Versicherungsforen-Themendossier - Schadentrends im Fokus: Cyberrisiken, Digitali-sierung und Dienstleistersteuerung - Versicherungsforen Leipzig

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Versicherungsforen-Themendossier

                                                            Nr. 3/2016 | 15. Februar 2016

 Schadentrends im Fokus: Cyberrisiken, Digitali-
 sierung und Dienstleistersteuerung

S3                            S7                              S12
Cyberrisiken: Aktuelle Phä-   Interview: Innovation in        Mobile Schadenregulierung
nomene und neues Gefähr-      der Versicherungswirtschaft     von Gebäudeschäden
dungspotenzial                und die Rolle des Schaden-
                              managements
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Abstract

Der Orkan »Niklas« Ende März letzten Jahres zeigte wieder       zum Standort, zur Wetterlage oder auch durch die Einbin-
ganz deutlich, dass ein einziges Naturereignis ein enormes      dung von Online-Bezahlsystemen. Hier spielen Kooperatio-
Schadenausmaß haben kann. Laut dem GDV war »Niklas« für         nen mit spezialisierten Dienstleistern eine wesentliche Rolle.
rund ein Drittel der Schäden im Jahr 2015 verantwortlich und    Die Dienstleistersteuerung ist ein Thema, das die Versicherer
kostete die Versicherungswirtschaft rund 750 Millionen Euro.    nach wie vor sehr beschäftigt. Sie sind mehr und mehr da-
Nach vorläufigen Zahlen des Verbands fielen die Schäden         bei, Dienstleisternetze für die Bearbeitung ihrer Schadenfälle
insgesamt höher aus als im Vorjahr, was sich auch in einem      aufzubauen oder sich an ihnen zu beteiligen.
Anstieg der Combined Ratio und einem geringeren versiche-
rungstechnischen Ergebnis niedergeschlagen hat. Vor allem       Neben den Chancen, die die zunehmende digitale Vernet-
die Wohngebäudeversicherung, das Sorgenkind der Branche,        zung bereithält, entstehen eben dadurch auch neue Risiken.
ist regelmäßig von solchen Großereignissen betroffen.           In einer vernetzten Welt entsteht durch Cyber-Kriminalität
                                                                ein Bedrohungsszenario von besonderem Ausmaß. Laut dem
Der steigende Kostendruck, aber auch die höheren Erwar-         Allianz Risk Barometer 2016 führen Cyber-Angriffe die Rang-
tungen des Kunden, der an allen Kommunikationsschnitt-          liste der Emerging Risks an. Ein neuer Bedarf an Versiche-
stellen (egal ob Vertragsabschluss oder Schadenmeldung)         rungsschutz entsteht, die Angebote sind heute aber noch
einen nahtlos funktionierenden Kundenservice und Online-        recht dünn gesät, was sicherlich auch daran liegt, dass den
Kontaktmöglichkeiten erwartet, zwingen die Versicherer zu       Versicherern bislang die Erfahrungswerte fehlen.
Verbesserungen in allen Bereichen der Wertschöpfungskette.
Dabei bietet die Digitalisierung den Versicherern neue Poten-   Im aktuellen Themendossier greifen wir diese Themen auf
ziale zur Steigerung der Kundenzufriedenheit und zur Sen-       und schauen auf künftige Entwicklungen im Schadenmana-
kung des Schadenaufwands, bspw. durch die Erfassung von         gement.
Schäden durch den fachkundigen Experten per Video oder
Chat, die Nutzung zusätzlicher Daten etwa Informationen

Inhaltsübersicht

Cyberrisiken: Aktuelle Phänomene und neues Gefährdungspotenzial                                                             3

Interview: Innovation in der Versicherungswirtschaft und die Rolle
des Schadenmanagements                                                                                                      7

Interview: Schadenmanagement bei Naturereignissen                                                                         10

Mobile Schadenregulierung von Gebäudeschäden                                                                              12

Senkung der Schadenkosten im Gebäudeschaden                                                                               14

Vom Schadenmanager zum Systemanbieter in der (Wohn-)Gebäudeversicherung                                                   16

Versicherungsforen in eigener Sache                                                                                       18
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Cyberrisiken: Aktuelle Phänomene und neues Ge-
fährdungspotenzial

46 Millionen Deutsche nutzen mittlerweile ein Smartphone.                                                Begriffe Cyber Crime, Cyber Security, Cyber Risk und Cyber
Laut Prognosen steigt die Nutzerzahl bis 2019 jedes Jahr um                                              Terrorism häufig synonym verwendet. Die Definitionspro-
16 Prozent. Noch stärker steigt der darüber stattfindende Da-                                            bleme rühren daher, dass es sich bei Cyberrisiken nicht um
tenverkehr (+60,1 Prozent jährlich). Moderne IT und das In-                                              Einzelrisiken, sondern um ein Bündel von verschiedenen Ri-
ternet sind aus unserem privaten und beruflichen Leben nicht                                             siken handelt. So beinhaltet der Begriff u.a. Hackerangriffe,
mehr wegzudenken. Aus Sicht der Unternehmen bleiben das                                                  Computerviren, DDOS Angriffe, Datendiebstahl, Datenverlust
Internet of Things und Industrie 4.0 die großen Treiber auf                                              etc. Dabei erstreckt sich das Cyberrisiko nicht nur auf die
dem Markt der Informationstechnologie. Einer Studie von                                                  klassische IT, sondern auch auf die mobile Kommunikation
PricewaterhouseCoopers zufolge will die deutsche Industrie                                               und Social Media. Die Risiken können dabei aus externen
bis 2020 40 Milliarden Euro pro Jahr und somit knapp 3,5                                                 oder internen (Mitarbeiter-)Quellen resultieren. Somit kann
Prozent ihres Jahresumsatzes für Industrie 4.0 ausgeben.                                                 man sagen, dass sich das Cyberrisiko auf die gesamte inter-
Die Entwicklung immer leistungsfähigerer Informationstech-                                               ne und externe Kommunikation, die IT-Netzwerke sowie die
nologien, die stetig steigende Zahl von Internetnutzern und                                              Infrastruktur erstreckt.
die immer umfassendere Vernetzung und Abhängigkeit der
Geräte untereinander bedeuten jedoch hohe Anforderungen                                                  Vielschichtig ist auch das mögliche Ausmaß der Schäden
an die Sicherheit der IT-Systeme. Cyberrisiken sind kein neu-                                            durch Cyberrisiken: angefangen beim Missbrauch von Kun-
es Phänomen; Unternehmen beschäftigen sich – wenn auch                                                   deninformationen über Diebstahl geistigen Eigentums bis hin
in unterschiedlicher Intensität – seit einigen Jahren intensiv                                           zu Rufschädigungen. Folgen sind wiederum der Imageverlust
mit den Gefahren. Auch die Angebote der Versicherer zur                                                  durch besagte Datenlecks, finanzielle Einbußen durch den
Absicherung gegen Schäden aus Cyberrisiken haben sich                                                    Unternehmensstillstand, Diebstahl von Geschäftsgeheimnis-
kontinuierlich ausgeweitet. Aufgrund der hohen Sensibilität                                              sen oder operative Einschränkungen durch die Manipulation
der Daten fehlen jedoch verlässliche und konsistente Infor-                                              von technischen Geräten.
mationen über Schadenfälle und -höhen.

