Datenlandschaft im Aufbau - Das Magazin zur Verteilungsdebatte ISSN: 2625-3313 Ausgabe 53 - November 2020 - Gerechte Gesundheit
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Das Magazin zur Verteilungsdebatte ISSN: 2625-3313 Ausgabe 53 – November 2020 Datenlandschaft im Aufbau Forschung Debatte Ökonomisierung Daten nutzen und Patienten Rezepte gegen hochpreisige Wie geht es mit den DRGs beteiligen Arzneimittel weiter?
• Seite 2 GERECHTE GESUNDHEIT November 2020 Seite 3 • Dicke Bretter Eine Vielzahl von Strategien hat die Bundesregierung verabschiedet, um dem digitalen Wandel den Weg zu bereiten. Ein ungelöstes Problem: Im Gesundheitswesen bleibt noch immer ein Großteil der täglich produzierten Daten ungenutzt. Ihre Verwendung für die Forschung oder zur Verbesserung der Versorgung stößt auf zahlreiche Hürden. Kann die sogenannte Datenspende die Lösung sein? Einige Forscher glauben daran, doch um einen solchen Paradigmenwechsel hierzulande durchzusetzen, werden ganz dicke Bretter zu bohren sein. Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Ihre Antje Hoppe, Chefredakteurin Inhalt Im Fokus 4 Placebo-Reform oder echter Fortschritt? Debatte zu DRG-Weiterentwicklung und Ökonomisierung hält an 7 Kontroverse zu Corona- Immunitätsbescheinigung Pro & Contra mit Prof. Simon und Prof. Gethmann vom deutschen Ethikrat 10 Höchstgrenzen, vierte Hürde und Co. Welche Rezepte gegen hochpreisige Arzneimittel diskutiert werden 15 Datenlandschaft im Aufbau Mehr Nutzung, Akzeptanz und Autonomie Im Gespräch 18 „Keiner möchte keine Forschung“ Prof. Eva Winkler über Datennutzung und Patientenbeteiligung In Kürze 20 Gesundheit und Gerechtigkeit bei der Arbeit 20 Mauerblümchendasein ade bei der Integrierten Versorgung? 22 Unterversorgung: Zuschläge für Kindermedizin 23 Reha-Loch: Schwerverletzte nicht fit genug für Reha 24 Wie Europa auf Arzneimittelengpässe reagieren will 25 Globale Gesundheit – jetzt mit Strategie 26 Ohne Krankenversicherung: Braucht es eine Clearingstelle?
• Seite 4 Im Fokus GERECHTE GESUNDHEIT November 2020 Im Fokus Seite 5 • Placebo-Reform oder echter Fortschritt? Debatte zur DRG-Weiterentwicklung und Ökonomisierung hält an • Berlin (pag) – Eine Ökonomisierung des Medizinbetriebs wird seit Jahren von Ärzten angeprangert. Jüngstes Beispiel ist der 118. Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Tatsächlich geht es bei dem Konflikt um weitaus mehr als eine Weiter- Ein Balanceakt: Medizin und Ökonomie sollte nicht gegeneinander ausgespielt werden. Medizin kann es nicht in einem ökonomiefreien Raum geben. entwicklung des DRG-Systems, wie sie gegenwärtig politisch angestrebt wird. © iStockphoto, abadonian Auf der DOG-Veranstaltung im Oktober sind Fehlent- Diskussionen im Bundestag Hamburg, im Auftrag der Techniker Krankenkasse ver- berücksichtigen könne, sagt Karin Maag (CDU) und wicklungen in der Augenheilkunde durch die zuneh- Bei einer Anhörung zum Krankenhauszukunftsgesetz fasst hat. „Eine Finanzierung von Vorhaltekosten für kündigt an: „Wir werden es liefern.“ Dr. Edgar Franke mende Ökonomisierung ein Schwerpunktthema. „Ret- regen kürzlich Experten im Gesundheitsausschuss Strukturen der Leistungserbringung, beispielsweise (SPD) erkennt ebenfalls Reformbedarf: „Die Fallpau- tet die Medizin! Arzt-sein zwischen Patientenwohl und Änderungen am Abrechnungssystem des Kranken- für seltene Erkrankungen, Notfälle und die Grund- schalen haben in der Vergangenheit dafür gesorgt, Wirtschaftlichkeit“, lautet der Titel der Keynote-Lectu- hauswesens an. „Wir sprechen uns nicht dafür aus, versorgung auf dem Land, reduziert den finanziellen dass mehr operiert wurde, als eigentlich notwendig re von Prof. Peter Pramstaller. „Wir Ärzte müssen uns das DRG-System in Gänze abzuschaffen“, betont Druck von Krankenhäusern, ihre Strukturen über eine war und das nur, um Einnahmen zu erzielen, um mehr zum Wohl der Patienten und unserer nachfolgenden Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Fallzahlausweitung querfinanzieren zu müssen“, lautet Geld zu verdienen.“ Auch beim jüngsten Krankenhaus- augenärztlichen Generationen dem Wirtschaftlich- Krankenhausgesellschaft. Aber die Grundfinanzierung ein Vorschlag der Autoren. Und eine Anpassung der gipfel der Deutschen Krankenhausgesellschaft zeigt keitsstreben entgegenstellen, wo es zu Verwerfungen der Häuser müsse gesichert sein, um die Daseinsvor- Vergütung an exogene Kostenfaktoren, die nicht der sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) offen für führt“, sagt sein Kollege Hans Hoerauf, Direktor der sorge zu gewährleisten. Gesundheitsökonom Prof. Kontrolle des Krankenhauses unterliegen, sowie an Änderungen am Fallpauschalensystem. Augenklinik der Universitätsmedizin Göttingen. Jonas Schreyögg, Universität Hamburg, empfiehlt, Versorgungsstufen, die unterschiedliche Kostenstruk- Änderungen ja, gänzlich abschaffen wohl eher nicht Die Fallpauschalen im Krankenhaus gelten gemeinhin „künftig mit Vorhaltepauschalen für bestimmte Fach- turen mit sich bringen, erhöhe die Fairness des Vergü- – das dürfte der politische Kurs sein. Denn erst im als Treiber der Ökonomisierung, werden teils synonym abteilungen, geknüpft an enge Voraussetzungen, zu tungssystems. Außerdem entlaste es Krankenhäuser Sommer hat der Minister bei einer Veranstaltung der damit verwendet. Allerdings ist in das DRG-System in arbeiten“. Prof. Boris Augurzky, Leibniz-Institut für finanziell, die für ihre ungünstigen Kostenstrukturen Robert-Bosch-Stiftung zwar eingeräumt, dass die jüngster Zeit Bewegung gekommen. Die Pflegeperso- Wirtschaftsforschung, warnt vor einer kompletten Ab- nicht verantwortlich seien. DRGs nicht perfekt seien. Mit Verweis auf gleichzei- nalkosten sind seit diesem Jahr aus den DRGs aus- schaffung des DRG-Systems. Es müssten aber „Model- tige Überversorgung insbesondere in den Ballungs- gegliedert. Der GKV-Spitzenverband bezeichnet das le zu Regionalbudgets weiter ausgearbeitet und vor gebieten und Unterversorgung in anderen Regionen als „die nachhaltigste Veränderung im DRG-System allem in ausgewählten Pilotregionen praktisch erprobt „Wir werden es liefern“ stellt er jedoch klar: „Solange es keine bedarfsgerech- seit seiner Einführung“. Dabei soll es offenbar nicht werden“. Bei der Haushaltsdebatte im Bundestag kurze Zeit te Versorgung gibt, ist die Idee, einfach Strukturen zu bleiben. Denn auch wenn es das Thema kürzlich nicht Vorschläge zur Weiterentwicklung des DRG-Systems später verdichten sich die Anzeichen, dass die Politik finanzieren, nicht richtig“. Er will einen nicht effizien- auf die Agenda der Gesundheitsministerkonferenz ge- hat Schreyögg zuvor in einem Gutachten zur bedarfs- die Botschaften verstanden hat. „Wir brauchen ein ten Ressourceneinsatz verhindern, vor der Diskussion schafft hat, so ist es doch im Bundestag sehr präsent. gerechten Gestaltung der Krankenhausvergütung gestuftes Versorgungssystem und darauf aufbauend über ein neues Vergütungssystem seien Strukturver- vorgestellt, das er mit Ricarda Milstein, Universität ein Fallpauschalensystem“, das auch Vorhaltekosten änderungen im stationären Bereich notwendig.
