CLICK - Hörzentrum Oldenburg
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CLICK Neues aus dem Auditory Valley ZUKUNFT HÖREN Hören für alle. Alle Menschen, alle Situationen, alle Branchen. Projektgruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie soll Fraunhofer-Institut werden Hörtests basierend auf automatischer Spracherkennung MHH-Forscher wollen Taubheit mit Gentherapie heilen Foto: Hibbeler, Haus des Hörens 1 / 2019 EXZELLENZCLUSTER IM
INTRO CLICK - CLICK - CLICK. Zukunft Hören: Unter diesem Motto bündelt das Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk Auditory Valley Know-how rund um das Thema Hören. Mit diesem Magazin möchten wir Sie regelmäßig in die faszinierende und abwechslungs- reiche Welt der Forscherinnen und Forscher entführen. In der Rubrik „Überschallknall“ stehen die Entwicklung der Projektgruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie in Oldenburg zum Fraunhofer-Institut sowie die Forschung zum Thema Gentherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover im Mittelpunkt. Im „Richtungsfilter“ berichten wir über den Geschäftsführerwechsel bei der HörTech gGmbH und der Hörzentrum Oldenburg GmbH. Eine bunte Mi- schung aus Forschungsnews und Veranstaltungsberichten präsentieren wir Ihnen in der Rubrik „Rosa Rauschen“. Ein Fokus liegt auch in dieser Ausgabe wieder auf den Entwicklungen und Ergebnissen von Hearing4all, dem Exzellenzcluster im Auditory Valley. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen. Ihre CLICK-Redaktion P.S. Sie möchten „CLICK“ lieber als PDF per E-Mail bekommen? Wenden Sie sich gerne an uns unter info@auditory-valley.com INHALT ECHO Vorwort Sebastian Quirandt 03 ÜBERSCHALLKNALL Projektgruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie in Oldenburg soll Fraunhofer-Institut werden 04 ÜBERSCHALLKNALL MHH-Forscher wollen Taubheit mit Gentherapie heilen 06 RICHTUNGSFILTER Geschäftsführerwechsel in der Oldenburger Hörforschung 08 ROSA RAUSCHEN Neuigkeiten aus dem Netzwerk 09 Hearing4all SWEEP Wenn Geräusche zu Lärm werden 20 Hearing4all IMPULSE Neues aus dem Exzellenzcluster 24 WEITBLICK Niedersächsisches Modell der Förderung von Hörgeschädigten als Vorbild 30 AUSBLICK Veranstaltungen im Auditory Valley 31 Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird in den Texten nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen. Impressum: HörTech gGmbH, Marie-Curie-Str. 2, 26129 Oldenburg, Tel. 0441-2172 200, Fax 0441-2172 250, E-Mail: info@hoertech.de, www.hoertech.de V.i.S.d.P: Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier, Sebastian Quirandt Redaktion und Gestaltung: Swantje Suchland, Dr. Corinna Pelz, Daniela Beyer CLICK erscheint zweimal jährlich und wird kostenlos abgegeben. 2 CLICK | 1 / 2019
ECHO Liebe Leserinnen und Leser, die internationale Hörsystem-Branche befindet sich im Umbruch. Neue Gesetzgebungen (u.a. in den USA) Die mehr als 300 Wissenschaftler aus der Grund- und ermöglichen die Abgabe von over-the-counter-Hörgerä- Anwendungsforschung im Auditory Valley und im Ex- ten, die zu deutlich geringeren Preisen direkt vom End- zellenzcluster Hearing4all erforschen und entwickeln kunden erworben werden können. Gleichzeitig sorgt schon seit Jahren Hörlösungen unter der Prämisse, das Auftreten neuer, namhafter Player im Bereich der dass die Verbindung von Audiosystem-, Hörgeräte- und Hearables für neue Marktsegmente. Dadurch beginnen Cochlea-Implantat-Technik die einzigartige Chance klassischerweise getrennte Bereiche nach und nach birgt, die Lebensqualität einer Vielzahl von Menschen miteinander zu verschmelzen. nachhaltig zu verbessern. Während die konventionelle Versorgung einer Schwer- Ich freue mich ganz besonders, im Spannungsfeld hörigkeit in der Vergangenheit durch Hörgeräte erfolgte dieser dynamischen Entwicklung der Forschung und und CIs zunächst nur bei der Versorgung höchstgradi- Märkte die Geschäftsführung der zentralen Oldenbur- ger, an Taubheit grenzender Schwerhörigkeiten einge- ger Hörforschungseinrichtungen HörTech gGmbH und setzt wurden, überlappt sich der Indikationsbereich Hörzentrum Oldenburg GmbH zu übernehmen. Mit von CIs und Hörgeräten seit kurzer Zeit immer stärker. anwendungsorientierter Forschung, Translation und Personen, die vor einigen Jahren ein „Power-Hörgerät“ Dienstleistungen schlagen die beiden Unternehmen erhalten hätten, erhalten heute oftmals ein CI. die Brücke zu den Betroffenen und zum Markt der Hör- systembranche. Ich sehe es als meine Kernaufgabe, Auf der anderen Seite führte die stete Weiterentwick- dem aktuellen Umbruch in der Hörsystem-Branche lung mobiler Kommunikationsmöglichkeiten und -pro- Rechnung zu tragen und die Unternehmen inhaltlich dukte im Bereich der Consumer Electronics insbeson- und strukturell für zukünftige Forschungsthemen und dere durch die Verbindung von quasi-individuellen Herausforderungen am Markt zu positionieren. Das Produkten im Bereich der Lärmunterdrückung mit Team und ich freuen uns sehr darauf, mit Know-how Streamingtechnologie zur Entwicklung der Hearables. und innovativen Ideen gemeinsam die Zukunft des Hö- Diese Produkte sind in Abgrenzung zu CI und Hörgerä- rens weiter zu gestalten. ten keine Medizinprodukte, können jedoch potentiell Herzliche Grüße, die Einschränkungen durch eine Schwerhörigkeit in bestimmten Bereichen temporär reduzieren. Daher sind sie aktuell gerade im Bereich der leichtgradigen Schwerhörigkeiten (an der Grenze zur Hörgeräteindi- kation) eine Erweiterung der zur Verfügung stehenden Sebastian Quirandt, Hilfen. Zukünftig ist zu erwarten, dass die Überlappun- Geschäftsführer HörTech gGmbH & gen im Anwendungsbereich von Cochlea-Implantaten, Hörzentrum Oldenburg GmbH Hörgeräten und Hearables durch stetige Weiterentwick- lung der Technik steigen. Zudem wird sich die integrier- te Signalverarbeitung aneinander annähern. 1 / 2019 | CLICK 3