                                                                                                         Aktuelle Zahlen
Unklare Definition
                                                                                                         Aufgrund der nicht eindeutigen definitorischen Abgrenzung
Obwohl Cyberrisiken zunehmend an Bedeutung gewinnen,                                                     sind Zahlen über Schäden nur punktuell betrachtbar. Laut
besteht bisher keine eindeutige Definition. Auch werden die                                              einer repräsentativen Befragung des Deutschen Instituts
                                                                                                         für Wirtschaftsforschung (DIW) vom Februar 2015 sind Pri-
       Das stellt aus Sicht der Entscheider ein großes Risiko in Deutschland dar                         vatpersonen im Gesamtumfang von mehr als 14,7 Millionen
                          71
                                                   67        Computerviren
                                                                                                         Fällen pro Jahr von Internetkriminalität betroffen. Das ent-
 62
                          66
                                                   70                                                    spricht einem Gesamtschaden von 3,4 Milliarden Euro.1
                          48                       49        Datenbetrug im Internet
 57

                                                             dass andere Staaten (bspw. USA,             Das Bundeslagebild Cybercrime2 stellt die jährlich erfassten
                                                             China) die deutschen Bürger zu sehr
                          22
                                                   19        überwachen                                  Fälle von Cybercrime im engeren Sinn dar. Diese umfassen
                                                             dass der dt. staat die Bürger zu sehr
                                                             überwacht

                                                                                                         1 Johannes Rieckmann, Martina Kraus: Tatort Internet: Kriminalität verursacht
2013                     2014                     2015
                                                                                                         Bürgern Schäden in Milliardenhöhe, Dezember 2015, online unter: https://www.diw.
in Prozent, Basis: Bundesrepublik Deutschland, Abgeordnete und                                           de/documents/publikationen/73/diw_01.c.498298.de/15-12-6.pdf
                                                                                                         2 Bundeskriminalamt: Bundeslagebild Cybercrime 2014, online unter: http://www.
Führungskräfte in mittleren und großen Unternehmen, Quelle: IfD Allens-                                  bka.de/DE/ThemenABisZ/Deliktsbereiche/InternetKriminalitaet/Lagebilder/lagebil-
bach, September 2015                                                                                     der__node.html?__nnn=true

                                                                                                     3
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alle Straftaten, die sich gegen das Internet, Datennetze, in-                              kongress 32C3 massive Sicherheitslücken beim Bezahlen mit
formationstechnische Systeme oder deren Daten richten. Für                                 Giro-Karten und Prepaid-Karten demonstriert. Vor mehreren
das Jahr 2014 registrierte die polizeiliche Kriminalstatistik                              tausend Zuschauern zeigten die Berliner, wie die PIN-Ziffern-
insgesamt 49.925 Straftaten im Bereich Cybercrime im enge-                                 folge nach der Eingabe ausgelesen werden kann. Außerdem
ren Sinn. Darin enthalten sind unter anderem Straftaten aus                                überwiesen sie live auf der Bühne des Kongresses 15 Euro
‚Computerbetrug’ und ‚Betrug mit Zugangsberechtigungen                                     auf die Prepaid-Karte eines Mobilfunkanbieters und leiteten
zu Kommunikationsdiensten’. Die Schäden in diesen beiden                                   einen Zahlungsbetrag auf ein anderes Konto um.7
Fällen belaufen sich auf 36,9 Millionen Euro bzw. 2,5 Millio-
nen Euro. Allerdings rechnen Experten damit, dass das Dun-                                 Zwei amerikanischen Hackern ist es gelungen, ein Auto bei
kelfeld bei knapp 90 Prozent liegt.                                                        voller Fahrt via Mobilfunk zu manipulieren und zu großen Tei-
                                                                                           len die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen. Mit ihrer
Der Bitkom geht davon aus, dass mehr als die Hälfte aller                                  kontrollierten Hacking-Demonstration mit einem Jeep Chero-
Unternehmen in Deutschland in den vergangenen zwei Jah-                                    kee wollten die beiden vor Sicherheitsrisiken warnen und die
ren Opfer von digitaler Wirtschaftsspionage, Sabotage oder                                 Autobranche aufrütteln.8
Datendiebstahl geworden sind. Nach ihren konservativen
Berechnungen beläuft sich der entstandene Schaden für die
gesamte deutsche Wirtschaft auf rund 51 Milliarden Euro pro                                Bewusstsein für Risiken ist vorhanden
Jahr.3
                                                                                           Eine Allensbach-Studie vom Herbst 2015 untersuchte die
                                                                                           Sicht der Entscheider aus Politik und Wirtschaft zum The-
Aktuell bekanntgewordene Schadenfälle …                                                    ma Cyber Crime. Demnach stellen Cybergefahren und Da-
                                                                                           tenschutzverletzungen unter 20 Risiken aus allen Lebens-
Von einem Hackerangriff auf das Netz der Telekom Austria                                   bereichen das größte Risikopotenzial für die Bevölkerung in
waren Ende Januar 2016 etwa 2,3 Millionen Festnetz- und                                    Deutschland dar.9 Unter den sieben größten Risiken finden
5,4 Millionen Handy-Kunden betroffen. „Die Dimension eines                                 sich erneut fünf wieder, die mit IT- und Datensicherheit zu-
solchen Angriffs ist bislang einmalig” wurde ein Unterneh-                                 sammenhängen: 70 Prozent der Entscheider sehen Compu-
menssprecher zitiert. Welchen monetären Schaden die vier                                   terviren als großes Risiko an, 67 Prozent den Datenbetrug im
Tage andauernde Überlastung auslöste, wurde nicht be-                                      Internet, 63 Prozent den Missbrauch von persönlichen Daten
nannt.4                                                                                    durch andere Nutzer in sozialen Netzwerken, 52 Prozent den
                                                                                           Missbrauch von persönlichen Daten durch Unternehmen.
Mehrere Banken in Deutschland haben Mitte Januar 2016
vorsorglich Kreditkarten von Kunden ausgetauscht, um Be-                                   Auch das Allianz Risk Barometer 201610 spiegelt diese Wahr-
trug vorzubeugen. Allein bei der Commerzbank waren 15.000                                  nehmung wider. Während weltweit Cyberangriffe auf Platz 3
Karten betroffen, bei der Comdirect 20.000, die Postbank                                   der Top Business Risks 2016 steht, sehen Kanada, die USA
tauschte sogar 50.000 Karten aus. Die Banken hatten von                                    und Südafrika hier die größte Risikogefährdung. Darüber hi-
der Kreditkartenorganisation Hinweise erhalten, dass Dritte                                naus stehen Cyberangriffe auf Platz 1 der Emerging Risks.
möglicherweise unberechtigt in den Besitz von Kreditkarten-
daten gelangt waren.5

                                                                                                     Top emerging risks für die langfristige Zukunft
Das Pentagon hatte im August 2015 das E-Mail-System ab-                                                          ( 10 Jahre +), in %
geschaltet. Hintergrund war eine Cyberattacke und betraf
ca. 4000 militärische und zivile Mitarbeiter des Generalstabs.
                                                                                                     Cyberangriffe                                                        33
Der Hackerangriff ist über soziale Netzwerke mit einem au-
tomatisierten System verübt worden, mit dem sehr schnell
massenhaft Daten abgegriffen werden können, berichtete
                                                                                            Betriebsunterbrechung                      11
ein Nachrichtensender.6

                                                                                                      Terrorismus                  9
… und zwei interessante Hacking-Demonstrationen

                                                                                           Quelle: Allianz Risk Barometer 2016
Zwei IT-Experten haben im Dezember 2015 bei dem Hacker-

3 Bitkom: Spionage, Sabotage und Datendiebstahl – Wirtschaftsschutz im digitalen
Zeitalter, 2015, online unter: https://www.bitkom.org/Publikationen/2015/Studien/
Studienbericht-Wirtschaftsschutz/150709-Studienbericht-Wirtschaftsschutz.pdf
4 Hacker legen Netz der Telekom Austria lahm, 3. Februar 2016, online unter: http://
versicherungswirtschaft-heute.de/schlagzeilen/hacker-legen-netz-der-telekom-               7 Massive Sicherheitslücken bei Giro- und Prepaid-Karten, 28. Dezember 2015, online
austria-lahm/                                                                              unter: http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/geld-ausgeben/hacker-
5 Yasmin Osman, Laura de la Motte: Geldhaus muss 15.000 Kreditkarten austau-               kongress-32c3-sicherheitsluecken-bei-giro-karten-13987007.html
schen, 19. Januar 2016, online unter: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/             8 Hackers remotely kill a jeep on the highway, 21. Juli 2015, online unter: http://
banken-versicherungen/commerzbank-geldhaus-muss-15-000-kreditkarten-austau-                www.wired.com/2015/07/hackers-remotely-kill-jeep-highway/
schen/12852278.html                                                                        9 IfD Allensbach: Cyber Security Report 2015, Dezember 2015, online unter: http://
6 Pentagon schaltet E-Mail-System ab, 7. August 2015, online unter. http://www.faz.        www.ifd-allensbach.de/uploads/tx_studies/Cyber_Security_Report_2015.pdf
net/aktuell/politik/ausland/amerika/e-mail-system-im-pentagon-gehackt-13738336.            10 Allianz Risk Barometer 2016, Januar 2016, online unter: http://www.agcs.allianz.
html                                                                                       com/assets/PDFs/Reports/AllianzRiskBarometer2016_DE.pdf

