Rückblick Anton Bruckner - Sinfonischer Chor Konstanz
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C H O R N A C H R I C H TE N www.sinfonischer-chor-konstanz.de Rückblick 185. Jahreshauptversammlung Anton Bruckner Versuch einer Annäherung Der Wiederholungstäter Wolfgang Mettler vor dem Jakobiner-Tribunal 1 - 2019 67. Jahrgang
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E D I TOR I AL Liebe Leserinnen und Leser, die erste Ausgabe der Chornachrichten des Jahrgangs 2019 hält wieder viele interessante Beiträge für Sie bereit. Dem Sin- fonischen Chor steht ein ereignisreiches Jahr bevor. Wir freuen uns auf die Sängerinnen und Sänger unseres ungarischen Partnerchors Szent István Bazilika, Budapest, die vom 4.-8. Juli zu einem gemeinsamen Konzert bei uns zu Gast sein werden. In diesen Chornachrichten berichten wir über die 185. Jahreshaupt- versammlung unseres Chors, die im Februar stattgefunden hat. Gisela Auchter geht in ihrem ausführlichen Beitrag auf den öster- reichischen Komponisten Anton Bruckner ein, dessen Messe in Hans-Joachim Knopf d-Moll und dessen Te Deum wir in unserem Herbstkonzert im November 2019 aufführen werden. In einem karnevalistischen Rückblick beleuchtet Gisela Auchter auch das diesjährige Jakobiner-Tribunal auf dem Konstanzer Ober- markt. Und das aus gutem Grund: Angeklagt war unser Dirigent Wolfgang Mettler wegen „Verhinderung der Straßenfastnacht“. Doch er verteidigte sich bravourös, weshalb das Urteil glimpflich ausfiel: Bis zum 20. Februar 2020 hat unser Künstlerischer Leiter nun eine Hymne für die Jakobiner zu komponieren, außerdem wurde er verurteilt, Mett(ler)würstle an das hungrige Volk zu verteilen. Kleinere Beiträge sowie die „Letzte Seite“ runden diese Chor- nachrichten wie gewohnt ab. Nun aber viel Spaß beim Lesen. C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9 1
Aus dem Inhalt 1 Editorial 20 Te Deum Kurze Entwicklungsgeschichte einer 3 Rückblick auf ein alten musikalischen Gattung erfolgreiches Jahr 2018 Ein Bericht zur 185. 22 Ars Vocalis präsentiert Jahreshauptversammlung am 26. romantische Chormusik Februar 2019 Das „Schicksal“ als Motto 8 Anton Bruckner 22 Impressum Versuch einer Annäherung 30 Jubilar des Jahres 17 Hörtipp zu Ostern Franz von Suppé (1819-1895) Der legendäre „Sängerkrieg der Heidehasen“ 31 Letzte Seite(n) 18 Der Wiederholungstäter Wolfgang Mettler vor dem Jakobiner-Tribunal Anzeige_Wobak_125x80mm.qxd 23.03.2015 10:39 Uhr Seite Titelseite: 1 Mettler verteidigt sich Wolfgang beim Jakobiner-Tribunal. Foto: Werner Bartl ANZEIGE n e be en en L hn hl o ü Ihr Partner für W hlf o Mietwohnungen W Eigentumswohnungen Eigenheime | Projektsteuerung Hausverwaltung Benediktinerplatz 7 78467 Konstanz Telefon 0 75 31 / 98 48 0 E-Mail: info@wobak.de www.wobak.de 2 C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
1 8 5 . J A H R E SH AU P TVE R SA M M LU N G Der amtierende Vorstand des Sinfonisches Chors. Birgit Steven-Lahno, Andrea Uwira, Fotos: H.-J. Knopf Florian Rothfuß, Johannes Pötter-Schmitt, Anneruth Zwicker und Birgit Koch (v.l.n.r.) Rückblick auf ein erfolgreiches Jahr 2018 Ein Bericht zur 185. Jahreshauptversammlung am 26. Februar 2019 Von Hans-Joachim Knopf auf ihre bisherige Chorzugehörigkeit zurück. Mit einem Schmunzeln bekannte Pius, dass Es waren mehr als erfreuliche Zahlen, mit er schon mit 14 Jahren zum ersten Mal in denen der Geschäftsführende Vorsitzende den Reihen des Tenors saß, neben ihm ein Johannes Pötter-Schmitt die 185. Jahres- 70jähriger Mitsänger. hauptversammlung (JHV) des Sinfonischen Chors eröffnen konnte: Die Zahl der Chor- Johannes Pötter-Schmitt ging in seinem mitglieder blieb gegenüber 2017 praktisch Jahresrückblick zunächst auf den Tod von konstant und zählte zum 31. Dezember 2018 Heinrich Frommknecht am 25. Mai 2018 exakt 102 aktive Sängerinnen und Sänger ein, unterstützte Frommknecht doch den sowie 60 Unterstützerinnen und Unterstüt- Chor über viele Jahre mit Zuwendungen zer (Ehren-, Fördermitglieder und inaktive aus seiner Stiftung in Dortmund, dem Sitz SängerInnen). des von ihm gelenkten Versicherungsun- ternehmens Signal Iduna. Es war auch der Erfolgreiches Jahr 2018 ausdrückliche Wunsch des Verstorbenen, Nach der Eröffnung der 185. Jahreshaupt- dass der Sinfonische Chor dessen Trauerfeier versammlung konnte der Vorsitzende zwei gestaltete. Und diesem Wunsch wurde gerne Tenören gratulieren, die kürzlich bedeutende nachgekommen. Dafür bedankte sich der Geburtstage feiern durften: Herzliche Glück- Vorsitzende nochmals. Nicht unerwähnt ließ wünsche gingen an Pius Höger (25 Jahre) und er, dass der Chor mit einer Spende aus der Patrick Freytag (50 Jahre). Beide blickten kurz Frommknecht-Stiftung bedacht wurde. C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9 3
185. J AH R E S H AU P TVE RSAMMLUNG Erstes musikalisches Highlight des Jahres Steven-Lahno, die mit der Einführung des 2018 war zweifelsohne das Schubert-Konzert Online-Ticketsystems mit dazu beigetragen in der Konstanzer Gebhardskirche am 24. Juni. hat, den Kartenverkauf attraktiver zu gestal- Unter dem Motto „Eine Stunde mit Franzl S.“ ten. Mit dem Lucia-Singen auf der Insel Mai- wurde Schuberts G-Dur-Messe und weitere nau ging das Konzertjahr 2018 am 12. Dezem- kleinere geistliche Werke aufgeführt. Ein ber zu Ende. Dirigent Wolfgang Mettler hatte Konzert, das eine positive Rezension im Süd- eigens eine Lucia-Hymne zum Lichterfest kurier erfuhr und immerhin 354 ZuhörerInnen für die Insel Mainau komponiert, die der Chor erreichte, was angesichts eines großen Kon- schließlich bei weihnachtlichem Ambiente kurrenzprogramms im Frühsommer als Erfolg zusammen mit anderen Weihnachtsliedern zu werten war. Ein herzlicher Dank ging dabei vortrug. Die Insel Mainau bedankte sich nicht auch an das Concerto Konstanz, das dem Chor nur mit einer großzügigen Spende, sondern mit einem Spezialpreis entgegenkam. sprach für den 12. Dezember 2019 bereits wieder eine Einladung aus. Das Herbstkonzert am 18. November 2018 mit Mozarts Requiem war ein grandioser Im zweiten Tagesordnungspunkt ging es Erfolg. Die ausverkaufte Gebhardskirche dann um den Kassenbericht des Jahres 2018, am Konzertnachmittag sowie eine sehr gut den Schatzmeisterin Birgit Koch vorlegte. besuchte öffentliche Generalprobe am Tage Insgesamt schloss der Sinfonische Chor zuvor bescherten dem Sinfonischen Chor das Haushaltsjahr 2018 mit einem kleinen 1160 Zuhörerinnen und Zuhörer. Die vielen Überschuss ab. Das wurde umso erfreuter positiven Zuschriften zeigten, wie sehr aufgenommen, als die letzten Jahre oftmals dieses Konzert, das schon am 25. Oktober ein kleines Minus in den Büchern stand. Die ausverkauft war, Begeisterung hervorgeru- Kassenprüfer, Patrik Freytag und Wolfgang fen hat. Ein besonderer Dank ging an Birgit Himmel, hatten die Finanzen 2018 im Februar Johannes Pötter-Schmitt ehrt Gisela Auchter, die den Sopran 44 Jahre aktiv unterstützt hat. 25 Jahre trug sie außerdem die Verantwortung für die Chornachrichten 4 C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