• Seite 6 Im Fokus GERECHTE GESUNDHEIT November 2020 Im Fokus Seite 7 • Krankenhausbereich – politisch unsexy DRG-Systems allein nicht ausreiche, um die ökonomi- © iStockphoto, malerapaso Dass es zu einer solch grundsätzlichen Strukturreform schen Fehlentwicklungen zu beheben – wenn gleichzei- noch in dieser Legislatur kommt, ist jedoch unwahr- tig der politische Wille fehle, die Krankenhausstruktur scheinlich. Vielleicht sind die politischen Gestalter aber grundlegend zu verändern. Und weiter: Die politischen gar nicht so unglücklich darüber, dass Corona die Re- Entscheidungsträger müssten die Bedingungen so formagenda gehörig durcheinandergebracht hat. Denn gestalten, dass es für alle Akteure – auch aus ökonomi- das Thema ist ein undankbares, findet beispielsweise scher Sicht – sinnvoll ist, sich nachhaltig auf das Patien- Rudolf Mintrop, Vorsitzender der Geschäftsführung tenwohl zu verhalten. Die Experten fordern einen tat- des Klinikums Dortmund. Die Klinken seien hierzulande sächlichen Qualitätswettbewerb unter einer geringeren, aufgerieben zwischen den Zuständigkeitsebenen Bund, aber besser ausgestalteten Anzahl von Krankenhäusern. Länder, Kommunen und Selbstverwaltung und geteilt Die politische Zurückhaltung bei der Gestaltung des in Non-Profit- und For-Profit-Kliniken. Es gebe eine Krankenhauswesens führe nur dazu, dass „die Probleme Vielzahl von Vorstellungen. „Deswegen ist der Kranken- über die DRGs auf die praktische Arbeitsebene nach hausbereich so vernachlässigt, zerklüftet und politisch unten durchgereicht werden“. Daraus resultierten die unsexy”, findet der Klinikmanager. bekannten Probleme wie Arbeitsverdichtung, Unzufrie- Solange aber eine grundlegende Strukturreform nicht denheit der Mitarbeiter, Personalmangel etc. angegangen wird, bringt eine Weiterentwicklung des DRG-Systems nur wenig. Das ist in einem Thesenpapier Festzuhalten ist daher, dass es bei der Kritik an einer von Leopoldina-Wissenschaftlern nachzulesen, das Ökonomisierung nicht darum gehen sollte, Medizin und zwar schon einige Jährchen auf dem Buckel hat, aber Ökonomie gegeneinander auszuspielen. Medizin kann die gegenwärtige Situation noch immer zutreffend es nicht in einem ökonomiefreien Raum geben. Viel- beschreibt. Darin postulieren Gesundheitsökonomen, mehr stehen dahinter ungelöste Strukturfragen, vor Juristen und Ärzte, dass eine Weiterentwicklung des denen sich die Politik noch immer drückt. • Bundesrechnungshof zeichnet düsteres Bild Der Bundesrechnungshof regt für die Krankenhaus- bung. Finanzierungs- und Planungsverantwortung versorgung eine Grundgesetzänderung an. Dadurch sollten in eine Hand gelegt werden. „Dies schließt könnten Finanzierungs- und Planungsverantwor- eine Änderung grundgesetzlicher Bestimmungen tung wieder zusammengeführt werden. In dem notwendigerweise ein“, heißt es. Generell zeich- Bericht „über die Prüfung der Krankenhausfinanzie- rung durch die gesetzliche Krankenversicherung“ sieht die Behörde das duale Finanzierungssystem net der Bundesrechnungshof ein düsteres Bild der derzeitigen Krankenhauslandschaft in Deutschland: „40 Prozent der Krankenhäuser verzeichnen Verlus- Kontroverse zu Corona- Immunitätsbescheinigung als gescheitert an. „Die Länder entscheiden nach te, für über ein Zehntel besteht erhöhte Insolvenz- der gesetzlichen Systematik alleinverantwortlich gefahr.“ Der Ab- und Umbau von Kapazitäten sowie über Standorte und Schwerpunkte der Versorgung. die Schließungen von Häusern oder Abteilungen Ihrer Finanzierungsverantwortung kommen sie in- verlaufe ungesteuert. „Es besteht keine übergrei- des nicht nach, große Teile der investiven Kosten fende Zielsetzung zwischen Bund und Ländern, wie werden zweckwidrig aus Mitteln der GKV-Beitrags- die Versorgungsstrukturen weiterentwickelt werden Pro & Contra mit Prof. Simon und Prof. Gethmann vom deutschen Ethikrat gemeinschaft bestritten“, lautet die Lagebeschrei- sollen.“ • Berlin (pag) – Macht eine staatlich kontrollierte Immunitätsbescheinigung Sinn? Derzeit nicht, findet der Deutsche Ethikrat einstimmig angesichts der noch bestehenden Unsicher- heiten zur Immunität gegen das neuartige Coronavirus. Für den Fall, dass die Immunität künftig verlässlich nachweisbar wird, gehen die Meinungen allerdings auseinander. Die Hälfte der Ratsmitglieder kommt auf Basis risiko- wortbar erachtet. Für die andere Hälfte der Mitglieder ethischer Abwägungen zu dem Ergebnis, dass bei führen praktische, ethische und rechtliche Gründe zu günstiger Entwicklung der naturwissenschaftlich- einer Ablehnung des Einsatzes von staatlich kont- medizinischen Voraussetzungen mindestens eine rollierten Immunitätsbescheinigungen – selbst dann, stufenweise, anlassbezogen wie bereichsspezifisch an- wenn Unsicherheiten mit Blick auf den Sachstand in setzende Einführung einer Immunitätsbescheinigung Zukunft nicht länger bestünden. Lesen Sie im Fol- unter bestimmten Bedingungen sinnvoll wäre. Teilwei- genden ein Pro und Contra der beiden Ratsmitglieder se wird auch ein weiter reichender Einsatz für verant- Prof. Judith Simon und Prof. Friedrich Gethmann.
