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Neues aus dem Auditory Valley
                                                                               ZUKUNFT HÖREN

Hören für alle. Alle Menschen, alle Situationen, alle Branchen.

      Projektgruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie soll Fraunhofer-Institut werden
			                           Hörtests basierend auf automatischer Spracherkennung
      MHH-Forscher wollen Taubheit mit Gentherapie heilen

                                                                                            Foto: Hibbeler, Haus des Hörens

                                                                                     1 / 2019
             EXZELLENZCLUSTER IM
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INTRO

    CLICK - CLICK - CLICK.
     Zukunft Hören: Unter diesem Motto bündelt das Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk Auditory Valley Know-how
     rund um das Thema Hören. Mit diesem Magazin möchten wir Sie regelmäßig in die faszinierende und abwechslungs-
     reiche Welt der Forscherinnen und Forscher entführen. In der Rubrik „Überschallknall“ stehen die Entwicklung der
     Projektgruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie in Oldenburg zum Fraunhofer-Institut sowie die Forschung zum
     Thema Gentherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover im Mittelpunkt. Im „Richtungsfilter“ berichten wir
     über den Geschäftsführerwechsel bei der HörTech gGmbH und der Hörzentrum Oldenburg GmbH. Eine bunte Mi-
     schung aus Forschungsnews und Veranstaltungsberichten präsentieren wir Ihnen in der Rubrik „Rosa Rauschen“.
     Ein Fokus liegt auch in dieser Ausgabe wieder auf den Entwicklungen und Ergebnissen von Hearing4all, dem
     Exzellenzcluster im Auditory Valley.

     Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen.
     Ihre CLICK-Redaktion

     P.S. Sie möchten „CLICK“ lieber als PDF per E-Mail bekommen? Wenden Sie sich gerne an uns unter
     info@auditory-valley.com

    INHALT
          ECHO                                    Vorwort Sebastian Quirandt                                                                                          03

          ÜBERSCHALLKNALL                         Projektgruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie in Oldenburg

                                                  soll Fraunhofer-Institut werden                                                                                     04

          ÜBERSCHALLKNALL                         MHH-Forscher wollen Taubheit mit Gentherapie heilen                                                                 06

          RICHTUNGSFILTER                         Geschäftsführerwechsel in der Oldenburger Hörforschung                                                              08

          ROSA RAUSCHEN                           Neuigkeiten aus dem Netzwerk                                                                                        09

          Hearing4all SWEEP                       Wenn Geräusche zu Lärm werden                                                                                       20

          Hearing4all IMPULSE                     Neues aus dem Exzellenzcluster                                                                                      24

          WEITBLICK                               Niedersächsisches Modell der Förderung von Hörgeschädigten als Vorbild 30

          AUSBLICK                                Veranstaltungen im Auditory Valley                                                                                  31

          Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird in den Texten nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.

          Impressum:
          HörTech gGmbH, Marie-Curie-Str. 2, 26129 Oldenburg, Tel. 0441-2172 200, Fax 0441-2172 250,
          E-Mail: info@hoertech.de, www.hoertech.de
          V.i.S.d.P: Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier, Sebastian Quirandt
          Redaktion und Gestaltung: Swantje Suchland, Dr. Corinna Pelz, Daniela Beyer
          CLICK erscheint zweimal jährlich und wird kostenlos abgegeben.

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ECHO

Liebe Leserinnen und Leser,

die internationale Hörsystem-Branche befindet sich
im Umbruch. Neue Gesetzgebungen (u.a. in den USA)          Die mehr als 300 Wissenschaftler aus der Grund- und
ermöglichen die Abgabe von over-the-counter-Hörgerä-       Anwendungsforschung im Auditory Valley und im Ex-
ten, die zu deutlich geringeren Preisen direkt vom End-    zellenzcluster Hearing4all erforschen und entwickeln
kunden erworben werden können. Gleichzeitig sorgt          schon seit Jahren Hörlösungen unter der Prämisse,
das Auftreten neuer, namhafter Player im Bereich der       dass die Verbindung von Audiosystem-, Hörgeräte- und
Hearables für neue Marktsegmente. Dadurch beginnen         Cochlea-Implantat-Technik die einzigartige Chance
klassischerweise getrennte Bereiche nach und nach          birgt, die Lebensqualität einer Vielzahl von Menschen
miteinander zu verschmelzen.                               nachhaltig zu verbessern.

Während die konventionelle Versorgung einer Schwer-        Ich freue mich ganz besonders, im Spannungsfeld
hörigkeit in der Vergangenheit durch Hörgeräte erfolgte    dieser dynamischen Entwicklung der Forschung und
und CIs zunächst nur bei der Versorgung höchstgradi-       Märkte die Geschäftsführung der zentralen Oldenbur-
ger, an Taubheit grenzender Schwerhörigkeiten einge-       ger Hörforschungseinrichtungen HörTech gGmbH und
setzt wurden, überlappt sich der Indikationsbereich        Hörzentrum Oldenburg GmbH zu übernehmen. Mit
von CIs und Hörgeräten seit kurzer Zeit immer stärker.     anwendungsorientierter Forschung, Translation und
Personen, die vor einigen Jahren ein „Power-Hörgerät“      Dienstleistungen schlagen die beiden Unternehmen
erhalten hätten, erhalten heute oftmals ein CI.            die Brücke zu den Betroffenen und zum Markt der Hör-
                                                           systembranche. Ich sehe es als meine Kernaufgabe,
Auf der anderen Seite führte die stete Weiterentwick-      dem aktuellen Umbruch in der Hörsystem-Branche
lung mobiler Kommunikationsmöglichkeiten und -pro-         Rechnung zu tragen und die Unternehmen inhaltlich
dukte im Bereich der Consumer Electronics insbeson-        und strukturell für zukünftige Forschungsthemen und
dere durch die Verbindung von quasi-individuellen          Herausforderungen am Markt zu positionieren. Das
Produkten im Bereich der Lärmunterdrückung mit             Team und ich freuen uns sehr darauf, mit Know-how
Streamingtechnologie zur Entwicklung der Hearables.        und innovativen Ideen gemeinsam die Zukunft des Hö-
Diese Produkte sind in Abgrenzung zu CI und Hörgerä-       rens weiter zu gestalten.
ten keine Medizinprodukte, können jedoch potentiell
                                                           Herzliche Grüße,
die Einschränkungen durch eine Schwerhörigkeit in
bestimmten Bereichen temporär reduzieren. Daher
sind sie aktuell gerade im Bereich der leichtgradigen
Schwerhörigkeiten (an der Grenze zur Hörgeräteindi-
kation) eine Erweiterung der zur Verfügung stehenden       Sebastian Quirandt,
Hilfen. Zukünftig ist zu erwarten, dass die Überlappun-    Geschäftsführer HörTech gGmbH &
gen im Anwendungsbereich von Cochlea-Implantaten,          Hörzentrum Oldenburg GmbH
Hörgeräten und Hearables durch stetige Weiterentwick-
lung der Technik steigen. Zudem wird sich die integrier-
te Signalverarbeitung aneinander annähern.
                                                                                               1 / 2019 | CLICK    3
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ÜBERSCHALLKNALL

    Projektgruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie in
    Oldenburg soll Fraunhofer-Institut werden
     2008 wurde die Projektgruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA des Fraunhofer-Instituts für
     Digitale Medientechnologie IDMT ins Leben gerufen. Heute ist die Projektgruppe eine erfolgreiche
     Einheit mit 40 Mitarbeitenden, die Partner und Kunden aus den Bereichen Industrie 4.0, Automo-
     tive, Consumer Electronics, Verkehr, Sicherheit, Telekommunikation und Gesundheit anspricht.
     Gemeinsam mit dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) hat die
     Fraunhofer-Gesellschaft eine Ausbauplanung für die HSA entwickelt, um die Arbeitsgruppe in ein
     eigenständiges Fraunhofer-Institut für Hör-, Sprach- und Neurotechnologie (HSN) zu überführen.
     Hierzu unterzeichneten am 2. April 2019 Prof. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Ge-
     sellschaft, und Björn Thümler, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, im Rahmen
     der Hannover Messe ein Memorandum of Understanding.
     Ziel der mittlerweile zum Institutsteil gewordenen Projekt-      Zudem schafft die jahrelange vertrauensvolle Zusam-
     gruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie (HSA) war es           menarbeit von HSA mit der Carl von Ossietzky Universi-
     zunächst, wissenschaftliche Erkenntnisse über die Hör-           tät, der Jade Hochschule sowie weiteren Einrichtungen
     wahrnehmung des normalen und des beeinträchtigten                der Oldenburger Hörforschung optimale Voraussetzun-
     Gehörs in technologische Anwendungen umzusetzen.                 gen für einen erfolgreichen Ausbau unserer Forschung.«
     Inzwischen gehen die Lösungen der Projektgruppe                  Darüber hinaus kann auch die European Medical School
     jedoch weit über die ursprünglich gesteckten For-                (EMS) als Teil der hervorragenden Rahmenbedingungen
     schungsziele hinaus und kommen auch in den                       des Forschungsstandorts Oldenburg benannt werden.
     Bereichen Gesundheit, Verkehr, Automotive, Produktion,
     Consumer Electronics, Sicherheit sowie Telekommunika-            Aufbauend auf den bisherigen Arbeiten sollen im neu-
     tion zum Einsatz.                                                en Fraunhofer-Institut HSN die Bereiche »Connected
                                                                      Health«, »Neurotechnologie«, »The Hearing Car«, »HS-
     Dr. Jens-E. Appell, Abteilungsleiter des Institutsteils HSA,     N4Production«, sowie »Voice Enabled Devices« ergänzt
     führt aus: »In den vergangenen zehn Jahren ist es uns            und zu einem Portfolio mit Alleinstellungsmerkmalen
     gelungen, die Ergebnisse aus der Hörforschung in viele           ausgebaut werden.
     Bereiche der Wirtschaft sowie Gesellschaft zu tragen und
     dort wichtige Beiträge zu leisten. Dazu gehört u.a. eine         Spitzenforschung weiter vorantreiben
     robuste Spracherkennung zur berührungslosen Steue-               Björn Thümler, Niedersächsischer Minister für Wissen-
     rung industrieller Maschinen, die akustische Erkennung           schaft und Kultur, erklärt: »Oldenburg ist in der Hörfor-
     von Hilferufen, die Detektion sich nähernder Einsatz-            schung ein international sichtbarer Leuchtturm. Das
     fahrzeuge oder auch die verbesserte Kommunikation                wurde mit dem Erfolg des Exzellenzcluster-Antrags ›Hea-
     durch persönliche Hörsysteme. Diese Ansätze wollen wir           ring4All‹ bei der Exzellenzstrategie vor knapp einem Jahr
     mit einer strategischen Weiterentwicklung in Richtung            erneut unter Beweis gestellt. Es freut mich deshalb sehr,
     eines Instituts für Hör-, Sprach und Neurotechnologie am         dass wir mit der heutigen Unterzeichnung des Memoran-
     Standort Oldenburg weiter verfolgen und voranbringen.«           dum of Understanding zusammen mit der Fraunhofer-
                                                                      Gesellschaft einen konkreten Fahrplan festgelegt haben,
     Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier, Leiter des Institutsteils HSA,   wie aus der bisherigen Fraunhofer-Projektgruppe in den
     spricht den vorhandenen Netzwerken und dem Stand-                kommenden fünf Jahren ein eigenständiges Fraunhofer-
     ort in Oldenburg umfangreiche Mehrwerte zu: »Unse-               Institut für Hör-, Sprach- und Neurotechnologie entwi-
     re erneute Teilnahme innerhalb des Exzellenzclusters             ckelt werden soll. Damit stellen wir für die Zukunft sicher,
     ›Hearing4all‹ werden wir für gewinnbringende und mög-            dass die Erfolge in der Forschung auch in der Praxis An-
     lichst weitreichende Kooperationsansätze nutzen.                 wendung finden.«

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© Fraunhofer
Bei der Unterzeichnung des Memorandum of Understanding zur Weiterentwicklung der Projektgruppe HSA zu einem eigenständigen Fraunhofer-
Institut (v.l.n.r.): Stephan Albani, MdB, Björn Thümler, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, Dr. Jens-E. Appell, Abteilungsleiter
Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie (HSA), Prof. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Prof. Alexander Kurz,
Mitglied des Vorstands der Fraunhofer-Gesellschaft.

Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesell-                        (HSN) zu überführen. Im Anschluss wird mithilfe exter-
schaft, erklärt: »Mit dem heutigen Memorandum of Un-                        ner Fachgutachter eine Evaluation durchgeführt, deren
derstanding zwischen der Fraunhofer-Gesellschaft und                        Ergebnisse als Grundlage für die Entscheidung über die
dem Land Niedersachsen gehen wir einen bedeutenden                          Überführung von HSA in ein eigenständiges Fraunhofer-
Schritt in Richtung eines neuen Fraunhofer-Instituts für                    Institut HSN dienen.
Hör-, Sprach- und Neurotechnologie (HSN). Das neue In-                      Durch die voraussichtliche Institutsgröße von 130 Köp-
stitut soll unsere bestehenden Kompetenzen ergänzen                         fen wird ein eigenes Institutsgebäude für das Fraunhofer
und unsere Forschung in strategisch wichtigen Berei-                        HSN erforderlich. Dafür ist in dem Konzeptpapier eine
chen wie Industrie 4.0, dem Automotive-Sektor, der Me-                      Finanzierung vorgesehen, die zu gleichen Teilen vom
dizinforschung oder der Telekommunikation stärken und                       Land Niedersachsen und der Fraunhofer-Gesellschaft
weiter vorantreiben. Große Bedeutung kommt hierbei                          getragen wird. Eine erste Abschätzung der Kosten für den
auch dem Standort Oldenburg zu. Die hervorragende For-                      Neubau geht von einer Gesamtsumme von ca. 40 Mio.
schungsinfrastruktur und die Nähe zur Carl von Ossietz-                     Euro aus.
ky Universität ist für den langfristigen Erfolg des neuen
Instituts eine außerordentlich wertvolle und aussichts-
reiche Grundlage.«

Gemeinsame Ausbauplanung
Gemeinsam mit dem MWK hat die Fraunhofer-Gesell-
schaft eine Ausbauplanung für die HSA entwickelt. Das
Konzept sieht vor, mit Unterstützung von Landesmitteln
in Höhe von 15 Mio. Euro in einem Zeitraum von fünf Jah-
ren die Projektgruppe HSA in ein eigenständiges Fraun-
hofer-Institut für Hör-, Sprach- und Neurotechnologie

                                                                                                                             1 / 2019 | CLICK                     5
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ÜBERSCHALLKNALL

                                                                                                                                                      © MHH/Kaiser
     Professorin Dr. Hildegard Büning, Privatdozent Dr. Michael Morgan, Professor Dr. Dr. Axel Schambach, Dr. Juliane Schott und Privatdozentin Dr.
     Athanasia Warnecke (von links)

    MHH-Forscher wollen Taubheit mit Gentherapie heilen
     Neue Gentherapie soll Kinder und Erwachsene vor Taubheit schützen

