ANTIZIGANISMUS UND FILM | - Schwerpunkt - Dokumentations- und ...
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› Editorial ...........................................................................................................................................................................................��� 5 › Schwerpunkt Antiziganismus und Film ............................................................................................................................................��� 6 › Nachrichten und Berichte Vereinbarung zum Erhalt der Grabstätten NS-verfolgter Sinti und Roma unterzeichnet .........................� 10 Europäisches Parlament gedenkt erstmals der Opfer des Holocaust an den Sinti und Roma ................� 12 Bundesregierung beschließt Einrichtung einer Expertenkommission Antiziganismus ............................� 14 Präsident des Bundeskriminalamtes Holger Münch zu Besuch im Dokumentationszentrum ................115 Bundespräsident a.D. Joachim Gauck besucht Zentralrat ................................................................................� 16 5. Bildungstreffen in Heidelberg ...............................................................................................................................� 18 Chad Wyatt übergibt „RomaRising-Archiv“ dem Dokumentationszentrum .................................................� 20 Ausstellungen sind wichtiges Mittel der Öffentlichkeitsarbeit – national wie international ....................� 22 Rückblick auf das Kulturprogramm ........................................................................................................................� 24 Zentralratsdelegation begeht den Internationalen Roma-Gedenktag in Auschwitz-Birkenau ...............� 28 Jugendgedenkfahrt „Dikh he na bister“ ................................................................................................................� 30 Hinterfragen als Prinzip: Das Berliner Büro des Dokumentationszentrums ................................................� 32 FUEN verurteilt die propagierte Sondererfassung von Sinti und Roma in Italien ......................................� 34 Der Minderheitenrat zu Gast beim Bürgerfest des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ..........� 35 Erstes Gespräch des Minderheitenrates mit Minderheitenbeauftragtem Dr. Bernd Fabritius .................� 36 Romani Rose mit Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet ....................................................................� 37 Inhalt Zum 80. Geburtstag von Manfred Lautenschläger ...............................................................................................� 38 › Im Fokus Racial Profiling und erweiterte DNA-Analysen .....................................................................................................� 40 Antiziganistische Hetze in Europa ............................................................................................................................� 45 Das Thema „Sinti und Roma“ in Schulbüchern ...................................................................................................� 49 Bundespolizei und Zentralrat erklären: Abstammung darf kein Kriterium polizeilicher Arbeit sein .....� 52 Was tun bei erlebter Diskriminierung? ...................................................................................................................� 54
1 › Editorial › Neuerscheinungen und Djiparmissa – Klassische deutsche Gedichte auf Romanes ..............................................................................� 56 Buchvorstellungen Die Morgendämmerung der Worte. Moderner Poesie-Atlas der Roma und Sinti ........................................� 58 Bildungsbiografien von Sinti und Roma – Erfolgreiche Bildungsverläufe unter schwierigen Bedingungen...............................................................................................................................� 60 Der vergessene Holocaust – mein Leben als Sinto, Unternehmer und Überlebender ...............................� 61 Das Kind auf der Liste – Die Geschichte von Willy Blum und seiner Familie .................................................� 62 Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, „Mit einer Rückkehr ist nicht mehr zu rechnen …“ – Die Verfolgung der Sinti und Roma in Mannheim ..................................................................................................................................................................� 63 Sie halten die aktuelle Ausgabe unseres Wir berichten kritisch über die aktuelle „Denn sie rauben sehr geschwind jedes böse Gassenkind“ – „Zigeuner“-Bilder Magazins Newess in den Händen, das Debatte um erweiterte DNA-Analysen in Kinder und Jugendmedien....................................................................................................................................� 64 in diesem Jahr erstmals in einem neuen in kriminalpolizeilichen Ermittlungen Format erscheint. Der römische Epiker in Deutschland, über antiziganistische Ovid formulierte einmal den Sinnspruch Hetze in Europa angesichts der bevor- › Aus den Mitgliedsverbänden Verband Deutscher Sinti und Roma Landesverband Bayern e.V.: Freistaat Bayern und „Jegliches wechselt, doch nichts geht stehenden Europawahlen und über die Landesverband schließen Staatsvertrag................................................................................................................� 66 unter.“ Getreu diesem Motto dürfen Sie Behandlung des Themas „Sinti und auch in diesem Heft mit überarbeite- Roma“ in aktuellen Schulbüchern. Ein Bremerhavener Sinti-Verein e.V. Landesverband Deutscher Sinti und Roma Bremen: tem Design wieder vielseitige Berich- historischer Tag war für unsere Minder- Veranstaltungsrückblick .............................................................................................................................................� 68 te und Artikel aus der täglichen Arbeit heit die Unterzeichnung der Bund-Län- Landesverein der Sinti in Hamburg e.V.: „Zwei Welten“: Gemeinsames Buchprojekt mit der des Dokumentationszentrums und des der-Vereinbarung zum Erhalt der Grab- Landeszentrale für politische Bildung in Hamburg ............................................................................................� 70 Zentralrats erwarten. stätten NS-verfolgter Sinti und Roma im Dezember in Berlin. Wir stellen Verband Deutscher Sinti und Roma Landesverband Hessen e.V.: „Antiziganismus und Film“ war der Ihnen aktuelle Neuerscheinungen vor Aufklärungsarbeit des Landesverbands Hessen ..................................................................................................