Zukunft Schiene CEO-Talk: Bernhard Bihr, Bosch - Engineering S. 18 - SBB Cargo
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
3 | 2015 Das Schweizer Logistikmagazin CEO-Talk: Bernhard Bihr, Bosch Zukunft Engineering S. 18 Schiene Vom intelligenten Güterwagen zum digital vernetzten Transportsystem.
Cargo 3 / 2015 4 Automatisierung bei SBB Cargo 7 Nächster Halt: intelligenter Güterwagen 7 Stefano Riboni, Logistikdozent in Lausanne «Für mich ist Wertschöpfung der zentrale Punkt» 10 Schwerpunkt Big Data für das Big Business 17 SpeedyShop Schneller einkaufen dank Migros, Post und SBB 18 CEO-Talk Bernhard Bihr, CEO Bosch Engineering 22 Zoll-Reportage Grenzerfahrung mit Computer und Papiertiger 26 Fokus Gotthard ETCS 2 – schneller, sicherer und wirtschaftlicher 22 28 Schotter Unterwegs mit neuen Technologien 29 Das Objekt Gut verkuppelt 30 Meine Logistik Anita Jehli, Musikerin und Dirigentin Impressum Das Logistikmagazin von SBB Cargo erscheint dreimal pro Jahr in Deutsch, Französisch und Italienisch. Gesamtauflage: 7800 Exemplare Redaktion SBB Cargo: Pavo Prskalo (Leitung), Miriam Wassmer, Matthias Widmer Redaktion Crafft: Roy Spring (Leitung), Kristina Morf, Pirmin Schilliger, Susanne Wagner, Robert Wildi Konzept, Gestaltung und Realisation: Crafft Kommunikation AG, Zürich Übersetzungen: Traductor, Basel Lithografie und Druck: Neidhart + Schön AG, Zürich Redaktionsadresse: SBB Cargo, «Redaktion Logistikmagazin cargo», Bahnhofstrasse 12, 4600 Olten, cargomagazin@sbbcargo.com. Das Copyright liegt bei SBB Cargo. Der Abdruck von Artikeln ist mit Quellenangabe erlaubt. Bitte schicken Sie uns ein Belegexemplar. Gratisabonnement auf www.sbbcargo.com/de/abonnement Abonnieren Sie das Cargo Magazin schweizweit kostenlos oder lesen Sie die Online-Version unter www.sbbcargo.com. Adressänderungen oder Löschung des Abonnements bitte an cargomagazin@sbbcargo.com facebook.com/ twitter.com/ youtube.com/ instagram.com/ blog.sbbcargo.com sbbcargo sbbcargo sbbcargo sbbcargo
Editorial Daten, Daten, Daten K ilobytes, Megabytes, Gigabytes, Terabytes, Petabytes – die Welt von heute steckt voller Informationen. Schier unvorstellbare Massen von Daten werden täglich gesammelt. Im Vorteil ist, D ass die Digitalisierung noch nicht ganz alle Bereiche durchdrungen hat, zeigt unsere Reportage vom Rangierbahnhof Limmattal in Dietikon, wo jeden Tag ein Containerzug verzollt wird wer sie schnell aufbereiten und effizient (Seite 22). Kaum zu glauben: Hier spielen nutzen kann. Das Schlagwort unserer Zeit: Sammelmappen, Stempel und Papierstapel Big Data. nach wie vor eine zentrale Rolle. W as hat das mit Schienengüter verkehr zu tun? SBB Cargo arbeitet daran, die Logistik auf der Schiene zu digitalisieren und zu einem vernetzten Transportsystem auszu- Ich wünsche Ihnen viel Spass bei der Lektüre. Pavo Prskalo Leiter Kommunikation a. i. bauen. Wie genau wir den «intelligenten pavo.prskalo@sbbcargo.com Güterwagen» schaffen wollen, lesen Sie ab Seite 4. Und im CEO-Talk (Seite 18) dis kutieren SBB-Cargo-Chef Nicolas Perrin und Bosch-Engineering-Chef Bernhard Bihr über die Zukunft der Mobilität. W enn sich das Jahr dem Ende nähert, herrscht in der Logistik- branche Hochsaison. Welche Cover: Jürg Waldmeier / Fotos: Lea Kloos; Marvin Zilm; Crafft enormen Herausforderungen dann gemeis- tert werden, erfahren Sie in der Titelge- schichte «Big Data für das Big Business» (Seite 10). Unter anderem haben wir das hochmoderne Verteilzentrum von Manor in Hochdorf LU besucht, wo das Unter nehmen täglich mittels Computer- und Robotertechnologie bis zu 90 000 Bestel- lungen verarbeitet und ausliefert. SBB Cargo 3 | 2015 3
Aktuell Position Position Türkontakt Erschütterung Türkontakt Erschütterung Bremse Feuchtigkeit Bremse Feuchtigkeit Nächster Temperatur Temperatur Halt: intelligenter Güterwagen SBB Cargo erprobt in einer Automatisierungsoffensive den Schienengüterverkehr der Zukunft. Eine zentrale Rolle spielt der «intelligente Güterwagen», der eines Tages vielleicht sogar selbstständig unterwegs ist. Text: Pirmin Schilliger Illustration: 1kilo 4 SBB Cargo 3 | 2015
befindet», so Anja-Maria Sonntag, «und er schlägt bei einem unvorhergesehenen Ereignis sofort Alarm.» Mit der implementierten Sensorik wird der Güterwagen also zum digitalen und intelligenten Transportvehikel, zum virtuellen Kommunikator und Botschafter. Komplette Nachverfolgbarkeit der Waren Im Moment ist das Zukunftsmusik. SBB Cargo spielt das Szenario derzeit im Rahmen des Projekts «Intelli- genter Güterwagen» durch, zusammen mit verschie- denen Systemanbietern, unter anderem Bosch Engi- neering und PJM. «In der aktuellen Pilotphase geht es darum, die Vor- und Nachteile der einzelnen Systeme zu vergleichen und die Möglichkeiten auszuloten, die sich aus der neuen Technik für den Schienengüterver- kehr ergeben», sagt Christian Schmidt, Asset Intelli- gence SBB Cargo. Neben dem oben skizzierten Bei- spiel mit der Kontrolle der Kühlkette sind vom intelligenten Güterwagen allerhand weitere Leistun- E gen zu erwarten. «Ein wichtiges Ziel ist es, dass in Kühlwagen rollt mit einer Ladung Lebens- wir das Bedürfnis unserer Kunden nach umfassender mittel von Antwerpen in die Schweiz. Unter- Information abdecken können», sagt Anja-Maria wegs versagt plötzlich das Kühlsystem. Der Sonntag. Ein wesentlicher Wunsch der Kunden sei es Ausfall wird erst bei der Ankunft am Bestim- etwa, jederzeit zu wissen, wo sich ihre Warensendung mungsort entdeckt. Verdorbene Ware also! Dieses gerade befindet und ob sie pünktlich ankommt. Schadenszenario ist zum Glück selten. Bald einmal Diese Nachverfolgbarkeit bietet SBB Cargo zwar dürfte es sogar definitiv passé sein – dank intelligenter bereits heute an. «Allerdings werden die für Güterwagen. «Derzeit rüsten wir bei SBB Cargo 150 dieses Track & Trace notwendigen Informationen Kühlwagen entsprechend auf», sagt Anja-Maria Sonn- bislang vergleichsweise umständlich über Dritte er- tag, Projektleiterin Automation bei SBB Cargo. Jeder zeugt und nicht vom Güterwagen selbst geliefert», einzelne Wagen wird mit Sensoren und einem GPS be- sagt Schmidt. stückt. Die Instrumente ermitteln Temperatur, Feuch- Es ist kein Geheimnis, dass der Schienengüterver- tigkeit, Erschütterung und Position des Wagens. Über kehrs betreffend Automation und Digitalisierung ge- Mobilfunk senden sie die Daten an einen zentralen Ser- genüber den bereits gut vernetzten LKWs stark unter ver. Von dort können die Messreihen analysiert, ausge- Zugzwang geraten ist. «Ohne intelligente Güterwagen wertet und mittels Algorithmen in nützliche Informa können wir künftig am Markt nicht bestehen», sagt tionen verwandelt werden. Diese stehen dann für Schmidt. Klar ist auch, dass sich damit für den Schie- verschiedene Arbeitsprozesse entlang der Logistikkette nengüterverkehr viele neue Möglichkeiten eröffnen. via Internetportal oder Apps zur Verfügung. Mit Mittels Automation werden die langen und schweren vielfältigem Nutzen: «Zum Beispiel lässt Züge beweglicher und klüger – und somit zukunfts sich der Güterwagen so ständig über- fähig und fit für den Wettbewerb. Patrick Sorg, Asset wachen, egal, wo er sich gerade Intelligence SBB Cargo, nennt weitere Vorteile: > SBB Cargo 3 | 2015 5
