Natur report - INSEKTEN zwischen Faszination und Ekel - Kreis Unna
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Natur report Nr. 23 • 2019 INSEKTEN zwischen Faszination und Ekel Jahrbuch der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e.V.
Jahrbuch der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e. V. Ausgabe 23 • 2019 Erscheinungstermin: April 2019 Herausgeber: Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e. V. Westenhellweg 110, 59192 Bergkamen Vorsitzender: Norbert Enters Redaktion und Realisierung: Horschler Kommunikation GmbH, Unna Zitiervorschlag: Naturreport 2019, Jb. Naturförderungsges. Kreis Unna Druck: Druckerei Schmidt, Lünen Bildnachweis: Seiten 9/13: www.iStock.de/worklater_1/Noppharat/YuriyKulik/thamerpic // Seiten 57/58: www.iStock.de/landschaftsfoto/frank600 // Seite 69: www.iStock.de/Magnilion // Seite 80: Land NRW (2019) Datenlizenz Deutschland -Namensnennung -Version 2.0 (www. govdata.de/dl-de/by-2-0) // Seite 88: www.iStock.de/Rike Titelfotos: Siga (wikimedia.orgwikiFileDiabrotica_virgifera_side.jpg wikipedia_CC BY-SA 4_0)/ Postler/Pflaume/Kühnapfel/Medger/Przybalka, ASV Rünthe/iStock-Gaschwald Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht. Wenn nicht anders angegeben, stammen die Fotos und Abbildungen in den Beiträgen von den Autoren. Die in den Aufsätzen vertretenen Meinungen müssen nicht unbedingt der Meinung der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e. V. oder der Redaktion entsprechen. Die Autorinnen und Autoren sind für den Inhalt ihrer Aufsätze selbst verantwortlich.
Inhalt Inhalt..........................................................................................................................................5 Vorwort......................................................................................................................................7 Insekten – zwischen Faszination und Ekel Gehasst und getötet – gehegt und gepflegt, Heinrich Behrens...................................................9 Insektensterben – der Anfang vom Ende?, Bernhard Glüer.......................................................14 Artenschwund oder Zuwachs?, Klaus-Bernhard Kühnapfel.......................................................23 Genau hingeschaut: Welche Hummel ist es?, Heino Otten und Heinz-Joachim Pflaume..........29 Wo sind unsere „Glückskäfer“?, Heino Otten..........................................................................33 Käferparadies an der Seseke, Gernot Medger...........................................................................38 Auf die Saatmischung kommt es an, Lukas Thiel......................................................................41 Blühstreifen an Kreisstraßen, Sebastian Heide-Napierski..........................................................47 Viehweide als Nahrungsfläche, Heinz-Joachim Pflaume...........................................................49 Kleine Tiere mit großer Wirkung, Lukas Thiel...........................................................................51 Insekten als Krankheitserreger, Roland Staudt..........................................................................57 Von Menschen und Krabbeltieren, Doris Homann....................................................................61 Kunstvolle Krabbeltiere, Heike Behrens....................................................................................65 Warum sterben so viele Insekten?, Erwin Bock.........................................................................69 5
Inhalt Personen Leben mit der Honigbiene, Corinna Glück ...............................................................................71 Aktionen & Projekte Eine Symbiose: Leben im und am Wasser, Ulrich Smulka, Michael Prill und Werner Zicke........75 Mensch und Umwelt näher bringen, Gerhard Dreps.................................................................78 Schleifen für den Strickherdicker Bach, Hermann Knüwer und Falko Prünte.............................79 Naturschutz und Erholung verbinden, Birgit Manz...................................................................85 Flora & Fauna Vom Fließgewässer zum Flachlandfluss, Olaf Niepagenkemper................................................86 Anhang Natur des Jahres 2019 auf einen Blick.......................................................................................88 Autorenverzeichnis...................................................................................................................90 6
Vorwort n Insekten: Kleine Lebewesen mit großer Bedeutung So viele und doch zu wenige? Nun gilt's, dass einen Blick man werfe Den Auftakt macht Heinrich Behrens, Auf die Insekten oder Kerfe. der in seinem Beitrag „Gehasst und Wenn auch darunter viele sind, getötet – gehegt und gepflegt“ an- die glaubt zu kennen jedes Kind - schaulich das ambivalente Verhältnis der Maikäfer, Schmetterlinge, Bienen -, Menschen zu den Insekten beschreibt. So sind doch manche unter ihnen, Die Lebewesen können sowohl Parasiten Die selbst der hohen Wissenschaft als auch Plagegeister sein, aber gleichzei- Noch neu sind oder rätselhaft. tig auch Nutztier oder gar ein geliebtes Eugen Roth (dt. Lyriker, 1895-1976) Haustier. Was sie allemal sind: für das ökologische Gleichgewicht notwendig Liebe Leserin, und daher schützenswert. lieber Leser, Norbert Enters ist Vorsitzender der Im Anschluss befasst sich Bernhard Glüer Naturförderungsgesellschaft für den mit den Ursachen und Auswirkungen woran denken Sie, wenn Sie das Wort Kreis Unna e.V. des Insektensterbens. Was für den einen „Insekt“ hören? An Bienen, Hummeln, vielleicht als willkommener Erfolg des Schmetterlinge oder Käfer? Oder gar an Rückgang von fast 80 Prozent der Insek- langjährigen Kampfes gegen den einen Spinnen und Zecken, die keine Insekten ten. Allein in Deutschland steht etwa ein oder anderen „Quälgeist“ ist, ist für das sind, und mit ihren acht Beinen wie die Viertel der 33.000 Arten auf der Roten Ökosystem eine Gefahr: Ohne Insekten Skorpione zur Klasse der Spinnentiere Liste gefährdeter Arten. Die Ursachen würden die großen Kreisläufe der Natur gehören? Wissenschaftler haben bisher sind vielfältig: von Klimawandel über schlichtweg zusammenbrechen. Trotz von den Sechsbeinern knapp eine Million hohen Stickstoffgehalt und Pestizidein- der Brisanz des Themas gibt der Verfas- Arten beschrieben. Sie vermuten noch satz bis zur Lichtverschmutzung. Das ser doch einen positiven Ausblick: Insek- weitere Millionen. So sind mindestens ist durchaus nicht nur ein regionales ten können sich innerhalb kürzester Zeit mehr als 60 Prozent aller Tierarten In- Problem, sondern ein weltweites. vermehren – allerdings müssen dafür die sekten. Eine beachtliche Zahl. Trotzdem Aus diesem Anlass möchten wir diese Rahmenbedingungen stimmen. Voraus- bereiten die kleinen Geschöpfe Experten Ausgabe des Naturreports den kleinen setzung dafür ist ein generelles gesell- Sorgen: In den vergangenen drei Jahr- Lebewesen mit großer Bedeutung schaftliches Umdenken. Klaus-Bernhard zehnten verzeichnen sie einen eklatanten widmen. Kühnapfel schwenkt den Blick vom Glo- 7