ÜBERSCHALLKNALL Projektgruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie in Oldenburg soll Fraunhofer-Institut werden 2008 wurde die Projektgruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie IDMT ins Leben gerufen. Heute ist die Projektgruppe eine erfolgreiche Einheit mit 40 Mitarbeitenden, die Partner und Kunden aus den Bereichen Industrie 4.0, Automo- tive, Consumer Electronics, Verkehr, Sicherheit, Telekommunikation und Gesundheit anspricht. Gemeinsam mit dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) hat die Fraunhofer-Gesellschaft eine Ausbauplanung für die HSA entwickelt, um die Arbeitsgruppe in ein eigenständiges Fraunhofer-Institut für Hör-, Sprach- und Neurotechnologie (HSN) zu überführen. Hierzu unterzeichneten am 2. April 2019 Prof. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Ge- sellschaft, und Björn Thümler, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, im Rahmen der Hannover Messe ein Memorandum of Understanding. Ziel der mittlerweile zum Institutsteil gewordenen Projekt- Zudem schafft die jahrelange vertrauensvolle Zusam- gruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie (HSA) war es menarbeit von HSA mit der Carl von Ossietzky Universi- zunächst, wissenschaftliche Erkenntnisse über die Hör- tät, der Jade Hochschule sowie weiteren Einrichtungen wahrnehmung des normalen und des beeinträchtigten der Oldenburger Hörforschung optimale Voraussetzun- Gehörs in technologische Anwendungen umzusetzen. gen für einen erfolgreichen Ausbau unserer Forschung.« Inzwischen gehen die Lösungen der Projektgruppe Darüber hinaus kann auch die European Medical School jedoch weit über die ursprünglich gesteckten For- (EMS) als Teil der hervorragenden Rahmenbedingungen schungsziele hinaus und kommen auch in den des Forschungsstandorts Oldenburg benannt werden. Bereichen Gesundheit, Verkehr, Automotive, Produktion, Consumer Electronics, Sicherheit sowie Telekommunika- Aufbauend auf den bisherigen Arbeiten sollen im neu- tion zum Einsatz. en Fraunhofer-Institut HSN die Bereiche »Connected Health«, »Neurotechnologie«, »The Hearing Car«, »HS- Dr. Jens-E. Appell, Abteilungsleiter des Institutsteils HSA, N4Production«, sowie »Voice Enabled Devices« ergänzt führt aus: »In den vergangenen zehn Jahren ist es uns und zu einem Portfolio mit Alleinstellungsmerkmalen gelungen, die Ergebnisse aus der Hörforschung in viele ausgebaut werden. Bereiche der Wirtschaft sowie Gesellschaft zu tragen und dort wichtige Beiträge zu leisten. Dazu gehört u.a. eine Spitzenforschung weiter vorantreiben robuste Spracherkennung zur berührungslosen Steue- Björn Thümler, Niedersächsischer Minister für Wissen- rung industrieller Maschinen, die akustische Erkennung schaft und Kultur, erklärt: »Oldenburg ist in der Hörfor- von Hilferufen, die Detektion sich nähernder Einsatz- schung ein international sichtbarer Leuchtturm. Das fahrzeuge oder auch die verbesserte Kommunikation wurde mit dem Erfolg des Exzellenzcluster-Antrags ›Hea- durch persönliche Hörsysteme. Diese Ansätze wollen wir ring4All‹ bei der Exzellenzstrategie vor knapp einem Jahr mit einer strategischen Weiterentwicklung in Richtung erneut unter Beweis gestellt. Es freut mich deshalb sehr, eines Instituts für Hör-, Sprach und Neurotechnologie am dass wir mit der heutigen Unterzeichnung des Memoran- Standort Oldenburg weiter verfolgen und voranbringen.« dum of Understanding zusammen mit der Fraunhofer- Gesellschaft einen konkreten Fahrplan festgelegt haben, Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier, Leiter des Institutsteils HSA, wie aus der bisherigen Fraunhofer-Projektgruppe in den spricht den vorhandenen Netzwerken und dem Stand- kommenden fünf Jahren ein eigenständiges Fraunhofer- ort in Oldenburg umfangreiche Mehrwerte zu: »Unse- Institut für Hör-, Sprach- und Neurotechnologie entwi- re erneute Teilnahme innerhalb des Exzellenzclusters ckelt werden soll. Damit stellen wir für die Zukunft sicher, ›Hearing4all‹ werden wir für gewinnbringende und mög- dass die Erfolge in der Forschung auch in der Praxis An- lichst weitreichende Kooperationsansätze nutzen. wendung finden.« 4 CLICK | 1 / 2019
© Fraunhofer Bei der Unterzeichnung des Memorandum of Understanding zur Weiterentwicklung der Projektgruppe HSA zu einem eigenständigen Fraunhofer- Institut (v.l.n.r.): Stephan Albani, MdB, Björn Thümler, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, Dr. Jens-E. Appell, Abteilungsleiter Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie (HSA), Prof. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Prof. Alexander Kurz, Mitglied des Vorstands der Fraunhofer-Gesellschaft. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesell- (HSN) zu überführen. Im Anschluss wird mithilfe exter- schaft, erklärt: »Mit dem heutigen Memorandum of Un- ner Fachgutachter eine Evaluation durchgeführt, deren derstanding zwischen der Fraunhofer-Gesellschaft und Ergebnisse als Grundlage für die Entscheidung über die dem Land Niedersachsen gehen wir einen bedeutenden Überführung von HSA in ein eigenständiges Fraunhofer- Schritt in Richtung eines neuen Fraunhofer-Instituts für Institut HSN dienen. Hör-, Sprach- und Neurotechnologie (HSN). Das neue In- Durch die voraussichtliche Institutsgröße von 130 Köp- stitut soll unsere bestehenden Kompetenzen ergänzen fen wird ein eigenes Institutsgebäude für das Fraunhofer und unsere Forschung in strategisch wichtigen Berei- HSN erforderlich. Dafür ist in dem Konzeptpapier eine chen wie Industrie 4.0, dem Automotive-Sektor, der Me- Finanzierung vorgesehen, die zu gleichen Teilen vom dizinforschung oder der Telekommunikation stärken und Land Niedersachsen und der Fraunhofer-Gesellschaft weiter vorantreiben. Große Bedeutung kommt hierbei getragen wird. Eine erste Abschätzung der Kosten für den auch dem Standort Oldenburg zu. Die hervorragende For- Neubau geht von einer Gesamtsumme von ca. 40 Mio. schungsinfrastruktur und die Nähe zur Carl von Ossietz- Euro aus. ky Universität ist für den langfristigen Erfolg des neuen Instituts eine außerordentlich wertvolle und aussichts- reiche Grundlage.« Gemeinsame Ausbauplanung Gemeinsam mit dem MWK hat die Fraunhofer-Gesell- schaft eine Ausbauplanung für die HSA entwickelt. Das Konzept sieht vor, mit Unterstützung von Landesmitteln in Höhe von 15 Mio. Euro in einem Zeitraum von fünf Jah- ren die Projektgruppe HSA in ein eigenständiges Fraun- hofer-Institut für Hör-, Sprach- und Neurotechnologie 1 / 2019 | CLICK 5