• Seite 8 Im Fokus GERECHTE GESUNDHEIT November 2020 Im Fokus Seite 9 • Prof. Carl Friedrich Gethmann Freiheitsbeschränkungen bewirken, eines Immunitätsnachweises zu Prof. Judith Simon Nichtinfektiosität – von bestimmten ren Arbeitsbedingungen und/oder Gesundheitliche Sicherheit sondern umgekehrt im Interesse des kommen, darüber hinaus auch Be- Gefahr einer Zwei-Klassen- Auflagen befreit werden. Hierfür ist besonderen Infektionsrisiken wäre Gemeinwohls zu besonderen Ver- trugsmöglichkeiten vieler Art. Wie allerdings keine staatliche Immu- dies eine gleichermaßen gefähr- für alle Bürger Gesellschaft pflichtungen bei der Pandemiebe- in anderen Lebenskontexten auch nitätsbescheinigung erforderlich. liche wie ungerechte Konsequenz. kämpfung führen. Allerdings dürfen ist solchen Problemen regulatorisch Ausreichend wäre eine Vorschrift Weiterhin ist vor Erosionseffekten Aus Sicht der Befürworter einer an Immunitätsbescheinigungen grund- (Ordnungsrecht, Strafrecht) ent- Immunitätsbescheinigungen, welche im Immunitätsschutzgesetz, mit zu warnen, die vor allem ein breiter Bedingungen geknüpften Zulassung sätzlich nur auf Basis freiwilliger Ent- gegenzutreten. im Kontext der Covid-19-Pandemie der Ärzte ermächtigt würden, die Einsatz freiheitsgewährleistender von Immunitätsausweisen besteht scheidungen angestrebt werden. individuelle Freiheiten einräumen Immunität und Nichtinfektiosität für Immunitätsbescheinigungen in Be- bezüglich der Erforschung von Mit einem Teil der zwölf Ethikratsmit- oder besondere Pflichten etablieren diese Personengruppe auf der Basis zug auf die Bereitschaft haben kann, Covid-19 und seiner medizinischen V: Hinsichtlich des Bedenkens, die glieder unterstütze ich auch die er- könnten, sind aus wissenschaft- eines hinreichend aktuellen – bereits sich an die allgemeinen Infektions- Effekte eine so hohe Dynamik, dass Gewährung von Immunitätsnachwei- gänzende Positionierung, dass unter lichen, ethischen und praktischen derzeit zur Verfügung stehenden schutzmaßnahmen zu halten. Die der Exekutive vorsorglich normative sen werde von manchen als Privi- der Bedingung kluger Regulierung Gründen abzulehnen. – PCR-Tests oder aber eines – mögli- genannten, mit der Einführung einer Orientierungen an die Hand gegeben legierung betrachtet, die konvers und sorgfältiger, fortlaufender Kon- Zunächst erscheint es mit Blick cherweise in Zukunft zur Verfügung Immunitätsbescheinigung verbun- werden sollten, nach denen im Falle als Diskriminierung erfahren werden trolle eine umfassende Verwendung auf die aktuelle wissenschaftliche stehenden – hinreichend zuverlässi- denen Probleme stellen auch eine einer günstigeren Evidenzlage zu könnte, ist zu bemerken, dass die (ohne Einschränkung auf bestimmte Erkenntnislage unwahrscheinlich, gen Antikörper-Tests zu bescheini- große Herausforderung für einen verfahren ist. Dem liegen vor allem Rückgewähr von Freiheitsrechten Handlungskontexte) von Immunitäts- dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 gen. angemessenen Rechtsrahmen dar, folgende Überlegungen zugrunde: auch unter Pandemiebedingungen bescheinigungen verantwortbar ist. zu einer hinreichend lange anhal- beispielsweise in Bezug auf Miss- eine Schuldigkeit des Staates ist, Die Unvermeidbarkeit von Ungewiss- tenden und verlässlichen Immuni- Weiterhin gibt es praktische As- brauchsgefahren, des Datenschut- I: Der Grundsatz der Verhältnismä- die – im Unterschied beispielsweise heit im Pandemie-Kontext darf so tät bei allen, auch asymptomatisch pekte, die gegen die Einführung zes sowie des Arbeitsrechts. ßigkeit und risikoethische Erwägun- zu ermessensbestimmten Zuwen- wenig wie in anderen Lebensberei- Infizierten, führt. von Immunitätsbescheinigungen gen verlangen, dass grundgesetzlich dungen – mit den Kategorien von chen die Notwendigkeit, Freiheits- sprechen. Trotz steigender Fall- Vor dem Hintergrund der unge- garantierte Freiheiten, die pande- Privilegierung und Diskriminierung beschränkungen zurückzunehmen, Bei der ethischen Bewertung müs- zahlen ist es aufgrund der geringen wissen Erfolgsaussichten und der miebedingt eingeschränkt werden, nicht adäquat erfasst wird. Auch infrage stellen. Die Beweislast liegt sen individuelle Rechte und Pflich- Dauer einer möglichen Immunität im Gesundheitsbereich nicht nur so weit wie möglich dem Bürger die Metapher von der „Spaltung der grundsätzlich aufseiten des freiheits- ten ins Verhältnis gesetzt werden illusorisch anzunehmen, dass der aus ökonomischer Sicht begrenzt zurückgegeben werden. Das bedeu- Gesellschaft“ ist hier fehl am Platze; beschränkenden Staates und nicht zu Fragen der gerechten Verteilung Einsatz von Immunitätsbescheini- zur Verfügung stehenden Mittel, tet, dass unter Umständen Risiken so wie die Beschränkung der Fahr- des freiheitsbegehrenden Bürgers. von Be- und Entlastungen. Bei gungen einen relevanten Effekt auf erscheint es nicht verantwortungs- hinzunehmen sind, wie sie auch erlaubnis auf Führerscheinbesitzer Ferner halte ich es mit einem Teil einer Koppelung von Rechten oder die Erholung der Wirtschaft oder voll, erhebliche Ressourcen in die sonst im klinisch-medizinischen Kon- eine gerechtfertigte Restriktion im der Ratsmitglieder schon jetzt für Pflichten an den Status der Immuni- die Versorgungslage im Sozial- und Etablierung und gesetzliche Ver- text und in vielen anderen Lebensbe- Interesse aller (auch der Nicht-Füh- erwägenswert, eine nach heutiger tät sind ungerechte Verteilungen in Gesundheitssystem hätte. Immuni- ankerung von Immunitätsbeschei- reichen akzeptiert werden. Hier wie rerscheinbesitzer) ist, dient ein Erkenntnis – nach überstandener zwei Richtungen möglich: Einerseits, tätsbescheinigungen würden zudem nigungen – einem Instrument mit in anderen Lebensbereichen ist ein Immunitätsausweis der gesundheit- Erkrankung – bestehende erhöhte wenn Personen ohne Immunitäts- Fehlanreize setzen, welche die beschränktem Nutzen und hohen Null-Risiko eine Illusion, die rationa- lichen Sicherheit aller Bürger. Abwehrkraft gegen SARS-CoV-2 zu nachweis Möglichkeiten verwehrt derzeitige Pandemie-Schutz-Stra- Nebenwirkungen – zu investieren, les Handeln konterkariert. nutzen, um im Rahmen eines quali- würden (z.B. der Besuch einer Aus- tegie konterkarieren könnten. So wenn diese Mittel auch für erfolgs- VI: Zu den Risiken der Einführung tätsgesicherten und freiwilligen bildungsstätte). Andererseits, wenn könnten sich Personen, etwa aus versprechendere Maßnahmen ver- II: Die gebotene Abwägung von von Immunitätsnachweisen gehören Verfahrens von Covid-19 genesene Personen mit Immunitätsbeschei- wirtschaftlicher Not oder um sich wendet werden könnten. • Risiken und Chancen spricht im Probleme des Missbrauchs beispiels- Personen bevorzugt an Positionen nigung für bestimmte Tätigkeiten individuelle