Denkmal heute - Bundesdenkmalamt
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Denkmal heute Magazin für Denkmalpflege in Österreich Ausgabe 1/2022 Katja Martha Sterflinger Jungwirth Die Vorsitzende des Ein Herbsttag imüber die Denkmalbeirats Künstlerdorf Verbindung zur praktischen Baudenkmalpflege und die Chancen des Austausches 9 Euro CVMA: Eine gefährdete Kunstgattung wird inventarisiert „care and repair“: Zurück zu Pflege, Wartung und Reparatur Versunkenes Welterbe: Pfahlbausiedlungen Haltung und Nachhaltigkeit: Traditionsreiche Pflege der Schallaburg Monumentenbezit: Denkmalpflege-Stiftung in den Niederlanden
Editorial Martin Böhm Präsident der Österreichischen Gesellschaft der Denkmalfreunde Sollten Sie sich beim Betrachten des Covers wundern, Es ist wieder geschafft: Die neue Ausgabe des Magazins was denn all die Fläschchen und Gläser im Hintergrund in erfrischend sommerlich-maritimem Blau mit fan- mit Denkmalpflege zu tun haben, dann darf ich Ihnen tastischen Beiträgen rund um Denkmalschutz und das Interview mit der neuen Vorsitzenden des Denkmal- Denkmalpflege ist fertig und lässt auf einen schönen beirates, Univ.-Prof.in Dr.in Katja Sterflinger, zur Lektüre Sommer – wie damals – hoffen. empfehlen. Die Mikrobiologin gibt darin Einblicke, wie Die Autorinnen und Autoren haben diese Ausgabe naturwissenschaftliche Untersuchungen helfen, Denk- mit viel Engagement wieder zu dem gemacht, was Sie, male besser zu verstehen, und somit einen wesentlichen liebe Leser:innen, an Denkmal heute so schätzen. Die Beitrag zur bestmöglichen Konservierung leisten. Vielfalt der Beiträge zeigt uns, welche Arbeit von allen Genauso vielschichtig wie die Denkmalpflege selbst Seiten notwendig ist, um ein Denkmal in die Zukunft zu gestaltet sich das vorliegende Magazin. Neben interes- tragen. So lesen Sie ab Seite 4, welche Restaurierun- CAMPUS santen Artikeln über die Konservierung, Restaurierung und Inventarisierung unterschiedlichster Materialien wie Gold, Spitze und Glas spannen die Architekturbei- gen in jüngster Zeit abgeschlossen werden konnten, welche herausragenden Denkmale – wie der Krimmler Tauernweg – unter Denkmalschutz gestellt wurden, AKADEMIE träge einen zeitlichen Bogen vom Renaissanceschloss Schallaburg bis ins 20. Jahrhundert zur Villa Rezek und vom eindeutig charakteristisch scheinenden und natürlich, welche Rolle das Bundesdenkmalamt in diesem Zusammenhang spielt. Das Bundesdenkmalamt hat sich 2022 dem Motto Schönbrunnergelb zu weniger charakteristischen, im „Denkmalschutz=Klimaschutz“ verschrieben, da Denk- städtischen Kontext nahezu unsichtbaren Gebäuden malschutz und Denkmalpflege per se nachhaltig sind. der 1930er-Jahre. So können Sie auch unterschiedliche Herangehens- Unsere Reihe „Bedeutsame Belanglosigkeiten?“ weisen zu diesem Thema in Beiträgen dieser Ausgabe widmet sich dieses Mal einer Jugendstilfassade, die das Denkmal heute kennenlernen. geschulte Auge eher in Brüssel als im dritten Wiener Außerdem schauen wir in dieser Ausgabe gleich Gemeindebezirk vermuten würde, und in der Serie zwei Mal über die Landesgrenzen hinweg. Seien Sie Campus Akademie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften „Gespräche mit unseren Nachbarn“ gewährt die Süd- gespannt und haben Sie viel Freude beim Lesen des Generalplanung Sanierung: Riepl Kaufmann Bammer Architektur, Foto: Bruno Klomfar tiroler Landesrätin für Denkmalschutz Einblicke in die Magazins! wegweisende Nachhaltigkeitsstrategie ihres Landes, die dem Denkmalschutz große Bedeutung einräumt. Darüber, dass Denkmalschutz in den Niederlanden gänzlich anders organisiert wird als bei uns, können Sie Christiane Beisl auf den Seiten der Denkmalfreunde nachlesen. Redaktion Ich darf Ihnen an dieser Stelle viel Vergnügen beim Denkmal heute Lesen der neuen Ausgabe wünschen und mich herzlich für Ihr Interesse und Ihre Unterstützung bedanken: Der Campus Akademie, den wir für die Österreichische Akademie der Wissenschaften revitalisiert haben, befindet sich mitten in der Stadt, zwischen Gemeinsam bewahren wir das vielfältige kulturelle Erbe Bäckerstraße, Postgasse und Schönlaterngasse. Mit der Sanierung hat dieser Teil der Wiener Innenstadt eine Metamorphose vom ursprünglichsten Österreichs! aller österreichischen Universitätsstandorte, der Alten Universität, zum top-modernen urbanen Campus erfahren. Aus einem heterogenen Gebäudekomplex, der über viele Jahrhunderte gewachsen ist, ist ein durchdachtes, einzigartiges Ensemble mit Campus-Charakter entstanden. Der Innenhof des ehemaligen Jesuitenkollegiums war die längste Zeit unzugänglich, die Arkaden waren zugemauert, die Grünfläche vernachlässigt. Jetzt steht er Besucherinnen und Besuchern offen und präsentiert sich als großzügiger Arkadenhof mit mediterranem Flair. Die historischen Gebäude, für die wir als BIG Verantwortung tragen, bedürfen unserer besonderen Umsicht. Ihre sorgsame und konsequente Erhaltung ist wesentlich für die Baukultur unseres Landes und bedeutet gleichzeitig die Schonung von Ressourcen. Das macht aus Denkmalschutz auch einen wichtigen Faktor für den Klimaschutz. www.big.at Entgeltliche Einschaltung
Denkmal pflege Denkmal kultur Inhalt Serie Pflege der Renaissance 06 Denkmale des Monats 46 Haltung und Nachhaltigkeit Kärnten, Niederösterreich, Wien Traditionsreiche Pflege des einzigartigen Über die Burganlage Liebenfels, das „Haus der Laune“ Renaissanceschlosses Schallaburg in Laxenburg und die Tribünen Krieau Kulturgut Kunst und Naturwissenschaften 50 Damit Turmuhren am „Tatort“ bleiben 14 Der Mythos Schönbrunnergelb Sicherung, Restaurierung und Revitalisierung historischer Turmuhrwerke als wichtige Dienste 42 Die Farbe, um die sich viele Mythen ranken – der Faktencheck an einem Kulturgut Technische Denkmale CVMA 18 Der Krimmler Tauernweg 54 Eine gefährdete Kunstgattung Die lange Geschichte des denkmalgeschützten wird inventarisiert Säumerpfades Denkmal heute gewährt Einblicke in den Band Steiermark II Bewegliche Denkmale 20 Von der „frischen Lebendigkeit dieser Denkmal diskursiv Formungen“ und der „Unmittelbarkeit 58 Unsichtbare Architektur der gewonnenen bildlichen Wirkung“ Über die fehlende klare „Linie“ der Bauten aus der Zeit von 1933/34 bis 1938 Ein Vorhang aus 81 geklöppelten Spitzeneinsätzen Bedeutsame Belanglosigkeit? Archäologisch 24 Der Goldschatz von Ebreichsdorf 62 Brüsseler Zinshaus mit Drächin Oder ist das Hauszeichen in der Steingasse Ein Bericht über den Fund des Goldhortes eher eine „halbverborgene Bedeutsamkeit“? von Niederösterreich Fotoarchiv Kartause Mauerbach 64 denk mal GESTERN, Denkmal heute 06 26 „care and repair“ – zurück zu Pflege, Wartung und Reparatur Das Stadtmuseum