Vorwort balen auf das Regionale: Er beschreibt Insekten schafft, erläutert Sebastian und Falko Prünte den Prozess der Rena- die aktuelle Situation der Schmetterlinge Heide-Napierski. Im Anschluss zeigt turierung des Strickherdicker Bachlaufs im Kreis Unna. Auch wenn die einzelnen Heinz-Joachim Pflaume am Beispiel des in Fröndenberg. Ebenfalls von einem Arten sehr unterschiedlich auf die heu- Arbeitskreises Umwelt und Heimat in fließenden Gewässer handelt der Arti- tigen Begebenheiten reagieren, steht Lünen-Alstedde, dass einfache Maßnah- kel von Olaf Niepagenkemper über die eines fest: Obwohl hier vermutlich noch men zum Schutz der Insekten beitragen Flusslandschaft des Jahres 2018/2019: alle Arten vorkommen, zeigen sich lokal können. Wie aber Insekten auch der die Lippe. bereits erhebliche Bestandslücken, und Landwirtschaft schaden können, zeigt die Anzahl nimmt erheblich ab. Lukas Thiel eindrucksvoll. Ebenso wid- n Zum Umdenken anregen met sich der Beitrag von Roland Staudt Ich hoffe, dass wir mit dieser nunmehr n Verschiedene Aspekte „Insekten als Krankheitserreger“ den 23. Ausgabe des Naturreports aufzeigen Das Autoren-Team Heino Otten und Arten, die den Menschen eher plagen können, dass Insekten unser ökolo- Heinz-Joachim Pflaume widmet sich in und ihnen schaden. Den positiven As- gisches Gleichgewicht aufrechterhalten seinem Aufsatz einem beliebten Insekt: pekt von Insekten unterstreicht Doris und kleine Maßnahmen zu ihrem Schutz der Hummel. Es erklärt genau, worin Homann, indem sie beschreibt, wie durchaus eine große Wirkung erzielen sich die im Kreis Unna vorkommenden junge Menschen und Erwachsene in können. Vielleicht konnten wir den ei- Erdhummeln unterscheiden. Ebenso be- der Waldschule Cappenberg Begeg- nen oder anderen Leser sensibilisieren liebt sind wohl die „Glückskäfer“. Heino nungen mit der Natur erleben können. und zum Nachdenken oder besser zum Otten schildert eindrucksvoll wie der „Kunstvolle Krabbeltiere“ lautet der Umdenken anregen. Asiatische Marienkäfer den heimischen Titel des Beitrages von Heike Behrens, Zum Schluss möchte ich nicht versäumen, mehr und mehr verdrängt. Im Anschluss der die Bedeutung von Insekten in der allen zu danken, die mit Wort, Bild oder bringt Gernot Medger genau auf den Kunstgeschichte beleuchtet: Sie sind von anderer Unterstützung zum Gelingen Punkt, dass zu den Insekten nicht nur der frühen Renaissance bis heute Ge- dieser Publikation beigetragen haben. die viel zitierten Hummeln, Bienen und genstand des künstlerischen Schaffens. Die Beiträge sind wie immer reich an Schmetterlinge gehören, sondern auch interessanten Aspekten und Autorenan- Käfer. Ihnen widmet sich der Autor in n Projekte vor Ort sichten, die Anreiz für weitere und tiefere seinem Beitrag und skizziert die aktuelle Der zweite Teil dieser Ausgabe gehört Auseinandersetzungen sein können und Situation an der Seseke. wieder den gewohnten Rubriken. Wie auch sollen. In diesem Sinne wünsche ich Dass Landwirtschaft und Insektenschutz sich jeder für Flora und Fauna einsetzen Ihnen eine inspirierende Lektüre durchaus gemeinsam wirken können, kann, bringen der Beitrag des Auto- schreibt Lukas Thiel in seinem Aufsatz renteams Ulrich Smulka, Michael Prill Ihr „Auf die Saatmischung kommt es an“. und Werner Zicke sowie der Aufsatz Norbert Enters Wie der Kreis Unna mit Blühstreifen von Gerhard Dreps auf den Punkt. Vorsitzender der Naturförderungsgesell- an den Kreisstraßen Lebensraum für Nachfolgend erläutern Hermann Knüwer schaft für den Kreis Unna 8
Insekten n Das ambivalente Verhältnis des Menschen zu den Insekten Gehasst und getötet – gehegt und gepflegt von Heinrich Behrens Seit 480 Millionen Jahren leben Insek- ten auf der Erde und es gibt mehr als eine Million Arten. Viele von ihnen sind bis heute nicht bekannt, etliche sind be- reits ausgestorben, bevor der Mensch sie überhaupt entdecken konnte. 60 Prozent der Tierarten sind Insekten, was ihre immense ökologische Bedeu- tung unterstreicht, ihre Funktion etwa in den globalen Nahrungskreisläufen oder Lebensgemeinschaften. Insekten treten zum Beispiel als Käfer auf, als Hautflügler (Bienen, Hummeln), Schna- belkerfe (Läuse, Flöhe, Zikaden oder 60 Prozent aller Tierarten sind Insekten. Fotos: iStock Wanzen), Zweiflügler (Fliegen, Mücken), als Schmetterlinge oder Heuschrecken. begleiten Insekten seine Geschichte und Nahrungsmittel, wurden als heilige Tiere Ihre Formenvielfalt ist unerschöpflich und sein Leben. Aus menschlicher Sicht im verehrt (in Ägypten der Scarabäus) oder ihre Schönheit (beispielsweise Schmetter- negativen wie im positiven Sinne. Auf werden als Glücksbringer gehandelt (der linge) faszinierte immer wieder Entomo- der einen Seite plagen Insekten den Marienkäfer). logen, Künstler oder Dichter. Menschen als Körperparasiten, schädigen Das größte Insekt ist die Gespenst- Kulturpflanzen und Nahrungsvorräte und n Parasiten und Plagegeister schrecke Phobaetius chani , die mit übertragen Krankheiten. Auf der anderen Der Menschenfloh ( Pulex irritans) ist Beinen mehr als 56 Zentimeter lang ist, Seite produzieren Insekten Honig, Wachs heute in Westeuropa so gut wie aus- der Goliathkäfer ist mit 110 Gramm das oder die Grundstoffe für die Herstellung gestorben. Im Mittelalter und in der schwerste. Seit es den Menschen gibt, von Farben oder Seide. Sie dienen als frühen Neuzeit übertrug er vor allem in 9