Vorteile zu sichern, mut- Rahmen eines gestuften Vorgehens weise durch gezielte Selbstinfektion, mit höherem Infektionsrisiko einzu- besonders in die Pflicht genommen willig Infektionsrisiken aussetzen. dafür, Immunitätsnachweise mindes- um auf diese Weise in den Besitz setzen. würden (z.B. in Medizin und Pfle- Gerade in Arbeitsfeldern mit prekä- tens anlass- und bereichsbezogen in ge, Reinigung, Verkauf, Kitas oder bestimmten, gesetzlich zu regelnden Schulen). Hierbei ist insbesondere Fällen zu verwenden, beispielsweise: auf die Gefahr einer Verstärkung be- © Deutscher Ethikrat © Deutscher Ethikrat zur Wahrung der Interessen von Zur Person stehender Benachteiligungen sowie Zur Person Personen, die Covid-19-assoziiert be- die Gefahr einer Zwei-Klassen-Ge- sonders vulnerabel sind; Der Philosoph Prof. Carl Fried- sellschaft hinzuweisen. Prof. Judith Simon ist Profes- zur Ausübung von Berufen, deren rich Gethmanm ist seit 2012 sorin für Ethik in der Infor- Ausübung eine räumliche oder phy- Professor am Forschungskol- Es gibt nur einen Bereich, in dem mationstechnologie an der sische Nähe zu anderen Personen leg „Zukunft menschlich ge- ein hinreichend sicherer Nachweis Universität Hamburg. Zuvor voraussetzt. stalten“ der Universität Siegen. von Immunität zur individuellen war sie u.a. Associate Profes- Zuvor war er unter anderem Rückgewähr von Freiheit genutzt sor für Wissenschaftstheorie III: Zu gewährleisten ist eine im Lich- Direktor der Europäischen werden dürfte: zugunsten beson- und Technikphilosophie an der te der medizinischen Erkenntnisse Akademie zur Erforschung von ders vulnerabler Gruppen, etwa in IT University in Kopenhagen. zur Dauer einer Immunität vertretbar Folgen wissenschaftlich-tech- Einrichtungen der Alten- oder Be- Sie ist Mitglied des Deutschen begrenzte Gültigkeit einer Immuni- nischer Entwicklungen. Geth- hindertenhilfe. Da diese Personen- Ethikrates und der Arbeits- tätsbescheinigung. Die gesetzliche mann ist seit 2013 Mitglied gruppen erheblich unter strengen gruppe Digitalisierung und Regelung der Immunitätsbescheini- des Deutschen Ethikrates, von Isolationsmaßnahmen zu leiden ha- Demokratie der Leopoldina. gungen sollte befristet erfolgen. 2000 bis 2010 war er Mitglied ben, sollten nahestehende Personen, Ferner hat Simon in der Daten- der Bioethik-Kommission des aber auch Seelsorger oder Hospiz- ethikkommission der Bundes- IV: Immunitätsbescheinigungen Landes Rheinland-Pfalz. dienste – auf Grundlage gesicherter regierung mitgearbeitet. können nicht nur die Rücknahme von Kenntnis über ihre Immunität und
• Seite 10 Im Fokus GERECHTE GESUNDHEIT November 2020 Im Fokus Seite 11 • Debatte um vierte Hürde werden. Wegen der nahezu unausweichlich auf uns Auf einer Tagung im Februar beschreibt der Gesund- zukommenden Referenzpreis-Thematik aus den USA heitsökonom Prof. Jürgen Wasem, Universität Duis- sollten wir dies mit einem Übergang zu vertraulichen burg-Essen, den Trend: Immer öfter kommen neue Rabatten bei Beibehalten des beim Launch gesetzten Arzneimittel auf den Markt, die zum Zeitpunkt ihrer Listenpreises verbinden.“ Zulassung über eine schwache Evidenz verfügten, aber sehr viel kosteten. In der Krebsbehandlung Preisobergrenzen für Sozialversicherung addierten sich die Kosten sogar, weil Therapien oft Bei der Techniker Krankenkasse haben die neuen miteinander kombiniert werden. Wasem sieht dadurch Arzneimittel des Jahres 2017 im folgenden Jahr einen die Balance von Medikamentenzugang einerseits und Ausgabenanstieg von sieben Prozent verursacht – da- Kostenkontrolle andererseits gefährdet. Er regt eine bei lag die Menge der verordneten Packungen rund 55 Diskussion zur sogenannten „vierten Hürde“ an. Diese Prozent unter der des Vorjahres. Der durchschnittliche würde bedeuten: Arzneimittel werden nicht mehr au- Preis pro Packung stieg im Vergleich zum Vorjahr um tomatisch nach der Zulassung von der GKV erstattet. knapp 140 Prozent auf 3.066 Euro. Hauptverantwort- Erst nach der Preisverhandlung zwischen Kassen und lich für diesen enormen Kostenanstieg seien neben Industrie hätten Patienten einen Leistungsanspruch. Spinraza fünf Arzneimittel, deren Kosten pro Packung im fünfstelligen Bereich liegen. Der TK-Vorstandsvor- Nachgefragt bei Prof. Jürgen Wasem: sitzende Dr. Jens Baas stellt bei der Vorstellung des In- Kann eine vierte Hürde für eine verlässliche Ba- novationsreports die Frage nach einem angemessenen lance zwischen Zugang und Kostenkontrolle bei Preis. Der Umstand, dass all diese kostenintensiven Arzneimitteln sorgen? Arzneimittel der Behandlung schwerer Erkrankungen „Deutsche GKV-Patienten haben im EU-Vergleich sehr dienten, mache die Preisdiskussion auch zu einer „ethi- rasch Zugriff auf neue Medikamente. Dies ist auch schen Debatte“. Er verlangt für die Preisbildung mess- © stock.adobe, Alexey Novikov Ergebnis des Verzichts auf eine vierte Hürde. Das bare und transparente Kriterien und nennt konkret: AMNOG hat diese Wertentscheidung für einen ra- eine Beurteilung des „medical need“, Versorgungssi- schen Zugang unter Inkaufnahme von ggfs. zu hohen cherheit sowie europäische Forschungsstandorte. Auf Preisen getroffen. Basis dieser Kriterien könne die Sozialversicherung Daran würde ich nicht rütteln wollen. Fraglich ist dann Preisobergrenzen festlegen. aber, ob der frei gesetzte Einstandspreis ein ganzes Jahr gelten muss. Ich könnte mir vorstellen, dass Nachgefragt bei Dr. Jens Baas: der verhandelte Erstattungsbetrag rückwirkend zum Lassen sich Preisobergrenzen mit dem gesetzlich Zeitpunkt des G-BA-Beschlusses über die Nutzenbe- verankerten Anspruch auf Teilhabe am medizinischen wertung greift. Da wir nach der Bundestagswahl im Fortschritt vereinbaren? Herbst 2021 voraussichtlich vor dem Zwang erhebli- „Seit Jahren verzeichnen wir stark steigende Prei- cher Kostendämpfung stehen werden, könnte dadurch se für neue Arzneimittel. Mit Blick auf die extremen auch ein Beitrag zur Ausgabenbegrenzung geleistet Ausgabensteigerungen in der gesetzlichen Kranken- Höchstgrenzen, vierte Hürde und Co. Welche Rezepte gegen hochpreisige Arzneimittel diskutiert werden • Berlin (pag) – Hochpreisige Arzneimittel werden immer mehr zu einer Herausforderung für das GKV-System. Viele Kassenvertreter schlagen Alarm. Es wird über Höchstgrenzen für Arzneimittelpreise und eine vierte Hürde diskutiert. Lesen Sie, welche Experten sich äußern und welche Vorschläge kursieren. Prof. Jürgen Wasem (li.) prophezeit einen „Zwang erheblicher Kostendämpfung“. Eine „faire Preisgrenze ziehen“ will Dr. Jens Baas. © pag, Fiolka
