der Siedlungs- und Verkehrsflächen erfolgt kleine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis vielerorts bei gleichzeitigem Rückgang der Bevöl- 90/Die Grünen zur Entwicklung der Flächeninan- kerungszahlen. Die steigenden Infrastrukturkosten spruchnahme heißt es: „Allerdings erscheint keines- müssen dann auf weniger Personen verteilt wer- wegs gesichert, dass sich dieser Trend (der Rückgang den. Die Ursache für diese regional durchaus unter- des Flächenverbrauchs, d. V.) in den nächsten Jah- schiedlich ausfallende Entwicklung „liegt nur teil- ren automatisch bis auf 30 Hektar pro Tag fortsetzt. weise in der Abwanderung. Sie liegt insbesondere Dies belegen Modellrechnungen […] nach denen auch in einer über den Bedarf hinausgehenden, also im Falle von unveränderten Randbedingungen ab nicht nachhaltigen Ausweisung neuer Siedlungsflä- Wie sich organisches Material zur Bodenverbesserung und Düngung einsetzen lässt, war den Menschen bereits im dem Jahr 2015 die Flächenneuinanspruchnahme in chen. Aus ökonomischer Sicht besorgniserregend ist, Altertum bekannt. Erst die Entdeckung der Mineralstoffdüngung durch Justus von Liebig in der Mitte des 19. Jahr einer Größenordnung von 64 Hektar pro Tag ver- dass selbst in schrumpfenden und stark schrumpfen- hunderts ließ die organische Düngung ins Hintertreffen geraten. Doch in jüngerer Zeit erfährt die Kompostierung harren dürfte. Auch bis zum Jahr 2025 würden sich den Regionen zusätzlich Siedlungs- und Verkehrsflä- bei einem Mittelwert von 63 Hektar pro Tag kaum chen ausgewiesen und damit zusätzliche Infrastruk- wieder die ihr gebührende Beachtung. N weitere Reduktionen ergeben.“ turfolgekosten vorbestimmt werden“, heißt es in der bereits genannten Antwort der Bundesregierung. icht zuletzt moderner gesetzlicher Vorgaben zwei- oder drei-Kammer-Kompostanlage für sich Foto: © alisonhancock – Die ökologischen Folgen des nahezu unvermin- verdankt ein ganzer Wirtschaftszweig seine arbeiten. Wichtig ist in jedem Fall der Bodenkontakt. www.fotolia.com derten Flächenverbrauchs wären jedoch erheblich. Mit verschiedenen Modellversuchen und Maßnah- Existenz. Vor allem aber dem Wirken von Für welche Variante man sich auch entscheidet, nicht So ließe beispielsweise der unverändert anhaltende men versuchen Bund und Länder gegenzusteuern. Milliarden von Kleinstlebewesen. In großen Kompos- unwichtig ist die Standortwahl der kleinen Humusfa- Neubau von Verkehrsflächen die ohnehin gravie- So wird, initiiert vom Umweltbundesamt, gegen- tierungsanlagen verrichten sie ihr Werk und verwer- brikation. Damit die Destruenten, die Zersetzer, ihrer renden Probleme für die heimische Fauna nicht ge- wärtig in einem überregionalen Modellversuch mit ten jährlich viele Millionen Tonnen Garten-, Park- Arbeit auch richtig nachgehen können, ist ein schat- ringer werden. Mit über 600.000 Straßenkilometer knapp einhundert Kommunen der Handel mit Flä- und andere biogene Abfälle. Wer einen Garten oder tiges Plätzchen der richtige Ort. Feuchtigkeit ist für hat Deutschland schon heute eines der dichtesten chenzertifikaten in der Praxis erprobt. Kommunen Balkon sein Eigen nennt, kann diese natürlichste Art die Bakterien eine Frage der Existenz, Nässe mögen Verkehrsnetze der Welt. Straßen zerschneiden aber sollen keine Flächenangebotspolitik mehr betreiben der Bodenverbesserung aber auch selbst organisieren. sie allerdings nicht. die Landschaft. Sie unterbrechen Wanderungswege und „Flächen auf Vorrat“ ausweisen, sondern die und teilen Lebensräume. Arttypisches Wanderver- Innenentwicklung forcieren und im Außenbereich Wer nicht gewillt ist, von Rasen oder Blumenbee- Auch auf das richtige Maß kommt es an, vor allem halten ist nicht mehr möglich. Lediglich acht unzer- Bauflächen nur nach tatsächlichem