ÜBERSCHALLKNALL © MHH/Kaiser Professorin Dr. Hildegard Büning, Privatdozent Dr. Michael Morgan, Professor Dr. Dr. Axel Schambach, Dr. Juliane Schott und Privatdozentin Dr. Athanasia Warnecke (von links) MHH-Forscher wollen Taubheit mit Gentherapie heilen Neue Gentherapie soll Kinder und Erwachsene vor Taubheit schützen Hohe Auszeichnung für einen Forscher der auch auf gesellschaftliche Teilhabe sowie auf Bildungs- Medizinischen Hochschule Hannover (MHH): Profes- und Berufschancen beziehen. Derzeit ist Gehörlosigkeit sor Dr. Dr. Axel Schambach hat von der Europäischen nicht heilbar. Beim Ausfall des Innenohres kann sie al- Union die sehr begehrte Auszeichnung „Consolidator lerdings mit einem Cochlea-Implantat technisch über- Grant“ des Europäischen Forschungsrates „European wunden werden, wobei die Taubheit biologisch bestehen Research Council“ (ERC) erhalten. Damit verbunden ist bleibt. Bei rund der Hälfte der taub geborenen Kinder liegt eine Förderung seiner Wissenschaft in Höhe von rund die Gehörlosigkeit daran, dass ein oder mehrere Gene zwei Millionen Euro für die kommenden fünf Jahre. nicht funktionieren. Derzeit sind rund 100 Gene bekannt, deren Fehlfunktionen zur Taubheit führen können. Der Leiter des MHH-Instituts für Experimentelle Hämatologie nutzt die Förderung für das Projekt „iHEAR“, Das „iHEAR“-Team will Taubheit mit Gentherapie heilen. dessen langfristiges Ziel es ist, Kinder und Erwachsene Dabei konzentriert es sich auf Gene, die für die zum Hören vor Taubheit zu schützen. notwendigen Haar- und Sinneszellen im Innenohr verant- wortlich sind. Das Ziel: sogenannte Genfähren (lentivira- Die Anzahl der Betroffenen ist groß: Etwa zwei bis fünf le und adenoassoziierte Virus-Vektoren) ins Innenohr zu von tausend Kindern werden taub geboren. Zudem erfah- injizieren, die mit der funktionierenden Version des Gens ren im Laufe des Lebens rund 20 Prozent der Bevölke- beladen sind. Die Fähren sollen das Gen in die Haar- und rung eine Beeinträchtigung ihres Hörvermögens. So sind Sinneszellen bringen, damit das fehlende Protein gebil- in Deutschland rund 15 Millionen Menschen schwerhörig det werden kann und die Zellen wieder funktionieren. bis gehörlos. Sie müssen mit den Folgen leben, die sich 6 CLICK | 1 / 2019
rks rwo mo Heilen und Schützen - in jedem Alter eta ©m Dem Team geht es zudem darum, mit Hilfe der Genthera- Innenohrs. „Bei der von uns angestrebten Gentherapie pie spontaner Ertaubung entgegenzuwirken. Diese kann bei Schwerhörigkeit müssen exakt diejenigen Strukturen durch die Behandlung mit Medikamenten wie etwa be- wiederhergestellt werden, die defekt sind, und nur exakt stimmten Chemotherapeutika entstehen. Hierbei soll die in genau jenen Zellen, in denen sie natürlicherweise vor- Gentherapie die ungewollte Aufnahme der Medikamente kommen“, erläutert sie. in die Haarzellen verhindern beziehungsweise das Her- auspumpen des Medikaments aus diesen empfindlichen Auch der Vorstand des Zentrums für regenerative Medi- Zellen bewirken. zin, REBIRTH, freut sich außerordentlich über die ERC- Auszeichnung. „Als einer von vielen Ansätzen, die im Die Studien werden zunächst anhand von Zellversuchen Bereich Stammzellforschung in REBIRTH entwickelt und in Modellsystemen durchgeführt. Damit die For- wurden, kann das geförderte Konzept nun ganz neue schungsergebnisse möglichst bald auch am Menschen Anwendungen erforschen, nämlich stammzellbasierte angewendet werden können, entwickeln sie auch selber Krankheitsmodelle und die Vermeidung von Zellschädi- patientenspezifische Erkrankungsmodelle. Diese basie- gung durch die Chemotherapie. Falls erfolgreich, ließen ren auf sogenannten induzierten pluripotenten Stamm- sich diese hoch-innovativen Ansätze für das Innenohr zellen, die - im Falle dieses Projekts - von Zellen gehörlo- sicher auf andere Organsysteme übertragen“, sagt Pro- ser Menschen abstammen. fessor Dr. Axel Haverich. Professor Schambach wird auch Das Forschungsteam geht davon aus, dass die Arbeiten weiterhin von Professor Dr. Dr. Thomas Thum von der MHH nicht nur Kindern und jungen Erwachsenen nützen wer- unterstützt, der REBIRTH seit 2019 leitet. Ebenfalls her- den: „Wir hoffen, dass die von uns erzielten Ergebnisse ausragend am Projekt „iHEAR“ beteiligt sind Professorin langfristig auch zur Therapie der Altersschwerhörigkeit Dr. Hildegard Büning, Privatdozent Dr. Michael Morgan, Dr. beitragen“, sagt Professor Schambach. Axel Rossi, Dr. Dirk Hoffmann und Dr. Juliane Schott aus dem MHH-Institut für Experimentelle Hämatologie. Teamleistung führt zum Erfolg Der nun erzielte Fördererfolg beruht auf einer Teamleis- Für „iHEAR“ ist zudem die Kooperation mit der Leibniz tung. „Ohne die Vorarbeiten, die unter anderem im Rah- Universität Hannover essenziell, deren Wissenschaft- men der Exzellenzcluster‚ REBIRTH - Von Regenerativer lerinnen und Wissenschaftler der technischen und der Biologie zu Rekonstruktiver Therapie‘ und ‚Hearing4all‘ organischen Chemie sowie des Biomolekularen Wirk- stattgefunden haben, gäbe es das neue Projekt ‚iHEAR‘ stoffzentrums, die für diese Forschungsarbeiten notwen- nicht“, sagt Professor Schambach. Beispielsweise ent- digen Wirkstoffe und Wachstumsfaktoren bereitstellen. standen die Genfähren im Rahmen des Exzellenzclusters REBIRTH, in dem sie auch mehr als zwölf Jahre weiterent- wickelt wurden. Maßgeblich am Projekt „iHEAR“ beteiligt sind unter ande- rem Professorin Dr. Brigitte Schlegelberger und Dr. Bernd Auber, MHH-Institut für Humangenetik, sowie Privatdo- zentin Dr. Athanasia Warnecke, Ärztin der MHH-Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde (HNO). „Die Gentherapie eröffnet grundsätzlich neue Behandlungsmöglichkeiten der Schwerhörigkeit. Sie ermöglicht, die Ursache der Hör- störung zu beseitigen und somit eine Heilung herbeizu- führen. Der Grant ist eine herausragende Auszeichnung der Arbeiten der jungen interdisziplinär arbeitenden Wis- senschaftler an der MHH“, erklärt Professor Dr. Thomas Lenarz, Direktor der HNO-Klinik an der MHH und Sprecher des Exzellenzclusters Hearing4all am Standort Hanno- ver. Für die Klinikerin Dr. Warnecke steckt die größte Her- ausforderung in der komplexen Zellarchitektur des 1 / 2019 | CLICK 7