Steyr im geschichtsträchtigen Lebensmittelspeicher Traditionelle und somit natürliche Materialien als Kern der Denkmalpflege Welterbe 66 Versunkenes Welterbe Denkmal menschen Pfahlbausiedlungen – Quellen unschätzbarer Erkenntnisse zur Urgeschichte Der Denkmalbeirat Denkmal digital 28 „Wir können den Verfall des baukulturellen 70 Website neu Erbes erheblich verlangsamen“ Die Website des Bundesdenkmalamtes Die Vorsitzende des Denkmalbeirates, Katja Sterflinger, präsentiert sich neu strukturiert im Gespräch mit Christoph Bazil Menschen im Denkmal Denkmal voraus 70 Denkmalschutz=Klimaschutz 54 34 Vom großen Ganzen und der Liebe zum Detail Der Nachbericht zum Fachgespräch Maximilian Eisenköck über seine Auseinandersetzung „Denkmalschutz=Klimaschutz“ 20 46 mit historischer Architektur Denkmal freunde Girls’ Day im Bundesdenkmalamt Hinter den Kulissen 38 Von Troja ins Bundesdenkmalamt 71 Denkmalpflegerinnen der Zukunft Schülerinnen sammelten am Girls’ Day Einblicke Murat Yasar lässt Denkmal heute hinter die Kulissen blicken Unternehmen und Stiftungen in die Konservierung und Restaurierung von Kunstschätzen und Kulturgütern 80 Monumentenbezit. Denkmalpflege- Grenzenlos Stiftung in den Niederlanden 40 Gespräche mit unseren Nachbarn: Südtirol Traditionelles Handwerk Denkmalschutz und Denkmalpflege einmal ganz anders Landesrätin Maria Hochgruber-Kuenzer über Südtirols 72 Das Buch aufschlagen wegweisende Nachhaltigkeitsstrategie, die dem Projekte der Denkmalfreunde Denkmalschutz eine wichtige Rolle einräumt Was verbindet ein Buch mit einer Nuss? 84 Ein Pestkreuz, das keines ist Religiöse Besonderheit Über den monumentalen Laubenbildstock Denkmal kinder 76 Wider den Verfall jüdischer Friedhöfe Ein Rückblick auf Sanierungsprojekte jüdischer in Maria Saal Denkmal standards Denkmalhund Emil Friedhöfe und ein Ausblick in die Zukunft 42 Auf Sommerfrische – Denkmalhund Emil im Salzkammergut 03 Editorial „Was ist am Sommer frisch?“, fragt Emil auf 62 seiner Entdeckungstour 86 Impressum und Vorschau Inhalt 5
Denkmal pflege Denkmale des Monats In der Reihe „Denkmale des Monats“ stellt Denkmal heute diesmal die Burg Liebenfels als Manifestation eines Kindheitstraumes vor, berichtet über das „Haus der Laune“ in Laxenburg und über die gelungene Restaurierung der Tribünen Krieau. Alle „Denkmale des Monats“ der vergange nen Jahre können Sie auf bda.gv.at nachlesen. 6 Denkmal pflege Denkmale des Monats 7
Denkmale des Monats Glantal Manifestation eines Kindheitstraums Astrid Steinegger Blick in das obere Geschoß der Kapelle (Chorbereich) Die Burganlage Liebenfels im Glantal © Bundesdenkmalamt, Foto: Astrid Steinegger Sanierungsarbeiten im unteren Palas © Bundesdenkmalamt, Foto: Astrid Steinegger Untersuchungen von noch in situ befindlichen Bauhölzern Burgruine Liebenfels – Blick nach Südwesten in die aus Lärche im oberen Bergfried gehen mit den bauhistori- Vorburg © Bundesdenkmalamt, Foto: Astrid Steinegger schen Analysen einher. Sie belegen eine Entstehungszeit des Turms in den ersten beiden Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts, einer Zeit, in der die Grafen von Görz und Tirol mit dem Herzogtum Kärnten belehnt waren. Den Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Begleitunter- suchungen und Konsolidierungsmaßnahmen stellten 2020 die Arbeiten am oberen Bergfried dar, die schlussendlich in einem Ausbau und der Einrichtung eines Museums mün- deten. Hier findet sich über sechs Geschoße frühgotisches Kompartimentmauerwerk mit regelmäßigen Abgleichungen. Der obere Bergfried war im Mittelalter nur über einen Hoch- einstieg im Süden auf Höhe der zweiten Etage zugänglich. Um ein Mindestmaß an wohnlichem Standard zu gewährleis- ten, wurde auf der vierten Ebene eine für die Entstehungs- zeit typische beheizbare Block- oder Bohlenstube eingebaut. Fraglich bleibt bislang zwar die ursprüngliche Funktion der großen, paarweise angeordneten Rundbogenfenster im letz- ten Geschoß des Bergfrieds, doch bieten ihre begehbaren Fensternischen nun wieder einen atemberaubenden Blick in alle vier Himmelsrichtungen. Erstaunlicherweise ergaben die archäologischen Gra- bungen, dass vor dem Neubau um 1300/1320 bereits zwei hochmittelalterliche Vorgängerbauten am Standort des Bergfriedes vorhanden gewesen waren. Die erhaltenen Befundung und eine partielle bautechnische Sicherung Die Burganlage Liebenfels liegt auf einem durch mehrere ist es, durch bedachte Vorgehensweise, interdisziplinären Mauerreste weisen vom Turm abweichende Ausrichtun- des Aufgangs vom unteren Palas nach oben zum ehemals künstliche Geländestufen unterteilten Felsrücken über der Diskurs und gezielt gesetzte Eingriffe das Denkmal für die gen auf; die Gebäude dürften jeweils für den Nachfolgebau gepflasterten Hof vor dem Bergfried oder im sogenannten Ortschaft Pulst, nur wenige Kilometer westlich von St. Veit einheimische Bevölkerung und interessierte Besucher:innen geschleift worden sein. Im untersten Bereich der südöst- Küchenbereich der Vorburg (Backofen). Weitere Kronen- an der Glan. Nachdem bereits in der frühen Kupferzeit nicht nur zu erhalten, sondern erlebbar zu machen. lichen Ecke des Berings der Hochburg haben sich „opus sicherungen und Neuverfügungen am Mauerwerk sowie (Lasinja-Kultur) die höchste Erhebung zu Siedlungszwe- Ab dem beginnenden Spätmittelalter prägten zwei heute spicatum“-artige Mauerpartien erhalten, die von der jüngeren Sicherungsarbeiten und Sondagen zur Befundabklärung in cken genutzt worden war, setzte man sich im Mittelalter noch gut erhaltene Bergfriede auf quadratischem Grundriss Ringmauer überbaut wurden. Ältere, mit einer der befunde- und um die Kapelle wurden durchgeführt. Zudem wurde das erneut auf der exponierten Stelle fest und errichtete eine im äußersten Westen (Vorburg) und Osten (Hochburg) das ten Vorgängerphasen zeitlich einhergehende Mauerstruk- Mauerwerk des unteren Palas saniert und nach eingehenden eindrucksvolle Burganlage. mittelalterliche Bild der Burg. Sie sind Teil eines groß ange- turen fanden sich zudem 2021 bei den archäologischen Überlegungen mit einem neuen Dach versehen. Im Frühjahr 2020 übernahm mit Mag. Dietmar Messner legten Neubaus, zu dem auch die gesamte Kernburg mit dem Untersuchungen im Bereich der westlichen Sockelzone des ein neuer Pächter die Ruine, den Abenteuerspielplatz seiner oberen und unteren Palas, die doppelgeschoßige Kapelle und oberen Bergfrieds. Kindheit, und beendete ihren langen Dornröschenschlaf. die weitläufige Vorburg gehören – alles sicher umschlossen Im Lauf der Jahre 2020 und 2021 folgten Arbeiten in nahe- Mag.a Dr.in Astrid Steinegger arbeitet als Ziel der längst noch nicht abgeschlossenen Maßnahmen von einer mächtigen Ringmauer. Dendrochronologische zu allen Bereichen der Hochburg wie etwa die archäologische Archäologin in der Abteilung für Kärnten. 8 Denkmal pflege Denkmale des Monats Denkmale des Monats 9