     Hohe Auszeichnung für einen Forscher der                                auch auf gesellschaftliche Teilhabe sowie auf Bildungs-
     Medizinischen Hochschule Hannover (MHH): Profes-                        und Berufschancen beziehen. Derzeit ist Gehörlosigkeit
     sor Dr. Dr. Axel Schambach hat von der Europäischen                     nicht heilbar. Beim Ausfall des Innenohres kann sie al-
     Union die sehr begehrte Auszeichnung „Consolidator                      lerdings mit einem Cochlea-Implantat technisch über-
     Grant“ des Europäischen Forschungsrates „European                       wunden werden, wobei die Taubheit biologisch bestehen
     Research Council“ (ERC) erhalten. Damit verbunden ist                   bleibt. Bei rund der Hälfte der taub geborenen Kinder liegt
     eine Förderung seiner Wissenschaft in Höhe von rund                     die Gehörlosigkeit daran, dass ein oder mehrere Gene
     zwei Millionen Euro für die kommenden fünf Jahre.                       nicht funktionieren. Derzeit sind rund 100 Gene bekannt,
                                                                             deren Fehlfunktionen zur Taubheit führen können.
     Der Leiter des MHH-Instituts für Experimentelle
     Hämatologie nutzt die Förderung für das Projekt „iHEAR“,                Das „iHEAR“-Team will Taubheit mit Gentherapie heilen.
     dessen langfristiges Ziel es ist, Kinder und Erwachsene                 Dabei konzentriert es sich auf Gene, die für die zum Hören
     vor Taubheit zu schützen.                                               notwendigen Haar- und Sinneszellen im Innenohr verant-
                                                                             wortlich sind. Das Ziel: sogenannte Genfähren (lentivira-
     Die Anzahl der Betroffenen ist groß: Etwa zwei bis fünf                 le und adenoassoziierte Virus-Vektoren) ins Innenohr zu
     von tausend Kindern werden taub geboren. Zudem erfah-                   injizieren, die mit der funktionierenden Version des Gens
     ren im Laufe des Lebens rund 20 Prozent der Bevölke-                    beladen sind. Die Fähren sollen das Gen in die Haar- und
     rung eine Beeinträchtigung ihres Hörvermögens. So sind                  Sinneszellen bringen, damit das fehlende Protein gebil-
     in Deutschland rund 15 Millionen Menschen schwerhörig                   det werden kann und die Zellen wieder funktionieren.
     bis gehörlos. Sie müssen mit den Folgen leben, die sich

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                                                                                                rwo
                                                                                              mo
Heilen und Schützen - in jedem Alter

                                                                                           eta
                                                                                         ©m
Dem Team geht es zudem darum, mit Hilfe der Genthera-          Innenohrs. „Bei der von uns angestrebten Gentherapie
pie spontaner Ertaubung entgegenzuwirken. Diese kann           bei Schwerhörigkeit müssen exakt diejenigen Strukturen
durch die Behandlung mit Medikamenten wie etwa be-             wiederhergestellt werden, die defekt sind, und nur exakt
stimmten Chemotherapeutika entstehen. Hierbei soll die         in genau jenen Zellen, in denen sie natürlicherweise vor-
Gentherapie die ungewollte Aufnahme der Medikamente            kommen“, erläutert sie.
in die Haarzellen verhindern beziehungsweise das Her-
auspumpen des Medikaments aus diesen empfindlichen             Auch der Vorstand des Zentrums für regenerative Medi-
Zellen bewirken.                                               zin, REBIRTH, freut sich außerordentlich über die ERC-
                                                               Auszeichnung. „Als einer von vielen Ansätzen, die im
Die Studien werden zunächst anhand von Zellversuchen           Bereich Stammzellforschung in REBIRTH entwickelt
und in Modellsystemen durchgeführt. Damit die For-             wurden, kann das geförderte Konzept nun ganz neue
schungsergebnisse möglichst bald auch am Menschen              Anwendungen erforschen, nämlich stammzellbasierte
angewendet werden können, entwickeln sie auch selber           Krankheitsmodelle und die Vermeidung von Zellschädi-
patientenspezifische Erkrankungsmodelle. Diese basie-          gung durch die Chemotherapie. Falls erfolgreich, ließen
ren auf sogenannten induzierten pluripotenten Stamm-           sich diese hoch-innovativen Ansätze für das Innenohr
zellen, die - im Falle dieses Projekts - von Zellen gehörlo-   sicher auf andere Organsysteme übertragen“, sagt Pro-
ser Menschen abstammen.                                        fessor Dr. Axel Haverich. Professor Schambach wird auch
Das Forschungsteam geht davon aus, dass die Arbeiten           weiterhin von Professor Dr. Dr. Thomas Thum von der MHH
nicht nur Kindern und jungen Erwachsenen nützen wer-           unterstützt, der REBIRTH seit 2019 leitet. Ebenfalls her-
den: „Wir hoffen, dass die von uns erzielten Ergebnisse        ausragend am Projekt „iHEAR“ beteiligt sind Professorin
langfristig auch zur Therapie der Altersschwerhörigkeit        Dr. Hildegard Büning, Privatdozent Dr. Michael Morgan, Dr.
beitragen“, sagt Professor Schambach.                          Axel Rossi, Dr. Dirk Hoffmann und Dr. Juliane Schott aus
                                                               dem MHH-Institut für Experimentelle Hämatologie.
Teamleistung führt zum Erfolg
Der nun erzielte Fördererfolg beruht auf einer Teamleis-       Für „iHEAR“ ist zudem die Kooperation mit der Leibniz
tung. „Ohne die Vorarbeiten, die unter anderem im Rah-         Universität Hannover essenziell, deren Wissenschaft-
men der Exzellenzcluster‚ REBIRTH - Von Regenerativer          lerinnen und Wissenschaftler der technischen und der
Biologie zu Rekonstruktiver Therapie‘ und ‚Hearing4all‘        organischen Chemie sowie des Biomolekularen Wirk-
stattgefunden haben, gäbe es das neue Projekt ‚iHEAR‘          stoffzentrums, die für diese Forschungsarbeiten notwen-
nicht“, sagt Professor Schambach. Beispielsweise ent-          digen Wirkstoffe und Wachstumsfaktoren bereitstellen.
standen die Genfähren im Rahmen des Exzellenzclusters
REBIRTH, in dem sie auch mehr als zwölf Jahre weiterent-
wickelt wurden.

Maßgeblich am Projekt „iHEAR“ beteiligt sind unter ande-
rem Professorin Dr. Brigitte Schlegelberger und Dr. Bernd
Auber, MHH-Institut für Humangenetik, sowie Privatdo-
zentin Dr. Athanasia Warnecke, Ärztin der MHH-Klinik für
Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde (HNO). „Die Gentherapie
eröffnet grundsätzlich neue Behandlungsmöglichkeiten
der Schwerhörigkeit. Sie ermöglicht, die Ursache der Hör-
störung zu beseitigen und somit eine Heilung herbeizu-
führen. Der Grant ist eine herausragende Auszeichnung
der Arbeiten der jungen interdisziplinär arbeitenden Wis-
senschaftler an der MHH“, erklärt Professor Dr. Thomas
Lenarz, Direktor der HNO-Klinik an der MHH und Sprecher
des Exzellenzclusters Hearing4all am Standort Hanno-
ver. Für die Klinikerin Dr. Warnecke steckt die größte Her-
ausforderung in der komplexen Zellarchitektur des

                                                                                                         1 / 2019 | CLICK   7
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RICHTUNGSFILTER

     Sebastian Quirandt (v.l., Nachfolger), Prof. Esther Ruigendijk, Dr. Rüdiger Schönfeld, Stephan Albani, Prof. Dr. Norbert Dillier, Prof. Dr. Dr. Birger
     Kollmeier, Bürgermeisterin Germaid Eilers-Dörfler, Dr. Hans Schroeder.