                                                                                       4
Versicherungsforen-Themendossier - Schadentrends im Fokus: Cyberrisiken, Digitali-sierung und Dienstleistersteuerung - Versicherungsforen Leipzig
Absicherung gegen Cyberrisiken                                                             Auf die beiden zuletzt genannten Punkte soll im Folgenden
                                                                                           verstärkt eingegangen werden, weil sich hier zum Teil voll-
Die erste Versicherung gegen Cyberrisiken kam 2011 auf den                                 kommen neue Tatgelegenheiten ergeben.
deutschen Markt; heute sind es rund 20 Policen und europa-
weit etwa 45.11, 12 Aber auch wenn das Bewusstsein für die                                 Unter den Begriff »Internet der Dinge« fällt auch, dass so-
Risiken steigt, können Versicherungsnehmer oft die Reich-                                  genannte »intelligente Endgeräte« (bspw. Kühlschränke,
weite des Risikos schwer einschätzen. Cyberversicherungen                                  Fernseher) permanent an das Internet angeschlossen sind
bieten keine Allgefahrendeckung, sondern Versicherungs-                                    oder über Sensoren (bspw. in Kaffeemaschinen, Heizung,
schutz gegen benannte Einzelrisiken. Ein weiterer Grund für                                Haustechnik) von außen gesteuert werden können. Aktuelles
die vergleichsweise geringe Verbreitung von Cyberpolicen                                   Produktthema für die Versicherungswirtschaft ist der Bereich
in Deutschland ist (3,7 Prozent im Jahr 2014, im Gegensatz                                 »Smart Home«, der als Oberbegriff für technische Verfahren
dazu verfügen 35 Prozent der Unternehmen in den USA über                                   und Systeme in Wohnräumen und -häusern steht mit dem
eine Cyberpolice), dass Verträge nur bedingt standardisierbar                              Zweck, eine Erhöhung von Wohn- und Lebensqualität, Si-
sind und eine individuelle Police erstellt werden muss, was                                cherheit und effizienter Energienutzung auf Basis vernetzter
wiederum die Komplexität der Prozesse erhöht.                                              und fernsteuerbarer Geräte und Installationen sowie auto-
                                                                                           matisierbarer Abläufe zu erreichen. Während Versicherer in
Cyberbedingungen enthalten regelmäßig mehrere Versiche-                                    erster Linie an Garantieprodukte und Assistanceleistungen
rungsfalldefinitionen (für Eigenschadenteil, Haftpflichtteil                               denken, sollte gleichzeitig über die Gefahren von gehackten
oder z.B. Betriebsunterbrechung). Hinzu kommen unter-                                      technischen Geräten nachgedacht werden. Auch hier wird
schiedliche Definitionen der versicherten Risiken oder Schä-                               der Trend vom analogen Einbruch hin zur digitalen Manipula-
den. Dies macht die Bedingungen komplex und erschwert                                      tion der Hausgeräte gehen.14
einen Bedingungsvergleich.13 Der Gesamtverband der Deut-
schen Versicherungswirtschaft (GDV) hat mit der Entwick-                                   Die elektronische und webbasierte Steuerung von Prozessen
lung von unverbindlichen Musterbedingungen begonnen, die                                   ist von essentieller Bedeutung für Unternehmen, vor allem im
vor allem kleinen und mittleren Unternehmen eine bessere                                   produzierenden Gewerbe. Die zunehmende Vernetzung, die
Vergleichbarkeit erlauben würden. Insbesondere bei KMUs                                    Abhängigkeit vernetzter, sich selbst steuernder Produktions-
scheitert die Absicherung jedoch oft an einem nicht ausrei-                                prozesse und Logistikketten von der Verfügbarkeit der Netze
chenden IT-Sicherheitsniveau.                                                              und die Problematik der Trennung/Abschottung dieser Netze
                                                                                           zum Internet, stellen dabei eine große Herausforderung dar.
                                                                                           Die Folge dieser Entwicklung ist eine steigende Abhängigkeit
Steigendes Gefährdungspotenzial: Internet der Din-                                         der Unternehmen von der Informationstechnik. Daraus resul-
ge und Industrie 4.0                                                                       tiert ein sehr hohes Bedrohungspotenzial für die Wirtschaft.
                                                                                           Eine Schädigung der IT-Infrastruktur von Unternehmen kann
Das Gefährdungspotenzial rührt im Wesentlichen aus vier                                    mittlerweile nicht mehr nur zur Störung der Kommunikation
Punkten: Die steigende Zahl der Internetnutzer im Allge-                                   führen, sondern vielmehr auch zum kompletten Produktions-
meinen, die steigende Nutzung mobiler Endgeräte, die mit                                   stillstand, was enorme Verluste für die betroffenen Unterneh-
dem Begriff »Internet der Dinge« umschriebene Vernetzung                                   men nach sich ziehen würde. Insbesondere die Gefahr der
technischer Haushaltgeräte und Kraftfahrzeuge sowie die als                                digitalen Erpressung von Unternehmen steigt dadurch.
»Industrie 4.0« bezeichnete Digitalisierungsumsetzung in
den Unternehmen.                                                                           Aktuelle Phänomene der Cyberkriminalität

               Welche Aspekte der Digitalisierung fürchten                                 Zu den neuen Entwicklungstendenzen gehören Cybercrime-
                    Unternehmen am meisten? in %                                           as-a-Service und der Diebstahl digitaler Identitäten im Zu-
                                                                                           sammenhang mit dem verstärkten Aufkommen von Phishing,
    Immer raffinierte Cyberangriffe                                          52            vor allem im Onlinebanking. In diesem Zusammenhang stel-
                                                                                           len Botnetze, DoS, Schadprogramme und die organisierte
                                                                                           Kriminalität im Untergrund ein hohes Gefährdungspotenzial
        Datenbetrug oder -diebstahl                                         50             dar.

                                                                                           »Cybercrime-as-a-Service« sind Dienstleistungsangebote der
 Ausfall entscheidender Infrastruktur                             38                       Underground Economy und ermöglichen, dass auch unerfah-
                                                                                           rene Cyber-Kriminelle schnell Fuß fassen können. Im Schutze
Quelle: Allianz Risk Barometer 2016                                                        der Anonymität des Netzes stellt sie eine große Bandbreite an
                                                                                           Dienstleistungen zur Verfügung, welche die Durchführung je-
                                                                                           der Art von Cybercrime ermöglicht. Dazu gehören beispiels-
11 siehe bspw. Flagmeier, Wilfried: Versicherungshandbuch Betriebliche Versicherun-        weise Kommunikationsplattformen zum Austausch von krimi-
gen; Sonderheft: Cyber-Versicherungen, August 2014
12 GDV: Mehr Schutz gegen Hacker, 17. Juni 2015, online unter: http://www.gdv.
de/2015/06/mehr-schutz-gegen-hacker/
13 Christian Drave: Möglichkeiten und Grenzen der Versicherung von Cyberrisiken,           14 Cybercrime: Die Polizei NRW im Kampf gegen Computerkriminelle, September
Juli 2014, online unter: http://www.wilhelm-rae.de/sites/default/files/pdf/versiche-       2015, online unter: http://www.mik.nrw.de/fileadmin/user_upload/Redakteure/
rungspraxis_-_moeglichkeiten_und_grenzen_der_versicherung_von_cyberrisiken_-_              Dokumente/Themen_und_Aufgaben/Schutz_und_Sicherheit/cybercrimekongress/
juli_2014.pdf                                                                              streifecybercrime.pdf

                                                                                       5
Versicherungsforen-Themendossier - Schadentrends im Fokus: Cyberrisiken, Digitali-sierung und Dienstleistersteuerung - Versicherungsforen Leipzig
nellem Know-how, Anonymisierungsdienste zum Verschleiern               AUTORIN
der eigenen Identität und »Infection on Demand«, die Vertei-
lung von Schadsoftware auf Abruf.

Die digitale Identität umfasst alle Arten von Nutzer-Accounts
und zahlungsrelevanten Informationen eines Internetnut-
zers. Beispiele hierfür sind Zugangsdaten für E-Mail- und
Messengerdienste, Onlinebanking und -Händler etc. Phishing
ist eine der verbreitetsten Methoden, Zugang zu den Daten              Kathleen Joost
zu erlangen. Hierunter versteht man alle Versuche, z.B. durch          Leiterin Kompetenzteam »Antrag,
gefälschte Websites, E-Mails oder Kurznachrichten an per-              Vertrag & Schadenmanagement«
sönliche Daten eines Internetnutzers zu gelangen und somit             Versicherungsforen Leipzig
einen Identitätsdiebstahl zu begehen. Ausgehend von einer
erfolgreichen Infektion des Opferrechners mit Schadsoftware
wie z.B. einem Trojaner kann die digitale Identität abgegrif-
fen und von Straftätern missbraucht werden. Beispielsweise
können die entsprechenden Daten unmittelbar für eigene
kriminelle Zwecke eingesetzt oder auf illegalen Plattformen
veräußert werden.