1 8 5 . J A H R E SH AU P TVE R SA M M LU N G Der Geschäftsführende Vorsitzende (links) gratuliert den ChorjubilantInnen. Martina Maier und Dr. Michael Kroemer (beide 10 Jahre), Maria Rosner, Ernst Heim und Detleff Rosner (alle 30 Jahre), Inés Eckerle (20 Jahre), v.l.n.r. 2019 gründlich eingesehen, geprüft und unterstützen: Maria und Detleff Rosner sowie konnten die ordnungsgemäße Buchführung Ernst Heim durfte zu diesem tollen Jubiläum bestätigen. Sie schlossen ihren Bericht mit herzlich gratuliert werden. Allen Geehrten einem großen Dank an Birgit Koch ab. Ehren- überreichte der Geschäftsführende Vorsit- vorstandsmitglied Alfred Greis beantragte zende ein kleines Präsent. daher nach der Aussprache die Entlastung des gesamten Vorstands, der einstimmig Zum Abschluss dieses Tagesordnungspunk- entsprochen wurde – bei Enthaltung des tes stand aber noch eine besondere Ehrung Vorstands. aus: Gisela Auchter hatte Ende 2018 ange- kündigt, dass sie sich leider gesundheitsbe- Sängerinnen und Sänger für dingt vom aktiven Mitsingen verabschieden lange Mitgliedschaft geehrt muss. Bis dahin sang sie 44 Jahre! in unserem Ehrungen für lange Zugehörigkeit und Chor im Sopran und hat darüber hinaus auch aktives Mitsingen sind immer Zeichen eines immer Verantwortung für die Chorarbeit gewachsenen und lebendigen Chors. Auch übernommen. Besonders hervorzuheben ist bei der diesjährigen Jahreshauptversamm- ihr Engagement für die Chornachrichten, die lung konnten wieder viele Glückwünsche sie maßgeblich geprägt hat – seinerzeit noch ausgesprochen werden. Zum zehnjährigen als „Blaues Blättle“ bekannt – und für die sie Jubiläum gratuliert wurde Martina Maier und 25 Jahre, bis 2007, die Verantwortung inne- Dr. Michael Kroemer. Auf 15 Jahre bringt hatte und für ihr Ehrenamt ausgezeichnet es schon Yunjun Xu, die leider krankheits- wurde. Unter ihr wurden die Chornachrichten bedingt nicht persönlich beglückwünscht was sie heute sind: ein Aushängeschild für werden konnte. Herzliche Worte gingen an den Sinfonischen Chor Konstanz, weit über Inés Eckerle, die den Sopran bereits seit über interne Chorgrenzen hinweg gelesen, auch 20 Jahren unterstützt. Und schließlich gab von unseren Partnerchören im Ausland. Sie es noch drei Sängerinnen und Sänger, die zeichnete nicht nur verantwortlich für die den Chor schon 30 Jahre mit ihrer Stimme Jubiläumsbroschüre zum 175. Chorjubiläum, C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9 5
185. J AH R E S H AU P TVE RSAMMLUNG sondern auch für viele fundierte Berichte werden. Ein schönes Rahmenprogramm ist und Werkseinführungen, die sie immer mit zusammengestellt, das neben dem gemein- viel Spaß und guter Feder erstellte. samen Konzert in der Gebhardskirche am 6. Gisela Auchter dankte für die Ehrung, machte Juli auch allerlei Möglichkeit zur Geselligkeit aber auch deutlich, dass ein Abschied vom bieten wird. Auf dem Konzertprogramm mit Chorleben für sie nicht in Frage komme: dem Concerto Konstanz stehen Werke von Genau genommen würde sie schon seit dem Schubert (G-Dur-Messe und Magnificat), 14. Lebensjahr in Chören singen. Jetzt werde sowie ein Soloprogramm des ungarischen sie eine kritische Zuhörerin bei den Konzerten Chores und Orgelmusik des Domorganisten sein und auch weiterhin am Chorgeschehen András Gábor Virágh. Besonders freuen wir teilnehmen. Und selbstverständlich werde uns auch auf ein Wiedersehen mit dem 1934 sie auch weiterhin Beiträge für die Chornach- geborenen László Fehér, dem Dirigenten des richten schreiben, versicherte Gisela Auchter. ungarischen Chors. Gedankt wurde ihr mit einem Geschenk und langanhaltendem Applaus. Das große Herbstkonzert mit der Südwest- deutschen Philharmonie findet dann am 17. Jahresprogramm 2019 November 2019 in der Gebhardskirche statt. Im nächsten Tagesordnungspunkt konnten Bruckners Messe in d-Moll und das Te Deum die Mitglieder über das herausfordernde Pro- werden schon intensiv einstudiert. Ein sehr gramm für 2019 informiert werden. Zunächst attraktives Programm, sodass wir wieder auf kommt vom 4.-8. Juli unser ungarischer Part- eine volle Kirche hoffen. Das Lucia-Singen am nerchor, der Chor der Szent István Bazilika in 12. Dezember 2019 auf der Insel Mainau wird Budapest, zu Besuch. Bei dem von Andrea das Konzertjahr 2019 beschließen. Uwira organisierten Besuch können dann 56 Ungarinnen und Ungarn in Konstanz begrüßt Auf Punkt 6 der Tagesordnung stand das Thema Chornachrichten. Johannes Pöt- ter-Schmitt erklärte, dass er schon vor einiger Zeit von Redakteur Dr. Hans-Joachim Knopf gebeten wurde, einen Ersatz für die Redak- tion zu suchen. Der Redakteur nahm diesen Faden auf und erklärte den Mitgliedern, dass er nun über 10 Jahre für die Chornachrichten verantwortlich sei. Er wünsche sich einen Wechsel, denn der Redakteur präge auch immer entscheidend den Stil dieses Medi- ums, nun aber sei es an er Zeit für frischen Wind. Es sei ohnehin ein guter Zeitpunkt für einen Wechsel, da auch der Mediendesigner Reinhard Albers aufgehört hätte und mit der neuen Mediendesignerin, Andrea Kiss, die Chornachrichten in neuem Design erscheinen werden. Hans-Joachim Knopf betonte aus- Pius Höger wurde zum 25. Geburtstag gratuliert. Mit 14 Jahren drücklich die Bedeutung der Chornachrichten, begann seine Chorkarriere die über Chorgrenzen hinweg Anerkennung 6 C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
1 8 5 . J A H R E SH AU P TVE R SA M M LU N G fänden. Daher läge ihm die Nachfolge sehr am Herzen und er freue sich über Meldungen bei ihm oder beim Vorstand. Mit dem Punkt „Verschiedenes“ schloss die Jahreshauptver- sammlung 2019. Es wurde bekanntgegeben, dass für den Bass ein Stimmführer gesucht werde. Wolfgang Mettler warb darum, dass sich der Chor noch stärker um die Akquise von Sponsoren, Gönnern und Fördermitgliedern kümmern müsse. Die Sitzung schloss um 22:05 Uhr. Packen wir das Programm für 2019 an! Der Chor ist weiterhin gut aufgestellt. Herzliche Gratulation auch an Patrick Freytag zum 50. Geburtstag ANZEIGE LECKER VON A BIS Z www.edeka-baur.de a uen Reinsch C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9 7