    Geschäftsführerwechsel in der angewandten
    Oldenburger Hörforschung
     Stephan Albani (MdB) hat die Geschäftsführung der Hör-                      mit Know-how und innovativen Ideen gemeinsam die Zu-
     Tech gGmbH und der Hörzentrum Oldenburg GmbH pla-                           kunft des Hörens zu gestalten.“ betont Quirandt.
     nungsgemäß an den bisherigen Prokuristen Sebastian
     Quirandt übergeben.                                                         Brücken der Oldenburger Hörforschung
                                                                                 Mit anwendungsorientierter Forschung, Translation
     Nach über 20 Jahren als Geschäftsführer übergab Ste-                        und Dienstleistungen schlagen die beiden Unterneh-
     phan Albani das Amt an Sebastian Quirandt. Wie bereits                      men die Brücke zu den Betroffenen und zum Markt
     bei Eintritt in den Bundestag 2013 zwischen den Gesell-                     der Hörsystembranche. „Das Hörzentrum Oldenburg
     schaftern und Herrn Albani abgesprochen, wurde nun                          und die HörTech übernehmen eine essentielle Rol-
     die bisherige Regelung, die damals auf Wunsch beider                        le in der Oldenburger Hörforschung. Sie tragen die
     Seiten gewählt wurde, weiterentwickelt. Ein Wechsel, der                    Forschung zu den Menschen,“ erläutert Prof. Dr. Dr.
     zudem den veränderten Herausforderungen auf beiden                          Kollmeier als Sprecher des Exzellenzclusters Hea-
     Seiten Rechnung trägt und damit die Zeichen auf Zukunft                     ring4all und wissenschaftlicher Leiter der beiden Un-
     stellt.                                                                     ternehmen. „Wir danken Herrn Albani für seine heraus-
                                                                                 ragenden Verdienste und freuen uns auf die weiterhin
     Stephan Albani war als Mitgründer seit März 1996 Ge-                        exzellente und erfolgreiche Zusammenarbeit mit Herrn
     schäftsführer beider international agierenden Unterneh-                     Quirandt“.
     men. Im September 2013 wurde er als Abgeordneter der
     CDU im Landkreis Oldenburg-Ammerland in den Bundes-
     tag gewählt. „Es ist nun an der Zeit, meine „unternehme-
     rischen Kinder“ in andere Hände zu legen. Ich begrüße,
     dass wir Gesellschafter uns hier einstimmig für Herrn
     Quirandt entschieden haben.“, resümierte Albani bei sei-
     ner Abschiedsrede vor den Mitarbeitern.

     Diplom-Kaufmann Quirandt ist seit 2014 bei der HörTech
     und dem Hörzentrum Oldenburg als Controller und Pro-
     kurist tätig. Als neuer Geschäftsführer will der 36jährige
     den eingeschlagenen Erfolgskurs fortführen und die
     Unternehmen inhaltlich und strukturell für zukünftige
     Forschungsthemen und Herausforderungen am Markt
     positionieren. „Mit der engen Anbindung an die Grund-
     lagenforschung einerseits und an die klinische Praxis
     andererseits bietet der Standort Oldenburg optimale
                                                                                 Sebastian Quirandt, neuer Geschäftsführer der HörTech gGmbH und
     Bedingungen. Das Team und ich freuen uns sehr darauf,                       der Hörzentrum Oldenburg GmbH

8    CLICK | 1 / 2019
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ROSA RAUSCHEN

Oldenburger Hörexperte Dr. Jan Rennies-Hochmuth erhält Klaus Tschira Boost Fund
   Für seine herausragende Forschungsleistung wurde Dr.       für seine Bachelor-Arbeit zur Maskierung von Tönen
   Jan Rennies-Hochmuth mit dem „Klaus Tschira Boost          durch unterschiedliche Rauschsignale. 2008 startete
   Fund“ ausgezeichnet. Im Institutsteil Hör-, Sprach- und    er zunächst als Doktorand am Oldenburger Institutsteil
   Audiotechnologie (HSA) am Fraunhofer-Institut für Digi-    Hör-, Sprach- und Audiotechnologie des Fraunhofer IDMT
   tale Medientechnologie (IDMT) in Oldenburg beschäftigt     und forscht seitdem auf dem Gebiet der menschlichen
   er sich mit der Entwicklung persönlicher Hörsysteme        Sprachwahrnehmung. Seit 2012 ist er Gruppenleiter der
   zur Verbesserung der Sprachkommunikation. Die Klaus        Gruppe Persönliche Hörsysteme und seit 2017 stellver-
   Tschira Stiftung fördert gemeinsam mit der German Scho-    tretender Abteilungsleiter. Im Zuge seiner Arbeiten über
   lars Organization e.V. die nächste akademische Genera-     computerbasierte Modelle zur Vorhersage der Lautheits-
   tion. Das Fraunhofer IDMT-HSA ist Partner im Exzellenz-    wahrnehmung und der Sprachverständlichkeit erhielt
   cluster »Hearing4all«.                                     Dr. Jan Rennies-Hochmuth 2016 einen der renommier-
                                                              testen Preise, die in Deutschland jährlich im Bereich
   Trotz langjähriger Forschung im Bereich der Sprachver-     der technischen Akustik vergeben werden - den Lothar-
   ständlichkeit gibt es noch immer Wissenslücken darüber,    Cremer-Preis.
   wie das menschliche Gehör in komplexen Hörsituationen
   wirkt und wie störende Faktoren die Kommunikation          Mit dem Klaus Tschira Boost Fund sollen exzellente
   einschränken. Auch die dazugehörige Entwicklung von        Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Natur-
   Modellen zur Vorhersage der menschlichen Sprachver-        wissenschaften, Mathematik und Informatik gefördert
   ständlichkeit ist noch nicht vollständig untersucht. Mit   und unterstützt werden. Es werden flexible Fördergelder
   Unterstützung des „Klaus Tschira Boost Fund“ wird sich     in einem Zeitraum von zwei Jahren in Höhe von bis zu
   Dr. Jan Rennies-Hochmuth nun intensiv diesen Themen        80.000 Euro vergeben, um für eigene, riskantere sowie
   widmen, um sie weiter zu erforschen.                       interdisziplinäre Projekte Freiräume zu schaffen. Dabei
                                                              stehen den Forschern kompetente Fachkräfte begleitend
   „Der Klaus Tschira Boost Fund schafft, sowohl finanziell   und beratend zur Seite für die bestmögliche professi-
   als auch zeitlich, die notwendigen Freiheiten, um wei-     onelle und persönliche Weiterentwicklung. Außerdem
   terhin an Grundlagenforschungsprojekten mit hohem          unterstützt der Klaus Tschira Boost Fund die Nachwuchs-
   Publikationspotenzial zu arbeiten und gleichzeitig die     wissenschaftler beim Aufbau von internationalen Koope-
   Entwicklung meiner Gruppe am Fraunhofer IDMT voran-        rationen und Netzwerken.
   zubringen. Insbesondere werde ich in der Lage sein, in-
   ternationale Forschungskooperationen zu fördern – wo-
   rauf ich mich sehr freue“, so Dr. Jan Rennies-Hochmuth.

   Die Forschung von Rennies-Hochmuth zielt darauf ab,
   ein besseres Verständnis davon zu bekommen, wie Spra-
   che unter komplexen Hörbedingungen wahrgenommen
   wird und vor allem, wie Informationen über beide Ohren
   hinweg verbunden werden. Um das Wissen über die
   maßgeblichen Faktoren für das individuelle Sprachver-
   stehen und die empfundene Höranstrengung zu erwei-
   tern, werden mehrere Versuche mit Probanden mit und
   ohne Hörverlust durchgeführt. „Die daraus gewonnenen
                                                                                                                                  Foto: Fraunhofer IDMT / Hannes Kalter

   Erkenntnisse sollen die Grundlage für verbesserte Vor-
   hersagemodelle und Anwendungen bilden - zum Beispiel
   in Hörgeräten und Kommunikationssystemen“, erklärt
   der Fraunhofer-Wissenschaftler. Jan Rennies-Hochmuth
   studierte Engineering Physics an der Carl von Ossietzky    Besser hören, für jeden, überall: Der Oldenburger Hörforscher und
                                                              Gruppenleiter am Fraunhofer IDMT Dr. Jan Rennies-Hochmuth erhält
   Universität Oldenburg und an Dänemarks Technischer         den Klaus Tschira Boost Fund.
   Universität in Lyngby. 2007 erhielt Rennies-Hochmuth
   bereits den Niedersächsischen Wissenschaftspreis