Aktuell «Die Stosssensoren registrieren ruppige Rangierma- tisch auf die Schliche kommen», sagt Patrick Sorg. növer und melden uns heftige Erschütterungen, die Sensorik und Kameras sollen in Zukunft auch Wagen oder Ladung beschädigen könnten.» Ausser- sicherheitsrelevante Daten erfassen und so die Arbeit dem liessen sich mit Hilfe von Wiegesensoren, die am der technischen Kontrolleure unterstützen und den Drehgestell gemessen werden, Überladungen verhin- Schienengüterverkehr ständig überwachen. dern. «Die Wagen können so optimaler ausgelastet Ein drittes Projekt im Team Automation läuft un- werden», so Sorg, «die Bedingung ist allerdings, dass ter dem Stichwort «Mobile Devices». Es knüpft beim die Informationen in die gesamte computergesteuerte Umstand an, dass sämtliche Mitarbeitenden von SBB Logistikkette einfliessen.» Cargo und auch der gesamten SBB bereits heute mit Die im Güterwagen erfassten Daten zu Tempe mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets aus- ratur, Laufleistung oder Beladungszustand erlauben gerüstet sind. Damit konnten Arbeitsschritte digita es also, Schienentransporte über die kommunizieren- lisiert werden, die zuvor auf Papier stattfanden. Eine den Systeme nahtlos zu verfolgen und zu überwa- Vision lautet, die Transportkette so zu vernetzen, chen. Überdies lassen sich viele Zusatzinformationen dass in Zukunft alle mit allen kommunizieren kön- ableiten, die zum Beispiel für eine kilometer- und zu- nen: der Disponent mit dem Lokführer, der Lokführer standsabhängige Planung der Wartung, für allfällige mit dem Rangierarbeiter, der Rangierarbeiter mit Schadenabrechnungen oder für zusätzliche techni- dem Güterwagen, der Güterwagen mit dem Dis sche Kontrollen nützlich sind. Was der intelligente ponenten. Die Voraussetzung ist, die ungezähmte Güterwagen eines Tages vielleicht sonst noch alles zu Datenflut in attraktive Informationen zu verwandeln, leisten vermag, ist offen. In der aktuellen Projekt- und sinnvolle Ereignisse abzuleiten und praktische An- Studienphase wird ausgiebig experimentiert und wendungen zu entwickeln. getestet. Das Ziel jedoch ist klar definiert: Der Schie- Ein weiteres Projekt betrifft die Modernisierung nengüterverkehr soll effizienter werden. des Rangierbetriebs, zum Beispiel mittels automati- scher Bremsprobe und Kupplung. Ein erster Pilot Digitalisierung und Automation betrieb der automatischen Bremsprobe konnte bereits Der «intelligente Güterwagen» ist nur eines von fünf erfolgreich absolviert werden. Teilprojekten einer bereichsübergreifenden Automa- Anja-Maria Sonntag räumt ein, dass im Moment tisierungsoffensive von SBB Cargo. Ein weiteres Pro- im Rahmen des Projekts Automation viele Ideen jekt betrifft die «wegseitige Intelligenz». Hierbei wer- einfach einmal ausprobiert würden. «Was wir dann den Rangierbahnhöfe mit Kameras ausgestattet, die definitiv umsetzen, wird sich im Praxistest heraus- unter anderem die Zugnummer erkennen und eine kristallisieren.» Sicher ist, dass die systematische Da- visuelle Kontrolle der Fahrzeuge ermöglichen. Auch tenauswertung Prozessoptimierungen und Effizienz- die umfassenden Daten, die bereits heute von den steigerungen ermöglicht. Dies wiederum verspricht Zugskontrolleinrichtungen entlang der Strecken er- Wettbewerbsvorteile und neue Erkenntnisse über die fasst werden, können zukünftig noch intelligenter ge- Funktionsweise von Logistikketten. «Unsere Trans- nutzt werden. So sollen Schäden und Pannen unter- porte werden garantiert schneller, pünktlicher und wegs künftig noch besser und schneller detektiert zuverlässiger», sagt Anja-Maria Sonntag. werden. «Wir wollen den Zwischenfällen, die unsere technischen Kontrolleure heute noch mittels aufwen- diger Inspektion vor Ort aufdecken, künftig automa- 6 SBB Cargo 3 | 2015
Interview «Für mich ist Wertschöpfung der zentrale Punkt» Alle reden von Big Data. Viele Unternehmen haben Angst, den Trend zu verschlafen. Welchen Nutzen kann die Transport- und Logistikbranche aus Massendaten ziehen? Antworten von Stefano Riboni, Lehrbeauftragter am Management- und Logistikinstitut (IML) in Lausanne. Text: Hans Müller Fotografie: Lea Kloos SBB Cargo 3 | 2015 7
Interviewk Die vier «V» von Big Data Im Zusammenhang mit Big Data ist oft vom «3V-Model» die Rede. Am Lausanner Management- und Logistikinstitut (IML) kommt ein viertes «V» dazu. Nachfolgend die Bedeutung der Erfolgsfaktoren. Herr Riboni, Big Data ist das Schlag vor, die aus Informationen besteht, die das wort der 2010er Jahre. Um was geht es Unternehmen seit unterdessen 15 Jahren genau? V intensiv über seine Kunden sammelt. Gegen Ende des 20. und zu Beginn des Volume — die Datenmenge: 21. Jahrhunderts hatten die meisten Un- Bis 2020 werden voraussichtlich 40 Zetta- Mit Amazon ist der Versandhändler ternehmen das Problem, dass sie eigent- bytes (43 Trillionen Gigabytes) an selbst zum Logistiker und Spediteur lich über zu wenig Informationen verfüg- neuen Daten erfasst – 300 Mal mehr als geworden. Ist der Onlinehändler ein ten. Der Trend entwickelte sich daher in in den letzten 10 Jahren! Viele Unter Pionier auf dem Gebiet von Big Data? Richtung Datensammeln. Dazu wurde mit nehmen verfügen bereits über grosse Tatsächlich waren die ersten Unterneh- Strichcodes, RFID-Lesegeräten und Com- Mengen an archivierten Daten, sind aber men, die im grossen Stil Daten sammel- puterprogrammen ein ständig wachsen- nicht in der Lage, sie gezielt zu nutzen. ten, grosse Handelsunternehmen. Die des Volumen an Daten erfasst. Seit einigen Vorreiterrolle nimmt hier allerdings die Jahren sieht die Lage jedoch anders aus: US-Supermarktkette Walmart ein, die be- Aufgrund der Möglichkeiten, die das In- V reits Ende der siebziger Jahre seine Ge- ternet und die IT-Systeme heute bieten, Velocity — die Geschwindigkeit: schäfte mit elektronischen Kassen aus- ist der Datenbestand so stark angewach- Unternehmen, die Informationen