� 72 Titel der ersten internationalen Tagung und geben Ihnen einen Überblick über Verband Deutscher Sinti und Roma Landesverband Rheinland-Pfalz e.V.: Ausstellung „45 Jahre zu diesem Thema, die das Dokumen- die kulturellen Höhepunkte des ver- Editorial Bürgerrechtsarbeit deutscher Sinti und Roma“ in der Gedenkstätte KZ Osthofen ....................................� 74 tationszentrum und der Zentralrat im gangenen Jahres mit Konzerten, Aus- Februar in Berlin organisierten, und ist stellungen und Lesungen. Auch unsere Verband Deutscher Sinti und Roma Landesverband Saarland e.V.: gleichzeitig der thematische Schwer- Mitgliedsverbände bekommen wieder Gedenkstunde im saarländischen Landtag ...........................................................................................................� 75 punkt dieses Heftes. Zahlreiche Film- Raum, um Sie über die Erfolge ihrer Verband Deutscher Sinti und Roma e.V. Landesverband Schleswig-Holstein: produktionen transportieren durch Arbeit zu informieren. Verleihung des Europäischen Bürgerpreises 2018 an Matthäus Weiß ...........................................................� 76 stereotype Darstellungen von Angehö- rigen unserer Minderheit antiziganis- Ich wünsche Ihnen viele spannende Arbeitskreis der Sinti und Roma Ingolstadt e.V.: Einweihung einer Gedenkstele am Mahnmal tische Vorurteile. Dem gilt es durch Eindrücke beim Lesen. Bleiben Sie uns für die Opfer des Nationalsozialismus ....................................................................................................................� 78 stetige Aufklärung entgegenzuwirken verbunden. Verein Deutscher Sinti e.V.: Minden: Veranstaltung „Selbstverständnis Minderheiten“ und an die Verantwortung der Filme- im Bildungszentrum „Mer Ketne!“ ...........................................................................................................................� 79 macher zu appellieren. Denn diese Ihr haben die Macht, durch ihre Arbeit Menschenrechte und Bürgerrechte zu › Nachrufe Inge Weiß, Vorstandsmitglied des Landesvereins der Sinti in Hamburg e.V.................................................� 81 stärken und dazu beizutragen, dass Christian Petry, Gründungsgeschäftsführer der Freudenberg Stiftung .........................................................� 82 Minderheiten anerkannt werden. 5
2 › Schwerpunkt Antiziganismus und Film Seit der Erfindung des Kinos sind Sinti wurden. Dass schon frühzeitig auch mit und Roma Thema von Filmproduktio- Klischees und Stereotypen produktiv nen. Dabei wurde die Darstellung der gespielt und Vorurteile so gebrochen Minderheit in Filmen schon immer werden konnten, zeigt der Film „Golden durch die Reproduktion von Vorurtei- Earrings“ (1947) mit Marlene Dietrich, len und durch stereotype „Zigeuner“- die hier eine klassische „Zigeuner“- Bilder dominiert. Figur verkörpert, die einen englischen Agenten im Kampf gegen die Nazis un- Teilnehmerinnen des Fachgesprächs in der Diskussion | © Zentralrat Deutscher Sinti und Roma Auch aufwendige und sehr erfolgrei- terstützt. Ebenso gilt, dass gutgemeinte che Kinoproduktionen wie „Sherlock Filme nicht notwendigerweise dazu bei- Holmes: Spiel im Schatten“ (2011) oder tragen, antiziganistische Bilder zu über- „Chocolat – Ein kleiner Biss genügt“ winden. Der polnische Film „Papusza“ Colorado Velcu, sind hier positiv her- und Roma in Deutschland oder in Ru- ausgestrahlt, in dem der Zentralrat Schwerpunkt (2001) bemühen antiziganistische Ste- (2013), der das Leben der Roma-Dichte- vorzuheben. „And Ek-Ghes …“ kann auf mänien zu informieren, vielmehr pro- seine Kritik an dem Film einer breiten reotype. Wie in einer Konferenz der rin Bronisława Wajs zeigt, reproduziert der Webseite der Bundeszentrale für duziert und reproduziert der Film alle Öffentlichkeit gegenüber deutlich ma- Forschungsstelle Antiziganismus der doch wieder derartige traditionelle Vor- politische Bildung unter www.bpb.de/ klassischen antiziganistischen Stereo- chen konnte. Ziel war es, im Kontext Universität Heidelberg mit dem Titel stellungen, obwohl der Film eigentlich mediathek/239928/and-ek-ghes-eines- type. Diese ungebrochene Darstellung der staatlichen Filmförderung ein Ver- „Visuelle Dimensionen des Antiziganis- über ausbeuterische Perspektiven wie tages angesehen werden. von Stereotypen macht den Film völlig antwortungsbewusstsein in Bezug auf mus“ im November 2018 gezeigt wurde, etwa von Kusturicas Filmen wie „Time ungeeignet für die Zielgruppe von Kin- den Schutz vor rassistischer Stigmati- ist die immer wiederkehrende Herstel- of the Gypsies“ (1988) oder „Schwarze Jüngste Debatten dern und Jugendlichen. Die Freiwilli- sierung und Diskriminierung der Min- lung von Vorurteilen und Klischees seit Katze, weißer Kater“ (1998) hinausge- ge Selbstkontrolle der Filmwirtschaft derheit der Sinti und Roma zu schaffen. der Ära der Stummfilme ein fester Be- hen will. In den vergangenen eineinhalb Jahren (FSK) hat den Film für Kinder ab sechs standteil der deutschen und der inter- hat der Zentralrat Deutscher Sinti und Jahren freigegeben. Der Kinderkanal KIKA signalisierte – nationalen Filmbranche. Erinnert sei an Zugleich ist zu betonen, dass gerade in Roma kritische Debatten zu gleich zwei und das ist der erfreuliche Teil der deut- dieser Stelle auch an die kontroversen den letzten Jahren einige Filmbeiträge aktuellen Kinoproduktionen angesto- Die Darstellungen im Film sind nahezu lichen Kritik des Zentralrats an dem Diskussionen zu den Tatort-Folgen „Ar- entstanden sind, die sich reflektiert mit ßen, die eine große öffentliche Auf- ausnahmslos orientiert an den gän- Film – Verständnis für dessen Position. mer Nanosh“ (1989) und auch an die der Darstellung von Sinti und Roma merksamkeit erfahren haben. gigen Klischees und Stereotypen, wie Auch der SWR wird in Zukunft sicher langjährige und gerichtsnotorische Aus- auseinandersetzen. Filme wie „Aus dem sie grundlegend für die Diskriminierung reflektierter mit dem Thema umgehen, einandersetzung um Leni Riefenstahls Leben eines Schrottsammlers“ (2014), Erstens kritisierte der Zentralrat den von Sinti und Roma sind. Gutachten von nachdem Jacques Delfeld, Vertreter des Film „Tiefland“ (1954), der aber in den „Just the wind“ (2013) oder „Aferim!“ Kinderfilm „Nellys Abenteuer“, der mit Medienexperten, unter anderem von Verbands Deutscher Sinti und Roma Jahren von 1940 bis 1944 (!) gedreht wur- (2015) wurden auf den großen Film- über 950.000 Euro aus öffentlichen Professor Dr. Urs Heftrich von der Uni- Rheinland-Pfalz im Rundfunkrat des de und bei dem von Riefenstahl Sinti festspielen mit Preisen ausgezeichnet. Geldern mitfinanziert und im SWR so- versität Heidelberg und Pavel Brunßen SWR, dort dieses Thema nachdrücklich und Roma aus NS-Konzentrationslagern Besonders „Revision“ (2012) von Philip wie im Kinderkanal von ARD und ZDF von der Technischen Universität Berlin, auf die Tagesordnung gesetzt hatte. als Komparsen eingesetzt wurden, die Scheffner sowie „And Ek-Ghes … – ausgestrahlt wurde. Der Film ist nach haben diese Einschätzung bestätigt. Im nach Abschluss der Dreharbeiten in das Eines Tages …“ (2016), eine gemeinsame Einschätzung des Zentralrats in keiner November 2017 wurde vom SWR da- Zweitens löste der französische Film „À Vernichtungslager Auschwitz deportiert Produktion von Philip Scheffner und Weise geeignet, über die Lage von Sinti raufhin ein kritisches Fernsehgespräch bras ouverts“ („Hereinspaziert“, 2017), 6 7