                                                                                                          1 / 2019 | CLICK                                                9
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     Bestmögliche Hörgeräteversorgung für Schwerhörige sicherstellen – HörTech startet INNO-KOM Projekt

       Seit dem 1. Juli entwickelt die Oldenburger HörTech gGmbH       „Obwohl sich zahlreiche Studien auf wissenschaftlicher
       im Rahmen des Förderprogramms „INNO-KOM“ ein Mess-              Ebene mit dem Thema Höranstrengung beschäftigt haben,
       verfahren zur Erfassung der subjektiven Höranstrengung,         gibt es aktuell kein einfaches Tool, das Hörakustiker oder
       welches in eine marktfähige Anwendung für Hörakustiker          Audiologen nutzen können, um ihre Kunden mit einer Hörge-
       und Kliniken umgesetzt werden soll. Mit der Messmetho-          räte- bzw. CI-Versorgung auszustatten, die neben der Sprach-
       de „ACALES“ (engl. Adaptive CAtegorical Listening Effort        verständlichkeit auch die Höranstrengung berücksichtigt.
       Scaling, deu. adaptive kategoriale Höranstrengungsska-          Hier setzt unser Verfahren an“ erklärt Melanie Krüger, Pro-
       lierung) hat die HörTech ein Verfahren zur Messung der          duktmanagerin bei der HörTech gGmbH.
       subjektiv wahrgenommenen Höranstrengung entwickelt,
       welches bereits in wissenschaftlichen Studien evaluiert         INNO-KOM – Forschungsergebnisse für den Mittelstand
       und eingesetzt wurde. Das Verfahren liefert verlässli-          Das Förderprogramm Innovationskompetenz INNO-KOM
       che Ergebnisse über die unterschiedliche Wahrnehmung            unterstützt die innovative Leistungsfähigkeit gemeinnützi-
       von Höranstrengung bei verschiedenen Hörsystemen                ger externer Industrieforschungseinrichtungen wie der Hör-
       und hilft so, die bestmögliche Versorgung Schwerhöriger         Tech gGmbH, um so die Innovationskraft strukturschwacher
       sicherzustellen.                                                Regionen Deutschlands nachhaltig zu stärken. Seit 2009
                                                                       konzentrierte sich das Vorläuferprogramm INNO-KOM-Ost
       Ein geselliger Abend im Restaurant, eine große Familienfeier    auf gemeinnützige externe Forschungseinrichtungen in Ost-
       oder ein Ausflug zum Stadtfest: Wer kennt es nicht, Gesprä-     deutschland. Am 1. Januar 2017 wurde das Erfolgsmodell
       che in lauten Umgebungen werden anstrengender empfun-           unter dem neuen Namen INNO-KOM auf strukturschwache
       den als in einer ruhigen Umgebung. Die Problematik der so-      Regionen in ganz Deutschland ausgeweitet.
       genannten „Höranstrengung“ wird umso schlimmer, je mehr
       Probleme wir mit unserem Hören haben, d.h. umso stärker
       der Hörverlust ist. Hörsysteme sollen helfen, die Höranstren-
       gung individuell zu verringern. Aber tun sie dies überhaupt?
       Um dies zu überprüfen, bedarf es guter Messmethoden.

       Die optimale Versorgung Schwerhörender mit Hörgeräten
       oder Cochlea-Implantaten (CI) stellt Hörakustiker und HNO-
       Ärzte vor immense Herausforderungen. Insbesondere die
       subjektive Nutzenbewertung von den Hörsystemen in akus-
       tisch anspruchsvollen Alltagssituationen stellt ein Problem
       dar.

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© CARU AG
   Das Fraunhofer IDMT in Oldenburg hat für den CARU Smart Sensor die Audiotechnologie und die Spracherkennung entwickelt. Je
   nach Anwendung ist das Gerät ein aufmerksamer Mitbewohner, ein Sicherheitssystem oder es trägt zur Prozessoptimierung von
   Dienstleistungen bei.

Spracherkenner und Audiosystemtechnik vom Fraunhofer IDMT in Oldenburg arbeiten am „aufmerksa-
men Mitbewohner“ CARU Smart Sensor
  „Hilfe! – hilfe!“ Niemand möchte in die Situation geraten,     trägt zur Prozessoptimierung von Dienstleistungen bei.
  um Hilfe rufen zu müssen. Und ebenso wenig wünscht             Die Sicherheit, das Wohlbefinden und die Lebensquali-
  man sich die Not für seine Mitmenschen. Sollte aber der        tät aller Beteiligten sollen so gesteigert werden. Um die
  Fall eintreten, dann möchte man sichergehen, dass der          Akzeptanz des neuen Notrufsystems sicherzustellen,
  Ruf gehört wird – unter allen Umständen. Mit dem CARU          wurden professionelle Pflegekräfte, Patienten und Ange-
  Smart Sensor, der auch wie ein Hausnotrufsystem ein-           hörige in den Entwicklungsprozess eingebunden.
  gesetzt werden kann, werden mit lautbasierter Sprach-
  und Ereigniserkennung kritische Situationen erkannt            Mit der Entwicklung und Integration einer hochsensitiven
  und automatisch eine Telefonverbindung aufgebaut oder          Mikrofontechnologie hat das Fraunhofer IDMT zusätzlich
  ein Notruf ausgelöst. Audioexperten und Entwickler von         die Voraussetzungen für eine sehr robuste Sprachsteu-
  Spracherkennern des Fraunhofer-Instituts für Digitale          erung und gute Telefonqualität im Freisprechbetrieb
  Medientechnologie IDMT in Oldenburg haben daran mit-           geschaffen. Hinzu kommen die gute Klangqualität und
  gewirkt.                                                       Sprachverständlichkeit, für die ebenfalls die Ingenieure
                                                                 aus Oldenburg verantwortlich sind.
  „Mit CARU haben wir eine sehr zuverlässige Sprach- und
  Hilferuferkennung entwickelt, die auch bei lauter Umge-
  bung, zum Beispiel neben einem lauten Fernseher, funk-
  tioniert. Zuverlässig heißt für uns auch, dass möglichst
  keine Fehlerkennung stattfindet, die etwa Angehörige
  oder Pflegepersonal unnötig alarmieren würde“, stellt
  Dr.-Ing. Stefan Goetze, Gruppenleiter Automatische Spra-
  cherkennung am Fraunhofer IDMT in Oldenburg heraus.

  Der CARU Smart Sensor wird in der Wohnumgebung auf-
  gestellt und kann durch Sprachbefehle einen Notruf aus-        Der CARU Smart Sensor wird in der Wohnumgebung aufgestellt und
  lösen sowie eine Telefonverbindung zu einer Vertrauens-        kann durch Sprachbefehle einen Notruf auslösen sowie eine Telefon-
  person herstellen. Er misst kontinuierlich verschiedene        verbindung zu einer Vertrauensperson herstellen.
  Raumparameter, lernt das Nutzerverhalten und erkennt
  Abweichungen. Je nach Anwendung ist das Gerät ein
  aufmerksamer Mitbewohner, ein Sicherheitssystem oder