A NTO N B R UC K N E R Anton Bruckner Versuch einer Annäherung Von Gisela Auchter befragt nach seinem Berufswunsch, zur Ant- wort gab: „A Lehrer, wie da Vater.“ Dies habe Im oberösterreichischen Ansfelden 1824 er aus „kindlicher Anhänglichkeit“ geäußert, geboren, schaffte Anton Bruckner, ein spät fügte er später einschränkend hinzu. Den Berufener und mit unendlicher Langsamkeit einmal in aller Bescheidenheit ausgespro- Schaffender, erst im Alter von 40 Jahren den chenen Wunsch, Kapellmeister zu werden, Durchbruch zum eigenen freien und unbeein- hatte die Mutter als „hochfahrend“ abgelehnt flussten Komponieren. (Neumayr, S. 269). Bis dahin hatte er sich eine solide handwerk- So ging er also zunächst den Weg eines liche Praxis als Chorleiter, als Lehrer, vor Lehrers, vernachlässigte aber so gut es ging allem als Organist erworben. Es ist jedoch und wie es in seiner bescheidenen Stellung bezeichnend, dass er als Sechzehnjähriger, überhaupt möglich war, nie seine musika- lische Ausbildung. „Leitende Hände hatte Bruckner genug gefunden, aber es bedurfte Am 3. Oktober 2013 verließ der der lösenden Hand, die ihn aus dem Banne Kögel-Reisebus mit der Aufschrift der Liedertafelei, der Gelegenheitskomposi- „Musik ist die gemeinsame Sprache tionen und der kirchlichen Gebrauchskunst der Menschheit“ mit Ziel Budapest befreite. Es bedurfte eines kräftigen auf der Höhe von Linz die Autobahn Zuspruchs, um Selbstvertrauen zu erlangen.“ – einer spontanen Idee Wolfgang (Blume, Sp. 347) Mettlers folgend – und brachte uns nach St. Florian, einer der wichtigs- Durchbruch und Depression ten Stationen im Leben und Schaffen Das Wagnis und das Selbstvertrauen, den Anton Bruckners. Hier in der Stiftskir- Weg eines ernstzunehmenden Komponisten che des beeindruckenden Benedikti- schließlich doch einzuschlagen – dabei half nerklosters hat er auch seine letzte ihm wesentlich der Linzer Cellist Otto Kitzler. Ruhestätte gefunden. Der wirkliche Durchbruch kam dann 1864 mit der Messe Nr. 1 in d-Moll, die mit einem Spontan stimmten wir das „Locus Paukenschlag Bruckners ganzes komposito- iste“ an und lauschten danach einer risches Spektrum offenbarte. Sie gilt als das ebenso spontanen Improvisation zu Zeugnis einer „eruptiven Selbstbefreiung“ dieser Motette durch den Stiftsorga- (Blume, Sp. 348). Am 20. November 1864 nisten. Dies war einer jener höchst wurde sie unter Bruckners Leitung im emotionalen Momente, die wir mit Alten Dom zu Linz uraufgeführt und am 18. unserem Chor immer wieder erleben Dezember im Redoutensaal wiederholt. Die dürfen und die das Miteinander in Aufnahme beim Publikum war überschwäng- unserer Gemeinschaft so unvergess- lich. In der Entstehungszeit der d-Moll-Messe lich machen. schrieb Bruckner ebenfalls die Sinfonie in d-Moll, die er später als die Nullte in die Reihe 8 C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
A NTON BR U C K N E R seiner Sinfonien einordnete. Dies war auch die Zeit der ersten Bekanntschaft mit einem Wagnerschen Werk, dem Tannhäuser. Als sein Freund und Gönner Johannes Her- beck 1867 eine Aufführung der Messe in der Wiener Hofkapelle durchsetzte, erklang nicht nur zum ersten Mal ein Werk Bruckners in der Hauptstadt des großen k-u.-k-Reiches, man horchte auch auf. Eine Aufführung an einem solch illustren Ort wie der Hofkapelle – jeder Komponist hätte das als Auszeichnung emp- funden. Nicht so Bruckner. Sein seelischer Zustand erlaubte dies nicht. Die Komposition als Akt der Selbstbefreiung hatte ihn übermäßig verzehrt, als Musiker war er unzufrieden. Entnervt von den Umarbeitungen seiner Werke, zu denen er sich durch den Rat „wohlmeinender“ Freunde mehr oder weniger freiwillig veranlasst sah, leidend an der Enttäuschung einer gerade zurückgewiesenen Liebe, von Berufs- und Studienarbeiten völlig überlastet – dies alles stürzte ihn in eine tiefe Depression. Er war am Ende seiner Kraft, einem Nervenzusam- menbruch nahe. Eine Manie, alles und jedes zählen zu müssen, bemächtigte sich seiner Psyche. Er zählte die Blätter an den Bäumen, die Sandkörner am Donauufer, die Sterne am Himmel, die Blumen auf dem Tapetenmuster. Kurz vor seinem Tod kehrte diese quälende Manie übrigens wieder: Diesmal zählte er die Gebete, die er absolvierte, die Rosenkränze und Fürbitten, und führte sorgfältig Buch darüber. Im August 1867 war der Zustand seiner seelischen Bedrängnis so bedenklich geworden, dass er sich einer Behandlung in der Kaltwasserheilanstalt in Bad Kreuzen unterzog. „Ausbrechender Irrsinn“ lautete eine seiner Zukunftsprognosen. Aber Bruck- ner erholte sich, um nun endlich seinen Weg als Sinfoniker beschreiten zu können. In der Retrospektive bezeichnete er die Jahre Bruckner im Lehnstuhl, Fotografie 1894 C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9 9
A NTO N B R UC K N E R 1864/65 selbst als die große Wende in sei- einen scharfen Schnitt.“ Soweit der Musikwis- nem Leben. Alles was davor entstanden war, senschaftler Friedrich Blume (MGG, Sp. 367). erklärte er für „ganz und gar ungültig“, ver- Dass ein Komponist alles, was erst jenseits nichtete es oder hat es nur bedingt anerkannt der Vierzig seinem Schöpfergeist entwach- (Blume, Sp. 367). sen ist, anerkennt, dürfte ziemlich einmalig sein. Dieser Vorgang enthüllt schlagartig Zu den Werken, die seinem Urteil stand- den komplizierten Weg, den Bruckner gegan- hielten, gehörten alle neun Sinfonien, sein gen ist. einziges kammermusikalisches Werk, das Streichquintett, die drei Messen, das Te Das Te Deum Deum, der 150. Psalm, einige Motetten und Unter einem glücklicheren Stern stand die Männerchöre. „Damit hat er selbst bestätigt, Entstehung des Te Deums. Die Anregung was die Kenntnis seiner Werke ohnehin zur Komposition kam von dem Wiener offenbart: Von den Früh- zu den Spätwerken Kapellmeister Joseph Hellmesberger. Voller führt keine Brücke. Es gibt keine eigentliche Elan entwarf Bruckner das Te Deum im Mai ‚Entwicklung’ im Sinne eines allmählichen 1881 innerhalb nur einer Woche. Es sollte Fortschreitens vom Schülertum zur Meister- zur Krönung seiner kirchenmusikalischen schaft, von der Unfreiheit zur Souveränität, Kompositionen werden. Die endgültige vom Primitiven zum Vollkommenen, vom Fassung war 1886 vollendet. Aber Hellmes- Kindheitsversuch zur Altersreife. Es gibt nur berger fand das Werk „zu lang“ und wollte Autograph aus dem Gloria der d-Moll-Messe von Anton Bruckner 10 C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