2 › Schwerpunkt Einführungsvortrag von Radmila Mladenova von der Forschungsstelle Antiziganismus der Universität Heidelberg | © Zentralrat Deutscher Sinti und Roma Workshop für Filmschaffende mit der ungarischen Dokumentarfilmerin Eszter Hajdú | © Zentralrat Deutscher Sinti und Roma Filmemacher Paul Nestler bei seinem Vortrag in der Bayerischen Vertretung | © Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sich Sinti und Roma als Subjekte dar- In ihrem Einführungsvortrag zur Ta- ten Vorurteile – der bereits erwähnte stellen und wahrgenommen werden gung zeigte Radmila Mladenova genau Film „Nellys Abenteuer“ ist auch des- können. diese Mechanismen als „Technologie halb ein bemerkenswertes Beispiel der Wahrheitsproduktion“ auf. Durch für den tiefverwurzelten Antiziganis- Bei der Eröffnung der Konferenz in die Beteiligung „echter“ Roma – wie mus, weil er das sehr alte Bild vom der Bayerischen Landesvertretung in gerade im Film „Nellys Abenteuer“, „Kindesraub“ in moderner Form be- Berlin stand die Frage im Zentrum, aber auch in dem mit internationalen dient. welchen Werten Filmproduktionen Preisen und einer Oscar-Nominierung eine zutiefst rassistische Komödie über Internationale Filmtagung de, Wissenschaftler und Vertreter von verpflichtet sein sollten. So formulier- geehrten Film „Ich traf sogar glückli- Dass auch andere Spielfilme mit rumänische Roma in Frankreich, be- zum Thema Antiziganismus Sinti- und Roma-Organisationen aus te der deutsche Dokumentarfilmer che Zigeuner“ (1967) von Aleksandar und über Sinti und Roma gemacht reits Anfang des Jahres in Frankreich verschiedenen Ländern mit den unter- Peter Nestler in seinem einleitenden Petrović – werde eine scheinbare werden können, zeigt „Eine Braut eine Debatte über Rassismus im Kino Da es bisher an theoretischen Grund- schiedlichen Facetten des Antiziganis- Vortrag: „Ohne moralische Haltung „Wahrheit“ produziert, die Roma aus- kommt selten allein“ (2017). Der Film, aus und wurde nach seiner Ausstrah- lagen fehlte, auf deren Basis sich die mus im Film auseinander. ist das Filmemachen wertlos.“ Nest- schließlich als Objekte benutzt. Da- dessen Hauptdarsteller Paul Würdig lung in Deutschland und Österreich Antiziganismusforschung sowie die ler führte dann aus, dass bei vielen mit werde die Grenze zwischen Spiel- (auch bekannt als der Rapper Sido) auch hier kontrovers diskutiert. Der Filmwissenschaften kritisch mit den Die Tagung sollte eine Basis für eine Filmen, ob Spielfilm oder Dokumen- film und Dokumentarfilm aufgeho- und insbesondere die Regisseurin Zentralrat wandte sich mit einer kriti- Themen „Roma“ und „Antiziganismus“ kritische Auseinandersetzung mit dem tation, die Schauspieler oder die ge- ben und die Kunstfigur „Zigeuner“ Buket Alakuş und die Drehbuchau- schen Pressemitteilung an die Öffent- im Film auseinandersetzen konnten, Thema sowohl durch die Antiziganis- zeigten Personen nur bestätigen sol- als die eigentliche realistische Figur torin Laila Stieler wurden von Ro- lichkeit und bat die Universum Film organisierte der Zentralrat im Februar musforschung als auch die Filmwis- len, was die Filmemacher sich schon präsentiert. mani Rose gewürdigt: „Endlich ein GmbH in einem Schreiben darum, mit 2018 in Berlin die erste internationale senschaften erarbeiten. Dabei wurden vorher ausgedacht haben oder was Film, der mit Klischees auf ange- Blick auf den massiv antiziganistischen Konferenz zu dem Thema. Bei der Ta- die Mechanismen des Mediums Film sie sehen wollen. Die Figuren sollen Bis heute folgen Filmemacher den messene Weise umgeht, indem er Gehalt des Films von einem Vertrieb in gung mit dem Titel „Ethik des Filme- aufgezeigt, um den überfälligen Pers- etwas symbolisieren, was der Zu- von Nestler beschriebenen Mechanis- nämlich mit ihnen spielt und sie so Deutschland abzusehen. machens“ setzten sich Filmschaffen- pektivwechsel zu beginnen, durch den schauer schon kennt. men und bestätigen die altbekann- negiert.“ ‹ 8 9
3 › Nachrichten und Berichte Bild links: Bundesministerin Dr. Giffey mit Romani Rose und Vorsitzenden und Vorstandsmitgliedern der Landes- und Mitgliedsverbände des Zentralrats im Bundesrat, Bild unten: Bundesratspräsident Günther, Ministerin Dr. Giffey und der Zentralratsvorsitzende nach der Unterzeichnung der Bund-Länder-Vereinbarung im Bundesrat | © Reiner Zensen Nachrichten und Berichte Vereinbarung zum Erhalt der Grabstätten NS-verfolgter Sinti und Roma unterzeichnet Im Dezember 2018 haben Bund und Länder in Berlin eine Vereinbarung zum dauerhaften Erhalt der Grabstätten NS-verfolgter Sinti und Roma unter- zeichnet. Mit dieser Vereinbarung wurde dem langjährigen Anliegen des Zentralrats entsprochen, diese Grabstätten als Familiengedächtnisstätten und als öffentliche Gedenkorte für die nachkommenden Generationen zu erhalten. Der Vorsitzende des Zentralrats, Romani Rose, wendet sich mit der folgenden Nachricht an die Minderheit. Liebe Sinti und Roma, dem Deutschen Städtetag und der ka- verbänden vor Ablauf der Ruhezeiten werden und die Familien auch nicht tholischen und evangelischen Kirche. ein Antrag gestellt werden. Wenn in ei- mehr in Lage sind, die Grabstätte zu ich freue mich sehr, Euch heute über ei- Diese Vereinbarung gilt in ganz Deutsch- Danken möchte ich auch meinen Lan- ner Grabstätte auch Personen bestat- pflegen und instandzuhalten, dann nen wichtigen Erfolg meiner Arbeit und land. desverbänden und deren Vorständen, tet sind, die nach dem Krieg geboren kann diese auf Antrag der Familie in der Arbeit des Zentralrats zu informie- Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die worden sind, dann werden die Gebüh- staatliche Obhut übergeben werden. ren: ich bin sehr stolz, dass nach über Mit dem Erhalt der Grabstätten wird das all die Initiativen des Zentralrats zum ren für die Verlängerung anteilig nur In diesem Fall bezahlen Bund und vierzehn Jahren der Verhandlungen mit ehrende Gedenken an die Angehörigen