Insekten Mitteleuropa die gefürchtete Beulenpest. diesen Insekten und ihren Entwicklungs- Experten gehen davon aus, dass die Während die Flohlarven sich hauptsäch- stadien (Nissen) zu verhindern. Selten Mücke sich von dort stetig ausgebreitet lich vom Kot der erwachsenen Flöhe geworden sind in Deutschland Fälle der hat. Bereits 2014 beziehungsweise 2015 ernähren, sind es die adulten Tiere, die Filz- oder Schamlaus (Phtirus pubis), die wurden Populationen in Freiburg und menschliches Blut als Nahrung benötigen. wie die Kopflaus ebenfalls menschliches Heidelberg festgestellt. Die untersuchten Durch die verlängerten Hinterbeine Blut saugt. Tigermücken trugen – glücklicherweise – ermöglichte Sprungkraft ist ein Wirts- Bis heute hat Malaria ihren Schrecken keine pathogenen und für den Menschen wechsel jederzeit möglich, weshalb nicht verloren. Sie fordert täglich welt- gefährlichen Viren in sich. auch Katze, Hausschwein oder Ratte als weit 1.200 Tote. Übertragen werden die Leishmaniose ist eine überwiegend Nebenwirt auftreten können. Malaria-Erreger – verschiedene Plasmo- in warmen Klimazonen vorkommende Früher haben Experten den Rattenfloh dien-Stämme – durch mehrere Arten von Infektionserkrankung. Sie wird von (Xenopsylla cheopis) für die Ausbreitung Anopheles-Mücken, die auch mit den Sandmücken übertragen, deren Larven des Pesterregers (das Bakterium Yersinia wirksamsten Insektiziden (früher DDT) mittlerweile auch in Deutschland, zum pestis) verantwortlich gemacht. Heute nicht auszurotten sind. Ebenfalls über- Beispiel in Nebengewässern des Rheines, gilt dagegen eine modifizierte Theorie, tragen Mücken gefährliche Viruserkran- nachgewiesen werden konnten. Her- die besagt, dass der Menschenfloh der kungen. Zu nennen ist hier beispielhaft vorgerufen durch Einzeller der Gattung wesentliche Vektor der Pest im antiken die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti), Leishmania kann sie Mensch und Tier und mittelalterlichen Europa gewesen die das Gelbfiebervirus übertragen kann. befallen. Die Leishmaniose verursacht je sein soll. Der Rattenfloh war eher in Das Gelbfieber ist eine bedrohliche Er- nach Form der Krankheit beim Menschen Zentral- und Ostasien für das Ausbrechen krankung, die zwischen dem 40. Grad Hautgeschwüre, befällt die Schleimhäute der Pestepidemien verantwortlich, was nördlicher und südlicher Breite auftritt. im Nasen- und Rachenbereich oder kann mit klimatisch bedingten Anpassungen Aufgrund des anthropogen verur- schwere Leber-, Milz- oder Knochen- an entsprechende Wirtsorganismen zu sachten Klimawandels und globalen markschäden verursachen. erklären ist. Die Übertragung des Pest- Warenverkehrs gelangen etwa Insekten Ebenso können durch Mücken über- bakteriums hat mit dem Menschenfloh wie die Asiatische Tigermücke (Aedes tragene Krankheiten auch bei (Haus-) als Vektor von Mensch zu Mensch statt- albopictus) mehr und mehr nach West- Tieren auftreten. So konnte erstmals im gefunden. und Mitteleuropa. Die Tigermücke gilt Ort Schmallenberg ein Virus (deshalb Nach wie vor treten hin und wieder in als potentielle Überträgerin des West-Nil- Schmallenberg-Virus) nachgewiesen sozialen Einrichtungen wie Schulen und Virus und ist für den Ausbruch von Gelb-, werden, das bei Rindern, Kühen, Scha- Kindertagesstätten Fälle mit Kopfläusen Dengue- oder Chikungunya-Fieber fen oder Ziegen Fieber und eine einge- ( Pediculus humanus capitis ) auf. Die verantwortlich. 2007 ist die wärmelie- schränkte Leistungsfähigkeit (wie die Diagnose ist nach dem Infektionsschutz- bende Asiatische Tigermücke erstmals in Milchleistung) hervorrufen kann. Bei gesetz meldepflichtig, um eine weitere Deutschland entdeckt worden – an einem tragenden Muttertieren kann es zu Miss- Ausbreitung der Haarbesiedlung mit Autobahnrastplatz bei Weil am Rhein. bildungen der Föten und Totgeburten 10
Insekten kommen. Überträger dieser Krankheit Aktuell bereitet in Deutschland der dabei, die europäischen Buchsbaumkul- sind Mücken der Gattung Culicoides. Eichenprozessionsspinner ( Thaumeto- turen zu ruinieren. Insekten treten nicht nur als Über- poea processionea ) große Probleme. träger von Krankheiten auf, sondern Seine Ausbreitung ist ebenfalls der Kli- n Nutz- und Haustiere auch als Schädlinge von Kulturpflanzen: maerwärmung zuzuschreiben. Die Haare Im Laufe seiner Stammesgeschichte Beispielhaft sind der Kartoffelkäfer (Lept- der Raupen enthalten ein Nesselgift, das lernte der Mensch, die für ihn nützlichen inotarsa decemlineata), die Wanderheu- Hautentzündungen und Asthma auslö- Seiten der Insekten zu entdecken. Über schrecke ( Schistocerca gregaria) oder sen kann. Haare des Spinners können die Honigbiene muss an dieser Stelle die aus Nordamerika nach Mitteleuropa durch den Wind verteilt werden und so nicht weiter berichtet werden. Die eingeschleppte Reblaus (Viteus vitifolii). Kontaktallergien auslösen. Zu erwähnen Darstellungen über ihre Biologie und Was die Wanderheuschrecke – Ursache ist an dieser Stelle noch die Bedeutung Haltung in menschlicher Obhut füllen Bi- für eine der in der Bibel beschriebenen von Insekten als Vorratsschädlinge – bliotheken. Erwähnenswert ist auf jeden Plagen – anbetrifft, kommt es auch heute beispielhaft sind verschiedene Arten von Fall der Seidenspinner (Bombyx mori), ein immer wieder zur Bildung von riesigen Lebensmittelmotten. Darüber hinaus sind Schmetterling aus der Familie der Echten Heuschreckenschwärmen. Aus Afrika Textilschädlinge wie die Kleidermotte Spinner (Bombycidae), dessen Bedeutung kommend, können sie bis ins Mittelmeer ( Tineola bisselliella) oder Schädlinge in für die weltweite Seidenproduktion nach vordringen, um dort verheerende Ern- Garten- und Gemüsekulturen nennens- wie vor sehr groß ist. Weit über 30.000 teausfälle zu verursachen. Im Jahre 2004 wert. Der Buchsbaumzünsler (Cydalima Tonnen Seide, mehr als 80 Prozent der entwickelte sich von Mauretanien aus ein perspectalis), ein aus Südostasien einge- weltweiten Produktion, stammen aus Schwarm von 230 Kilometern (!) Länge schleppter Kleinschmetterling, ist derzeit China. Seide wird aus den Kokons des und 150 Metern Breite. Heuschrecken Schmetterlings gewonnen, die aus den sind sehr gefräßig und nehmen pro Tag fädigen Speicheldrüsensekreten (0,0005 so viel pflanzliche Nahrung zu sich, wie bis 0,005 Millimeter dünn) von Bombyx sie wiegen, etwa zwei Gramm. mori gesponnen werden. Kartoffelkäfer und Weinlaus rückten Vor allem im 19. Jahrhundert gab es Landwirte und Gärtner mit Insektiziden auch in Deutschland Initiativen – haupt- zu Leibe, dem Kartoffelkäfer anfangs mit sächlich durch Imkereien gefördert –, hoch toxischen Arsen-haltigen Spritz- Seidenraupen zu züchten und eine eigene mitteln. Dort, wo diese Mittel nicht zur Seidenindustrie aufzubauen. Überall wur- Verfügung standen, kam menschliche den Maulbeerbäume (Morus alba) ange- Körperkraft zum Einsatz. Noch in den pflanzt, doch schnell erkannten Experten, 1960er-Jahren sammelten Schüler in der Der Aufruf „Sammelt Maikäfer!“ dass die klimatischen Bedingungen hier Deutschen Demokratischen Republik die erschien am 21. Mai 1918 in der Lüner nicht geeignet waren, die Mengen Maul- Felder nach Kartoffelkäfern ab. Zeitung. beerbaumblätter zu produzieren, die für 11