Bei Botnetzen handelt es sich um Netzwerke aus Computern,
die von Schadsoftware befallen und zusammengeschlossen
werden. Ein infizierter Computer (»Zombie-Rechner«) kann
dann beispielsweise von Cyberkriminellen ferngesteuert wer-
den, andere Computer infizieren oder ganz einfach Milliarden
von Spam-Mails versenden, ohne dass sein Besitzer etwas
davon bemerkt. Sogenannte Bot-Herder oder Zombie-Hirten
steuern dies zentral über das Netz und bieten kriminelle
Dienstleistungen gegen virtuelles Geld, z.B. Bitcoins, an.
Alternativ-Zombie-Rechner – auf Kommando des Zombie-
Hirten fallen zu Tausenden über missliebige Web-Sites her
– rufen solange Seiten auf, bis der Web-Server die Last nicht
mehr bewältigen kann und seine Arbeit einstellt. Dieses Phä-
nomen wird als Denial of Service (DoS) bezeichnet.

Fazit

Sind Sie ein Zombie? Sie wissen es nicht? Ich auch nicht
– und damit geht es uns wie Millionen anderen privaten PC-
Nutzern. Wir sind unbemerkt dazu geworden. Mit der zuneh-
menden Anbindung von Mobiltelefonen, Uhren, Autos und
Kühlschränken an das Internet und die Vernetzung unterei-
nander steigt die Gefahr von Cyberangriffen. Erschwerend
hinzu kommt, dass der Endkunde sich den Risiken und noch
weniger den möglichen (finanziellen) Folgen bewusst ist. Es
ist spannend, die Entwicklungen auf dem Privatkundenmarkt
zu beobachten, denn selbst wenn sich die Kunden durch den
ein oder anderen bekannt gewordenen Fall absichern wollen
– Angebote gibt es noch nicht wie Sand am Meer.

Der Gewerbe- und Industriekundenmarkt ist hier schon wei-
ter, wenngleich Angebot und Nachfrage hier entgegengesetzt
auseinanderklaffen. Die Nachfrage nach Cyber-Lösungen, vor
allem in mittelständischen Firmen, steigt allerdings. Charak-
teristisch für Cyber-Policen ist ihr Multiline-Police-Charakter,
der Eigen- und Drittschäden abdeckt. Hier besteht die Her-
ausforderung, dass der Bedarf vor der Deckungszusage ge-
nau geprüft werden muss und stets einzelfallbezogen erfolgt.

                                                                   6
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Innovation in der Versicherungswirtschaft und die
Rolle des Schadenmanagements
Interview mit Lennart Wulff, Geschäftsführer Situative GmbH, und Manfred Garreis,
Geschäftsführer Crawford & Company GmbH

Die großen Kaufhauskonzerne haben die Entwicklung ver-                mir stets Gedanken machen, wie man Dinge besser macht
schlafen. Nur so war es möglich, dass Onlinekaufhäuser wie            bzw. einen gefühlt größeren Nutzen für den Kunden schafft.
Amazon und Zalando so schnell zu Handelsgiganten aufstei-             In der Regel fallen mir hier viele Beispiele ein, wenn ich mei-
gen konnten und Karstadt, Kaufhof und Co. das Leben nun               ne Branche mit anderen vergleiche. Im Schadenthema ist
so schwer machen. Zwischenzeitlich streben die Versicherer            hier der Leistungsfall das klassische Beispiel. Wenn ich z.B.
ebenfalls nach Innovationsansätzen. Innovation Labs und               bei Amazon oder Zalando ein Produkt bestellt habe, es mir
Fintechs sind in aller Munde. Digitale Transformation und In-         nicht gefällt oder die Leistung unzureichend ist, gibt es ei-
novation erfordern allerdings Mut. Sind die Versicherer mu-           nen eindeutigen und klaren Prozess. Binnen Sekunden weiß
tig genug? »Wir sind kein Autohersteller mehr« sagte Dieter           ich was zu tun ist, nutze den vorbereiteten Retourenschein
Zetsche auf der letzten IAA. Wann wird der erste Vorstands-           und das Thema ist durch Abgabe des Pakets – das bereits
vorsitzende eines großen deutschen Versicherers sagen »Wir            für die Rücksendung präpariert war – und einhergehende
sind kein Versicherer mehr«, bevor Googlesurance den Markt            Erstattung oder neuen Versand der Ware für mich aus Kun-
neu sortiert?                                                         densicht gelöst. Warum geht es nicht so bequem zu, wenn
                                                                      es zum Leistungsfall im Versicherungsbereich kommt? Leider
Lennart Wulff und Manfred Garreis stehen in diesem Inter-             hat man hier oft den Eindruck, dass der vormalige Kunde
view Rede und Antwort zur Frage, ob Wachstumspotentia-                – der regelmäßig seine Prämie überweist – schnell zum Bitt-
le in digitalen Geschäftsmodellen möglich sind und wie die            steller wird. Das kann in heutigen Zeiten schlichtweg nicht
Trägheit in der Schadenregulierung abgelöst werden kann.              mehr sein. Als Kunde erwarte ich einen klaren Prozess im
                                                                      Schadenfall, der mir vor Abschluss des originären Produktes
Vielleicht ist es für Manche zunächst schwierig, den Zugang           aufgezeigt, noch besser vorgelebt wird. Dies geht einher mit
zu innovativem Denken zu finden, da man gedanklich in der             klaren Regeln für beide Seiten, wer was wann zu tun hat. Im
Gegenwart mit all den aktuellen Aufgaben und Problemen                Versicherungsfall scheint mir dies nach wie vor eher einseitig
genug zu tun hat. Vielleicht braucht es Beispiele, um zu ver-         zu Gunsten des Versicherers ausgelegt, der gern nach Be-
stehen, was gemeint ist. Was könnten Ihrer Ansicht nach               lieben die Regeln bestimmt. Weitere Innovation sind simple
Innovationen im Schadenbereich sein?                                  Themen wie die einfache digitale Erfassung von Schäden,
                                                                      das Hinzufügen verfügbarer Daten, die von unabhängigen
Wulff: Ich denke, die Mitarbeiter, die sich heute bereits in-         Instanzen kommen, wie z.B. Informationen zum Standort,
tensiv mit dem Thema Schaden beschäftigen, sind per se                zur Wetterlage oder auch die Real-Time-Schadenerfassung
Innovationsträger, nur teils durch die betriebliche Brille vor-       durch den fachkundigen Experten per Video oder Chat. Al-
belastet, was die konkrete Umsetzung neuer Ideen angeht.              les technisch wahrlich kein Hexenwerk, nur fehlt es bislang
Auch fehlt oft im Rahmen des »Daily Business« schlichtweg             gefühlt am Mut aller Beteiligten zur Pilotierung dieser neuar-
die Zeit, sich den Themen zu widmen. Hinzukommen gern                 tigen Ansätze – einhergehend mit dem genauem Messen der
die üblichen Hinweise à la »das war schon immer so« oder              Resultate: Kostet es mehr oder weniger, ist der Kunde zufrie-
auch „kein Budget“, um dem letzten Innovator die Puste zu             dener und was hat es an Einfluss auf die Combined Ratio und
nehmen. Als Unternehmer eines kleinen Start-ups muss ich              den Net Promoter Score des Versicherers?

