Rückblick Anton Bruckner - Sinfonischer Chor Konstanz

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Rückblick Anton Bruckner - Sinfonischer Chor Konstanz
C H O R N A C H R I C H TE N
                       www.sinfonischer-chor-konstanz.de

                       Rückblick
                       185. Jahreshauptversammlung

                       Anton Bruckner
                       Versuch einer Annäherung

                       Der Wiederholungstäter
                       Wolfgang Mettler vor dem
                       Jakobiner-Tribunal

1 - 2019
67. Jahrgang
Rückblick Anton Bruckner - Sinfonischer Chor Konstanz
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ist einfach.
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Rückblick Anton Bruckner - Sinfonischer Chor Konstanz
E D I TOR I AL

           Liebe Leserinnen und Leser,
                     die erste Ausgabe der Chornachrichten des Jahrgangs 2019
                     hält wieder viele interessante Beiträge für Sie bereit. Dem Sin-
                     fonischen Chor steht ein ereignisreiches Jahr bevor. Wir freuen
                     uns auf die Sängerinnen und Sänger unseres ungarischen
                     Partnerchors Szent István Bazilika, Budapest, die vom 4.-8. Juli
                     zu einem gemeinsamen Konzert bei uns zu Gast sein werden. In
                     diesen Chornachrichten berichten wir über die 185. Jahreshaupt-
                     versammlung unseres Chors, die im Februar stattgefunden hat.
                     Gisela Auchter geht in ihrem ausführlichen Beitrag auf den öster-
                     reichischen Komponisten Anton Bruckner ein, dessen Messe in
Hans-Joachim Knopf   d-Moll und dessen Te Deum wir in unserem Herbstkonzert im
                     November 2019 aufführen werden.

                     In einem karnevalistischen Rückblick beleuchtet Gisela Auchter
                     auch das diesjährige Jakobiner-Tribunal auf dem Konstanzer Ober-
                     markt. Und das aus gutem Grund: Angeklagt war unser Dirigent
                     Wolfgang Mettler wegen „Verhinderung der Straßenfastnacht“.
                     Doch er verteidigte sich bravourös, weshalb das Urteil glimpflich
                     ausfiel: Bis zum 20. Februar 2020 hat unser Künstlerischer Leiter
                     nun eine Hymne für die Jakobiner zu komponieren, außerdem
                     wurde er verurteilt, Mett(ler)würstle an das hungrige Volk zu
                     verteilen.

                     Kleinere Beiträge sowie die „Letzte Seite“ runden diese Chor-
                     nachrichten wie gewohnt ab.

                     Nun aber viel Spaß beim Lesen.

                                                                 C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9   1
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Aus dem Inhalt
      1        Editorial                             20      Te Deum
                                                             Kurze Entwicklungsgeschichte einer
      3        Rückblick auf ein
                                                             alten musikalischen Gattung
               erfolgreiches Jahr 2018
               Ein Bericht zur 185.                  22      Ars Vocalis präsentiert
               Jahreshauptversammlung am 26.                 romantische Chormusik
               Februar 2019                                  Das „Schicksal“ als Motto
      8        Anton Bruckner                        22      Impressum
               Versuch einer Annäherung
                                                     30      Jubilar des Jahres
     17        Hörtipp zu Ostern
                                                             Franz von Suppé (1819-1895)
               Der legendäre „Sängerkrieg der
               Heidehasen“                           31      Letzte Seite(n)

     18        Der Wiederholungstäter
               Wolfgang Mettler vor dem
               Jakobiner-Tribunal

     Anzeige_Wobak_125x80mm.qxd                 23.03.2015     10:39 Uhr     Seite
                                                                     Titelseite:       1 Mettler verteidigt sich
                                                                                 Wolfgang
                                                                         beim Jakobiner-Tribunal. Foto: Werner Bartl
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                                                     78467 Konstanz
                                                     Telefon 0 75 31 / 98 48 0
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Rückblick Anton Bruckner - Sinfonischer Chor Konstanz
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Der amtierende Vorstand des Sinfonisches Chors. Birgit Steven-Lahno, Andrea Uwira, Fotos: H.-J. Knopf
Florian Rothfuß, Johannes Pötter-Schmitt, Anneruth Zwicker und Birgit Koch (v.l.n.r.)

             Rückblick auf ein
          erfolgreiches Jahr 2018
           Ein Bericht zur 185. Jahreshauptversammlung
                        am 26. Februar 2019

Von Hans-Joachim Knopf                              auf ihre bisherige Chorzugehörigkeit zurück.
                                                    Mit einem Schmunzeln bekannte Pius, dass
Es waren mehr als erfreuliche Zahlen, mit           er schon mit 14 Jahren zum ersten Mal in
denen der Geschäftsführende Vorsitzende             den Reihen des Tenors saß, neben ihm ein
Johannes Pötter-Schmitt die 185. Jahres-            70jähriger Mitsänger.
hauptversammlung (JHV) des Sinfonischen
Chors eröffnen konnte: Die Zahl der Chor-           Johannes Pötter-Schmitt ging in seinem
mitglieder blieb gegenüber 2017 praktisch           Jahresrückblick zunächst auf den Tod von
konstant und zählte zum 31. Dezember 2018           Heinrich Frommknecht am 25. Mai 2018
exakt 102 aktive Sängerinnen und Sänger             ein, unterstützte Frommknecht doch den
sowie 60 Unterstützerinnen und Unterstüt-           Chor über viele Jahre mit Zuwendungen
zer (Ehren-, Fördermitglieder und inaktive          aus seiner Stiftung in Dortmund, dem Sitz
SängerInnen).                                       des von ihm gelenkten Versicherungsun-
                                                    ternehmens Signal Iduna. Es war auch der
Erfolgreiches Jahr 2018                             ausdrückliche Wunsch des Verstorbenen,
Nach der Eröffnung der 185. Jahreshaupt-            dass der Sinfonische Chor dessen Trauerfeier
versammlung konnte der Vorsitzende zwei             gestaltete. Und diesem Wunsch wurde gerne
Tenören gratulieren, die kürzlich bedeutende        nachgekommen. Dafür bedankte sich der
Geburtstage feiern durften: Herzliche Glück-        Vorsitzende nochmals. Nicht unerwähnt ließ
wünsche gingen an Pius Höger (25 Jahre) und         er, dass der Chor mit einer Spende aus der
Patrick Freytag (50 Jahre). Beide blickten kurz     Frommknecht-Stiftung bedacht wurde.

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    Erstes musikalisches Highlight des Jahres           Steven-Lahno, die mit der Einführung des
    2018 war zweifelsohne das Schubert-Konzert          Online-Ticketsystems mit dazu beigetragen
    in der Konstanzer Gebhardskirche am 24. Juni.       hat, den Kartenverkauf attraktiver zu gestal-
    Unter dem Motto „Eine Stunde mit Franzl S.“         ten. Mit dem Lucia-Singen auf der Insel Mai-
    wurde Schuberts G-Dur-Messe und weitere             nau ging das Konzertjahr 2018 am 12. Dezem-
    kleinere geistliche Werke aufgeführt. Ein           ber zu Ende. Dirigent Wolfgang Mettler hatte
    Konzert, das eine positive Rezension im Süd-        eigens eine Lucia-Hymne zum Lichterfest
    kurier erfuhr und immerhin 354 ZuhörerInnen         für die Insel Mainau komponiert, die der Chor
    erreichte, was angesichts eines großen Kon-         schließlich bei weihnachtlichem Ambiente
    kurrenzprogramms im Frühsommer als Erfolg           zusammen mit anderen Weihnachtsliedern
    zu werten war. Ein herzlicher Dank ging dabei       vortrug. Die Insel Mainau bedankte sich nicht
    auch an das Concerto Konstanz, das dem Chor         nur mit einer großzügigen Spende, sondern
    mit einem Spezialpreis entgegenkam.                 sprach für den 12. Dezember 2019 bereits
                                                        wieder eine Einladung aus.
    Das Herbstkonzert am 18. November 2018
    mit Mozarts Requiem war ein grandioser              Im zweiten Tagesordnungspunkt ging es
    Erfolg. Die ausverkaufte Gebhardskirche             dann um den Kassenbericht des Jahres 2018,
    am Konzertnachmittag sowie eine sehr gut            den Schatzmeisterin Birgit Koch vorlegte.
    besuchte öffentliche Generalprobe am Tage           Insgesamt schloss der Sinfonische Chor
    zuvor bescherten dem Sinfonischen Chor              das Haushaltsjahr 2018 mit einem kleinen
    1160 Zuhörerinnen und Zuhörer. Die vielen           Überschuss ab. Das wurde umso erfreuter
    positiven Zuschriften zeigten, wie sehr             aufgenommen, als die letzten Jahre oftmals
    dieses Konzert, das schon am 25. Oktober            ein kleines Minus in den Büchern stand. Die
    ausverkauft war, Begeisterung hervorgeru-           Kassenprüfer, Patrik Freytag und Wolfgang
    fen hat. Ein besonderer Dank ging an Birgit         Himmel, hatten die Finanzen 2018 im Februar