                                                                                                             1 / 2019 | CLICK                     11
ROSA RAUSCHEN

     Innovative Operationstechnik für Cochlea-
     Implantate aus dem Auditory Valley
      Bei hochgradigen Schwerhörigkeiten stellt ein Cochlea-      damit sicherer und kostengünstiger gestalten soll. „Un-
      Implantat (CI) eine gute Möglichkeit dar, das Hörvermögen   ser System ist aus einer Forschungsidee an der Medizi-
      zu verbessern und so die Lebensqualität der Betroffenen     nischen Hochschule Hannover entstanden. Dabei haben
      zu steigern. Ein CI wird im Innenohr (der Hörschnecke)      wir sehr schnell den möglichen Nutzen für Kliniken und
      eingesetzt und regt die Hörsinneszellen auf elektrischem    Patienten erkannt,“ berichtet Samuel John, Geschäfts-
      Wege so an, dass beim Patienten wieder Höreindrücke         führer der OtoJig GmbH. Bei dem neuartigen Verfahren
      entstehen und exzellente Sprachverständlichkeit erzielt     wird der Zugang zum Innenohr auf Basis bildgebender
      werden kann. Bei Cochlea-Implantaten handelt es sich        Verfahren patientenindividuell geplant und dann mit ei-
      inzwischen um etablierte Technik, so dass die jährliche     ner kleinen Präzisionsbohrung hergestellt. Dadurch soll
      Anzahl an CI-Operationen weltweit immer weiter steigt.      die entstehende Wunde deutlich kleiner sein, als bei her-
      Damit nimmt auch der Bedarf an entsprechenden Klini-        kömmlichen CI-Operationen, und die Operationszeit soll
      ken und Operateuren zu. Auch in Deutschland werden          signifikant verkürzt werden. „Den Patienten wird durch
      immer mehr Patienten mit Hörimplantaten versorgt.           das OtoJig-Verfahren voraussichtlich ein schnellerer Hei-
      Aber trotz der oft zu erwartenden Vorteile scheuen viele    lungsprozess ermöglicht, eine erhöhte Präzision in der
      Patienten den operativen Eingriff am Kopf. Wenn man CI-     Elektrodenplatzierung geboten und die Sicherheit der
      Operationen minimalinvasiv durchführen könnte, würde        Operationen sollte zunehmen,“ erläutert Prof. Dr. Thomas
      die Hürde für diese Operationen sinken. Zudem könnte        Lenarz von der Medizinischen Hochschule Hannover
      eine Verbesserung des OP-Verfahrens auch die Kosten         (MHH).
      einer Operation reduzieren und es mehr Kliniken welt-       Bisher ist die technische Machbarkeit des Verfahrens in
      weit ermöglichen, eine qualitativ hochwertige CI-Versor-    der Grundlagenforschung an der MHH demonstriert wor-
      gung anzubieten. Dies sind die Visionen der Firma OtoJig    den. Seitdem arbeitet die OtoJig GmbH intensiv daran,
      GmbH aus Hannover, die aktuell an einem System arbei-       das Verfahren in ein regulär nutzbares Vorgehen mit zer-
      tet, dass das Einsetzen eines Cochlea-Implantats durch      tifizierten Medizinprodukten umzusetzen.
      minimalinvasive Techniken deutlich vereinfachen und

12    CLICK | 1 / 2019
„Dazu ist noch einiges an zusätzlicher Forschung und             trotz des kleinen Bohrlochs akkurate Informationen über die
Entwicklung nötig,“ so John. Aktuell wird in einem vom           aktuelle Elektrodenlage erhalten kann, erforscht die Univer-
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)               sitätsklinik für HNO-Heilkunde der Universität Oldenburg ein
geförderten Forschungsprojekt erforscht, wie das Verfahren       intraoperatives Messverfahren zur sichtlosen Insertionstie-
sicher, effektiv und alltagstauglich gemacht werden kann.        fenbestimmung, weil man aufgrund des neuen Verfahrens
In dem Verbundprojekt „KLINOPCI“ (Klinische Optimierung          nicht mehr direkt sehen kann, wie das Implantat in das In-
für minimalinvasive CI-Operationen; Förderkennzeichen            nenohr eingeführt wird. Die Medizinische Hochschule Han-
13GW0265) arbeiten OtoJig, die Medizinische Hochschule           nover arbeitet an der Optimierung der Vorgehensweisen für
Hannover und die Universitätsklinik für HNO-Heilkunde der        die OP-Abläufe, die sich bei dem neuen Verfahren deutlich
Universität Oldenburg zusammen, um die Operationstechnik         von denen bei herkömmlichen CI-OPs unterscheiden.
zu optimieren und zu standardisieren sowie die erforderli-       Geschäftsführer und Projektleiter John zieht ein positives
chen Instrumente zu entwickeln.                                  Zwischenfazit über das Projekt, das sich kurz vor Erreichen
                                                                 der Halbzeit befindet: „Wir freuen uns sehr darauf, das neue
Dabei ist insbesondere im Hinblick auf Gebrauchstauglich-        Verfahren in die klinische Routine zu bringen. Aber bis es so-
keit und Patientensicherheit der systematische und enge          weit ist, haben wir noch einige Herausforderungen zu meis-
Austausch zwischen OtoJig und den klinischen Partnern von        tern. Da ist es gut, mit starken und kompetenten Partnern
besonderer Bedeutung. Aus diesem Grund ist das Klinische         zusammenzuarbeiten.“
Innovationszentrum für Medizintechnik Oldenburg (KIZMO
GmbH) ebenfalls eng in das Projekt eingebunden, um Nut-
zungskontext und Nutzungsanforderungen zu erheben,
Usability Engineering zu betreiben und Tests der Gebrauchs-
tauglichkeit durchzuführen.

Der sehr erfolgreiche Verlauf des Projekts stellt exemplarisch
die fruchtbare und sich gegenseitig ergänzende Zusammen-
arbeit der Standorte Hannover und Oldenburg im Auditory
Valley dar, die hier zwischen Forschern, Anwendern und Fir-
men möglich ist. „Die Arbeit mit allen Projektpartnern berei-
tet große Freude und ist ein immenser Zugewinn für Innovati-
onskraft und Qualität,“ resümiert Dr. Michael Buschermöhle,
Geschäftsführer der KIZMO GmbH. „Wir konnten bereits neue
Ideen und Verbesserungen generieren, die ohne die koor-
dinierte Zusammenarbeit der Projektpartner nicht möglich
gewesen wären,“ kann auch John bestätigen. Insgesamt
trägt die im Projekt umgesetzte nutzerzentrierte Entwick-
lung eines Medizinproduktes dazu bei, das neue Verfahren
zielgerichtet und effizient umsetzen zu können. Damit wird
eine Brücke zwischen Grundlagenforschung und Anwen-
dung errichtet, die notwendig ist, um erfolgreiche innovative
Medizintechnik zu entwickeln und das oft zitierte „Valley of
Death“ zu überwinden, in dem ein großer Teil neuer Medizin-
produkte scheitern, wenn sie zwar über die Grundlagenfor-
schung hinausgelangt sind, aber noch nicht als Medizinpro-
dukt zugelassen wurden.

In dem Forschungsvorhaben entwickelt die OtoJig, basie-
rend auf dem Feedback der Anwender, optimierte Hard- und
Software, die direkt in praxisnahen Workshops bei den Kli-
nikpartnern getestet werden können. Damit der Operateur

                                                                                                            1 / 2019 | CLICK      13
ROSA RAUSCHEN

        EFAS Präsidenten: ehemalige Präsidentin Françoise Sterkers-Artières (France, 2017-2019, links), Präsident Birger Kollmeier (Germany, 2019-
        2021, mitte) und die zukünftige Präsidentin Liat Kishon-Rabin (Israel, 2021-2023, rechts)

     Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier tritt Amt als Präsident der EFAS an