                                                                  7
Garreis: Investition in Innovation wird sich auch positiv             werden.
auf die Ergebnisse und das Wachstum eines Versicherers
auswirken. Die Geschwindigkeit ist hier ein ganz wichtiger            Auf dem Messekongress in Leipzig stellen viele Marktteilneh-
Faktor. Wenn der Versicherungsnehmer unmittelbar mit der              mer ihre Dienstleistungspalette vor. Die Versicherer präsen-
Schadenmeldung einen qualifizierten und bevollmächtigten              tieren sich ebenfalls in den Vorträgen. Wie schätzen Sie die
neutralen Regulierer online bekommt, der über Tools ver-              Innovationskraft der Messeteilnehmer ein?
fügt, um eine sofortige Schadenregulierung durchzuführen,
wird dieser seinen Versicherer gerne weiterempfehlen. Wenn            Wulff: Ich bin das erste Mal dabei und freue mich sehr,
man unmittelbar in den Online-Regulierungsprozess Betrugs-            durch den Event einen aktuellen Stand zu bekommen, wie es
erkennungsmodule einbaut, ist die unmittelbare Betrugs-               um das Thema Innovation im Schadenbereich steht. Die Ver-
abwehr zum Wohle der Versichertengemeinschaft und der                 anstaltung weckt also meine Neugierde und bietet mir den
Combined Ratio des Versicherers umsetzbar. Die Einbindung             perfekten Rahmen für Research rund um das Thema Scha-
von Naturalersatz schafft weitere Optionen der Schadenre-             denregulierung 2.0.
gulierung, ebenso wie ein Erstattungsweg über Online-Be-
zahlsysteme oder etwa Geschenkgutscheine. Vor zwei Jahren             Garreis: Wir sind seit Anbeginn der Messe dabei. Über die
hatte ich in Leipzig ein Online-Besichtigungstool live in einer       Jahre ist sie außergewöhnlich schnell gewachsen und bietet
Demo vorgeführt. Die Resonanz darauf war gleich Null. Das             die ideale Plattform zur Kommunikation und Ideenaustausch.
hat mich sehr überrascht, aber bestätigt, was Herr Wulff zu-          Aber was ist an tatsächlich Neuem dabei herausgekommen?
vor gesagt hat.                                                       Wenn ich Innovation sage, meine ich wirklich Neues – et-
                                                                      was, an das zuvor niemand gedacht hat. Klar, dass Prozesse
Was könnte man von anderen Branchen lernen?                           verbessert und verfeinert wurden. Neue Dienstleister sind
                                                                      aufgetaucht und einige haben wirklich gute neue Angebote
Wulff: Von anderen Branchen kann man effiziente Prozesse              entwickelt. Vielleicht erwarte ich auch zu viel, aber wirklich
oder auch das Einholen von Feedback lernen. In der heutigen           Revolutionäres ist meines Erachtens nicht passiert, da – so
– vom Kunden stark beeinflussten – Welt ist es entscheidend,          mein Gefühl – wenig echtes Interesse und der Mut für Neues
dass man fortlaufend lernt und in der Lage ist, dem Kunden            besteht, sondern jeder nur seinen eigenen kleinen Interes-
aufzuzeigen, dass man mit seiner Kritik umgeht und die not-           senbereich wahrnimmt, ohne das „big picture“ zu sehen. Um
wendigen Schlüsse zieht. Die Digitalisierung führt auch zu            Ihre Frage zu beantworten: Meines Erachtens ist da noch
einer nie dagewesenen Transparenz, diese fehlt dem Kunden             sehr viel Luft nach oben.
heute noch sehr im Versicherungsbereich. Der Schadenbe-
reich ist an sich die Königsklasse im Rahmen der nachhalti-           Abschließend die Frage, welche Herausforderungen Sie bei
gen Begeisterung des Kunden. Versicherer und Intermediäre,            der Umsetzung von Innovationen in der Versicherungswirt-
die hier einen guten Job machen – ob mit internen Ressour-            schaft sehen. Was wären Ihre Key Messages an unsere Le-
cen oder durch die Kombination mit den richtigen Partnern –,          ser?
brauchen sich keine Gedanken machen, ob sie ihre Kunden
jedes Jahr neu über den Preisvergleich akquirieren müssen.            Wulff: Die Herausforderung besteht darin, sich von ange-
Den Schadenprozess kann man sogar bei der originären An-              staubten Pfaden, Mitteln und Wegen sowie Prozessen im
werbung des Kunden als positives Argument verwenden, z.B.             Schadenbereich zu verabschieden bzw. diese kritisch zu hin-
mit entsprechenden Leistungsversprechen und Anlaufstellen             terfragen – und zwar aus dem Blickwinkel des Kunden. Den
(Prozess), die auf Basis von bereits bestehenden Kunden               Tunnelblick kennt jeder, der einmal mehr als drei Jahre inten-
entsprechend auf ihre Qualität und Kundennutzen abge-                 siv eine konkrete Thematik begleitet hat. Herausfordernd ist
klopft und verbessert wurden. Ein schönes Beispiel hierfür            nun den Mut zu haben, sich mit Personen hinzusetzen, die
sind Amazon-Bewertungen, in denen Kunden auch mittei-                 eine freie – teils naive – Sichtweise auf die bestehenden Din-
len, wenn die Ware defekt ankam, dann aber schnell über               ge haben, mit dem Bewusstsein, dass man auf Sachverhalte
Amazon bzw. den Händler ausgetauscht und erneut versandt              treffen wird, die verbessert werden müssen. Auf der ande-
wurde. So sieht Kundenservice und dauerhafte Zufriedenheit            ren Seite führt besagtes kritisches Durchleuchten der beste-
aus.                                                                  henden Wege mit klarem Fokus auf den Kunden dazu, dass
                                                                      etwaige Frustration und verkrustete Strukturen aufbrechen
Garreis: Ich kann mich dem nur anschließen. Bei Amazon                und Raum für Innovation und Kundennutzen freigegeben
und Ebay wird sehr deutlich, wie sehr um die Kundenzufrie-            werden. Ein Fehler hierbei kann sein, dass man sich direkt
denheit gebuhlt wird. Im Netz aufgetauchte negative Be-               den großen Baustellen widmet, statt das Vorgehen und die
wertungen beeinflussen das Kaufverhalten nachhaltig. Dies             entsprechende Leidensfähigkeit erst einmal an den kleineren
ist bei Versicherern noch nicht angekommen, da zwischen               Baustellen zu pilotieren. Im Rahmen der Projekterfahrung
Kauf und Lieferung des Produkts ein sehr langer Zeitraum              und idealerweise gewonnenen positiven Erkenntnissen bzw.
vergehen kann. Es ist jedoch absehbar, dass sich dies bald            messbaren Ergebnissen ist der notwendige Schwung vorhan-
ändern wird. Der Net Promotor Score findet noch viel zu we-           den, um auch die immer größeren Baustellen ins Auge zu
nig Beachtung, da er für potentielle Kunden zu anonym ist.            fassen. Externe Hilfe ist hier als Starthilfe und Ratgeber zu
Dies wird sich ändern, wenn sich erst einmal persönliche Be-          verstehen, hinsichtlich der Bereitstellung effizienter moder-
wertungen über Leistungen im Schadenfall etabliert haben              ner Methoden und Prozesse, die bereits an anderer Stelle

                                                                  8
positives bewirkt haben.

Garreis: Ich befürchte, dass der Leidensdruck der Versiche-
rer noch nicht ausreicht, die Bereitschaft zur Selbstreflexion
und -kritik zu erhöhen. Wie so häufig muss erst einmal je-
mand damit beginnen, damit andere schnell folgen. Ein Be-
ginn erfordert Mut, wer bringt diesen als erster auf?

Lennart Wulff und Manfred Garreis haben sich auf den unge-
wöhnlichen Weg gemacht, Vertrieb und Schaden gemeinsam
abzubilden und veranschaulichen das in ihrem Vortrag auf
dem Messekongress Schadenmanagement & Assistance am
20. April 2016.

Lennart Wulff                 Manfred Garreis
Gründer & Geschäftsführer     Geschäftsführer
Situative GmbH                Crawford & Company GmbH

                                                                 9
Schadenmanagement bei Naturereignissen
Interview mit Birgit Kaufmann, Functional Sales Consultant bei Guidewire

Die verschiedenen Naturschadenereignisse in den letzten            bearbeiten zu können. Auch interne Schadengutachter soll-
Jahren deuten darauf hin, dass die Intervalle zwischen den         ten schnell vor Ort sein. Dies kann erheblich zu einer zügigen
Schadenereignissen kürzer werden. Zudem tragen der Klima-          Schadenregulierung beitragen und Folgeschäden minimieren.
wandel, die Urbanisierung sowie die steigenden Vermögens-          Wichtig ist dabei ein zentrales System, das alle Informationen
werte der Versicherungsnehmer zu immer höheren Gesamt-             einheitlich sammelt und aufbereitet. Das spart dem Versi-
schäden im Elementarbereich bei. Im Interview haben wir            cherer nicht nur Zeit, sondern vermeidet auch Fehler bei der
mit Birgit Kaufmann, Functional Sales Consultant bei Guide-        Bearbeitung. Zusätzlich sollten Versicherer eng mit einem
wire, darüber gesprochen, was aufgrund von Kumulschäden            Rückversicherer zusammenabreiten, die seit über 40 Jahren
auf die Versicherer zukommt und welche Möglichkeiten die           Forschungen zu Naturrisiken betreiben. So können Versiche-
Digitalisierung bei der Schadenverhütung und -regulierung          rer den bestmöglichen Versicherungsschutz für ihre Kunden
bereithält.                                                        und sich selbst gewährleisten.

