Der Kampf um Berlin Es wird gewählt: Wird Leerstand verboten? - Mieterverein Bochum
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13. JG. Nr. 49, III / 2017 Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend e.V. Es wird gewählt: Der Kampf um Berlin Rat vertagt Satzung: Wird Leerstand verboten? Hattingen: Neuer Mietspiegel
::: Inhalt Mieterforum III / 2017 Strommessgeräte Wieviel Strom verbraucht Ihre Wasch- maschine bei 30 Grad? Oder wieviel Ihr 5 8 Fernseher im Standby-Betrieb? Das sagen Ihnen unsere Strommessgeräte aufs Watt genau. Sie können die Geräte bei uns für maxi- mal eine Woche kostenfrei ausleihen. Erst bei längerer Ausleihe wird ein Entgelt fäl- selbstverständlich wieder ausgezahlt wird. 12 18 lig. Einzige Bedingung: Es ist eine Kauti- Details zu den Regeln der Ausleihe erfah- on in Höhe von 50 Euro zu hinterlegen, ren Sie unter der Rufnummer die Ihnen bei ordnungsgemäßer Rückgabe 0234 / 96 11 40. Mietervereine: Neue Mediatorin........................S. 4 Baumkontrolle: Ortstermine Zulässige Nebenkosten? ............S. 5 NRW: Wohnungsmängel? Feuchtigkeitsschä- Bauordnung behindert ..............S. 6 den? Begleitung bei der Wohnungsüber- Mieterschutz in NRW: gabe? Wohngifte-Messung? Wohnflä- Das große Streichkonzert ..........S. 7 chen-Berechnung? Wohnungspolitik: Unser Mann im Außendienst kommt zu Der Kampf um Berlin .................S. 8 Ihnen nach Hause. Dipl. Ing. Bernd Eck- stein ist Baubiologe und Energiebera- Kontakt: Fon: 02302 / 58 54 77 Kündigungsschutz: Wie ein Schweizer Käse II ........S. 10 ter mit BAFA-Zulassung. Im Preis von 85 € Fax: 02302 / 58 54 75 (Preisänderungen vorbehalten) sind An- E-Mail: b-eckstein@versanet.de Photovoltaik: fahrt, Kurzgutachten und Mehrwertsteuer Bitte klären Sie die Notwendigkeit einer Mieterstron..............................S. 12 enthalten. Ortsbegehung vorab in der Rechtsberatung. Smart Home: Sie können uns bei Facebook besuchen: ..... facebook.com/Mieterverein.Bochum Bequem aber gefährlich...........S. 14 und auf Twitter folgen: .............................. @MieterBO BGH-Urteile: Neues aus Karlsruhe ................S. 16 Impressum Fon: 0234 / 96 11 4 - 44 Herausgeber: Fax: 0234 / 96 11 4 - 74 Rat bejaht Dringlichkeit: DMB – Mieterverein Bochum, E-Mail: mensch.mieter@mvbo.de Zweckentfremdungs- Hattingen und Umgegend e. V., Namentlich gekennzeichnete Beiträge satzung für Bochum? ..............S. 18 Brückstraße 58 geben nicht unbedingt die Meinung der Hattingen: 44787 Bochum Redaktion wieder. Neuer Mietspiegel ...................S. 20 Redaktion: Anzeigen: Michael Wenzel Michael Wenzel, Tobias Scholz (ts), Rai- Fon: 0234 / 96 11 4 - 40 ner Stücker, Martin Grebe (mag), Martin Fax: 0234 / 96 11 4 - 70 Krämer, E-Mail: gf@mvbo.de v.i.S.d.P.: Aichard Hoffmann (aha) Titelbild: pixabay.com Druck: Lensing-Druck, Dortmund Mitglied im Deutschen Mieterbund NRW e.V. Auflage: 20.000 2
Mieterforum III / 2017 ::: Internes Mieterverein Sozialamt übernimmt Beiträge Die Stadt Bochum übernimmt unter bestimmten Voraussetzungen wieder die Mitgliedsbeiträge für den Mieterverein für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII oder dem Asylbewerber-Leistungsgesetz. Wenn bei der Betreuung einer leistungs- Wohnungsmängeln, Kündigungen und berechtigten Person erkennbar wird, dass Renovierungen. ihre Vermieterin oder ihr Vermieter aus Christine Tölle wiedergewählt dem Mietverhältnis möglicherweise unge- Betroffene Hilfeempfänger besprechen den rechtfertigte Ansprüche stellt oder gebo- eventuellen Beratungsbedarf am besten Die Mitgliederversammlung des Mieter- tene Handlungen unterlässt und fachliche mit ihrem Sachbearbeiter beim Jobcenter vereins hat Christine Tölle für weitere fünf Beratung geboten erscheint, können die oder Sozialamt. Nach einem schriftlichen Jahre in ihrem Amt bestätigt. Tölle ist seit pauschalen Beratungskosten für den Mie- Antrag kann dieser dann eine Kostenüber- 2003 2. Vorsitzende, zuvor war sie zwei terverein Bochum übernommen werden. nahme-Bescheinigung ausstellen. Die Mit- Jahre Beisitzerin. In der Kontrollkommis- Gemeint sind vor allem Probleme mit Be- gliedschaft im Mieterverein wird pauschal sion wurde auch Ralf Finke für fünf Jahre triebs- und Heizkostenabrechnungen, vergütet und endet automatisch. wiedergewählt. Von Rentnerinnen und Wiedereinsteigerinnen Die eine geht, die andere kommt wieder: Im Mieterverein gibt es einen weiteren Personalwechsel. Nach fast 30 Jahren im Betrieb ging unsere Rechtsberaterin Gisela Krieter Ende August in den Ruhestand. Aus der Babypause zurück meldet sich dagegen Anna Schwehm. Sie übernimmt dabei den Postleitzahlenbereich 44805 und 44809 von Hannelore Felder- mann (Gerthe, Hiltrop, Kirchharpen, Hofstede, Hamme). Frau Feldermann wiederum tritt Gisela Krieters Nachfolge in Wattenscheid an (Postleitzahlen 44866, 44867, 44869) und übernimmt auch die Beratung in der Wattenschei- der Geschäftsstelle in der Nikolaistraße 2. Kommt wieder: Anna Schwehm Geht nach Wattenscheid: Hannelore Feldermann Geht in Ruhestand: Gisela Krieter 3