Insekten eine Seidenproduktion im großen Stil dern (Oh, oh, oh du armer Floh…) oder in Der weltbekannte Evolutionsbiologe notwendig gewesen wären. Spielen (Flohspiel) auf. In Flohzirkussen, Edward O. Wilson drückt seine Befürch- Zu den Nutzinsekten zählen ebenso von denen es in Deutschland nur noch tungen so aus: „Der Mensch ist ein Neu- die hügelbauenden Waldameisen, von ganz wenige gibt, nutzten die Akteure ling unter diesen sechsbeinigen Massen denen hauptsächlich die Rote Waldamei- die natürlichen Bewegungsabläufe der und seine Herrschaft über den Planeten se von großer Bedeutung ist. Waldamei- Katzenflöhe, um Minikugeln wegzuschie- ist fragil. Die Insekten können ohne uns sen tragen zur Hygiene des Waldes bei, ßen, kleine Wägelchen zu ziehen oder gedeihen, wir und die meisten terrest- indem sie Schadinsekten – wie den zur Springübungen machen zu lassen. rischen Organismen hingegen würden Plage gewordenen Borkenkäfer – ver- Interessant zu erwähnen ist am Ende ohne sie zugrunde gehen.“1 tilgen, zur Samenverbreitung beitragen, noch die Bedeutung der Cochenille- Mindestens ein Drittel der gesamten den Boden belüften oder als Destruenten schildlaus ( Dactylopius coccus), deren weltweiten Nahrungsmittelproduktion von im Wald durch Tiere oder Pflanzen Körperinhalt über Jahrhunderte so lange ist unmittelbar abhängig von den Bestäu- entstehenden Abfällen auftreten. zur Herstellung von Karminrot Verwen- bungsleistungen der Bienen oder Käfer. Von großer Bedeutung für die Genetik dung fand, bis rote Farbstoffe synthetisch Wissenschaftler schätzen, dass global und ihre Entwicklung ist die Fruchtfliege hergestellt werden konnten. durch die Bestäubertätigkeit von Bienen Drosophila melanogaster, sozusagen Ökosystemleistungen in einer Höhe von das Haustier der Genetiker weltweit. n Ökologischer Blick 153 Milliarden Euro erwirtschaftet wer- Biogenetiker beschlossen Anfang des Spätestens im Oktober 2017 alarmierte den. Ein recht unbekanntes, aber dennoch 20. Jahrhunderts die Taufliege als idea- die „Krefelder Studie“ über den drama- interessantes Beispiel ist die Bestäubung les Objekt für die Untersuchung der tischen Rückgang der Insekten – 75 Pro- der Kakaopflanze durch die winzig kleine Vererbungsmechanismen einzusetzen. zent weniger Biomasse bei Fluginsekten Bartmücke, die optimal an die Anatomie Das Insekt ist sehr klein (die Weibchen in 27 Jahren – zunächst die Fachwelt. der Kakaoblüte angepasst ist. werden nur 2,5 Millimeter groß) und Kurz darauf begannen auch Politik und Zudem können Insekten als natür- kann deshalb auf engstem Raum ge- Öffentlichkeit anders über Insekten und liche Insektizide eingesetzt werden züchtet werden. Zudem hat es einen ihre Bedeutung für den Erhalt der Öko- (Florfliegen, Ohrwürmer etc.), sodass kurzen Entwicklungszyklus – neun Tage systeme nachzudenken. in Teilbereichen des Pflanzenschutzes bis zum geschlechtsreifen adulten Tier – Ebenso ist seit dem Rückgang der Feld- auf synthetische Mittel verzichtet wer- sowie nur wenige Chromosomen (4 im vogelpopulationen (Kiebitz, Rebhuhn, den kann. einfachen Satz). Feldlerche) – hauptsächlich durch Spritz- Als koprophage (Schmutz- oder Kot Sinnbildlich für den Titel dieses Arti- mittel wie Glyphosat- oder Neonicoti- verarbeitende) Tiere leisten Insekten kels steht der Floh. Als Plagegeist und noide verursacht – bekannt, dass der – insbesondere Käfer – Erstaunliches. Krankheitsüberträger verschrien, wurde Verlust an Biodiversität bei Insekten auch Ohne sie würde der Planet vermüllen er aber auch zur Belustigung (Flohzirkus) für den Menschen äußerst negative Fol- und alle Lebewesen würden an den verwendet oder tauchte als Insekt in Lie- gen haben könnte. Exkrementen von Mensch und Tier 12
Insekten Aufregend, wenn ein seltener Hirschkäfer über die Hände krabbelt. Foto: iStock „ersticken“: Christopher O‘Toole be- und pflegen. Er muss verhindern, dass muss sein: Die Biodiversität des Planeten rechnete Ende der 1990er-Jahre, dass in weiterhin ungestört auf der Grundla- und damit auch die der Insekten für die Australien jedes Jahr ohne Insekten Mis- ge des grenzenlosen Welthandels die Nachwelt zu erhalten und zu retten. thaufen in der Größe von 1,2 Millionen autochthonen Lebensgemeinschaften Quadratkilometern entstehen würden. durch den ahnungslos betriebenen Literatur Pro Tag kann eine Kuh ein Dutzend Kuh- Import von Neobionten massiv be- 1 Reckhaus, Hans-Dietrich: Warum jede Fliege fladen produzieren, was einem Gewicht droht werden. Er muss mit höchster zählt. Bielefeld. 2016. S. 8. von knapp 5.000 Kilogramm pro Jahr Anstrengung daran arbeiten, den in 2 ders. S. 30. entsprechen würde.“2 Aussicht gestellten Klimawandel nicht Angesichts der aufgezeigten Pro- zu dramatisch ausfallen zu lassen. Der Weitere Buchempfehlungen des Autors: bleme, die mit dem Rückgang der In- Mensch muss ökologische Strukturen Berenbaum, May R: Blutsauger, Staatsgründer, sekten verbunden sind, ist es nicht mehr der Landwirtschaft global einführen Seidenfabrikanten. Heidelberg. 1997. opportun, die sechsbeinigen Tiere in sowie verhindern, dass die natürlichen Segerer, A.H. u.a.: Das große Insektensterben. nützliche und schädliche zu unterteilen. Lebensräume von Pflanzen und Tieren Was es bedeutet und was wir jetzt tun müssen. Der Mensch muss alle erhalten, hegen zerstört werden. Generelles Hauptziel München. 2018. 13
Insekten n Vielfältige Ursachen und Auswirkungen Insektensterben – der Anfang vom Ende? Der Pestizideinsatz in Deutschland hat von 35 Kilotonnen in 1998 bis heute auf 48 Kilotonnen pro Jahr zugenommen. Fotos: Glüer von Bernhard Glüer aus eigener Wahrnehmung wussten ermittelten Fachleute einen Rückgang oder ahnten, war vor allem durch der Insekten um annähernd 80 Prozent. Im Jahr 2018 war das Insektenster- eine langjährige Studie der „Krefelder In der Öffentlichkeit gehören leider, von ben in der medialen Darstellung und Entomologen“ durch alarmierende wenigen „populären“ Gruppierungen in der öffentlichen Diskussion eines Fakten untermauert und einer breiten wie Schmetterlingen, Bienen, Libellen der Top-Themen, das in zahlreichen Öffentlichkeit dargelegt worden. oder Käfern abgesehen, die meisten Dokumentationen, Zeitungsberichten, der rund 33.000 Insektenarten Mit- Online-Foren oder Vorträgen kom- In einer knapp dreißigjährigen Unter- teleuropas eher zu den unbekannten muniziert wurde. Was viele längst suchung auf über 60 Probeflächen Mitgeschöpfen unserer Umwelt, obwohl 14