        Auf der diesjährigen Tagung der Europäischen Föderati-                 Die EFAS ist die Dachorganisation europäischer audiolo-
        on audiologischer Gesellschaften (EFAS) in Lissabon hat                gischer Gesellschaften. Sie treibt die europaweite Stan-
        Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier sein Amt als Präsident der              dardisierung der Audiologie voran. So hat die EFAS das
        EFAS angetreten. In den vergangenen Jahren hatte Koll-                 Konzept des „General Audiologist“ und des „Audiological
        meier die Geschicke der Föderation bereits als General-                Specialist“ entwickelt, das unter anderem bei der Grün-
        sekretär und Incoming President mitbestimmt.                           dung des Oldenburger Bachelor- und Masterstudien-
                                                                               gangs „Hörtechnik und Audiologie“ Pate gestanden hat.
        „Die Audiologie ist eine multidisziplinäre Wissenschaft
        mit starken Grundlagen in den Bereichen Technik (d.h.                  Kollmeier forscht und lehrt seit 1993 an der Universität
        Ingenieurwesen, Physik, Informatik, Biologie und Psy-                  Oldenburg. Er ist Sprecher des Exzellenzclusters „Hea-
        chologie), Pädagogik und Medizin, die alle stark mitein-               ring4all“. Zudem ist er unter anderem Wissenschaftlicher
        ander verbunden sind, um das Feld in großen Schritten                  Leiter der Hörzentrum Oldenburg GmbH und der Fraunho-
        voranzubringen. Diese multidisziplinäre Sichtweise hilft               fer Projektgruppe für Hör-, Sprach- und Audiotechnologie.
        Europa, in wichtigen Bereichen der Audiologie führend                  Er hat zahlreiche renommierte Auszeichnungen erhalten,
        zu sein. Auch wenn sich hinter den Forschungsergebnis-                 darunter den Wissenschaftspreis Niedersachsen (2011)
        sen und Best-Practice-Verfahren harte Arbeit verbirgt, um              und den Deutschen Zukunftspreis (Preis des Bundesprä-
        den hohen Standard der Audiologie in Europa zu halten,                 sidenten für Technologie und Innovation, 2012).
        macht das auch Spaß – wie die sehr freundliche und of-
        fene Atmosphäre bei den EFAS-Kongressen zeigt,“ erklär-                Der nächste Kongress der EFAS findet 2021 in Sibenik,
        te Kollmeier bei seinem Amtsantritt begeistert.                        Kroatien statt. Weitere Informationen finden Sie unter
                                                                               www.efas.ws.
        Für seine Amtszeit hat sich Kollmeier ehrgeizige Ziele ge-
        setzt:

        „Schwerpunkte meiner Präsidentschaft werden neben
        der Weiterentwicklung der Standards für die akademi-
        sche Ausbildung in der Audiologie vor allem die audio-
        logische Präzisions-Medizin mit der Einführung von
        Methoden des maschinellen Lernens in Diagnostik und
        Behandlung von Schwerhörigkeit sein, sowie die Konver-
        genz von Hörgeräten und Hörimplantaten“ so Kollmeier.
14      CLICK | 1 / 2019
Hörforscher Steven van de Par ist Mitinitiator
eines neuen DFG-Schwerpunktprogramms
   Prof. Dr. Steven van de Par, Hochschullehrer für Ange-
   wandte Physik und Akustik an der Universität Olden-
   burg, hat gemeinsam mit vier weiteren Expertinnen und
   Experten ein Schwerpunktprogramm der Deutschen
   Forschungsgemeinschaft (DFG) initiiert. Die DFG fördert

                                                                                                    Foto: Universität Oldenburg
   das Programm „Auditive Kognition in interaktiven virtu-
   ellen Umgebungen (AUDICTIVE)“ ab dem kommenden
   Jahr. Koordinatorin des Schwerpunktprogramms ist Prof.
   Dr. Janina Fels von der RWTH Aachen, der Oldenburger
   Physiker van der Par ist Mitglied des Programm-              Prof. Dr. Steven van der Par
   ausschusses.

   Das Schwerpunktprogramm verknüpft die Disziplinen            In DFG-Schwerpunktprogrammen werden grundlegen-
   Akustik, Kognitionspsychologie und Informatik. Die           de Fragestellungen in besonders aktuellen oder sich
   Forschung soll unter anderem das Wissen über hörbe-          gerade bildenden Forschungsgebieten untersucht.
   zogene kognitive Leistungen in realen Szenen erweitern       Anfang April wurden insgesamt 14 Programme bewil-
   – etwa in akustisch ungünstigen Umgebungen wie Klas-         ligt, die zum Jahr 2020 ihre Arbeit aufnehmen wer-
   senzimmern oder Großraumbüros. Zudem sollen Situa-           den. Sie sind interdisziplinär ausgerichtet und zeich-
   tionen im Freien analysiert werden, bei denen mehrere,       nen sich durch den Einsatz innovativer Methoden aus.
   sich teilweise bewegende Schallquellen zum Einsatz
   kommen. Eine wesentliche Fragestellung ist, wie akusti-
   sche und visuelle Komponenten sowie weitere Faktoren
   die Fähigkeit zur Interaktion mit der Szene beeinflussen.