• Seite 12 Im Fokus GERECHTE GESUNDHEIT November 2020 Im Fokus Seite 13 • versicherung ist die Frage drängender denn je, wie Gleiches gelte für patentfreie Nichtbiologika aus der Nachgefragt bei Andreas Storm Vorstand Roche Pharma AG, bei der Diskussion. Die wir das System finanzierbar halten, damit sich die Gruppe der Krebsmedikamente. Ferner kritisieren die Bei welchen Arzneimitteln halten Sie eine Kosten- Impfstoffentwicklung gegen Corona verdeutliche das Versichertengemeinschaft den medizinischen Fort- Herausgeber eine schleppende Umsetzung des deut- Nutzen-Bewertung für sinnvoll? hohe Investitionsrisiko: Von den rund 140 Projekten schritt in Form von guten Innovationen leisten kann. schen Festbetragssystems. „Durch die absehbare Zunahme von neuartigen, früh würden nur bis zu fünf übrig bleiben, der Rest blei- Medizinischer Fortschritt kann dabei jedoch nicht die eingesetzten und sehr hochpreisigen Medikamenten be auf der Strecke. „Bei Preisen zahlen Sie nicht im alleinige Rechtfertigung sein, Preise willkürlich in die wird sich der Arzneimittelmarkt in den kommenden vollen Umfang die Forschungs-, Entwicklungs- oder Höhe zu treiben. Um angemessene Preise verhandeln Das Nutzenbewertungsverfahren mutig weiter- Jahren grundlegend verändern. Daher muss sich auch Produktionskosten, sondern die Gedankenleistung, zu können, brauchen wir politische Rahmenbedingun- entwickeln unser Verständnis von Zugang, Evidenzgenerierung das Intellectual Property.“ Starre Grenzwerte für den gen und objektivierbare Kriterien, anhand derer für Der AMNOG-Report 2020 der DAK widmet sich um- und Erstattung weiterentwickeln. Unabhängig von be- Preis neuer Arzneimittel lehnt der Medizinethiker Prof. alle Seiten faire Preisgrenzen zu ziehen sind.“ fänglich dem zehnjährigen Jubiläum des Verfahrens. stimmten Wirkstoffvorschlägen ist es wünschenswert, Georg Marckmann zwar ab, aber Signalgrenzwerte für Er enthält unter anderem eine Befragung von 45 dass die beteiligten Akteure sowie der Gesetzgeber das Kosten-Effektivitäts-Verhältnis kann er sich durch- Experten aus Krankenkassen, Verbänden, Kassen- kooperativ und mutig an der Fortentwicklung des aus vorstellen. Werden diese überschritten, müsse es Vielfältige Rezepte gegen den „Ausgabenboom“ ärztlichen Vereinigungen und Industrie. Demnach bewährten Nutzenbewertungsverfahrens arbeiten. Ich dafür gute Gründe geben, verlangt er, etwa dass es Der im Herbst veröffentlichte Arzneiverordnungs-Re- bewerten 70 Prozent aller Befragten das AMNOG mit bin sicher, dass in diesem Zusammenhang die Frage sich um schwerwiegende oder vernachlässigte Krank- port (AVR) moniert einen „kontinuierlichen Ausga- der Schulnote „gut“. Die großen Streitthemen sind der Bezahlbarkeit stärker in den Fokus rücken wird. heiten handelt. Um über verschiedene Bereiche hin- benboom“ bei Arzneimitteln. Trotz jährlicher Ein- vor allem Mischpreise, Endpunkte sowie die Preis- Wichtig ist mir dabei, dass eine Debatte auf gesamt- weg vergleichen zu können, müsste dieses Verhältnis sparungen von 16,8 Milliarden Euro durch gesetzliche festsetzung im ersten Jahr. Als verbesserungswürdig gesellschaftlicher Ebene möglich ist, die auch schwie- in Kosten pro QALY (qualitätsgewichtetem Lebens- Maßnahmen seien die Ausgaben im vergangenen Jahr werden genannt: Preisverhandlungen (32 Prozent), rige ethische Fragestellungen nicht auslässt.“ jahr) angegeben werden. um 5,4 Prozent auf 43,4 Milliarden Euro angestiegen. Bewertungssystematik (25 Prozent), Orphan Drugs Dafür machen die AVR-Herausgeber Prof. Wolf-Dieter sowie die Kommunikation (jeweils zwölf Prozent). Bei Nachgefragt bei Prof. Georg Marckmann Ludwig und Prof. Ulrich Schwabe insbesondere neue der Vorstellung des Reports stellt DAK-Chef Andreas Signalgrenzwerte für das Kosten-Effektivitäts- Wer soll die Signalgrenzwerte festlegen? hochpreisige patentgeschützte Arzneimittel verant- Storm die Frage, wie taufrisch das AMNOG-Verfahren Verhältnis In der Höhe des Grenzwertes für das Kosten-Effektivi- wortlich. Neben Onkologika (8,2 Milliarden Euro, +13,7 überhaupt noch sei. Weitere Anregungen des Vor- Bei einer Diskussionsrunde der Barmer zum Umgang täts-Verhältnis müsste sich die Zahlungsbereitschaft Prozent im Vergleich zum Vorjahr) zeigten sich auch standsvorsitzenden der Kasse: Ist eine Erweiterung mit hochpreisigen Arzneimitteln nennt Prof. Wolfgang für Gesundheitsgüter in einem Land wiederspiegeln. bei Immunsuppressiva, Antithrombotika und Dermati- insbesondere für hochpreisige Arzneimittel notwen- Greiner, Universität Bielefeld, kürzlich folgende Zah- Insofern wäre es in Deutschland beispielsweise ange- ka überdurchschnittliche Zunahmen. Aber: Es hapere dig? Sollten wir von der Nutzen- zu einer Kosten-Nut- len: Die durchschnittlichen Gesamtkosten für die Be- messen, wenn der Grenzwert vom Bundesministerium auch an effektiven Marktregulierungsmechanismen zen-Betrachtung kommen? handlung hätten sich bei neuen Wirkstoffen von 2011 für Gesundheit vorgegeben würde, in enger Abstim- nach Ablauf des Patentschutzes. Biosimilars seien bis 2019 vervierfacht (von 40.000 auf 152.300 Euro). mung mit den für die GKV zuständigen Institutionen hierzulande wesentlich teurer als in anderen Ländern, Allerdings werde ein Großteil der neuen Wirkstoffe wie Gemeinsamer Bundesausschuss und IQWiG. Wenn inzwischen für relativ kleine Patientengruppen ge- ein Medikament mit dem vom Pharmaunternehmen macht, meint der Gesundheitsökonom. 40 Prozent der vorgeschlagenen Preis deutlich über dem Kosten-Ef- neuen Arzneimittel hätten eine Zielgruppe, die unter fektivitäts-Grenzwert liegt, kann man dies als gewich- 1.000 Patienten liege. „Innovationen können grund- tiges Argument in den Preisverhandlungen nutzen. • sätzlich nicht günstig sein“, sagt Dr. Hagen Pfundner, Andreas Storm (li.) will die „Bezahlbarkeit stärker in den Fokus rücken“. Prof. Georg Marckmann plädiert für einen „Grenzwert für das Kosten-Effek- Die großen Streitthemen des AMNOG sind Mischpreise, Endpunkte und die Preisfestsetzung im ersten Jahr. © iStockphoto, Feodora Chiosea tivitäts-Verhältnis. © pag
• Seite 14 Im Fokus GERECHTE GESUNDHEIT November 2020 Im Fokus Seite 15 • Datenlandschaft im Aufbau Mehr Nutzung, Akzeptanz und Autonomie Berlin (pag) – Im Gesundheitswesen wird eine Vielzahl von Daten produziert. Doch noch immer stößt deren Nutzung auf vielfältige Hindernisse. Ist die Zeit reif, grundlegend umzudenken? Im Herbst haben gleich drei Ministerien – das Bundes- Die wissenschaftsbasierte Auswertung gesundheits- ministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das relevanter Daten soll die Patientenversorgung verbes- Bundesgesundheitsministerium (BMG) und das Bun- sern, der medizinische Fortschritt soll vorangetrieben desministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) werden und – last but not least – geht es den drei – eine Roadmap zur Initiative „Daten für Gesundheit“ Ressorts darum, die Innovationskraft des Standorts veröffentlicht. Folgende Ziele werden darin postuliert: Deutschland zu steigern.