Insekten ihre Artenfülle mehr als 70 Prozent der Gesamtfauna Deutschlands ausmacht. Weltweit sind bisher eine Million Insek- ten beschrieben. Experten gehen jedoch von einer Gesamtzahl von mehr als sechs Millionen Arten aus. Die Existenz der Insekten geht auf mindestens 480 Millionen Jahre Entwicklungsgeschichte zurück. Trotzdem beschränken viele Menschen ihr Wissen über die kleinen „Krabbler“ auf die lästigen oder viel- leicht sogar als „schädlich“ abgestem- pelten Fliegen, Stechmücken, Wespen, Raupen oder Blattläuse et cetera. Sie registrieren den Schwund der Insekten vielleicht mit einem Achselzucken oder Ein kleiner Brennesselbestand blieb dank des „störenden“ Telegrafenmastes als Nah- sogar als willkommenen Erfolg des lang- rung für wenige Raupen des Tagpfauenauges bei der viel zu häufigen Feldsaummahd jährigen Kampfes gegen den einen oder verschont. anderen „Quälgeist“. Das allgemeine Unwissen wird dabei oft noch durch Rückführung und Zersetzung aller ir- sogar mit einem Bedarf von 250.000 einen optimistischen Glauben an die gendwann absterbenden Organismen Insekten in einer einzigen Saison. Allmacht der Wissenschaft ergänzt, die – von der Blattlaus, dem abfallenden sicher schon bald eine Lösung für das Herbstblatt, bis zum 40 Meter hohen n Von Insekten abhängig eine oder andere auftauchende Problem Baumriesen – funktioniert ohne die stän- Die Bestäubungsleistung der Insekten – finden wird. dige Arbeit der Insekten nicht. Gleichzei- nicht nur bei der Vermehrung der Pflan- Doch ein wachsender Teil der Be- tig sind die Insekten Nahrungsgrundlage zen im Allgemeinen, sondern vor allem völkerung sieht auch die fundamentale für einen Großteil unserer Wirbeltiere – bei der landwirtschaftlichen Produktion Funktion der Insekten, ohne die unsere allen voran – unserer Vögel. So benötigt von Feldfrüchten, Obst und Gemüse, die Ökosysteme gar nicht funktionieren etwa ein einziges Kohlmeisenpaar allein zu 80 Prozent von Insektenbestäubung können. Die großen Kreisläufe der Natur in den zwei Wochen, die für die Aufzucht abhängt, wird zur besseren Veranschau- würden ohne Insekten zusammenbre- des Nachwuchses bis zum Ausfliegen lichung der enormen wirtschaftlichen chen. Ein Großteil der Pflanzen kann der Jungen verstreichen etwa 10.000 Bedeutung gern in „Heller und Pfen- sich nur durch die Bestäubungsarbeit Insekten (zumeist kleine Raupen). Für nig“ – oder besser: in Dollar und Euro der Insekten vermehren und auch die ein Rauchschwalbenpaar rechnet man ausgerechnet. Weltweit beziffert man 15
Insekten den ökonomischen Wert der Bestäu- Gesamtartenspektrums in Mitteleuropa Studie eine „Pionierleistung“ erbracht, bungsleistung mit 153 Mrd. Euro pro (7.800 von insgesamt 33.000 Arten) gibt die inzwischen weltweit für Aufsehen Jahr (europaweit: 15 Mrd. Euro). Die es überhaupt eine Gefährdungsanalyse gesorgt hat (internationale Veröffent- zu erwartenden astronomischen öko- oder Grundlagendaten zur Lebensweise. lichungen in „Science“/2017, der „New nomischen und ökologischen Verluste Auch die „Roten Listen der gefährdeten York Times“/2017, oder „PLOS ONE“). beim Ausfall der Insekten sollen die Ver- Pflanzen und Tiere“ geben weder auf Dabei ist und war ihre methodische antwortlichen in Politik und Wirtschaft bundesdeutscher Ebene noch auf Lan- Vorgehensweise ebenso einfach wie wachrütteln. Doch der Absturz vieler desebene schlüssig Auskunft über die anschaulich. Sie haben in sogenannten Insektenbestände hält nach Meinung Gesamtsituation – erst recht nicht über Malaise-Fallen nach standardisierten von Fachleuten unverändert an. Der regionale Unterschiede – etwa in dem Verfahren Fluginsekten gefangen und durchschnittliche Rückgang setzt sich Sinne „wo ist es denn am schlimmsten?“ konserviert. Die kastenartigen Fallen, mit 6,1 Prozent pro Jahr fort. bestehend aus einem feinen Netzgewe- Zunächst war es eine von jeder- n Weltweit beachtet be auf etwa zwei Quadratmeter Grund- mann nachvollziehbare sommerliche Somit haben die „Krefelder Entomo- fläche, arbeiten nach dem Prinzip einer Alltagsbeobachtung, die den Insekten- logen“ um Dr. Martin Sorg mit ihrer Reuse, in die vorbeifliegende Insekten schwund sichtbar machten: der „Wind- von einer offenen Seite hineingeraten. schutzscheibeneffekt“. Vor allem ältere Bei dem Bestreben wieder zu entkom- Autofahrer erinnerten sich an allerlei men, versuchen sie nach oben zum Hilfsmittel – vom „Insektenschwamm“ Licht zu gelangen und geraten an der bis zum Spezialspray –, die nach som- höchsten Stelle hinter einem Spalt in ein merlichen Autofahrten das Reinigen der Tötungsglas. Alle gefangenen Insekten mit Insektenleichen verklebten Front- wurden konserviert, nach einem exakt scheiben, Kühlerhauben und Schein- definierten Verfahren gewogen und werfern ermöglichten. In zunehmendem für weitere Untersuchungen dauerhaft Maße sind solche Reinigungsaktionen eingelagert. auch nach längeren Autofahrten heute Bisher liegen also lediglich präzi- nicht mehr nötig, weil man kaum noch se dokumentierte Mengenangaben Insekten begegnet! vor – ohne dass die einzelnen Arten Neben diesem globalen Eindruck war bestimmt oder zu spezifischen Rück- und ist das fachlich fundierte Wissen Rotpelzige Sandbiene (Andrena fulva) gangsursachen Aussagen gemacht über das tatsächliche Ausmaß des be- an Johannisbeerblüte – der ökonomische wurden. Doch schon hier liegt die sorgniserregenden Insektenschwundes Wert der Blütenbestäubung von Nutz- besondere Brisanz: Generell nahm erschreckend gering. Nur zu etwa pflanzen durch Insekten wird in Europa nämlich die Gesamtheit aller Arten an einem Drittel des bisher beschriebenen auf 15 Milliarden Euro beziffert. allen Standorten gravierend (bis zu 80 16