::: Internes Mieterforum III / 2017 Neue Frau für die Mediation Beim Mieterverein gibt es einen weiteren Personal- wechsel. Anja Buschmann, die für uns seit vielen Jahren das Angebot an Mitglieder realisiert, Streit mit anderen Mietern durch eine Mediation zu lösen, verlässt uns, da sie sich hauptberuflich weg von Bochum orientiert. Ihren Part übernimmt Susanne Jacob, studierte Pädagogin (M. A.) und Systemisch- Integrative Therapeutin und -Sozialtherapeutin. MieterForum stellt die Neue vor. Nicht selten haben Mitglieder des Mieter- vereins kein Problem mit ihrem Vermieter, sondern einem anderen Mieter. Das ist dann auch für den Mieterverein ein Pro- blem. Denn Mieter gegen andere Mieter vertreten darf er nicht. Das verbietet die Vereinssatzung. Logisch: Denn Mieter ge- gen Mieter könnte allzu leicht bedeuten: Susanne Jacob Mitglied gegen Mitglied. Ein klassischer Interessenkonflikt. zwischen den Parteien zu schauen. Salopp reden sind. „Ist das nicht der Fall, biete Um nicht Mitglieder, die extra wegen ei- gesagt: Was läuft da eigentlich ab zwi- ich an, den Betroffenen dabei zu helfen, nes Nachbarschaftsstreites eingetreten schen den beiden?“ Wege zu finden, mit der Situation wei- sind, sofort wieder nach Hause schicken terzuleben“ sagt Susanne Jacob. „Häu- zu müssen, haben wir ein Alternativange- Denn die Erfahrung lehrt, dass der ei- fig hilft es ja, eine Anlaufstelle zu haben, bot: Durch eine Mediation kann versucht gentliche Streitgegenstand häufig aus- wo man seinen Frust abladen kann. Die werden, den Mieterstreit zu schlichten. tauschbar ist. Dafür aber machen sich die Betroffenen fühlen sich oft wie in einer Das geht natürlich nur, wenn beide Par- Streithähne oft nicht klar, worum es ih- Sackgasse und empfinden Leidensdruck. teien dazu bereit sind. nen selbst oder den anderen jenseits der Ich versuche, die Menschen zu einem Vordergründigkeit eigentlich geht. Jacob: anderen Blick auf die Situation anzure- Diese Aufgabe hat in diesem Sommer Su- „Jemand schließt die Tür nicht ab. Das gen und vielleicht eine andere Strategie sanne Jacob von Anja Buschmann über- stört mich, weil ich ein Sicherheitsbedürf- zu entwickeln.“ nommen. Auch sie arbeitet nach der Me- nis habe. Das sage ich aber nicht, son- thode der „gewaltfreien Kommunikation“ dern poche auf die Hausordnung. Der an- nach Marshall Rosenberg. Ihr beruflicher dere hält mich dann vielleicht für einen Interesse? Werdegang ist allerdings anders. Prinzipienreiter, und die kann er nicht lei- Wenn Sie das Angebot interessiert, den. Ein Sicherheitsbedürfnis dagegen wenden Sie sich zunächst an Ihre/n „Als Systemikerin arbeite ich lösungsori- würde er wahrscheinlich verstehen. Denn zuständige/n Rechtsberater/in. Es folgt entiert“, erklärt sie. „Es geht nicht darum, das hat ja eigentlich jeder, nur nicht im- dann zunächst ein 4-Augen-Gespräch zu ergründen, wie ein Streit angefangen mer auf die gleiche Art.“ mit Frau Jacob und anschließend – hat, wer schuld daran ist und wer nachge- wenn die andere Seite mitmacht – die ben sollte oder wo ein Kompromiss liegen Mediation setzt natürlich voraus, dass eigentliche Mediation. Die Beratung ist könnte. Es geht darum, auf die Dynamik beide Parteien offen dafür und bereit zu für Mitglieder kostenlos. 4
Mieterforum III / 2017 ::: Vermieterinnen Nebenkosten für Baumkontrollen? Seit der Klimawandel uns in Mitteleuropa immer öfter schwere Unwetter und Stürme beschert, ist es unter Vermietern Sitte geworde, Bäume auf ihren Grundstücken regelmäßig auf ihre Standfestigkeit zu überprüfen. Denn kracht so ein Riese zur Unzeit herunter und richtet Sach- oder sogar Personenschaden an, drohen Schadensersatzforderungen. Da ist Vorsicht besser als Nachsicht. So weit, so gut. Das Problem ist nur: Immer mehr Wohnungsgesellschaften wollen ihre Mieter dafür zahlen lassen. 17 Arten von Betriebskosten, die von Mie- tern verlangt werden dürfen, listet die Be- triebskostenverordnung auf. Leider lautet der Name der 17. Art „sonstige Beitriebs- kosten“. Eine solche „offene Restkatego- rie“ ist natürlich ein Einfallstor für kreati- ve Vermieter, alle möglichen Kosten, die entstehen, zu Betriebskosten zu erklären und auf die Mieter abzuwälzen. Den Vorreiter hat – wie so oft Vonovia – gespielt, als sie noch Deutsche Anning- ton hieß. Und eine der ersten „neuen“ Betriebskostenarten, die plötzlich von Mie- tern verlangt wurden, lautete „Baumkon- trolle“. Meistens sind es nur um die 15 € pro Mietpartei, aber Kleinvieh macht be- kanntlich auch Mist. Inzwischen ist auch die halbstädtische VBW, in Bochum die größte Wohnungsanbieterin, auf den Zug Mit einer Baumkontrolle begann vor acht Jahren im Malerviertel in Weitmar-Bärendorf der wahr- aufgesprungen. Der Mieterverein hält die scheinlich erbittertste Streit zwischen einer Mieterinitiative und einer Wohnungsgesellschaft, der je auf Bochumer Boden ausgetragen wurde. Heute herrscht hier Ruhe, aber dafür haben jede Menge Abwälzung dieser Kosten für nicht zulässig Mieter anderer Wohnungsgesellschaften Ärger mit neuen Nebenkosten wegen Baumkontrollen. und vertritt bereits zahlreiche Mitglieder. Keine Gartenpflege schreiben prophylaktisch ganze Litaneien Kläger gesucht „Nach unserer Rechtsauffassung sind an möglichen Betriebskostenarten in ihre Leider gibt es zu der Frage noch keine Baumkontrollen keine Gartenpflegekosten Mietverträge, auch wenn es sie (noch) höchstrichterliche Rechtsprechung – und gemäß § 2 Ziffer 10 der Betriebskosten- gar nicht gibt. auch keine aus unserem Vereinsgebiet. verordnung“, erklärt Mietervereins-Anwalt Der Mieterverein sucht deshalb eine/n York Redeker. „Denn sie dienen allein der Doch wenn Baumkontrolle ausschließ- beherzte/n Mieter/in mit oder auch ohne Verkehrssicherung und haben nichts mit lich in die Verkehrssicherungspflicht des Rechtschutzversicherung zwecks Durch- Pflege zu tun. Wenn überhaupt, kann es Vermieters fällt, dann sind es eigentlich führung eines Musterprozesses – auf un- sich nur um sonstige Betriebskosten ge- überhaupt keine Betriebskosten, die der ser Risiko natürlich. Freiwillige melden mäß Ziffer 17 handeln. Und die sind nur Mieter zahlen müsste. Immer mehr Ge- sich unter 96 11 40. umlagefähig, wenn sie im Mietvertrag richtsurteile bestätigen diese Auffassung: ausdrücklich vereinbart sind.