Denkmale des Monats Revitalisierung mit Rennbahnblick Irene Humenberger Die historischen Tribünen an der Zur Anwendung kam dafür das in Österreich noch recht Krieau junge Material Eisenbeton, das sich in der klaren Konstruk- Trabrennbahn Krieau tion widerspiegelt und in vielen Bereichen wie Brüstungen oder Fußböden auch sichtbar belassen wurde. Neben den funktionalen Anforderungen an die Gebäude erfüllten die Der Trabrennplatz Krieau wurde nach der Wiener Welt Architekten den Anspruch an ein ästhetisches und reprä- ausstellung von 1873 auf einem Teil des ehemaligen sentatives Erscheinungsbild durch unterschiedlich gestal- Ausstellungsareals am Rande des Grünen Praters angelegt. tete Oberflächen, sparsame Dekorformen und sorgsam Von 1911 bis 1913 entstanden nach den Plänen der Otto- entworfene Details. Die drei Tribünen stehen gemeinsam mit Wagner-Schüler Emil Hoppe, Marcel Kammerer und Otto dem Schiedsrichterturm und den Administrations- wie Stal- Schönthal drei Zuschauertribünen an der Trabrennbahn. lungsgebäuden des Trabrennplatzes unter Denkmalschutz. Während die Tribüne 1 seit ihrer Errichtung als Zuschau- ertribüne des Trabrennvereins genutzt wird, standen die Tribünen 2 und 3 wegen des verringerten Andrangs bei Rennen jahrzehntelang leer. Als Teil des derzeit um den Trabrennplatz entstehenden Stadtquartiers „Viertel Zwei“ wurde ein Projekt zur Revitalisierung der beiden ungenutz- ten Tribünen entwickelt: Man baute sie zu modernen Büro- gebäuden um. Die ungewöhnlichen Bauten verlangten nicht nur nach durchdachten technischen und bauphysikalischen Lösungen wie Kühl- und Akustikdecken oder speziellen Son- nenschutzlösungen, sondern auch nach innovativen Ansät- zen zur Nutzung als Büroräumlichkeiten. So wurden anstelle der gewohnten Bürotische Arbeitsbereiche eingerichtet, die unterschiedliche Arbeitssituationen ermöglichen und sich von den Mitarbeiter:innen flexibel nutzen lassen. Ein sensibel angebundener Erweiterungsbau bietet nicht nur zusätzliche mussten restauriert und in vielen Bereichen rekonstruiert Das Ergebnis zeugt von enger Zusammenarbeit und dem Büroflächen, sondern nimmt auch zahlreiche Funktionen wie werden. Grundlage dieser Arbeiten bildeten umfassende re- besonders engagierten Einsatz aller Projektbeteiligten und Aufzüge und zusätzliche Fluchtwege auf, die massive Eingrif- stauratorische Untersuchungen im Vorfeld und historische stellt ein gelungenes Beispiel des Weiterbauens am Denk- fe in die historische Substanz dargestellt hätten. Fotos. Von einigen Elementen wie den muschelförmigen mal dar. Durch die Umnutzung konnte den historischen Im Zuge des Umbauprojekts wurde diese einer hochwer- Wasserspeiern war im Objekt nur noch eine einzige Vorlage Tribünen wieder neues Leben eingehaucht und zugleich ihre tigen Restaurierung unterzogen. Ziel war dabei die Wieder vorhanden, die geborgen, restauriert und mittels historisch künftige Erhaltung sichergestellt werden. Im Sommer 2021 herstellung des ursprünglichen Erscheinungsbildes der entsprechender Handwerkstechniken kopiert wurde. Bei bezogen die künftigen Nutzer:innen die außergewöhnlichen Tribünen, wobei der gealterte Eindruck erhalten bleiben soll- der Planung der Umnutzung achtete man speziell darauf, Arbeitsräume mit Blick auf die Trabrennbahn, auf der seit te. Dafür wurden historische Oberflächen gereinigt, spätere Elemente zu erhalten, die die frühere Nutzung der Tribünen bald 150 Jahren Rennpferde ihre Runden ziehen. Schichten entfernt und fehlende Putze sowie malerische repräsentieren. So wurden nicht nur Hunderte Laufmeter Tribünen Krieau vor und nach Restaurierung Gestaltungen wiederhergestellt. Zahlreiche außergewöhn- der Metallgeländer restauriert, sondern unter anderem auch DIin Irene Humenberger arbeitet in der Abteilung © Bundesdenkmalamt, Fotos: Bettina Neubauer-Pregl liche Metall- und Holzdetails wie Türgriffe oder Handläufe Rollläden und Fenster der ehemaligen Wettschalter erhalten. für Wien im Bundesdenkmalamt. 10 Denkmal pflege Denkmale des Monats Denkmale des Monats 11
Denkmale des Monats Meisterstück komisch-allegorischer Dichtung Lorenz Janscha, „Haus der Laune in Laxenburg“, um 1800, aus: Géza Hajos, „Der malerische Gerold Eßer und Astrid Mang Landschaftspark in Laxenburg bei Wien“, Wien 2006, S. 184, Foto: H. Suck Jahrhundert später fiel auch dieses „Lusthaus im Eichenhain“ im Vordergrund. Für die Besucher:innen des Schlossparks dem feindlichen Beschuss im Zweiten Weltkrieg sowie den Laxenburg soll die Ruine mit ihrer stark durch die Geschichte Verfallsprozessen zum Opfer, die in der Folge verstärkt ein- geprägten Biografie authentisch und unverfälscht erhalten setzten. Übrig blieb eine an die Romantik gemahnende Ruine, bleiben. Den „krönenden“ Abschluss – im wahrsten Sinne des nämlich nur mehr die Grundmauern des Erdgeschoßes, die Wortes – bildet heute ein elegantes, gemäß dem vielgestalti- dem Verfall durch Witterungseinflüsse ausgesetzt waren. Die gen Gebäudeumriss vorkragendes Dach, das quasi über der ursprüngliche Bedeutung und die Intention des Architekten Mauerkrone schwebend den Schutz der Ruine gewährleistet. ließen sich kaum mehr erahnen. Lediglich geringe Reste der Putzoberflächen deuten heute auf die zwei genannten Dipl.-Ing. Dr. Gerold Eßer arbeitet in der Abteilung Gestaltungsperioden hin. für Niederösterreich im Bundesdenkmalamt. Erst 2015 wurden erste Überlegungen zur Bewahrung der Mag.a (FH) Astrid Mang arbeitet in der Abteilung für Archäologie im Bundesdenkmalamt. baulichen Überreste dieses außergewöhnlichen Kulturgutes angestellt. Fundament aller weiterführenden Maßnahmen waren restauratorische, bauhistorische und archäologische Untersuchungen sowie Gutachten in Hinblick auf die Statik Aktueller Zustand © Bundesdenkmalamt, Foto: Gerold Eßer und Konservierung, die in den Jahren 2017 und 2018 durch- geführt wurden. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse standen in verschiedenen Entwurfsstudien mögliche Nut- zungsvarianten der Ruine im Mittelpunkt. In einem Konsens der Betriebsgesellschaft Schloss Laxenburg als Vertreterin des Bundeslandes Niederösterreich und der Stadt Wien mit dem Bundesdenkmalamt, den Planer:innen und den ausfüh- renden Firmen sprach man sich gegen eine Wiederherstel- lung des ursprünglichen Erscheinungsbildes aus. Vielmehr stand die unverfälschte Erhaltung der Originalsubstanz Vorzustand © Bundesdenkmalamt, Foto: Gerold Eßer Das „Haus der Laune“ in Laxenburg überhaupt für ein Werk halte, deßgleichen Europa nicht auf- zuweisen hat, …. Denn das Ganze scheint mir einen so hohen, feinen und vielfassenden Sinn zu haben, daß ihn außer dem Laxenburg Das „Haus der Laune“ wurde vom Architekten Johann Künstler vielleicht Niemand vollständig erklären kann“, ver- Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg um 1798 geplant und im suchte Franz de Paula Gaheis 1801 das Haus zu beschreiben. bedeutendsten Landschaftsgarten Österreichs in Laxenburg Wenige Jahre später, 1809, wurde das „Haus der Laune“ errichtet. Hetzendorfs ursprünglicher Ausbildung als Thea- bei kriegerischen Auseinandersetzungen stark beschädigt. termaler verdanken sich der romantische Geist und die au- Der unvergleichliche Charakter des Gebäudes ging im Zuge ßergewöhnliche künstlerische Gestaltung des Gebäudes. „Da der notwendigen Renovierungsarbeiten 1814 verloren, ich diese ganze Anlage nicht für bloses Spielwerk sondern für als es im Auftrag von Kaiser Franz I. mit einer schlichten ein Meisterstück von komisch-allegorischer Dichtung, und frühklassizistischen Fassade bekleidet wurde. Mehr als ein 12 Denkmal pflege Denkmale des Monats Denkmale des Monats 13
Der Mythos Kunst und Naturwissenschaften © Bundesdenkmalamt, Foto: Robert Linke SCHÖNBRUN NERGELB Robert Linke Dass Schönbrunnergelb als Farbwert nicht definierbar ist, auch mehrfach im Zuge von Renovierungen wiederholte – Die Farbe Gelb ist schon seit vielen zeigt schon die Tatsache, dass es sich bei der heute an orange-rötliche bis hellrosa Färbelung mit weißen Nuten Jahrhunderten eng mit dem Hause der Fassade des Schlosses sichtbaren Farbgebung um ein der Rustikafugen. Bereits für diese Phase ließ sich eine Wechselspiel zweier ockergelber Farbfassungen handelt: Die hell-dunkle zweifärbige Gliederung der Fassade befunden; Habsburg verbunden. Bereits das frühe sogenannte Rücklage der Fassade trägt einen dunkelgelben diese Systematik hat sich bis in die Gegenwart durchgehend Wappen der Herrscherfamilie zeigt einen Anstrich, darauf sind hellgelbe Gliederungen wie Pilaster, erhalten. Gesimse oder Fensterrahmungen aufgesetzt. Die erste Erweiterung erfuhr Schloss Schönbrunn unter schwarzen Adler auf gelbem Grund, und Maria Theresia, die den Baumeister Nikolaus Pacassi ab auch die Flagge trägt Schwarz über Gelb. Von Hellrosa zu Ockergelb 1748 mit diversen Umgestaltungen beauftragte. In dieser Zeit wurden die Fassaden in dunklem, fast ins Bräunliche Um die Farbe Schönbrunnergelb ranken Das war nicht immer so: Im Wesentlichen sind bei dem reichendem Ocker gestrichen, wobei auch hier die zweifär- sich jedoch viele Mythen, die hier einem Schloss drei Bauphasen zu unterscheiden, die sich auch bige Fassadengliederung kontinuierlich Weiterführung fand. durch verschiedene Farbgebungen charakterisieren lassen. Diese Fassung mit dunklen Nullflächen und deutlich helle- Faktencheck unterzogen werden sollen. Der erste Bau wurde nach der Zerstörung des alten Gatter- ren Gliederungen ist auch gut auf der Ehrenhofansicht von Querschliffprobe des ersten, in der Zeit Maria Theresias aufgetragenen ockergelben Farbtons schlosses durch die Osmanen 1683 unter Johann Bernhard Canaletto aus der Zeit um 1760 zu erkennen. Wenngleich im Mikroskop. Deutlich zu erkennen ist die Fischer von Erlach um 1700 fertiggestellt. Wie bereits vor der damals verwendete Farbton deutlich dunkler war als die charakteristische Mischung aus hellgelben und feinkörnigen roten Erdpigmenten. einigen Jahren durchgeführte Befundungen nachgewiesen heute dargestellte Sichtfassung, trat in dieser Bauphase des © Bundesdenkmalamt, Foto: Robert Linke haben, zeigte die Oberfläche der ersten Bauphase eine – Schlosses Ockergelb erstmals als Fassung am Schloss auf. 14 Denkmal pflege Kunst und Naturwissenschaften Kunst und Naturwissenschaften 15
Drei Mythen Im Bundesdenkmalamt wird eine Materialprobe des ursprünglichen hellrosa Farbtons aufbewahrt. © Bundesdenkmalamt, Foto: Robert Linke Einem Mythos zufolge soll die 1770 mit dem späteren König Ludwig XVI. verheiratete Tochter Maria Theresias und Franz Stephans, Maria Antonia (Marie Antoinette), das Bei Schönbrunnergelb handelt es sich Schönbrunnergelb in Frankreich populär gemacht haben, nicht um einen definierbaren Farbwert. wofür jedoch jeder Beleg fehlt. Tatsache ist hingegen, dass Die charakteristische Farbgebung des Versailles, wie viele andere Schlösser Europas, bereits davor Schlosses reicht in die Regierungszeit Maria eine ockerfärbige Fassadenfärbelung trug; zudem hatte das Theresias zurück und ist im Prinzip durch zu diesem Zeitpunkt erst 15-jährige Mädchen vermutlich ein Wechselspiel von hellen und dunklen Ockertönen an der Fassade charakterisierbar. andere Interessen (und Sorgen). Generell kann auf Vedu- Ein wesentliches Merkmal des historischen ten gut beobachtet werden, dass in der zweiten Hälfte des Anstrichs ist die Verwendung von natürlichen 18. Jahrhunderts Ockergelb als dominierende „Modefarbe“ Ockerpigmenten als Kalkfarbe. für Fassaden in Erscheinung trat. Aus diesen Darstellungen, Bernardo Belotto, genannt Canaletto (1721–1780): Das kaiserliche Lustschloss in Schönbrunn, Ehrenhofseite, um 1760 © KHM aber auch durch bautechnische Untersuchungen ist bekannt, dass viele Repräsentationsbauten zu dieser Zeit in Ockergelb gehalten waren. bauphysikalische Vorteile für das Bauwerk hat. In Kombinati- Umgestaltung der Schlossfassade außer Diskussion. Maß- Ein weiterer Mythos rankt sich um Kaiser Joseph II. Nicht on mit einer Rieselputzoberfläche und der dadurch bedingten geblich für das Erscheinungsbild oder die farbige Gestaltung zitierten Quellen zufolge soll er angeordnet haben, Schloss wechselnden Lichtreflexion entsteht ein lebendiges Farbspiel eines Gebäudes ist in der Denkmalpflege die letzte wesentli- Schönbrunn sowie alle Amtsgebäude des Reiches in Gelb an der Putzoberfläche. Heute legen die Schlossverwaltung che bauliche Veränderung oder die letzte historische Nutzung ocker zu streichen, um die in habsburgischem Familienbesitz und das Bundesdenkmalamt großen Wert auf eine material- oder Bedeutung eines Objekts. Letztere endet bei Schloss stehenden böhmischen Ockergruben finanziell zu fördern. Tat- gerechte Restaurierung durch die Verwendung historischer Schönbrunn im November 1918 – eben zu einer Zeit, als das sächlich sind unter der zehnjährigen Regentschaft Josephs II. „originalgetreuer“ Materialien wie Kalkputz, Kalkfarbe und Schloss in Schönbrunnergelb gestrichen war. keine wesentlichen Veränderungen am Schloss nachweisbar natürlicher Gelbockerpigmente. und in seinen publizierten Verordnungen ließ sich bisher Selbst wenn eine hellrosa Farbgebung des