Insekten Die Gruppe der Schwebfliegen mit 480 Arten in Mitteleuropa verzeichnet unter den Lebensraumspezialisten wie der Große Insekten die größten Bestandseinbrüche – hier eine Hornissenschwebfliege. Schillerfalter sind besonders gefährdet. Prozent) ab. Besonders alarmierend ist Arten die Gruppe der Schwebfliegen, wurde schon vor mehr als 200 Jahren dabei die Tatsache, dass die Abnahme die immerhin für 50 Prozent aller Be- mit Einsetzen der Industrialisierung ein in gleichem Maße auch in Naturschutz- stäubungsleistungen verantwortlich ist. Rückgang oder Verschwinden mancher gebieten nachgewiesen wurde, die Erstmalig wurde dokumentiert, dass es Arten beschrieben. Doch die nega- man landläufig ja eher für Gunst- und einen globalen Insektenschwund gibt, tiven Bestandtrends haben sich seither Rückzugsräume hält. So wird mit Blick der auch weltweit zu registrieren ist. ständig beschleunigt. Auch indirekte auf die Rückgangsursachen schon im Wahrnehmungen zeigten die negative Ansatz deutlich, dass die bestands- n Seit 200 Jahren rückläufig Entwicklung – etwa über Vogelarten, mindernden Einflussfaktoren global Dabei hat es auch in der Vergangen- die auf Insekten angewiesen sind. In und großräumig wirken. Nach ersten heit durchaus schon zahlreiche Hin- langjährige Untersuchungen im Rhein- Eindrücken sind diejenigen Insekten, weise und Einzeluntersuchungen über land am Neuntöter stellte Theo Schreu- die zumindest teilweise (als Larve) ein rückläufige Bestandstrends gegeben ers schon vor Jahrzehnten fest: Die im bodengebundenes Leben in feuchten – jedoch meist auf einzelne Insekten- Nahrungsspektrum relevanten Insekten Milieus führen, stärker rückläufig. gruppen beschränkt: Am besten ist die haben von 1936 bis 1964 um 80 Pro- Besonders stark betroffen ist mit 480 Datenlage bei Schmetterlingen. Hier zent abgenommen. Dafür sprechen 17
Insekten Die meisten Vögel brauchen für die Jun- Die Kohlmeise benötigt allein in den zwei Wochen bis zum Flüggewerden ihres Nach- genaufzucht enorm viele Insekten. wuchses bis zu 10.000 Raupen. auch frühzeitige Bestandseinbrüche be- Prozent. Am Beispiel der abnehmenden n Neun-Punkte-Plan ziehungsweise das Aussterben anderer Vogelbestände parallel zum Insekten- In einem internationalen Insekten- Vogelarten, die auf Großinsekten ange- schwund wird gleichzeitig deutlich, dass schutzsymposium am Naturkunde- wiesen sind (zum Beispiel: Wiedehopf, Grundsätze im Natur- und Artenschutz museum in Stuttgart am 19.10.2018, Pirol, Ziegenmelker, Schwarzstirnwürger, sich derzeit fast „auf den Kopf stellen“. verfasste die dort versammelte Fach- Blauracke). In einem EU-Vogelschutz- – Hatten Fachleute in früheren Zeiten kompetenz einen Neun-Punkte-Plan, bericht im Jahre 2013 konstatierten bei Vogelschutzmaßnahmen noch oft um den Abwärtstrends entgegen zu Experten bereits einen Rückgang der mit der enormen Bedeutung der Vögel wirken. Indirekt werden hier auch die gesamten Vogelbestände innerhalb der bei der Dezimierung der „unerwünsch- Ursachenfelder für das Artensterben zurückliegenden 25 Jahre von mehr als ten Insekten“ argumentiert, so müssen sichtbar. einem Drittel. Von 1980 bis heute hat sie heute inzwischen bei Versuchen der 1) Einschränkung von Pestiziden (Ände- die Zahl der mitteleuropäischen Vögel Bestandssicherung sogar von „Aller- rung der Zulassungsverfahren, Verbot sogar um 55 Prozent abgenommen – weltsvögeln“ die Frage stellen, ob für sie vorbeugender Pestizidanwendungen insbesondere bei den Feldvögeln gibt überhaupt noch ausreichende Insekten- etwa in Saatgutbeizmitteln, Verbot von es einen Rückgang von mehr als 75 nahrung vorhanden ist. Neonicotinoiden und Totalherbiziden). 18
Insekten Ein Rauchschwalbenpaar fängt für seine Jungen in einer Brutsaison rund 250.000 Ein Mauersegler fängt pro Fütterung zwi- Insekten. schen 800 bis 1.500 Insekten und Spinnen. 2) Extensivierung der Landwirtschaft maximal 3000 Kelvin ziehen deutlich kommen, werden als sehr zentraler (Koppelung von Agrarsubventionen weniger Insekten an). Ursachenfaktor in zahlreichen Untersu- an ökologische Leistungen, mehr 7) Intensivierung von Forschung und chungen immer wieder genannt. Den Brachflächen, geplante Erhöhung des Bildung. bei Insekten als Nervengift fungierenden Anteils ökologischer Landwirtschaft 8) Förderung von Wildbestäubern (Be- Wirkstoffen wird im Vergleich zum auf 20 Prozent nicht erst ab 2030). rücksichtigung von Rote-Liste-Arten längst verbotenen „Supergift“ Dichlor- 3) Erhöhung der Artenvielfalt auf Grün- der Kategorien 0, 1, 2, G und R bei diphenyltrichlorethan (DDT) eine um bis land. Eingriffsregelungen als „planungsre- zu 10.000 Mal höhere Giftigkeit zuge- 4) Optimierung der Pflege von Natur- levant“, stärkerer Schutz nach EU- schrieben. Dabei gelten die Substanzen schutzgebieten. Recht in FFH-Richtlinien). als schwer abbaubar, werden durch 5) Mehr naturnahe Flächen im öffentli- 9) Mehr Öffentlichkeitsarbeit. Bodenerosion und Oberflächenwasser chen Raum. Besonders die im ersten Punkt er- oder von den behandelten Pflanzen 6) Reduzierung der allgemeinen „Licht- wähnten Neonicotinoide, die in den über Blütenpollen weitläufig in die Um- verschmutzung“ (LED-Straßenlam- 1990er-Jahren entwickelt und in stän- gebung getragen und können teilweise pen mit einer Farbtemperatur von dig steigenden Mengen zum Einsatz noch nach 18 Jahren auch außerhalb 19
Insekten würden. Völlig unzureichend bezie- hungsweise gänzlich unberücksichtigt seien dringend erforderliche Untersu- chungen an „Nicht-Zielorganismen“, Langzeitwirkungen, Wechselwirkungen mit parallel ausgebrachten Substanzen und subletale Wirkungen. Über ange- wandte Pestizide gibt es auch in direkter Nachbarschaft zu Naturschutzgebieten keinerlei Auskunftspflicht. Neben den Pestiziden gibt es jedoch noch eine Vielzahl weiterer Einflussfak- toren, die sich – oft in Kombination mit- einander – auf Insektenbestände negativ auswirken. Als besonders gravierend Vor allem Feldvögel – wie auch Rebhüh- Neben den Vögeln sind ebenso alle Am- erweisen sich zunehmende Lebens- ner – haben dramatische Bestandsein- phibien von Insektennahrung abhängig raumzerstörung und Monotonisierung brüche. – hier ein Laubfrosch. der Landschaft, wozu auch die Vergrö- ßerung landwirtschaftlicher Schläge mit der Anwendungsgebiete nachgewie- 3.332 Schlupfwespenarten). Bei Bienen immer weniger Feldfrüchten und immer sen werden. Oft ist es dann eine nicht wiesen Experten Störungen im Orien- weniger naturnahen Randstrukturen tödliche (subletale) Wirkung der kurz tierungsverhalten, der Kommunikation beiträgt. Fachleute wissen, dass etwa 80 „Neonics“ genannten Nervengifte, die und Brutfürsorge, oder dem Erinnerungs- Prozent der heimischen Schmetterlinge sich schleichend als bestandsreduzierend vermögen