“ Die Maßnahme dient ausschließlich der Übrigens: Auch die „Objektbetreuer“ von Gefahrenabwehr im Hinblick auf eine zu Vonovia führen laut ihrer Stundenzettel Allerdings ist dies in immer mehr Miet- vermeidende Haftung des Grundstücksei- immer mehr Kontrollen von allen mög- verträgen der Fall. Immer mehr Vermie- gentümers, meinte beispielsweise das AG lichen Anlagen durch. Solche Funktions- ter beugen allen Eventualitäten vor und Dortmund (419 C 4528/15). kontrollen müssen Mieter nicht bezahlen! 5
::: NRW Mieterforum III / 2017 Bauordnung behindert Die neue schwarz-gelbe Landesregierung war kaum im Amt, als sie mit einer ihrer ersten Entscheidungen gleich die Sozalverbände gegen sich aufbrachte. Hintergrund ist die Novelle der Landesbauordnung, von Rot-Grün Ende 2016 beschlossen. Sie sollte eh erst Ende 2017 in Kraft treten, um der Bauwirtschaft Zeit zu geben, sich auf neue Vorschriften einzustellen. Nun beschloss Schwarz- Gelb ein weiteres Jahr „Moratorium“ und ein Überdenken der neuen Regelun- gen. Der Sozialverband Deutschland, der VdK NRW, die LAG Selbsthilfe NRW und die Interessenvertretung selbstbestimmt Leben befürchten, dass dabei die geplanten Verbesserungen für Behinderte gefährdet sind oder sich zumindest erheblich verzögern – und rufen zum Protest auf. Michaela Kusal kann mehr als ein Lied abgelöst wird, braucht sie zwischendurch „Wir werden die im Dezember 2016 no- von den Problemen singen, mit denen Rückzugsmöglichkeiten. Und auch der Be- vellierte Landesbauordnung durch ein Rollstuhlfahrer täglich zu kämpfen haben. hinderte selbst möchte kaum rund um Moratorium aussetzen mit dem Ziel, eine Sie engagiert sich ehrenamtlich bei der die Uhr mit seinem Assistenten im glei- überarbeitete Landesbauordnung, bei seit 1980 bestehenden „Arbeitsgemein- chen Zimmer hocken. Man braucht also der baukostensteigernde Regulierungen schaft Behinderte in Bochum“, arbeitet eigentlich eine den Bedarfen angemes- und Vorgaben abgeschafft werden sollen, beim Beratungszentrum zur Inklusion Be- sene Wohnung. Doch selbst, wenn man schnellstmöglich in Kraft zu setzen.“ So hinderter (BZI) des Akademischen Förde- dafür einen Wohnberechtigungsschein schrieben es CDU und FDP bereits in ih- rungswerks und ist auch selbst eine von bekommt, ist die Konkurrenz um diese ren Koalitionsvertrag. Inzwischen haben 350.000 Menschen in NRW, die auf den Wohnungen riesig. In Bochum, so hat Mi- sie Taten folgen lassen. Rollstuhl angewiesen sind. chaela Kusal beim Sozialamt erfahren, beträgt die Wartezeit zwei bis drei Jah- Wohl nicht zu Unrecht befürchten die So- Eines dieser Probleme ist das Wohnen. re. Und zwischendurch eine andere Woh- zialverbände, dass die Vorschriften über „Mit der typischen Eineinhalb-Zimmer- nung zu nehmen, ist nicht zu empfehlen. mehr rollstuhlgerechte Wohnungen am 50-Quadratmeter-Sozialwohnung kommt Denn dann rutscht man auf der Wartelis- Ende zu den „baukostensteigernden Regu- man im Rollstuhl nicht klar“, sagt sie. „Es te wieder ganz nach hinten. lierungen“ gehören und komplett gestri- reicht auch nicht, wenn die Wohnung chen werden. Damit wären Verbesserun- „barrierefrei“ ist. „Rollstuhlgerecht“ ist Neubau tut not gen für Behinderte in weite Ferne gerückt. die umfassendere DIN-Norm. Da darf es Abhilfe könnte Neubau schaffen. Denn nicht nur keine Schwellen und Kanten ge- vorhandene Wohnungen rollstuhlgerecht Kontakt: ben, da müssen auch die Türen 90 cm umzubauen, ist oft mit unverhältnismäßi- Die Arbeitsgemeinschaft Behinderter in breit sein, die Lichtschalter und Steckdo- gen Mehrkosten verbunden oder schlicht- Bochum ist ein seit Jahrzehnten aktiver sen müssen eine Höhe haben, die man im weg unmöglich. Die abgewählte rotgrüne Zusammenschluss Bochumer Bürgerin- Sitzen erreichen kann, es muss Wendeflä- Landesregierung hatte das Problem er- nen und Bürger, der sich zur Aufgabe chen geben und so weiter.“ kannt und eine neue Vorschrift in die Lan- gemacht hat, Inklusionsprozesse anzu- desbauordnung aufgenommen: Wer mehr regen, zu begleiten, und wo nötig vor- Solche Wohnungen sind selten genug. als 8 Wohnungen baut, muss mindes- anzutreiben, um das Ziel einer inklusi- Aber viele Behinderte sind zudem nicht tens eine rollstuhlgerechte dabei haben, ven Stadt Bochum, in der jeder Mensch nur auf den Rollstuhl, sondern auch auf bei mehr als 15 sind zwei Pflicht. Doch wertgeschätzt wird und barrierefrei teil- eine Rund-um-die Uhr-Assistenz angewie- diese neue Bauordnung ist noch nicht in haben kann, zu verwirklichen. Sie trifft sen. Wenn die Vorraussetzungen erfüllt Kraft, obwohl sie bereits 2016 beschlos- sich am ersten Montag in ungeraden sind, bezahlt die nötigen Kosten auch der sen wurde. Und wenn es nach dem Willen Monaten ab 18 Uhr im barrierefrei zu- Sozialhilfeträger. Aber man wohnt dann der neuen schwarzgelben Regierung geht, gänglichen Haus der Begegnung, Al- quasi zu zweit in der Wohnung. Auch dann tritt sie auch frühestens 2019 in senstr. 19a in Bochum. wenn die zweite Person nach 24 Stunden Kraft – und vielleicht auch gar nicht. parisozial-bochum.de/content/e661/e934/ 6