stattete. Die Analyse der Kassenzettel gab sen, dass statt Informationsmangel schon schneller analysieren können als die Kon- unter anderem Aufschluss darüber, wel- fast ein Datenüberfluss besteht. Jetzt ste- kurrenz, haben einen Wettbewerbs- che Waren die Kunden, die zum Beispiel hen wir vor dem Problem, wie wir diese vorteil. Im Zeitalter des Internets und Milch kauften, sonst noch in den Ein- Datenmengen nutzbar machen und zur der zunehmenden Mobilität gewinnt die kaufswagen legten. Mit anderen Worten: Wertschöpfung verwenden können. Geschwindigkeit, mit welcher Daten Die Datenflut an der Kasse erlaubte es, das erfasst und ausgewertet werden, immer Kaufverhalten der Kunden zu analysieren. Wo liegt das Problem? mehr an Bedeutung. Big Data wird in der Wissenschaft häufig Wo liegt der Unterschied zwischen mit dem «3V-Model» charakterisiert. Die Big Data und den früher genutzten drei «V» stehen dabei für «Volume», die V Strategien? Datenmenge; für «Velocity», die Ge- Variety — die Vielfalt: Die EDV-Instrumente sind im Prinzip schwindigkeit, mit der die Daten erfasst Ein Merkmal von Big Data ist, dass die dieselben geblieben, sie sind nur immer und verfügbar gemacht werden; und für Quelldaten zunächst chaotisch sind. leistungsfähiger geworden. Walmart war «Variety», die grosse Bandbreite an unter- Sie stammen von unterschiedlicher auch das erste Unternehmen, das bereits schiedlichen Daten. Manche fügen ein Software, aus sozialen Netzwerken, von Ende der achtziger Jahre ein «Data viertes «V» hinzu, nämlich «Value», das Kameras oder von Messgeräten. Je Warehouse» einrichtete; diese Datenbank für den Wert von Big Data steht. Für mich effizienter sie in strukturierte Informa wurde vor allem für das Berichtswesen ist die Wertschöpfung der zentrale Punkt. tionen umgesetzt werden können, desto und die Geschäftsanalyse benutzt. In den Die Datenerfassung an sich hat noch gar grosser ist der Vorteil von Big Data. 1990er Jahren hiess das «Business Intelli- keinen Wert; erst die Verarbeitung der gence» – und heute nennt man es «Big Informationen und die Transformation in Data». Wissen erlaubt es, die Prozesse im Unter- V nehmen zu planen und zu optimieren. Value — die Wertschöpfung Bei Handelsunternehmen leuchtet das Zusätzlich zu den «3V» geht es immer ein. Doch nehmen wir einen multi Neu ist also die aktive Nutzung mehr darum, welche konkreten Ziele das nationalen Speditionskonzern wie DHL der gesammelten Daten? Unternehmen mit der Analyse von oder ein Schweizer Transportunter Ja, genau. Für viele Unternehmen gehört Massendaten anstrebt. Mit zunehmender nehmen wie SBB Cargo: Welchen Wert heute die kommerzielle Nutzung von Mas- Wertschöpfung steigt die Bedeutung haben Massendaten bei Industrie-, sendaten zum Geschäftsmodell. Zum Bei- von Big Data – und die einstige IT-Diszip- Logistik- oder Transportunternehmen? spiel Facebook: Der immense Wert, den lin wird zur Chefsache auf operativer Alle Global Player wie DHL oder Fedex, das soziale Netzwerk heute hat, basiert Ebene (Front Office Digitization). die Transport- und Logistikdienstleistun- ausschliesslich auf den gesammelten gen aus einer Hand anbieten, stehen vor Daten seiner Nutzer. Oder wer heute die dem Problem, dass das Volumen der ihnen Website von Amazon besucht, findet eine zur Verfügung stehenden Daten extrem hochgradig personalisierte Umgebung schnell wächst. Zudem liegen die Daten 8 SBB Cargo 3 | 2015
Rubrik Art der Ladung, die sie transportieren. Das erlaubt es, die Ladekapazität besser auszunutzen. Die bereits archivierten Daten geben Antwort auf Fragen wie: Wo befinden sich unsere Kunden, welche Art von Gütern transportieren wir für sie, welches sind die Ausgangs- und Endpunk- te der Transporte, und mit welcher Häu- figkeit erfolgen sie? Die archivierten Daten erlauben auch eine Analyse von «Custo- mer Experience» oder «Customer Satis- faction»: Mit welchen Verspätungen mussten Kunden im Schnitt rechnen? Ver- lieren wir Kunden aus bestimmten Bran- Odyssea-Gebäude, Sitz des Management- und Logistikinstituts (IML) auf dem Campus der Eidgenössischen chen oder an bestimmten Standorten? Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL). Haben sich das Sendungsaufkommen und die Güterkategorie geändert? Die Antwort auf diese Fragen ermöglicht es, die Dienst- leistung permanent an die Kundenbedürf- selbst in immer vielfältigeren Formen vor. Ansätze der Datensammlung nisse anzupassen. Alle LKW und bald auch die «intelligenten und -analyse notwendig werden? Güterwagen» verfügen über eine Mobil- Wie bereits erwähnt sehe ich keine klar Wohin wird uns Big Data in den funkanbindung, über die eine Fülle unter- definierte Grenze zwischen Big Data und nächsten Jahren führen? schiedlicher Daten in Echtzeit an die Zen- etwa Business Intelligence. Das Problem Die Verlässlichkeit von Prognosen ist ein tralen übermittelt werden. Zwei Aspekte war und ist immer dasselbe: Wie nutze ich Hauptanliegen. Big Data ermöglicht es, spielen dabei eine Rolle: erstens die ope grosse unstrukturierte Datenmengen, die genau diesen Aspekt zu verbessern. Doch rationellen Informationen wie die Loka- sich zudem schnell verändern, für ein da Prognosen ja immer Prognosen blei- lisierung von Fahrzeugen, Waggons, Pa- besseres Verständnis meines Geschäfts? ben, muss die Reaktionsfähigkeit in den letten oder Kunden. In diesem Bereich Unternehmen ebenfalls verbessert wer- haben die Unternehmen in den letzten 15 Wo sehen Sie Ansätze, wie ein Trans den: Ein Unternehmen muss so schnell Jahren gewaltige Fortschritte gemacht. port- und Logistikanbieter von Big Data wie möglich reagieren können, wenn die Zweitens der Blick in die Zukunft, der es profitieren kann? Prognosen von der Wirklichkeit abwei- ermöglicht, die zukünftigen Kunden Ich habe den Eindruck, dass die Datennut- chen. Vorhersage und Reaktionsfähigkeit bedürfnisse besser abzuschätzen und die zung in dieser Branche oft noch auf einer werden sich also immer in einem Span- notwendigen technischen und personel- sehr operativen Ebene erfolgt. Eine Analy- nungsfeld befinden. len Voraussetzungen zu ihrer Befriedi- se bereits vorhandener Informationen wie gung zu schaffen. Eine Untersuchung, die auch der Daten, die Auskunft über Kun- von Capgemini Consulting durchgeführt denbedürfnisse und die Effizienz der Be- wurde, belegt aber, dass heute erst 30 triebsabläufe geben, könnte helfen, einen Prozent der Transportunternehmen – von besseren Überblick über den Ist-Zustand der einfachen Spedition bis zum firmen sowie präzisere Prognosen über die Ge- externen Logistikanbieter – Big-Data- schäftsentwicklung zu erhalten. Technologien nutzen oder dabei sind, sie zu implementieren. Immerhin sind 50 An welche Art von Informationen Stefano Riboni unterrichtet seit 15 Jahren am Prozent dabei, Überlegungen anzustellen, und Daten denken Sie dabei? Management- und Logistikinstitut (IML) an welchen Nutzen sie generell aus Big Data Zu unterscheiden sind Daten, die in Echt- der Eidgenössischen Technischen Hochschule in ziehen könnten. zeit erhoben werden können, und solche, Lausanne (EPFL). Daneben hat er einen Lehr- die bereits archiviert sind. Um beim Bei- auftrag an der Hochschule für Ingenieurwesen und Betriebswirtschaft des Kantons Waadt Gibt es einen Punkt, an dem die her spiel von SBB Cargo zu bleiben: Zu den (HEIG-VD) in Yverdon. Als unabhängiger Berater kömmlichen IT-Strukturen nicht mehr Ersteren gehören die Aufenthaltsorte der ist er zudem Ansprechpartner für Firmen, ausreichen und somit völlig neue Waggons, ihr Beladungsszustand oder die die ihre Informationssysteme optimieren wollen. SBB Cargo 3 | 2015 9
Schwerpunkt Nur dank Automatisierung und Digitalisierung ist es möglich, den wachsenden Ansprüchen des Markts an den Warenfluss auch unter Extrembedingungen gerecht zu werden. Ein Bericht über die Hauptsaison am Jahresende. Big Data für das Big Business Text: Robi Wildi Illustrationen: David & Paul Von links naht Nummer 61 – plötzlich übersehbar. 82 Roboter auf Rädern sind Kommissionierplätze – nach Rayon oder biegt sie rechtwinklig ab. Nummer 18 hier am Werk. Jede Bewegung ihrer Cho- Warengruppe getrennt, bereit für die stoppt gerade noch rechtzeitig und reografie scheint präzise einstudiert. Wie termingerechte Auslieferung in eine von düst nach hinten weg. Um ein Haar Figuren auf einem dreidimen sionalen schweizweit 64 Manor-Filialen. hätte es geknallt, glaubt der Besucher. Schachbrett verschieben sie sich emsig in «Keine Angst», beruhigt Oliver Koch, alle Himmelsrichtungen. Und anders als «Minions» oder Lego? Leiter Manor Verteilzentrale Autoscooter auf einer Chilbi kommen sie Sieben Millionen Franken hat der gröss- Hochdorf, «ein Crash ist aus- stets elegant aneinander vorbei. te Schweizer Warenhauskonzern vergan geschlossen.» Seine Faszina- Die nummerierten künstlichen Ge genes Jahr in die Autostore-Lösung der tion für das vollautomatische hirne, die auf der riesigen Anlage hin und Herstellerfirma Swisslog investiert. Mit Kleinteile lager im Logistik- her manövrieren, koordinieren nicht we- dieser Anlage werden die Flexibilität und und Verteilzentrum der Ma- niger als 28 000 Behälter. Jedes einzelne die Wettbewerbsfähigkeit der Manor nor AG in Hochdorf ist un- Produkt landet an einem der neun Supply Chain weiter erhöht und wird > SBB Cargo 3 | 2015 11
Schwerpunkt der Standort Hochdorf nachhaltig ge- damit es in der Hochsaison nicht zu Eng- stärkt. Die Inbetriebnahme ist im vierten pässen kommt. «Bis am 1. November soll- Quartal 2014 erfolgt. ten uns alle Kunden jeweils auf elektro- «Der immer knapper werdende Raum nischem Weg über ihre Bedürf nisse kann optimaler genutzt werden. Mit dieser informieren», sagt Thomas Schneider, zu- skalierbaren Anlage können zudem in der ständiger Solution-Manager bei SBB Car- Zukunft weitere potenzielle Warenflüsse go. Innerhalb eines Monats werden die von Direktlieferanten über die Verteilzent- Daten verarbeitet und ab Anfang Dezem- rale Hochdorf abgewickelt werden, was zu- ber die entsprechenden Trassen, Loks und sätzliche Optimierungen betrieblicher Ab- das Lokpersonal gebucht. «Kurzfristige läufe ermöglicht», resümiert Koch. Anpassungen und Spezialwünsche ge Die Perfektionierung der Wertschöp- hören vor allem in den zwei Wochen vor fungs- und Lieferkette (Supply Chain) ge- Oliver Koch, Leiter Manor den Festtagen zum Standard», erklärt hört für Manor zum Kerngeschäft. Nicht Verteilzentrale Hochdorf Schneider. weniger als eine Million verschiedener Ar- tikel von mehr als 6000 Lieferanten müs- Tischbomben für die Silvesterparty sen Tag für Tag in der bestellten Menge «Der immer knapper Zum Kreis der Kunden gehören auch Lo- und zum bestimmten Zeitpunkt im richti- werdende Raum gistikanbieter und Transporteure wie die gen Verkaufsregal stehen. Teilhaber der Cargo Domizil AG (CDS). Der Einkauf erfolgt stets über das Ma- kann optimaler genutzt «In den Wochen vor Weihnachten erhal- nor-Headquarter in Basel, wo Planungs- werden.» ten wir neben dem Volumen unserer profis die erforderlichen Mengen jedes Stammkunden auch Transportaufträge Produkts ordern und je nach Absatz von Lieferanten, die wegen zu geringer erwartung an die Verteilzentren in Hoch- auf eine der Plattformen in Fernost liefert. Eigenressourcen auf uns zurückgreifen», dorf und Möhlin liefern. Die Krux dabei Mit Hilfe der Speditionspartnerin Panal- erklärt CDS-Geschäftsführer Ueli Re- ist, dass sich oft erst kurzfristig heraus- pina kann Manor alle sensiblen und mund. Es komme in dieser Phase nicht stellt, was in der Hauptsaison der Renner relevanten Daten auf der gesamten Liefer- selten vor, dass man von SBB Cargo innert sein wird: Sind es etwa die neuen kette online verfolgen. ein bis zwei Stunden zusätzliches Rollma- «Minions»-Figuren des weltweit erfolg- Damit sämtliche Produkte termin terial benötige. reichen Trickfilms, ein Mini-Elektro- gerecht im Verkaufsregal stehen, ist eine Im normalen Tagesgeschäft verarbei- fahrzeug oder doch die neuste Star-Wars- reibungslos funktionierende Transport- ten die Cargo Domizil Partner in ihren Kollektion von Lego? logistik notwendig. Bei Manor in Hoch- schweizweit über 20 Bahnzentren durch- dorf werden 40 bis 45 Prozent der zwi- schnittlich rund 300 Bahnwagen pro Per Bahn in die Lagerhalle schengelagerten Artikel per Bahn verteilt. Nacht. In der Vorweihnachtszeit sind es Wird – wie im Fall von Manor – der Auto- Die Regionen Tessin, Ostschweiz, Grau- fünf bis zehn Prozent mehr. Viele dieser matisierungsgrad erhöht, bleibt das nicht bünden, Wallis und Winterthur werden zusätzlichen Frachten sind gefüllt mit Un- ohne Auswirkungen auf die gesamte Lie- mit Rollmaterial von SBB Cargo bedient. terhaltungselektronik, Wein und Süssig- ferkette. Im konkreten Beispiel konnten Zwei Schienenanschlüsse führen in Hoch- keiten, aber auch mit Feuerwerk und die Warenlager des Detailhändlers mar- dorf direkt in die Lagerhalle. Für das Tischbomben für die Silvesterparty. Ein- kant verkleinert werden. Dies wiederum Weihnachtsgeschäft vereinbaren Manor fach mit allem, ausser lebenden Tieren, hat dazu geführt, dass die Lieferanten den und SBB Cargo jeweils schon Monate im Kühl- und