HEIMAT WESTFALEN - STRATEGIEN ZUR MOBILITÄTSSICHERUNG IN LÄNDLICHEN RÄUMEN

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HEIMAT WESTFALEN - STRATEGIEN ZUR MOBILITÄTSSICHERUNG IN LÄNDLICHEN RÄUMEN
HEIMAT WESTFALEN

                                 Ausgabe 2 / 2021

STrATEgIEN Zur MoBILITäTSSIcHEruNg
IN LäNdLIcHEN räuMEN
HEIMAT WESTFALEN - STRATEGIEN ZUR MOBILITÄTSSICHERUNG IN LÄNDLICHEN RÄUMEN
I N H A LT

 3 Editorial                                                                              WHB-PoSITIoNEN
   STrATEgIEN Zur MoBILITäTSSIcHEruNg IN LäNdLIcHEN                                    34 Verantwortung für den Schutz der biologischen Vielfalt
   räuMEN                                                                                      übernehmen
                                                                                       34 Den Dorfwettbewerb neu denken – Baustein einer vernetzten
4 FLorIAN düNcKMANN uNd JANA KüHL                                                              Strukturpolitik für ländliche Räume
    Gemeinsam Fahren als Beitrag zur Mobilitätswende                                   36 Westfälischer Heimatbund fordert mit Nachdruck Entlastung
    in ländlichen Räumen? Empirische Hinweise auf                                              für Vereine beim Transparenzregister
    Potentiale und Grenzen                                                             37 Westfälischer Heimatbund lehnt geplante Neufassung
                                                                                               des Denkmalschutzgesetzes NRW ab
13 NEuE MITgLIEdEr IM WHB
    Verein zur Förderung der historischen Telegrafie                                      WHB-SEMINArE
    in Entrup e. V.                                                                    38 Digitale Seminarreihe für Vereine und Gemeinnützige
                                                                                       39 Seminarbericht aus der digitalen Westfalen-Akademie:
14 FrAuKE HoFFScHuLTE                                                                          Pro-bono-Rechtsberatung
    Blick in die Region: Netzwerke, Fördermittel und regionale
    Ansätze für neue Mobilitätslösungen
                                                                                          WHB-ForEN
18 BuNdESINSTITuT Für BAu-, STAdT- uNd rAuM-                                           40 WHB-Forum „Natur und Umwelt“: Packen wir’s an! Artgerechte
                                                                                               Nisthilfen und Baumaterial für Haussperling & Co.
   ForScHuNg (BBSr)
    Online-Nachschlagewerk für Maßnahmen zu Mobilitäts-
                                                                                          ENgAgIErT Vor orT
    konzepten in ländlichen Räumen
                                                                                       41 Heimatmacher-Praxisbeispiele aus Ihrer Arbeit
   MEINE HEIMAT WESTFALEN
                                                                                          NAcHrIcHTEN uNd NoTIZEN
24 Hans-Peter Boer
                                                                                       45 Seminar zum Bewerbungs- und Auswahlverfahren Immaterielles
                                                                                               Kulturerbe 2021/2023
    SErVIcEBüro WHB
25 NRW-Landesregierung beschließt Engagementstrategie
                                                                                          dANK uNd ANErKENNuNg
26 FüNF FrAgEN ZuM THEMA ENgAgEMENTSTrATEgIE                                           46 Barbara Seifen
    an Andrea Milz                                                                     47 Carsten Schlömer

   AuS gEScHäFTSSTELLE uNd grEMIEN                                                        NEuErScHEINuNgEN
28 Digitale WHB-Verwaltungsratssitzung am 17. März 2021                                48 Werl und Soest im Zeichen des Kreuzes.
30 Neuer WHB-Fachbereich „Heimat DemografieFit“                                                Das Soester Scheibenkreuz – Das Werler Heilige Kreuz
                                                                                       48 Industrieland Nordrhein-Westfalen: Eine Bilderreise
    WHB-ProJEKTE                                                                               durch die industrielle Geschichte
31 WHB veröffentlicht zweite Handreichung seiner Leitfaden-
   und Servicereihe zu Urheberrecht in der Praxis                                         BucHBESPrEcHuNgEN
32 Bundeskongress Heimat 2021 „Baukultur – gebaute                                     49 Platt för alle Dage
   Heimat“                                                                             50 Haspe – Im Wandel der Zeit
33 Publikation über Rundwanderwege zur Archäologie im
   Münsterland

HEIMAT WESTFALEN ISSN 2569-2178 / 33. Jahrgang, Ausgabe 2/2021
Herausgeber: Westfälischer Heimatbund e. V. · Kaiser-Wilhelm-Ring 3 · 48145 Münster.
Vorstand im Sinne des § 26 BGB: Matthias Löb (Vorsitzender),
Birgit Haberhauer-Kuschel (stellvertr. Vorsitzende)
Vereinsregister des Amtsgerichts Münster, Nr. 1540 · Steuer-Nr.: 337/5988/0798
Telefon: 0251 203810 - 0 · Fax: 0251 203810 - 29
E-Mail: whb@whb.nrw · Internet: www.whb.nrw                                                             Gefördert von:
Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Dr. Silke Eilers
Schrift- und Anzeigenleitung: Dr. Silke Eilers
redaktion: Dr. Silke Eilers, Dörthe Gruttmann, Frauke Hoffschulte, Sarah Pfeil, Astrid Weber
Layout: Gaby Bonn, Münster
druck: Druck & Verlag Kettler GmbH · Robert-Bosch-Straße 14 · 59199 Bönen
Für namentlich gezeichnete Beiträge sind die Verfasser persönlich verantwortlich.
Diese Zeitschrift erscheint im Februar, April, Juni, August, Oktober, Dezember.
Titelbild: Während des Veranstaltungsjahres „Kulturhauptstadt RUHR.2010“ konnte
der Radverkehr für einen Tag die Autobahn A40 im Ruhrgebiet „okkupieren“.
Heute gibt es bereits vielerorts Radschnellwege.
Siegbert Kozlowski © LWL-Medienzentrum für Westfalen
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e d it o r ial

F
       ür eine zukunftsorientierte und nachhaltige
       Entwicklung ländlicher Regionen sind Mobili-
       tätssicherung und -erweiterung von besonde-
rer Bedeutung. Erreichbarkeit in Bezug auf Arbeit,
Ausbildung/Studium, Nahversorgung, Gesundheits-
einrichtungen, Freizeit und Dienstleistungen ist ein
wichtiger Faktor für Teilhabe, Lebens- und Standort-
qualität. Vor dem Hintergrund der besonderen Her-
                                                                                                     Foto/ Greta Schüttemeyer
ausforderungen bedingt durch größere Entfernungen
und eine vielfach geringer ausgebaute Infrastruktur bedarf es innovativer flexibler, bedarfsorientierter und klima-
schonender Konzepte, aber auch geeigneter Rahmenbedingungen. Mobilität startet im Kopf, benötigt jedoch zugleich
entsprechenden politischen Willen und finanzielle Ressourcen, um Ideen Realität werden zu lassen.
    Erst kürzlich hat die interdisziplinäre Ideenschmiede „Mobilität im Ländlichen Raum“ Impulse für die Landesregie-
rung in Baden-Württemberg erarbeitet, die durchaus übertragbar sind. Dazu gehört, im Rahmen einer vorausschau-
enden Strukturpolitik, Siedlungsentwicklung, Versorgungsangebote und Verkehrsplanung im Sinne des Leitbildes
der kurzen Wege integriert zu betrachten. Eine ganzheitliche Perspektive ist vonnöten. Es geht unter anderem um
eine nahmobilitätsfreundliche Infrastruktur, eine größere Anzahl an Verkehrsmittelalternativen wie auch neue Ko-
operationen zu Mobilitätsangeboten und ein (über-)betriebliches Mobilitätsmanagement.
    Ausgabe zwei der Heimat Westfalen widmet sich Strategien und exemplarischen Maßnahmen zur Mobilitätsstärkung
in ländlichen Räumen. Wenngleich die Pandemie derzeit zu Mobilitätseinschränkungen zwingt, möchten wir diese
relevante Fragestellung nicht aus den Augen verlieren. Prof. Dr. Florian Dünckmann, Christian-Albrechts-Universität
zu Kiel, und Prof. Dr. Jana Kühl, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Salzgitter, untersuchen ge-
meinsames Fahren als einen möglichen Beitrag zur Mobilitätswende. WHB-Referentin Frauke Hoffschulte richtet den
Blick auf regionale Ansätze für Mobilitätslösungen in Westfalen. Das Online-Nachschlagewerk Mobilikon bietet eine
Vielzahl von Informationen rund um Mobilität. Zudem berichten wir über die Engagementstrategie für NRW. Dazu
stand uns die Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt, Andrea Milz, im Interview zur Verfügung.
    Unser Servicepart stellt Ihnen unter anderem die aktuellen Positionen des WHB zu den Themen Biodiversität,
Dorfwettbewerb, Transparenzregister und Neufassung Denkmalschutzgesetz NRW vor. Überdies haben wir für Sie
einen neuen praxisnahen Leitfaden zum Urheberrecht im Angebot.
    Sehr herzlich möchte ich Sie zum digitalen Bundeskongress Heimat 2021 „Baukultur – gebaute Heimat“ am 7. und
8. Juni einladen, den der Bund Heimat und Umwelt in Deutschland mit den drei NRW-Heimatverbänden durchführt.
Ich freue mich auf ein – wenn auch nur virtuelles – Wiedersehen.