• Seite 16 Im Fokus GERECHTE GESUNDHEIT November 2020 Im Fokus Seite 17 • Strategien, Gesetze und Initiativen zung ihres Strategiepapiers „Interoperabilität 2025“. Zenker und Semler plädieren bei der Datenspende für die Patientenautonomie steigern wir nicht durch eine Diese Initiative ist nur eine von vielen, die dem digitalen Die Vielzahl an Strategien, Gesetzen und Initiativen ein einfach auszuübendes Widerspruchsmodell (opt- Vielzahl immer länger werdender Informations- und Wandel den Weg bereiten soll. Die Bundesregierung zeigt die Komplexität des Themas. Viel tut sich – end- out). Besonders wichtig ist ihnen: Die Spende sollte Einwilligungsunterlagen“, sagt Semler. Solche Prozesse hat die engere Vernetzung von Patientenversorgung lich auch an Stellen, an denen lange Zeit Blockade auf zeitlich und räumlich vom Kontext einer medizinischen sollten sinnvoll organisiert werden, das bedeutet: leist- und Gesundheitsforschung bei der Nutzung von digita- der Tagesordnung stand, wie bei der Gematik. Dennoch Behandlung entkoppelt und stattdessen im normalen bar für die eine Seite sowie verständlich, überschaubar len Gesundheitsdaten zu einer ihrer zwölf Missionen in ist der Befund in einem Gutachten mehrerer Wissen- Alltagsleben verankert werden. „Die Akutversorgung ist und beurteilbar für die andere Seite – die Bürger bzw. der Hightech-Strategie 2025 erklärt. Außerdem werden schaftler, das kürzlich veröffentlicht wurde, noch immer ein ungünstiger Zeitpunkt, um sich mit einer längeren Patienten. Für Semler macht das Ganze nur dann Sinn, in der Roadmap genannt: die Umsetzungsstrategie ziemlich ernüchternd: „Für eine Nachnutzung seitens Aufklärung zu Forschungsprojekten zu befassen – insbe- wenn man aus dem Projektzusammenhang hinausgeht. Digitalisierung, die Datenstrategie sowie die Strategie der medizinischen Forschung interessante und relevan- sondere, wenn diese komplexe Fragestellungen verfol- „Damit brauche ich einen neuen Akteur, der die grund- Künstliche Intelligenz und die Blockchain-Strategie der te Daten sind im Gesundheitssystem vielfach vorhan- gen oder infrastrukturell angelegt sind“, sagt Semler. Die sätzliche Spende verwaltet.“ Bundesregierung. Hinzu kommen die Digitalstrategie den, aber verteilt über viele Akteure und Institutionen Bürger sollten besser angesprochen werden, bevor sie „Gestaltung der digitalen Zukunft Europas“ und die und zudem rechtlich und technisch nur sehr begrenzt in eine medizinische Notsituation kommen. „Denn eine Wie geht es weiter? Europäische Datenstrategie (European Strategy for verfügbar und verknüpfbar.“ informierte Entscheidung fällt leichter, wenn man sie mit Eine solche projektübergreifende Entität, wie Semler es Data) der Europäischen Kommission. relativ freiem Kopf fällen kann“, argumentiert Zenker. nennt, sollte völlig unabhängig von derzeit laufenden Strategien, wohin man auch schaut. Verfahren gedacht werden. „Würde man neue Anfor- Auch auf der Ebene der Gesetzgebung ist das BMG Was bringt eine Datenspende? Mehr Nutzung, Akzeptanz und Autonomie derungen zur Datenspende beispielsweise schon jetzt sehr aktiv, etwa mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz Das Gutachten im Auftrag des BMG haben unter ande- Der ärztliche Leiter der Stabsstelle Medizinisch-Wissen- an die ePA-Einführung richten, wäre damit das Projekt und dem Patientendaten-Schutzgesetz. Gegenwärtig rem PD Dr. Sven Zenker und Sebastian C. Semler, Ge- schaftliche Technologieentwicklung und -koordination überfrachtet“, befürchtet der Experte. Es handelt sich wird ein drittes Digitalisierungsgesetz auf den Weg schäftsführer der Technologie- und Methodenplattform am Universitätsklinikum Bonn nennt noch einen weite- ohnehin um eine langfristige Idee, die Strukturen von gebracht. Wichtige Impulse werden darüber hinaus mit für die vernetzte medizinische Forschung (TMF), ver- ren Grund für eine breite Bürgerbeteiligung: die deut- morgen vorausdenken soll. Die politische Debatte dazu der BMBF-unterstützten Medizininformatik-Initiative, fasst. Sie sind davon überzeugt, dass eine Datenspende liche Selektionsverzerrung. Zum Beispiel können nur beginnt gerade erst. Die Autoren des Gutachtens haben dem geplanten Forschungsdatenzentrum, das beim für die sekundäre Datennutzung im Unterschied zum die Patienten der Universitätsmedizin befragt werden, mit Patientenorganisationen wie der Bundesarbeits- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinproduk- jetzigen Verfahren die Qualität, Fairness und Effizienz die zum Zeitpunkt der Aufnahme noch ansprechbar gemeinschaft (BAG) Selbsthilfe und dem Aktionsbünd- te angesiedelt werden soll, und der nationalen For- der Gesundheitsversorgung und der medizinischen For- und einwilligungsfähig sind, sodass bestimmte Krank- nis Patientensicherheit einen Workshop veranstaltet. schungsdateninfrastruktur gesetzt. Außerdem arbeiten schung stark fördern könnte. Die Idee ist nicht neu. Auch heitsbilder und schwere Verläufe systematisch von der Geplant sind jetzt Gespräche mit Abgeordneten. Fest der Health Innovation Hub des BMG, die Gematik, der der Deutsche Ethikrat und Forschungs- und Digitalpoli- Datennutzung ausgeschlossen werden. Es geht den steht nämlich, dass sich die ehrgeizigen Pläne der Digitalverband Bitkom und der Bundesverband Ge- tiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben sich mit Wissenschaftlern also darum, ein Informationsangebot Wissenschaftler im derzeitigen Rechtsrahmen nicht sundheits-IT gerade im offenen Prozess an der Fortset- dem Thema befasst (siehe Infokasten). außerhalb des Akutkontextes zu schaffen. „Für mehr verwirklichen lassen. Ein langer Atem ist gefragt. Aber Datennutzung brauchen wir mehr Akzeptanz, mehr Ak- vielleicht ist es ja genau dieser Paradigmenwechsel, den zeptanz geschieht durch mehr Patientenautonomie und das hiesige System so dringend benötigt. • Souveräner Umgang mit Gesundheitsdaten Auch das BMBF fördert das Thema Datenspende: Die Voraussetzungen für einen verantwortungsvollen und reflektierten Umgang mit Gesundheitsdaten stehen im Zentrum eines neuen Forschungsprojekts, das von Informatikerinnen und Informatikern der Freien Universität Berlin koordiniert wird. Ziel des For- schungsvorhabens „WerteRadar – Gesundheitsdaten souverän spenden“ ist es, eine integrative und inter- aktive Software zur reflektierten Weitergabe von Gesundheitsdaten zu konzipieren, zu evaluieren und um- zusetzen. Gefördert wird WerteRadar vom BMBF mit rund 480.000 Euro, die Laufzeit beträgt drei Jahre. „Mit Daten Leben retten“ Parallel zum Gesetzgebungsverfahren des Patientendaten-Schutzgesetzes haben Gesundheits-, For- schungs- und Digitalpolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ende Mai ein Positionspapier verfasst. Der Titel lautet „Mit Daten Leben retten: Für eine bessere Patientenversorgung durch Digitalisierung und Gesundheitsforschung“. Sie können sich unter anderem „perspektivisch“ vorstellen, dass in Deutschland ansässige forschende Unternehmen der Gesundheitswirtschaft in den Kreis der Antragsberechtigten für das Forschungsdatenzentrum aufgenommen werden. Darüber hinaus machen sie sich für eine verlässliche Infrastruktur stark, in der Datenflüsse zwischen Patienten, Versorgung und Forschung koordiniert werden. Den Unionspolitikern schwebt eine zentrale nationale Instanz nach Vorbild des US-amerikanischen „Office of the National Coordinator for Health Information Technology“ vor. Digitaler Umbruch, Paradigmenwechsel – wie lässt sich dei Transformation des hiesigen Gesundheitswesens bewerkstelligen? © iStockphoto, Maksim Tkachenko