ursprüngli- Dr. Robert Linke ist Leiter des Naturwissenschaftlichen kein einziger Hinweis darauf finden. Schönbrunn wurde chen Schlosses auf historischen Fakten beruht, steht für Labors im Bundesdenkmalamt. von Joseph II. nicht einmal bewohnt, weshalb eine farbliche die Denkmalpflege eine rosa, graue oder sonstige farbliche Umgestaltung in seiner Regierungszeit auch aus historischer Sicht sehr unwahrscheinlich erscheint. Der dritte Mythos rankt sich um das Pigment selbst. Bei Ocker handelt es sich um ein natürliches Erdpigment, das entsprechend seiner chemischen Zusammensetzung in PROFIBAUSTOFFE unterschiedlichen Farbwerten praktisch auf der ganzen Welt zu finden ist. Darüber hinaus lassen sich durch moderate Gelber Ocker ist ein natürlich vorkommendes Pigment und wurde vielfach angewendet. RENOVIEREN & SANIEREN WIE EIN PROFI! Temperaturbehandlungen die Gelbwerte beliebig verändern. © Bundesdenkmalamt, Foto: Robert Linke PROFI Poretec NHL Kalksysteme & Mineralfarben Dass die ockergelbe Farbe durch die Oxidation von grünem, beim Kupfererzbergbau gewonnenem Kupfersulfat erzeugt nahm, um damit ein politisches Zeichen zu setzen. Die aus wird, gilt zwar bedingt für einige skandinavische Regionen, dieser Zeit stammende Farbgebung des Schlosses hat sich wo diese Technologie eine lange Tradition hat, kann aber für im Wesentlichen bis in die Gegenwart erhalten und prägt Mitteleuropa mit Sicherheit ausgeschlossen werden. heute das Erscheinungsbild der gesamten Anlage. Speziell für die Renovierung in Altbauten Gleichzeitig wurde die Verwendung von Schönbrunner- und in der Denkmalpflege entwickelt. gelb in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer Farbe als politisches Statement Form des politischen Ausdrucks: Damit signalisierte man Spannungsarme, hydrophile & damit 1808 bis 1819 erfolgte ein dritter wesentlicher Ausbau des Kaisertreue, weshalb in dieser Zeit viele Gebäude sowohl feuchtigkeitsregulierende Kalkputze Schlosses unter dem Wiener Hofarchitekten Johann Aman. In des Adels als auch des Bürgertums gelb gefärbelt wurden. dieser Zeit ist die Fassade durch sandsteinfarbene Rauputz- Zahlreiche Gründerzeitvillen, aber auch z. B. viele der zahl- Große Putzdicken möglich Oberflächen charakterisierbar, die auch von den früheren reichen Marchfeldschlösser weisen seit dieser Zeit ocker- Geringe bis keine Standzeiten Farbgebungen abwichen und eine hellgraue, leicht ins grün- gelb gestrichene Fassaden auf. liche reichende Steinfassung aufwiesen. Gute Verarbeitbarkeit Erst nach dem Regierungsantritt von Franz Joseph I. 1848 Denkmalpflege Kalkanstriche können anschließend folgte wieder eine Umgestaltung der Fassade in Gelbocker, sofort („fresco“) aufgebracht werden wobei auch hier die zweifärbige Gliederung beibehalten Traditionell wurden über die Jahrhunderte (mit Ausnahme wurde. Es ist durchaus denkbar, dass Franz Joseph, der einer Restaurierung in den 1980er-Jahren) die Anstriche unmittelbar nach der Revolution sein Amt angetreten hatte, am Schloss Schönbrunn mit Kalkfarbe durchgeführt, was – bewusst Rekurs auf die Farbgestaltung unter Maria Theresia abgesehen von der besonderen Farbwirkung – zahlreiche PROFI PORETEC NHL KALKSYSTEME & MINERALFARBEN 16 Denkmal pflege Kunst und Naturwissenschaften www.profibaustoffe.com
Handelsroute, Fluchtweg und Grenzübergang: die Geschichte des seit Technische Denkmale Kurzem unter Denkmalschutz stehenden und selten gut erhaltenen Säumerpfades in den Krimmler Tauern. Der Alpenhauptkamm ist aufgrund seiner geografischen französische Zone bei der Flucht umgangen werden. Den Lage seit jeher sowohl trennender Gebirgswall als auch gesamten Sommer 1947 über gelangten auf diese Weise Brücke zwischen Mittel- und Südeuropa. Die Säumerpfade jüdische Flüchtlingsgruppen in anstrengenden Fußmär- und Passübergänge über die Alpen hatten daher seit der schen über die Grenze nach Italien. Antike große Bedeutung für Verkehr und Handel. Vor Kurzem konnte ein authentisch erhaltener Teilab- Der Krimmler Tauernweg wurde vermutlich bereits in schnitt des Krimmler Tauernweges auf Salzburger Seite Der vorrömischer Zeit benutzt, war aber spätestens ab dem Mittelalter als wichtiger Säumerweg eine Handelsroute unter Denkmalschutz gestellt werden. Der Altweg dürfte auf die letzte große Ausbaustufe Mitte des 16. Jahrhun- zwischen Salzburg und Südtirol. Darüber wurden die Han- derts zurückgehen: 1551 wurde der Säumerweg auf Ersu- Krimmler delswaren mittels Rückentragen oder Tragtieren transpor- chen des Heimeram Oberndorffer bei der erzbischöflichen tiert – Salz in den Süden, Wein und Schnaps in den Norden. Hofkammer in Salzburg wesentlich ausgebessert und Auf Salzburger Seite führt der Weg vom Windbachtal, ei- zum Teil völlig neu trassiert. Oberndorffer, der das Kellen nem Seitental des Krimmler Achentals, hinauf zur Passhö- amt des Pflegegerichts Mittersill innehatte und für die he des Krimmler Tauern an der österreichisch-italienischen Einhebung der verschiedenen Einkünfte des Salzburger Tauernweg Grenze in 2.633 Metern Seehöhe. Landesfürsten im Oberen Pinzgau zuständig war, widmete Aus dem Jahr 1154 ist urkundlich belegt, dass Bozener sich in einem ausführlichen Bericht der Beschreibung des Wein über den Krimmler Tauern gesäumt wurde. Der Weg Weges und der Gefahren für Säumer, Vieh und Handelsgut. diente in dieser Zeit auch als Ausweichroute, wenn ein- Er schlug eine Verbesserung der Trassenführung vor und fachere Alpenpässe wie der Brenner aufgrund politischer fügte seinem Bericht eine grobe Planskizze für den neuen Streitigkeiten nicht begehbar waren. So verwendete ihn Wegeverlauf bei. Überliefert sind auch die Namen der vier Stephan Bstieler etwa der spätere Kaiser Karl IV. im Jänner 1340, und das lokalen Wegemacher, welche die Arbeiten 1551 durchge- trotz schwierigster Wetterbedingungen. führt und dafür 100 Gulden erhalten haben. Durch die neue Grenzziehung nach dem Ersten Welt- Der etwa einen bis 1,2 Meter breite Weg ist dammartig krieg veränderte sich die Situation gravierend. Der Krimm- durch größere Randsteine aus Findlingen begrenzt und ler Tauernweg war nicht mehr nur ein alpenüberquerender dazwischen streckenweise mit kleineren Steinen oder Säumerpfad, sondern zugleich auch Grenzübergang zwi- größeren Platten gepflastert. Bachläufe werden mittels schen zwei Staaten. 