Erhalt der Grabstätten mit unterstützt für die Holocaustüberlebenden über- Länder für die gesamte Grabstätte, der Bundeskanzlerin und den Minister- unserer Minderheit, die im Nationalso- haben. nommen. Für die Nachkriegsgeborenen d. h. auch für diejenigen, die nach dem präsidentinnen und Ministerpräsidenten zialismus verfolgt und ermordet wor- muss auch weiterhin anteilig die Grab- 8. Mai 1945 geboren wurden und in die- der Länder jetzt eine für uns sehr wichti- den sind gewahrt und an das schlimme Der Vertrag sieht vor, dass Bund und gebühr von den jeweiligen Familien ent- ser Grabstätte bestattet sind. ge Vereinbarung erreicht werden konn- Schicksal unserer Menschen im Holo- Länder nach Ablauf der Ruhezeiten die richtet werden. Dies gilt, solange das te, mit der mehrere Tausend Grabstät- caust erinnert. Gebühren für die Verlängerung einer Grab in der Zuständigkeit der Familien Wir werden Anfang des Jahres 2019 ten der Holocaustüberlebenden in den Grabstätte von Holocaustüberlebenden ist, bzw. solange zukünftig noch Bestat- nochmals in einem Anschreiben über Städten und Kommunen als Familienge- Für diese Vereinbarung danke ich der übernehmen, das heißt für Angehörige tungen in diesen Gräbern erfolgen. die genauen Einzelheiten der Antrag- dächtnisstätten und als öffentliche Ge- Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel unserer Minderheit, die vor dem 8. Mai stellung informieren. denkorte für die nachkommenden Ge- und allen Ministerpräsidentinnen und 1945 geboren worden sind. Dafür muss Wenn in einer solchen Grabstätte kei- nerationen für immer erhalten werden. Ministerpräsidenten der Länder sowie beim Zentralrat oder bei seinen Landes- ne Bestattungen mehr vorgenommen Romani Rose 10 11
3 › Nachrichten und Berichte Der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Jacques Delfeld, eröffnet die Ausstellung „45 Jahre Bürgerrechtsarbeit deutscher Sinti und Roma“. | © Zentralrat Deutscher Sinti und Roma Europäisches Das Europäische Parlament gedachte nung des Holocausts an den Sinti und im Geiste der verstorbenen Präsiden- Anlässlich der Ausstellungseröffnung Parlament gedenkt am 24. Januar 2018 in seiner Feier- stunde anlässlich der Befreiung der letzten Überlebenden des Vernich- Roma hervor. Simone Veil nahm als Holocaust-Über- tin Simone Veil der internationalen Koalition gegen Antiziganismus beizu- treten. sagte Romani Rose: „Die Anerkennung des Holocausts an Sinti und Roma durch das Europäische Parlament am erstmals der Opfer tungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 erstmals auch der Opfer des Holocaust an den Sinti und Roma im lebende 1979 in ihrer Funktion als Prä- sidentin des Europäischen Parlaments an der ersten internationalen Gedenk- Zentralrat Deutscher Sinti und Roma eröffnet Ausstellung 15. April 2015 war ein historischer Schritt für unsere Minderheit wie auch für die Europäische Union. Wenn des Holocaust an NS-besetzten Europa. Zu diesem Anlass eröffnete der stellver- kundgebung der Sinti und Roma im ehemaligen Konzentrationslager Ber- gen-Belsen teil. In ihrer Rede betonte zum Holocaust an den Sinti und Roma bei der Europäischen Kommission wir heute – über 70 Jahre nach Ende des Krieges – an die NS-Verbrechen und den Holocaust erinnern, müssen wir den Sinti und Roma tretende Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Jacques Delfeld, die Ausstellung „45 Jahre Bür- sie ihre uneingeschränkte Solidarität mit den Sinti und Roma und bezeichnete deren Kampf um Anerkennung als Am 30. Januar 2018 wurde im Berlay- mont-Gebäude der Europäischen Kom- uns gleichzeitig für Rechtsstaatlichkeit und eine wehrhafte Demokratie ein- setzen. Dazu gehört auch, der wieder in einer gemeinsa- gerrechtsarbeit deutscher Sinti und Roma“, die um europäische Dimen- sionen erweitert wurde. Delfeld hob Opfer der rassenideologischen Verfol- gung durch die Nationalsozialisten als fundamentalen „Kampf für die Men- mission die neue Ausstellung des Doku- mentations- und Kulturzentrums Deut- scher Sinti und Roma „Rassendiagnose: neu aufkommenden Holocaust-Leug- nung und Relativierung von NS-Ver- brechen durch Rechtsextremisten und men Feierstunde in seiner Rede die wichtige Rolle der früheren Präsidentin des Europäi- schen Parlaments, Simone Veil, für die schenrechte“. Jacques Delfeld forder- te die Mitglieder des Europäischen Parlaments sowie die Parlamentari- Zigeuner – Der Völkermord an den Sinti und Roma und der lange Kampf um Anerkennung“ von EU-Justizkommis- Nationalisten entschieden entgegenzu- treten.“ ‹ Bürgerrechtsarbeit und die Anerken- er in den nationalen Parlamenten auf, sarin Vera Jourova eröffnet. 12 13
3 › Nachrichten und Berichte Präsident des Bundeskriminal- Bundesregierung amtes Holger Münch zu Besuch im beschließt Dokumentations- Einrichtung einer und Kulturzentrum Expertenkommission Deutscher Sinti Antiziganismus und Roma BKA-Präsident Holger Münch (links) mit Romani Rose | © Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Der Zentralrat fordert seit vielen Jah- Es ist ein wichtiger Erfolg unserer ren die Einrichtung eines unabhän- Arbeit, dass in der Koalitionsverein- Am 12. Januar 2018 besuchte der Präsident des Bundes- Aufarbeitung der BKA-Geschichte initiiert hatte und bezeich- gigen Expertenausschusses Antiziga- barung der Bundesregierung für die kriminalamtes Holger Münch den Zentralrat und das Doku- nete es als vertrauensstärkendes Signal, dass BKA-Präsident nismus durch die Bundesregierung 19. Wahlperiode jetzt die Einrichtung mentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Holger Münch das Dokumentations- und Kulturzentrum in auf der Grundlage eines gemeinsa- einer unabhängigen Expertenkommis- in Heidelberg. Die Initiative zu dem Besuch ging von BKA- Heidelberg besucht: „Durch seinen Besuch macht BKA-Prä- men Entschließungsantrags aller de- sion Antiziganismus vereinbart wurde. Präsident Holger Münch aus, der den von seinem Vor- sident Münch deutlich, dass er nach der Aufarbeitung der mokratischen Parteien des Deutschen Gegenwärtig finden Gespräche des gänger Jörg Ziercke aufgenommenen konstruktiven Dialog Geschichte des BKAs den eingeschlagenen positiven Weg Bundestages. Dieser soll die Aufgabe Zentralrats mit dem BMI und Vertre- des BKA mit dem Zentralrat fortführen will. Im Anschluss fortführen will. Das demokratische Selbstverständnis des haben, die Erscheinungsformen des tern der demokratischen Parteien im an die Führung durch die ständige Ausstellung zum Bundeskriminalamtes ist zentral für unsere Wertegemein- Antiziganismus – von alltäglichen Deutschen Bundestag statt, sodass Völkermord an den Sinti und Roma in Europa durch den schaft und unsere Demokratie und damit wichtige Voraus- Stereotypen und