    Johannes Pötter-Schmitt ehrt Gisela Auchter, die den Sopran 44 Jahre aktiv unterstützt hat.
    25 Jahre trug sie außerdem die Verantwortung für die Chornachrichten

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Der Geschäftsführende Vorsitzende (links) gratuliert den ChorjubilantInnen. Martina
Maier und Dr. Michael Kroemer (beide 10 Jahre), Maria Rosner, Ernst Heim und Detleff
Rosner (alle 30 Jahre), Inés Eckerle (20 Jahre), v.l.n.r.

2019 gründlich eingesehen, geprüft und              unterstützen: Maria und Detleff Rosner sowie
konnten die ordnungsgemäße Buchführung              Ernst Heim durfte zu diesem tollen Jubiläum
bestätigen. Sie schlossen ihren Bericht mit         herzlich gratuliert werden. Allen Geehrten
einem großen Dank an Birgit Koch ab. Ehren-         überreichte der Geschäftsführende Vorsit-
vorstandsmitglied Alfred Greis beantragte           zende ein kleines Präsent.
daher nach der Aussprache die Entlastung
des gesamten Vorstands, der einstimmig              Zum Abschluss dieses Tagesordnungspunk-
entsprochen wurde – bei Enthaltung des              tes stand aber noch eine besondere Ehrung
Vorstands.                                          aus: Gisela Auchter hatte Ende 2018 ange-
                                                    kündigt, dass sie sich leider gesundheitsbe-
Sängerinnen und Sänger für                          dingt vom aktiven Mitsingen verabschieden
lange Mitgliedschaft geehrt                         muss. Bis dahin sang sie 44 Jahre! in unserem
Ehrungen für lange Zugehörigkeit und                Chor im Sopran und hat darüber hinaus auch
aktives Mitsingen sind immer Zeichen eines          immer Verantwortung für die Chorarbeit
gewachsenen und lebendigen Chors. Auch              übernommen. Besonders hervorzuheben ist
bei der diesjährigen Jahreshauptversamm-            ihr Engagement für die Chornachrichten, die
lung konnten wieder viele Glückwünsche              sie maßgeblich geprägt hat – seinerzeit noch
ausgesprochen werden. Zum zehnjährigen              als „Blaues Blättle“ bekannt – und für die sie
Jubiläum gratuliert wurde Martina Maier und         25 Jahre, bis 2007, die Verantwortung inne-
Dr. Michael Kroemer. Auf 15 Jahre bringt            hatte und für ihr Ehrenamt ausgezeichnet
es schon Yunjun Xu, die leider krankheits-          wurde. Unter ihr wurden die Chornachrichten
bedingt nicht persönlich beglückwünscht             was sie heute sind: ein Aushängeschild für
werden konnte. Herzliche Worte gingen an            den Sinfonischen Chor Konstanz, weit über
Inés Eckerle, die den Sopran bereits seit über      interne Chorgrenzen hinweg gelesen, auch
20 Jahren unterstützt. Und schließlich gab          von unseren Partnerchören im Ausland. Sie
es noch drei Sängerinnen und Sänger, die            zeichnete nicht nur verantwortlich für die
den Chor schon 30 Jahre mit ihrer Stimme            Jubiläumsbroschüre zum 175. Chorjubiläum,

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    sondern auch für viele fundierte Berichte        werden. Ein schönes Rahmenprogramm ist
    und Werkseinführungen, die sie immer mit         zusammengestellt, das neben dem gemein-
    viel Spaß und guter Feder erstellte.             samen Konzert in der Gebhardskirche am 6.
    Gisela Auchter dankte für die Ehrung, machte     Juli auch allerlei Möglichkeit zur Geselligkeit
    aber auch deutlich, dass ein Abschied vom        bieten wird. Auf dem Konzertprogramm mit
    Chorleben für sie nicht in Frage komme:          dem Concerto Konstanz stehen Werke von
    Genau genommen würde sie schon seit dem          Schubert (G-Dur-Messe und Magnificat),
    14. Lebensjahr in Chören singen. Jetzt werde     sowie ein Soloprogramm des ungarischen
    sie eine kritische Zuhörerin bei den Konzerten   Chores und Orgelmusik des Domorganisten
    sein und auch weiterhin am Chorgeschehen         András Gábor Virágh. Besonders freuen wir
    teilnehmen. Und selbstverständlich werde         uns auch auf ein Wiedersehen mit dem 1934
    sie auch weiterhin Beiträge für die Chornach-    geborenen László Fehér, dem Dirigenten des
    richten schreiben, versicherte Gisela Auchter.   ungarischen Chors.
    Gedankt wurde ihr mit einem Geschenk und
    langanhaltendem Applaus.                         Das große Herbstkonzert mit der Südwest-
                                                     deutschen Philharmonie findet dann am 17.
    Jahresprogramm 2019                              November 2019 in der Gebhardskirche statt.
    Im nächsten Tagesordnungspunkt konnten           Bruckners Messe in d-Moll und das Te Deum
    die Mitglieder über das herausfordernde Pro-     werden schon intensiv einstudiert. Ein sehr
    gramm für 2019 informiert werden. Zunächst       attraktives Programm, sodass wir wieder auf
    kommt vom 4.-8. Juli unser ungarischer Part-     eine volle Kirche hoffen. Das Lucia-Singen am
    nerchor, der Chor der Szent István Bazilika in   12. Dezember 2019 auf der Insel Mainau wird
    Budapest, zu Besuch. Bei dem von Andrea          das Konzertjahr 2019 beschließen.
    Uwira organisierten Besuch können dann 56
    Ungarinnen und Ungarn in Konstanz begrüßt        Auf Punkt 6 der Tagesordnung stand das
                                                     Thema Chornachrichten. Johannes Pöt-
                                                     ter-Schmitt erklärte, dass er schon vor einiger
                                                     Zeit von Redakteur Dr. Hans-Joachim Knopf
                                                     gebeten wurde, einen Ersatz für die Redak-
                                                     tion zu suchen. Der Redakteur nahm diesen
                                                     Faden auf und erklärte den Mitgliedern, dass
                                                     er nun über 10 Jahre für die Chornachrichten
                                                     verantwortlich sei. Er wünsche sich einen
                                                     Wechsel, denn der Redakteur präge auch
                                                     immer entscheidend den Stil dieses Medi-
                                                     ums, nun aber sei es an er Zeit für frischen
                                                     Wind. Es sei ohnehin ein guter Zeitpunkt für
                                                     einen Wechsel, da auch der Mediendesigner
                                                     Reinhard Albers aufgehört hätte und mit der
                                                     neuen Mediendesignerin, Andrea Kiss, die
                                                     Chornachrichten in neuem Design erscheinen
                                                     werden. Hans-Joachim Knopf betonte aus-
    Pius Höger wurde zum 25.
    Geburtstag gratuliert. Mit 14 Jahren             drücklich die Bedeutung der Chornachrichten,
    begann seine Chorkarriere                        die über Chorgrenzen hinweg Anerkennung

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Rückblick Anton Bruckner - Sinfonischer Chor Konstanz
1 8 5 . J A H R E SH AU P TVE R SA M M LU N G

          fänden. Daher läge ihm die Nachfolge sehr
          am Herzen und er freue sich über Meldungen
          bei ihm oder beim Vorstand. Mit dem Punkt
          „Verschiedenes“ schloss die Jahreshauptver-
          sammlung 2019. Es wurde bekanntgegeben,
          dass für den Bass ein Stimmführer gesucht
          werde. Wolfgang Mettler warb darum, dass
          sich der Chor noch stärker um die Akquise von
          Sponsoren, Gönnern und Fördermitgliedern
          kümmern müsse. Die Sitzung schloss um
          22:05 Uhr.