RICHTUNGSFILTER Sebastian Quirandt (v.l., Nachfolger), Prof. Esther Ruigendijk, Dr. Rüdiger Schönfeld, Stephan Albani, Prof. Dr. Norbert Dillier, Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier, Bürgermeisterin Germaid Eilers-Dörfler, Dr. Hans Schroeder. Geschäftsführerwechsel in der angewandten Oldenburger Hörforschung Stephan Albani (MdB) hat die Geschäftsführung der Hör- mit Know-how und innovativen Ideen gemeinsam die Zu- Tech gGmbH und der Hörzentrum Oldenburg GmbH pla- kunft des Hörens zu gestalten.“ betont Quirandt. nungsgemäß an den bisherigen Prokuristen Sebastian Quirandt übergeben. Brücken der Oldenburger Hörforschung Mit anwendungsorientierter Forschung, Translation Nach über 20 Jahren als Geschäftsführer übergab Ste- und Dienstleistungen schlagen die beiden Unterneh- phan Albani das Amt an Sebastian Quirandt. Wie bereits men die Brücke zu den Betroffenen und zum Markt bei Eintritt in den Bundestag 2013 zwischen den Gesell- der Hörsystembranche. „Das Hörzentrum Oldenburg schaftern und Herrn Albani abgesprochen, wurde nun und die HörTech übernehmen eine essentielle Rol- die bisherige Regelung, die damals auf Wunsch beider le in der Oldenburger Hörforschung. Sie tragen die Seiten gewählt wurde, weiterentwickelt. Ein Wechsel, der Forschung zu den Menschen,“ erläutert Prof. Dr. Dr. zudem den veränderten Herausforderungen auf beiden Kollmeier als Sprecher des Exzellenzclusters Hea- Seiten Rechnung trägt und damit die Zeichen auf Zukunft ring4all und wissenschaftlicher Leiter der beiden Un- stellt. ternehmen. „Wir danken Herrn Albani für seine heraus- ragenden Verdienste und freuen uns auf die weiterhin Stephan Albani war als Mitgründer seit März 1996 Ge- exzellente und erfolgreiche Zusammenarbeit mit Herrn schäftsführer beider international agierenden Unterneh- Quirandt“. men. Im September 2013 wurde er als Abgeordneter der CDU im Landkreis Oldenburg-Ammerland in den Bundes- tag gewählt. „Es ist nun an der Zeit, meine „unternehme- rischen Kinder“ in andere Hände zu legen. Ich begrüße, dass wir Gesellschafter uns hier einstimmig für Herrn Quirandt entschieden haben.“, resümierte Albani bei sei- ner Abschiedsrede vor den Mitarbeitern. Diplom-Kaufmann Quirandt ist seit 2014 bei der HörTech und dem Hörzentrum Oldenburg als Controller und Pro- kurist tätig. Als neuer Geschäftsführer will der 36jährige den eingeschlagenen Erfolgskurs fortführen und die Unternehmen inhaltlich und strukturell für zukünftige Forschungsthemen und Herausforderungen am Markt positionieren. „Mit der engen Anbindung an die Grund- lagenforschung einerseits und an die klinische Praxis andererseits bietet der Standort Oldenburg optimale Sebastian Quirandt, neuer Geschäftsführer der HörTech gGmbH und Bedingungen. Das Team und ich freuen uns sehr darauf, der Hörzentrum Oldenburg GmbH 8 CLICK | 1 / 2019
ROSA RAUSCHEN Oldenburger Hörexperte Dr. Jan Rennies-Hochmuth erhält Klaus Tschira Boost Fund Für seine herausragende Forschungsleistung wurde Dr. für seine Bachelor-Arbeit zur Maskierung von Tönen Jan Rennies-Hochmuth mit dem „Klaus Tschira Boost durch unterschiedliche Rauschsignale. 2008 startete Fund“ ausgezeichnet. Im Institutsteil Hör-, Sprach- und er zunächst als Doktorand am Oldenburger Institutsteil Audiotechnologie (HSA) am Fraunhofer-Institut für Digi- Hör-, Sprach- und Audiotechnologie des Fraunhofer IDMT tale Medientechnologie (IDMT) in Oldenburg beschäftigt und forscht seitdem auf dem Gebiet der menschlichen er sich mit der Entwicklung persönlicher Hörsysteme Sprachwahrnehmung. Seit 2012 ist er Gruppenleiter der zur Verbesserung der Sprachkommunikation. Die Klaus Gruppe Persönliche Hörsysteme und seit 2017 stellver- Tschira Stiftung fördert gemeinsam mit der German Scho- tretender Abteilungsleiter. Im Zuge seiner Arbeiten über lars Organization e.V. die nächste akademische Genera- computerbasierte Modelle zur Vorhersage der Lautheits- tion. Das Fraunhofer IDMT-HSA ist Partner im Exzellenz- wahrnehmung und der Sprachverständlichkeit erhielt cluster »Hearing4all«. Dr. Jan Rennies-Hochmuth 2016 einen der renommier- testen Preise, die in Deutschland jährlich im Bereich Trotz langjähriger Forschung im Bereich der Sprachver- der technischen Akustik vergeben werden - den Lothar- ständlichkeit gibt es noch immer Wissenslücken darüber, Cremer-Preis. wie das menschliche Gehör in komplexen Hörsituationen wirkt und wie störende Faktoren die Kommunikation Mit dem Klaus Tschira Boost Fund sollen exzellente einschränken. Auch die dazugehörige Entwicklung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Natur- Modellen zur Vorhersage der menschlichen Sprachver- wissenschaften, Mathematik und Informatik gefördert ständlichkeit ist noch nicht vollständig untersucht. Mit und unterstützt werden. Es werden flexible Fördergelder Unterstützung des „Klaus Tschira Boost Fund“ wird sich in einem Zeitraum von zwei Jahren in Höhe von bis zu Dr. Jan Rennies-Hochmuth nun intensiv diesen Themen 80.000 Euro vergeben, um für eigene, riskantere sowie widmen, um sie weiter zu erforschen. interdisziplinäre Projekte Freiräume zu schaffen. Dabei stehen den Forschern kompetente Fachkräfte begleitend „Der Klaus Tschira Boost Fund schafft, sowohl finanziell und beratend zur Seite für die bestmögliche professi- als auch zeitlich, die notwendigen Freiheiten, um wei- onelle und persönliche Weiterentwicklung. Außerdem terhin an Grundlagenforschungsprojekten mit hohem unterstützt der Klaus Tschira Boost Fund die Nachwuchs- Publikationspotenzial zu arbeiten und gleichzeitig die wissenschaftler beim Aufbau von internationalen Koope- Entwicklung meiner Gruppe am Fraunhofer IDMT voran- rationen und Netzwerken. zubringen. Insbesondere werde ich in der Lage sein, in- ternationale Forschungskooperationen zu fördern – wo- rauf ich mich sehr freue“, so Dr. Jan Rennies-Hochmuth. Die Forschung von Rennies-Hochmuth zielt darauf ab, ein besseres Verständnis davon zu bekommen, wie Spra- che unter komplexen Hörbedingungen wahrgenommen wird und vor allem, wie Informationen über beide Ohren hinweg verbunden werden. Um das Wissen über die maßgeblichen Faktoren für das individuelle Sprachver- stehen und die empfundene Höranstrengung zu erwei- tern, werden mehrere Versuche mit Probanden mit und ohne Hörverlust durchgeführt. „Die daraus gewonnenen Foto: Fraunhofer IDMT / Hannes Kalter Erkenntnisse sollen die Grundlage für verbesserte Vor- hersagemodelle und Anwendungen bilden - zum Beispiel in Hörgeräten und Kommunikationssystemen“, erklärt der Fraunhofer-Wissenschaftler. Jan Rennies-Hochmuth studierte Engineering Physics an der Carl von Ossietzky Besser hören, für jeden, überall: Der Oldenburger Hörforscher und Gruppenleiter am Fraunhofer IDMT Dr. Jan Rennies-Hochmuth erhält Universität Oldenburg und an Dänemarks Technischer den Klaus Tschira Boost Fund. Universität in Lyngby. 2007 erhielt Rennies-Hochmuth bereits den Niedersächsischen Wissenschaftspreis 1 / 2019 | CLICK 9