negativen Klischees die Berufung der Kommission zu Be- Vorsitzenden des Zentralrats, Romani Rose, erörterten BKA- setzung für den rechtsstaatlichen Umgang mit Minderheiten. bis hin zu rassistischer Propaganda ginn 2019 erfolgen kann. Die Kom- Präsident Münch und Romani Rose in einem ausführlichen Damit setzt das BKA ein Zeichen gegen Ausgrenzung und der Rechtsextremen (u. a. NPD-Wahl- mission soll im Auftrag der Bundesre- Gespräch aktuelle Herausforderungen, vor denen Sinti und Diskriminierung, ein Zeichen, das angesichts der aktuellen plakate) und den Gewaltaufrufen und gierung einmal pro Legislaturperiode Roma als nationale Minderheit und das BKA stehen. Entwicklungen in Deutschland notwendig ist“, so Rose weiter. Bedrohungskampagnen der Neonazis einen Bericht zum Antiziganismus vor- im Internet – zu dokumentieren und legen. Die Expertenkommission soll Holger Münch sagte: „Als Eckpfeiler des demokratischen Holger Münch und Romani Rose vereinbarten die Fortsetzung einmal in jeder Legislaturperiode dem Empfehlungen an die politischen Ent- Rechtsstaats ist es Pflicht der Polizei, Minderheiten zu schüt- der bisherigen Zusammenarbeit von BKA und Zentralrat im Bundestag und der Öffentlichkeit Be- scheidungsträger aussprechen und zen und gegen Diskriminierung vorzugehen. Dies gilt ins- Bereich der Aus- und Fortbildung von Polizeibeamten und richt zu erstatten. zur Entwicklung einer Strategie zur besondere in Zeiten, in denen Populismus und rechte Gewalt Beschäftigten des BKAs, um die besondere Situation von Sinti Bekämpfung des Antiziganismus und in Deutschland zugenommen haben. Daher ist mir der heu- und Roma als festen Bestandteil der deutschen Gesellschaft von entsprechenden Maßnahmen bei- tige Besuch und der damit verbundene Austausch auch ein zu vermitteln. ‹ tragen.‹ besonderes Anliegen gewesen.“ Romani Rose verwies auf das gute Verhältnis zum BKA, nach- dem dessen früherer Präsident Jörg Ziercke die umfangreiche 14 15
3 › Nachrichten und Berichte 3 › Nachrichten und Berichte Bundespräsident a.D. Joachim Gauck zu Besuch beim Zentralrat Deutscher Sinti und Roma Oberbürgermeister Professor Eckhart Würzner, Bundespräsident a.D. Joachim Gauck und Zentralratsvorsitzender Romani Rose mit Vorstandsmitgliedern und Mitarbeiterinnen des Zentralrats und des Dokumentationszentrums | © Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Bei seinem Besuch im Heidelberger Gespräche mit dem Vorsitzenden Ro- die einen wesentlichen Teil unserer Dokumentations- und Kulturzentrum mani Rose fortzusetzen. Ich besuche Identität als Minderheit ausmacht.“ Deutscher Sinti und Roma am 14. Juni das Dokumentationszentrum jetzt zum 2018 traf Bundespräsident a.D. Joachim zweiten Mal und bin von der geleiste- Der Vorsitzende des Zentralrats machte Gauck mit Mitgliedern des Vorstands ten Arbeit tief beeindruckt.“ bei dem Gespräch mit Gauck deutlich, und Kuratoriums zusammen, um sich dass trotz der politischen Anerkennung über die aktuelle Situation von Sinti Anlass für die Einladung Gaucks nach als nationale Minderheit der tiefver- und Roma in Deutschland und in Europa Heidelberg war dessen Düsseldorfer wurzelte Antiziganismus ein massives sowie über die Arbeit des Zentralrats Vorlesung vom Januar 2018, bei der Problem in Deutschland und in Europa Deutscher Sinti und Roma zu informie- Gauck auch die Selbstbezeichnung und darstellt. Annähernd 50 Prozent der ren. Der Vorsitzende des Zentralrats, das Selbstverständnis von Sinti und Bevölkerung lehnten Sinti und Roma Romani Rose, hatte Joachim Gauck Roma als nationale Minderheit reflek- als Nachbarn ab, so die Ergebnisse nach dessen Düsseldorfer Vorlesung tiert hatte. Rose führte hierzu aus, dass einer Umfrage der Antidiskriminie- Der Bundespräsident a.D. trägt sich in das zum Thema „Das Eigene und das Frem- Sinti und Roma „sich seit der Grün- rungsstelle des Bundes. Deshalb sei Gästebuch des Dokumentationszentrums ein | de“ eingeladen. dung der Bundesrepublik Deutschland der Besuch Gaucks in Heidelberg so © Dokumentations- und Kulturzentrum dafür eingesetzt haben, ihre Identität wichtig und so willkommen. Politik Deutscher Sinti und Roma Joachim Gauck äußerte sich sehr er- und Würde zurückzugewinnen, welche und insbesondere die hohen Reprä- freut über das positive Gespräch: „Es uns die Nazis und auch die Nach- sentanten müssten Antiziganismus bot Gelegenheit, die Arbeit des Zentral- kriegsgesellschaft nehmen wollten. Da- ebenso ächten, wie der Antisemitis- rats Deutscher Sinti und Roma er- zu gehörte für uns die Durchsetzung mus in Deutschland geächtet werde, neut zu würdigen und meine guten der Eigenbezeichnung Sinti und Roma, so Rose. ‹ 16 17
3 › Nachrichten und Berichte 5. Bildungstreffen in Heidelberg am 30. Juni 2018 5. Bildungstreffen in Heidelberg am 30. Juni 2018 | © Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Im Zentrum unserer Bildungstreffen Den Anfang der Vorstellungsrunde vorzustellen. Meist entsenden die Stif- terminiert und läuft weiter, solange Ge- der Pflicht, auf entsprechende Vorgän- steht der Informationsaustausch über machte dieses Mal eine Gruppe von tungen Stipendiatinnen und Stipendia- sprächsbedarf besteht. ge zu reagieren. allgemeine Themen der Bildung und sieben Studentinnen und Studenten, ten zu unserer Veranstaltung, die sich des Studiums sowie der Studienfinan- die über ihre eigenen Erfahrungen in im Bereich der Bildungsgerechtigkeit Der weitere Nachmittag stand im Zei- – Die „Arbeitsdefinition des Antiziga- zierung im Besonderen. Dazu laden wir Schule und Studium erzählten und ein und der Chancengleichheit ehrenamt- chen des Themas „Antiziganismus“, zu nismus“ als Ressource der „Internatio- Vertreterinnen und Vertreter von För- Spektrum von jeweils unterschiedli- lich engagieren. Als „Botschafterinnen“ dem drei Vorträge gehalten wurden: nal Holocaust Remembrance Alliance“ derungswerken ein, ihre Einrichtungen chen Zugängen zu Bildung und ihren und „Botschafter“ der Förderungs- soll staatlichen Institutionen und zivi- vorzustellen und über die Möglichkei- spezifischen Voraussetzungen und in- werke informieren sie über Stipen- – Das Projekt Antiziganismuspräven- len Organisationen ein Werkzeug an ten und Chancen, die sie eröffnen, mit dividuellen Motiven präsentierten. Den dien, Bewerbungsmöglichkeiten, spe- tion an der Pädagogischen Hochschule die Hand geben, um Antiziganismus zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Berichten folgte eine lebhafte Diskus- zifische Programme und weitere For- Heidelberg, das im Rahmen eines auf identifizieren. zu sprechen. sion über die Notwendigkeit von Bil- men der Förderung. Aber auch Mitar- mehrere Jahre angelegten Projekts dung und deren Bedeutung für künftige