Herzliche Grüße

Ihre Dr. Silke Eilers
Geschäftsführerin des WHB

                                                                                                     HEIMAT WESTFALEN – 2/2021 /   3
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MoBILITäTSSIcHEruNg

        gEMEINSAM FAHrEN ALS BEITrAg
            Zur MoBILITäTSWENdE
           IN LäNdLIcHEN räuMEN?
   EMPIrIScHE HINWEISE AuF PoTENTIALE uNd grENZEN

                             VoN FLorIAN düNcKMANN uNd JANA KüHL

um aus den dörflichen randgebieten ins ortszentrum zu gelangen, ist nach wie vor
ein PKW nötig. Hier parken PKW nahe der Stiftskirche St. Bonifatius in Freckenhorst.
Foto/ Esther Sobke © LWL-Medienzentrum für Westfalen

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in ländlichen Räumen

g
         emeinsam Fahren, was heißt das eigentlich? Si-
         cher fährt man auch im Bus oder in der Bahn mit
         anderen gemeinsam. Doch irgendwie ist es etwas
anderes, wenn man in einem PKW gemeinsam fährt. Im
eigenen Auto jemanden mitnehmen, wo man doch sonst
meist ganz für sich und selbstbestimmt unterwegs ist?
Oder gar bei jemand anderem mitfahren und hoffen, dass
alles klappt und man auch wieder mit zurückgenommen
wird? Kommt das überhaupt in Frage? Wie soll das funk-
tionieren? Und warum eigentlich sollte ich die Freiheit
                                                            Klassische Bushaltestellen wie diese in Attendorn-Niederhelden
aufgeben, allein zu fahren? Sollte ich nur für den Klima-
                                                            könnten zukünftig intermodal genutzt werden und als Knotenpunkt
schutz jemand Fremdes in das eigene Auto lassen?
                                                            für verschiedene Mobilitätsmöglichkeiten wie Mitfahroptionen
                                                            und als Park- und Ladestation für Pedelecs dienen.
Dieser Beitrag stellt die Potentiale und Grenzen von ge-
                                                            Foto/ Esther Sobke © LWL-Medienzentrum für Westfalen
meinsamen Fahrten als Teil einer Mobilitätswende in
ländlichen Räumen heraus. Es fehlte bisher an struktu- schaftlichen Leben gefährdet. Zugleich steht die häufige
rierten Erkenntnissen, wie das Mitfahren und auch die PKW-Nutzung im Widerspruch zu Klimaschutzbestre-
Mitnahme mit alltagsweltlichen Mobilitätsbelangen ver- bungen, denn sie verursacht unter anderem belastende
einbar sind. Das von der Gesellschaft für Energie- und Lärm- und Abgasemissionen.
Klimaschutz Schleswig-Holstein
(EKSH) geförderte Forschungspro- „Die Herausforderungen einer Mobilitätswende zählen gegenwär-
jekt „Gemeinsam Fahren“ ging
jenen Fragen nach. Anhand empi-
                                        tig zu den zentralen Themen der planerischen Verkehrsforschung
rischer Erkenntnisse zweier sozial- sowie der sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung.“
wissenschaftlicher Fallstudien zeigt
sich, welche Formen des gemeinsamen Fahrens bereits Hierauf aufbauend beleuchtet der Beitrag die Herausfor-
praktiziert werden und welche Formen potentiell ge- derungen gemeinsamer Fahrten zur Senkung der Um-
sellschaftlich denkbar sind. Die zugrundeliegende Stu- welt- und Verkehrsbelastung wie auch zur Steigerung
die zeichnet typische Logiken der Mobilität nach und der sozialen Teilhabechancen ohne PKW.
macht zentrale Bedingungen zur Realisierung gemein-
samer Fahrten sichtbar. Ebenso lassen sich Handlungs-
ansätze zur Förderung gemeinsamen Fahrens als Beitrag
                                                            Ziele und Mittel der Verkehrswende
für eine nachhaltige Mobilität in kleinstädtischen und in ländlichen Räumen
ländlichen Siedlungsgebieten ableiten.
                                                            Die Mobilitätswende, das heißt der angestrebte gesell-
                                                            schaftliche Wandel zugunsten der Etablierung nachhal-
Sicherstellung von Mobilität                                tigerer Formen der Mobilität, impliziert vor allem eine
in ländlichen Räumen                                        Reduzierung der PKW-Nutzung wie sie in ländlichen
                                                            und kleinstädtischen Regionen dominiert. Hier verfü-
Die Sicherstellung eines Mindestmaßes an Mobilität gen nur 10 Prozent der Haushalte über keinen PKW, und
ist ein grundlegender Gegenstand der Daseinsvorsorge. es werden insgesamt 70 Prozent aller Wege im motori-
In peripheren Siedlungsstrukturen gestaltet sich dies sierten Individualverkehr (MIV) absolviert, während es
jedoch schwierig. Ob täglich zur Arbeit, schnell zum in Großstädten nur 50 Prozent sind. Verantwortungsträ-
Supermarkt oder abends zum Sport, es ist fast jeder ger ländlicher Räume müssen für die Vorhaltung eines
selbstverständlich mit dem PKW unterwegs und fährt Mindestmaßes an Mobilität und neue Mobilitätskonzep-
dabei oft allein. Dieses Selbstverständnis ist nicht unpro- te aber auch für diejenigen berücksichtigen, die nicht
blematisch, denn ohne PKW ist die Teilhabe am gesell- oder nur zeitweise über einen PKW verfügen.

                                                                                                   HEIMAT WESTFALEN – 2/2021 /   5
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kleine
                                                                                                     mobilitätssicherung
                                                                                                        museen im Wandel