Naturereignisse der vergangenen Jahre zeigen immer wieder,         Mit Hilfe von Big Data und Business Analytics können Risi-
wie schwer ganze Regionen von einem Unwetter getroffen             koszenarien künftig genauer modelliert und auf Basis von
werden können. Glauben Sie, dass wir in Deutschland ver-           Daten aus Geoinformationssystemen bessere Prognosen
mehrt mit extremen Wetterlagen rechnen müssen? Und was             getroffen werden. Wie schätzen Sie diese Entwicklung und
bedeutet das für Versicherer?                                      den Status quo in der Branche ein? Wo liegen die größten
                                                                   Herausforderungen?
Kaufmann: Wir sehen weltweit einen Trend zur Zunahme
von Naturereignissen und auch 2015 war ein Jahr der Na-            Kaufmann: Versicherungsgesellschaften besitzen einen rie-
turkatastrophen für Deutschland – so errechnete der GDV            sigen Schatz an Daten. Die Herausforderung besteht darin,
beispielsweise einen versicherungs-technischen Schaden von         diese Daten auszuwerten und entsprechend zu nutzen. Dies
rund 750 Millionen Euro für Orkan »Niklas«, der damit unter        gilt auch im Bereich der naturwissenschaftlichen Risikobe-
den fünf schwersten Stürmen in Deutschland in den vergan-          wertung: Mit Geoinformationssystemen können einzelne Da-
genen 15 Jahren rangiert. Entsprechend sollte man sich auch        tensätze beispielsweise zu Bestandsdaten, Schadenfällen,
in unseren Breiten rüsten, um auf Katastrophen angemessen          Zonierungsdaten für Hochwasser oder soziodemographi-
reagieren zu können. Für Versicherer bedeutet das, dass sie        schen Daten zusammengeführt werden. Dadurch nimmt die
sich vermehrt auf Kumulereignisse und deren Bearbeitung            Transparenz bei der Risikoeinschätzung zu. Und durch mehr
einstellen sollten.                                                Transparenz wird es nicht nur möglich, den stärker werden-
                                                                   den Kundenwunsch nach individuellen Prämien und speziell
Wenn ein Kumulereignis – wie das Hochwasser im Jahr 2013           zugeschnittenen Produkten zu bedienen, sondern auch das
– über die Versicherungsunternehmen hereinbricht, bedeutet         Schadenmanagement möglichst kosteneffizient zu gestal-
das für sie häufig den Ausnahmezustand. Wie können sich            ten. In der Vergangenheit und auch heute bieten Rückver-
Versicherer am besten auf solche unvorhersehbaren Ereig-           sicherungsgesellschaften weltweites Risikomanagement für
nisse vorbereiten?                                                 Naturrisiken an, denn auch diese haben großes Interesse
                                                                   daran, ihr Portfolio möglichst transparent und risikobewusst
Kaufmann: Versicherungsunternehmen sollten sich auf der-           zu steuern.
artige Szenarien bereits vorab einstellen. Dazu gehört bei-
spielsweise, dass vordefinierte Personengruppen zur Scha-          Der Versicherungsnehmer kann oft schon präventiv Vorkeh-
denerstaufnahme aktiviert werden, um die Masse an Fällen           rungen treffen, um einen Schaden zu verhindern oder zu-

                                                              10
mindest einzudämmen. Wie kann der Kunde stärker ins Boot             alle Systeme und Kanäle ohne Datenduplizierung wird in Zu-
geholt werden, wenn es um solche Maßnahmen, vor allem                kunft die entscheidenden Wettbewerbsvorteile für die Gesell-
aber auch um die Prävention geht?                                    schaften bringen – je schneller Informationen erhältlich, je
                                                                     schneller Dienstleister beauftragt, jede schneller Betrugsfälle
Kaufmann: Häufig kann der Versicherungsnehmer schon                  identifiziert und je schneller und eindeutiger Schadenfälle
vor Eintritt des Ereignisses proaktiv zur Schadenminderung           reguliert werden, desto mehr Kapazitäten stehen den Unter-
beitragen. Dabei sollte ihn sein Versicherer unterstützen:           nehmen für strategische Ziele zur Verfügung.
Erhält der Versicherungsnehmer zum Beispiel im Falle eines
Sturms Informationen über die Wetterlage mit einigen Hand-           Bei allen positiven Aspekten der Digitalisierung darf man am
lungsempfehlungen, kann ihm das schon einen Schaden er-              Ende jedoch nicht die Fachkompetenz der Schadensachbear-
sparen. Dieser partnerschaftliche Kontakt des Versicherers           beiter außer Acht lassen. Der Mensch ist mit Unterstützung
mit seinem Kunden ist ein wichtiger Faktor, um Kundenbin-            der verschiedenen Technologien immer noch der Garant für
dung zu schaffen und zu bestärken. Dies wirkt auch dem               erfolgreiches Schadenmanagement und wird damit auch in
allgemeinen Trend der geringer werdenden Kundenloyalität             Zukunft seinen festen Platz in der Schadenbearbeitung ha-
entscheidend entgegen.                                               ben.

Wie kann die Digitalisierung dazu beitragen den gesamten
Schadenprozess kundenfreundlich und gleichzeitig kostenef-
fizient zu gestalten? Wo liegen die größten Handlungsfelder
für die Zukunft?

Die Nachfrage nach individuell angepassten Self-Service-An-
geboten steigt durch die Digitalisierung merklich. Dies ver-
ändert auch die Schadenprozesse und den direkten Kontakt             Birgit Kaufmann
zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer: So entste-             Functional Sales Consultant
                                                                     Guidewire
hen zunehmend digitale Schadenbearbeitungsportale, über
die Schadenmeldungen via App erfolgen können. In der Pra-
xis kann ein Versicherungsnehmer zum Beispiel im Fall eines
Schadens die Schadenmeldung direkt per App absetzen, Fo-
tos vom Schaden mitschicken und die ersten Dokumente mit
Informationen zu Schadenart, Entstehung oder Beteiligten
direkt ausfüllen und an den Versicherer übertragen. Auch der
direkte Kontakt zum Sachbearbeiter wird so deutlich einfa-
cher und die Kommunikation kundenfreundlicher, schneller
und kosteneffizienter. Dahinter muss selbstverständlich ein
leistungsstarkes System stehen, das direkt mit dem Kernsys-
tem kommuniziert und die Daten geordnet zusammenführt.
Das ermöglicht eine effiziente und schnelle Schadenbearbei-
tung, die den Kundenservice besser macht – und den Kunden
noch zufriedener.

Und zum Schluss: Welche Trends und Innovationen werden
das Schadenmanagement der Zukunft prägen?

Kaufmann: Die Entwicklung in anderen Ländern zeigt, dass
Trends wie z.B. Telematik oder der Einsatz von Drohnen in
der Schadenbearbeitung auf dem Vormarsch sind. Allerdings
sind Versicherer erst dann in der Lage, die Vorteile aus die-
sen neuen Möglichkeiten auszuschöpfen, wenn sie die tech-
nologischen Voraussetzungen dafür geschaffen haben. Ein
Großteil der deutschen Versicherungsunternehmen kämpft
momentan noch mit den Herausforderungen ihrer veralteten
IT-Systeme.

Durch die Digitalisierung wird sich das Schadenmanage-
ment der Zukunft auf jeden Fall verändern. Versicherer legen
zunehmend Wert auf eine 360°-Sicht auf ihre Kunden, um
Versicherungsnehmern den Service bieten zu können, den
sie erwarten. Eine echte End-to-End-Kommunikation über