A NTON BR U C K N E R Bruckner zu Kürzungen veranlassen. Dieser, Herbeck als Professor für Musiktheorie durch schlechte Erfahrungen aus ähnlichen und Orgelspiel am Konservatorium endlich Ansinnen seiner Freunde ein „gebranntes Fuß zu fassen hoffte. So, wie zu dieser Kind“, lehnte ab, was wiederum Hellmesber- Zeit die Meinungsfronten um Brahms und ger dazu veranlasste, eine Aufführung zu Wagner wie ein Geschwür quer durch das verweigern. Heute erscheint es ganz und gar musikalische Wien verliefen, konnte es nicht unverständlich, warum Bruckner nicht eine ausbleiben, dass Bruckner in die Mühlsteine günstigere Gelegenheit für eine angemes- der Auseinandersetzungen hineingeriet und sene, repräsentative Aufführung abwartete. unter den von ihm unverschuldeten Anfein- Nein, er begnügte sich damit, in Ermangelung dungen maßlos zu leiden hatte. Ahnungslos eines Orchesters das Werk in Begleitung wie ein Kind, ohne eigene „Hausmacht“, bar von zwei Klavieren aus der Taufe zu heben. jeder Lebensklugheit, wehrlos, aus seiner Erst ein knappes Jahr später war es dann, bedingungslosen Wagner-Verehrung keinen ebenfalls in Wien, in seiner vollständigen Hehl machend, taumelte er geradezu hinein Fassung mit Orchesterbegleitung zu hören. in die Schusslinien. Seine Parteinahme In gewisser Weise ist das Te Deum unter für Wagner hätte man ihm vielleicht noch den Schöpfungen Bruckners eine Ausnahme, verziehen, auch die Ausstrahlung eines nicht nur hinsichtlich des relativen Tempos, kauzigen Sonderlings, der so gar nicht in in dem es fertig gestellt wurde, sondern auch die Weltstadt Wien passen wollte. Man war in seiner Erfolgsbilanz. Es wurde begeistert durchaus geneigt, ihm „mildernde Umstände“ aufgenommen und schon bald in vielen zuzugestehen, und so ließ sich Bruckners Städten aufgeführt, so zum Beispiel unter Verhältnis zur Wiener Musikwelt zunächst Gustav Mahler in Hamburg. Als erstes Bruck- sogar friedlich und zufriedenstellend an. Er ner-Werk überhaupt kam es nach Amerika, hatte durchaus Freunde, Herbeck förderte nach Cincinnati, wo es stürmisch bejubelt ihn, wo er nur konnte, und der Kritikerpapst wurde. Eine denkwürdige Aufführung erlebte seiner Zeit, Eduard Hanslick, stand ihm der greise Meister 1891 dann noch selbst in bei aller sachlichen Ablehnung anfangs Berlin. Dies sollte der mit Abstand größte wohlwollend gegenüber. Er hatte Bruckners Triumph in seiner Musikerlaufbahn werden. Bewerbung nach Wien sogar unterstützt. Zeitzeugen haben berichtet, dass er in einer Zu offenen Feindseligkeiten kam es erst, als Weise gefeiert worden sei, wie es bis dahin Bruckner seine 3. Sinfonie, die eine ganze im Berliner Musikleben noch nicht vorgekom- Reihe Wagnerscher Zitate enthält, dem von men sei. Übrigens: nicht Kaiser Franz Joseph, ihm verehrten Meister widmete. Dieser nahm wie man es Bruckner nahe gelegt hatte, die Huldigung auch an, ließ durch seine Frau ist dieses großartige Opus gewidmet, son- Cosima danken, stellte eine Einladung nach dern zur „Danksagung für so viel überstan- Bayreuth für 1876 in Aussicht und kümmerte dene Leiden in Wien“ dem lieben Herrgott sich weiter nicht um das Werk. Das war 1874. (Neumayr, S. 295). Richtungskämpfe und Professur in Wien „Zukunftsmusik“ 1868, im Oktober, ließ sich Anton Bruckner in Kurz zuvor war Bruckner dem Wagner-Verein Wien nieder, wo er nach langem Ringen und beigetreten, wodurch er sich – scheinbar – einer mit unendlicher Geduld ausgetragenen als „Wagnerjünger“ bekannte und in den. Vermittlungstaktik seines Gönners Johann Dunstkreis der „Neudeutschen“ rückte. C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9 11
A NTO N B R UC K N E R Das hat ihm das endgültige Misstrauen des Bruckner – Brahms – Wagner konservativen, an der Klassik beharrenden Bruckner war ganz und gar kein Mann der Wien mit Brahms und Hanslick an der Spitze Polemik, und Brahms war von ausgesprochen eingetragen und ihn später dem „Martyrium“ nobler Gesinnung. So haben sich beide von Böswilligkeiten und Gehässigkeiten persönlich vom Richtungskampf eher fernge- ausgesetzt, wie Bruckner diesen ungeheuren halten und die Atmosphäre wohl kaum direkt offiziellen Druck selbst einschätzte. angeheizt. Wohlmeinende Anhänger beider Dabei ging es gar nicht so sehr um die Per- Fronten haben sogar am 25. Oktober 1889 sonen Brahms – Wagner – Bruckner, es waren ein Treffen der Protagonisten in Brahms’ vielmehr schlichte, von den Parteigängern Wiener Stammlokal, dem „Roten Igel“, orga- verschärfte Richtungskämpfe. Es ging um die nisiert. Eine Annäherung gab es nicht, außer Furcht der retrospektiven Musikschaffenden dass es ein netter Abend war. Man hatte sich vor der Kraft der „Zukunftsmusik“ oder, wie einfach nichts zu sagen. Zu sehr bestand es Hanslick anlässlich seiner Besprechung ihr Verhältnis zueinander in der Negation, von Bruckners 8. Sinfonie ausdrückte, um zu diametral entgegengesetzt waren ihre die „Übertragung von Wagners dramatischem Musikauffassungen. Stil auf die Symphonie“. Die konservativen Kreise hatten die Vision, dass solcher „traum- Anders Bruckners Verhältnis zu Wagner, das verwirrten Katzenjammermusik“ die Zukunft menschlich als einseitig bezeichnet werden gehören sollte, eine Zukunft, „die wir nicht muss. Musikalisch waren sie in gewisser darum beneiden“ (Neumayr, S. 261). Weise seelenverwandt – vom Orchesterklang war schon die Rede – sie hatten durchaus Die Abwehr gegen diese „Zukunftsmusik“ eine gemeinsame (Ton)Sprache, waren beide mag auch ihre Ursachen haben in den bis dahin musikalische Erneuerer. Und es gibt noch nicht gekannten Längen der Brucknerschen eine weitere Gemeinsamkeit: beide haben Sinfonien, die alle Ausmaße des Gewohnten sich mit einer Ausschließlichkeit für nur eine sprengten. Dass man sie auch als „chaotisch“ Musikgattung entschieden, wie es vorher bezeichnete, ist für uns heute jedoch schwer keiner der großen Komponisten getan hat: nachvollziehbar, sind doch Bruckners Werke Wagner für das Musikdrama, Bruckner für in ihrer Klang- und Formenwelt von starken die Sinfonie. Ordnungsprinzipien getragen. Bruckner lernte Wagner anlässlich der Die Kritiker verkannten, dass seine Kompo- Uraufführung von Tristan und Isolde 1865 sitionen im Grunde eine Fortentwicklung in München kennen. Während Wagner das des Beethovenschen Formenbaus waren. Genie des Jüngeren sofort erkannte, ihn mit Eigentlich ein Kuriosum – denn beide Par- Lobsprüchen bedachte und mit Versprechun- teien beanspruchten für sich die Nachfolge gen, sämtlichen Werken zu Aufführungen Beethovens. Die Brucknerschen Klangfarben zu verhelfen – wobei es dann freilich blieb –, dagegen kommen aus dem Wagner-Orches- verehrte Bruckner ihn wie einen Halbgott. ter. Das gilt für den Orchesterklang ebenso wie für die Orgel, dem Instrument, an dem Wagner hat sich die Brucknerschen Huldigun- Bruckner sich wirklich heimisch fühlte und gen gerne gefallen lassen. Aber, Egozentri- das er so meisterhaft beherrschte wie wohl ker, Machtmensch, Mann der großen Welt, der kein zweiter in Europa. er war, hat er sich nie ernsthaft mit einem 12 C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