1923 wurde der Viehübertrieb für großformatiger Steinsetzungen überwunden. Zum Teil Südtiroler Bauern, die im Krimmler Achental Almgründe existiert ein wegbegleitendes Entwässerungssystem mit besaßen, durch ein Abkommen zwischen Italien und Öster- gepflasterten Entwässerungsrinnen oder quer in die Trasse reich gesetzlich geregelt. Trotz der strengen Überwachung gesetzten langen Steinen, um das Hangwasser vom Weg der Grenze durch den Zoll wurde viel Schmuggel betrieben. abzuleiten. Wenig unterhalb der Passhöhe sind in steileren Eine besondere Rolle spielte der Krimmler Tauernweg Passagen und bei Geröllfeldern große monolithische Stein- 1947 als Fluchtroute: So schleuste die jüdische Hilfsorga- platten stufenartig zu Treppen geschlichtet und kleinere nisation Brichah 5.000 osteuropäische Holocaust-Über- Stützmauern errichtet worden. lebende über den Krimmler Tauern nach Italien, damit Aufgrund der Witterung im Hochgebirge stellen befes- sie über den Hafen von Genua nach Palästina gelangten, tigte Säumerwege als Alpenübergänge in einem derart das unter britischem Mandat stand. Man wählte diese guten Erhaltungszustand eine Seltenheit dar. In seiner Zu Stufen Strecke, weil es die einzige Stelle der amerikanischen Ausgestaltung ist der Krimmler Tauernweg eines der geschlichtete große Steinplatten im Besatzungszone in Österreich war, die direkt an Italien wenigen erhaltenen alpinen Wegesysteme in Österreich, steileren Gelände grenzte. Die Briten versuchten nämlich bis zur Lösung der die auf das späte Mittelalter zurückzuführen sind. Als unterhalb der Passhöhe Palästinafrage, einen großen jüdischen Zuzug dorthin zu Fluchtroute für Holocaust-Überlebende besitzt der Weg, © Gerd Pichler verhindern, und intervenierten bei mehreren europäischen gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse, Regierungen, den Flüchtlingsstrom zu stoppen; so wurden eine wichtige zeitgeschichtliche Bedeutung. etwa der Brenner und der Reschenpass durch die franzö- sische Besatzungsmacht in Tirol streng kontrolliert. Über den Krimmler Tauernweg konnten die britische und die Mag. Stephan Bstieler ist stellvertretender Leiter der Abteilung für Spezialmaterien im Bundesdenkmalamt. 18 Denkmal pflege Technische Denkmale Technische Denkmale 19
Bewegliche Denkmale Von der „frischen Lebendigkeit dieser Formungen“ und der „Unmittelbarkeit der gewonnenen bildlichen Wirkung“ Daniel Resch künstlerische Ausdrucksweise zu transformieren. Initiiert Ein Vorhang der Wiener Werkstätte wurde die Tüll- und Klöppelspitzenproduktion ab 1917/18. von etwa 1920, bestehend aus Beim gegenständlichen Vorhang mit einer bemerkenswer- ten Größe von 225 mal 166 Zentimetern handelt es sich um 81 geklöppelten Spitzeneinsätzen, ein textiles Kunstwerk aus 81 geklöppelten Spitzeneinsätzen, ist Zeugnis der Künstlerinnenschaft entstanden etwa 1920. Für die Entwürfe der einzelnen Motive zeichneten gleich drei Künstler:innen verantwortlich: Anny vom Anfang des 20. Jahrhunderts Schröder-Ehrenfest (1898–1972) steuerte sechs Motive bei, und Dokument exquisitesten österrei- von Vally Wieselthier (1895–1945) stammen vier, von Dagobert Peche drei Motive. Als hätte er den gegenständlichen Vorhang chischen Kunsthandwerks. beim Schreiben vor Augen gehabt, führte Ludwig Steinmetz weiter aus: „Die Unmittelbarkeit der gewonnenen bildlichen Wirkung, die besonders in den Köpfen, Figuren und Tieren Als Ludwig Steinmetz in seinem 1922 in der Zeitschrift „Deut- durch die feinsten zeichnerischen Qualitäten ausgezeichnet sche Kunst und Dekoration“ erschienenen Artikel „Klöppel ist, erhebt nunmehr auch die Klöppeltechnik in die Reihe der spitzen und Seidenkissen. Zu den Arbeiten der ,Wiener freien, künstlerischen Ausdrucksmittel.“ Steinmetz erkannte Werkstätte‘“ die „frische Lebendigkeit dieser Formungen“ darin eine Weiterentwicklung der Kunst über die Malerei hervorhob, geschah dies voll der Bewunderung über die hinaus, die gleichzeitig die mit Klöppelspitze assoziierten Tatsache, dass sich die Wiener Werkstätte unter Dagobert historischen Eigenschaften der „Zierlichkeit, das Duftige, Peche (1887–1923) einer historischen Handwerkstechnik an- Lebendige und bei aller Zartheit doch charaktervoll Struktu- nahm und es schaffte, auch Klöppelspitzen in eine aktuelle relle, Organisch-gewachsene dieses Kunstgebildes“ vereinte. SPIT ZE Vorhang aus 81 geklöppelten Einsätzen, entworfen von Dagobert Peche (3 Motive), Anny Schröder-Ehrenfest (5 Motive) und Vally Wieselthier (4 Motive), Leinen, Klöppelspitze, 225 x 166 cm; Schenkung an das MAK, MAK Inv. Nr.: T 14684; Abb.: MAK – Museum für angewandte Kunst Fotografie, Porträt Anny Schröder- Ehrenfest, Foto. Anonym, 1930, Nachlass von Anny Schröder, Aufnahme: Privatbesitz. Publiziert im Katalog Fotografie, Porträt, Vally (Valerie) Fotografie, Porträt Dagobert Peche, „Frauen der Wiener Werkstätte“, S. 263. Wieselthier, Fotograf: Unbekannt, Fotograf: Anonym, 1920, Silbergelatine 20 Denkmal pflege Bewegliche Denkmale Mit freundlicher Genehmigung durch das Wien um 1925, MAK Inv. Nr.: WWF 215-1; abzug, MAK Inv. Nr.: KI 15241-9; MAK – Museum für angewandte Kunst Abb.: MAK – Museum für Abb.: MAK – Museum für angewandte Kunst angewandte Kunst
der Wiener Werkstätte, doch bringt sie in ihren „Berichte[n] über die Wiener Werkstätte“ von 1959 den Stellenwert der Mitarbeiterinnen für die künstlerische Produktion treffend zum Ausdruck: „Zusammen mit Peche […] bis zum Ende der Wiener Werkstätte waren sie [die Hoffmann-Schülerinnen] es, die den Charakter der WW von 1916 an bestimmt haben. Tapeten, Spitzen, die große Keramikproduktion, Email und zum großen Teil die Lederwaren lagen fast ausschließlich in ihren und Peches Händen. […] Und sie haben sehr viel dazu beigetragen, einen neuen Stil der Wiener Werkstätte auszu- arbeiten.“ (Zit. n. Angela Völker, in: Die Frauen der Wiener Werkstätte, S. 100) Der Vorhang gehört aufgrund seines Materials, der Kunst- Plakat „Spitzen der Wiener Werkstätte“ (Kurztitel), Entwurf für einen Spitzeneinsatz, Anny Schröder- Entwurf: Dagobert Peche, Druckerei: Anonym, Ehrenfest, WW, Wien um 1919, Bleistift, Transparentpapier, handwerkstechnik und seiner außerordentlichen Größe zu 1918-1921, Flachdruck, MAK Inv. Nr.: PI 11851; Tusche, 21,6 x 21,6 cm, signiert rechts unten „Schröder“, den seltensten und kostbarsten textilen Objekten aus der Abb.: MAK – Museum für angewandte Kunst WW Stempel: Wiener Werkstätte, Weit. WW-Nrn. am Obj.: 161120/10, Modellnummer: 4/42003; MAK Inv. Nr.: Ära der Wiener Werkstätte. Zwar sind durch Entwurfszeich- KI 12973-7 ; Abb.: MAK – Museum für angewandte Kunst nungen und Fotografien viele der geklöppelten Schöpfungen Entwurf für einen Spitzeneinsatz, Anny Schröder-Ehrenfest, dokumentiert, erhalten haben sich hingegen nur wenige. Ein Plakat "Wiener Werkstätte Spitzen Mode WW, Wien um 1919, Bleistift Papier Tusche, 22,5 x 22 cm, Kunstgewerbe Glas Seidenstoffe, Kärntnerstr. 