beiterinnen und Mitarbeiter der Stif- „Transfer Together“ Bildungsinnovati- Am Vorabend wurde das Bildungstref- In diesem Jahr waren die Studien- Generationen. Aber auch die benachtei- tungen waren schon zu Gast und in onen in der Region voranbringen und fen mit einem Reisebericht über Indien stiftung des deutschen Volkes, die ligte Situation der Sinti und Roma, die diesem Jahr war ein Vertrauensdozent Antiziganismus als Thema an der PH eingeleitet. Der Vortrag, mit Bildern Friedrich-Ebert Stiftung, das evange- sich aus der historischen Erfahrung mit für die Hans-Böckler-Stiftung nach Hei- fest etablieren soll. und Musik untermalt, schilderte die lische Studienwerk Villigst, die Hein- der Verfolgung im Nationalsozialismus delberg gekommen. Eindrücke, die Andreas Jackisch, ein rich-Böll-Stiftung und die Hans-Böck- und dem nach wie vor virulenten Anti- – „Diskriminierung und wie man ihr Mitglied des Beirats der Bildungsaka- ler-Stiftung zu Gast im Dokumentati- ziganismus in der Gesellschaft ableitet, Nach dem Mittagsessen begann die begegnet“ behandelte verschiedene demie, in der Metropole Mumbai sam- onszentrum. Mit über 40 Teilnehmer- wurde thematisiert. Informationsplattform. Sie bot die Ge- Formen der Diskriminierung und zog meln konnte. ‹ innen und Teilnehmern war die Veran- legenheit zum individuellen Gespräch, folgendes Fazit: Diskriminierung muss staltung gut besucht. Wie in den Jahren Danach waren die Vertreterinnen und zur Diskussion und Klärung spezieller man begegnen und darf sie nicht un- zuvor war die Atmosphäre ungezwun- Vertreter der Förderungswerke an der Fragen. Dieser zentrale Teil der Veran- widersprochen lassen. Der Staat steht gen und freundschaftlich. Reihe, sich selbst und ihre Stiftung staltung wird in der Regel nicht strikt mit dem Diskriminierungsverbot in 18 19
3 › Nachrichten und Berichte Chad Wyatt übergibt „RomaRising-Archiv“ dem Dokumentationszentrum Chad Wyatt und Romani Rose nach der symbolischen Übergabe des „Roma Rising-Archivs“ | © Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Im Rahmen einer feierlichen Zere- Chad Evans Wyatt ist Fotograf aus dann erklären, dass diese über 400 Die Fotos machen Mut, dass es trotz ‚RomaRising-Archiv‘ überlässt. Unser monie übergab am 8. Oktober 2018 Washington D.C. Für einen Fotoauftrag Persönlichkeiten erfolgreich sind?“ rassistischer Strukturen und Denkmus- vorrangigstes Ziel muss es sein, die Por- der Fotograf Chad Evans Wyatt reiste er 2001 nach Tschechien und ter möglich ist, als Angehöriger un- traits möglichst vielen Menschen – nicht dem Dokumentations- und Kultur- war schockiert über die Art und Wei- Das ‚RomaRising-Archiv‘ zeichnet da- serer Minderheit den eigenen Weg zu nur in Heidelberg – zu zeigen.“ zentrum Deutscher Sinti und Roma se, wie dort Roma in den Medien dar- mit das Porträt einer neuen Schicht gehen. Ich danke Chad Wyatt, dass er sein „RomaRising-Archiv“. Diese gestellt werden. Wyatt, der in den USA selbstbewusster Roma, die sich allen dem Dokumentations- und Kulturzen- Auch Stefan Hohenadl vom Kulturamt in Form einer Festplatte symbolisch als Sohn eines Afroamerikaners zur negativen Lebensbedingungen zum trum Deutscher Sinti und Roma sein Heidelberg betonte in seiner Rede bei an den Vorsitzenden des Doku- Zeit der erstarkenden Bürgerrechts- Trotz in der Gesellschaft ihrer jeweili- der Veranstaltung, „dass mit ‚Roma- mentationszentrum, Romani Rose, bewegung aufwuchs, wollte diesen gen Heimatländer behaupten. Rising‘ eine künstlerische Arbeit, die überreichte Sammlung von Foto- rassistischen, stereotypen Bildern et- Eine Auswahl der Bilder wird vom sich gegen die Diskriminierung von Sinti grafien umfasst 400 Porträts her- was entgegenstellen und startete das Romani Rose ist überzeugt, mit dem 13. Januar bis zum 10. Februar und Roma, und damit für den, der sich ausragender Persönlichkeiten der Fotoprojekt „RomaRising“: „Um einen „RomaRising-Archiv“ ein wichtiges In- 2019 im Forum für Kunst in Heidel- mit offenen Augen und Gedanken mit Minderheit der Sinti und Roma. Dialog zu beginnen, fotografierte ich strument im Kampf gegen rassistische berg in Kooperation mit dem Chad Wyatts Arbeit beschäftigt, gegen erfolgreiche Roma und stellte mit den Zuschreibungen und Antiziganismus Kulturamt der Stadt Heidelberg jede Art der Diskriminierung von Men- Bildern die Frage: wenn Euer Stereotyp zur Verfügung zu haben: „Diese Bilder zu sehen sein. schen richtet, zu uns nach Heidelberg über die Roma stimmt, wie könnt Ihr sind Zeugnisse von Selbstbewusstsein. gekommen ist.“ ‹ 20 21
3 › Nachrichten und Berichte Die neu konzipierten Ausstellungen des die Verfolgungsmaßnahmen legitimiert Dokumentationszentrums bauen nach- werden sollten. Damit wird zugleich Ausstellungen sind wie vor zentral auf privaten Bildnach- ein nachträgliches Zeichen gegen den lässen auf. Einen besonderen Stellen- Versuch der Entpersönlichung der Sinti wert nehmen auch die Interviews mit und Roma gesetzt. wichtiges Mittel Überlebenden ein. Dank der zahlrei- chen Familienfotos und Dokumente, Zahlreiche Interviews, Fotos und Doku- die Zeitzeugen und ihre Angehörigen mente zum Holocaust an der Minder- der Öffentlichkeits- dem Heidelberger Zentrum überlas- heit haben daher auch Eingang in das sen haben, ist mittlerweile eine ein- begleitende Internetportal zu den neu- zigartige Sammlung entstanden. Die en Ausstellungen gefunden. Außerdem arbeit – national privaten Zeugnisse bilden in den Aus- dokumentiert das Portal die Geschich- stellungen einen Gegenpol zu den te der Überlebenden im Nachkriegs- Täterdokumenten und erweisen das in deutschland, die Erfolge der Bürger- wie international der NS-Propaganda entworfene Bild rechtsbewegung sowie die Menschen- der Minderheit als Klischee, mit dem rechtssituation in Europa nach 1989. ‹ Die neu konzipierte transportable Ausstellung zum nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma wurde erstmals 2017 in Nürnberg gezeigt. | © Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Mit seinen inzwischen vielfältigen Ausstellungen zum nationalsozialistischen spezifische Ausstellungen zur Geschich- Völkermord und zur Bürgerrechtsarbeit deutscher Sinti und Roma erreicht te der NS-Verfolgung an den Sinti und Ausleihbare Ausstellungen das Dokumentationszentrum jährlich mehr als 65 000 Besucherinnen und Roma entwickelt. Am 2. August 2001 – des Dokumentationszentrums Besucher – in Heidelberg, in der Gedenkstätte Auschwitz sowie wechselnd nach über drei Jahren Vorbereitung – – Ausstellung 45 Jahre Bürger- in zahlreichen Städten in Deutschland und Europa. Darüber hinaus wird mit wurde in Block 13 des ehemaligen rechtsarbeit deutscher Sinti einem neuen Onlineangebot Pädagoginnen und Pädagogen