ROSA RAUSCHEN Bestmögliche Hörgeräteversorgung für Schwerhörige sicherstellen – HörTech startet INNO-KOM Projekt Seit dem 1. Juli entwickelt die Oldenburger HörTech gGmbH „Obwohl sich zahlreiche Studien auf wissenschaftlicher im Rahmen des Förderprogramms „INNO-KOM“ ein Mess- Ebene mit dem Thema Höranstrengung beschäftigt haben, verfahren zur Erfassung der subjektiven Höranstrengung, gibt es aktuell kein einfaches Tool, das Hörakustiker oder welches in eine marktfähige Anwendung für Hörakustiker Audiologen nutzen können, um ihre Kunden mit einer Hörge- und Kliniken umgesetzt werden soll. Mit der Messmetho- räte- bzw. CI-Versorgung auszustatten, die neben der Sprach- de „ACALES“ (engl. Adaptive CAtegorical Listening Effort verständlichkeit auch die Höranstrengung berücksichtigt. Scaling, deu. adaptive kategoriale Höranstrengungsska- Hier setzt unser Verfahren an“ erklärt Melanie Krüger, Pro- lierung) hat die HörTech ein Verfahren zur Messung der duktmanagerin bei der HörTech gGmbH. subjektiv wahrgenommenen Höranstrengung entwickelt, welches bereits in wissenschaftlichen Studien evaluiert INNO-KOM – Forschungsergebnisse für den Mittelstand und eingesetzt wurde. Das Verfahren liefert verlässli- Das Förderprogramm Innovationskompetenz INNO-KOM che Ergebnisse über die unterschiedliche Wahrnehmung unterstützt die innovative Leistungsfähigkeit gemeinnützi- von Höranstrengung bei verschiedenen Hörsystemen ger externer Industrieforschungseinrichtungen wie der Hör- und hilft so, die bestmögliche Versorgung Schwerhöriger Tech gGmbH, um so die Innovationskraft strukturschwacher sicherzustellen. Regionen Deutschlands nachhaltig zu stärken. Seit 2009 konzentrierte sich das Vorläuferprogramm INNO-KOM-Ost Ein geselliger Abend im Restaurant, eine große Familienfeier auf gemeinnützige externe Forschungseinrichtungen in Ost- oder ein Ausflug zum Stadtfest: Wer kennt es nicht, Gesprä- deutschland. Am 1. Januar 2017 wurde das Erfolgsmodell che in lauten Umgebungen werden anstrengender empfun- unter dem neuen Namen INNO-KOM auf strukturschwache den als in einer ruhigen Umgebung. Die Problematik der so- Regionen in ganz Deutschland ausgeweitet. genannten „Höranstrengung“ wird umso schlimmer, je mehr Probleme wir mit unserem Hören haben, d.h. umso stärker der Hörverlust ist. Hörsysteme sollen helfen, die Höranstren- gung individuell zu verringern. Aber tun sie dies überhaupt? Um dies zu überprüfen, bedarf es guter Messmethoden. Die optimale Versorgung Schwerhörender mit Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten (CI) stellt Hörakustiker und HNO- Ärzte vor immense Herausforderungen. Insbesondere die subjektive Nutzenbewertung von den Hörsystemen in akus- tisch anspruchsvollen Alltagssituationen stellt ein Problem dar. 10 CLICK | 1 / 2019
© CARU AG Das Fraunhofer IDMT in Oldenburg hat für den CARU Smart Sensor die Audiotechnologie und die Spracherkennung entwickelt. Je nach Anwendung ist das Gerät ein aufmerksamer Mitbewohner, ein Sicherheitssystem oder es trägt zur Prozessoptimierung von Dienstleistungen bei. Spracherkenner und Audiosystemtechnik vom Fraunhofer IDMT in Oldenburg arbeiten am „aufmerksa- men Mitbewohner“ CARU Smart Sensor „Hilfe! – hilfe!“ Niemand möchte in die Situation geraten, trägt zur Prozessoptimierung von Dienstleistungen bei. um Hilfe rufen zu müssen. Und ebenso wenig wünscht Die Sicherheit, das Wohlbefinden und die Lebensquali- man sich die Not für seine Mitmenschen. Sollte aber der tät aller Beteiligten sollen so gesteigert werden. Um die Fall eintreten, dann möchte man sichergehen, dass der Akzeptanz des neuen Notrufsystems sicherzustellen, Ruf gehört wird – unter allen Umständen. Mit dem CARU wurden professionelle Pflegekräfte, Patienten und Ange- Smart Sensor, der auch wie ein Hausnotrufsystem ein- hörige in den Entwicklungsprozess eingebunden. gesetzt werden kann, werden mit lautbasierter Sprach- und Ereigniserkennung kritische Situationen erkannt Mit der Entwicklung und Integration einer hochsensitiven und automatisch eine Telefonverbindung aufgebaut oder Mikrofontechnologie hat das Fraunhofer IDMT zusätzlich ein Notruf ausgelöst. Audioexperten und Entwickler von die Voraussetzungen für eine sehr robuste Sprachsteu- Spracherkennern des Fraunhofer-Instituts für Digitale erung und gute Telefonqualität im Freisprechbetrieb Medientechnologie IDMT in Oldenburg haben daran mit- geschaffen. Hinzu kommen die gute Klangqualität und gewirkt. Sprachverständlichkeit, für die ebenfalls die Ingenieure aus Oldenburg verantwortlich sind. „Mit CARU haben wir eine sehr zuverlässige Sprach- und Hilferuferkennung entwickelt, die auch bei lauter Umge- bung, zum Beispiel neben einem lauten Fernseher, funk- tioniert. Zuverlässig heißt für uns auch, dass möglichst keine Fehlerkennung stattfindet, die etwa Angehörige oder Pflegepersonal unnötig alarmieren würde“, stellt Dr.-Ing. Stefan Goetze, Gruppenleiter Automatische Spra- cherkennung am Fraunhofer IDMT in Oldenburg heraus. Der CARU Smart Sensor wird in der Wohnumgebung auf- gestellt und kann durch Sprachbefehle einen Notruf aus- Der CARU Smart Sensor wird in der Wohnumgebung aufgestellt und lösen sowie eine Telefonverbindung zu einer Vertrauens- kann durch Sprachbefehle einen Notruf auslösen sowie eine Telefon- person herstellen. Er misst kontinuierlich verschiedene verbindung zu einer Vertrauensperson herstellen. Raumparameter, lernt das Nutzerverhalten und erkennt Abweichungen. Je nach Anwendung ist das Gerät ein aufmerksamer Mitbewohner, ein Sicherheitssystem oder 1 / 2019 | CLICK 11
ROSA RAUSCHEN Innovative Operationstechnik für Cochlea- Implantate aus dem Auditory Valley Bei hochgradigen Schwerhörigkeiten stellt ein Cochlea- damit sicherer und kostengünstiger gestalten soll. „Un- Implantat (CI) eine gute Möglichkeit dar, das Hörvermögen ser System ist aus einer Forschungsidee an der Medizi- zu verbessern und so die Lebensqualität der Betroffenen nischen Hochschule Hannover entstanden. Dabei haben zu steigern. Ein CI wird im Innenohr (der Hörschnecke) wir sehr schnell den möglichen Nutzen für Kliniken und eingesetzt und regt die Hörsinneszellen auf elektrischem Patienten erkannt,“ berichtet Samuel John, Geschäfts- Wege so an, dass beim Patienten wieder Höreindrücke führer der OtoJig GmbH. Bei dem neuartigen Verfahren entstehen und exzellente Sprachverständlichkeit erzielt wird der Zugang zum Innenohr auf Basis bildgebender werden kann. Bei Cochlea-Implantaten handelt es sich Verfahren patientenindividuell geplant und dann mit ei- inzwischen um etablierte Technik, so dass die jährliche ner kleinen Präzisionsbohrung hergestellt. Dadurch soll Anzahl an CI-Operationen