Tiefkühlgut oder Gütern, die Lagerbestand immer häufiger selbst steu- Voraus einen genauen Tourenplan. Dieser wegen Transportvorschriften nicht auf ern; im Fachjargon spricht man von Ven- beinhaltet – für den Fall der Fälle – auch Bahnwagen transportiert werden dürfen. dor Managed Inventory (VMI). So sind die Bereitstellung von Zusatzkapazitäten. Den Trend, Warenlager heute bedarfs zum Beispiel Firmen wie Lego, Mattel, Ra- «Besonders im Vorfeld der Sonntagsver- abhängig von den Lieferanten zu bewirt- vensburg oder Playmobil laufend elektro- käufe im Dezember darf hinsichtlich schaften, beobachtet Remund bei fast al- nisch über die Verkaufszahlen von Manor Transportvolumen nichts schieflaufen», len Kunden der Cargo-Domizil-Partner. informiert und können so proaktiv kalku- so Koch. «Als Folge des Vendor Managed Inventory lieren. Dabei behält Manor jederzeit den müssen wir viel mehr kleinere Sendungen Überblick. Das beginnt schon, wenn zum Spezialwünsche sind Standard durchführen und die Ware just in time Beispiel ein chinesischer Lieferant Ware Eine frühzeitige Planung ist entscheidend, ausliefern», sagt er. Dazu sei eine per- > 12 SBB Cargo 3 | 2015
70 000 Tonnen Schokolade werden in der Schweiz jährlich abgesetzt. CARGO DOMIZIL AG «Grössere Verkehrsaufkommen auf der Schiene» Welches ist die grösste Herausforderung der Logistik im Cargo-Geschäft? Ueli Remund: «Die Einhaltung der Fahrpläne bei immer grösserem Verkehrsaufkommen auf der Schiene.» Welches ist für Sie die Vision für die Logistik? «Intelligente Bahnwagen und führerlose Loks.» Wie lautet Ihr persönliches Motto? «Jeder Tag ist neu, mach das Beste aus ihm.» Ueli Remund, Geschäftsführer Foto: Hans Musterann Cargo Domizil AG «Falls bei einem Kunden Produk tionsprobleme auftreten, kommt es sehr schnell zu Terminverzöge rungen innerhalb der Lieferkette.» SBB Cargo 3 | 2015 13
14 000 Produkte bietet Möbel Pfister in seinem Online-Shop an. 14 SBB Cargo 3 | 2015
Schwerpunkt manente Kommunikation nötig, die eine portkette eingehalten wurde», sagt Re- MÖBEL PFISTER AG vollständige Transparenz dar über gewähr- mund. Solche Güter werden aber durch leiste, wo und wann wie viel von welcher die Cargo-Domizil-Partner mit speziellen «Optimale Verzahnung Ware bei welcher Temperatur bewegt wer- Fahrzeugen auf der Strasse ausgeführt. den muss. Den Weg der kontinuierlichen Digitali- der Distributions- sierung der Lieferkette geht auch Möbel und Kommunikations- Digitale Aufrüstung Pfister AG. Der Möbelhändler bildet seine Die Kehrseite der bedarfsoptimierten Pro- Geschäftsprozesse vom Einkauf über das kanäle» duktions- und Lieferlogistik ist ihre hohe Liefer- und Transportwesen bis hin zum Anfälligkeit bei unvorhersehbaren Ausfäl- Verkauf seit Jahren mit einem ERP-System len. «Falls bei einem Kunden Produktions- von SAP ab. ERP steht für «Enterprise probleme auftreten, kommt es sehr schnell Resource Planning» und ist ein gross ange- Welches ist die grösste zu Terminverzögerungen, die sich inner- legtes Computersystem, das verschiedene Herausforderung der Logistik halb der Lieferkette direkt auf unsere im Möbelgeschäft? Dienstleistung auswirken», erklärt Ueli Thomas Zeder: «Die optimale Remund. Cargo Domizil müsse dann mit Dank technologischer Verzahnung der Distributions- und noch schnelleren Lieferfrequenzen kom- pensieren, was wiederum den Bedarf an Fortschritte erwarten viele Kommunikationskanäle im Rahmen der Umsetzung unserer Cross- kurzfristig verfügbarem Rollmaterial er- Kunden eine genaue Channel-Strategie.» höhe. Dies erhöhe wiederum den Druck Sendungsverfolgung. auf SBB Cargo. Remund: «Ereignet sich bei Welches ist für Sie die Vision SBB Cargo eine Panne, sind die Auswir- für die Logistik? kungen auf unser Tagesgeschäft auf- IT-Anwendungen miteinander verknüpft «Logistics on demand – grund der eng getakteten Fahr- und in einer zentralen Datenbank spei- optimal vernetzte Kanäle, massge- pläne viel grösser als noch chert. «In Kombination mit dem angebun- schneidert, flexibel und schnell. vor fünf bis zehn Jahren.» denen Lagerverwaltungssystem ist unser Der Einsatz von Technologie sichert Um einerseits die Fehler ERP-System die Basis für eine hohe Integ- die Wettbewerbsfähigkeit durch quote zu minimieren und an- ration sämtlicher Unternehmensprozesse», konsequente Effizienzsteigerung.» derseits den steigenden An- sagt Thomas Zeder, Leiter Logistik und sprüchen der Kundschaft in Mitglied der Geschäftsleitung bei Pfister. Wie lautet Ihr persönliches Bezug auf eine intelligente Für den Datenaustausch mit den Lieferan- Motto? Supply Chain gerecht zu ten hat das Unternehmen vor rund zehn «‹Carpe diem› – nutze den Tag.» werden, haben die Cargo- Jahren ein eigenes Lieferantenpor - Domizil-Partner in den ver- tal entwickelt, das ebenfalls über Schnitt- gangenen Jahren sehr viel in stellen zum ERP verfügt. die digitale Aufrüstung ihrer Transportlogistik investiert. Pionier im kombinierten Verkehr Dank technologischer Fort- Auch bei Pfister sind die logistischen Her- schritte erwarten viele Kun- ausforderungen in Spitzenzeiten wie der den mittlerweile eine ge- Gartensaison, bei allgemeinen Sortiments- naue Sendungsverfolgung wechseln oder im Weihnachtsgeschäft be- vom Abgangsort bis zum Em- sonders anspruchsvoll. «Die Verkaufs- und pfänger, das sogenannte Tra- Liefermengen weichen in solchen Perioden cking. «Gerade wenn es um rund zehn Prozent vom Alltagsgeschäft heik le Transportgüter geht, ab», sagt Zeder. Als Pionier im kombinier- die einen gewissen Tempera ten Verkehr nutzt Pfister bereits seit 1974 Thomas Zeder, Leiter Logistik turbereich nicht über- oder das Bahn-Container-System zur Beliefe- Möbel Pfister AG unterschreiten dürfen, will der rung von dezentralen Logistikstützpunk- «Die Verkaufs- und Liefermengen Kunde jederzeit sicher sein, ten. Es werden Wagen eingesetzt, die weichen in Spitzenzeiten dass dieser Temperaturbereich mit speziellen Aufnahmesystemen für die um rund zehn Prozent vom Alltags- während der ganzen Trans- Pfister-Container ausgerüstet sind. > geschäft ab.» SBB Cargo 3 | 2015 15