Universitäts-HNO-Klinik des Evangelischen Kran-
kenhauses als Audiologisches Zentrum zertifiziert
   Die Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V. (DGA) hat
   auf ihrer Jahrestagung in Heidelberg die Universitätskli-
   nik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde im Evangelischen
   Krankenhaus Oldenburg als Audiologisches Zentrum zer-
   tifiziert. Diese Anerkennung höchster Qualität erreichten
   bisher insgesamt nur acht Kliniken in ganz Deutschland.
   Ein Audiologisches Zentrum (DGA) zeichnet sich durch
   hervorragende klinische Kompetenz und exzellente
   Ausstattung sowie nachweisbare wissenschaftliche
   Leistungen unter anderem durch Fachpublikationen aus.
   Der Direktor der Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohren-    Dazu gehört die Pädaudiologie genauso wie die Cochlea-
   Heilkunde im Evangelischen Krankenhaus, Professor Dr.        Implantat-Abteilung und die Abteilung für (Erwachsenen)
   med. Andreas Radeloff, unterstreicht die hohe Bedeutung      HNO-Heilkunde.
   der Zertifizierung für die Region: „Von der DGA anerkann-
   te Audiologische Zentren repräsentieren die volle Breite     Dr. med. Rüdiger Schönfeld, Chefarzt der Abteilung für
   der Audiologie in der interdisziplinärer Zusammenarbeit.     Phoniatrie und Pädaudiologie in der Universitäts-HNO-
   Sie sind regionale Zentren für besonders aufwendig zu        Klinik des EV, zeigt sich hocherfreut: „Durch eine sehr
   behandelnde Patienten mit komplexen Hörstörungen             modern ausgestattete Klinik mit allen Möglichkeiten der
   und treiben zugleich die Qualitätssicherung in ihrer Regi-   Hördiagnostik bieten wir ein umfassendes Leistungs-
   on voran.“ Das Fachgebiet der Phoniatrie und Audiologie      spektrum an. Wir freuen uns sehr über diese selten er-
   beschäftigt sich mit Störungen der Sprach-, Sprech- und      reichte Zertifizierung. Das ist für uns Anerkennung und
   Stimmfähigkeit sowie der Hörfähigkeit. Die Zertifizierung    Motivation zugleich, weiterhin den Menschen im Nord-
   beschränkt sich aber nicht auf diesen Bereich: Die Uni-      westen, die bestmögliche Behandlung zu ermöglichen.“
   versitäts-HNO-Klinik ist zusammen insgesamt als Audio-
   logisches Zentrum zertifiziert worden.
                                                                                                           1 / 2019 | CLICK       15
ROSA RAUSCHEN
     Comm4CHILD – ein europäisches Gemeinschaftsprojekt für verbesserte Kommunikation von Kindern
     mit Hörstörungen
       Unter Mitwirkung der Hearing4all-Forscher Prof. Andrej      und sozio-emotionale Entwicklung aus. Als erste diag-
       Kral und Prof. Thomas Lenarz, beide von der Medizini-       nostische Stufe wird inzwischen europaweit ein soge-
       schen Hochschule Hannover, wird im Januar 2020 ein          nanntes Neugeborenen-Hörscreening (NHS) eingesetzt,
       außergewöhnliches europäisches Gemeinschaftsprojekt         welches zum frühestmöglichen Zeitpunkt bereits eine
       starten: Comm4CHILD, ein Konsortium, das einen inno-        erste Diagnostik eines möglicherweise geschädigten Ge-
       vativen Ansatz zur Optimierung der Kommunikations-          hörs ermöglicht. Im Nordwesten ist u.a. das Hörzentrum
       fähigkeiten und der sozialen Inklusion von Kindern mit      Oldenburg zuständig für die Durchführung des NHS für
       Hörstörungen umsetzt. Hintergrund ist unter anderem         zahlreiche Geburtskliniken in Niedersachsen.
       die Annahme einer Resolution seitens der Weltgesund-        Die jeweilige Intervention, also welche individuelle Unter-
       heitsorganisation von 2017, in der die Beeinträchtigung     stützung für das einzelne Kind mit Hörstörung am besten
       des Hörvermögens als vorrangiges weltweites Gesund-         ist, wurde zwar teilweise schon untersucht in Bezug auf
       heitsproblem anerkannt wurde. Gerade Kinder mit Hör-        das individuelle audiologische, sprachliche und kogniti-
       störungen haben erhebliche Risiken für den Spracher-        ve Profil im individuellen sozialen und kommunikativen
       werb, Bildungserfolge, die sozio-emotionale Entwicklung     Kontext des Kindes, deren Umsetzung in die Praxis soll in
       und das Wohlbefinden. Aktuelle Interventionspläne be-       Comm4CHILD untersucht werden. Das Projekt begegnet
       reiten diese Kinder nicht auf akademische Leistungen        den Herausforderungen...
       und soziale Teilhabe in der heutigen Gesellschaft vor, in
       der die Vielfalt ihrer Bedürfnisse zunimmt.                 Comm4CHILD begegnet den Herausforderungen der Pla-
       Comm4CHILD befasst sich mit den großen interindividu-       nung einer wirksamen Intervention, die die oben genann-
       ellen Unterschieden in Bezug auf Plastizität des Gehirns,   ten Fragen der Heterogenität und Vielfalt berücksichtigt,
       kognitive Ressourcen und sprachliche Fähigkeiten und        durch eine interdisziplinäre Untersuchung der Sprach-
       nutzt diese Heterogenität in vollem Umfang, um effizien-    und Kommunikationsentwicklung von Kindern mit Hör-
       te Kommunikationsfähigkeiten bei Kindern mit Hörstö-        störungen, die in drei Schwerpunktbereichen konzipiert
       rungen zu unterstützen. Eine Gruppe von 15 Doktoranden      ist: Diese Schwerpunkte, die auch den thematischen
       wird sektorübergreifend in Forschung und Intervention       Leitgedanken jedes Forschungsarbeitspakets (WP) bil-
       geschult. Die Arbeit der Wissenschaftler wird die Zuord-    den, befassen sich mit Biologie (binaurale Wiederher-
       nung der Heterogenität zugrunde liegenden Faktoren          stellung, zerebrale Funktionsreorganisation - WP1), mit
       verbessern, das Verständnis der Prädiktoren für sprach-     Kognition (Arbeitsgedächtnisfähigkeiten, Verarbeitung
       liche Kommunikationsfähigkeiten erweitern und neue          multimodaler sensorischer Eingaben - WP2) und mit
       Interventionsmethoden entwickeln. Die Beteiligten wer-      Sprache (Sprachverständlichkeit, Rechtschreibfähigkeit
       den zu den „pädiatrischen Hörgeräteunternehmern“ der        - WP3). Dieser konzeptionelle Rahmen für Comm4CHILD
       Zukunft, dank Kooperationen zwischen akademischen,          bietet eine Struktur für die Analyse bestimmter Entwick-
       industriellen, klinischen und communitybasierten Part-      lungsbereiche und für die Aufdeckung und Untersu-
       nern. Die Ergebnisse dieses einzigartigen Konsortiums       chung der sich überschneidenden Themen, die bisher
       werden voraussichtlich alle Aspekte des Alltagslebens       Forschung und Praxis beeinflusst haben. Von größter
       von hörbeeinträchtigten Kindern betreffen. Insbeson-        Bedeutung für Comm4CHILD ist der diskutierte Zusam-
       dere wird Comm4CHILD ein deutlich verbessertes Ver-         menhang zwischen kognitiver Entwicklung, auditivem
       ständnis der kommunikativen und sozialen Fähigkeiten        Input und Spracherfahrung. Die auditive Perspektive legt
       vermitteln, das die Entwicklung innovativer zukünftiger     nahe, dass Einschränkungen der Hörerfahrung während
       Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen unter-            der Entwicklung die neurokognitiven Funktionen weit
       stützt.                                                     über die gesprochene Sprache hinaus beeinflussen.
       Das übergeordnete Ziel von Comm4CHILD ist die               Das Versehen der Hirnrinde vor dem Ende der sensib-
       Entwicklung eines interdisziplinären Ansatzes zur in-       len Periode mit einer akustischen Eingabe kann zusätz-
       tegrativen Intervention für Kinder mit Hörbehinderung.      lich verhindern, dass die Hirnrinde durch visuelle oder
       Es wird geschätzt, dass bis zu fünf von 1000 Babys mit      somato-sensorische Verarbeitungen „gekapert“ wird.
       mittelschwerem bis schwerem einseitigem oder beid-          Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der auditorischen Reha-
       seitigem Hörverlust geboren werden oder diesen bald         bilitation über Hörgeräte und dem Training von Hör- und
       nach der Geburt aufweisen. Ein deutlicher Hörverlust        Hörgedächtnisfähigkeiten. Die Sprachentwicklung kann
       schränkt das Erlernen der gesprochenen und geschrie-        jedoch weiterhin problematisch sein, da Hörgeräte, ein-
       benen Sprache ein und wirkt sich auch auf die kognitive     schließlich Cochlea-Implantaten (CI), das Hörvermögen
16     CLICK | 1 / 2019
Überblick über das Comm4CHILD Forschungs- und Trainingsprogramm

nicht vollständig wiederherstellen und daher keinen voll-     Forschungs- und Ausbildungsprogramm zu entwickeln.
ständigen Zugang zu Sprache und Musik ermöglichen.            Es wird erwartet, dass dieses Programm auf wissen-
Im Gegensatz dazu argumentiert die multimodale Pers-          schaftlicher Ebene bedeutende Fortschritte bringt, die
pektive, dass die frühe Exposition nicht nur die auditive     die Lebensqualität der Kinder verbessern und die von
Modalität, sondern auch die visuelle Modalität umfassen       den Vereinten Nationen empfohlenen Möglichkeiten zur
sollte, um den Zugang zu einer vollständig strukturierten     Eingliederung optimieren.
Sprache während der sensiblen Phase zu ermöglichen.
Tatsächlich rekrutiert die Verarbeitung von Phonologie        Koordinator des Konsortiums ist die Universität Brüssel,
und Grammatik das in der linken Hemisphäre verortete          Projektbeteiligte sind neben dem Institut für AudioNeuro-
Sprachennetzwerk, unabhängig von der visuell-gesti-           technologie (VIANNA) an der MHH und der HörSys GmbH
schen oder audio-visuellen Modalität der Eingabe. Die         aus Hannover auch die Katholische Universität Leuven,
Sprachwahrnehmung ergibt sich dabei nicht nur aus dem         das Centre National de La Recherche Scientifique CNRS
Hörsinn, sondern auch aus dem Sehen (Lippenbewegun-           aus Frankreich, die Linköpings Universität aus Schwe-
gen). Dies gilt für Personen mit normalem Hörvermögen         den, die University of Leeds (England), das belgische
und noch mehr für Patienten mit CI. Infolgedessen soll-       Comprendre et Parler sowie Oticon A/S aus Dänemark.
ten multimodale Interventionspläne genutzt werden, die
die multimodale und sensorisch-motorische Natur der           Interventionspläne Folgendes nutzen die multimoda-
menschlichen Kommunikation reflektieren.                      le und sensorisch-motorische Natur der menschlichen
                                                              Kommunikation.
Comm4CHILD nimmt eine pragmatische Haltung ein, die
diese beiden Perspektiven umfasst. Hochrangige Exper-
ten aus Wissenschaft, Industrie, Gesundheits- und Re-
habilitationszentren bündeln ihr Fachwissen in den Be-
reichen Hör- und Sprachwissenschaften, um ein neues

                                                                                                   1 / 2019 | CLICK       17
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