• Seite 18 Im Gespräch GERECHTE GESUNDHEIT November 2020 Im Gespräch Seite 19 • den Daten haben, und eine gute Auf- Studie. Die beiden Dinge werden in Göttingen wird unter der Leitung sicht über das Ganze mit Berichts- gegenübergestellt, als wäre die von Frau Prof. Silke Schicktanz unter- wesen, darüber, was denn am Ende individualisierte Medizin eine Ab- sucht, wie Patienten strukturell be- als Nutzen herauskommt. kehr von der evidenzbasierten teiligt werden können, also sowohl in Medizin. In Wirklichkeit ist es eine den Entscheidungsgremien als auch Welche Konflikte ergeben sich zwi- Weiterentwicklung, die aufgrund bei der Bereitstellung von Daten schen Personalisierter und Big-Data- des Fortschritts der Erkenntnis und beispielsweise im kardiologischen Medizin einerseits und den Prinzi- der Möglichkeiten, die Krankheit des Anwendungsbereich, wo Patienten pien der evidenzbasierten Medizin Einzelnen besser zu charakterisieren, durch die App schon bei der Daten- andererseits? Und wie lassen sich auch eine Weiterentwicklung unserer generierung miteinbezogen sind. diese im Sinne des Patienten lösen? Systematik und Methodik bezüglich eines gut abgesicherten Nutzens Wie erleben Sie die Bereitschaft, Personalisiert klingt immer etwas erfordert. Der Nutzennachweis muss Daten zur Verfügung zu stellen? irreführend, als wenn jede einzelne auch weiter der Standard sein. Person ihre eigene Medizin erhält. Insgesamt ist die bei Krebspatien- Tatsächlich beruht die stratifizierte Sind Patienten auch in diesen gan- ten recht hoch, aber man muss je Medizin, die hier gemeint ist, auf zen Prozess involviert? nach Bedürfnis unterschiedliche Biomarkern, die Patientenkohorten Intensitäten und Beteiligungsformen besser definieren. Deshalb werden Ja. Ein Schwerpunkt ist die soge- anbieten. Einige Patienten sind mit die Patientengruppen immer kleiner, nannte Stakeholder-Beteiligung und ihrer Krankheit beschäftigt. Aber große Studien lassen sich nicht mehr Partizipation von Patienten – sowohl es gibt viele Patienten, die sagen, durchführen. auf nationaler Ebene als auch im man müsste eigentlich mehr mit den Eine gute Aufklärung ist die erste ethische Herausforderung, sagt Prof. Eva Winkler. © pag, Fiolka Rahmen von unseren medizinischen Daten forschen, die sie bereitstellen. Was ist die Konsequenz dessen? Schwerpunktprojekten im Rahmen Keiner möchte keine Forschung. • des HiGHMed-Konsortiums. Wir Damit verlassen wir den Goldstan- haben drei Standorte dafür: Göttin- dard der großen randomisierten gen, Berlin und Heidelberg. Gerade „Keiner möchte keine Forschung“ Prof. Eva Winkler über Datennutzung und Patientenbeteiligung Moderne Informationsinfrastrukturen sollen Ergebnisse aus der Forschung rasch in die Was ist HiGHmed? klinische Praxis bringen. Das Ganze birgt aber nicht nur technische und rechtliche, sondern auch ethische Herausforderungen. Mit ihnen beschäftigt sich die Ärztin Prof. Eva Winkler. Das Konsortium HiGHmed bündelt und integriert im ten organisations- und institutionsübergreifend zu- Im Interview erklärt sie, warum gute Aufklärung und ein gerechter Zugang essenziell sind. Rahmen der Medizininformatik-Initiative Kompeten- sammen, um einen Verbund von Datenintegrations- zen von acht Universitätskliniken und medizinischen zentren aufzubauen. Anhand von drei klinischen Use Fakultäten sowie weiteren Partnern aus Wissen- Cases sollen die Zentren demonstrieren, wie Daten, schaft und Industrie. Das Ziel: innovative Informa- Informationen und Wissen aus Krankenversorgung Können Sie anhand eines Beispiels Bei HiGHmed arbeiten Sie zu den einem konkreten Beispiel wie diesem: tionsinfrastrukturen entwickeln und so einen schnel- sowie klinischer und biomedizinischer Forschung erläutern, was Patienten konkret ethischen Aspekten des Projekts. Wenn ein Forscher herausfinden will, leren Transfer von Ergebnissen aus der Forschung in zum Wohle von Patienten über die Grenzen von von den Datenintegrationszentren Welche ethischen Fragen sind denn ob bei Bauchspeicheldrüsenkrebs ein die klinische Praxis ermöglichen. Die Partner arbei- Standorten hinweg verknüpft werden können. haben, die im Rahmen der Medizin- bei der datenbasierten Versorgung Zusammenhang mit Bluthochdruck informatik-Initiative an den uni- und Forschung vorrangig zu klären? besteht, dann stellt er eine Anfrage • Use Case Onkologie: Gezieltere Krebsbehandlung durch übergreifenden Wissensaustausch versitätsmedizinischen Standorten an die Medizininformatik-Initiative. • Use Case Kardiologie: Früherkennung und Vermeidung von Krankheitsschüben bei Langzeit-Verläufen eingerichtet wurden? Zuerst einmal ist es wichtig, Pa- Dort initiiert man eine grobe Suche, • Use Case Infektionskontrolle: Krankenhausinfektionen verstehen, vorhersehen und verhindern tientinnen und Patienten genau zu wie viele Patientendatensätze zu Einen direkten persönlichen Nutzen erklären, welche Intention mit der der Fragestellung vorliegen und im © NCT-Heidelberg gibt es zunächst nicht. Die Medi- Nutzung der Daten verfolgt wird, zu nächsten Schritt kann der Forscher zininformatik-Initiative dient der welchem Zweck wir diese Daten be- dann einen Antrag auf Nutzung der Zur Person Forschung. Dahinter steckt die Idee, nötigen. verschlüsselten Datensätze stellen. Es die vielen klinischen Daten, die in Damit ist eine gute Aufklärung die muss klare Regeln geben, wer Zugriff Prof. Eva Winkler ist Oberärztin an der Klinik für Medizinische Onkolo- den verschiedenen Datenbanken erste ethische Herausforderung, weil hat, dass nur diese Forschungsfrage gie, Universitätsklinikum Heidelberg. Sie leitet den Schwerpunkt „Ethik der Kliniken und Arztpraxen liegen, man zum Zeitpunkt der Aufklärung bearbeitet wird und die Daten da- und Patientenorientierung in der Onkologie” vom Nationalen Centrum nutzbar zu machen. Die Auswer- noch nicht spezifisch sagen kann, nach gelöscht werden. Kurz: Zu den für Tumorerkrankungen und der Uniklinik Heidelberg. Außerdem ist sie tungen können helfen, die Qualität in welche Projekte die Daten genau ethischen Herausforderungen gehört Projektsprecherin von EURAT – Ethische und rechtliche Aspekte der der Versorgung zu verbessern, aber gehen und wo genau der Nutzen die Aufklärung der Patienten, der ge- Totalsequenzierung des menschlichen Genoms. Bei dem HiGHmed- auch ganz neue Fragestellungen in entsteht. Wir müssen vielmehr die rechte Zugang für alle Forscher, klare Konsortium arbeitet Prof. Winkler als Ethik-Expertin mit. der Forschung zu beantworten. Infrastruktur erklären, am besten mit Kriterien, nach denen sie Zugang zu