Schwerpunkt MANOR AG Gerade im Endjahresgeschäft wird die cremes oder Jasskartensets bepackt wer- Aufgabe auch für den Transportpartner den. Bei Manor ist man von der Anlage so Topmoderne SBB Cargo höchst anspruchsvoll und hei- begeistert, dass 2016 das gleiche Modell, kel. «Im Vergleich zu anderen Kunden sogar noch etwas grösser, auch im zweiten Verteilzentrale mit kleineren Produkten hält sich die An- Verteilzentrum im aargauischen Möhlin in Hochdorf zahl unserer Vorweihnachtslieferungen installiert wird. für Pfister einigermassen in Grenzen», er- tiny.cc/manor klärt Thomas Zeder. Umso wichtiger sei Video: Einblick in die Manor-Verteilzentrale es, die Transporte von Sofas, Bücher - Facts & Figures: gestellen und Glastischen trotz generell Mit ihren 64 Warenhäusern hoher Festtagsbelastung mit einer Top beschäftigt die Manor AG in der qualität und ohne Beschädigungen durch- Schweiz rund 10 400 Mitarbeitende. zuführen. Falls doch etwas kaputtgehe, Im Bereich Supply Chain sind 600 seien gerade im hochpreisigen Möbel Mitarbeitende dafür verantwortlich, bereich die Einbussen in dieser Periode dass über eine Million Artikel immens, weil vor Weihnachten kaum (Textil, Hardgoods, Food) von Ersatzwagen zur rechtzeitigen Ausliefe- weltweit mehr als 6000 Lieferanten rung der nachbestellten Ware zur Verfü- ihren Weg in die Regale der Manor- gung stünden. Warenhäuser finden. Mehr Roboter Inbetriebnahme der Wie Pfister will auch Manor in der Trans- Verteilanlage in Hochdorf: portlogistik künftig sogar noch stärker Ende 2014 auf die Schiene setzen. «Es ist Teil unserer Strategie, tendenziell immer mehr Gesamtkosten der Investition: Güter mit der Bahn zu tran s 7 Millionen Franken portieren», erklärt Rainer 430 Millionen Franken Deutschmann, Direktor beträgt der Jahresumsatz Lagerfläche: Supply Chain und Mitglied der Parfümbranche in der 80 000 Quadratmeter der Geschäftsleitung bei Schweiz. der Warenhauskette. Allein Anteil Schienengüterverkehr: im Rahmen der diesjähri- 40 bis 45 Prozent der gelagerten gen Weihnachtspromotio- Artikel werden per Bahn verteilt. nen Baumschmuck, Par- füm und Spielwaren Personal: rollen aus den Manor- 200 Festangestellte und Verteilzentren 160 50 temporäre Mitarbeitende Bahnwagen, gefüllt mit rund 5500 Pa- letten, in Rich- tung der Filialen. Mit an Bord sind in Hochdorf auch die vielen tausend Behälter, die seit gut einem Jahr von den Robo- tern durch das voll- automatische Kleinteile lager geschleust und dort mit Radiergummis, Hand- 16 SBB Cargo 3 | 2015
INNOVATION Ist der SpeedyShop Spitzenzeiten wie Rushhours und Feiertagen gewachsen? «SpeedyShop»: Schneller einkaufen Wir haben entsprechende Lasttests mit umfangreichen Testszenarien auf der dank Migros, Post und SBB E-Commerce-Plattform durchgeführt. So konnten bereits Optimierungen vorge- Interview: Robi Wildi nommen werden, die den SpeedyShop für jegliche Situation wappnen. Als zusätz liches Steuerungselement für den Notfall kann Migros Bestellungen in kürzeren Abständen bearbeiten. Die Pilotphase dauert neun Monate. Was kommt dann? Den Testlauf führen wir mit Lebensmit- teln, Haushaltsprodukten und Hygiene artikeln von Migros und den My-Post- 24-Automaten der Post durch. In weiteren Testphasen ist die Einbindung von zusätz- lichen Dienstleistungen rund um den Bahnhof wie z. B. Park & Rail geplant. Es sollen auch innovative Abholarten wie ein Kofferraumservice oder neue Zah- lungsoptionen dazukommen. Das Ziel al- ler Partner lautet, so viele Erkenntnisse wie möglich zu erlangen, um den SBB SpeedyShop auch an weiteren Bahnhöfen anbieten zu können. SpeedyShop im Hauptbahnhof Zürich. Wann ist die Idee für den SpeedyShop Entscheidend ist die Kommunikation zwi- entstanden? schen der E-Commerce-Plattform SBB Die Idee «Click and Collect» war bei SBB SpeedyShop und dem Lagerhaltungssys- Immobilien schon vor etwa zehn Jahren tem der Migros. Ebenso wichtig ist die im Gespräch. 2013 wurden erste Abklä- konsequente Überprüfung der Verfügbar- rungen zu einer möglichen Umsetzung keit der Abholfächer von My Post 24. Der getätigt. Mit der Kombination aus elektro- Standort der Ware respektive ein mög- nischer Einkaufsplattform und physischer lichst kurzer Anlieferweg vom Lager zum Abholung nutzen wir das Wachstums Abholungsort ist eine weitere Erfolgs potenzial im digitalen Handel und verei- komponente. nen langfristig die Leistungen und Ange- bote rund um den Bahnhof on- und offline. Wo liegen die Schnittstellen bei Daten fluss und Logistik? Welches waren die Knackpunkte? Sobald der Kunde beim SpeedyShop seine Die grösste Herausforderung liegt in der Bestellung getätigt hat, wird ein Rüstauf- Komplexität der verschiedenen IT-Sys trag an das System der Migros gesendet. teme. Diese mussten so harmonisiert wer- Parallel dazu werden ein oder mehrere den, dass zwischen Bestellung und Ab Fächer im System My Post 24 für den ge- holung durch den Kunden nicht mehr als wählten Abholzeitraum reserviert. Der 30 Minuten verstreichen. Wir haben diese Migros-Mitarbeitende rüstet die Ware logistischen und technischen Herausfor- und legt die Bestellung ein. Sobald dies Hofer / NZZ Hans Musterann derungen gemeistert und konnten wie ge- erfolgt ist, wird der Kunde informiert. Zu- plant am 1. September 2015 starten. dem werden bei jeder Bestellung Stamm- Sabine Deinhofer (39) ist seit Anfang 2015 und Logistikdaten zwischen den Syste- Foto: Karin Projektleiterin E-Commerce und Innovations Worauf kommt es an, damit der Kunde men der SBB, der Migros und der Post management bei der SBB in Bern. Sie ist die nicht vor einer leeren Box steht? ausgetauscht. Gesamtleiterin des Projekts SBB SpeedyShop. SBB Cargo 3 | 2015 17
CEO-Talk «Wir sind unterwegs zum elektrifizierten, automatisierten und Bernhard Bihr vernetzten Fahren.» «Die Eisenbahn braucht dringend Impulse für den Schritt ins digitale Zeitalter.» Nicolas Perrin Intelligente Güterwagen und selbstfahrende Rangierloks: Welche Chancen bieten neue Technologien für den Schienengüterverkehr? Gespräch zwischen Bosch-Engineering-Chef Bernhard Bihr Foto: Hans Musterann und Nicolas Perrin, CEO von SBB Cargo, über die Mobilität der Zukunft. Interview: Roy Spring 18 SBB Cargo 3 | 2015