ein zeitgemäßes „Stammlagers“ in Auschwitz die erste und Roma (seit 2016) Werkzeug an die Hand gegeben, um jungen Menschen die Geschichte des ständige Ausstellung eröffnet, die den Holocaust an den Sinti und Roma beispielsweise im Rahmen einer Unter- nationalsozialistischen Völkermord an – Deutsche transportable richtseinheit zu vermitteln. den Sinti und Roma an diesem zentra- Ausstellung „Rassendiagnose: len Ort des Verbrechens dokumentiert. Zigeuner“ – Der Völkermord Als am 16. März 1997 im neu eröffneten Dokumentations- und Kulturzentrum an den Sinti und Roma und der Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma zur Aufgabe Mit Unterstützung der Kulturstiftung lange Kampf um Anerkennung Deutscher Sinti und Roma erstmalig gemacht. des Bundes erarbeitete das Dokumen- (seit 2017) eine Ausstellung der Öffentlichkeit vor- tations- und Kulturzentrum zuletzt ein – Englische transportable gestellt wurde, die den nationalsozia- An vielen ehemaligen Orten der Verfol- neues Ausstellungskonzept, welches Ausstellung ‘Racial Diagnosis: listischen Völkermord an der Minder- gung wurden seither neue Ausstellun- deutschland- und europaweit präsen- Gypsy’ – The Nazi genocide heit dokumentiert, war die national- gen konzipiert, in denen das Schick- tiert und von einem Internetportal be- of the Sinti and Roma and the sozialistische Vernichtungspolitik den sal der Minderheit im „Dritten Reich“ gleitet wird. Neben der Verfolgungs- long struggle for recognition Sinti und Roma gegenüber sowohl in in angemessener Weise dokumentiert geschichte der Sinti und Roma in der (seit 2018) der Geschichtsschreibung als auch in wird. Vielerorts sind Stätten der histori- Zeit des Nationalsozialismus spielt die der Gedenkstättenarbeit weitgehend schen Erinnerung entstanden. Das Do- Bürgerrechtsbewegung der deutschen ausgeklammert. Hier ein Umdenken zu kumentationszentrum hat in Zusam- Sinti und Roma eine immer wichtigere Die Internetseite www.sintiundroma.de ist inhaltlich an die transportable Ausstellung bewirken, hat sich das Anfang der menarbeit mit KZ-Gedenkstätten wie Rolle in den Ausstellungen des Zen- angelehnt, erweitert diese jedoch um zahlreiche Videos, Fotos und Dokumente | 1990er-Jahre in Heidelberg gegründete etwa Buchenwald und Sachsenhausen trums. Screenshot: www.sintiundroma.org 22 23
3 › Nachrichten und Berichte 2018 Kultur- Im Herbst 2018 eröffneten wir die Ausstellung „Auschwitz heute“ im Heidelberger Zentrum. Sie zeigt 25 ausgewählte Aufnahmen des bereits verstorbenen Fotokünstlers Martin Blume und ermöglicht einen ungewöhnlichen Blick programm auf Auschwitz-Birkenau, der in seiner Offenheit zum Nachdenken und Nachspüren anregt. | © Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Am 19. Juni 2018 führten die Roma und Sinti Philharmoniker unter Riccardo M. Sahiti im Hessischen Staatstheater in Wiesbaden das „Requiem für Auschwitz“ auf. „Das ‚Requiem für Auschwitz‘ des Komponisten Roger Moreno Rathgeb ist allen Opfern der Vernichtungslager gewidmet und gewinnt seinen symbolischen Wert aus der die Kulturen übergreifenden Kraft der Musik“, so Romani Rose. Veranstalter waren der Philharmonische Verein der Sinti und Roma Frankfurt am Main e.V. in Kooperation mit dem Dokumentations- und Kulturzentrum Die fünf jungen Musiker des „Armando Balke Swing Quintetts“ aus Bremerhaven, früher bekannt als die Deutscher Sinti und Roma und dem Land Hessen. | © Björn Hadem Swingkids, begeistern ihr Publikum mit schwungvoller Swing-Jazz-Musik. Der Pianist Armando Balke trat im November 2017 gemeinsam mit seinem Bruder Richie und dem Jazzgitarristen Jeremy Maatz im Jazzkeller des Heidelberger Zentrums auf. Am Schlagzeug spielte Samuel Maatz und am Kontrabass Maurice Maatz. | © Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma 24 25
3 › Nachrichten und Berichte Ilona Lagrene liest aus dem Gedichtband „Djiparmissa – klassische deutsche Gedichte auf Romanes“, herausgegeben und übersetzt von Reinhold Lagrene. | © Irene Wachtel 16. Mai 2018: Die Bürgerrechtlerin Ilona Lagrene erinnerte auch im Jahr 2018 in Form eines Stadtrundgangs durch die Heidelberger Altstadt an die „in den Osten“ deportierten badischen Sinti, unter denen sich viele Familien befanden, die zuvor in der Heidelberger Altstadt und in Ludwigshafen gelebt hatten. | © Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma 5. Oktober 2018: Star-Geiger Roby Lakatos, Shootingstar Sandro Roy, der international renommierte Pianist Jermaine Landsberger und dessen Trio vereinten bei ihrem Auftritt im Heidelberger Augustinum Groove, Virtuosität und Melancholie zu einer einzigartigen Mischung. | © Susanne Lencina/Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma 26 27
3 › Nachrichten und Berichte Zentralratsdelegation Der Zentralrat und das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma nahmen am 2. August 2018 unter Rita Prigmore sprach am 2. August 2018 der Leitung von Romani Rose mit einer Delegation von 50 unter Leitung von Personen, darunter auch Überlebende des Holocaust, an der in Auschwitz-Birkenau für die Überlebenden des Holocaust an den Sinti und Roma. | internationalen Gedenkfeier in Auschwitz-Birkenau teil, die © Jarek Praszkiewicz Romani Rose begeht seit vielen Jahren vom Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Kooperation mit dem Verband der Roma in Polen vorbereitet wird. Neben den Überleben- Menschlichkeit im Umgang mit Flücht- zukünftigen Generationen zu helfen, den Internationalen den und deren Angehörigen waren zahlreiche Vorstände der lingen: „Wir leben in einer Zeit, in der sich den Vorurteilen und dem Hass ent- Die Nationalsozialisten verschlepp- Landes- und Mitgliedsverbände des Zentralrats Deutscher Politiker Mauern bauen, um Wähler- gegenzustellen, die den Holocaust ten von März 1943 bis Juli 1944 Roma-Gedenktag Sinti und Roma bei dem Gedenkakt anwesend. Die Gedenk- fahrt nach Auschwitz wurde durch die Stiftung Erinnerung, stimmen zu gewinnen. Politiker werfen den Menschen, die aus großem Elend möglich gemacht haben und die so viel Leid über unsere Mitmenschen ge- 23 000 Sinti und Roma aus elf Län- dern Europas nach Auschwitz. Verantwortung, Zukunft (EVZ) und das Auswärtige Amt finan- zu uns kommen, vor, den Sozialstaat zu bracht haben, nur weil sie Juden, Roma Nahezu alle fanden dort den Tod. in Auschwitz-Birkenau ziell unterstützt. missbrauchen und „Asyl-Tourismus“ zu oder in anderer Weise als nicht in die Am 2. August 1944 wurden die im betreiben. […] Sie sagen uns, dass un- monströsen Pläne des Nazi-Regimes Lagerabschnitt B II e des Konzen- Für die Überlebenden des Holocaust sprach Rita Prigmore, ser Leben sicherer wäre, wenn wir uns passend angesehen wurden.