          Packen wir das
          Programm für 2019 an!
          Der Chor ist weiterhin
          gut aufgestellt.

                                                          Herzliche Gratulation auch an Patrick
                                                          Freytag zum 50. Geburtstag

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Rückblick Anton Bruckner - Sinfonischer Chor Konstanz
A NTO N B R UC K N E R

                                              Anton Bruckner
                                               Versuch einer Annäherung

    Von Gisela Auchter                                     befragt nach seinem Berufswunsch, zur Ant-
                                                           wort gab: „A Lehrer, wie da Vater.“ Dies habe
    Im oberösterreichischen Ansfelden 1824                 er aus „kindlicher Anhänglichkeit“ geäußert,
    geboren, schaffte Anton Bruckner, ein spät             fügte er später einschränkend hinzu. Den
    Berufener und mit unendlicher Langsamkeit              einmal in aller Bescheidenheit ausgespro-
    Schaffender, erst im Alter von 40 Jahren den           chenen Wunsch, Kapellmeister zu werden,
    Durchbruch zum eigenen freien und unbeein-             hatte die Mutter als „hochfahrend“ abgelehnt
    flussten Komponieren.                                  (Neumayr, S. 269).

    Bis dahin hatte er sich eine solide handwerk-          So ging er also zunächst den Weg eines
    liche Praxis als Chorleiter, als Lehrer, vor           Lehrers, vernachlässigte aber so gut es ging
    allem als Organist erworben. Es ist jedoch             und wie es in seiner bescheidenen Stellung
    bezeichnend, dass er als Sechzehnjähriger,             überhaupt möglich war, nie seine musika-
                                                           lische Ausbildung. „Leitende Hände hatte
                                                           Bruckner genug gefunden, aber es bedurfte
           Am 3. Oktober 2013 verließ der                  der lösenden Hand, die ihn aus dem Banne
           Kögel-Reisebus mit der Aufschrift               der Liedertafelei, der Gelegenheitskomposi-
           „Musik ist die gemeinsame Sprache               tionen und der kirchlichen Gebrauchskunst
           der Menschheit“ mit Ziel Budapest               befreite. Es bedurfte eines kräftigen
           auf der Höhe von Linz die Autobahn              Zuspruchs, um Selbstvertrauen zu erlangen.“
           – einer spontanen Idee Wolfgang                 (Blume, Sp. 347)
           Mettlers folgend – und brachte uns
           nach St. Florian, einer der wichtigs-           Durchbruch und Depression
           ten Stationen im Leben und Schaffen             Das Wagnis und das Selbstvertrauen, den
           Anton Bruckners. Hier in der Stiftskir-         Weg eines ernstzunehmenden Komponisten
           che des beeindruckenden Benedikti-              schließlich doch einzuschlagen – dabei half
           nerklosters hat er auch seine letzte            ihm wesentlich der Linzer Cellist Otto Kitzler.
           Ruhestätte gefunden.                            Der wirkliche Durchbruch kam dann 1864
                                                           mit der Messe Nr. 1 in d-Moll, die mit einem
           Spontan stimmten wir das „Locus                 Paukenschlag Bruckners ganzes komposito-
           iste“ an und lauschten danach einer             risches Spektrum offenbarte. Sie gilt als das
           ebenso spontanen Improvisation zu               Zeugnis einer „eruptiven Selbstbefreiung“
           dieser Motette durch den Stiftsorga-            (Blume, Sp. 348). Am 20. November 1864
           nisten. Dies war einer jener höchst             wurde sie unter Bruckners Leitung im
           emotionalen Momente, die wir mit                Alten Dom zu Linz uraufgeführt und am 18.
           unserem Chor immer wieder erleben               Dezember im Redoutensaal wiederholt. Die
           dürfen und die das Miteinander in               Aufnahme beim Publikum war überschwäng-
           unserer Gemeinschaft so unvergess-              lich. In der Entstehungszeit der d-Moll-Messe
           lich machen.                                    schrieb Bruckner ebenfalls die Sinfonie in
                                                           d-Moll, die er später als die Nullte in die Reihe

8   C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
A NTON BR U C K N E R

seiner Sinfonien einordnete. Dies war auch
die Zeit der ersten Bekanntschaft mit einem
Wagnerschen Werk, dem Tannhäuser.

Als sein Freund und Gönner Johannes Her-
beck 1867 eine Aufführung der Messe in der
Wiener Hofkapelle durchsetzte, erklang nicht
nur zum ersten Mal ein Werk Bruckners in der
Hauptstadt des großen k-u.-k-Reiches, man
horchte auch auf. Eine Aufführung an einem
solch illustren Ort wie der Hofkapelle – jeder
Komponist hätte das als Auszeichnung emp-
funden. Nicht so Bruckner.

Sein seelischer Zustand erlaubte dies nicht.
Die Komposition als Akt der Selbstbefreiung
hatte ihn übermäßig verzehrt, als Musiker
war er unzufrieden. Entnervt von den
Umarbeitungen seiner Werke, zu denen er
sich durch den Rat „wohlmeinender“ Freunde
mehr oder weniger freiwillig veranlasst sah,
leidend an der Enttäuschung einer gerade
zurückgewiesenen Liebe, von Berufs- und
Studienarbeiten völlig überlastet – dies alles
stürzte ihn in eine tiefe Depression. Er war
am Ende seiner Kraft, einem Nervenzusam-
menbruch nahe. Eine Manie, alles und jedes
zählen zu müssen, bemächtigte sich seiner
Psyche. Er zählte die Blätter an den Bäumen,
die Sandkörner am Donauufer, die Sterne am
Himmel, die Blumen auf dem Tapetenmuster.
Kurz vor seinem Tod kehrte diese quälende
Manie übrigens wieder: Diesmal zählte er die
Gebete, die er absolvierte, die Rosenkränze
und Fürbitten, und führte sorgfältig Buch
darüber. Im August 1867 war der Zustand
seiner seelischen Bedrängnis so bedenklich
geworden, dass er sich einer Behandlung in
der Kaltwasserheilanstalt in Bad Kreuzen
unterzog. „Ausbrechender Irrsinn“ lautete
eine seiner Zukunftsprognosen. Aber Bruck-
ner erholte sich, um nun endlich seinen Weg
als Sinfoniker beschreiten zu können. In
der Retrospektive bezeichnete er die Jahre       Bruckner im Lehnstuhl, Fotografie 1894

                                                                          C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9   9
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     1864/65 selbst als die große Wende in sei-       einen scharfen Schnitt.“ Soweit der Musikwis-
     nem Leben. Alles was davor entstanden war,       senschaftler Friedrich Blume (MGG, Sp. 367).
     erklärte er für „ganz und gar ungültig“, ver-    Dass ein Komponist alles, was erst jenseits
     nichtete es oder hat es nur bedingt anerkannt    der Vierzig seinem Schöpfergeist entwach-
     (Blume, Sp. 367).                                sen ist, anerkennt, dürfte ziemlich einmalig
                                                      sein. Dieser Vorgang enthüllt schlagartig
     Zu den Werken, die seinem Urteil stand-          den komplizierten Weg, den Bruckner gegan-
     hielten, gehörten alle neun Sinfonien, sein      gen ist.
     einziges kammermusikalisches Werk, das
     Streichquintett, die drei Messen, das Te         Das Te Deum
     Deum, der 150. Psalm, einige Motetten und        Unter einem glücklicheren Stern stand die
     Männerchöre. „Damit hat er selbst bestätigt,     Entstehung des Te Deums. Die Anregung
     was die Kenntnis seiner Werke ohnehin            zur Komposition kam von dem Wiener
     offenbart: Von den Früh- zu den Spätwerken       Kapellmeister Joseph Hellmesberger. Voller
     führt keine Brücke. Es gibt keine eigentliche    Elan entwarf Bruckner das Te Deum im Mai
     ‚Entwicklung’ im Sinne eines allmählichen        1881 innerhalb nur einer Woche. Es sollte
     Fortschreitens vom Schülertum zur Meister-       zur Krönung seiner kirchenmusikalischen
     schaft, von der Unfreiheit zur Souveränität,     Kompositionen werden. Die endgültige
     vom Primitiven zum Vollkommenen, vom             Fassung war 1886 vollendet. Aber Hellmes-
     Kindheitsversuch zur Altersreife. Es gibt nur    berger fand das Werk „zu lang“ und wollte