                                                                11
Mobile Schadenregulierung von Gebäudeschäden

Das Schadenmanagement ist eine der größten Kostenpositi-              Der Zugriff auf die Schadenfälle ist nicht ortsgebunden und
onen für Sachversicherungsunternehmen. Gleichzeitig ist es            mit jedem Endgerät – ob Smartphone, Tablet oder Laptop
einer der Faktoren, die die Zufriedenheit der Versicherungs-          – mit entsprechendem Internetzugang möglich. Die so ga-
kunden und damit auch das Image des gesamten Unterneh-                rantierte Vollständigkeit der Dokumentation sowie die deut-
mens ganz entscheidend beeinflussen. Die Schwierigkeit für            lich verbesserte Genauigkeit und Qualität der Kalkulationen
Versicherer besteht darin, dass Schadenabwicklung und -re-            (Input-Validierung etc.) vermeiden zeitraubendes Nacharbei-
gulierung traditionell von heterogenen und wenig flexiblen            ten und Abstimmungsschleifen zwischen Innen- und Außen-
Systemen sowie einer Fülle von manuellen, zum Teil papier-            dienst.
gestützten Prozessen abhängig sind. Diese Strukturen erwei-
sen sich nicht nur als relativ kompliziert, teuer und intrans-        Technische Weiterentwicklungen wie Diktierfunktionen mit
parent, sondern sind auch extrem zeitaufwendig und damit              intelligenter Spracherkennung, die Möglichkeit, Laser-Dis-
wenig effizient.                                                      tanzmessgeräte oder Wärmebildkameras mittels Bluetooth
                                                                      an das mobile Endgerät anzuschließen oder die Schadenauf-
Um auch im Bereich Schadenmanagement Geschäftserfolge                 nahme per Video zu dokumentieren, erleichtern die Arbeit
zu erzielen, sollte in innovative und moderne Technologien            zusätzlich.
für die Schadenregulierung investiert werden. Schadenab-
teilungen stehen unter dem permanenten Druck, ihre Kos-
tenquote für die Schadenabwicklung zu reduzieren und die              Positive Auswirkungen für Handwerker und Sanierer
Abläufe im Schadenbetrieb zu optimieren. Entsprechend gilt
es bei der Erfassung, Verwaltung und Weiterleitung von Fall-          Handwerker und Sanierer sind in der Lage, durch die Ver-
zuweisungen an interne Mitarbeiter und Drittanbieter (zum             fügbarkeit aktueller Marktdaten und ortsüblicher Preise zügig
Beispiel Schadenregulierer, Handwerker oder Sanierungsun-             zu kalkulieren und korrekte Angebote zu erstellen. Sämtliche
ternehmen) neue Wege zu gehen.                                        schadenrelevanten Informationen sind für alle Beteiligten
                                                                      jederzeit einsehbar, sodass doppelte Dateneingaben sowie
Dafür sind nicht nur technische Lösungen als Unterstützung            Abweichungen zwischen Angeboten und Kalkulationen ver-
notwendig, sondern ist ein gut durchdachtes und auf die Un-           mieden werden. Die Preis- und Prozesstransparenz sorgt für
ternehmensziele abgestimmtes Change-Management uner-                  eine effiziente Zusammenarbeit zwischen Handwerkern, Re-
lässlich. Der Einsatz von neuen Technologien hat immer auch           gulierern und Versicherungen und bedeutet für alle Seiten
Auswirkungen auf die beteiligten Akteure und ihre Arbeit.             eine Win-win-Situation.

Die Vorteile für Versicherer und Mitarbeiter                          Wie profitieren Versicherungsnehmer?

Ein System für die mobile Schadenregulierung wickelt Scha-            Das transparente Vorgehen des Regulierers vor Ort und die
denprozesse standardisiert und damit für die Versicherungen           damit verbundene Nachvollziehbarkeit der Schadenaufnah-
deutlich kostengünstiger ab. Mit derart neuen technischen             me führen zu deutlich höherer Zufriedenheit auf Seiten der
Lösungen können Mitarbeiter bequemer die vom Unterneh-                Versicherungsnehmer. Schadenbearbeitungszyklen werden
men definierten Anforderungen erfüllen. Die Schadenaufnah-            deutlich reduziert, Berichte stehen zeitnah oder sogar direkt
me ist jederzeit nachvollziehbar, alle Daten auf einen Blick          vor Ort zur Verfügung und Schäden lassen sich schnell und
verfügbar. Bei der Kalkulation von Schadenumfängen stehen             unkompliziert regulieren.
aktuelle Preisdaten mit regionalem Bezug zur Verfügung, so-
dass Mitarbeiter vor Ort fallabschließend arbeiten können.

                                                                 12
Herausforderungen der mobilen Schadenregulierung                     AUTOR

Neben der Auswahl der richtigen Technik und Lösung ist ein
durchdachtes Change-Management der zentrale Erfolgsfak-
tor: Die betroffenen Akteure (Regulierer, Sachverständige,
aber auch Sachbearbeiter) müssen frühzeitig einbezogen
und die Anforderungen genau diskutiert und definiert wer-
den. Es empfiehlt sich, stets eine Testphase mit einer Gruppe
von Akteuren vorzuschalten, um die Prozesse bestmöglich an
                                                                     Michael Rodenberg
die Regulierungspraxis anzupassen. Wichtig ist es in diesem
                                                                     Leiter Sachschaden
Zusammenhang, vor allem auch Kolleginnen und Kollegen zu
                                                                     Referent Mobile Schadenregulierung
involvieren, die nicht so technikaffin und in der Nutzung von
                                                                     Eucon GmbH
Tablets und Smartphones noch unsicher sind. Wenn die in-
tuitive Bedienbarkeit eines modernen Systems auch voraus-
gesetzt werden kann, so ist der grundsätzliche Umgang der
Akteure mit den mobilen Endgeräten und Apps als Basis zu
schulen und auch im späteren Prozess zu begleiten.

Bei der konkreten Umsetzungsplanung sind regelmäßige Ab-                In Kooperation mit der Firma Xactware bietet Eucon eine
stimmungen und transparente Kommunikationsprozesse zu                   Lösung für die mobile Schadenregulierung an.
berücksichtigen. Sofern im Unternehmen noch nicht existent,
müssen technische und vor allem rechtliche Voraussetzungen
für den Einsatz von mobilen Endgeräten geschaffen werden.
Die aktive Gestaltung der Change-Management-Prozesse ist
nicht nur lohnenswert, sondern im Falle der mobilen Scha-
denregulierung ein zwingender Schritt Richtung Zukunft.

Das Fazit

Das Schadenmanagement ist ein kostspieliger, aufwendiger
und zeitraubender Prozess für jeden Sachversicherer. Da-
bei kommt der Vereinheitlichung und Beschleunigung der
Informationsflüsse zwischen allen Schadenbeteiligten eine
entscheidende Bedeutung zu. Moderne Schadenregulie-
rungstechnologien gewährleisten eine effiziente Erfassung,
Weiterleitung und Verwaltung von auf aktuellen Marktdaten
(Preisen, Arbeitswerten, Stundenverrechnungssätzen) basie-
renden Kalkulationen für interne Mitarbeiter und Drittanbie-
ter. So können Versicherer den Kosten- und Zeitaufwand für
die Schadenbearbeitung und -regulierung enorm reduzieren
und Leistungen im Schadenservice werden wesentlich trans-
parenter. Insbesondere in einer Zeit wachsender Schadenvo-
lumina, in der der Kostendruck schwerer als je zuvor auf der
Schadenabwicklung lastet, ist dies elementar.

Die Wahl der richtigen technologischen Lösung kann von ge-
schäftsentscheidender Bedeutung sein. Sie muss sich nicht
nur anpassen und nahtlos in das bestehende interne Scha-
denmanagementsystem integrieren lassen, sondern Versi-
cherern auch helfen, ihre Schadenorganisation nachhaltig zu
verbessern.

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Senkung der Schadenkosten im Gebäudeschaden
– Bestandsaufnahme und Potentiale durch inte­
grierte Steuerung