weltweit immer weiter steigt. die entstehende Wunde deutlich kleiner sein, als bei her- Damit nimmt auch der Bedarf an entsprechenden Klini- kömmlichen CI-Operationen, und die Operationszeit soll ken und Operateuren zu. Auch in Deutschland werden signifikant verkürzt werden. „Den Patienten wird durch immer mehr Patienten mit Hörimplantaten versorgt. das OtoJig-Verfahren voraussichtlich ein schnellerer Hei- Aber trotz der oft zu erwartenden Vorteile scheuen viele lungsprozess ermöglicht, eine erhöhte Präzision in der Patienten den operativen Eingriff am Kopf. Wenn man CI- Elektrodenplatzierung geboten und die Sicherheit der Operationen minimalinvasiv durchführen könnte, würde Operationen sollte zunehmen,“ erläutert Prof. Dr. Thomas die Hürde für diese Operationen sinken. Zudem könnte Lenarz von der Medizinischen Hochschule Hannover eine Verbesserung des OP-Verfahrens auch die Kosten (MHH). einer Operation reduzieren und es mehr Kliniken welt- Bisher ist die technische Machbarkeit des Verfahrens in weit ermöglichen, eine qualitativ hochwertige CI-Versor- der Grundlagenforschung an der MHH demonstriert wor- gung anzubieten. Dies sind die Visionen der Firma OtoJig den. Seitdem arbeitet die OtoJig GmbH intensiv daran, GmbH aus Hannover, die aktuell an einem System arbei- das Verfahren in ein regulär nutzbares Vorgehen mit zer- tet, dass das Einsetzen eines Cochlea-Implantats durch tifizierten Medizinprodukten umzusetzen. minimalinvasive Techniken deutlich vereinfachen und 12 CLICK | 1 / 2019
„Dazu ist noch einiges an zusätzlicher Forschung und trotz des kleinen Bohrlochs akkurate Informationen über die Entwicklung nötig,“ so John. Aktuell wird in einem vom aktuelle Elektrodenlage erhalten kann, erforscht die Univer- Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sitätsklinik für HNO-Heilkunde der Universität Oldenburg ein geförderten Forschungsprojekt erforscht, wie das Verfahren intraoperatives Messverfahren zur sichtlosen Insertionstie- sicher, effektiv und alltagstauglich gemacht werden kann. fenbestimmung, weil man aufgrund des neuen Verfahrens In dem Verbundprojekt „KLINOPCI“ (Klinische Optimierung nicht mehr direkt sehen kann, wie das Implantat in das In- für minimalinvasive CI-Operationen; Förderkennzeichen nenohr eingeführt wird. Die Medizinische Hochschule Han- 13GW0265) arbeiten OtoJig, die Medizinische Hochschule nover arbeitet an der Optimierung der Vorgehensweisen für Hannover und die Universitätsklinik für HNO-Heilkunde der die OP-Abläufe, die sich bei dem neuen Verfahren deutlich Universität Oldenburg zusammen, um die Operationstechnik von denen bei herkömmlichen CI-OPs unterscheiden. zu optimieren und zu standardisieren sowie die erforderli- Geschäftsführer und Projektleiter John zieht ein positives chen Instrumente zu entwickeln. Zwischenfazit über das Projekt, das sich kurz vor Erreichen der Halbzeit befindet: „Wir freuen uns sehr darauf, das neue Dabei ist insbesondere im Hinblick auf Gebrauchstauglich- Verfahren in die klinische Routine zu bringen. Aber bis es so- keit und Patientensicherheit der systematische und enge weit ist, haben wir noch einige Herausforderungen zu meis- Austausch zwischen OtoJig und den klinischen Partnern von tern. Da ist es gut, mit starken und kompetenten Partnern besonderer Bedeutung. Aus diesem Grund ist das Klinische zusammenzuarbeiten.“ Innovationszentrum für Medizintechnik Oldenburg (KIZMO GmbH) ebenfalls eng in das Projekt eingebunden, um Nut- zungskontext und Nutzungsanforderungen zu erheben, Usability Engineering zu betreiben und Tests der Gebrauchs- tauglichkeit durchzuführen. Der sehr erfolgreiche Verlauf des Projekts stellt exemplarisch die fruchtbare und sich gegenseitig ergänzende Zusammen- arbeit der Standorte Hannover und Oldenburg im Auditory Valley dar, die hier zwischen Forschern, Anwendern und Fir- men möglich ist. „Die Arbeit mit allen Projektpartnern berei- tet große Freude und ist ein immenser Zugewinn für Innovati- onskraft und Qualität,“ resümiert Dr. Michael Buschermöhle, Geschäftsführer der KIZMO GmbH. „Wir konnten bereits neue Ideen und Verbesserungen generieren, die ohne die koor- dinierte Zusammenarbeit der Projektpartner nicht möglich gewesen wären,“ kann auch John bestätigen. Insgesamt trägt die im Projekt umgesetzte nutzerzentrierte Entwick- lung eines Medizinproduktes dazu bei, das neue Verfahren zielgerichtet und effizient umsetzen zu können. Damit wird eine Brücke zwischen Grundlagenforschung und Anwen- dung errichtet, die notwendig ist, um erfolgreiche innovative Medizintechnik zu entwickeln und das oft zitierte „Valley of Death“ zu überwinden, in dem ein großer Teil neuer Medizin- produkte scheitern, wenn sie zwar über die Grundlagenfor- schung hinausgelangt sind, aber noch nicht als Medizinpro- dukt zugelassen wurden. In dem Forschungsvorhaben entwickelt die OtoJig, basie- rend auf dem Feedback der Anwender, optimierte Hard- und Software, die direkt in praxisnahen Workshops bei den Kli- nikpartnern getestet werden können. Damit der Operateur 1 / 2019 | CLICK 13
ROSA RAUSCHEN EFAS Präsidenten: ehemalige Präsidentin Françoise Sterkers-Artières (France, 2017-2019, links), Präsident Birger Kollmeier (Germany, 2019- 2021, mitte) und die zukünftige Präsidentin Liat Kishon-Rabin (Israel, 2021-2023, rechts) Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier tritt Amt als Präsident der EFAS an Auf der diesjährigen Tagung der Europäischen Föderati- Die EFAS ist die Dachorganisation europäischer audiolo- on audiologischer Gesellschaften (EFAS) in Lissabon hat gischer Gesellschaften. Sie treibt die europaweite Stan- Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier sein Amt als Präsident der dardisierung der Audiologie voran. So hat die EFAS das EFAS angetreten. In den vergangenen Jahren hatte Koll- Konzept des „General Audiologist“ und des „Audiological meier die Geschicke der Föderation bereits als General- Specialist“ entwickelt, das unter anderem bei der Grün- sekretär und Incoming President mitbestimmt. dung des Oldenburger Bachelor- und Masterstudien- gangs „Hörtechnik und Audiologie“ Pate gestanden hat. „Die Audiologie ist eine multidisziplinäre Wissenschaft mit starken Grundlagen in den Bereichen Technik (d.h. Kollmeier forscht und lehrt seit 1993 an der Universität Ingenieurwesen, Physik, Informatik, Biologie und Psy- Oldenburg. Er ist Sprecher des Exzellenzclusters „Hea- chologie), Pädagogik und Medizin, die