     Autograph aus dem Gloria der d-Moll-Messe von Anton Bruckner

10   C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
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Bruckner zu Kürzungen veranlassen. Dieser,      Herbeck als Professor für Musiktheorie
durch schlechte Erfahrungen aus ähnlichen       und Orgelspiel am Konservatorium endlich
Ansinnen seiner Freunde ein „gebranntes         Fuß zu fassen hoffte. So, wie zu dieser
Kind“, lehnte ab, was wiederum Hellmesber-      Zeit die Meinungsfronten um Brahms und
ger dazu veranlasste, eine Aufführung zu        Wagner wie ein Geschwür quer durch das
verweigern. Heute erscheint es ganz und gar     musikalische Wien verliefen, konnte es nicht
unverständlich, warum Bruckner nicht eine       ausbleiben, dass Bruckner in die Mühlsteine
günstigere Gelegenheit für eine angemes-        der Auseinandersetzungen hineingeriet und
sene, repräsentative Aufführung abwartete.      unter den von ihm unverschuldeten Anfein-
Nein, er begnügte sich damit, in Ermangelung    dungen maßlos zu leiden hatte. Ahnungslos
eines Orchesters das Werk in Begleitung         wie ein Kind, ohne eigene „Hausmacht“, bar
von zwei Klavieren aus der Taufe zu heben.      jeder Lebensklugheit, wehrlos, aus seiner
Erst ein knappes Jahr später war es dann,       bedingungslosen Wagner-Verehrung keinen
ebenfalls in Wien, in seiner vollständigen      Hehl machend, taumelte er geradezu hinein
Fassung mit Orchesterbegleitung zu hören.       in die Schusslinien. Seine Parteinahme
In gewisser Weise ist das Te Deum unter         für Wagner hätte man ihm vielleicht noch
den Schöpfungen Bruckners eine Ausnahme,        verziehen, auch die Ausstrahlung eines
nicht nur hinsichtlich des relativen Tempos,    kauzigen Sonderlings, der so gar nicht in
in dem es fertig gestellt wurde, sondern auch   die Weltstadt Wien passen wollte. Man war
in seiner Erfolgsbilanz. Es wurde begeistert    durchaus geneigt, ihm „mildernde Umstände“
aufgenommen und schon bald in vielen            zuzugestehen, und so ließ sich Bruckners
Städten aufgeführt, so zum Beispiel unter       Verhältnis zur Wiener Musikwelt zunächst
Gustav Mahler in Hamburg. Als erstes Bruck-     sogar friedlich und zufriedenstellend an. Er
ner-Werk überhaupt kam es nach Amerika,         hatte durchaus Freunde, Herbeck förderte
nach Cincinnati, wo es stürmisch bejubelt       ihn, wo er nur konnte, und der Kritikerpapst
wurde. Eine denkwürdige Aufführung erlebte      seiner Zeit, Eduard Hanslick, stand ihm
der greise Meister 1891 dann noch selbst in     bei aller sachlichen Ablehnung anfangs
Berlin. Dies sollte der mit Abstand größte      wohlwollend gegenüber. Er hatte Bruckners
Triumph in seiner Musikerlaufbahn werden.       Bewerbung nach Wien sogar unterstützt.
Zeitzeugen haben berichtet, dass er in einer    Zu offenen Feindseligkeiten kam es erst, als
Weise gefeiert worden sei, wie es bis dahin     Bruckner seine 3. Sinfonie, die eine ganze
im Berliner Musikleben noch nicht vorgekom-     Reihe Wagnerscher Zitate enthält, dem von
men sei. Übrigens: nicht Kaiser Franz Joseph,   ihm verehrten Meister widmete. Dieser nahm
wie man es Bruckner nahe gelegt hatte,          die Huldigung auch an, ließ durch seine Frau
ist dieses großartige Opus gewidmet, son-       Cosima danken, stellte eine Einladung nach
dern zur „Danksagung für so viel überstan-      Bayreuth für 1876 in Aussicht und kümmerte
dene Leiden in Wien“ dem lieben Herrgott        sich weiter nicht um das Werk. Das war 1874.
(Neumayr, S. 295).
                                                Richtungskämpfe und
Professur in Wien                               „Zukunftsmusik“
1868, im Oktober, ließ sich Anton Bruckner in   Kurz zuvor war Bruckner dem Wagner-Verein
Wien nieder, wo er nach langem Ringen und       beigetreten, wodurch er sich – scheinbar –
einer mit unendlicher Geduld ausgetragenen      als „Wagnerjünger“ bekannte und in den.
Vermittlungstaktik seines Gönners Johann        Dunstkreis der „Neudeutschen“ rückte.

                                                                        C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9   11
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     Das hat ihm das endgültige Misstrauen des        Bruckner – Brahms – Wagner
     konservativen, an der Klassik beharrenden        Bruckner war ganz und gar kein Mann der
     Wien mit Brahms und Hanslick an der Spitze       Polemik, und Brahms war von ausgesprochen
     eingetragen und ihn später dem „Martyrium“       nobler Gesinnung. So haben sich beide
     von Böswilligkeiten und Gehässigkeiten           persönlich vom Richtungskampf eher fernge-
     ausgesetzt, wie Bruckner diesen ungeheuren       halten und die Atmosphäre wohl kaum direkt
     offiziellen Druck selbst einschätzte.            angeheizt. Wohlmeinende Anhänger beider
     Dabei ging es gar nicht so sehr um die Per-      Fronten haben sogar am 25. Oktober 1889
     sonen Brahms – Wagner – Bruckner, es waren       ein Treffen der Protagonisten in Brahms’
     vielmehr schlichte, von den Parteigängern        Wiener Stammlokal, dem „Roten Igel“, orga-
     verschärfte Richtungskämpfe. Es ging um die      nisiert. Eine Annäherung gab es nicht, außer
     Furcht der retrospektiven Musikschaffenden       dass es ein netter Abend war. Man hatte sich
     vor der Kraft der „Zukunftsmusik“ oder, wie      einfach nichts zu sagen. Zu sehr bestand
     es Hanslick anlässlich seiner Besprechung        ihr Verhältnis zueinander in der Negation,
     von Bruckners 8. Sinfonie ausdrückte, um         zu diametral entgegengesetzt waren ihre
     die „Übertragung von Wagners dramatischem        Musikauffassungen.
     Stil auf die Symphonie“. Die konservativen
     Kreise hatten die Vision, dass solcher „traum-   Anders Bruckners Verhältnis zu Wagner, das
     verwirrten Katzenjammermusik“ die Zukunft        menschlich als einseitig bezeichnet werden
     gehören sollte, eine Zukunft, „die wir nicht     muss. Musikalisch waren sie in gewisser
     darum beneiden“ (Neumayr, S. 261).               Weise seelenverwandt – vom Orchesterklang
                                                      war schon die Rede – sie hatten durchaus
     Die Abwehr gegen diese „Zukunftsmusik“           eine gemeinsame (Ton)Sprache, waren beide
     mag auch ihre Ursachen haben in den bis dahin    musikalische Erneuerer. Und es gibt noch
     nicht gekannten Längen der Brucknerschen         eine weitere Gemeinsamkeit: beide haben
     Sinfonien, die alle Ausmaße des Gewohnten        sich mit einer Ausschließlichkeit für nur eine
     sprengten. Dass man sie auch als „chaotisch“     Musikgattung entschieden, wie es vorher
     bezeichnete, ist für uns heute jedoch schwer     keiner der großen Komponisten getan hat:
     nachvollziehbar, sind doch Bruckners Werke       Wagner für das Musikdrama, Bruckner für
     in ihrer Klang- und Formenwelt von starken       die Sinfonie.
     Ordnungsprinzipien getragen.
                                                      Bruckner lernte Wagner anlässlich der
     Die Kritiker verkannten, dass seine Kompo-       Uraufführung von Tristan und Isolde 1865
     sitionen im Grunde eine Fortentwicklung          in München kennen. Während Wagner das
     des Beethovenschen Formenbaus waren.             Genie des Jüngeren sofort erkannte, ihn mit
     Eigentlich ein Kuriosum – denn beide Par-        Lobsprüchen bedachte und mit Versprechun-
     teien beanspruchten für sich die Nachfolge       gen, sämtlichen Werken zu Aufführungen
     Beethovens. Die Brucknerschen Klangfarben        zu verhelfen – wobei es dann freilich blieb –,
     dagegen kommen aus dem Wagner-Orches-            verehrte Bruckner ihn wie einen Halbgott.
     ter. Das gilt für den Orchesterklang ebenso
     wie für die Orgel, dem Instrument, an dem        Wagner hat sich die Brucknerschen Huldigun-
     Bruckner sich wirklich heimisch fühlte und       gen gerne gefallen lassen. Aber, Egozentri-
     das er so meisterhaft beherrschte wie wohl       ker, Machtmensch, Mann der großen Welt, der
     kein zweiter in Europa.                          er war, hat er sich nie ernsthaft mit einem