Mieterforum III / 2017 ::: NRW Mieterschutz in NRW Das große Streichkonzert Laschet ist nicht Rüttgers. So werden sich vielleicht manche getröstet haben, die sich nach dem Ergebnis der Landtagswahl Sorgen um den Mieterschutz an Rhein und Ruhr gemacht haben. Doch diese Sorgen waren nur allzu begründet, wie sich spätestens herausstellte, als der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag veröffentlicht wurde. Wie weiland Jürgen Rüttgers zwischen 2005 und 2010 so will auch Armin Laschet den kompletten Mieterschutz, soweit er Landesrecht ist, ersatzlos abschaffen. Das große Streichkonzert kann dabei rela- tiv schnell über die Bühne gehen, denn bei den Mieterschutzbestimmungen handelt es sich bis auf eine Ausnahme nicht um Gesetze, die nur der Landtag verändern kann, sondern um Verordnungen, die die Regierung erlassen oder eben auch aufhe- ben kann. Zwar sind diese Verordnungen auch jetzt schon weit von dem entfernt, (c) Land NRW, R. Sondermann was der Mieterbund für richtig hält. Den- noch droht einges, verloren zu gehen: –– Die Mietpreisbremsenverordnung be- grenzt in 22 von 396 Kommunen in NRW die Neuvermietungsmieten auf 10 % über der ortsüblichen Ver- Ministerpräsident Armin Laschet und Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, gleichsmiete. Bau und Gleichstellung, bei ihrer Ernennung in Düsseldorf –– Die Kappungsgrenzenverordnung be- grenzt in 59 Kommunen die Mieter- Damit steht auch das einzige halbwegs Scharrenbach verteidigte ihre Politik als höungen auf 15 % in drei Jahren greifbare Ergebnis der 2-jährigen Be- Anlass zur Freude für Mieter: „Die kön- (sonst 20 %). ratungen in der Enquete-Kommission nen durch die Förderung schließlich auch –– Die Kündigungssperrfristverordnung „Wohnungswirtschaftlicher Wandel“ auf Eigentum bilden.“ Eine Bauministerin, die verlängert des Schutz vor Eigenbe- der Kippe. Kein Wunder, dass solche Plä- sich Mieter nur als Menschen vorstellen darfskündigungen nach Umwandlung ne die ehemaligen Regierungsparteien kann, die möglichst schnell im Eigentum in Eigentum von 3 Jahren auf 5 in SPD und Grüne in Harnisch bringen. Am wohnen wollen – eine Traumbesetzung 33 Kommunen und auf 8 Jahren in 4 12. Juli kam es zu einem heftigen Schlag- im Mieterland NRW! Kommunen. abtausch im Landtag. Neu-Ministerin Ina Mehr zum Koalitionsvertrag auf S. 9 –– Die Umwandlungsverordnung ver- bietet die Umwandlung in Eigen- Im Wortlaut tum komplett in Gebieten mit Mile- Zum Thema Mietrecht heißt es im Koalitionsvertrag: uschutzsatzungen – was aber sehr „Die Mietpreisbremse hat in Nordrhein-Westfalen ihren Zweck nicht erfüllt. Sie hat wenige sind. nicht die Mieten gebremst, sondern private Investitionen in den Wohnungsbau. Um –– Und die Zweckentfremdungsverord- das Angebot auf dem Wohnungsmarkt zu vergrößern und für mehr bezahlbaren nung, die Schwarz und Gelb ebenfalls Wohnraum zu sorgen, wollen wir private Investitionen wieder attraktiver machen. streichen wollen (siehe Kasten) gibt Dazu werden wir die Kappungsgrenzenverordnung und die Mietpreisbegrenzungs- es gar nicht. Stattdessen gibt es eine verordnung aufheben. Satzungsermächtigung für Kommu- Das Bundesrecht enthält bereits einen weitreichenden Mieterschutz. Darüber hin- nen in § 10 des Wohnungsaufsichts- ausgehende landeseigene Regelungen sind daher nicht erforderlich. Die Kündigungs- gesetzes, das aber laut Koalitionsver- sperrfristverordnung, die Zweckentfremdungsverordnung, die Umwandlungsverord- trag ebenfalls zur Disposition steht. nung werden wir aufheben, das Wohnungsaufsichtsgesetz überprüfen.“ 7
::: Wohnungspolitik Mieterforum III / 2017 (c) Deutscher Bundestag, Simone M. Neumann Der Kampf um Berlin Am 25. September ist Bundestagswahl, und es geht wie immer nicht nur um die Zukunft Deutschlands, sondern mindes- tens des gesamten Abendlandes, der westlichen Hemisphäre oder noch mehr. Ganz sicher geht es aber um die Zukunft der Wohnungspolitik. Der kommt wieder mehr Bedeutung zu als im ersten Jahrzent dieses Jahrhunderts, seit vor allem in vielen Großstädten das Wohnungsangebot immer knapper wird und die Mieten explodieren. Deshalb haben wir einen etwas genaueren Blick auf die Programme der Parteien geworfen. Wenn man die Bedeutung, die die Parteien sei, setzt die CDU auf dessen Belebung Soziales dem Thema Wohnungspolitik beimessen, statt auf „überbordende Regulierung“. Sind schon die Gewichte bei der Frage anhand der Menge dessen bewerten woll- Ansonsten geht es im Wahlprogramm „Miete oder Eigentum?“ unterschiedlich te, wie viel sie dazu schreiben – es gäbe der CDU nahezu ausschließlich um ver- verteilt, so fallen die Antworten beim The- eine eindeutige Siegerin: Satte 8.300 Wör- besserte Eigentumsförderung, insbeson- ma „Sozialer Wohnungsbau“ noch un- ter umfassen die Aussagen zum Wohnen dere für Familien. Die sollen auch bei der terschiedlicher aus. Die bisherige Große im linken Wahlprogramm. Mit 2.100 Wör- Grunderwerbssteuer geschont werden, Koalition hatte die Mittel dafür Schritt für tern weit abgeschlagen folgen die Grü- wie es in NRW schon Armin Laschet vor- Schritt verdreifacht, so dass zuletzt knapp nen auf Platz 2. Platz 3 belegt die SPD mit macht. Doch auch die SPD möchte durch 24.500 Sozialwohnungen neu gebaut 1.200 Wörtern, die FDP folgt mit 1.100. ein „Familienbaugeld“ erreichen, das sich wurden. Doch das hinkt immer noch weit Die CDU bringt es auf ganze 560 Wör- „mehr Menschen den Traum von den ei- hinter den 80.000 Wohnungen hinterher, ter, und der AfD ist das Thema gerade mal genen vier Wänden erfüllen können“. die der Deutsche Mieterbund jährlich für 300 Wörter wert. Das ist nicht mal eine nötig hält. Schreibmaschinenseite. Bauen, bauen, bauen Was den Wohnungsbau angeht, über- In der kommenden Legislaturperiode Mietrecht verbessern? trumpfen sich die bisherigen Koaltionspart- will die SPD erreichen, dass der Bund Doch auch inhaltlich gibt es begreiflicher- ner mit Zahlen. 