nach – hier wurde bereits der inzwischen in inselartigen Kolonien auswirkt. So konnte Prof. Dr. J. Ruther Begriff „Bienen-Alzheimer“ als Folgeer- leben und keinen genetischen Aus- an der Universität Regensburg nachwei- scheinung von Neonics geprägt. tausch untereinander mehr haben. Für sen, dass eine umweltübliche Dosis von manche Tagfalter sind lebensfeindliche Neonics, wie sie inzwischen auch auf un- n Pflanzenschutzmittel Strukturen von nur einem Kilometer behandelten Flächen anzutreffen ist, bei Als besonders inakzeptabel werden Ausdehnung (beispielsweise eine Acker- der Schlupfwespe Nasonia vitripennis die auch immer wieder die intransparenten flur) unüberwindliche Hindernisse, die Sinnesverarbeitung soweit beeinträchtigt, Zulassungsverfahren und Toxizitätsprü- sie nicht überfliegen. In städtischen, dass sie zu 80 Prozent weniger in der Lage fungen solcher und anderer „Pflanzen- reich strukturierten Habitaten konnten ist, Sexualpartner oder Wirtstiere aufzu- schutzmittel“ genannt, die vielfach vom Experten deshalb bis zu 30 Prozent mehr spüren (in Mitteleuropa gibt es übrigens Hersteller selbst in Auftrag gegeben Falterarten (allerdings nur von den soge- 20
Insekten nannten „Allerweltsarten“) nachweisen als in ausgeräumten Feldfluren. n Insektenkiller Klimawandel Auch der Klimawandel erweist sich als „Insektenkiller“, obwohl angenommen werden könnte, dass höhere Tempera- turen für Insekten eher förderlich sein müssten. Zwar vollzieht die eine oder andere Art in Folge der allgemeinen Er wärmung eine Arealer weiterung nach Norden oder in höhere Gebirgs- regionen, doch gibt es keinen belegten Fall, dass dadurch gleichzeitig bei diesen Arten ein Bestandsrückgang kompen- siert würde. Vielmehr wird es für viele Eine Spitzmaus vertilgt als regelrechter „Nimmersatt“ in 24 Stunden Insekten bis zur Insekten ein Existenzproblem, dass die Menge ihres Eigengewichts. Verfügbarkeit von Nahrungspflanzen durch höhere Temperaturen entweder nutzbar ist. Die Bestandserhaltung der n Positiver Ausblick verkürzt oder zeitlich vorverlegt wird. Frostspanner ist deshalb von einer op- Als positiver Ausblick und gewisser Trost Beispielsweise konnten Fachleute in timalen Koordinierung mit dem Laub- mag am Schluss die Tatsache gelten, einem Eichenwald in England durch austrieb abhängig. – Gleichzeitig stel- dass Insekten grundsätzlich zu starken komplexe Freilandversuche an der Uni- len die Frostspannerraupen im unter- Vermehrungen in kurzer Zeit fähig sind. versität von Oxford nachweisen, dass suchten Wald die Hauptnahrung bei der Dazu müssten sich allerdings die nö- bei einer Erhöhung der Durchschnitt- Nachwuchsaufzucht der im Wald brü- tigen Rahmenbedingungen einstellen stemperatur von 2 °C in den Frühlings- tenden Kohlmeisen dar. Weil Frostspan- beziehungsweise wieder hergestellt wochen der Laubaustrieb von Eichen ner und Kohlmeisen in ihrem Verhalten werden. Verantwortliche aus Politik etwa zwei Wochen früher stattfand nicht nur Temperaturimpulsen, sondern und (Land-)Wirtschaft – angeschoben als im langjährigen Mittel. Gerbstoffe jahreszeitlich bedingten Tageslängen durch ein entsprechendes öffentliches in den jungen Eichenblättern ( Tannin) folgen, passten sie sich dem für sie Problembewusstsein – sind hier mit machen diese innerhalb von circa drei optimalen Zeitfenster nach Tempera- wirkungsvollen Handlungskonzepten Wochen siebenmal so hart, sodass das turerhöhungen nicht an. – Frostspanner gefragt. Eine Anfrage im Bundestag an Laub etwa für Frostspannerraupen und auch die Kohlmeisen gingen im die Bundesregierung durch die Fraktion nur für rund 40 Tage als Nahrung Untersuchungszeitraum zurück. „Bündnis 90/Die Grünen“ vom 18. Juli 21
Insekten Literatur BMU (Bundesministerium für Umwelt): Eck- punktepapier vom 20. Juni 2018 zum Insek- tensterben. Budde, Joachim: Krefelder Studie – Insek- tensterben trifft nicht alle Arten gleicherma- ßen. Deutschlandfunk – Forschung aktuell. 08.11.2018. Driessen, Christoph: So massiv ist das Insek- tensterben. dpa 07.11.2018. Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesre- gierung auf die Kleine Anfrage … der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Insekten in Deutsch- land und Auswirkungen ihres Rückgangs. Drucksache 18/13142. 18.07.2017. Goulson, Prof. Dr. Dave: Schaden Neonicoti- noide den Bienen? Deutsches Bienen-Journal. Insekten selbst ernähren sich oft von anderen Insekten – hier hat eine Hornisse eine 4/2017. Deutsche Wespe erbeutet. Krogmann,Dr. Lars (Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart) et al: Neun-Punkte-Plan 2017 zum Insektensterben hat aus dem eingestufte Neonicotinoide verboten. gegen das Insektensterben. Die Perspektive der Umweltministerium unter Beteiligung Fachleute befürchten allerdings, dass Wissenschaft. Stuttgart. 19.10.2018. des Bundesamtes für Naturschutz in ei- für verbotene Gifte bereits Alternativen Menzel, Prof. Randolf: Wie Bienen navigieren ner Antwort bereits eine weitreichende „in der Schublade“ liegen, gegen die und wie sie durch Pestizide gestört werden. Problemanalyse geliefert. dann wieder in aufwendigen Feld- www.neurobiologie.fu-berlin.de. 15.11.2014. Die „Krefelder Entomologen“ haben beobachtungen deren Gefährlichkeit Menzel,R.; Eckoldt, M.: Die Intelligenz der von der Bundesregierung einen mit nachgewiesen werden müsste. Biene. München. 2016. Bundesmitteln finanzierten Forschungs- Langfristig wird wohl nur ein generelles Ruther, Prof. Dr. Joachim: Insektizide machen auftrag zur weiteren Ursachenanalyse Umdenken in allen Gesellschaftskreisen Wespen geruchsblind. Scientific Reports. 2017. bis 2021 bekommen. Auf EU-Ebene und ein auf Nachhaltigkeit ausgerichte- Segerer, Andreas H.; Rosenkranz, Eva: Das wurden immerhin am 27. April 2018 tes Handeln eine Trendwende einleiten große Insektensterben, was es bedeutet und bereits drei als besonders gefährlich können. was wir jetzt tun müssen. München. 2018. 22