A NTON BR U C K N E R linkischen, ungeschickten, durch mangelnde Selbstsicherheit gehemmten, emotionalen und gleichermaßen devoten Menschen wie Bruckner eingelassen. Trotzdem war für Bruckner die Aufmerksamkeit des von ihm so Verehrten in Anbetracht der Wiener Geg- nerschaften von ungeheurer psychologischer Bedeutung. Sie gaben ihm künstlerische Zuversicht und waren ihm geistiger Halt. Legendär die von Bruckner selbst geschil- derte Begegnung der beiden 1882 in Bay- reuth, in deren Verlauf er vor dem Verehrten in die Knie sank und ihm die Hand küsste. Ein solches Verhalten weckt in uns heute gera- dezu ein Gefühl der Peinlichkeit, der Scham, des heimlichen Voyeurismus, ja, es stimmt Anton Bruckner mit dem Franz-Josephs-Orden, eigentlich traurig. Die Frage nach dem Men- der ihm in Folge der Uraufführung des Te Deums verliehen wurde. Fotografie aus dem Jahr 1886 schen Bruckner drängt sich auf. Wenn man ihr nachgeht, stößt man überall auf Wider- wohlmeinenden Freunden sei es immer wie- sprüchliches, es ist das Psychogramm eines der gelungen, ihn im höchsten Grade zu ver- Außenseiters, das sich nur zögernd, wenn unsichern. Getrieben vom Drang nach Erfolg, überhaupt, erschließt. Hier die private Seite aber durch jeden Misserfolg verschüchtert, des Menschen Bruckner, der sich in formel- von Natur aus zu behaglicher Lebensfreude haftem Auftreten äußert, dort die andere, die hingezogen, aber von Gewissensbissen und künstlerische Seite des Musikschaffenden, Selbstverkennung fortwährend vereinnahmt, der sich seelisch verbraucht und verschwen- sei er mit seiner völlig unreflektierten Urmu- det (Neumayr, S. 264). sikalität in eine teils gedankenblasse, teils bewusst revolutionäre, in jedem Falle jedoch Bruckner – der Mensch literarisch-beziehungsreiche Musikwelt hin- Bei Friedrich Blume lesen wir: „Im Verkehr eingestellt worden. mit seiner Umwelt, mit Freunden und Schü- lern, Gegnern und Gönnern ist Bruckner in Auch in seiner äußeren Erscheinung hat seinen späten Jahren ungleich, oft übermäßig Bruckner das Kauzige nie abgelegt, nicht devot oder gutmütig, oft aber auch herrisch seine viel zu großen, „vom Tischler gezimmer- und ungerecht gewesen. Die Sorge um ten“ (Neumayr, S. 373) Anzüge oder seinen Bewahrung und Ausbreitung seines Werkes stark ausgeprägten oberösterreichischen überwog alles andere. Daraus erklären sich Dialekt, nicht seine Vorliebe für deftige Spei- manche Widersprüche in seinen Urteilen…“ sen und Getränke, nicht das Vergnügen, das Der Umgang mit Bruckner sei alles andere ihm Tanz und Geselligkeit, insbesondere zur als leicht gewesen, heißt es weiter. Seit Faschingszeit, bereiteten. Das alles passte seinem Durchbruch 1864/65 sei er sich nicht in das elegante Wien, wollte sich nicht seiner Sendung durchaus gewiss gewesen, einreihen in das soziale und gesellschaftliche aber sowohl seinen Gegnern als auch seinen Gefüge der Weltstadt. C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9 13
A NTO N B R UC K N E R Man hat immer wieder darüber spekuliert, bekannt, aber auf jeden Fall hat er durchaus warum Bruckner in seinem späteren Leben an Bruckners Schicksal Anteil genommen. ein so durch und durch verunsicherter Mensch Sonst hätte er ihm wohl kaum in der letzten war, dem jedes Selbstwertgefühl zu fehlen Lebenszeit eine Wohnung im „Kustoden- schien. Viele sehen die Gründe hierfür in stöckle“ im Schloss Belvedere zur Verfügung seiner Kindheit, der Erziehung im ärmlichen gestellt und ständig für frische Blumen Elternhaus, dem frühen Tod des Vaters, der sorgen lassen. zur Schwermut neigenden tapferen Mutter, in der demütigenden Zeit als Schulgehilfe in Bruckner – der Erfolgreiche Windhaag und nicht zuletzt auch in den Jah- Es ist also keineswegs so gewesen, dass ren in St. Florian, die entscheidend geprägt Bruckner zu Lebzeiten kein Erfolg beschieden waren vom nachhaltigen Einfluss der klerika- gewesen wäre. Man hatte sein Genie durch- len Umgebung. aus – und das schon relativ früh – erkannt, und Förderer hatte er eigentlich sein Leben Auch dieses merkwürdige Bedürfnis nach lang. Vor allem gab es eine ganze Reihe von Sicherheit, nach Ordnung und Anerkennung Schülern und Anhängern – Gustav Mahler, Art- mag das Produkt einer im Grunde tiefen hur Nickisch, die Brüder Schalk, Hans Richter, Lebensangst gewesen sein. Alles und jedes Felix Mottl, Hugo Wolf, um nur einige zu nen- ließ Bruckner sich bestätigen. Er unterzog nen – die zum Teil selbst hervorragende Musi- sich unnötigen Prüfungen, ließ sich Zeug- ker waren und Bruckners Ruhm in die Welt nisse hinsichtlich seines Könnens, aber hinausgetragen haben. Da waren außerdem auch seiner Sittlichkeit ausstellen, kämpfte die großen Orgelkonzerte während der Reise mit einer oft überflüssigen Hartnäckigkeit in die Schweiz 1880, diejenigen in Nancy und um seine Einkommensbezüge – fast wäre in Notre Dame von Paris 1869, vor allem aber die Berufung nach Wien an einem solchen die schier unerhörten Triumphe, die er 1871 Vorgang gescheitert –, handelte schriftliche in London erlebte. Oder die denkwürdige Optionen für den beruflichen Aufstieg aus. Prüfung vom 22. November 1861 in Wien, der So überrascht es nicht zu erfahren, wie emp- er sich unterzog, um sich ein Zeugnis über fänglich er für öffentliche Auszeichnungen seine musikalische Befähigung ausstellen war, nach denen er selbst emsig strebte. zu lassen. Von allen hat ihn die Verleihung des Dr. h.c. durch die Universität Wien – was allerdings Die Prüfungskommission hatte ihm ein erst durch das hartnäckige Betreiben seiner besonders schwieriges Thema für die Orgel- Freunde möglich wurde – mit Stolz und improvisation gestellt und musste am Ende Genugtuung erfüllt. Auch die kaiserliche überwältigt feststellen: „Er hätte uns prüfen Auszeichnung mit dem Franz-Josephs-Orden sollen!“ Oft stand Bruckner sich nur selbst in der Folge einer Aufführung des Te Deum im Weg. „Skeptischer und furchtsamer hat 1886 ist für Bruckner ein Höhepunkt in seiner wohl kein Meister seinen Weg angetreten Laufbahn gewesen. Von der Audienz beim als Bruckner“, lautet das Fazit von Friedrich Kaiser im September des gleichen Jahres ist Blume (Sp. 345). Dies gilt allerdings nur übrigens Bruckners Ausspruch überliefert: für das Verhältnis gegenüber der Umwelt, „Verbietens allergnädigst dem Hanslick, dass hinsichtlich seines Schaffens und seines er so schlecht schreibt über mich.“ (Nowak, S. Sendungsbewusstseins bestand diese Unsi- 240). Ob der Kaiser dies getan hat, ist nicht cherheit nicht. 14 C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