41 und 32, signiert links unten „Anny Schröder“, WW Stempel: Wiener textiles Kunstwerk wie das vorliegende zählt in dieser Dimen- Graben 15" (Originaltitel), Entwurf: Maria Likarz-Strauss, Werkstätte, Text am Objekt: Signatur, Anny Schröder gez. Wien, um 1927, Bleistift, Papier, Tusche, MAK Inv. Nr.: 26/XI. (Paraphe), Modellnummer: 4-42014; MAK Inv. Nr.: KI sion und in derartig hoher künstlerischer Qualität heute zu KI 12296-2; Abb.: MAK – Museum für angewandte Kunst 12972-20; Abb.: MAK – Museum für angewandte Kunst den herausragenden Kreationen der Wiener Moderne. 2015 wurde der Vorhang bei einer Versteigerung in einem Wiener Auktionshaus zum Verkauf angeboten. Auf- grund seiner außerordentlichen Bedeutung für Österreichs Kunst-, Kultur- und Wohngeschichte, aber auch in puncto Sozialgeschichte, betreffend die Entwicklung der Gleich- stellung der Geschlechter im Bereich der bildenden Kunst, hat das Bundesdenkmalamt eine Ausfuhrgenehmigung für das Stück nicht in Aussicht gestellt. Dank der Schenkung durch den privaten Eigentümer an das MAK – Museum für angewandte Kunst Wien steht das Kunstwerk heute als Teil einer öffentlichen österreichischen Sammlung unter Denkmalschutz. Verkaufsraum für Bänder und Spitzen, Textilabteilung der Wiener Werkstätte, Wien I, Kärntner Straße 32, 1918; Entwurf: Mag. Daniel Resch ist stellvertretender Leiter der Josef Hoffmann; Ausführung: Felice Rix-Ueno, Wien, 1918. Fotograf: Carl Theodor Reiffenstein, Wien, MAK Inv. Nr.: WWF Abteilung für bewegliche Denkmale – Internationaler 137-33-1; Abb.: MAK – Museum für angewandte Kunst Kulturgütertransfer im Bundesdenkmalamt. Noch heute lassen sich die von ihm beschworenen Asso- genießt, ist mit Motiven von vier menschlichen Figuren in ziationen am hier besprochenen Vorhang gut nachvollziehen. Peches Stilempfinden, das inspiriert war vom Rokoko sowie tänzerischen Posen und folkloristischen Kleidern vertreten. Durch die maßgebliche Beteiligung Anny Schröder- Lesetipps von folkloristischer Kunst und sich in der Stilisierung dieser Ehrenfests und Vally Wieselthiers an der Schöpfung gibt Angela Völker/Christoph Thun-Hohenstein (Hg.): Die unbekannte Wiener Werkstätte. Stickereien Formen äußerte, wurde auch von vielen Künstlerinnen der der Vorhang auch Zeugnis von der Bedeutung und Stellung und Spitzen 1906 bis 1930. MAK Studies Wiener Werkstätte vertreten. Von Peche stammen die Motive von Künstlerinnen um 1900 und kurz danach in Österreich. 25. Stuttgart/Wien 2017. eines Krugs, eines Kopfs im Profil und eines Fantasiewesens. Speziell in der Textilabteilung der Wiener Werkstätte lieferten Marianne Leischnig: Berichte über die Wiener Vor allem die in den 1930er-Jahren besonders beliebte Volks- zahlreiche Frauen künstlerische Entwürfe. Über 60 Künst- Werkstätte. Amsterdam 1999 [Amsterdam 1959, kunst ist in den Entwürfen von Anny Schröder-Ehrenfest lerinnen – „zweifellos alles besonders begabte Mädchen“, MAK, WW-Archiv, WWMANU 1]. wiedererkennbar; beim Klöppelmotiv der Vase lässt sich das wie Marianne Leischnig (1896–1971), die 1922/23 selbst als Anne-Katrin Rossberg/Elisabeth Schmuttermeier/ gut nachvollziehen. Sie entwarf auch die Tiersujets Löwe, freie Mitarbeiterin in der Wiener Werkstätte arbeitete, lapidar Christoph Thun-Hohenstein (Hg.): Die Frauen der Wiener Werkstätte. Ausst.-Kat. MAK. Steinbock, Stier und Antilope sowie die komplexe Kreation anmerkte – können nach aktuellem Forschungsstand dort Basel/Wien 2020. einer Frau mit Katze und Vogel. Vally Wieselthier, die heute für festgemacht werden. Leischnig meinte mit ihrer Aussage ihre keramischen Skulpturen international große Bekanntheit zwar die künstlerisch tätigen Frauen aus allen Abteilungen Plakat „Wiener Werkstätte. Stoffe. Spitzen. Leder. Keramik. Stickerei. Glas.“, Entwurf: Mathilde Flögl, Druckerei: Waldheim-Eberle A.G., Wien, 1927, Flachdruck, MAK Inv. Nr.: PI 694; Abb.: 22 Denkmal pflege Bewegliche Denkmale Bewegliche Denkmale MAK – Museum für angewandte Kunst
Eine kunstvoll verzierte Schale. Spiralen, Archäologisch vielleicht das bronzezeitliche Äquivalent unserer Barren. Ein Gespinst aus feinem Draht, Überrest Der eines golddurchwirkten Textilstückes. Der 2020 im niederösterreichischen Ebreichsdorf geborgene Goldhort wird derzeit in der Abteilung für Konservierung und Restaurierung des Bundesdenkmalamtes (die Schale) bzw. im Naturhistorischen Museum (das Textilstück) Die Goldschale vor der Reinigung © Bundesdenkmalamt, untersucht und restauriert. Foto: Petra Laubenstein Das Gold stammt aus Böhmen, das haben erste Untersu- Aus den zahlreichen Keramikfragmenten, die 51 Kisten chungen ergeben. Vergleichbare Schalen mit ähnlichen füllen, lässt sich ablesen, dass die Siedlung über einen länge- Goldschatz Motiven wie die aus Ebreichsdorf kennt man hingegen nur ren Zeitraum bewohnt gewesen sein muss. Während dessen aus Skandinavien und Norddeutschland. Damit spannt sich hatten sich die Formen und Dekorationen von Tassen und ein geographischer Bogen von den Minen im Osten über Schüsseln geändert: Tassen mit hochgezogenen Henkeln den skandinavischen bzw. deutschen Norden zum Acker gehören einer früheren Kultur an als ebenfalls gefundene in Niederösterreich, zu der großen urnenfelderzeitlichen charakteristische Kegelhalsgefäße mit zylindrischem oder Siedlung, in der der Goldschatz gefunden wurde. All diese trichterförmigem Hals. Orte müssen vor 3000 Jahren durch Handelsbeziehungen verbunden gewesen sein, haben eventuell diplomatischen Vorgänger und Nachfahren Verkehr gepflogen, Geschenke ausgetauscht. Der Standort muss attraktiv gewesen sein, er wurde wohl auch vor der Entstehung und nach dem Ende der Siedlung Eine riesige Siedlung der späten Bronzezeit genutzt. Unter anderem wurde min- Die Siedlung selbst, entdeckt im Zuge der archäologischen destens 1000 Jahre ältere Keramik der späten Steinzeit, der Untersuchungen vor dem Ausbau der Pottendorfer Linie, Kupferzeit, gefunden, und ein Haus, das sich der späten ist außergewöhnlich. Mit einer Fläche von mehr als 7000 Eisenzeit, der Latènezeit, die etwa um 450 v. Chr. begann, von m² ist sie die größte bisher in Österreich gefundene. Da sie zuordnen lässt. in Holzbauweise errichtet wurde, hinterließen die Gebäude Der Goldhort, ob nun rituell, als Opfer an die Götter, nieder- meist nur Pfostenlöcher im Boden, die Archäolog:innen gelegt oder aus anderen Gründen versteckt, verrät nicht nur interpretieren können. So war es der Firma Novetus mög- den Wohlstand und die Vernetztheit der Bewohner:innen der lich, mehrere Wohnhäuser und ein hallenartiges Gebäude, riesigen Siedlung. Die Motive des Dekors der Schale, kreis- wahrscheinlich einen Versammlungsort, zu dokumentieren. und sternförmig, lassen sich als Symbole eines Sonnenkults interpretieren. Erstaunlich sind auch die handwerklichen Fähigkeiten, die der unscheinbare Textilstückrest offenbart. Golddurchwirktes oder -besticktes Textil kennen wir von sel- tenen römischen und häufiger erhaltenen mittelalterlichen Beispielen; Metall mit feinsten Stoffen zu verbinden, ist eine hochspezialisierte Tätigkeit, die höchste Anforderungen an Geschicklichkeit und Erfahrungswissen der Metallarbeiter, aber auch der Weberinnen oder Stickerinnen stellt. Ebreichsdorf Die Arbeiten an Schale und Textilstück gehen weiter. Nach ihrem Abschluss sollen die in interdisziplinärer Kooperation gewonnenen Erkenntnisse aufgrund der hohen Bedeutung der Funde veröffentlicht werden. Goldspiralen – die Goldbarren der Bronzezeit? Claudia Volgger arbeitet in der Abteilung für © Bundesdenkmalamt, Foto: Petra Laubenstein Archäologie im Bundesdenkmalamt. Claudia Volgger Im Wiener Arsenal wird die Goldschale behutsam mechanisch gereinigt. Denkmal pflege Archäologisch 25 © Göttlich/Friedl