                                                                   Gleichermaßen stellt sich die Frage, wie sich zusätz-
                                                                   lich etablierte Mobilitätspraktiken von nachhaltigeren
                                                                   Praktiken ablösen lassen. Dabei sollen auch ländliche
                                                                   Mobilitätsbedarfe durch alternative emissionsarme Mo-
                                                                   bilitätsformen realisierbar werden, ohne dass die Mobi-
                                                                   lität eingeschränkt wird. Szenarien zeigen, dass gerade
                                                                   in ländlich geprägten Räumen gemeinsames Fahren
                                                                   entscheidend zur Einsparung umwelt- und klimaschäd-
Derzeit fehlt es deutschlandweit noch flächendeckend an Lade-
                                                                   licher Emissionen beitragen könnte.
infrastruktur für Elektroautos: hier ein erster Ladepunkt an der
Mulvanystraße in Gelsenkirchen im Jahr 2011.
Foto/ Siegbert Kozlowski © LWL-Medienzentrum für Westfalen         Praktiken des gemeinsamen Fahrens
Die Herausforderungen der Mobilitätswende zählen ge-
genwärtig zu den zentralen Themen der planerischen        Gemeinsames Fahren meint in dieser Studie nicht-kom-
Verkehrsforschung sowie der sozialwissenschaftlichen      merzielle, privat ausgeführte Praktiken des gemeinsamen
Mobilitätsforschung. Das Repertoire an Maßnahmen          Fahrens, bei denen Menschen mit einem ähnlichen Fahr-
und Instrumenten zur Umsetzung neuer Mobilitäts-          ziel zusammen in einem Fahrzeug fahren, anstatt den
strategien in ländlichen Räumen ist jedoch begrenzt.      Weg allein im Fahrzeug zurückzulegen. Andere bekannte
                                                                                        Formen des gemeinsamen
                                                                                        Fahrens sind neben Mit-
 „Die Realisierung einer Verkehrswende erfordert eine generelle Reduzie- fahrbänken auch privat
 rung des MIV als Quelle klimaverändernder Emissionen. Hierzu sind die organisierte kommerzielle
 Substitution von Wegen im MIV durch Mobilitätsformen des Umwelt-                       Fahrgemeinschaften oder
 verbundes wie auch die Reduzierung von Distanzen im MIV zentral.“                      geteilte Fahrten, die via Bu-
                                                                                        chungsportalen wie Blabla-
                                                                                        Car und Flinc abgewickelt
 Während entlang zentraler Achsen und Siedlungsschwer- werden. Auch über diese geteilten Fahrten liegen bislang
punkte häufig ÖPNV-Angebote bestehen oder ergänzt wer- wenige Forschungsergebnisse vor, so ist beispielsweise
den können, ist ein ÖPNV in der ländlichen Fläche meist nicht bekannt, welchen Stellenwert geteilte Fahrten kom-
nur als Schüler- oder Anrufbusverkehr realisierbar. Gera- merzieller Anbieter in der Realisierung der individuellen
de Anrufbus-Modelle scheinen allerdings für viele Anlässe Mobilitätsbedürfnisse einnehmen.
wenig praktikabel und finden wenig Nachfrage.
    Es sollen allerorts klimaverändernde und nachhalti- Zumindest das Mitfahren stellt derzeit eher ein Rand-
ge Mobilitätslösungen entstehen. Mittel- bis langfristig phänomen dar. So finden auf dem Land nur 15 Prozent
wird eine Dekarbonisierung des Güter- und Personenver- aller Wege als Mitfahrende statt, während 51 Prozent
kehrs (die Umstellung zur Reduktion des Umsatzes von aller Wege als Fahrende selbst absolviert werden. Das
Kohlenstoff) angestrebt.                                  Mitfahren findet dabei vermehrt am Wochenende statt,
                                                          etwa im Familienverbund, während im Wochenalltag
Eine Säule bildet hierbei die Energiewende im Verkehrs- häufiger Menschen selbst (und allein) fahren.
sektor, die durch einen Übergang zu klimaneutralen An-
triebsformen (Wasserstoff, E-Mobilität) realisiert werden In kleinstädtischen und ländlichen Räumen können
soll. In ländlichen Räumen verengt sich die Diskussi- kommerzielle Plattformen aufgrund der fehlenden
on oft auf die Substitution von Verbrennungsmotoren Nachfragepotentiale kaum Einzug erhalten.
durch E-Antriebe und damit auf die besagte Energiewen-       Hier müssen alternative Angebote erprobt werden.
de im Verkehr. Dieser Antriebswechsel ist jedoch nur ein Im Hinblick auf nachhaltige Alternativen ist etwa im
Teil der Lösungsfindung, um verkehrliche Emissionen Nahbereich in vielen Dörfern und Kleinstädten das
zu reduzieren.                                            Potential des Radverkehrs kaum ausgeschöpft. Durch

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HEIMAT WESTFALEN - STRATEGIEN ZUR MOBILITÄTSSICHERUNG IN LÄNDLICHEN RÄUMEN
in ländlichen Räumen

Bereits seit 2010 gibt es am Bahnhof Halle/Westfalen eine Radstation mit Park-, Miet- und Reparaturservice.
Foto/ Siegbert Kozlowski © LWL-Medienzentrum für Westfalen

E-Fahrräder kann der Radius ausgeweitet werden, sofern               Darüber hinaus wurde er zu einem Synonym der Si-
Radwege auch im Überlandverkehr nutzbar sind. Für                    cherheit, da mit einem Auto die Möglichkeit besteht,
mittlere Distanzen werden Initiativen wie Bürgerbusse                sich von seiner sozialen Umgebung zurückziehen und
und ein Dorf-E-Carsharing vorangebracht. Neben der                   Privatsphäre zu genießen, besonders im Gegensatz zu
Förderung umweltfreundlicher und emissionsarmer                      öffentlichen Verkehrsmitteln. Mithilfe des (eigenen)
Mobilitätsformen müssen aber auch die zurückgelegten                 PKW können Mobilitätsbedürfnisse jederzeit und in ho-
Distanzen reduziert werden. Eine weitere Lösung, die                 her gefühlter Unabhängigkeit erfüllt werden. Mit einer
weitgehend ohne öffentliche Investitionen auskommt,                  Gewöhnung an diese Vorzüge des eigenen PKW ist eine
liegt in gemeinsamen Fahrten. Sie könnten gerade in                  Abhängigkeit entstanden, die nun – auch trotz der dro-
ländlichen Räumen eine Option bieten, Mobilität nach-                henden Erderwärmung – schwer auflösbar erscheint.
haltiger zu gestalten, wo eine Reduzierung der Weg-                      Das Auto prägt unser Selbstverständnis von Alltag
strecken weniger gut möglich ist.                                    und Gesellschaft. Im Berufsleben, aber auch in der pla-
                                                                     nerischen Realisierung der Daseinsvorsorge in periphe-
                                                                     ren Räumen wird Handlungsdruck erzeugt. Dezentrale
Das Auto als gesellschaftliches Gut                                  Supermarktstandorte wie auch dezentrale Firmenstand-
                                                                     orte forcieren bislang die Nutzung von motorisiertem
Der PKW ist ein scheinbar unveränderbarer Bestandteil                Individualverkehr.
unserer Lebenswirklichkeit. Seit der Nachkriegszeit                      Mit dem Zeitpunkt, ab dem eine Person ein Auto be-
wurde er politisch stark gefördert und hierdurch ge-                 sitzt, ist die Verkehrsmittelwahl enorm eingeschränkt.
sellschaftlich fest etabliert. Er wurde zum Zeichen für              Andere Mobilitätsformen erscheinen nun unattrak-
Wohlstand und Freiheit und damit zu einem Statussym-                 tiv, weil unbequem und zeitaufwendig. Auch werden
bol und Mittel der Selbstdarstellung.                                der Tagesablauf und die Automobilität miteinander

                                                                                                              HEIMAT WESTFALEN – 2/2021 /   7
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mobilitätssicherung

Seit 1998 existiert der bedarfsorientierte Bürgerbus in Olfen, um die Einwohnerinnen und Einwohner aus den umliegenden Wohngebieten
in die Innenstadt und wieder zurück zu bringen. Mittlerweile sorgen 38 ehrenamtliche Fahrerinnen und Fahrer dort für Mobilität, wo der
öffentliche Nahverkehr aus ökonomischen Gründen keine Busverbindungen mehr bieten kann. Träger ist der Bürgerbus-Verein Olfen e. V.
Foto/ Stephan Sagurna © LWL-Medienzentrum für Westfalen

verschnitten. Vor der Arbeit zum Einkaufen, während                 Beobachtungs- und Adaptionsprozessen fortsetzen. Mo-
der Arbeit zum Termin und nach der Arbeit zum Ver-                  bilität ist wie jede soziale Praxis durchsetzt von Konven-
einstreffen – mit der universell verfügbaren motorisier-            tionen und Selbstverständnissen, die insbesondere in
ten Mobilität wird vieles auch in ländlichen Räumen und             abseits gelegenen Siedlungsstrukturen eng auf den mo-
über größere Distanzen ohne große Umstände möglich.                 torisierten Individualverkehr als einziges und adäquates
Mit dieser Anpassung wird das Auto von einem Luxus- zu              Verkehrsmittel fokussiert sind. In der Etablierung von
einem notwendigen Gut, auf das nicht mehr verzichtet                neuen Mobilitätspraktiken spielen gesellschaftliche und
werden kann. Andere Mobilitätsmöglichkeiten werden                  gruppenspezifische Selbstverständnisse eine zentrale
nicht mehr wahrgenommen, so dass sich die Mobilitäts-               Rolle.
routinen einseitig auf den eigenen PKW ausrichten.