12   C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
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linkischen, ungeschickten, durch mangelnde
Selbstsicherheit gehemmten, emotionalen
und gleichermaßen devoten Menschen wie
Bruckner eingelassen. Trotzdem war für
Bruckner die Aufmerksamkeit des von ihm
so Verehrten in Anbetracht der Wiener Geg-
nerschaften von ungeheurer psychologischer
Bedeutung. Sie gaben ihm künstlerische
Zuversicht und waren ihm geistiger Halt.

Legendär die von Bruckner selbst geschil-
derte Begegnung der beiden 1882 in Bay-
reuth, in deren Verlauf er vor dem Verehrten
in die Knie sank und ihm die Hand küsste. Ein
solches Verhalten weckt in uns heute gera-
dezu ein Gefühl der Peinlichkeit, der Scham,
des heimlichen Voyeurismus, ja, es stimmt       Anton Bruckner mit dem Franz-Josephs-Orden,
eigentlich traurig. Die Frage nach dem Men-     der ihm in Folge der Uraufführung des Te Deums
                                                verliehen wurde. Fotografie aus dem Jahr 1886
schen Bruckner drängt sich auf. Wenn man
ihr nachgeht, stößt man überall auf Wider-      wohlmeinenden Freunden sei es immer wie-
sprüchliches, es ist das Psychogramm eines      der gelungen, ihn im höchsten Grade zu ver-
Außenseiters, das sich nur zögernd, wenn        unsichern. Getrieben vom Drang nach Erfolg,
überhaupt, erschließt. Hier die private Seite   aber durch jeden Misserfolg verschüchtert,
des Menschen Bruckner, der sich in formel-      von Natur aus zu behaglicher Lebensfreude
haftem Auftreten äußert, dort die andere, die   hingezogen, aber von Gewissensbissen und
künstlerische Seite des Musikschaffenden,       Selbstverkennung fortwährend vereinnahmt,
der sich seelisch verbraucht und verschwen-     sei er mit seiner völlig unreflektierten Urmu-
det (Neumayr, S. 264).                          sikalität in eine teils gedankenblasse, teils
                                                bewusst revolutionäre, in jedem Falle jedoch
Bruckner – der Mensch                           literarisch-beziehungsreiche Musikwelt hin-
Bei Friedrich Blume lesen wir: „Im Verkehr      eingestellt worden.
mit seiner Umwelt, mit Freunden und Schü-
lern, Gegnern und Gönnern ist Bruckner in       Auch in seiner äußeren Erscheinung hat
seinen späten Jahren ungleich, oft übermäßig    Bruckner das Kauzige nie abgelegt, nicht
devot oder gutmütig, oft aber auch herrisch     seine viel zu großen, „vom Tischler gezimmer-
und ungerecht gewesen. Die Sorge um             ten“ (Neumayr, S. 373) Anzüge oder seinen
Bewahrung und Ausbreitung seines Werkes         stark ausgeprägten oberösterreichischen
überwog alles andere. Daraus erklären sich      Dialekt, nicht seine Vorliebe für deftige Spei-
manche Widersprüche in seinen Urteilen…“        sen und Getränke, nicht das Vergnügen, das
Der Umgang mit Bruckner sei alles andere        ihm Tanz und Geselligkeit, insbesondere zur
als leicht gewesen, heißt es weiter. Seit       Faschingszeit, bereiteten. Das alles passte
seinem Durchbruch 1864/65 sei er sich           nicht in das elegante Wien, wollte sich nicht
seiner Sendung durchaus gewiss gewesen,         einreihen in das soziale und gesellschaftliche
aber sowohl seinen Gegnern als auch seinen      Gefüge der Weltstadt.

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A NTO N B R UC K N E R

     Man hat immer wieder darüber spekuliert,         bekannt, aber auf jeden Fall hat er durchaus
     warum Bruckner in seinem späteren Leben          an Bruckners Schicksal Anteil genommen.
     ein so durch und durch verunsicherter Mensch     Sonst hätte er ihm wohl kaum in der letzten
     war, dem jedes Selbstwertgefühl zu fehlen        Lebenszeit eine Wohnung im „Kustoden-
     schien. Viele sehen die Gründe hierfür in        stöckle“ im Schloss Belvedere zur Verfügung
     seiner Kindheit, der Erziehung im ärmlichen      gestellt und ständig für frische Blumen
     Elternhaus, dem frühen Tod des Vaters, der       sorgen lassen.
     zur Schwermut neigenden tapferen Mutter,
     in der demütigenden Zeit als Schulgehilfe in     Bruckner – der Erfolgreiche
     Windhaag und nicht zuletzt auch in den Jah-      Es ist also keineswegs so gewesen, dass
     ren in St. Florian, die entscheidend geprägt     Bruckner zu Lebzeiten kein Erfolg beschieden
     waren vom nachhaltigen Einfluss der klerika-     gewesen wäre. Man hatte sein Genie durch-
     len Umgebung.                                    aus – und das schon relativ früh – erkannt,
                                                      und Förderer hatte er eigentlich sein Leben
     Auch dieses merkwürdige Bedürfnis nach           lang. Vor allem gab es eine ganze Reihe von
     Sicherheit, nach Ordnung und Anerkennung         Schülern und Anhängern – Gustav Mahler, Art-
     mag das Produkt einer im Grunde tiefen           hur Nickisch, die Brüder Schalk, Hans Richter,
     Lebensangst gewesen sein. Alles und jedes        Felix Mottl, Hugo Wolf, um nur einige zu nen-
     ließ Bruckner sich bestätigen. Er unterzog       nen – die zum Teil selbst hervorragende Musi-
     sich unnötigen Prüfungen, ließ sich Zeug-        ker waren und Bruckners Ruhm in die Welt
     nisse hinsichtlich seines Könnens, aber          hinausgetragen haben. Da waren außerdem
     auch seiner Sittlichkeit ausstellen, kämpfte     die großen Orgelkonzerte während der Reise
     mit einer oft überflüssigen Hartnäckigkeit       in die Schweiz 1880, diejenigen in Nancy und
     um seine Einkommensbezüge – fast wäre            in Notre Dame von Paris 1869, vor allem aber
     die Berufung nach Wien an einem solchen          die schier unerhörten Triumphe, die er 1871
     Vorgang gescheitert –, handelte schriftliche     in London erlebte. Oder die denkwürdige
     Optionen für den beruflichen Aufstieg aus.       Prüfung vom 22. November 1861 in Wien, der
     So überrascht es nicht zu erfahren, wie emp-     er sich unterzog, um sich ein Zeugnis über
     fänglich er für öffentliche Auszeichnungen       seine musikalische Befähigung ausstellen
     war, nach denen er selbst emsig strebte.         zu lassen.
     Von allen hat ihn die Verleihung des Dr. h.c.
     durch die Universität Wien – was allerdings      Die Prüfungskommission hatte ihm ein
     erst durch das hartnäckige Betreiben seiner      besonders schwieriges Thema für die Orgel-
     Freunde möglich wurde – mit Stolz und            improvisation gestellt und musste am Ende
     Genugtuung erfüllt. Auch die kaiserliche         überwältigt feststellen: „Er hätte uns prüfen
     Auszeichnung mit dem Franz-Josephs-Orden         sollen!“ Oft stand Bruckner sich nur selbst
     in der Folge einer Aufführung des Te Deum        im Weg. „Skeptischer und furchtsamer hat
     1886 ist für Bruckner ein Höhepunkt in seiner    wohl kein Meister seinen Weg angetreten
     Laufbahn gewesen. Von der Audienz beim           als Bruckner“, lautet das Fazit von Friedrich
     Kaiser im September des gleichen Jahres ist      Blume (Sp. 345). Dies gilt allerdings nur
     übrigens Bruckners Ausspruch überliefert:        für das Verhältnis gegenüber der Umwelt,
     „Verbietens allergnädigst dem Hanslick, dass     hinsichtlich seines Schaffens und seines
     er so schlecht schreibt über mich.“ (Nowak, S.   Sendungsbewusstseins bestand diese Unsi-
     240). Ob der Kaiser dies getan hat, ist nicht    cherheit nicht.