1,5 Mio. Wohnungen will sich hier stärker engagiert, nennt aber weise riesige Unterschiede. Die SPD pro- die CDU in den vier Jahren der nächsten keine Zahlen. Die CDU schweigt sich pagiert vor allem die Verbesserungen im Legislaturperiode neu errichten. Das wären dazu komplett aus. Die bisherigen Op- Mietrecht, mit denen sie sich in dieser Le- 50 % mehr als heute. Bei der SPD sind es positionsparteien Die Grünen und Die gislaturperiode nicht durchsetzen konnte: mit 350 bis 400.000 jährlich ähnlich viele. Linke stürzen sich um so vehementer Nachbesserung der Mietpreisbremse, ver- Die Realität hinkt dem noch weit hinterher: auf das Thema: 1 Mio. dauerhaft güns- bindlichere Mietspiegel, Begrenzung von 2016 wurden noch nicht einmal 280.000 tige Wohnungen wollen die Grünen in Mieterhöhungen nach Modernisierung. Wohnungen neu errichtet. Und im ersten vier Jahren schaffen. Die Linke fordert Bei der CDU fehlt zu diesen Reizthe- Halbjahr 2017 ging die Zahl der Bauge- genausoviel: 250.000 neue Sozialwoh- men der Großen Koalition jedes Wort. Da nehmigungen sogar erstmals seit acht Jah- nungen jährlich, und dafür will sie „Wohnungsbau der beste Mieterschutz“ ren wieder zurück. 5 Mrd. Euro per Anno ausgeben. 8
Mieterforum III / 2017 ::: Wohnungspolitik (Eigen)Heimat-Ministerin Ina Scharrenbach Das besondere an dem Thema: Der Bund fordert. Hier liegen sie auf ähnlicher Wel- muss sich eigentlich Ende 2019 komplett lenlänge mit der SPD. Das gilt aber auch aus der Wohnraumförderung zurückzie- für eine Wiedereinführung der Woh- hen und die Finanzierung ab 2020 al- nungsgemeinnützigkeit. Beide Oppositi- lein den Ländern überlassen. Das ist eine onsparteien hatten schon in der jetzt zu Spätfolge der Föderalismusreform, die die Ende gehenden Legislaturperiode Anträge Kompetenzen zwischen Bund und Län- dazu im Bundestag eingebracht und sie (c) MHKBG 2017 / F. Berger dern 2005 neu geregelt hat. SPD, Grüne mit Gutachten untermauert – wir berich- und Linke wollen jedoch den Bund in der teten. Auch für die Zeit zwischen 2017 Pflicht halten und dafür nötigenfalls so- und 2021 haben sie das Thema auf der gar die Verfassung ändern. Agenda. Die SPD sagt sehr schwammig, NRW: dass sie den gemeinwohlorientierten Sek- Bauland billiger Außer der FDP haben alle etablierten Par- tor „stärken“ wolle, CDU und FDP wollen davon nichts wissen. Mehr Eigentum statt teien zu teures Bauland als Hauptproblem Sozialwohnungen ausgemacht. Entsprechend treten sie dafür Von Außen ein, dass beim Verkauf öffentlicher Grund- Derzeit scheinen sechs Parteien gute Aus- Obwohl der größte Mangel in NRW stücke nicht der Meistbietende zum Zuge sichten zu haben, in den nächsten Bun- bei den preiswerten Mietwohnungs- kommen soll, sondern die Grundstücke destag einzuziehen: Die beiden bisheri- angeboten in den Großstädten verbilligt abgegeben werden sollen – was gen Regierungsparteien CDU und SPD, herrscht, setzt die neue Landesre- heute nur begrenzt erlaubt ist. Ein neues die beiden bisherigen Oppositionsparteien gierung ganz auf die Schaffung von Bodenrecht, bei dem Verkaufsgewinne aus Grüne und Linke, sowie zwei Parteien, die mehr Eigentum. Bodenpreissteigerungen abgeschöpft und aktuell gar nicht im Bundestag vertreten für sozialen, kommunalen und genossen- sind: FDP und AfD. Aus Mietersicht könn- Zu diesem Zweck will sie die Wohnungs- schaftlichen Wohnungsbau ausgegeben te das auch so bleiben, denn von den bei- baufördermittel zu Gunsten der Förde- werden, fordert nur Die Linke. den letzten haben Mieter nicht viel zu er- rung des selbstgenutzten Eigentums warten. umverteilen, was unter dem Strich zu Mehr Wohngeld weniger Sozialwohnungen in den Städ- Alle Parteien wollen mehr Wohngeld, nur Die FDP will das Bauen durch verbesserte ten und zu mehr Eigenheimbau außer- mit anderen Worten. Die SPD will es „regel- Abschreibungsbedingungen fördern, das halb der Ballungsräume führen wird. Um mäßig anpassen“, die FDP sogar jährlich, Vermieten für private Hausbesitzer verein- die Wohnungsbauförderung noch inves- die CDU will es „reformieren und verbes- fachen und die Eigentumsbildung durch torenfreundlicher zu machen, sollen För- sern“, Die Linke „erhöhen und umbauen“ Freibeträge bei der Grunderwerbssteu- derbedingungen und Standards überprüft und Die Grünen schlicht verdoppeln. Grüne er erleichtern. Investitionshemmnisse wie werden. Dagegen enthält der Koaliti- und Linke wollen darüberhinaus die Heiz- den Mieterschutz (z. B. Mietpreisbremse) onsvertrag kein Bekenntnis zum Erhalt kostenkomponente wieder einführen. will sie dagegen abschaffen. des Landeswohnungsbauvermögens und auch keins zum Einsatz der Bundesmittel Gemeinnutz Die AfD möchte mehr Bauland