A NTON BR U C K N E R Vereinsamung Einen Aspekt in Bruckners Leben, der mit Sicherheit schwere Auswirkungen auf seine Psyche hatte, sollte nicht unbeachtet bleiben: seine zunehmende innere Verein- samung, der Zwang, ohne eine ihm gemäße Gefährtin durchs Leben gehen zu müssen. Wie traurig wirkt der Satz aus einem Brief an den Freund Josef Seiberl: „Ich sitze immer arm und verlassen in meinem Kämmerlein…“ (Neumayr, S. 274). In seinem bäuerlichen Körper steckte eine sensible, zarte Seele, die sich oft, allzu oft an jungen Mädchen entzündete. Aber immer blieben seine Auf seinem Gemälde „Das Abendmahl“ hat Liebesgefühle unerwidert, musste er die der Maler Fritz von Uhde Bruckner als Apostel dargestellt Zurückweisung überwinden, meist versuchte er es im Gebet. Sein sich selbst auferlegtes ausübten. Nur einige dieser unerklärlichen Zölibat war durchaus nicht freiwillig. Es war Erlebnisse reichen aus, um Bruckners kompli- ihm einfach nicht vergönnt, Liebe zu wecken, zierte psychische Struktur zu verdeutlichen. vielmehr hat er die vielen Mädchen, um die er Schon als Kind hatte er in Ansfelden den vergebens geworben hat, durch sein befrem- Pfarrer zu Sterbenden begleiten müssen und dendes Gehabe irritiert und erschreckt. Hier früh den Ernst und den Schauer des Todes und da wird die Ansicht vertreten, Bruckners erfahren. Das muss bleibende Eindrücke in Biographie einerseits und das Werk anderer- ihm hinterlassen haben. Ein Beispiel: Als Bee- seits seien auf zwei getrennten Schienen thovens und Schuberts sterblichen Überreste verlaufen und hätten sich gegenseitig nicht auf den Wiener Zentralfriedhof überführt durchdrungen. Trotzdem stellt sich die Frage, wurden, eilte er zum Ort des Geschehens, und ob die lebenslange Vereinsamung nicht doch dort gelang es ihm, die Gebeine der beiden zu zu Überkompensationen geführt hat, die in berühren. Welch ein makabrer Nervenkitzel, den manchmal ekstatisch wirkenden, manch- welche neurotische Neugier haben ihn wohl mal sinnlich–erregenden Passagen in seiner dazu getrieben, die verkohlten Opfer aus Musik hörbar sind. der Brandkatastrophe im Ringtheater am 8. Dezember 1881 zu besichtigen? Dafür zahlte Totenverehrung er allerdings einen hohen Preis: den der Wahrscheinlich war die von ihm sehr geliebte Angst vor Geistererscheinungen, die seine Mutter die einzige Frau, die eine wirkliche überreizte Phantasie ihm aufzwang. Rolle in seinem Leben gespielt hat. Nach ihrem Tod hing in Bruckners Wohnzimmer, Solche Komponenten in Bruckners Wesen wo immer er auch gerade lebte, bis an sein lassen sich wohl kaum enträtseln, wohl Lebensende eine Fotografie, die sie auf dem aber seine lebenslange, von keinem Zweifel Totenbett zeigt. Das Bild war immer mit erschütterte Religiosität. Der bis an die einem kleinen Vorhang verhängt. Spätestens Grenze der Unbildung unliterarische Bruckner jetzt drängt es sich auf, an die merkwürdige war zutiefst verwurzelt in einer „erlebten, Anziehung zu denken, die Tote auf Bruckner herzenstiefen Frömmigkeit“, Gebet, Beichte, C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9 15
A NTO N B R UC K N E R Sakrament und Bekenntnis waren ihm in lang. Nachdem die Verkennung durch seine hohem Maße Lebenselement (Blume, Sp. Zeitgenossen vorüber und die romantisie- 359). So war das Te Deum, wie später auch rende Sichtweise zu Beginn des 20. Jahrhun- seine 9. Sinfonie, „dem lieben Gott“ gewid- derts längst Vergangenheit sind, wurde der met, so war sein ganzes Schaffen ein einziger Blick frei auf die tatsächliche Größe und Ein- Gottesdienst. Viele seiner Werke tragen das maligkeit Bruckners. Gustav Mahler hat auf Signum O.A.M.D.G. (Omnia ad majorem Dei seine Partitur-Abschrift des Te Deum anstelle gloriam = alles zur höheren Ehre Gottes). Oft der Angaben „für Chor, Soli und Orchester, genug hat Bruckner selbst betont, dass ihm Orgel ad lib“ geschrieben – und dies möchte ausgesprochen viel daran gelegen sei, am man dem gesamten Schaffen Bruckners als Jüngsten Tag sagen zu können, mit seinen Motto voranstellen: „für Engelszungen, für Pfunden gewuchert zu haben. Das hat er in Gottsucher, gequälte Herzen und für in Flam- der Tat getan, ein ganzes gequältes Leben men geläuterte Seelen.“ Literatur: Blume, Friedrich: Anton Bruckner. In: Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). Bd 2. Kassel 1989 Grebe, Karl: Anton Bruckner. Reinbek bei Hamburg 1972 Neumayr, Anton: Musik und Medizin. Bd 2. Am Beispiel der deutschen Romantik. Wien 1989 Nowak, Leopold: Anton Bruckner: Musik und Leben. 3. erw. Aufl. Linz 1995 Pahlen, Kurt: Oratorien der Welt. Zürich 1985 ANZEIGE ANZEIGE Gemeinschaftspraxis für Theodor-Heuss-Straße 1 Orthopädie – Unfallchirurgie – Handchirurgie 78 464 Konstanz Sportmedizin – Manuelle Medizin fon 07531 54343 Ambulante Operationen fax 07531 50601 Berufsgenossenschaftliche Heilverfahren info@chirurgie-konstanz.de www.chirurgie-konstanz.de Dr. med. J. Hundenborn · Dr. med. K. Rahm · Dr. med. S. Andric-Moser 16 C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