• Seite 20 In Kürze GERECHTE GESUNDHEIT November 2020 In Kürze Seite 21 • Gesundheit und Gerechtigkeit bei der Arbeit Jahr um weitere Angaben ergänzt werden – unter anderem wird die vationen und neue Denkansätze würden dadurch im Keim erstickt, kenhäuser und Krankenkassen. Im Vergleich zu den früher eingereich- Art der beteiligten Leistungserbrin- schreibt der Verband in seiner ten vollständigen Anträgen erhielt • Berlin (pag) – Wer sich von seinem Vorgesetzten fair behandelt fühlt, fehlt seltener ger genannt. Stellungnahme zum geplanten Ver- der Ausschuss deutlich mehr Skiz- krank bei der Arbeit. Zu diesem Ergebnis kommt das Wissenschaftliche Institut der AOK Alle Selektivverträge und Verträ- sorgungsverbesserungsgesetz. Es zen. G-BA-Chef Prof. Josef Hecken (WIdO) im Fehlzeiten-Report 2020. Die Mitherausgeber sehen Handlungsbedarf. ge der hausarztzentrierten Ver- sieht unter anderem vor, dass auch führt die große Resonanz auf das sorgung hat das Bundesamt für nicht-ärztliche Leistungserbringer neue zweistufige Verfahren zurück, Soziale Sicherung (BAS) in einer an besonderen Versorgungsaufträ- das der Gesetzgeber im vergange- Im Fokus des Reports steht der Zusammenhang von heitswissenschaftler von der Universität Bielefeld, Liste auf seiner Internetseite ver- gen beteiligt werden können. Auch nen Jahr eingeführt hat. • Gerechtigkeit und Gesundheit. Dafür befragte das steht angesichts dieser Ergebnisse fest, „dass wir in öffentlicht. Damit kommt das Amt regional begrenzte Versorgungs- WIdO Anfang des Jahres 2.500 Arbeitnehmer zu Deutschland Dinge grundsätzlich in Zukunft anders einer Regelung aus dem Fairer-Kas- innovationen werden ermöglicht. Weiterführender Link ihrem Gerechtigkeitsempfinden am Arbeitsplatz sowie machen müssen als bisher“. Badura beklagt vor allem senwettbewerb-Gesetz nach. Die Vorgesehen ist ferner, dass der https://www.bundes- zu gesundheitlichen Beschwerden. Demnach weisen „überkommene Vorstellungen von Führung“ und Vertragstransparenzstelle soll die Nachweis der Wirtschaftlichkeit amtsozialesicherung. Arbeitnehmer, die ihre Führungskraft als ungerecht „Kulturen des Misstrauens und der Angst in Unterneh- Datengrundlagen für den Risiko- von Selektivverträgen innerhalb de/de/vertragstrans- empfinden, im Durchschnitt 15 Arbeitsunfähigkeitstage men“. Dies schade den Beschäftigten und der Volks- strukturausgleich sichern. Zugleich von vier Jahren entfällt. Und: Ver- parenzstelle pro Jahr auf. Diejenigen, die ihre Führungskraft als fair wirtschaft gleichermaßen. Führungskräfte müssten will das BAS Transparenz über die sicherungsübergreifende Versor- einstufen, kommen dagegen lediglich auf 12,7 Tage. heute nicht nur über fachliche, sondern vor allem über Verträge der Krankenkassen für gungsformen und eine Beteiligung Zudem erscheinen erstere häufiger entgegen dem Rat soziale Kompetenz verfügen. • Versicherte, Aufsichtsbehörden und an Versorgungsinnovationen ande- eines Arztes bei der Arbeit. „Gefühlte Ungerechtigkeit die interessierte Fachöffentlichkeit rer Träger, z.B. kommunaler Ein- bringt dabei insbesondere emotionale Irritationen und schaffen. BAS-Präsident Frank Plate richtungen der Sozial- und Jugend- psychosomatische Beschwerden mit sich“, erläutert spricht von einem wichtigen Schritt hilfe, werden ermöglicht. Insgesamt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer für einen „fairen und transparenten begrüßt der BMC diese Reformen, des WIdO und Mitherausgeber des Fehlzeiten-Re- Wettbewerb“ zwischen den gesetz- kritisiert aber grundsätzlich, dass ports. Doch auch körperliche Leiden wie Rücken- und lichen Krankenkassen. Das Verzeich- keine Anreize für die Skalierung Gelenkbeschwerden, Kopfschmerzen, Atemwegs- nis solwl im kommenden Jahr um erfolgreicher Projekte bestehen. erkrankungen und Herz-Kreislauf-Beschwerden treten weitere Angaben ergänzt werden Zumindest an Denkanstößen für wesentlich häufiger auf, wenn sich Arbeitnehmer – unter anderem wird die Art der be- innovative Versorgungsformen ungerecht behandelt fühlen. „Das war für uns über- teiligten Leistungserbringer genannt. scheint derzeit kein Mangel zu raschend“, räumt Schröder ein. Im Mittel über alle herrschen: Der Innovationsaus- Beschwerden klagen Arbeitnehmer, die sich von ihrer Innovationen im Keim erstickt schuss beim Gemeinsamen Bun- Führungskraft unfair behandelt fühlen, etwa viermal Unterdessen kritisiert der Bundes- desausschuss (G-BA) hat 136 so oft über gesundheitliche Probleme wie diejenigen, verband Managed Care (BMC) die Ideenskizzen im Bereich neue Ver- die die Behandlung als fair empfinden. „sehr restriktive“ Prüfpraxis von sorgungsformen erhalten. Antrag- Für Mitherausgeber Prof. Bernhard Badura, Gesund- © iStockphoto, BrianAJackson IV-Verträgen durch das BAS. Inno- steller sind Universitäten, Kran- © iStockphoto, ferrantraite Mauerblümchendasein ade bei der Integrierten Mit der Integrierten Versorgung die Sektorengrenzen überwinden? Das scheint noch ein langer Weg zu sein. Versorgung? • Berlin (pag) – 20 Jahre nach Einführung der Integrierten Versorgung haben Selektivverträge noch immer nicht die erwünschte Systemwirkung erzielt. Trotzdem seien sie das wichtigste Instrument zur Überwindung der Sektorengrenzen, meint der Bundesverband Managed Care. Aktuell plant der Gesetzgeber, die Spielräume für Selektivverträge zu erweitern. Und auch in Sachen Transparenz tut sich etwas. Alle Selektivverträge und Verträ- senwettbewerb-Gesetz nach. Die die interessierte Fachöffentlich- ge der hausarztzentrierten Ver- Vertragstransparenzstelle soll die keit schaffen. BAS-Präsident Frank sorgung hat das Bundesamt für Datengrundlagen für den Risiko- Plate spricht von einem wichtigen Soziale Sicherung (BAS) in einer strukturausgleich sichern. Zugleich Schritt für einen „fairen und trans- Liste auf seiner Internetseite ver- will das BAS Transparenz über die parenten Wettbewerb“ zwischen öffentlicht. Damit kommt das Amt Verträge der Krankenkassen für den gesetzlichen Krankenkassen. einer Regelung aus dem Fairer-Kas- Versicherte, Aufsichtsbehörden und Das Verzeichnis soll im kommenden
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