repair care and Kartause Mauerbach Denkmalpflege impliziert per se bereits In der Erhaltung von Baudenkmalen gehen wir heute vom Bestand aus. Sowohl in der Pflege und Wartung als auch in Ausstellungstipps „care and repair“– Nachhaltigkeit. Die dauerhafte Erhaltung der Reparatur und Ergänzung wird mit den ursprünglich ver- Die Ausstellung „care and repair“ und Pflege von bedeutenden Bestands- Denkmalpflege in der wendeten Materialien gearbeitet. Gerade Materialien wie Kalk Sakristei der Kartause Mauerbach vermittelt KARTAUSE zurück zu Pflege, oder Leinölfarbe sind beispielhaft für die Tradition von Pflege anschaulich die Aufgabenbereiche und MAUERBACH bauten unter Einbeziehung traditioneller und Wartung. Kalkputze oder -anstriche können bei Bedarf Forschungsthemen der Baudenkmalpflege. und damit natürlicher Baumaterialien ausgebessert und wiederholt werden, ohne darunterliegen- Zu sehen ist eine Auswahl von Objekten aus Wartung und de Schichten zu zerstören. Die Leinölfarbe, die im Lauf des den Sammlungen historischer Architekturdetails, bildet den Kern der Aufgaben der 20. Jahrhunderts durch moderne Lacke verdrängt wurde, wie Fenster, Ziegel und Beschläge, die als Wissens- speicher historischer Baukonstruktionen dienen. Denkmalpflege, die in der Kartause erlebt derzeit eine Renaissance, gibt es doch keinen besse- Reparatur Sandvorkommen aus Österreich, Kalkstein, Mergel und ren Schutz für Holzfenster: pflegbar durch Überwischen mit Mauerbach vermittelt werden. Leinölfirnis, wiederholbar, ohne frühere Schichten abnehmen natürliche Pigmente dokumentieren die traditionelle Verwendung natürlicher, regionaler Baumaterialien. zu müssen, dampfdiffusionsoffen, um Feuchtigkeit abgeben Astrid Huber zu können, ohne abzublättern. Traditionelle Produkte wie mas- Die neue Ausstellung „ergraben und authentisch Schon in der Charta von Venedig, den internationalen Richt- bewahrt“ im Brunnenhaus der Kartause präsentiert sive Holzböden oder Kastenfenster sind im Gegensatz zu den linien für Restaurierung aus dem Jahr 1964, ist festgehalten, 2022 erstmals archäologische Funde aus Metall und meisten ihrer industriell gefertigten Pendants reparaturfähig dass „die Erhaltung der Denkmale zunächst ihre dauernde Keramik, die vom Verein Kulturpark Hengist seit 2004 und pflegbar – nicht so Kunststofffenster oder Laminatböden, Pflege erfordert“. Das Zentrum für Baudenkmalpflege in in Grabungen vor der Zerstörung durch Bau- und die schon nach wenigen Jahrzehnten als Sondermüll auf den Ackertätigkeit gerettet und anschließend behutsam der Kartause Mauerbach vermittelt seit seiner Gründung Deponien landen. Auch im Sinne des Klimaschutzes sollten konserviert werden konnten. 1984 die Tradition von Pflege, Wartung und Reparatur. Mit wir von historischen Gebäuden, ihrer langen Nutzungsdauer, nachhaltigen Instandsetzungsmethoden und traditionellen, Reparaturfähigkeit und Wiederverwendbarkeit lernen. reparaturfähigen Baumaterialien stellt man sich kurzlebigen 21. Mai bis 25. September 2022, Sanierungen und industriellen Einwegprodukten entgegen. Samstag, Sonntag und Feiertag Durch die zunehmende Industrialisierung des Bauwesens Mag.a Astrid Huber ist Leiterin des Informations- 10 bis 18 Uhr ab Mitte des 20. Jahrhunderts gerieten traditionelle Techniken und Weiterbildungszentrums Baudenkmalpflege des und historische Baumaterialien zusehends in Vergessenheit. Bundesdenkmalamtes in der Kartause Mauerbach. Informationen zu allen Ausstellungen und Veranstaltungen auf bda.gv.at Anstelle der über Jahrhunderte gepflogenen Tradition der „care and repair“ in der Kartause Mauerbach ergraben und Wartung und Reparatur mittels überlieferter Materialien wur- © Bundesdenkmalamt, Fotos: Astrid Huber authentisch bewahrt den originale Architekturoberflächen abgeschlagen und durch moderne Einwegprodukte ersetzt. Dadurch ging nicht nur Authentizität verloren, vielmehr konnten die neuen Materialien in der Regel weder die ästhetischen noch die bauphysikalischen Ansprüche am Altbau erfüllen. Für die Erhaltung unserer Bau- denkmale sind die traditionellen Handwerkstechniken je- doch unerlässlich. Dieses Wissen wird daher in der Kartause Mauerbach gepflegt und in Workshops und Seminaren an Wartungsarbeiten in Ausbesserungen im Sockel- alle am Altbau tätigen Berufsgruppen (Handwerker:innen, Restaurator:innen und Architekt:innen) vermittelt. Seien Sie Kalktechnologie bereich mit Kalkschlämme Die traditionelle Bautechnik verwendete lokale, natürliche und in einem niedrigen Verarbeitungszustand stehende Ma- dabei! terialien, die heute auch wieder in der Konservierung, Restau- rierung und Sanierung eines Gebäudes zum Einsatz kommen. Diese Materialien sind fast immer natürlichen Ursprungs (Holz, Stein, Sand), und selbst komplexere Materialien wie Sumpfkalk, Ziegel oder Ölfarben sind im Vergleich zu mo- dernen Baustoffen minimal umgewandelt und somit ebenso ressourcenschonend wie energieeffizient hergestellt. Da Transporte früher aufwendig und kostspielig waren, wurden fast ausschließlich Baumaterialien der Umgebung wie lokale Sichern von barocken Pflege des Ölanstrichs durch Natursteine, Sande, Kalke und Holzschindeln verwendet – Putzoberflächen mit Kalkmörtel Nachölen mit Leinölfirnis das erklärt auch die regional unterschiedlichen Bauweisen. Der Energieverbrauch für lange Transportwege fällt hierbei weg. Ein weiterer Vorteil: Grundsätzlich könnten alle Bau- stoffe und Teile eines historischen Gebäudes problemlos wiederverwendet oder recycelt werden. Foto: AdobeStock: Tetiana Parallel 26 Denkmal pflege Kartause Mauerbach Internationale Fachmesse für Museums- und Ausstellungstechnik
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