bereitstel- für den Sozialen Wohnungsbau – solange Den Programmen der Partner in der bis- len und Bauvorschriften entschlacken, die es sie noch gibt. herigen Großen Koalition merkt man an, Grund- und Grunderwerbssteuer senken dass sie damit rechnen, vielleicht nach sowie „planwirtschaftliche Eingriffe“ wie Einzelprivatisierung der Wahl wieder in diesem Bündnis zu die Mietpreisbremse abschaffen. Außerdem will die neue Regierung die landen – sie formulieren jedenfalls sehr Grunderwerbssteuer für die Käufer selbst- zurückhaltend. Ganz anders die bisherige Fazit genutzten Eigentums erlassen. Die Durch- Opposition im Bundestag: Linke und Grü- Die wohnungspolitischen Pläne von SPD, setzung dieser Regelung wird als starker ne nehmen kein Blatt vor den Mund und Linken und Grünen passen leidlich zu- Anreiz nicht nur für den Eigenheimbau stimmen in vielen Forderungen überein. sammen, ebenso die von CDU und FDP. auf der grünen Wiese, sondern auch für Die Fortsetzung der Großen Koalition die Einzelprivatisierung kleiner Häuser Das gilt für eine weitere Reform des Miet- würde hingegen auch zur Fortsetzung der und die Umwandlung von Miet- in Eigen- rechts, wie sie der Deutsche Mieterbund gegenseitigen Blockade führen. tumswohnungen wirken. 9
::: Wohnungspolitik Mieterforum III / 2017 Kündigungsschutz – Teil 2 Wie ein Schweizer Käse Der gesetzlich vorgesehene Kündigungsschutz von Mietern ist in den letzten 15 Jahren durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durchlöchert worden wie ein Schweizer Käse. Dagegen richtet sich immer intensivere Kritik. Die Wiederherstellung des Kündigungsschutzes ist eine zentrale Forderung des Deutschen Mieterbundes an die nächste Bundesregierung – und damit natür- lich Wahlkampfthema. In der letzten Ausgabe sprachen wir mit dem Berliner Rechtsanwalt Benjamin Raabe über die Kündigung bei vertragswidrigem Verhalten des Mieters. In dieser Ausgabe ist Rechtsanwalt Dr. Rainer Tietzsch unser Gesprächspartner zum Thema „Kündigung des vertragstreuen Mieters“. Foto: Fehling Er hat darüber einen Aufsatz in der Fachzeitschrift „Wohnungswirtschaft und Mietrecht“ verfasst. MF: Dass ein Vermieter einem Mieter, der schlechtert, aus Mietersicht. Früher war MF: Und was hat es mit der Hinderung Vertragsregeln erheblich verletzt – zum zum Beispiel der Personenkreis, für den angemessener wirtschaftlicher Verwer- Beispiel die Miete nicht zahlt – als letztes man Eigenbedarf anmelden konnte, auf tung auf sich? Mittel kündigen darf, kann man irgend- Verwandte ersten Grades beschränkt, wie verstehen. Aber wieso kann einem also Eltern, Geschwister, Kinder. Das hat Tietzsch: Das ist einer der Kündigungs- Mieter gekündigt werden, der sich gar der BGH beträchtlich ausgeweitet. Er hat gründe, die das Gesetz ausdrücklich nichts hat zu Schulden kommen lassen? aber auch der Räumungsklage eines Ver- nennt. Damit ist zum Beispiel gemeint, mieters stattgegeben, der lediglich sechs das der Vermieter kündigen können soll, Tietzsch: Begründet wird das mit dem Ei- Wochen im Jahr seine Tochter besuchen wenn er mit der Vermietung andauernde gentumsrecht. Der Vermieter soll sein Ei- wollte. Er hat bejaht, dass Mieter für ein Verluste macht. Zum Beispiel, weil die Aus- gentum, auch wenn er es erst einmal Au-Pair-Mädchen weichen müssen oder gaben für die Instandhaltung des Hauses vermietet hatte, für sich selber nutzen für gewerbliche Nutzung der Wohnung. die Mieteinnahmen dauerhaft übersteigen. dürfen. Und er soll natürlich bei der Ver- Und er hat zugelassen, dass alle Mitglie- Früher legten die Gerichte das sehr rest- mietung keine Verluste hinnehmen müs- der einer Eigentümergemeinschaft eines riktiv aus. Erfolgreiche Verwertungskündi- sen. Deshalb gibt es im Bürgerlichen Mehrfamilienhauses Eigenbedarf für je gungen kamen fast nur in den östlichen Gesetzbuch die Kündigungsgründe „Ei- eine Wohnung anmelden. Auch wer eine Bundesländern vor, zum Beispiel in halb genbedarf“ und „Hinderung angemes- vermietete Wohnung viel billiger kauft als verfallenen und dreiviertel-leerstehenden sener wirtschaftlicher Verwertung“. Im eine freie, ist nicht gehindert, sofort Ei- Häusern. Aber auch hier hat der BGH die Grundsatz ist das ja völlig in Ordnung. genbedarf anzumelden, um selbst einzie- Grenzen viel tiefer gelegt. Zum Beispiel ist Was uns zunehmend Probleme macht, hen zu können. eine Verwertungskündigung jetzt mög- ist die immer stärkere Ausweitung dieser lich, wenn der Vermieter das Haus bereits Kündigungsgründe, und auch die Aner- MF: Das ist alles Eigenbedarf? in sehr schlechtem Zustand ganz billig ge- kennung weiterer, im Gesetz nicht aus- kauft hat. Oder wenn er den schlechten drücklich formulierter „berechtigter Inter- Tietzsch: Die Sache mit dem Au-Pair- Zustand durch jahrelange Vernachlässi- essen“, die Vermieter an der Beendigung Mädchen und der gewerblichen Nutzung gung selbst herbeigeführt hat. des Mietverhältnisses haben können. nicht. Denn Eigenbedarf kann der Ver- mieter nur für Verwandte oder Angehöri- MF: Um den Kündigungsschutz quasi „wie- MF: Was sind das für Probleme? ge seines Haushaltes anmelden. Aber die derherzustellen“, haben Sie ganz konkrete Aufzählung der Kündigungsgründe in § Gesetzesänderungen vorgeschlagen. Tietzsch: Seit der Bundesgerichtshof letz- 573 BGB ist leider nicht abschließend, so te Instanz in Sachen Mietrecht geworden dass man sich „sonstige berechtigte Inte- Tietzsch: Es handelt sich um Vorschläge ist, hat er die Rechtsprechung zum Kün- ressen“ des Vermieters ausdenken kann, der Arbeitsgruppe „Mietrecht“ im „Netz- digungsschutz nachhaltig verändert. Ver- das Mietverhältnis zu beenden. werk Mieten und Wohnen“. Und der ers- 10