                                                                    Forschungsbedarf
Mobilität als soziale Praxis
                                                                    Es fehlen bisher Erkenntnisse, inwiefern Menschen
Mobilität wird nicht nur in einer bestimmten Form                   bereit sind, gemeinsame Fahrten als neue Mobilitäts-
praktiziert, sondern auch in einer bestimmten Form                  optionen zu praktizieren und für welche Fälle dies
wahrgenommen, erlebt und bewertet. Die Entschei-                    praktikabel ist. Bisherige Erfahrungen aus den unter-
dung für oder gegen eine Mobilitätsoption unterliegt                schiedlichen Initiativen des organisierten Ridesharing
unterschiedlichen Rationalitäten und erfolgt meist als              (die gemeinsame Nutzung von Verkehrsmitteln, die
unreflektierte Routine.                                             ein ähnliches Ziel haben beziehungsweise in die glei-
                                                                    che Richtung müssen) auf kommunaler und regionaler
Die Art und Weise, wie Mobilität ausgeübt und erlebt                Ebene verdeutlichen, dass die Förderung gemeinsamer
wird, ist das Ergebnis von Sozialisationsprozessen, die             Fahrten eine schwierige Aufgabe darstellt, die nicht im-
in früher Kindheit beginnen und sich stetig in sozialen             mer auf positive Resonanz stößt.

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in ländlichen Räumen

Einige Initiativen und begleitende Forschungsarbeiten     unter Umständen nicht als Mobilitätsoption, dies zeigen
haben hierzu bereits die Grenzen von Fahrgemeinschaf-     auch Studien zu Mitfahrbänken.
ten und Mitfahr-Initiativen aufgezeigt. So ergeben sich      Gemeinsame Fahrten mit Freunden und Familien-
gerade beim Carpooling (die gemeinsame und zumeist        mitgliedern werden als normal empfunden und bilden
private Nutzung eines Fahrzeuges für den Transport von    eine selbstverständlich ausgeübte Praxis. Doch auch die-
Personen) im ländlichen Raum zu selten Übereinstim-       se werden bislang nur gelegentlich praktiziert. Andere
mungen (Matches) zwischen Fahrern und Mobilitätsbe-       gemeinsame Fahrten finden eher selten bis sehr selten
dürfnissen.                                               statt. Hierzu zählen gemeinsame Fahrten auf Arbeits-
   Es fehlt ein Überblick über informelle Formen des      wegen. Sie sind mehrheitlich sinnvoll und erwünscht,
gemeinsamen Fahrens, wie sie langfristig im dörflichen    werden aber aufgrund der Flexibilitätsansprüche im
und kleinstädtischen Kontext, wo Anwohnerinnen und        Arbeitsalltag nur in Ausnahmefällen realisiert.
Anwohner sich eher persönlich kennen, funktionieren
könnten.                                                  Nur wenn die ausdrückliche Notwendigkeit besteht (das
                                                          Auto ist zur Reparatur), werden gemeinsame Fahrten
                                                          möglich gemacht. Vor allem Vollzeitbeschäftigte sehen
Anspruch versus Wirklichkeit                              kaum Möglichkeiten, sich an gemeinsamen Fahrten zu be-
                                                          teiligen und/oder lehnen dies aus Flexibilitätsgründen ab.
Die Studie hat gezeigt, dass ein gemeinsames Fahren
als sozial erwünschte Praxis allgemein einen breiten
Zuspruch erfährt. Pilotprojekte zeigen jedoch, dass die
                                                          Vertrauensvorschuss für entfernte
Umsetzung in die Alltagspraxis schwerfällt. Warum ist     Bekannte
dies so?
   Es fehlt eine kritische Masse an Teilnehmenden,        Für einen Großteil der in der Studie Befragten sind ge-
damit die Initiativen mit ausreichendem Angebot und       meinsame Fahrten mit Fremden eher nicht denkbar. Vor
Nachfrage anlaufen können. Auch sind nicht alle Men-      allem jüngere Menschen sind hier unsicher.
schen bereit, sich in Fahrgemeinschaften zu organisie-
ren. Hier sprechen vor allem der Koordinationsaufwand     Entscheidend bei gemeinsamen Fahrten mit Fremden
und fehlende Flexibilität dagegen. Ebenso birgt eine      ist allgemein der optische Eindruck beziehungsweise
Fahrt mit Fremden Unsicherheiten und erscheint daher      die Erscheinung des Gegenübers, nach der intuitiv ent-

                                                                                              HEIMAT WESTFALEN – 2/2021 /   9
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mobilitätssicherung

Das jährlich im Sommer stattfindende „Sattel-Fest“ (hier 2016 in Welver-Borgeln) ermöglicht es am Veranstaltungstag, die Strecke zwischen
Soest und Hamm, verbunden mit Gastronomie- und Vergnügungsangeboten der jeweiligen Dorfgemeinschaften, autofrei zu passieren.
Foto/ Greta Schüttemeyer © LWL-Medienzentrum für Westfalen

schieden wird, ob dem Gegenüber vertraut werden kann                  Die Förderung von Fahrten mit Bekannten oder entfern-
beziehungsweise ob man sich auf eine Interaktion einlas-              ten Bekannten als nachhaltige Mobilitätsoption scheint
sen möchte. Zwar erfreut sich eine kleine Gruppe am Aus-              am ehesten erfolgsversprechend.
tausch mit Fremden, dies ist jedoch eher die Ausnahme.
    Entfernten Bekannten gegenüber hingegen vertraut
man eher, so dass gemeinsame Fahrten hier grundsätz-
                                                                      Mitnehmen oder mitgenommen werden?
lich in Frage kämen. Bekannt ist dabei bereits, wen man
schon einmal gesehen hat oder der Gemeinde zuordnen                   Insgesamt werden bei Überlegungen zu gemeinsamen
kann.                                                                 Fahrten primär Möglichkeiten bedacht, jemanden mit-
                                                                      zunehmen. Seltener wird daran gedacht, selbst mitzu-
Gemeinsam zu fahren wird also in erster Linie als ein                 fahren. Zu groß sind die Abhängigkeit und zu gering die
Fahren mit bekannten Personen gedacht. Hier sind auch                 Autonomie über die eigene Mobilität, wenn der eigene
der Koordinationsaufwand und die Kommunikation für                    PKW nicht als Mobilitätsgarantie verfügbar ist. Darüber
Fahrgemeinschaften in der Regel geringer – die gemein-                hinaus tritt in der quantitativen wie auch in der qualita-
same Fahrt stellt zugleich ein positives soziales Ereignis            tiven Studie deutlich hervor, dass neben dieser Autono-
dar. Fahrten mit entfernten Kolleginnen und Kollegen                  mie die eigene Flexibilität zur optimalen Bewältigung
und im weitesten Sinne Bekannten zu organisieren und                  des eng getakteten Alltags von erheblicher Wichtigkeit
hierbei unter Umständen persönliche Einschränkungen                   ist. Bestehende Angebote des öffentlichen Verkehrs sind
hinzunehmen, erscheint demgegenüber unattraktiv.                      hier keine praktikable Alternative.