Trotz intensiver Bemühungen der Versicherungswirtschaft              Der Bereich Leitungswasser ist dabei aufgrund der Regel-
zur Sanierung der Sparte Wohngebäudeversicherung bleibt              mäßigkeit der Schadenfälle verhältnismäßig gut planbar und
diese weiterhin das Sorgenkind der Branche. Die Versicherer          kann entsprechend der übergeordneten Schadenstrategie op-
leiden vor allem unter Leitungswasserschäden, weil Gebäude           timiert werden. So haben sich in den zurückliegenden Jahren
immer älter werden und viel zu wenig in die Modernisierung           eine aktive Schadensteuerung durch frühzeitige Einbindung
der wasserführenden Systeme investiert wird. Zudem belas-            von internen oder externen Schadenregulierern bzw. Sach-
ten Unwetterereignisse die Situation. Angesichts des Klima-          verständigen, das Hinzuziehen von qualifizierten Partnern
wandels muss außerdem damit gerechnet werden, dass es                in der Leckageortung, Trocknung und Sanierung sowie eine
zukünftig in höherer Frequenz zu extremen, nicht selten lokal        begleitende Angebots- und Rechnungsprüfungen als wesent-
auftretenden Sturm- und Hagelereignissen kommt.                      liche Optimierungspotentiale herausgebildet. Versicherungen
                                                                     mit hinreichendem Schadenvolumen und (regionaler) Größe
Eine weitere Erscheinung des Klimawandels sind zunehmen-             setzen darüber hinaus auf eine aktive Dienstleistersteuerung
de Schäden durch Starkregen (über 20 Liter/m² pro Tag) und           bzw. auch selbständig, aufgebaute und koordinierte Hand-
damit einhergehende Überschwemmungen. Starkregener-                  werkernetze.
eignisse mit immensen Schäden können bereits als jährlich
wiederkehrende Phänomene erachtet werden. Das bestätigt              Relativ wenig Beachtung wird dagegen noch dem Bereich
eine vom Umweltbundesamt im November 2015 veröffent-                 der Prävention geschenkt, also dem Erkennen von bestehen-
lichte umfassende Vulnerabilitätsanalyse zur Gefährdung              den Risiken. Dabei bietet gerade die Kontrolle der Gebäude
durch den Klimawandel. Bemerkenswert ist, dass die Häufig-           das größte Potential, um Schadenfällen vorzubeugen und
keit von Elementarschäden in Regionen außerhalb der bishe-           eine risikoadäquate Tarifierung vorzunehmen, aber auch im
rigen Hochwasserzonen (also Gebieten mit besonderem Ri-              Hinblick auf eine gezielte Reaktion im (wiederholten) Scha-
siko von Flusshochwasser) ansteigen wird. Gerade in diesen           denfall. Erfahrungen mit entsprechenden Konzepten zeigen,
Regionen sind die vorhandene Bausubstanz sowie vielfach              dass diese Kontrolle seitens der Versicherungsnehmer positiv
auch die praktizierte Bautechnik aber überhaupt nicht auf            wahrgenommen wird und zu einer Erhöhung der Kunden-
die neuen Herausforderungen vorbereitet, was wiederum zu             zufriedenheit führt. Nicht zuletzt kann festgestellt werden,
höheren Schäden führt, wenn es zum Eintritt von Schadener-           dass eine gezielte Information der Kunden über bestehende
eignissen kommt.                                                     technische Mängel dazu beiträgt, dass erforderliche Instand-
                                                                     setzungsmaßnahmen durchgeführt werden, wodurch das
Angesichts dieser eher ungünstigen Rahmenbedingungen                 Schadenrisiko der jeweiligen Gebäude reduziert wird.
stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten Versicherer ha-
ben, die Schadenkosten zu reduzieren. Im Hinblick auf die            Die aktuell unter dem Stichwort Smart Home vielfach disku-
absolute Schadenhöhe und Anzahl der Schadenfälle sollte              tierten Möglichkeiten der intelligenten Vernetzung der Haus-
hierbei den Bereichen Leitungswasser, Kumulschaden sowie             systeme bieten sicherlich ein gewisses Potential z.B. bei der
im Besonderen auch den häufig auftretenden regional be-              schnellen Reaktion auf eingetretene Schadenfälle. Allerdings
grenzten Schadenereignissen (durch Sturm-/Hagel- und Ele-            erscheint es doch zweifelhaft, dass die grundsätzlichen Pro-
mentarschäden) mit teils massiven Schäden eine besondere             bleme der Sparte Leitungswasser angesichts eines Bestands
Beachtung geschenkt werden.                                          von fast 20 Millionen Wohngebäuden in Deutschland durch

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die vereinzelte Installation hochvernetzter Haustechnik kurz-        Die Ausgestaltung der Schadensteuerung ist von der kon-
fristig zu bewältigen sind.                                          kreten Ausgangssituation sowie den vorhandenen Ressour-
                                                                     cen jeder Versicherung abhängig. Dabei sollte gezielt auf die
Ein mögliches Potential in der Minderung von Leitungswas-            Kapazitäten und Qualifikationen von spezialisierten Dienst-
serschäden bieten auch technische Installationen wie elek­           leistern zurückgegriffen werden. Gerade die angesprochene
trische Absperrventile, allerdings erfordern diese zunächst          notwendige Ausrichtung der Schadenorganisation auf die
Investitionen von mehr als 1.000,- EUR. Zudem können diese           Reaktionsfähigkeit bei Kumulereignissen sowie die unter
im Schadenfall allenfalls die eintretenden Folgeschäden min-         Kostenaspekten erforderliche Optimierung der internen Per-
dern, verhindern aber nicht den Eintritt von Schadenfällen.          sonalkapazitäten lässt sich ohne den Einsatz externer Leis-
                                                                     tungspartner praktisch kaum realisieren.
Generell lassen sich die größten Einsparungseffekte in den
Schadenkosten durch eine qualifizierte Besichtigung zur Ab-          Aus Führungsperspektive sollte kritisch erörtert werden, ob
grenzung versicherter Schäden und Kostenkontrolle sowie              die oben umrissenen Elemente der internen Schadensteue-
den Einsatz qualifizierter technischer Dienstleistungspartner        rung tatsächlich aus eigener Kraft und Struktur der jeweili-
für die Erstversorgung und Wiederherstellung erzielen. Auch          gen Versicherung heraus realisiert werden können oder ob
aus Kundenperspektive besteht zunehmend die Erwartung                die angestrebten Ziele im Schadenmanagement der Wohn-
an die Versicherungen, dass diese den Schadenfall aktiv be-          gebäudeversicherung nicht durch eine gezielte Outsourcing-
gleiten. Werden diese Möglichkeiten konsequent genutzt,              Strategie unter Würdigung der vorhandenen internen fachli-
können Versicherer die Schadenkosten aktiv begrenzen und             chen Ressourcen schneller und nachhaltiger erreicht werden
gezielt vertraglich gebundene Dienstleistungspartner einset-         können.
zen. Der Schadenfall bietet insofern für die Versicherung das
große Potential, die Kundenbindung deutlich zu erhöhen,              Im Ergebnis steigen auch die Anforderungen an die einge-
wenn die Versicherung bzw. die eingebundenen Dienstleister           setzten Dienstleistungspartner im Hinblick auf Fach- und Be-
als Helfer wahrgenommen werden.                                      ratungskompetenz, Organisations- und Prozessorganisation
                                                                     sowie die Fähigkeit zur Integration weiterer Leistungspart-
Ein noch weitgehend ungenutztes Potential liegt in der inte-         ner in den Gesamtprozess. Wesentlich ist dabei die Fähigkeit
grierten Schadensteuerung, die nach unseren Erfahrungen              der Dienstleister die Implementierung leistungsfähiger IT-
ein weiteres Kostensenkungspotential von ca. 30 Prozent              Anwendungen und digitaler Geschäftsprozesse umzusetzen.
besitzt. Die integrierte Schadensteuerung beschreibt dabei           Zukünftig werden damit die heute noch gängigen Bereiche
die Vernetzung der vorhandenen internen Ressourcen sowie             Beratung, IT und Dienstleistung stärker verschmelzen. Dies
der eingesetzten externen Leistungspartner nicht nur über            ist eine erfreuliche Perspektive für die Versicherungswirt-
vertragliche Vereinbarungen und Service Level Agreements,            schaft, denn mit der zunehmenden Leistungsfähigkeit der
sondern durch eine integrierte und weitgehend digitalisierte         Prozesspartner werden sich auch die Schadenkosten in der
Prozessorganisation sowie die optimierte Vernetzung sämtli-          Wohngebäudesparte optimieren lassen. Strategisch besteht
cher Prozessbeteiligter untereinander.                               für die Versicherungen die Anforderung darin, frühzeitig die
                                                                     Weichen zu stellen und konkrete Zielsetzungen und Umset-
Die integrierte Schadensteuerung sollte dabei die folgenden          zungsstrategien zu formulieren, um den Veränderungspro-
Elemente umfassen:                                                   zess einzuleiten.

1. Aktives Ressourcen- und Dienstleistermanagement                   AUTOR
      Qualifikation und Fokussierung der internen Ressour-
      cen, intensive Auswahl und Betreuung der eingesetzten
      Dienstleister, Ressourcen- und Organisationsplanung,
      permanente aktive Steuerung
2. Kontinuierliches Qualitätsmanagement und Prozessopti-
      mierung
      Integration von Kanban- bzw. Scrum-Elementen: Erhö-
      hung der Transparenz im Schadenprozess, Definition             Bruno Hohmann
      von Zielen/Messpunkten zur Beurteilung des Leistungs-          Geschäftsführer
      fortschritts, kontinuierliche Anpassung der Abläufe und        EXCON Insurance Services GmbH
      Vorgehensweisen
3. Integrierte Prozesslandschaft
      Optimierung der Prozessabläufe über reine Service Le-
      vel Agreements hinaus und digitale Vernetzung sämtli-
      cher Prozessbeteiligten, Reduzierung von Schnittstellen
      zwischen unterschiedlichen Systemlandschaften
4. Fachliche Exzellenz
      Regelmäßige Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen
      in Fachthemen, Prozessen, Technik und Systemen

                                                                15
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