14   C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
A NTON BR U C K N E R

Vereinsamung
Einen Aspekt in Bruckners Leben, der mit
Sicherheit schwere Auswirkungen auf
seine Psyche hatte, sollte nicht unbeachtet
bleiben: seine zunehmende innere Verein-
samung, der Zwang, ohne eine ihm gemäße
Gefährtin durchs Leben gehen zu müssen.
Wie traurig wirkt der Satz aus einem Brief
an den Freund Josef Seiberl: „Ich sitze immer
arm und verlassen in meinem Kämmerlein…“
(Neumayr, S. 274). In seinem bäuerlichen
Körper steckte eine sensible, zarte Seele,
die sich oft, allzu oft an jungen Mädchen
entzündete. Aber immer blieben seine            Auf seinem Gemälde „Das Abendmahl“ hat
Liebesgefühle unerwidert, musste er die         der Maler Fritz von Uhde Bruckner als Apostel
                                                dargestellt
Zurückweisung überwinden, meist versuchte
er es im Gebet. Sein sich selbst auferlegtes    ausübten. Nur einige dieser unerklärlichen
Zölibat war durchaus nicht freiwillig. Es war   Erlebnisse reichen aus, um Bruckners kompli-
ihm einfach nicht vergönnt, Liebe zu wecken,    zierte psychische Struktur zu verdeutlichen.
vielmehr hat er die vielen Mädchen, um die er   Schon als Kind hatte er in Ansfelden den
vergebens geworben hat, durch sein befrem-      Pfarrer zu Sterbenden begleiten müssen und
dendes Gehabe irritiert und erschreckt. Hier    früh den Ernst und den Schauer des Todes
und da wird die Ansicht vertreten, Bruckners    erfahren. Das muss bleibende Eindrücke in
Biographie einerseits und das Werk anderer-     ihm hinterlassen haben. Ein Beispiel: Als Bee-
seits seien auf zwei getrennten Schienen        thovens und Schuberts sterblichen Überreste
verlaufen und hätten sich gegenseitig nicht     auf den Wiener Zentralfriedhof überführt
durchdrungen. Trotzdem stellt sich die Frage,   wurden, eilte er zum Ort des Geschehens, und
ob die lebenslange Vereinsamung nicht doch      dort gelang es ihm, die Gebeine der beiden zu
zu Überkompensationen geführt hat, die in       berühren. Welch ein makabrer Nervenkitzel,
den manchmal ekstatisch wirkenden, manch-       welche neurotische Neugier haben ihn wohl
mal sinnlich–erregenden Passagen in seiner      dazu getrieben, die verkohlten Opfer aus
Musik hörbar sind.                              der Brandkatastrophe im Ringtheater am 8.
                                                Dezember 1881 zu besichtigen? Dafür zahlte
Totenverehrung                                  er allerdings einen hohen Preis: den der
Wahrscheinlich war die von ihm sehr geliebte    Angst vor Geistererscheinungen, die seine
Mutter die einzige Frau, die eine wirkliche     überreizte Phantasie ihm aufzwang.
Rolle in seinem Leben gespielt hat. Nach
ihrem Tod hing in Bruckners Wohnzimmer,         Solche Komponenten in Bruckners Wesen
wo immer er auch gerade lebte, bis an sein      lassen sich wohl kaum enträtseln, wohl
Lebensende eine Fotografie, die sie auf dem     aber seine lebenslange, von keinem Zweifel
Totenbett zeigt. Das Bild war immer mit         erschütterte Religiosität. Der bis an die
einem kleinen Vorhang verhängt. Spätestens      Grenze der Unbildung unliterarische Bruckner
jetzt drängt es sich auf, an die merkwürdige    war zutiefst verwurzelt in einer „erlebten,
Anziehung zu denken, die Tote auf Bruckner      herzenstiefen Frömmigkeit“, Gebet, Beichte,

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     Sakrament und Bekenntnis waren ihm in                              lang. Nachdem die Verkennung durch seine
     hohem Maße Lebenselement (Blume, Sp.                               Zeitgenossen vorüber und die romantisie-
     359). So war das Te Deum, wie später auch                          rende Sichtweise zu Beginn des 20. Jahrhun-
     seine 9. Sinfonie, „dem lieben Gott“ gewid-                        derts längst Vergangenheit sind, wurde der
     met, so war sein ganzes Schaffen ein einziger                      Blick frei auf die tatsächliche Größe und Ein-
     Gottesdienst. Viele seiner Werke tragen das                        maligkeit Bruckners. Gustav Mahler hat auf
     Signum O.A.M.D.G. (Omnia ad majorem Dei                            seine Partitur-Abschrift des Te Deum anstelle
     gloriam = alles zur höheren Ehre Gottes). Oft                      der Angaben „für Chor, Soli und Orchester,
     genug hat Bruckner selbst betont, dass ihm                         Orgel ad lib“ geschrieben – und dies möchte
     ausgesprochen viel daran gelegen sei, am                           man dem gesamten Schaffen Bruckners als
     Jüngsten Tag sagen zu können, mit seinen                           Motto voranstellen: „für Engelszungen, für
     Pfunden gewuchert zu haben. Das hat er in                          Gottsucher, gequälte Herzen und für in Flam-
     der Tat getan, ein ganzes gequältes Leben                          men geläuterte Seelen.“

     Literatur:
     Blume, Friedrich: Anton Bruckner. In: Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). Bd 2. Kassel 1989
     Grebe, Karl: Anton Bruckner. Reinbek bei Hamburg 1972
     Neumayr, Anton: Musik und Medizin. Bd 2. Am Beispiel der deutschen Romantik. Wien 1989
     Nowak, Leopold: Anton Bruckner: Musik und Leben. 3. erw. Aufl. Linz 1995
     Pahlen, Kurt: Oratorien der Welt. Zürich 1985