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in ländlichen Räumen

Mobilitätsflexibilität ist ein gewohnter Komfort, auf den   hervortreten und wie sie wahrgenommen werden, ist
man ungern verzichtet. Eine Abstimmung mit anderen          jedoch weitgehend unbekannt.
oder gar noch eine Abhängigkeit von anderen ist hier
kaum denkbar. Hier stellt ein gemeinsames Fahren gera-
de die Anforderung, anstelle einer Zeitoptimierung sich
                                                            Fazit
auf andere Mitmenschen einzustellen. Wer sich mehr
Zeit hierfür nimmt, fährt auch häufiger gemeinsam.          Die dargestellte Vielfalt an Konstellationen und For-
                                                            men, in denen ein gemeinsames Fahren praktiziert
                                                            werden kann, verdeutlicht die Komplexität dieser Mo-
Mitnehmen als soziale Geste                                 bilitätsform. Neben rein organisatorischen Fragen des
                                                            erfolgreichen Nutzer-Matchings spielen vor allem auch
Das Mitnehmen von Personen kann in diesem ge-               persönliche Dispositionen und Dynamiken zwischen-
sellschaftlichen Kontext als soziale Geste verstanden       menschlicher Interaktionen eine zentrale Rolle.
werden, als eine Hilfe für
diejenigen, die nicht über
einen PKW und die hier- „Im Rahmen der Pandemiebekämpfung zeigte sich, dass die breite Gesell-
mit verbundenen Möglich- schaft durchaus in der Lage ist, von heute auf morgen umzudenken
keiten verfügen. In dünner und ihre Mobilitätspraxis zu verändern, wenn die Notwendigkeit hier-
besiedelten Regionen gilt
die gegenseitige Hilfe ge-
                                für erkannt wird. Hier gilt es, die Notwendigkeit zum aktiven Klima-
genüber städtischen Gebie- schutz entsprechend zu vermitteln.“
ten als verbreiteter, so dass
eine Mitnahme unter Nachbarn unter Umständen nicht Die empirische Betrachtung gemeinsamen Fahrens er-
ungewöhnlich ist. Zudem spielt in ländlichen Regionen öffnet ein ebenso komplexes soziales Feld, in dem sozi-
ehrenamtliches Engagement eine wichtige Rolle in der ale Konventionen und eingeschliffene Routinen, aber
Ausgestaltung gemeinschaftsrelevanter Aufgaben.            auch persönliche Einstellungen sowie Ängste und Vorbe-
                                                           halte zusammenwirken. So ist nicht nur zu differenzie-
Die private Mitnahme kann hier als eine informelle Form ren, welche Bereitschaft allgemein besteht, bestimmte
ehrenamtlichen Engagements verstanden werden, die Formen des gemeinsamen Fahrens zu praktizieren, son-
auch sporadisch ausgeübt werden kann. Doch wäre es für dern auch, für welche sozialen Gruppen unter welchen
eine breite Etablierung gemeinsamer Fahrten notwendig, Bedingungen ein gemeinsames Fahren praktikabel ist
ein gemeinsames Fahren aus der Assoziation der Bedürf- und woran ein gemeinsames Fahren unter Umständen
tigkeit zu lösen und stattdessen etwa als praktikable und scheitert.
sozial und ökologisch adäquate Praxis zu etablieren.
                                                           Erst wenn die Bereitschaft besteht, von Routine und Fle-
Eine zentrale Herausforderung ist hierbei, gesellschaftli- xibilitätsansprüchen abzurücken, die aus einer einseiti-
che Routinen und Selbstverständnisse aufzubrechen und gen Fixierung auf die solitäre PKW-Nutzung resultieren,
einen Wandel derselben anzustoßen. Dabei sind insbe- besteht die Möglichkeit, öfter gemeinsame Fahrten zu
sondere mit einem gemeinsamen Fahren weitreichende realisieren. Gleichzeitig müssen verbreitete Selbstver-
Anforderungen an die Beteiligten verbunden, die im Wi- ständnisse einer Zeit-Nutzen-Optimierung aufweichen,
derspruch zu den verinnerlichten und routiniert abgeru- damit ein gemeinsames Fahren zu einer gelebten sozi-
fenen Mustern der solitären MIV-Nutzung stehen.            alen Praxis werden kann.
                                                              Unter gegenwärtigen Bedingungen stellt das ge-
Hierzu zählen etwa die Bereitschaft zur sozialen Inter- meinsame Fahren keine Konkurrenz gegenüber der
aktion, gegenseitiges Vertrauen, Flexibilität und die individuellen PKW-Nutzung dar. Es braucht äußere Rah-
Bereitschaft zur Koordination der eigenen Mobilitäts- menbedingungen, wie Reglementierungen und Besteue-
bedarfe mit anderen. Welche Anforderungen hierbei rungen, die solitäre Fahrten weniger attraktiv werden

                                                                                             HEIMAT WESTFALEN – 2/2021 /   11
mobilitätssicherung

lassen und als Push-Faktoren wirken, damit gemeinsa-         Lage ist, von heute auf morgen umzudenken und ihre
me Fahrten eine erwägenswerte Hilfe zur Erreichung           Mobilitätspraxis zu verändern, wenn die Notwendigkeit
der Nachhaltigkeitsziele werden. Hier fügt sich das ge-      hierfür erkannt wird. Hier gilt es, die Notwendigkeit zum
meinsame Fahren als Mobilitätsoption in übergreifende        aktiven Klimaschutz entsprechend zu vermitteln.
Debatten einer Verkehrswende ein.
                                                             Gleichzeitig braucht es eine politische Gestaltung von
                                                             Anreizen zum langfristigen anders Agieren. So dürfen
Anmerkung zur Covid-19 -Pandemie und                         sich Menschen nicht, wie im Rahmen der pandemiebe-
privater Mitnahme                                            dingten Kontaktbeschränkungen, in ihrer Autonomie
                                                             beschnitten fühlen. Vielmehr muss nachhaltige Mobili-
Mit der Covid-19-Pandemie ergeben sich neue Voraus-          tät durch positive Erlebnisse – wie zum Beispiel soziale
setzungen der privaten Mitnahme. Unter den Erforder-         Kontakte – als Bereicherung empfunden werden.
nissen des Infektionsschutzes sind gemeinsame Fahrten
ebenso wie die Nutzung des öffentlichen Verkehrs als
problematisch einzuschätzen. Stattdessen gewinnen For-                      hintergrund
men der Individualmobilität (Fahrrad- und Fußverkehr
wie auch im MIV) an Bedeutung.                               Der Beitrag ist ein kurzer Auszug aus der im Mai 2020 veröffent-
                                                             lichten Studie „Gemeinsames Fahren als Beitrag zur Verkehrs-
Ambitionen, PKW-Fahrten häufiger gemeinsam zu un-            wende in ländlichen Räumen Schleswig-Holsteins – Empirische
ternehmen, können unter Bedingungen einer Pande-             Explorationen am Beispiel von Nortorf und Schafflund“ (Projekt-
mie nicht aufrechterhalten, geschweige denn initiiert        laufzeit: 15. April 2019 – 15. Mai 2020). Im Rahmen der Studie
werden. Stattdessen wird die Gewohnheit der solitären        werden ein ländlicher Zentralort und eine Kleinstadt in Schleswig-
PKW-Nutzung in ländlichen und kleinstädtischen Räu-          Holstein betrachtet. Die Studie dokumentiert und identifiziert,
men bestärkt. So hat die Pandemie vermutlich eher dazu       inwiefern ein gemeinsames Fahren für welche sozialen Gruppen
geführt, dass sich Menschen infolge persönlicher Schutz-     eine Option sein kann und für wen ein gemeinsames Fahren aus
bestrebungen in ihren eigenen PKW zurückziehen.              welchen Gründen nicht praktikabel ist. Auf die umfänglichen
                                                             Fußnoten wurde aufgrund der Lesbarkeit verzichtet. Die Studie
Gleichzeitig eröffnet das „Trauma“ der Pandemie auch         wurde gefördert durch die Gesellschaft für Energie und Klima-
Wege zum Umdenken und zum Aufbrechen von Routi-              schutz Schleswig-Holstein GmbH (EKSH) und ist abrufbar unter:
nen. Um diese Potentiale nutzen zu können, braucht es        www.verkehrswende.sh/fileadmin/pages/fundstuecke/
jedoch eine planerische Gestaltung von Alternativen, wie     Bericht-Gemeinsam-Fahren final.pdf
sie zum Beispiel in Großstädten durch ad-hoc Maßnah-
men wie Pop-Up-Radwege und durch die Freigabe von            Prof. Dr. Florian Dünckmann (*1965) studierte Geografie
Straßen für den Fuß- und Radverkehr realisiert wurden.       an der Universität Kiel und promovierte dort über die sozialen
                                                             Auswirkungen von Naturschutzmaßnahmen im Atlantischen
Aber auch Potentiale einer auf Suffizienz (das heißt auf     Küstenregenwald Brasiliens. Er forschte anschließend zum
Nachhaltigkeitsbestreben durch Reduktion von Rohstoff        politischen Wandel in ländlichen Gemeinden Norddeutschlands.
und Energie) ausgerichteten Mobilität treten hervor.         2010 erhielt er eine Professur für Kulturgeographie am Geogra-
Nach dem Prinzip „genug, aber nicht mehr als nötig“          phischen Institut der Universität Kiel. Er ist Mitglied der Kiel
gilt es dabei, die individuelle Mobilität und hiermit ver-   School of Sustainability.
bundene klima- und umweltschädliche Emissionen auf
das Notwendige zu reduzieren.                                Prof. Dr. Jana Kühl (*1984) ist Sozialgeografin mit den For-
                                                             schungsschwerpunkten nachhaltige Mobilität, städtische Grün-
Als Teil der Pandemiebekämpfung gelang es in den ver-        räume sowie gesellschaftliche Denk- und Handlungsweisen.
gangenen Monaten, die räumliche Mobilität der breiten        Die Mobilitätsexpertin wurde 2020 auf die deutschlandweit erste
Gesellschaft auf das Notwendigste zu beschränken. Es         Professur für Radverkehrsmanagement am Institut für Verkehrs-
zeigte sich, dass die breite Gesellschaft durchaus in der    management der Ostfalia in Salzgitter berufen.