H ÖRTI P P Z U OSTE R N Illustration: Ole Könnecke Hörtipp zu Ostern Der legendäre „Sängerkrieg der Heidehasen“ Von Silke Schöttle singen darf. Glücklicherweise wird Lodengrün rechtzeitig vor diesem „häslichen“ Komplott Zur Osterzeit sollte dieses legendäre Hörspiel gewarnt. Während der coole Hasendandy erster Güteklasse auf keinem Plattenteller Otto Lampe (er hat in Wirklichkeit das beste fehlen: „Der Sängerkrieg der Heidehasen“ Lied!) und der schaurig nervöse Hasenspießer von James Krüss, 1958 erstmals auf Vinyl Hyazinth Löffelstein mit ihren Darbietungen gepresst, in den 1980ern ein Muss in jedem den Sängerwettstreit in die Länge ziehen, Kinderzimmer und noch immer für Erwachs‘ne reimt sich Lodengrün auf dem Weg zur ebenso ein absolutes Frühlingshighlight! Festwiese hoppelnd sein Lied zusammen, Darum geht’s: König Lamprecht der Siebente erscheint noch rechtzeitig und gewinnt nicht – König der Hasen und Karnickel – richtet im nur das Herz der Heidehasenprinzessin, Luftkurort Obereidorf einen Sängerwettstreit sondern auch den Kampf um das Gute und aus. Der Preis ist heiß: Es geht um nicht mehr Gerechte in der Hasenwelt. Minister und und nicht weniger als die Hand der Heideha- Wackelohr fliehen außer Landes. Lodengrün senprinzessin und den Thron des Heideha- darf die Prinzessin heiraten. senreiches! (Überkommene patriarchalische Strukturen blenden wir hier ausnahmsweise Prädikat: einmal aus). Ambitionierter Anwärter darauf Besonders wertvoll! ist nicht nur der junge, leicht chaotische Nur auf CD Hasenjunggeselle Lodengrün, sondern auch oder Platte! der korrupte, kurzatmige Althase Wackelohr, seines Zeichens Direktor des örtlichen Hasen- musikvereins. Angesichts der drohenden Nie- derlage des Letzteren schlägt das Schlitzohr alias Minister für Hasengesang (überragend spöttisch gesprochen von Charles Regnier) Wackelohr vor, die Sonnenuhr vor Lodengrüns Hasensasse so zu verstellen, dass dieser zu Verlag Mohndruck spät zur Festwiese kommt und nicht mehr Reinhard Mohn OHG Gütersloh C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9 17
JA KO B I N E R -TRIB U N AL Wolfgang Mettler (Mitte) wird vor dem Jakobiner-Tribunal Fotos: Werner Bartl angezeigt. Noch gibt er sich keck Der Wiederholungstäter Wolfgang Mettler vor dem Jakobiner-Tribunal Von Gisela Auchter mit harten Beschuldigungen auszuschalten versucht, die die Stirn hatten, die Kreise der Fassen kann man es eigentlich nicht! Da Jakobiner zu stören? Hatte man ihn nicht wurde doch tatsächlich der WAM (nicht sogar zum Ehrenjakobiner ernannt? Selbst zu verwechseln mit Wolfgang Amadeus bei „niederen“ Diensten wie dem Narren- Mozart) am Schmutzigen Donnerstag vor baumsetzen hat er mit Hand angelegt. Und das blut- und rachedürstende Tribunal der wegen seiner unverkennbaren Ähnlichkeit ungezähmten Jakobiner zitiert. Nichts war mit Franz Schubert hat er vor vielen Jahren ihm in diesen Stunden sicherer als der Tod (1998) sogar – gemeinsam mit seinem durch die Guillotine. Aber warum sollte es ihm Komplizen Tobias Engelsing – den Ruhm der auch besser gehen als weiland Maximilien de Konstanzer Fasnacht weit in die Fernsehwelt Robespierre, der ebenfalls von den Händen hinausgetragen und als „Quotenmann“ dafür seiner eigenen Parteigänger vom Leben zum gesorgt, dass die Konstanzer Fasnacht und Tode befördert worden war? mit ihr die Jakobiner via SWR nicht wegen Zuschauermangels sang- und klanglos ver- Was in aller Welt hat die Jakobiner von heute schwinden konnten. im 25. Jahr ihres Bestehens dazu getrieben, es den alten französischen Revolutionären Und nun dies: Anklage wegen „Verhinderung gleichtun zu wollen, nach dem Motto „Die der Straßenfasnacht“. In der Tat hatte er Revolution frisst ihre Kinder“? War Wolfgang 2011 plötzlich der Narretei auf der Straße Mettler doch einst selbst Gründungsmitglied den Rücken gekehrt und – wieder zusammen des Vereins, hat er doch unzählige Male mit seinem Komplizen Engelsing – in den höchstpersönlich mit zu Gericht gesessen stillen, angestaubten und dunkel holzver- und als Ankläger unliebsame Zeitgenossen täfelten Räumen des Rosgartenmuseums 18 C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
J A KOBI N E R -TR I BU N AL begonnen, dort Fasnachtslieder zu singen statt unten „uf de Gass“. Lieder gehobenen Niveaus waren das natürlich, vorgetragen vor handverlesenem großkopfetem Publikum. Und das über Jahre hinweg… Kein Jakobiner kann so eine solche Ignoranz dulden, und so zerrten ihre Schergen den unverbesserlichen Wiederholungstäter zum Richtplatz auf den Obermarkt. Im Angesicht der ungeduldigen und zahlreich erschienenen Volksmassen erhob Richter Ekkehard Greis vorab seine mahnende Stimme und rief zur Gerechtigkeit auf. Das ließ Ankläger Simon Schafheitle sich nicht Angesichts der Anklage fassungslos. zweimal sagen, schlug verbal so richtig zu Unserem Dirigenten wird es mulmig und zählte mit sichtlicher Genugtuung ein Vergehen nach dem anderen auf. „Komm, Worte. Einzig Conny Nack versuchte es, und Mettler, mach’s dir bequem, heut erhältst du Roswitha Baumgärtner konnte trotz einiger dein Requiem!“, drohte er unmissverständlich. bescheidener Beschwichtigungsversuche und ihrer eiskalt-zündenden Rachearie nichts Kein Wunder, dass Verteidigerin Claudia ausrichten. Zähringer kaum dagegen halten konnte. Wie auch, ist sie doch selbst jahrzehntelang kom- Es sah finster aus für den Delinquenten am plizenhaft mit dem Angeklagten verbunden Ende der Verhandlung. Das Gericht, das sich und hat mit ihm als Anführer im Sinfonischen mit leicht betretenen Mienen zur Beratung Chor mit den Wölfen geheult! Da war jedes zurückgezogen hatte, befand sich offensicht- Plädoyer um Freispruch vergebens. Auch mit lich nicht in der Lage, zu einem gerechten den Zeugen war wenig anzufangen. Weder Urteil zu finden und fällte – aus Hilflosigkeit Hans-Peter Jehle noch Norbert Heizmann alias und als Ultima ratio – das einzig richtige Urteil: Oswald von Wolkenstein fanden entlastende kein Freispruch – nein, das nicht – der große Musiker Wolfgang Mettler wurde verurteilt, ANZEIGE ein Lied für die Jakobiner zu komponieren, die Uraufführung hat pünktlich am 20.2.2020 PhysioParadies stattzufinden. Physiotherapie & Manuelle Therapie Kein Schuss aus der (Konfetti)Kanone, kein Niederfallen der Guillotine, stattdessen Florian Rothfuß zufriedene Gesichter und ausgestreckte Schulthaißstr. 1, 78462 Konstanz Hände, als der so glücklich Davongekom- Tel. 07531 365 90 95 mene Mett(ler)würstle an das hungrige Volk www.physioparadies.de verteilte, das soeben noch seinen Kopf gefor- kontakt@physioparadies.de dert hatte. C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9 19