Bedarf auswei- ten viel abzugeben, kann auf einen handelsüblichen was die Größe und die richtige Mischung des Inhalts schnittene Räume größer als 400 Quadratkilome- sen, sofern sie über die erforderliche Menge an Zer- und platzsparenden Schnellkomposter zurückgrei- betrifft. Ein Komposthaufen ist keine Müllkippe. Gar- ter, dem Revieranspruch eines männlichen Luchses, tifikaten verfügen. fen. Dieses Plastikmöbel ist vielleicht nicht jeder- ten- und Küchenabfälle, Rasenschnitt, zerkleinerte existieren noch in unserem Land. Bei drei Viertel manns Sache. Der gute alte Komposthaufen als die Zweige und ähnliches sind die passenden Zutaten. Al- der Bundesfläche sind diese Bereiche kleiner als Wolfgang Ewert „natürlichere“ Art kommt ohne das Drumherum les gut gemischt und möglichst zerkleinert, abwechs- hundert Quadratkilometer. Die Folgen dieser Ver- aus und kostet auch nichts. Dafür benötigt er mehr lungsreich und im Interesse guter Durchlüftung lo- inselung werden nicht nur auf den Straßen in Form Weitergehende Informationen: Platz. Wer keine Raumprobleme hat, lässt die Bak- cker aufgeschichtet. Vermieden werden sollte in jedem von Millionen verendeter Tiere deutlich, sie können www.flaechenhandel.de terien und Pilze, Asseln, Regenwürmer etc. in einer Fall Sauerstoffmangel, beispielsweise durch zu dicke naturmagazin 1/2016 naturmagazin 1/2016
18 BODEN Titelthema BODEN Titelthema 19 Graslagen. Die Verrottungsprozesse würden nicht Wirkungsbereich gesucht haben, dann ist er „fertig“ Wenn man Abfälle aus Haus und Garten mit Holz- Der Kompost – eine Seite belegt Martin Naumann mit richtig in Gang kommen, dafür aber Fäulnis mit ihren und darf, gut durchgesiebt, den Pflanzen in Garten kohle (pyrogener Kohlenstoff) mischt, pfiffigen Mi- Gartenabfällen, eine Seite übelriechenden Begleiterscheinungen. Nicht auf den und Blumentopf zu einem guten Wachstum verhelfen. kroorganismen die Arbeit der Fermentierung (Zer- zur Reifung der Terra preta Kompost gehören auch Fleisch, fleischhaltige Spei- Für „Balkongärtner“ gibt es das Ganze im Kleinformat setzung unter Luftabschluss) überlässt, entsteht eine sereste, Asche von Kohlen, Knochen, Kartoffel- und in Form einer Wurmkiste (dazu weitere Info http:// fruchtbare Erde. Holzkohle hält sich lange in der Erde Tomatenkraut und natürlich auch keine schadstoff- kompostwiki.de/anleitungen/bauformen/wurmkiste). und kann in den Poren Nährstoffe, Wasser und Mi- belasteten Abfälle. kroorganismen speichern. Das schafft Bedingungen Eigner von Grundstücken mit reichem Gehölzbe- für langfristig gute Erträge und gesunde Pflanzen. Die Grundfläche des Komposthaufens beträgt et- stand stehen zum Jahresausgang regelmäßig vor der wa einen Quadratmeter. Ist er durch fleißiges Zutun Frage: Wohin mit den vielen bunten Blättern? Die Um Terra preta zu gewinnen, hat der Kleingärt- des Gärtners auf die stattliche Höhe von einem gu- Lösung heißt hier Flächenkompostierung. Sie ist ner beste Voraussetzungen: Den Kompost, der für ten Meter angewachsen, darf er ohne weiteren Zu- gleichzeitig ein Kälteschutz und bewahrt den Boden Martin Naumann Herz des Gartens ist. Selbst Nuss- wachs in Ruhe reifen. Nach drei bis vier Monaten wird vor Austrocknung. Die Blätter werden dafür in einer baum- und Eichenblätter verrotten dort innerhalb ei- Hintereinander angelegt: die das unterste zu oberst gekehrt, der Haufen wird um- etwa handbreitdicken Schicht auf die Flächen verteilt nes Jahres ohne aufwendiges Umsetzen und Sieben, Beete mit Terra preta vom gesetzt, wobei auch das äußere nach innen kommt. und leicht in den Boden eingearbeitet. Im Frühjahr gefördert durch Mischen, Feuchthalten, etwas Kalk vorletzten und letzten Jahr Das Umsetzen gibt dem Ganzen einen Sauerstoff- wird alles wieder abgeräumt und kommt