12 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2021
                        5/2020
NEuE MITgLIEdEr IM WHB

     VErEIN Zur FördEruNg dEr HISTorIScHEN TELEgrAFIE
                      IN ENTruP E. V.

d                                                                                                                           INFo
        er Verein zur Förderung der historischen Telegrafie in Entrup e. V. wur-
        de 2010 mit dem Ziel gegründet, auf dem 231 Meter hohen Lattberg bei
        Nieheim-Entrup an historischer Stelle einen königlich preußischen Tele-                              Unter www.optischertelegraph4.de/
grafen nachzubauen. Den dazu notwendigen Turm errichtete der Kreis Höxter                                    stationen/31/index.html sind umfang-
2012, nachdem Mitglieder des „Telegrafenvereins“ bereits 1999 aus dem Heimat-                                reiche Informationen zur Preußischen
verein Entrup aktiv e. V. heraus die Initiative für den Turmbau ergriffen hatten.                            Telegrafie zu finden. Beim Anklicken
Die Vereinsmitglieder bieten Wandergruppen und Schulklassen Turmführungen                                    der „Station 31“ erhält man Hinweise
mit einem Aufstieg auf das 24 Meter hohe Dach mit einem einzigartigen Panora-                                zum Lattbergturm.
mablick an.                                                                                                  Interessierte können sich unter
Mit Hilfe des LWL-Museums für Naturkunde wurde 2015 ein circa 4 m langer                                     panorama.entrup.info einloggen, um
Abguss des 2007 gefundenen 190 Mio. Jahre alten Schwimmsauriers „Toni“ im                                    dem Blick der Webcams zu folgen.
Turm angebracht. Gleichzeitig ließ der Kreis Höxter im Treppenhaus eine erdge-
schichtliche Dokumentation realisieren. Der Fossilienabdruck wird mittlerweile                                      KoNTAKT
um einen ebenfalls 190 Mio. Jahre alten Ammoniten ergänzt.
    Viele Projekte wurden seit-                                                                              Verein zur Förderung der histori-
dem umgesetzt. Mit Kunststu-                                                                                 schen Telegrafie in Entrup e. V.
dentinnen der Uni Paderborn                                                                                  Hannekenpatt 23
entwickelte der Telegrafenverein                                                                             33039 Nieheim
am Turm eine weithin sichtbare                                                                               Vorsitzender Josef Köhne
Illumination. Aus Gründen des                                                                                josef.koehne@gmx.de
Klimaschutzes ließ er auf dem                                                                                entrup.info/telegrafenverein/
Dorfgemeinschaftshaus eine
Photovoltaikanlage errichten.
                                                                                                              24 Meter hoch ist der Aussichts,-
Die daraus erzielten Gewinne
                                                                                                              Telegrafen- und Museumsturm
fließen in Heimatpflege und Na-                                                                               am Entruper Lattberg.
turschutz. Dem 2019 errichteten
                                    Aus 18 Meter Höhe lassen sich die Mutigen beim                            Foto/ Verein zur Förderung der historischen
Naturlehrpfad konnten nun wei-                                                                                Telegrafie in Entrup e. V.
                                    jährlichen Turmfest abseilen.
tere Tafeln zum Thema Umwelt,
                                    Foto/ Verein zur Förderung der historischen Telegrafie in Entrup e. V.
Klima- und Gewässerschutz als
„Grüne Schule“ neben dem Lattbergturm hinzugefügt werden. Dazu installierte
man im Turm ein Vogelstimmenspiel, das vor allem Kinder und Jugendliche mit
den heimischen Singvögeln vertraut macht. Im März 2021 brachten die Aktiven
auf dem Turm vier Webcams an, die Bilder vom Wetter als auch von der sich
wandelnden Vegetation streamen.

                                                                                                                         HEIMAT WESTFALEN – 2/2021 /    13
MoBILITäTSSIcHEruNg

           MoBILITäTSSTrATEgIEN Für WESTFALEN
                    BLIcK IN dIE rEgIoN: NETZWErKE, FördErMITTEL uNd
                    rEgIoNALE ANSäTZE Für NEuE MoBILITäTSLöSuNgEN

                                 ZuSAMMENgESTELLT VoN FrAuKE HoFFScHuLTE

MoBILITäTSProJEKTE dEr rEgIoNALE 2025 SüdWESTFALEN

M
         it der REGIONALE 2025 will sich Südwestfalen       Im Projekt „landmobil.2025 – Dorfmobilität der Zu-
         für nachfolgende Generationen zukunftsfähig        kunft“ arbeitet ein großes Netzwerk von Akteurinnen
         aufstellen. Kluge Ideen und Lösungen zu Fragen     und Akteuren zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern
der Mobilität in der Stadt- und Dorfentwicklung, in der     in ausgewählten Modelldörfern. Kern von „landmo-
Wirtschaft, aber auch in den Bereichen Bildung, Kultur      bil.2025“ ist es, Dörfer besser an den ÖPNV anzubinden
und Smart Living sollen gefunden, umgesetzt und insbe-      und zwar mittels kleiner, automatisiert fahrender Shut-
sondere nachhaltig und digital kombiniert werden. Ideen     tlebusse, E-Bikes und Carsharing-Systeme.
und Vorhaben können noch mindestens bis Ende 2021               Das Projekt „landmobil.2025“ ist umfangreich. Es
eingereicht werden. Weitere Informationen finden sich       untergliedert sich in die zwei Teilprojekte „MOBIx“ und
unter: www.suedwestfalen-agentur.com/regionale-2025/        „DEmandäR“.
                                                                Bei „DEmandäR“ geht es um technische Grundlagen-
Die Regionalverkehr Ruhr-Lippe GmbH will im „BusLab         forschung. Hier werden Daten für Karten und Modelle er-
Meschede“ umweltfreundliche und bedarfsorientierte Al-      hoben, die autonom fahrende Fahrzeuge für ihren Betrieb
ternativen im ÖPNV testen. Profitieren sollen von diesem    benötigen. Andere Städte und Gemeinden sollen von den
Mobilitätslabor nicht nur die Bürgerinnen und Bürger        übertragbaren Ergebnissen profitieren. Das Vorhaben wird
von Meschede, sondern die gesamte Region. Am Projekt        durch das Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-
sind auch der Hochsauerlandkreis und die Stadt Meschede     Westfalen gefördert.
beteiligt. Der Modellraum ist die Verkehrsverbindung zwi-       Beim Teilprojekt „MOBIx“ stehen die Menschen und
schen dem Gewerbegebiet Enste und der Kernstadt sowie       ihr Mobilitätsverhalten im Zentrum. Hier sollen Fahrgä-
dem Bahnhof von Meschede. An den Wochenenden soll           ste ein automatisiertes Shuttle buchen können. Dieses
darüber hinaus eine direkte Verbindung von der Mesche-      kommt dann in einem von mehreren Modelldörfern zu
der Innenstadt an den Hennesee getestet werden.             einem Haltepunkt und sammelt die Fahrgäste ein. Inter-
    Bestehende ÖPNV-Angebote sollen um bedarfsorien-        essierte Dörfer können sich dafür unter www.dorfmobi-
tierte und umweltschonende Angebote erweitert werden.       litaet.de bewerben.
Dazu zählen zum Beispiel Shuttle-Busse, die individuell         Für „landmobil.2025 – die Dorfmobilität der Zukunft“
bestellt werden können und mit Elektro- oder Wasserstoff-   arbeiten die Stadtwerke Menden GmbH mit der Märki-
antrieb fahren, Carsharing-Angebote oder auch E-Bikes.      schen Verkehrsgesellschaft GmbH (MVG) zusammen, mit
Auch digitale Hilfsmittel wie die Ortung von Fahrzeugen     Partnern aus der Industrie und dem in der Mobilitätsfor-
auf einer interaktiven Karte oder die Online-Buchung be-    schung profilierten Lehrstuhl Regelungssystemtechnik
darfsgesteuerter Fahrtenangebote sollen getestet werden.    der Technischen Universität Dortmund.
Die Auswertung des Modellprojektes wird für ganz Süd-
westfalen interessant sein, vor allem wenn es darum geht,   die Erkenntnisse aus dem Projekt „landmobil.2025“ sollen auch
Gewerbegebiete an den ÖPNV anzubinden und Anreize zu        anderen ländlichen räumen zugute kommen.
schaffen, um Mobilitätsverhalten nachhaltig zu verändern.   Foto/ MVG

14 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2021
in ländlichen Räumen