KU R Z E R LÄUTE RT Te Deum Kurze Entwicklungsgeschichte einer alten musikalischen Gattung Von Gisela Auchter Hier das Te Deum von Georges Bizet – ein Werk diktiert von jugendlichem Temperament, ent- standen als „Herausgabe“ des frisch gekürten Rompreisträgers, eigentlich widerwillig und mehr aus Notwendigkeit niedergeschrieben, weil sich sein Schöpfer von allem Anfang der Oper verschrieben hatte – auf der anderen Seite das Te Deum von Anton Bruckner, ein Werk, das von den Nachgeborenen als Inbegriff tiefer Religiosität angesehen wird und das Bruckner selbst als sein Lieblings- werk bezeichnete. Welten liegen zwischen diesen beiden Kompositionen, obwohl ihre Entstehungsjahre – 1858 und 1884 – gar nicht so weit auseinander liegen und ihnen der gleiche Inhalt zugrunde liegt. Beide Werke hat unser Chor schon aufgeführt: Bizet 1993 und Bruckner 1995. „Te Deum laudamus“ sind die Anfangsworte eines gregorianischen Lobgesangs, die Martin Luther später mit „Herr Gott, Dich loben wir“ übersetzt hat. Der Text wird dem Hl. Ambrosius zugeschrieben, der im 4. Jahr- hundert Bischof von Mailand war und nach Berichten von Augustinus den Gesang von Hymnen in die römische Kirche eingeführt haben soll. Ob der Text, angeblich 386 während der Belagerung von Mailand durch die früh- christlichen Arianer entstanden, wirklich von Ambrosius stammt, ist nicht gesichert, er hat aber als so genannter „Ambrosianischer Taufe des Augustinus durch Bischof Ambrosius Lobgesang“ Eingang in die katholische Kirche von Benozzo Gozzoli (1420 – 1497) gefunden. Wir haben es hier also mit einer Bildquelle: commons.wikimedia.org/ sehr alten Gattung zu tun, die weit mehr als 20 C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
KU R Z E R L ÄU TE RT seit einem halben Jahrtausend Bestand hat. Im Mittelalter war das Te Deum, in seinen Anfängen noch einstimmig vertont, Teil des Breviers an Sonn-und Feiertagen außerhalb der Advents- und Fastenzeit. Es hatte durch- aus auch gemeinschaftsbildende Funktionen, da es bei Prozessionen, Bischofswahlen, Priesterweihen und anderen festlichen Gelegenheiten gebraucht wurde. Die erste vollständige Text-Aufzeichnung ist überlie- fert aus den Jahren um 690. Allerdings wurde bereits 530 von Bischof Cyprian von Toulon vom täglichen Gebrauch des Te Deums in der „Kirche des ganzen Erdenkreises“ berichtet. Georges Bizet Bildquelle: commons.wikimedia.org Das früheste bekannte Beispiel für eine (1838 – 1875) mehrstimmige Komposition des Te Deum ist aus dem 13. Jahrhundert überliefert. wie Lully, Charpentier und Purcell stehen Offensichtlich war aber das Interesse am dafür. Für das Te Deum des 18. Jahrhunderts, mehrstimmigen Te Deum in den einzelnen inzwischen zu einem prächtigen konzertie- Ländern sehr unterschiedlich. Man glaubt renden Kantaten- und Messestil gewandelt, heute, dass es sich deshalb bei diesen Ver- stammen die wichtigsten Beiträge aus der tonungen im 15. und 16. Jahrhundert oft nur Feder Georg Friedrich Händels, der den Text um eine Art „Gelegenheitsmusik“ von lokaler gleich sechsmal vertonte. Die Klassik kennt Bedeutung gehandelt hat. Trotzdem gewann die lateinischen Vertonungen von Haydn und das Te Deum als festlichster aller christlichen Mozart, dennoch hat sich diese Epoche zum Lobgesänge bei Ereignissen von Rang zuneh- Thema Te Deum eher zurückgehalten. Aber mend an Bedeutung, gerade auch wenn das 19. Jahrhundert hat hier für die Gestaltung diese Ereignisse weltlichen Inhalts waren groß angelegter sinfonischer Chorwerke die wie fürstliche Hochzeiten oder Krönungs- ideale Vorlage gefunden. Zu nennen wären feierlichkeiten. Unter den Komponisten der hier Liszt, Dvořák, Verdi (im 4. Teil seiner Neuzeit komponierte Palestrina als Erster die Quattro pezzi ) und schließlich Hector Ber- Missa Te Deum laudamus (1572). Übrigens: lioz, der sein Te Deum mit nicht weniger als auch die lutherische Kirche hielt noch lange 900 Mitwirkenden am Vorabend der Pariser an Vertonungen des lateinischen Textes für Weltausstellung herausbrachte. Spätestens ihre Zwecke fest. jetzt hatte sich das Te Deum zu einem reinen Konzertstück ohne Bindung an die christliche Erst das 17. Jahrhundert gab dem Te Deum Liturgie entwickelt. Auch das 20. Jahrhundert vollends den Charakter einer großen Fest- bescherte uns entsprechende Werke, etwa motette, wobei es sich immer mehr von der von Edward Elgar, Benjamin Britten, Avo Pärt ursprünglichen Bindung an die alte vorgege- oder Krysztof Penderecki. Als Gipfelpunkt in bene Choralmelodie löste. Dem Verständnis der langen Entwicklungsgeschichte dieser barocker Festlichkeit entsprechend, wurde markanten musikalischen Gattung dürfte jetzt auch die Trompete mehr und mehr obli- aber bis heute unangefochten das Te Deum gatorisch im Einsatz der Klangmittel. Namen von Anton Bruckner stehen. C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9 21
PA RT N E RCHO R Ars Vocalis präsentiert romantische Chormusik Das „Schicksal“ als Motto Stadtkirche Winterthur Foto: H.-J. Knopf Von Hans-Joachim Knopf der Johannespassion von Bach zur Kantate „Lobgesang“ von Fanny Mendelssohn, dem Unter dem Motto „Opus Schicksal“ konnte „Schicksalslied“ von Brahms zu Felix Men- unser Partnerchor Ars Vocalis aus Winterthur delssohns wunderschönem Psalm 42 „Wie in einem romantischen Chorkonzert am 30. der Hirsch schreit“. Sopranistin Franziska März 2019 in der Stadtkirche Winterthur Heinzen konnte ebenso überzeugen wie sein Können unter Beweis stellen. Dirigent das Männerquartett 42 (Philippe Jacquiard, Chasper-Curó Mani hatte ein attraktives Zacharie Fogal, Michael J. Schwendinger, Gré- Programm zusammengestellt und führte goire May) und die Camerata Cantabile. Der den Dirigentenstab mit viel Feingefühl Chor zeigte sich stimmsicher, Kirchenräume durch die überwiegend hochromantische sind aber für Chöre hinsichtlich Akustik und Chorliteratur: Der Bogen spannte sich vom Distanzen oftmals eine Herausforderung. Orchesterpräludium „Gott in Verkleidung“ des Dieses Konzert hätte ich mir in einem Kon- schwedischen Komponisten Lars-Erik Larsson zertsaal gewünscht, um den Chorklang noch (komponiert 1940) über den Eingangschor besser genießen zu können. IMPRESSUM Herausgeber: Sinfonischer Chor Konstanz e.V., Postfach 101 939, 78419 Konstanz; www.sinfonischer-chor-konstanz.de Bankverbindung: Sparkasse Bodensee, IBAN: DE70 6905 0001 0000 0387 37, SWIFT-BIC: SOLADES1KNZ Bankverbindung Chornachrichten: Sparkasse Bodensee, IBAN: DE70 6905 0001 0000 0207 92, BIC: SOLADES1KNZ Präsident: Oberbürgermeister Uli Burchardt Geschäftsführender Vorsitzender: Johannes Pötter-Schmitt, Telefon: 0172 8708506 | johannes.m.schmitt@web.de Chorleiter: Wolfgang Mettler, Telefon: 07531 22565 | wolfgang@mettler-kn.de Redaktion: Dr. Hans-Joachim Knopf, Telefon: 0151 18195947 | synthi@gmx.net Anzeigen: Roswitha Baumgärtner, Telefon: 07531 3690365 | roswitha.b@online.de Geschäftsstelle: Maria Rosner, Telefon: 07531 73363 Gestaltung: www.kissundklein.de | Druck: werk zwei Print + Medien Konstanz GmbH ANZEIGE Friedhelm Hugle bringen · stimmen · klingen Telefon +49 7531 91 56 91 · klang@pianoamsee.de · www.pianoamsee.de 22 C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
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