Herr Perrin, sind Sie ein Internet- unseren Kunden möglichst früh die Vor- Junkie? teile bringen. Zum Beispiel, dass sie mit NICOLAS PERRIN: Junkie nicht, aber Hea- dem Güterwagen direkt über die Beladung vy User. Ich arbeite seit einiger Zeit ohne oder den Standort kommunizieren kön- Büro und Papier, dafür mit dem iPad. Ge- nen. Das schafft Mehrwert. Unsere Kun- schäftlich wie privat geht ohne Internet «Automatisierung den haben sich offen gezeigt, dies im Preis gar nichts mehr. Aber wie jedes Werkzeug kann die Effizienz zu berücksichtigen. muss man es auch mal weglegen können. Ein Förster läuft ja in seiner Freizeit auch deutlich steigern.» Vor wenigen Wochen sorgte der erste nicht dauernd mit der Kettensäge herum. selbstlenkende LKW für Schlagzeilen. Müssen wir uns so die Zukunft im Herr Bihr, wie stark hat die Digitalisie Verkehr vorstellen? rung der letzten Jahre Ihr Leben dem Weg zum automatisierten Fahren BIHR: Ich glaube schon. Speziell im Bereich beruflich und auch privat beeinflusst? liegt die Fahrerassistenz. Damit schaffen Nutzfahrzeuge, in dem Lenkzeiten und BERNHARD BIHR: Die Digitalisierung hat wir den Übergang vom teil- zum hochauto- die Sicherheit eine grosse Rolle spielen, er- in den letzten Jahren zu einer extremen matisierten Fahren. Das steigert den Kom- höht bereits eine Teilautomatisierung so- Beschleunigung aller Vorgänge geführt. fort und vor allem die Sicherheit. Vernetz- wohl den Komfort als auch die Sicherheit. Wo früher ein Brief verschickt wurde und tes Fahren bedeutet, dass jede Komponente eine Antwort mehrere Tage oder Wochen im Fahrzeug eine eigene Internetadresse dauerte, geht heute alles innerhalb von bekommt, denn für die Entwicklung der Minuten. Ständig erreichbar zu sein, sehe Mobilität von morgen ist das Internet eine «Was noch fehlt, ist ich dabei nicht als Belastung. Wenn ich wesentliche Voraussetzung und führt zu nicht erreichbar sein möchte, liegt das einem wachsenden Servicegeschäft. Dazu die Innovationskraft Handy in der Schublade. Gerade privat gehören Dienstleistungen für das Flotten- der Branche.» schätze ich es, für meine drei Kinder, die management und die Vernetzung von ver- nicht mehr zu Hause wohnen, jederzeit er- schiedenen Verkehrsträgern – vom Pkw bis reichbar zu sein. Wir kommunizieren di- hin zu Bahnanwendungen. rekter und spontaner. Das gefällt mir. Wo sehen Sie die grössten Probleme im Was war die Motivation für die Koope Verkehr – insbesondere beim Güterver In Ihren internationalen Projektbüros ration von SBB Cargo mit Bosch Engi kehr? wird an der Zukunft der Mobilität neering? PERRIN: Weil die Ansprüche an die Le- getüftelt. Welches sind die wesentlichen PERRIN: Die Eisenbahn braucht dringend bensqualität steigen, wird man das Haupt- Trends, die uns bevorstehen? Impulse für den Schritt ins digitale Zeital- verkehrsnetz in den Ballungsräumen in ter. Im Gegensatz zur Strasse kommt die den nächsten Jahrzehnten nicht mehr we- Initiative leider nicht von der Zulieferin- sentlich ausbauen können. Dies obwohl dustrie. Wir haben deshalb die Sache die Nachfrage weiter wächst. Das heisst, «Wir kommunizieren selbst an die Hand genommen und Part- wir müssen die bestehenden Verkehrsträ- ner ausserhalb der Bahnwelt gesucht. Da- ger besser nutzen. Der Wettbewerbsvor- direkter und sponta- bei hatten wir das Glück, auf einen ande- teil liegt bei dem System, das die Kapazi- ner. Das gefällt mir.» ren Suchenden zu treffen. Bosch hat tät rascher erhöhen kann. Die Bahn hat Technologien, ist aber im Bahngeschäft hier physische Vorteile, da sie spurgeführt nicht verankert. So entstehen konstrukti- ist. Was aber noch fehlt, ist die Innova ve Partnerschaften! tionskraft der Branche. BIHR: Bosch ist auf drei Entwicklungspfa- BIHR: Das Hauptproblem sehe ich in der den unterwegs zum elektrifizierten, auto- Was bringt die Digitalisierung den Verkehrsdichte und bei der Menge an Foto: Hans Musterann matisierten und vernetzten Fahren. Elek Kunden? Sind sie bereit, für innovative Lkws. Man hat heute auf der Autobahn oft trifiziert bedeutet dabei nicht nur Zusatzleistungen einen höheren den Eindruck, die rechte Spur sei ein Gü- elektrische Antriebe, sondern im Zusam- Transportpreis zu bezahlen? terzug – nur eben nicht auf Schienen. Bei menspiel mit der Elektromobilität wird der PERRIN: Die Digitalisierung ist ein indus weiter steigendem Verkehrsaufkommen Verbrennungsmotor noch effizienter. Auf trieller Entwicklungsschritt. Wir wollen wäre es eine Lösung, wenn insbeson- > SBB Cargo 3 | 2015 19
CEO-Talk dere längere Distanzen auf der Schiene zurückgelegt würden, um die Strassen zu BOSCH ENGINEERING entlasten. Eine Automatisierung kann hier die Effizienz deutlich steigern. Bosch Engineering mit Sitz in Abstatt bei Stuttgart ist Teil der global tätigen Bosch-Gruppe, die mit ihren rund 440 Handarbeit und Wagenschmiere sind aber bei der Bahn noch immer Alltag. Tochter- und Regionalgesellschaften rund 360 000 Mitarbeiten- Muss man sich vom nostalgischen Bild de in 60 Ländern beschäftigt. der Eisenbähnler verabschieden? PERRIN: Vom Eisenbahner werden wir Über 2000 Mitarbeitende an 14 Standorten in 9 Ländern, uns nicht verabschieden, unbedingt aber darunter Japan, Nordamerika, Frankreich, Österreich, China, vom nostalgischen Eindruck. Der intelli- Brasilien, Grossbritannien und Italien, machen Bosch gente Güterwagen und die autonom fah- Engineering zum führenden Entwicklungsdienstleister der rende Rangierlok werden unsere Prozesse Mobilitätsindustrie. stark verändern. Das ist eine spannende Entwicklung, bei der wir vorne mit dabei sein wollen. Mehr als 800 Kundenprojekte setzt Bosch Engineering als Experte für intelligente Fortbewegung pro Jahr um – sei es für Bosch Engineering ist mit Entwicklun Bagger, Schiffe, Flugzeuge oder Schienenfahrzeuge. gen für die globale Automobilindustrie und auch im Motorsport tätig. Die 1400 Entwickler der zentralen Forschungsabteilung sowie Eisenbahn gilt hingegen nicht unbedingt unzählige weitere Kollegen innerhalb des Gesamtkonzerns als das fortschrittlichste Verkehrsmittel. arbeiten eng vernetzt mit Bosch Engineering zusammen. Was reizt Sie daran? BIHR: In ihren Anfängen war die Eisen- bahn das fortschrittlichste Verkehrsmittel überhaupt, und heute hat sie ein enormes Entwicklungspotenzial. Die Digitalisie- rung bietet eine grosse Chance, sowohl ihre Effizienz als auch ihre Attraktivität deutlich zu erhöhen. Wo sehen Sie die grössten Entwicklungs potenziale? PERRIN: Sicher beim Güterwagen. Hier wurden Entwicklungen verpasst, teilweise auch wegen der Uneinigkeit in der europä- ischen Zusammenarbeit. Wenn ich mit Herrn Bihr und seinem Team spreche, be- stätigt sich, dass wir dank Digitalisierung etliche Entwicklungsschritte übersprin- gen können. Automatisierung, Telematik Digitalisierung auf der Schiene: Der Güterwagen wird zum vernetzten und intelligenten und Big Data: das sind grosse Chancen, um Transportmittel. effizierter zu werden und sowohl die Si- cherheit als auch die Qualität zu steigern. BIHR: Mit Innovationen aus der Automo- biltechnik können auch auf der Schiene Unfälle verhindert oder zumindest in ih- rer Schwere reduziert werden. Ich denke Foto: Bosch dabei etwa an Bahnübergänge oder an Gleisbaustellen, wo Menschen arbeiten, 20 SBB Cargo 3 | 2015