                 REGIONALE 2022 – Konzepte zur neuen Mobilität
                           für das „Urbanland OWL“

O
        stwestfalen-Lippe richtet die REGIONALE 2022 Die „Ostwestfälischen Mobilitätsplattform (OMP)“ will
        unter der Überschrift „UrbanLand“ aus. Die vier sämtliche Mobilitätsangebote inklusive Sharing und
        Aktionsfelder „Der neue Mittelstand“, „Die neue Mikromobilität in Kombination miteinander nutzbar
Mobilität“, „Die neuen Kommunen ohne Grenzen“ und machen. Die OMP bündelt zukünftig Information, Bu-
„Das neue Stadt-Land-Quartier“ wurden dafür identifi- chung, Zugang und Abrechnung auf Grundlage einer
ziert. Die 2019 veröffentlichte Mobilitäts-                                                    einheitlichen Datenbasis in einer App.
strategie und das zugehörige Arbeitspapier
für das „UrbanLand OstWestfalenLippe“                                                          Das „multimodale Verkehrssystem Lippe“
gibt Orientierungshilfen für die Region.                                                       setzt auf schnelle Achsen in kurzer Tak-
Sie führt Ziele der Regionalentwicklung,                                                       tung zwischen den Städten und komfor-
verkehrspolitische Ziele und Projektan-                                                        table sowie bedarfsgerechte Verbindungen
sätze für attraktive, umweltfreundliche                                                        zu den Dörfern im On-Demand-Betrieb
Mobilitätsangebote im Personen- und Wirt-                                                      und die Verknüpfung über Mobilstationen
schaftsverkehr zusammen.                                                                       mit weiteren Mobilitätsangeboten.
    Die Publikationen der OWL GmbH sind
unter www.urbanland-owl.de/urbandland-                                                         Um die Lücke zwischen dem Bahnhof und
blog/mobilitaetsstrategie-der-regionale-                                                       der eigenen Haustür zu schließen, wurde
2022-veroeffentlicht/ abrufbar. Weitere                                                        das „Linien-E-Carsharing Borgholzhau-
Informationen unter: www.urbanland-owl.                                                        sen“ konzipiert. Auf definierten Linien
                                            Grafik/ Titel der Mobilitätsstrategie der OWL-GmbH
de/projekte/die-neue-mobilitaet. Bisher                                                        werden kleinere Siedlungen der Flächen-
sind unter anderem folgende Projekte im Anwärter- oder kommune Borgholzhausen mit Elektro-Fahrzeugen an
Beschluss-Status zum REGIONALE-Projekt, weitere Projek- den vorhandenen ÖPNV angebunden. Man fährt selbst
te befinden sich in der Qualifizierung.                                 und kann andere mitnehmen – mit ÖPNV-Ticket kostenlos.

Mit dem „MonoCab OWL“ wird ein innovatives Schie-                   Der „RailCampus OWL“ will in Minden ein Innovati-
nenfahrzeug entwickelt. Kleine Kabinen für bis zu vier              onsnetzwerk für die Bahntechnologie der Zukunft be-
Personen können auf den beiden Schienen eines Glei-                 gründen. Es geht unter anderem um Automatisierung,
ses in Gegenrichtung fahren. Die „MonoCabs“ kommen                  innovative Instandhaltung sowie vernetzte Transportlo-
nach Bedarf und können mithilfe digitaler Kupplungen                gistik in Forschung, Lehre und Anwendung. Ein eigener
auch zu Doppelwagen zusammengestellt werden. Solch                  Studiengang soll etabliert werden.
ein On-Demand-Verkehr hat gerade in ländlichen Räu-
men das Potential, vorhandene Bahnstrecken als neue,     Das „Radnetz OWL“ ist ein Konzept für lückenlosen, ver-
bidirektionale Mobilitätsadern zu reaktivieren und da-   kehrssicheren und zukunftsfähigen Alltagsradverkehr.
mit den fehlenden Lückenschluss zum Regional- und        Es skizziert ein Wegenetz mit einer Länge von insgesamt
Fernverkehr zu schaffen.                                 circa 2.000 Kilometern, zeigt auf, wo Handlungsbedarf
                                                         in der Region besteht und gibt Empfehlungen – durch
„On-Demand-Ridepooling Höxter“ wird in einem drei- Lückenschlüsse, Ausbau und Neubau. Im Fokus des Pro-
jährigen Testbetrieb umgesetzt. Dabei geht es um die jektes steht die nachhaltigere Erreichbarkeit ländlicher
Feinerschließung bisher nur eingeschränkt erreichbarer Gebiete und die Chance, den Ausbau einer modernen
Gebiete, wie zum Beispiel die letzte Meile vom Bahnhof Radverkehrsinfrastruktur zusammen mit neuen Ansät-
nach Hause. Im Prinzip ist es eine Weiterentwicklung des zen für zukünftige Gewerbe-, Siedlungs- und Quartiers-
Sammeltaxis für mehrere Gäste im ländlichen Raum.        strukturen zu denken.

                                                                                                              HEIMAT WESTFALEN – 2/2021 /   15
MoBILITäTSSIcHEruNg
                                                                                                             WHB-ProJEKTE

MuLTIModALE ANgEBoTE dEr WESTFäLIScHEN
VErKEHrSgESELLScHAFT MBH

M
          it Mobilitätsfragen in ländlichen Räumen                „MOVIE – MObile VIEfalt“ ist ein im Rahmen der REGIO-
          beschäftigen sich auch die Unternehmen                  NALE 2016 gestartetes Modellprojekt der RVM Regional-
          der WVG-Gruppe in multimodalen Projekten                verkehr Münsterland GmbH und des Kreises Borken im
zwischen der niederländischen Grenze und dem Sauer-               Bereich ÖPNV, das drei Handlungsfelder eingrenzt. Der
land. Die Redaktion stellt Ihnen einige der vielfältigen          Projektraum beinhaltet die Städte Ahaus, Gescher, Gro-
Beispiele vor. Weitere Informationen finden sich unter:           nau, Stadtlohn und Vreden sowie die Gemeinden Heek,
www.wvg-online.de                                                 Legden und Schöppingen im Kreis Borken.
   Im Kreis Unna sucht die Verkehrsgesellschaft Kreis                Das Handlungsfeld „ÖPNV-Qualität in kleinen Ort-
Unna mbH (VKU) nach Mobilitätslösungen für einen                  schaften sichern und flexibel weiterentwickeln“ um-
Kreis in Ballungsrandlage. Im Projekt „FUN – Flexibel             fasst die Einrichtung von Zubringer- und Abholdiensten
unterwegs im Kreis Unna“ werden der ÖPNV und die                  zu Haltestellen von Regionalbus- und Schnellbuslinien
Leihräder der sechs Radstationen miteinander ver-                 (beispielsweise Fahrradverleihsysteme, Bürgerautos,
knüpft. Weitere Projektbausteine sind der Ausbau von              Carsharing) in kleinen Ortsteilen, wo bisher keine oder
Kooperationen mit Carsharing-Anbietern, die Förde-                eine unzureichende Erschließung der Siedlungsberei-
rung von Fahrgemeinschaften über das „PendlerPortal               che besteht.
Unna“ und die Weiterentwicklung der Service-Zentrale                 Während im Handlungsfeld „Ehrenamtliches ÖPNV-
„Fahrtwind“ zur Mobilitätsberatung. Die zugehörige                Personal gewinnen und qualifizieren“ die Bildung eines
„Fahrtwind“-App ist die passende Buchungsplattform                Kompetenzzentrums Ehrenamt im ÖPNV geplant ist, be-
für die multimodalen Angebote.                                    inhaltet das Handlungsfeld „Synergien fördern“ Maßnah-
   Das „STMobilAbo“ ist seit 2012 für alle Bürgerin-              men zur Verbesserung des ÖPNV-Angebots im ländlichen
nen und Bürger der Gemeinden Recke, Mettingen und                 Raum durch die Kooperation mit sozialen Diensten und
Westerkappeln verfügbar. Fahrplaninformationen,                   Wohlfahrtsverbänden. Dazu zählt beispielsweise die Inte-
Mobilitätsberatung, Ticketverkauf und die clevere Nut-            gration der bestehenden Fahrten im sozialen und medi-
zung von Bus, Fahrrad und Pedelec bietet die „Rad+BUS             zinischen Bereich in das vorhandene ÖPNV-Angebot.
mobilSTation“ in den Räumlichkeiten der Tourismus-                   Bisherige Umsetzungsergebnisse sind unter ande-
information in Mettingen. Der RVM Regionalverkehr                 rem der Start eines Faltfahrradverleihs in Schöppingen
Münsterland GmbH schuf das Angebot gemeinsam mit                  in 2016, die Einrichtung einer grenzüberschreitenden
dem Kreis Steinfurt und einer Anschubfinanzierung                 Bürgerbus-Linie von Ahaus nach Haaksbergen in 2017,
durch das Land NRW. Aboinhaberinnen und -inhaber                  die Etablierung eines Lastenfahrradsystems in 2017 in Ko-
können Bus, Bahn und Elektrofahrrad kombinieren.                  operation mit der Gemeinde Heek und dem RVM sowie
Der Takt des Schnellbusses wurde erhöht und ein preis-            dem Kreis Borken und der Landesmusikakademie NRW in
günstiges Flatrate-Ticket eingeführt.                             Heek. Es folgten die Einrichtung mehrerer Bike-and-Ride-
                                                                  Verknüpfungsstationen, in 2019 ein Carsharing-Angebot
Mit dem Lastenfahrrad kann der „letzte Kilometer“ zur Landesmu-   in Heek, Legden und Ahaus. Weiterhin geplant sind die
sikakademie NrW in Nienborg auch mit sperrigen Instrumenten       Bereitstellung eines E-Bürgerautos in Asbeck sowie die Ein-
bewältigt werden.                                                 richtung einer automatisierten Fahrradstation am Bahn-
Foto/ RVM                                                         hof Ahaus zur besseren Anbindung des Gewerbegebietes.