dann als und Pferdemist. In der Küche sammelt die Familie schub und fördert die Verrottung. Wenn der Kom- angerottetes Material auf den Komposthaufen. alle Reste, egal ob Bio oder nicht, auch Süd- und Zi- post nach einigen weiteren Monaten Reife angenehm trusfrüchte. „Ich trau den Mikroorganismen viel zu“, duftet und Regenwürmer und Co. sich einen anderen Wolfgang Ewert sagt Martin Naumann. Im Keller wird der Küchenei- mer in eine größere Box entleert. Darauf streut Nau- mann kleinstückige Holzkohle – die macht die Fami- KREISLAUFWIRTSCHAFT lie selbst durch Verbrennen von dünnen, trockenen Ästen aus dem Garten, weil sich so wieder ein kleiner Kreislauf schließt – und zu Anfang einer neuen Box einen „Schluck“ EM, Effektive Mikroorganismen. Die MIT TRADITION Box wird verschlossen und unter Luftabschluss be- In verschieden großen ginnen die Mikroorganismen die Fermentation. Nach Abpackungen bietet der vier, fünf Wochen, je nach Temperatur, sieht der In- Handel die Effektiven halt dunkelgrau aus und riecht säuerlich. Ein Zeichen, Mikroo rganismen (EM) dass es funktioniert. Es ist noch keine Erde entstan- DAHLEWITZER STELLT EIGENE „TERRA PRETA“ HER den. Der Inhalt wird mit Kompost im Verhältnis 1:1 gemischt. Etwas abgedeckt mit Laub, reift das Gan- ze auf dem Komposthaufen, bis es gebraucht wird. Der Garten von Familie Naumann in Dahlewitz, südlich der Berliner Stadtgrenze, weicht schon auf den ersten Bei Naumanns ist es das fünfte Versuchsjahr. In den Blick vom Durchschnitt ab. Nichts ist schnurgerade gezirkelt, Wildkräuter haben ihre Berechtigung und die Erde im Beeten wurde die Erde etwa 15 Zentimeter tief durch selbst erzeugte Terra preta ersetzt. Die aus den Vor- Nutzgarten ist uneinheitlich in ihrer Farbe und Struktur: Stückchen von Holzkohle, hier ein Rest Kartoffelschale, jahren zeigen noch Holzkohlestückchen. Die bishe- Pferdemist-Rückstände, dort etwas angerottetes Laub sind zu sehen. „Das ist alles Natur und vergeht mit der Zeit“, rige Ertragshöhe hat die Familie erfreut. Sicher kann erklärt Martin Naumann. das so erzeugte Substrat keine Wunder vollbringen, Domizil der Wildbienen, die M doch Reste zu verwerten, Bodenverbesserung und nicht stechen, zur Befruch- artin Naumann experimentiert viel in (Terra preta) gefunden. Eine äußerst fruchtbare E rde, Ertragssteigerung herbeizuführen, schaffen einen na- tung aber äußerst wichtig seinem Garten. Wildblumen baut er mit Grundlage prähistorischen erfolgreichen Ackerbaus türlichen Kreislauf – das Ziel der Dahlewitzer Natur- sind – auch die arbeiten biologisch in Naumanns dem Ziel an, die Pflanzen zu verschenken von Indianervölkern in den Tropen. freunde ist erreicht. Zusätzlich wird Kohlenstoff im Garten und so Arten zu erhalten. Wildblumen wachsen auf Boden gespeichert und so der Atmosphäre entzogen, armen Böden am besten. Anders ist es mit Gemü- In den vergangenen Jahren ist diese Erde wieder ins ein eigener Beitrag gegen den Klimawandel. se und Obst, hier ist märkischer Sand wenig ertra- Blickfeld der Wissenschaftler gerückt, weil sie helfen greich. Für die Landwirtschaft und für den Gärtner könnte, unsere zerstörten Naturkreisläufe zu „repa- Infos: Hintergründe und Zubehör unter sind ausgewaschene, nährstoffarme und verdichte- rieren“, den Klimawandel positiv zu beeinflussen und www.terra-preta.de oder www.triaterra.de te Böden ein Problem. Und weil unsere Zivilisati- einen Beitrag zur Verbesserung der Welternährung on auch eines mit den Abfällen hat, hat sich Mar- zu leisten. In den Fokus der Politik leider noch nicht, Andrea von Fournier tin Naumann schlau gemacht und Schwarze Erde wie Martin Naumann feststellt. Die Formel ist simpel: Text und Fotos naturmagazin 1/2016 naturmagazin 1/2016
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