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H ÖRTI P P Z U OSTE R N

                                                                       Illustration: Ole Könnecke

                     Hörtipp zu Ostern
             Der legendäre „Sängerkrieg der Heidehasen“

Von Silke Schöttle                               singen darf. Glücklicherweise wird Lodengrün
                                                 rechtzeitig vor diesem „häslichen“ Komplott
Zur Osterzeit sollte dieses legendäre Hörspiel   gewarnt. Während der coole Hasendandy
erster Güteklasse auf keinem Plattenteller       Otto Lampe (er hat in Wirklichkeit das beste
fehlen: „Der Sängerkrieg der Heidehasen“         Lied!) und der schaurig nervöse Hasenspießer
von James Krüss, 1958 erstmals auf Vinyl         Hyazinth Löffelstein mit ihren Darbietungen
gepresst, in den 1980ern ein Muss in jedem       den Sängerwettstreit in die Länge ziehen,
Kinderzimmer und noch immer für Erwachs‘ne       reimt sich Lodengrün auf dem Weg zur
ebenso ein absolutes Frühlingshighlight!         Festwiese hoppelnd sein Lied zusammen,
Darum geht’s: König Lamprecht der Siebente       erscheint noch rechtzeitig und gewinnt nicht
– König der Hasen und Karnickel – richtet im     nur das Herz der Heidehasenprinzessin,
Luftkurort Obereidorf einen Sängerwettstreit     sondern auch den Kampf um das Gute und
aus. Der Preis ist heiß: Es geht um nicht mehr   Gerechte in der Hasenwelt. Minister und
und nicht weniger als die Hand der Heideha-      Wackelohr fliehen außer Landes. Lodengrün
senprinzessin und den Thron des Heideha-         darf die Prinzessin heiraten.
senreiches! (Überkommene patriarchalische
Strukturen blenden wir hier ausnahmsweise            Prädikat:
einmal aus). Ambitionierter Anwärter darauf         Besonders
                                                     wertvoll!
ist nicht nur der junge, leicht chaotische
                                                    Nur auf CD
Hasenjunggeselle Lodengrün, sondern auch           oder Platte!
der korrupte, kurzatmige Althase Wackelohr,
seines Zeichens Direktor des örtlichen Hasen-
musikvereins. Angesichts der drohenden Nie-
derlage des Letzteren schlägt das Schlitzohr
alias Minister für Hasengesang (überragend
spöttisch gesprochen von Charles Regnier)
Wackelohr vor, die Sonnenuhr vor Lodengrüns
Hasensasse so zu verstellen, dass dieser zu                                      Verlag Mohndruck
spät zur Festwiese kommt und nicht mehr                            Reinhard Mohn OHG Gütersloh

                                                                         C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9   17
JA KO B I N E R -TRIB U N AL

     Wolfgang Mettler (Mitte) wird vor dem Jakobiner-Tribunal                        Fotos: Werner Bartl
     angezeigt. Noch gibt er sich keck

                     Der Wiederholungstäter
                           Wolfgang Mettler vor dem Jakobiner-Tribunal

     Von Gisela Auchter                                 mit harten Beschuldigungen auszuschalten
                                                        versucht, die die Stirn hatten, die Kreise der
     Fassen kann man es eigentlich nicht! Da            Jakobiner zu stören? Hatte man ihn nicht
     wurde doch tatsächlich der WAM (nicht              sogar zum Ehrenjakobiner ernannt? Selbst
     zu verwechseln mit Wolfgang Amadeus                bei „niederen“ Diensten wie dem Narren-
     Mozart) am Schmutzigen Donnerstag vor              baumsetzen hat er mit Hand angelegt. Und
     das blut- und rachedürstende Tribunal der          wegen seiner unverkennbaren Ähnlichkeit
     ungezähmten Jakobiner zitiert. Nichts war          mit Franz Schubert hat er vor vielen Jahren
     ihm in diesen Stunden sicherer als der Tod         (1998) sogar – gemeinsam mit seinem
     durch die Guillotine. Aber warum sollte es ihm     Komplizen Tobias Engelsing – den Ruhm der
     auch besser gehen als weiland Maximilien de        Konstanzer Fasnacht weit in die Fernsehwelt
     Robespierre, der ebenfalls von den Händen          hinausgetragen und als „Quotenmann“ dafür
     seiner eigenen Parteigänger vom Leben zum          gesorgt, dass die Konstanzer Fasnacht und
     Tode befördert worden war?                         mit ihr die Jakobiner via SWR nicht wegen
                                                        Zuschauermangels sang- und klanglos ver-
     Was in aller Welt hat die Jakobiner von heute      schwinden konnten.
     im 25. Jahr ihres Bestehens dazu getrieben,
     es den alten französischen Revolutionären          Und nun dies: Anklage wegen „Verhinderung
     gleichtun zu wollen, nach dem Motto „Die           der Straßenfasnacht“. In der Tat hatte er
     Revolution frisst ihre Kinder“? War Wolfgang       2011 plötzlich der Narretei auf der Straße
     Mettler doch einst selbst Gründungsmitglied        den Rücken gekehrt und – wieder zusammen
     des Vereins, hat er doch unzählige Male            mit seinem Komplizen Engelsing – in den
     höchstpersönlich mit zu Gericht gesessen           stillen, angestaubten und dunkel holzver-
     und als Ankläger unliebsame Zeitgenossen           täfelten Räumen des Rosgartenmuseums

18   C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
J A KOBI N E R -TR I BU N AL

          begonnen, dort Fasnachtslieder zu singen
          statt unten „uf de Gass“. Lieder gehobenen
          Niveaus waren das natürlich, vorgetragen vor
          handverlesenem großkopfetem Publikum.
          Und das über Jahre hinweg… Kein Jakobiner
          kann so eine solche Ignoranz dulden, und so
          zerrten ihre Schergen den unverbesserlichen
          Wiederholungstäter zum Richtplatz auf den
          Obermarkt.

          Im Angesicht der ungeduldigen und zahlreich
          erschienenen Volksmassen erhob Richter
          Ekkehard Greis vorab seine mahnende
          Stimme und rief zur Gerechtigkeit auf. Das
          ließ Ankläger Simon Schafheitle sich nicht      Angesichts der Anklage fassungslos.
          zweimal sagen, schlug verbal so richtig zu      Unserem Dirigenten wird es mulmig
          und zählte mit sichtlicher Genugtuung ein
          Vergehen nach dem anderen auf. „Komm,           Worte. Einzig Conny Nack versuchte es, und
          Mettler, mach’s dir bequem, heut erhältst du    Roswitha Baumgärtner konnte trotz einiger
          dein Requiem!“, drohte er unmissverständlich.   bescheidener Beschwichtigungsversuche
                                                          und ihrer eiskalt-zündenden Rachearie nichts
          Kein Wunder, dass Verteidigerin Claudia         ausrichten.
          Zähringer kaum dagegen halten konnte. Wie
          auch, ist sie doch selbst jahrzehntelang kom-   Es sah finster aus für den Delinquenten am
          plizenhaft mit dem Angeklagten verbunden        Ende der Verhandlung. Das Gericht, das sich
          und hat mit ihm als Anführer im Sinfonischen    mit leicht betretenen Mienen zur Beratung
          Chor mit den Wölfen geheult! Da war jedes       zurückgezogen hatte, befand sich offensicht-
          Plädoyer um Freispruch vergebens. Auch mit      lich nicht in der Lage, zu einem gerechten
          den Zeugen war wenig anzufangen. Weder          Urteil zu finden und fällte – aus Hilflosigkeit
          Hans-Peter Jehle noch Norbert Heizmann alias    und als Ultima ratio – das einzig richtige Urteil:
          Oswald von Wolkenstein fanden entlastende       kein Freispruch – nein, das nicht – der große
                                                          Musiker Wolfgang Mettler wurde verurteilt,
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                                                          Niederfallen der Guillotine, stattdessen
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                                                          zufriedene Gesichter und ausgestreckte
          Schulthaißstr. 1, 78462 Konstanz                Hände, als der so glücklich Davongekom-
          Tel. 07531 365 90 95                            mene Mett(ler)würstle an das hungrige Volk
          www.physioparadies.de                           verteilte, das soeben noch seinen Kopf gefor-
          kontakt@physioparadies.de                       dert hatte.

                                                                                     C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9   19
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                                                Te Deum
                                        Kurze Entwicklungsgeschichte einer
                                           alten musikalischen Gattung

                                                         Von Gisela Auchter

                                                         Hier das Te Deum von Georges Bizet – ein Werk
                                                         diktiert von jugendlichem Temperament, ent-
                                                         standen als „Herausgabe“ des frisch gekürten
                                                         Rompreisträgers, eigentlich widerwillig und
                                                         mehr aus Notwendigkeit niedergeschrieben,
                                                         weil sich sein Schöpfer von allem Anfang der
                                                         Oper verschrieben hatte – auf der anderen
                                                         Seite das Te Deum von Anton Bruckner,
                                                         ein Werk, das von den Nachgeborenen als
                                                         Inbegriff tiefer Religiosität angesehen wird
                                                         und das Bruckner selbst als sein Lieblings-
                                                         werk bezeichnete. Welten liegen zwischen
                                                         diesen beiden Kompositionen, obwohl ihre
                                                         Entstehungsjahre – 1858 und 1884 – gar nicht
                                                         so weit auseinander liegen und ihnen der
                                                         gleiche Inhalt zugrunde liegt. Beide Werke
                                                         hat unser Chor schon aufgeführt: Bizet 1993
                                                         und Bruckner 1995.