16 / HEIMAT WESTFALEN – 2/2021
IN LäNdLIcHEN räuMEN
WHB-ProJEKTE

„LANdEI MoBIL“ – IM MüHLENKrEIS MINdEN-LüBBEcKE

d
        as Projekt „LandEi mobil“, dessen Förderzeit-      an allen Wochentagen. Anschlusstickets ins Umland
        raum in Kürze endet, hatte das Ziel, praktikable   sind vergünstigt und abends sowie an Wochenenden
        Alternativen zum eigenen Auto zu erforschen.       können weitere Personen mitgenommen werden. Die
Der Projektraum umfasste Stemwede, Rahden, Espel-          Besonderheit an diesem Angebot wird deutlich, wenn
kamp, Preußisch Oldendorf, Lübbecke und Hüllhorst.         man es mit den früheren Konditionen vergleicht: 75
Durchgeführt wurde es in einer Zusammenarbeit der          Euro pro Monat für beliebig viele Fahrten in nur einer
Minden-Herforder Verkehrsgesellschaft mbH als Pro-         Kommune.
jektträgerin und dem Kreis Minden-Lübbecke. Das Land          Das Jahresabo „LandEiAboPlus“ umfasst zusätzlich
NRW förderte das Projekt im Rahmen des Programms           die Nutzung eines in Hüllhorst entwickelten Pedelecs,
„VITAL.NRW“. Weitere Informationen finden sich un-         welches besonders wendig und etwas kürzer als ge-
ter: landei-mobil.de und mhv-info.de                       wöhnlich konzipiert ist, so dass es gut im ÖPNV mit-
    Inzwischen um Hille erweitert, können die Abon-        genommen werden kann. Am Wochenende gilt die
nentinnen und Abonnenten des „LandEiAbos“ für 39           Mitnahme für das gesamte Kreisgebiet und wer das
Euro im Monat das gesamte Busnetz und die Regional-        Pedelec mit in den Urlaub nehmen will, dem ist dies
bahn in den sieben Kommunen nutzen – ganztägig,            auch möglich.

                                                           Pro BürgErBuS NrW E. V. STüTZT NETZ EHrENAMT-
                                                           LIcHEr BürgErBuSSE
ZuKuNFTSNETZ MoBILITäT NrW                                 Der Dachverband hat mit seiner Webseite www.pro-bür-
Das Zukunftsnetz Mobilität NRW ist eine Initiative des     gerbus-nrw.de ein zentrales Informationsangebot ein-
Ministeriums für Verkehr des Landes Nordrhein-West-        gerichtet. Zweck des Vereins ist die Unterstützung der
falen und unterstützt Städte, Kreise und Gemeinden,        Bürgerbusse in NRW und die Förderung neuer Bürger-
bei der Förderung einer nachhaltigen Mobilitätsent-        bus-Projekte. Bürgerbusse entwickelten sich von Modell-
wicklung beziehungsweise der kommunalen Mobili-            projekten zu fest im ÖPNV-Gesetz verankerten Elemen-
tätswende.                                                 ten. Eine Förderung ist heute für Kommunen wie auch
                                                           öffentliche und private Verkehrsunternehmen nach §
Die Mitgliedschaft steht allen Kreisen, Städten und Ge-    14 ÖPNVG NRW möglich.
meinden des Landes Nordrhein-Westfalen offen. Die             Die ehrenamtliche Arbeit der Bürgerbus-Vereine ist
Koordinierungsstelle Westfalen-Lippe ist beim Nahver-      dabei eine unerlässliche Voraussetzung. Sie fördert zu-
kehr Westfalen-Lippe (NWL) in Unna angesiedelt. Auf        gleich Kontakte und schafft Kommunikation.
der Webseite des Netzwerks finden sich auch Beispiele
für kommunale Förderanträge, Beschlüsse, Handbü-           oNLINE-PuBLIKATIoN: rEAKTIVIEruNg VoN
cher und Hilfestellungen. Weitere Informationen unter:     EISENBAHNSTrEcKEN
www. zukunftsnetz-mobilitaet.nrw.de                        Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. und
                                                           die Allianz pro Schiene haben im Juli 2020 eine Liste
FördErFINdEr.MoBILITäT.NrW                                 mit Vorschlägen für stillgelegte Eisenbahnstrecken
Der Förderfinder des „Zukunftnetz Mobilität NRW“ hilft     veröffentlicht, die mittelfristig reaktiviert werden
bei der Eingrenzung eines passenden Förderprogrammes       könnten. Die Publikation ist kostenlos abrufbar unter
für Projekte und stellt unter www.foerderfinder.nrw.de     www.vdv.de/reaktivierung-von-eisenbahnstrecken-2020.
mit umfassender Suchfunktion Details zu den Program-       pdfx und gibt auch Auskunft für etliche westfälische
men übersichtlich zusammen.                                Streckenabschnitte.

                                                                                             HEIMAT WESTFALEN – 2/2021 /   17
MoBILITäTSSIcHEruNg

oNLINE-NAcHScHLAgEWErK Für MASSNAHMEN Zu
 MoBILITäTSKoNZEPTEN IN LäNdLIcHEN räuMEN

                        HErAuSgEgEBEN VoM
      BuNdESINSTITuT Für BAu-, STAdT- uNd rAuMForScHuNg (BBSr)
        IM BuNdESAMT Für BAuWESEN uNd rAuMordNuNg (BBr)

E
      ine verbesserte Mobilität und eine stärkere      Über Filterfunktionen kann man gezielt suchen und
      Anbindung sollen in ländlichen Räumen die        zielgruppengerechte Angebote finden. Insgesamt lassen
      Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse      sich so nach lokalspezifischen Kriterien Maßnahmen an-
unterstützen. Seit 2020 bietet Mobilikon eine Viel-    zeigen, die als Vorlage für Umsetzungen in der eigenen
zahl von Maßnahmen, Projekten und Lösungen zum         Region in Betracht kommen. Als Zusammenführung von
Nachschlagen an, die deutschlandweit erfolgreich um-   Best-Practice-Beispielen sind bisher rund 250 Instrumen-
gesetzt wurden. In dem Nachschlagewerk werden fle-     te, Maßnahmen und Hilfen hinterlegt.
xible und praxistaugliche Lösungen für die Mobilität       Die Redaktion hat aus diesem Nachschlagewerk
gerade im ländlichen Raum dargestellt.                 wichtige Fachbegriffe und eine Auswahl an möglichen
                                                       Maßnahmen zusammengestellt, die insbesondere für
Mobilikon ist ein gemeinsames Projekt des BBSR und     Initiativen des bürgerschaftlichen Engagements und
des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Hei-    für die Initiierung lokaler kommunaler Projekte zur
mat im Rahmen des Programms „Region gestalten“         Stärkung der Lebensqualität in ländlichen Räumen von
und wird durch das Bundesprogramm Ländliche Ent-       Interesse sein können.
wicklung (BULE) finanziert.                            Weitere Informationen unter: mobilikon.de

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