“ trationslagers Auschwitz-Birkenau die als kleines Kind zusammen mit ihrer Zwillingsschwes- von den anderen trennen und dass wir verbliebenen 2 900 Sinti und Roma ter Opfer medizinischer Versuche der Nazis wurde. In ihrer Flüchtlinge zurückschicken sollten, um Der Vorsitzende des Zentralrats Deut- ermordet. Ein vorangegangener Ansprache appellierte sie an Politik und Gesellschaft für unser Glück und unseren Wohlstand zu scher Sinti und Roma, Romani Rose, be- Versuch, 6 000 Sinti und Roma in die sichern. Meiner Meinung nach ist das grüßte insbesondere die große Zahl an Gaskammern zu bringen, scheiterte falsch! Wir müssen uns menschlich zei- jungen Teilnehmern: „Es ist wichtig für am 16. Mai 1944 an dem Widerstand gen und ein Europa aufbauen, das ein uns alle, dass alle unsere jungen Leute der Häftlinge. In den darauf folgen- menschliches Herz hat!“ ihre Geschichte kennen, um Verantwor- den Wochen wurden 3 000 der an tung für die Gegenwart übernehmen dem Aufstand beteiligten Häftlinge Beate Klarsfeld, UNESCO-Sonderbot- zu können. Ihre Teilnahme an dem Ge- bei Selektionen von SS-Ärzten als schafterin für Bildung über den Holo- denkakt ist auch ein klares Signal gegen „noch arbeitsfähig“ eingestuft und caust und die Verhinderung von Völker- den zunehmend gewaltbereiten Anti- zur Sklavenarbeit in andere Kon- morden, betonte, dass Sinti und Roma ziganismus und den Nationalismus, die zentrationslager im Reichsgebiet ebenso wie Juden bis heute durch in Europa grassieren.“ verschleppt, nach Buchenwald, gewaltbereiten Antisemitismus und Mauthausen, Ravensbrück, Sachsen- Antiziganismus bedroht sind. Dunja Am 3. August wurde die Delegation des hausen und Dachau. Zurück in Ausch- Mijatović, Menschenrechtskommissarin Zentralrats in Fortführung einer lang- witz blieben 2 900 Sinti und Roma, des Europarats, betonte in ihrer Rede, jährigen Tradition vom Generalkonsul überwiegend Kinder, deren Mütter ein Besuch des staatlichen Museums der Bundesrepublik Deutschland in Kra- und alte Menschen. Die SS ermorde- Auschwitz-Birkenau rufe nicht nur die kau, Dr. Michael Groß, in den Räumen te sie in der Nacht vom 2. auf den Pflicht des Erinnerns ins Gedächtnis, des Generalkonsulats in Krakau emp- 3. August in den Gaskammern und Teilnehmer der Gedenkveran- staltung in Auschwitz-Birkenau sondern vermittle das Gefühl, im Sin- fangen, wo Dr. Groß im Rahmen eines verbrannte die Leichen in einer am 2. August 2018 | © Jarek ne dieses Erinnerns handeln zu müs- Vortrages Einblicke in die „deutsch-pol- Grube neben dem Krematorium V. Praszkiewicz sen, „um der gegenwärtigen und den nischen Beziehungen nach 1990“ gab. ‹ 28 29
3 › Nachrichten und Berichte Jugendliche Teilnehmer der Gedenkfahrt | © Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Zeitzeuge Raymond Gurême | © Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Jugendgedenkfahrt DIKH HE NA BISTER Anlässlich des Internationalen Gedenk- Hintergründe der Gruppenmitglieder. gebracht. Es überwog jedoch Zuver- Die Begegnungen zwischen den Holo- tages für die Opfer des nationalsozia- Gemeinsam entstanden neue Ideen für sicht im Hinblick auf eine starke wider- caust-Überlebenden und den Teilneh- listischen Völkermordes an den Sinti Handlungsmöglichkeiten, Vernetzung ständige Gemeinschaft der Sinti und menden des Jugendkongresses wie nach Krakau und und Roma am 2. August kamen circa und gegenseitige Unterstützung. Roma und ihrer Unterstützer. auch besonders die Begleitung durch 250 junge Sinti und Roma zwischen 18 den 93-jährigen Raymond Gurême wäh- und 30 Jahren aus insgesamt 23 Län- Ein bewegender Programmpunkt der Im Mittelpunkt der Fahrt stand die Teil- rend des gesamten Aufenthaltes wurde Auschwitz-Birkenau dern sowie gleichaltrige Angehörige Jugendgedenkfahrt war der Besuch nahme an der offiziellen Gedenkzere- von allen als besonders eindrucksvoll der Mehrheitsgesellschaften zusam- des Staatlichen Museums Auschwitz- monie am Denkmal für die ermordeten erlebt. In bewegenden Schilderungen men. Fünf Tage lang setzten sie sich Birkenau. Dort erhielten die Teilneh- Sinti und Roma in Birkenau am 2. Au- forderte dieser mehrfach dazu auf, auf- Von Anna-Franziska Löns, Teilnehmerin und Praktikantin gemeinsam in Workshops mit der Ge- menden eine Führung durch das ehe- gust. Gemeinsam mit Überlebenden merksam gegenüber allen Formen von im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma schichte der Sinti und Roma, dem Ge- malige Stammlager Auschwitz I sowie des an den Sinti und Roma verübten Diskriminierung im gesellschaftlichen denken und Erinnern an den Völker- das Vernichtungslager Birkenau. Das Holocaust gedachten die Teilnehmen- Zusammenleben zu sein und gemein- mord sowie dem Umgang mit beste- ehemalige „Zigeunerlager“ und die Si- den der über 500 000 Sinti und Roma, sam Widerstand zu leisten. henden antiziganistischen Strukturen in tuation der Sinti und Roma im Lager die während des Nationalsozialismus Zum siebten Mal fand zwischen dem 29. Juli und 4. August 2018 die Europa auseinander. Ziel der Initiative bildeten dabei den Schwerpunkt der getötet wurden. So entstand im Rahmen der Jugendge- Jugendgedenkfahrt DIKH HE NA BISTER („Schau und vergiss nicht“) nach ist vor allem das Empowerment jener, Führung. Angesichts der Dimension des denkfahrt neben der Vermittlung der Krakau und Auschwitz-Birkenau statt. Koordiniert und organisiert wurde die Antiziganismus oder anderen For- mit dem menschlichen Verstand kaum Im Anschluss an die Gedenkfeier bot Relevanz von Erinnerungspolitik und sie im Rahmen der „Roma Genocide Remembrance Initiative“ durch das men von Ungerechtigkeit ausgesetzt greifbaren Verbrechens, das an diesem sich den jungen Erwachsenen die Gele- Gedenken im Hinblick auf die andau- internationale Roma-Jugendnetzwerk ternYpe und das Dokumentations- sind. Innerhalb der Arbeitsgruppen Ort stattgefunden hat, artikulierten genheit zu einem Gespräch mit den Zeit- ernden antiziganistischen Tendenzen und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma. konnte sich während der Tage ein in- nach dem Besuch viele der Jugendli- zeuginnen Rita Prigmore, Frieda Larsen in Europa bei den Jugendlichen auch tensiver Austausch zwischen den Be- chen ihre Fassungslosigkeit. Vielfach und dem Zeitzeugen Raymond Gurême ein Bewusstsein dafür, gemeinsam viel teiligten entwickeln. Maßgeblich berei- wurde auch Angst hinsichtlich der stär- sowie mit der Journalistin Beate Klars- bewirken zu können. ‹ chert wurden die Gespräche durch die ker werdenden rechten Bewegungen feld und der Menschenrechtskommis- sehr unterschiedlichen (aktivistischen) in Europa und der Welt zum Ausdruck sarin des Europarates, Dunja Mijatović. 30 31
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