                                                         „Te Deum laudamus“ sind die Anfangsworte
                                                         eines gregorianischen Lobgesangs, die
                                                         Martin Luther später mit „Herr Gott, Dich
                                                         loben wir“ übersetzt hat. Der Text wird dem
                                                         Hl. Ambrosius zugeschrieben, der im 4. Jahr-
                                                         hundert Bischof von Mailand war und nach
                                                         Berichten von Augustinus den Gesang von
                                                         Hymnen in die römische Kirche eingeführt
                                                         haben soll.

                                                         Ob der Text, angeblich 386 während der
                                                         Belagerung von Mailand durch die früh-
                                                         christlichen Arianer entstanden, wirklich von
                                                         Ambrosius stammt, ist nicht gesichert, er
                                                         hat aber als so genannter „Ambrosianischer
     Taufe des Augustinus durch Bischof Ambrosius        Lobgesang“ Eingang in die katholische Kirche
     von Benozzo Gozzoli (1420 – 1497)                   gefunden. Wir haben es hier also mit einer
     Bildquelle: commons.wikimedia.org/                  sehr alten Gattung zu tun, die weit mehr als

20   C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
KU R Z E R L ÄU TE RT

seit einem halben Jahrtausend Bestand hat.
Im Mittelalter war das Te Deum, in seinen
Anfängen noch einstimmig vertont, Teil des
Breviers an Sonn-und Feiertagen außerhalb
der Advents- und Fastenzeit. Es hatte durch-
aus auch gemeinschaftsbildende Funktionen,
da es bei Prozessionen, Bischofswahlen,
Priesterweihen und anderen festlichen
Gelegenheiten gebraucht wurde. Die erste
vollständige Text-Aufzeichnung ist überlie-
fert aus den Jahren um 690. Allerdings wurde
bereits 530 von Bischof Cyprian von Toulon
vom täglichen Gebrauch des Te Deums in der
„Kirche des ganzen Erdenkreises“ berichtet.       Georges Bizet   Bildquelle: commons.wikimedia.org
Das früheste bekannte Beispiel für eine           (1838 – 1875)
mehrstimmige Komposition des Te Deum
ist aus dem 13. Jahrhundert überliefert.          wie Lully, Charpentier und Purcell stehen
Offensichtlich war aber das Interesse am          dafür. Für das Te Deum des 18. Jahrhunderts,
mehrstimmigen Te Deum in den einzelnen            inzwischen zu einem prächtigen konzertie-
Ländern sehr unterschiedlich. Man glaubt          renden Kantaten- und Messestil gewandelt,
heute, dass es sich deshalb bei diesen Ver-       stammen die wichtigsten Beiträge aus der
tonungen im 15. und 16. Jahrhundert oft nur       Feder Georg Friedrich Händels, der den Text
um eine Art „Gelegenheitsmusik“ von lokaler       gleich sechsmal vertonte. Die Klassik kennt
Bedeutung gehandelt hat. Trotzdem gewann          die lateinischen Vertonungen von Haydn und
das Te Deum als festlichster aller christlichen   Mozart, dennoch hat sich diese Epoche zum
Lobgesänge bei Ereignissen von Rang zuneh-        Thema Te Deum eher zurückgehalten. Aber
mend an Bedeutung, gerade auch wenn               das 19. Jahrhundert hat hier für die Gestaltung
diese Ereignisse weltlichen Inhalts waren         groß angelegter sinfonischer Chorwerke die
wie fürstliche Hochzeiten oder Krönungs-          ideale Vorlage gefunden. Zu nennen wären
feierlichkeiten. Unter den Komponisten der        hier Liszt, Dvořák, Verdi (im 4. Teil seiner
Neuzeit komponierte Palestrina als Erster die     Quattro pezzi ) und schließlich Hector Ber-
Missa Te Deum laudamus (1572). Übrigens:          lioz, der sein Te Deum mit nicht weniger als
auch die lutherische Kirche hielt noch lange      900 Mitwirkenden am Vorabend der Pariser
an Vertonungen des lateinischen Textes für        Weltausstellung herausbrachte. Spätestens
ihre Zwecke fest.                                 jetzt hatte sich das Te Deum zu einem reinen
                                                  Konzertstück ohne Bindung an die christliche
Erst das 17. Jahrhundert gab dem Te Deum          Liturgie entwickelt. Auch das 20. Jahrhundert
vollends den Charakter einer großen Fest-         bescherte uns entsprechende Werke, etwa
motette, wobei es sich immer mehr von der         von Edward Elgar, Benjamin Britten, Avo Pärt
ursprünglichen Bindung an die alte vorgege-       oder Krysztof Penderecki. Als Gipfelpunkt in
bene Choralmelodie löste. Dem Verständnis         der langen Entwicklungsgeschichte dieser
barocker Festlichkeit entsprechend, wurde         markanten musikalischen Gattung dürfte
jetzt auch die Trompete mehr und mehr obli-       aber bis heute unangefochten das Te Deum
gatorisch im Einsatz der Klangmittel. Namen       von Anton Bruckner stehen.

                                                                            C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9   21
PA RT N E RCHO R

     Ars Vocalis präsentiert
     romantische Chormusik
     Das „Schicksal“ als Motto                                     Stadtkirche Winterthur                   Foto: H.-J. Knopf

     Von Hans-Joachim Knopf                                         der Johannespassion von Bach zur Kantate
                                                                    „Lobgesang“ von Fanny Mendelssohn, dem
     Unter dem Motto „Opus Schicksal“ konnte                        „Schicksalslied“ von Brahms zu Felix Men-
     unser Partnerchor Ars Vocalis aus Winterthur                   delssohns wunderschönem Psalm 42 „Wie
     in einem romantischen Chorkonzert am 30.                       der Hirsch schreit“. Sopranistin Franziska
     März 2019 in der Stadtkirche Winterthur                        Heinzen konnte ebenso überzeugen wie
     sein Können unter Beweis stellen. Dirigent                     das Männerquartett 42 (Philippe Jacquiard,
     Chasper-Curó Mani hatte ein attraktives                        Zacharie Fogal, Michael J. Schwendinger, Gré-
     Programm zusammengestellt und führte                           goire May) und die Camerata Cantabile. Der
     den Dirigentenstab mit viel Feingefühl                         Chor zeigte sich stimmsicher, Kirchenräume
     durch die überwiegend hochromantische                          sind aber für Chöre hinsichtlich Akustik und
     Chorliteratur: Der Bogen spannte sich vom                      Distanzen oftmals eine Herausforderung.
     Orchesterpräludium „Gott in Verkleidung“ des                   Dieses Konzert hätte ich mir in einem Kon-
     schwedischen Komponisten Lars-Erik Larsson                     zertsaal gewünscht, um den Chorklang noch
     (komponiert 1940) über den Eingangschor                        besser genießen zu können.

                                                                                                                           IMPRESSUM
     Herausgeber: Sinfonischer Chor Konstanz e.V., Postfach 101 939, 78419 Konstanz; www.sinfonischer-chor-konstanz.de
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     Bankverbindung Chornachrichten: Sparkasse Bodensee, IBAN: DE70 6905 0001 0000 0207 92, BIC: SOLADES1KNZ
     Präsident: Oberbürgermeister Uli Burchardt
     Geschäftsführender Vorsitzender: Johannes Pötter-Schmitt, Telefon: 0172 8708506 | johannes.m.schmitt@web.de
     Chorleiter: Wolfgang Mettler, Telefon: 07531 22565 | wolfgang@mettler-kn.de
     Redaktion: Dr. Hans-Joachim Knopf, Telefon: 0151 18195947 | synthi@gmx.net
     Anzeigen: Roswitha Baumgärtner, Telefon: 07531 3690365 | roswitha.b@online.de
     Geschäftsstelle: Maria Rosner, Telefon: 07531 73363
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              Telefon +49 7531 91 56 91 · klang@pianoamsee.de · www.pianoamsee.de

22   C H O R N AC H R I C H TE N 1 - 2 0 1 9
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