Insekten n Aktuelle Situation der Schmetterlinge im Kreis Unna Artenschwund oder Zuwachs? von Klaus-Bernhard Kühnapfel geben, weil art- oder gruppenspezi- seit 2009 konnte eine Anzahl von 80 fische Auswertungen noch ausstehen. kaum noch überschritten werden. Im Die Schmetterlingsfauna im Kreis Unna Erste Erkenntnisse zu Schmetterlingen Kreis Unna gibt es keine vergleichbaren wurde 2009 zuletzt von H.-J. Weigt liefert eine aktuelle niederländische Langzeituntersuchungen, dennoch umfassend beschrieben. Nach nur zehn Studie (Hallmann et al. 2018), die einen drängt sich dem geneigten Beobachter Jahren hat es so viele Veränderungen ähnlichen Rückgang der Biomasse bei der Verdacht auf, dass auch hier das gegeben, dass neue Erkenntnisse zur Nachtfaltern belegt. Vorkommen der Schmetterlinge wei- Schmetterlingsfauna im Kreis Unna Weigt beklagt bereits, dass noch in ter zurückgeht. Viele ehemals häufige vorgestellt werden können. Neben den 1960er-Jahren bei einem Licht- Arten sind heute kaum noch zu fin- großen überregionalen Abweichungen, fangabend 140 Arten und mehr in den, deshalb bleibt der Sommerflieder die überwiegend auf den Klimawandel Deutschland nachgewiesen wurden, im Garten häufig unbesucht. Viele mit den daraus resultierenden Areal- verschiebungen zurückzuführen sind, kommt es durch Nutzungsverände- rungen auch zu lokalen Veränderungen. Der Rückgang von Insekten ist durch die Publikation des Krefelder Ento- mologischen Vereins an eine breite Öffentlichkeit gelangt. Sorg et al. haben nachgewiesen, dass die Bio- masse an flugfähigen Insekten in Na- turschutzgebieten im Rheinland und anderen ausgewählten Orten in den vergangenen Jahrzehnten bedrohlich zurückgegangen ist. Betrifft dieser Trend auch Schmetterlinge? Da zu kann die Studie leider keine Auskunft Der Kleine Fuchs. Fotos: Kühnapfel 23
Insekten Karstweißling Kleiner Sonnenröschenbläuling Nierenfleck Schmetterlinge sind bereits aus der Arten profitieren, ziehen sich auch Arten (Abraxas grossulariata), Kleinem Heu- heimischen Landschaft verschwunden. nach Norden beziehungsweise in höhere falter (Coenonympha pamphilus) oder Lagen zurück. Darüber hinaus führen Kleinem Feuerfalter ( Lycaena phlaeas) n Garten und Feld zunehmende Naturkatastrophen durch festzustellen. Ganz besonders dramatisch Besonders der Siedlungsraum und die Stürme, Überschwemmungen oder Dür- verläuft die Entwicklung aktuell beim landwirtschaftlichen Freiflächen ver- ren ungewollt zu einer „Renaturierung“ Kleinen Fuchs (Aglais urticae), einer der armen zunehmend. Die Gründe sind der Landschaft. Das bleibt nicht ohne bisher häufigsten Arten. Die Brennnessel vielfältig: Die Gärten werden immer Folgen für Schmetterlinge. als Raupenfutterpflanze kommt zwar naturferner, die Feldflur monotoner und Auch wenn die meisten Arten ver- eher häufiger vor, und bezüglich seiner die gesamte Landschaft nährstoffreicher. mutlich heute noch im Kreis Unna Nektarpflanzen ist der Falter auch nicht Geeignete Lebensräume mit den notwen- vorkommen, zeigen sich lokal bereits wählerisch. Dennoch ist er heute nicht digen Nektar- und Raupenfutterpflanzen erhebliche Bestandslücken, zudem nimmt nur hier fast völlig verschwunden. Als gehen dabei dramatisch verloren, Pes- die Individuendichte vielerorts erheblich Ursache für den dramatischen Rückgang tizide verschonen auch Schmetterlinge ab. Betroffen sind vor allem Arten, die nur werden veränderte Witterungsbedin- nicht. All das sind ungünstige Faktoren, auf extensiv genutzten Offenlandflächen gungen diskutiert. Beim Mauerfuchs worauf jede Art unterschiedlich stark wie Wiesen, Säumen und Brachen zu ( Lasiommata megera) hat ein ebenso reagiert. Dem gegenüber steht der Klima- finden sind. Viele dieser Arten konnten dramatischer Rückgang schon vor vielen wandel mit zunehmenden Temperaturen, früher bis in die Gärten vordringen. Ex- Jahren stattgefunden, von dem sich diese mehr Sonnenschein und konzentrierteren treme Rückgänge sind seit einigen Jahren Art bis heute nicht erholt hat. Es sind aber Niederschlägen. Obwohl davon viele zum Beispiel bei Stachelbeerspanner nicht nur Arten des Offenlandes betrof- 24
Insekten fen. Auch im Wald sind Veränderungen festzustellen. Wälder wandeln sich zwar eher langsam und klimatische Ände- rungen kommen hier nur abgeschwächt zum Tragen, dennoch gehen auch hier Arten zurück. So sind der ehemals häufige Harlekinspanner (Abraxas sylvata) und der Pantherspanner ( Pseudopanthera macularia), die feuchte Wälder bevor- zugen, in weiten Teilen im Kreis Unna verschwunden. Das weist darauf hin, dass die Wälder durch den Klimawandel bereits trockener geworden sind. Das Pantherspanner Schwalbenschwanz Ausweichen der Mondglucke (Cosmot- riche lunigera) und anderer Gebirgsarten die fehlende Pfl ege wirken sich dort unveröff.). Bereits nach wenigen Jahren in größere Höhen dokumentiert die zwar negativ aus, trotzdem konnte sich ist diese Art bei uns eine der häufigsten zunehmende Erwärmung auch im Wald. der Schwalbenschwanz wieder kreis- im Siedlungsbereich. Der Karst-Weißling weit etablieren. An Wegrändern mit schafft vier bis fünf Generationen im Jahr, n Folgen des Klimawandels Wilder Möhre oder an Dill und Fenchel das heißt ein Weibchen kann in diesem Der Klimawandel führ t aber auch in Gärten sind die imposanten Raupen Zeitraum mehr als 500.000 Nachkom- zu Arealerweiterungen oder zu Be- zu finden. Leider gehen immer noch men haben. Eine schnelle Besiedlung standszunahmen bei Arten, die ein tro- viele Raupen an Ackerrändern durch geeigneter Räume wird so möglich. Wa- cken-warmes Klima bevorzugen. Erfreu- Insektizide ein oder werden in Gärten als rum diese bisher nicht als Wanderfalter lich ist beispielsweise die Zunahme beim vermeintliche Schädlinge abgesammelt. aufgetretene Art sich plötzlich auf den Schwalbenschwanz ( Papilio machaon), Einige Arten erweitern aufgrund des Weg gemacht hat, ist nicht bekannt. der aktuell wieder regelmäßig im Kreis Klimawandels ihre Arealgrenzen nach Man vermutet genetische Mutationen Unna zu sehen ist. Wichtige landschaft- Norden und erreichen so auch den Kreis als Auslöser für die plötzliche Migration lich erhöhte Rendevouz-Plätze (soge- Unna. Viele dieser Arten kamen bisher (Schulze). nannte hill-topping), wo sich Männchen nie im Kreis Unna vor. Bestes Beispiel ist Der Klimawandel führt bei Wander- und Weibchen der Art treffen, befinden der Karst-Weißling (Pieris mannii). In we- faltern zu stärkerer Einwanderung in die sich derzeit auf der Halde Großes Holz nigen Jahren hat sich diese südliche Art in heimische Region. Einige Arten schaffen in Bergkamen und der Mülldeponie vielen Regionen Mitteleuropas etabliert. es heute sogar regelmäßig die nun mil- Dortmund-Nordost. Die Ausbaumaß- Im Kreis Unna wurde 2015 das erste Tier den Winter zu überstehen. Beim Admiral nahmen auf der Halde Großes Holz und in Kamen nachgewiesen (Kühnapfel, ( Vanessa atalanta) und beim Tauben- 25
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