Mieterforum III / 2017 ::: Wohnungspolitik Kündigungsgründe, die schon bei Ab- gentums zu bestimmen. Das heißt, es schluss des Mietverhältnisses oder beim ist die Aufgabe des Gesetzgebers, durch Kauf des Hauses durch den jetzigen Ei- Gesetze festzulegen, welche Rechte ein gentümer vorlagen, außen vor bleiben. Haus- oder Wohnungseigentümer hat, Dann könnte niemand mehr eine Woh- und welche Beschränkungen er im Inte- nung kaufen und sofort Eigenbedarf an- resse der davon betroffenen Nichteigen- melden, oder ein heruntergekommenes tümer, insbesondere der Mieter, und im Haus billig erwerben und dann die Mie- Interesse der Allgemeinheit hinnehmen ter wegen des Instandsetzungsbedarfs muss. In der Vergangenheit sind sämt- kündigen. Das würde sehr viele der be- liche Versuche, Regelungen im Wohn- schriebenen Probleme lösen. raummietrecht, die das Eigentumsrecht (c) steinerpicture, panthermedia.net beschränken, für verfassungswidrig zu MF: Aber nicht alle? erklären, gescheitert. Nach der Recht- sprechung des Bundesverfassungsge- Tietzsch: Nein. Wir finden es auch un- richts gilt für das Recht der Wohnraum- befriedigend, dass die Interessen des miete sogar eine besonders strenge Mieters, in seiner Wohnung zu bleiben, Sozialbindung. Also: Wenn der Gesetz- überhaupt keine Rolle spielen. Außer in geber will, kann er unsere Vorschläge te Vorschlag ist, außerordentliche und den begrenzten Fällen, wo sich der Mie- durchaus umsetzen. ordentliche Kündigungen strikt zu tren- ter auf eine besondere soziale Härte ge- nen im Gesetz. Wegen Vertragsverlet- mäß § 574 BGB berufen kann. Es ist ja MF: Welche Chancen räumen Sie den zung soll nur gekündigt werden können, auch abseits von Notlagen in vielen Fäl- von Ihnen geforderten Gesetzesänderun- wenn sie sehr schwerwiegend ist, und len der Mieter mindestens so stark auf gen denn ein? dann eben außerordentlich, also fristlos. die Wohnung angewiesen wie der Eigen- Oder wenn ein Gericht den Mieter we- tümer. Wir schlagen deshalb vor, in § Tietzsch: Das kommt ein Stück weit auf gen seiner Vertragsverletzung rechtskräf- 573 vorzuschreiben, dass das berechtig- das Ergebnis der bevorstehenden Bun- tig verurteilt hat und er diese trotzdem te Interesse des Vermieters an der Kün- destagswahl an. FDP und AFD sehen im fortsetzt. Das hat Ihnen mein Kollege digung das Interesse des Mieters, in der Mieterschutz nur ein Investitionshemm- Benjamin Raabe, der mit mir zusammen Wohnung zu bleiben, deutlich überwie- nis (in NRW bauen Union und FDP gera- in dieser Arbeitsgruppe ist, ja bereits er- gen muss. Dann wird die Tatsache, dass de den Mieterschutz ab). In der Großen läutert. die Mieter meist auf die Wohnung ange- Koalition gab es zwar zaghafte Ansät- wiesen sind, von vornherein mitberück- ze, die Union sorgte aber dafür, dass MF: Und für Eigenbedarf und die wirt- sichtigt. Das Widerspruchsrecht in § 574 die Mietpreisbremse nicht funktioniert, schaftliche Verwertung bliebe dann die soll in dieser Konstruktion sichern, dass und hat viel harmlosere Änderungen im ordentliche, also fristgemäße Kündigung? auch in dem Fall, in dem die persönli- Mietrecht letztlich nicht einmal bis in die chen Interessen des Vermieters überwie- Kabinettsrunde kommen lassen. Auch Tietzsch: Genau – und zwar nur für gen, der Mieter möglichst nicht woh- in der SPD gibt es starke Kräfte, die die diese. Wir schlagen vor, das Wörtchen nungslos wird, indem zumindest der Probleme entweder immer noch nicht „insbesondere“ vor der Aufzählung der unternehmerisch handelnde Vermieter ernst nehmen, oder einen Konflikt dar- Kündigungsgründe in § 573 BGB er- dem Mieter Ersatzwohnraum anbieten um nicht riskieren wollen. Ob eine Fort- satzlos zu streichen. Dadurch würde die muss, wenn er kündigen möchte. setzung der Großen Koalition irgendeine Aufzählung abschließend und es wäre Verbesserung bringt, ist sehr zweifelhaft. nicht mehr möglich, sich sonstige Grün- MF: Sehen Sie bei all dem keine verfas- In einer rot-rot-grünen Regierung hät- de auszudenken. Wir fordern, dass sich sungsrechtlichen Probleme? te der Mieterschutz sicher einen anderen der Personenkreis, für den Eigenbedarf Stellenwert. Wir sollten alle Politiker in angemeldet werden kann, wieder auf Tietzsch: Das haben wir geprüft. Es gibt der Öffentlichkeit mit diesen Problemen Verwandte ersten Grades beschränkt. ja im Grundgesetz sowohl die Eigen- konfrontieren und sie auf ernsthafte An- Das muss man eben wörtlich so ins Ge- tumsgarantie als auch die Sozialpflicht strengungen festnageln. setz schreiben, damit Gerichte das nicht des Eigentums. Artikel 14 des Grundge- mehr anders interpretieren können. setzes verpflichtet den Gesetzgeber aus- Rechtsanwalt Dr. Rainer Tietzsch ist Vor- Und wir fordern, dass alle möglichen drücklich, Inhalt und Schranken des Ei- sitzender des Berliner Mietervereins. 11