oder an Bahnen im dichten innerstädti- noch Neuland, und ich sehe mich selbst schen Verkehr. Im Bereich Vernetzung nicht als Eisenbahnexperten. Daher ein sehe ich das Potenzial, dass mit automobi- Denkanstoss: So wie die Einführung des ler Technik ausgestattete Züge den Güter- Containers in den 1950er Jahren eine Re- verkehr und die Logistikprozesse effizien- volution im Gütertransport bedeutete, ter machen – und dabei gleichzeitig die weil Waren fortan in einem genormten Transportkosten senken. «So entstehen System verkehrsträgerübergreifend trans- konstruktive portiert werden konnten, so sollten auch Der heutige Güterwagen verfügt noch heute Schiff, Schiene und Strasse inte nicht einmal über eine eigene Stromver Partnerschaften!» griert betrachtet werden. Jeder Verkehrs- sorgung. Was genau kann der intelligen Interviewpartner Bihr (l.) träger hat individuelle Vorteile, und bei te Güterwagen von morgen besser? und Perrin. einer gesamtheitlichen Betrachtungswei- PERRIN: Er kommuniziert, fügt sich auto- se kann das System im Ganzen optimiert matisch in der Zugverband ein und kon werden. trolliert sich selbst. So misst er zum Bei- spiel bei der Beladung die Belastung jedes Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: einzelnen Rades, übermittelt dem Kunden BIHR: Bosch Engineering findet genügend Welchen Zukunftstraum würden Sie die klimatischen Bedingungen oder über- Talente. Das liegt daran, dass wir kontinu- verwirklichen? wacht sicherheitsrelevante Bauteile wie ierlich dazu beitragen, junge Menschen PERRIN: Mit einer genialen Geschäftsidee das Achslager. Auf dem Areal unserer von der Technik zu begeistern und Studien- die Digitalisierung für die Eisenbahn als Kunden kann er sich auch mal selbst be- abgänger zu motivieren, bei uns anzu starker Logistikpartner zu nutzen! Aber wegen oder entladen. fangen. für solche Ideen braucht es bekanntlich PERRIN: Wir brauchen einen guten Mix den richtigen Moment – und die richtigen von Mobilitätsprofis und Innovationstrei- Menschen. bern. Das Thema ist so spannend, dass «Der Wille zum auch wir gute Leute finden. Ich bin mir aber bewusst, dass wir in einem harten Wett- Wandel ist die halbe bewerb um die besten Talente kämpfen. Miete.» Welche Auswirkungen hat es für die Firmenkultur, wenn IT-Systeme eine immer grössere Rolle spielen? Statt Visionen prägen vor allem Ener PERRIN: Das wichtigste ist die Klarheit im gieverbrauch, Lärm- und Schadstoff Führungsteam und die Erkenntnis, dass emissionen die Diskussion in den Medien die heutigen Prozesse für die Zukunft und in der Politik. Haben die Menschen nicht genügen. Wir wollen diese Riesen- den Glauben an den technologischen chance nicht verpassen, sondern mitprä- Bernhard Bihr, 57, ist seit 2004 Geschäftsführer Fortschritt verloren? gen. Der Wille zum Wandel ist die halbe der Bosch Engineering GmbH, einer 100-prozentigen BIHR: Keinesfalls. Ich denke dabei an die In- Miete. In der Umsetzung wollen wir eine Tochtergesellschaft der Robert Bosch GmbH. nenstädte, wo man immer mehr Menschen offene Innovationskultur fördern. Parallel Das Unternehmen bietet als Systementwicklungs- partner seit 1999 Entwicklungsdienstleistungen mit einem Smartphone in der Hand sieht. dazu braucht es erfolgreiche Use Cases. für den Antriebsstrang, Sicherheits-, Komfort- und Die Menschen nutzen Technologien, die Da habe ich konkrete Erwartungen, zum E/E-Systeme auf Basis erprobter Bosch-Gross- einfach zu bedienen sind und die in ihrem Beispiel im Bereich Wagen oder bei der serientechnik. Zuvor war Bihr in verschiedenen Leben einen Mehrwert bedeuten. Es liegt Zugbildung. Führungspositionen in der Entwicklung, Applikation und im Vertrieb in der Bosch-Gruppe. Bihr an den Unternehmen, Produkte zu entwi- studierte Ingenieurwesen mit dem Schwerpunkt ckeln, die zum technologischen Fortschritt Welchen Ratschlag geben Sie der Maschinenbau an der Technischen Universität beitragen und die Menschen begeistern. Eisenbahnbranche mit auf den Weg, München. damit sie im Güterverkehr konkurrenz Nicolas Perrin, 56, ist seit 2008 CEO von Finden Sie genügend Talente, die sich fähig bleiben kann? SBB Cargo und Mitglied der Konzernleitung der für die Mobilität der Zukunft einsetzen BIHR: Eine schwierige Frage, denn für SBB. Er hat an der ETH Zürich Bauingenieur- wollen? Bosch Engineering ist die Bahnbranche wesen studiert. SBB Cargo 3 | 2015 21
Reportage Grenzerfahrung mit Computer und Papiertiger Dicke Mappen, Stempel und Papierstapel: Bei der Verzollung von Waren auf der Schiene im Rangierbahnhof Limmattal hält Tradition der Digitalisierung stand. Das kann sich schon bald ändern. Text: Susanne Wagner Fotografie: Marvin Zilm 8.50 Uhr Übergabe der Warendokumente Langsam fährt der Güterzug rückwärts auf dem Gleis ein. Auf dem ersten Wagen steht Rangiermitarbeiter Bernhard Egli mit dem Funkgerät, das ihn mit dem Lok- führer verbindet. Kaum steht der Zug, springt Egli ab und übergibt dem am Gleis bereitstehenden Wagenmanager Martin Vollenweider eine prall gefüllte Ledermappe. Darin sind die Dokumente aller Waren der Zugskomposition. 22 SBB Cargo 3 | 2015
9.00 Uhr Abgleich mit Bis die Ware korrekt verzollt ist, arbeiten Frachtbriefen ab jetzt mehrere Akteure an verschiede- nen Orten Hand in Hand – ein eingespiel- tes Team. Den Kunden entsteht dabei kein Zurück im Büro sieht der Wagenmanager Aufwand, denn SBB Cargo nimmt ihnen konzentriert die Papiere durch und gleicht die Zollformalitäten rund um den Bahn- sie mit den Frachtbriefen ab. Zwar hat der betrieb ab. Die Bahn profitiert heute noch Zug aus Wels in Österreich bereits am frü- von vereinfachten Zolltransitverfahren in hen Morgen in Buchs SG die Grenze über- Papierform. Dabei gilt der standardisierte schritten. Aber die Verzollung der Waren CIM-Frachtbrief gleichzeitig als Zolldoku- – in diesem Fall Glasflaschen, Möbelteile ment. Das wird sich in Zukunft ändern und Kunststoffgranulat – findet im Ran- (siehe Artikel auf Seite 25). gierbahnhof Limmattal statt. SBB Cargo ist hier zugelassener Empfänger. 9.15 Uhr Elektronische Daten ans Zollinspektorat Beim Eintreffen des Zuges am Terminal mailt Martin Vollenweider die Ankunfts- meldung ans Verzollungszentrum von SBB Cargo in Olten. Dort ist SBB-Cargo- Zolldeklarant Zoran Lujic bereits im Bild: Er hat die Zugliste und die eingescannten Frachtbriefe bereits elektronisch vom Grenzteam in Buchs erhalten. Lujic stellt die Dokumente zusammen und schickt die Zolldeklarationen des Zuges über das elektronische Verzollungssystem «e-dec» an das Zollinspektorat Zürich-Altstetten. In der Deklaration sind alle Details der Sendung aufgeführt: Importeur, Empfän- ger, Warengattung, Gewicht, Wert und Ursprungszeugnis der Ware. SBB Cargo 3 | 2015 23
Sie können auch lesen