alle stark mitein- ring4all“. Zudem ist er unter anderem Wissenschaftlicher ander verbunden sind, um das Feld in großen Schritten Leiter der Hörzentrum Oldenburg GmbH und der Fraunho- voranzubringen. Diese multidisziplinäre Sichtweise hilft fer Projektgruppe für Hör-, Sprach- und Audiotechnologie. Europa, in wichtigen Bereichen der Audiologie führend Er hat zahlreiche renommierte Auszeichnungen erhalten, zu sein. Auch wenn sich hinter den Forschungsergebnis- darunter den Wissenschaftspreis Niedersachsen (2011) sen und Best-Practice-Verfahren harte Arbeit verbirgt, um und den Deutschen Zukunftspreis (Preis des Bundesprä- den hohen Standard der Audiologie in Europa zu halten, sidenten für Technologie und Innovation, 2012). macht das auch Spaß – wie die sehr freundliche und of- fene Atmosphäre bei den EFAS-Kongressen zeigt,“ erklär- Der nächste Kongress der EFAS findet 2021 in Sibenik, te Kollmeier bei seinem Amtsantritt begeistert. Kroatien statt. Weitere Informationen finden Sie unter www.efas.ws. Für seine Amtszeit hat sich Kollmeier ehrgeizige Ziele ge- setzt: „Schwerpunkte meiner Präsidentschaft werden neben der Weiterentwicklung der Standards für die akademi- sche Ausbildung in der Audiologie vor allem die audio- logische Präzisions-Medizin mit der Einführung von Methoden des maschinellen Lernens in Diagnostik und Behandlung von Schwerhörigkeit sein, sowie die Konver- genz von Hörgeräten und Hörimplantaten“ so Kollmeier. 14 CLICK | 1 / 2019
Hörforscher Steven van de Par ist Mitinitiator eines neuen DFG-Schwerpunktprogramms Prof. Dr. Steven van de Par, Hochschullehrer für Ange- wandte Physik und Akustik an der Universität Olden- burg, hat gemeinsam mit vier weiteren Expertinnen und Experten ein Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) initiiert. Die DFG fördert Foto: Universität Oldenburg das Programm „Auditive Kognition in interaktiven virtu- ellen Umgebungen (AUDICTIVE)“ ab dem kommenden Jahr. Koordinatorin des Schwerpunktprogramms ist Prof. Dr. Janina Fels von der RWTH Aachen, der Oldenburger Physiker van der Par ist Mitglied des Programm- Prof. Dr. Steven van der Par ausschusses. Das Schwerpunktprogramm verknüpft die Disziplinen In DFG-Schwerpunktprogrammen werden grundlegen- Akustik, Kognitionspsychologie und Informatik. Die de Fragestellungen in besonders aktuellen oder sich Forschung soll unter anderem das Wissen über hörbe- gerade bildenden Forschungsgebieten untersucht. zogene kognitive Leistungen in realen Szenen erweitern Anfang April wurden insgesamt 14 Programme bewil- – etwa in akustisch ungünstigen Umgebungen wie Klas- ligt, die zum Jahr 2020 ihre Arbeit aufnehmen wer- senzimmern oder Großraumbüros. Zudem sollen Situa- den. Sie sind interdisziplinär ausgerichtet und zeich- tionen im Freien analysiert werden, bei denen mehrere, nen sich durch den Einsatz innovativer Methoden aus. sich teilweise bewegende Schallquellen zum Einsatz kommen. Eine wesentliche Fragestellung ist, wie akusti- sche und visuelle Komponenten sowie weitere Faktoren die Fähigkeit zur Interaktion mit der Szene beeinflussen. Universitäts-HNO-Klinik des Evangelischen Kran- kenhauses als Audiologisches Zentrum zertifiziert Die Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V. (DGA) hat auf ihrer Jahrestagung in Heidelberg die Universitätskli- nik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde im Evangelischen Krankenhaus Oldenburg als Audiologisches Zentrum zer- tifiziert. Diese Anerkennung höchster Qualität erreichten bisher insgesamt nur acht Kliniken in ganz Deutschland. Ein Audiologisches Zentrum (DGA) zeichnet sich durch hervorragende klinische Kompetenz und exzellente Ausstattung sowie nachweisbare wissenschaftliche Leistungen unter anderem durch Fachpublikationen aus. Der Direktor der Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohren- Dazu gehört die Pädaudiologie genauso wie die Cochlea- Heilkunde im Evangelischen Krankenhaus, Professor Dr. Implantat-Abteilung und die Abteilung für (Erwachsenen) med. Andreas Radeloff, unterstreicht die hohe Bedeutung HNO-Heilkunde. der Zertifizierung für die Region: „Von der DGA anerkann- te Audiologische Zentren repräsentieren die volle Breite Dr. med. Rüdiger Schönfeld, Chefarzt der Abteilung für der Audiologie in der interdisziplinärer Zusammenarbeit. Phoniatrie und Pädaudiologie in der Universitäts-HNO- Sie sind regionale Zentren für besonders aufwendig zu Klinik des EV, zeigt sich hocherfreut: „Durch eine sehr behandelnde Patienten mit komplexen Hörstörungen modern ausgestattete Klinik mit allen Möglichkeiten der und treiben zugleich die Qualitätssicherung in ihrer Regi- Hördiagnostik bieten wir ein umfassendes Leistungs- on voran.“ Das Fachgebiet der Phoniatrie und Audiologie spektrum an. Wir freuen uns sehr über diese selten er- beschäftigt sich mit Störungen der Sprach-, Sprech- und reichte Zertifizierung. Das ist für uns Anerkennung und Stimmfähigkeit sowie der Hörfähigkeit. Die Zertifizierung Motivation zugleich, weiterhin den Menschen im Nord- beschränkt sich aber nicht auf diesen Bereich: Die Uni- westen, die bestmögliche Behandlung zu ermöglichen.“ versitäts-HNO-Klinik ist zusammen insgesamt als Audio- logisches Zentrum zertifiziert worden. 1 / 2019 | CLICK 15
ROSA RAUSCHEN Comm4CHILD – ein europäisches Gemeinschaftsprojekt für verbesserte Kommunikation von Kindern mit Hörstörungen Unter Mitwirkung der Hearing4all-Forscher Prof. Andrej und sozio-emotionale Entwicklung aus. Als erste diag- Kral und Prof. Thomas Lenarz, beide von der Medizini- nostische Stufe wird inzwischen europaweit ein soge- schen Hochschule Hannover, wird im Januar 2020 ein nanntes Neugeborenen-Hörscreening (NHS) eingesetzt, außergewöhnliches europäisches Gemeinschaftsprojekt welches zum frühestmöglichen Zeitpunkt bereits eine starten: Comm4CHILD, ein Konsortium, das einen inno- erste Diagnostik eines möglicherweise geschädigten Ge- vativen Ansatz zur Optimierung der Kommunikations- hörs ermöglicht. Im Nordwesten ist u.a. das Hörzentrum fähigkeiten und der sozialen Inklusion von Kindern mit Oldenburg zuständig für die Durchführung des NHS für Hörstörungen umsetzt. Hintergrund ist unter anderem zahlreiche Geburtskliniken in Niedersachsen. die Annahme einer Resolution seitens der Weltgesund- Die jeweilige Intervention, also welche individuelle Unter- heitsorganisation von 2017, in der die Beeinträchtigung stützung für das einzelne Kind mit Hörstörung am besten des Hörvermögens als vorrangiges weltweites Gesund- ist, wurde zwar teilweise schon untersucht in Bezug auf heitsproblem anerkannt wurde. Gerade Kinder mit Hör- das individuelle audiologische, sprachliche und kogniti- störungen haben erhebliche Risiken für den Spracher- ve Profil im individuellen sozialen und kommunikativen werb, Bildungserfolge, die sozio-emotionale Entwicklung Kontext des Kindes, deren Umsetzung in die Praxis soll in und das Wohlbefinden. Aktuelle Interventionspläne be- Comm4CHILD untersucht werden. Das Projekt begegnet reiten diese Kinder nicht auf akademische Leistungen den Herausforderungen... und soziale Teilhabe in der heutigen Gesellschaft vor, in der die Vielfalt ihrer Bedürfnisse zunimmt. Comm4CHILD begegnet den Herausforderungen der Pla- Comm4CHILD befasst sich mit den großen interindividu- nung einer wirksamen Intervention, die die oben genann- ellen Unterschieden in Bezug auf Plastizität des Gehirns, ten Fragen der Heterogenität und Vielfalt berücksichtigt, kognitive Ressourcen und sprachliche Fähigkeiten und durch eine interdisziplinäre Untersuchung der Sprach- nutzt diese Heterogenität in vollem Umfang, um effizien- und Kommunikationsentwicklung von Kindern mit Hör- te Kommunikationsfähigkeiten bei Kindern mit Hörstö- störungen, die in drei Schwerpunktbereichen konzipiert rungen zu unterstützen. Eine Gruppe von 15 Doktoranden ist: Diese Schwerpunkte, die auch den thematischen wird sektorübergreifend in Forschung und Intervention Leitgedanken jedes Forschungsarbeitspakets (WP) bil- geschult. Die Arbeit der Wissenschaftler wird die Zuord- den, befassen sich mit Biologie (binaurale Wiederher- nung der Heterogenität zugrunde liegenden Faktoren stellung, zerebrale Funktionsreorganisation - WP1), mit verbessern, das Verständnis der Prädiktoren für sprach- Kognition (Arbeitsgedächtnisfähigkeiten, Verarbeitung liche Kommunikationsfähigkeiten erweitern und neue multimodaler sensorischer Eingaben - WP2) und mit Interventionsmethoden entwickeln. Die Beteiligten wer- Sprache (Sprachverständlichkeit, Rechtschreibfähigkeit den zu den „pädiatrischen Hörgeräteunternehmern“ der - WP3). Dieser konzeptionelle Rahmen für Comm4CHILD Zukunft, dank Kooperationen zwischen akademischen, bietet eine Struktur für die Analyse bestimmter Entwick- industriellen, klinischen und communitybasierten Part- lungsbereiche und für die Aufdeckung und Untersu- nern. Die Ergebnisse dieses einzigartigen Konsortiums chung der sich überschneidenden Themen, die bisher werden voraussichtlich alle Aspekte des Alltagslebens Forschung und Praxis beeinflusst haben. Von größter von hörbeeinträchtigten Kindern betreffen. Insbeson- Bedeutung für Comm4CHILD ist der diskutierte Zusam- dere wird Comm4CHILD ein deutlich verbessertes Ver- menhang zwischen kognitiver Entwicklung, auditivem ständnis der kommunikativen und sozialen Fähigkeiten Input und Spracherfahrung. Die auditive Perspektive legt vermitteln, das die Entwicklung innovativer zukünftiger nahe, dass Einschränkungen der Hörerfahrung während Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen unter- der Entwicklung die neurokognitiven Funktionen weit stützt. über die gesprochene Sprache hinaus beeinflussen. Das übergeordnete Ziel von Comm4CHILD ist die Das Versehen der Hirnrinde vor dem Ende der sensib- Entwicklung eines interdisziplinären Ansatzes zur in- len Periode mit einer akustischen Eingabe kann zusätz- tegrativen Intervention für Kinder mit Hörbehinderung. lich verhindern, dass die Hirnrinde durch visuelle oder Es wird geschätzt, dass bis zu fünf von 1000 Babys mit somato-sensorische Verarbeitungen „gekapert“ wird. mittelschwerem bis schwerem einseitigem oder beid- Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der auditorischen Reha- seitigem Hörverlust geboren werden oder diesen bald bilitation über Hörgeräte und dem Training von Hör- und nach der Geburt aufweisen. Ein deutlicher Hörverlust Hörgedächtnisfähigkeiten. Die Sprachentwicklung kann schränkt das Erlernen der gesprochenen und geschrie- jedoch weiterhin problematisch sein, da Hörgeräte, ein- benen Sprache ein und wirkt sich auch auf die kognitive schließlich Cochlea-Implantaten (CI), das Hörvermögen 16 CLICK | 1 / 2019
Überblick über das Comm4CHILD Forschungs- und Trainingsprogramm nicht vollständig wiederherstellen und daher keinen voll- Forschungs- und Ausbildungsprogramm zu entwickeln. ständigen Zugang zu Sprache und Musik ermöglichen. Es wird erwartet, dass dieses Programm auf wissen- Im Gegensatz dazu argumentiert die multimodale Pers- schaftlicher Ebene bedeutende Fortschritte bringt, die pektive, dass die frühe Exposition nicht nur die auditive die Lebensqualität der Kinder verbessern und die von Modalität, sondern auch die visuelle Modalität umfassen den Vereinten Nationen empfohlenen Möglichkeiten zur sollte, um den Zugang zu einer vollständig strukturierten Eingliederung optimieren. Sprache während der sensiblen Phase zu ermöglichen. Tatsächlich rekrutiert die Verarbeitung von Phonologie Koordinator des Konsortiums ist die Universität Brüssel, und Grammatik das in der linken Hemisphäre verortete Projektbeteiligte sind neben dem Institut für AudioNeuro- Sprachennetzwerk, unabhängig von der visuell-gesti- technologie (VIANNA) an der MHH und der HörSys GmbH schen oder audio-visuellen Modalität der Eingabe. Die aus Hannover auch die Katholische Universität Leuven, Sprachwahrnehmung ergibt sich dabei nicht nur aus dem das Centre National de La Recherche Scientifique CNRS Hörsinn, sondern auch aus dem Sehen (Lippenbewegun- aus Frankreich, die Linköpings Universität aus Schwe- gen). Dies gilt für Personen mit normalem Hörvermögen den, die University of Leeds (England), das belgische und noch mehr für Patienten mit CI. Infolgedessen soll- Comprendre et Parler sowie Oticon A/S aus Dänemark. ten multimodale Interventionspläne genutzt werden, die die multimodale und sensorisch-motorische Natur der Interventionspläne Folgendes nutzen die multimoda- menschlichen Kommunikation reflektieren. le und sensorisch-motorische Natur der menschlichen Kommunikation. Comm4CHILD nimmt eine pragmatische Haltung ein, die diese beiden Perspektiven umfasst. Hochrangige Exper- ten aus Wissenschaft, Industrie, Gesundheits- und Re- habilitationszentren bündeln ihr Fachwissen in den Be- reichen Hör- und Sprachwissenschaften, um ein neues 1 / 2019 | CLICK 17
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