::: Stadt im Wandel Mieterforum III/2017 Foto: NATURSTROM-AG In Hattingen versorgt eine Photovoltaikanlage 15 Wohnungen mit sauberem Mieterstrom. Neue gesetzliche Förderung Mieterstrom bleibt Schwachstrom Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächern waren bisher fast ausschließlich Eigenheimbesitzern vorenthalten. Mieterin- nen und Mieter bzw. Besitzer von Mehrfamilienhäusern konnten von den staatlichen Zuschüssen und Förderungen nicht profitieren. Folglich blieben die sogenannten Mieterstromprojekte, bei denen ein Mehrfamilienhaus oder eine Siedlung mit lokal produziertem Strom versorgt werden, vielfach Pilotprojekte. Ein neues Gesetz soll den Mieterstrom nun stärker fördern. Ein Schwerpunkt der Energiewende liegt Was ist Mieterstrom? Know-how für Planung, Abwicklung und im Aufbau einer nachhaltigen Versorgung Als Mieterstrom bezeichnet man vor Ort Betrieb solcher Anlagen verfügen. mittels erneuerbarer Energien, wie etwa produzierten Solarstrom, etwa auf den Strom aus Solar- oder Windkraftanlagen. Dächern von Mehrfamilienhäusern, der Nicht der günstigste Strom Insbesondere in Städten bietet sich die von den Bewohnern des Gebäudes direkt Im Vergleich zu verschiedenen, meist teu- dezentrale Produktion von Solarstrom auf genutzt werden kann. Da er nicht durch ren Grundversorgungstarifen ist Mieter- Hausdächern an. Viele Eigenheimbesitzer das öffentliche Stromnetz geleitet wird, strom durch den Wegfall verschiedener profitieren seit Jahren von staatlichen För- entfallen Netzentgelte, Konzessionsabga- Preiskomponenten günstiger. Preisbe- derungen und nutzen die Dachflächen für ben und Stromsteuer – der Strom wird wusste Verbraucher, denen Faktoren wie Photovoltaikanlagen, mit denen sie ihren dadurch für den einzelnen Mieter günsti- Nachhaltigkeit und Transparenz nicht so Eigenstrom produzieren. Auf Dächern von ger. Als Betreiber der Mieterstromanlage wichtig sind, kommen durch einen jährli- Mietshäusern sind solche Anlagen bisher kann der Vermieter direkt auftreten oder chen Anbieterwechsel in Kombination mit die Ausnahme. Ein Potenzial von diesen Part an einen externen Dienstleis- Neukundenprämien aber noch günstiger 370.000 Wohngebäuden mit rund 3,8 ter, wie etwa die Stadtwerke oder eine an ihren Strom. Hier wird bereits deutlich, Millionen Wohnungen wäre laut einer ak- Energiegenossenschaft, übertragen. Das dass das neue Gesetz Luft nach oben hat. tuellen Studie des Bundeswirtschaftsmi- bietet sich insofern an, als dass auch Mie- Mieterstromprojekte werden sich flächen- nisteriums für solche Mieterstromprojekte terstromprojekte stets ans öffentliche deckend nur durchsetzen können, wenn geeignet. Ob das neue Gesetz dazu bei- Stromnetz angeschlossen sind, um Versor- sie sich mit den günstigsten Tarifen der tragen wird, dieses Potenzial auszuschöp- gungssicherheit zu garantieren, und die örtlichen Energieversorger messen lassen fen, bleibt fraglich. großen Energiedienstleister über das nötige können. „Weiche“ Faktoren wie Umwelt- 12
Mieterforum III/2017 ::: Stadt im Wandel verträglichkeit, lokale Produktion oder gelung, die von der Verbraucherzentrale Kaum Projekte vor Ort Transparenz können insbesondere für NRW begrüßt wird, die aber die Bereit- Eines der wenigen Mieterstromprojekte im einkommensschwache Haushalte häufig schaft zu solchen Projekten auf Vermieter- Einzugsgebiet der Mietervereine Dort- nicht die entscheidenden Faktoren sein. seite eher senkt. Zwar bleiben Vermieter mund und Bochum befindet sich am nicht auf ihrem selbstproduzierten Strom Südring in Hattingen: 15 Wohnungen ei- Solidarprinzip sitzen, sondern speisen ihn ins Stromnetz nes Mehrgenerationenhauses werden Egal ob stromproduzierender Mieter oder ein, falls Mieter nicht am Projekt teilneh- über eine Photovoltaikanlage auf dem Eigenheimbesitzer: Beide sorgen für den men, doch wer möchte schon viel Auf- Dach mit Mieterstrom versorgt. Besitzer Wegfall von Steuereinnahmen und Kon- wand in ein Projekt stecken, das eventuell der 2011 erbauten Immobilie ist die Hat- zessionsgebühren. Produzieren 3,8 Millio- nicht angenommen wird? tinger Wohnungsgenossenschaft hwg, nen Haushalte Eigenstrom, fallen sie aus Mieter der Verein WiWoZu (Wir wohnen der Strom-Solidargemeinschaft. Die sin- DMB ist skeptisch zusammen). „In unserem Wohnprojekt kenden Einnahmen müssen auf die ver- Der Deutsche Mieterbund als Dachver- wollten wir von Anfang an nicht nur ge- bleibenden Strombezieher verteilt werden, band u.a. der Mietervereine Dortmund meinschaftliches Wohnen umsetzen, son- deren Kosten dadurch steigen. Die Ver- und Bochum begrüßte in einer Stellung- dern auch umwelt- und klimafreundlich braucherzentrale NRW empfiehlt daher nahme das neue Gesetz als ersten wichti- leben“, erklärt Rolf Novy-Huy, vom Verein eine grundlegende Modifizierung des Fi- gen Schritt, wies aber zeitgleich auf den WiWoZu. „Mieterstrom passt ganz her- nanzierungsmodells der Energiewende, deutlichen Nachbesserungsbedarf des vorragend zum Konzept unseres Mehr- zum Beispiel durch eine Umstellung auf Gesetzes hin. Insbesondere die weiterhin Generationenhauses.“ Dass dieses Kon- eine aus Steuern gedeckte Finanzierung. vorhandene Ungleichbehandlung von zept außergewöhnlich ist, weiß man auch Eigenheimbesitzern und Mieterstrom- bei der Hattinger Wohnungsgenossen- Keine Kopplung Beziehern durch unterschiedliche Vergü- schaft. „Gemeinschaftliche Wohnprojekte Wie schwierig es ist, die Interessen der All- tungssysteme wurde kritisiert. Darüber zählen zu den heutigen Wohntrends un- gemeinheit (Förderung regenerativer hinaus wies der DMB darauf hin, dass das serer Gesellschaft. Das Mehrgeneratio- Energien), der Vermieter und der Verbrau- Gesetz Mieterstrom auf Anlagen „auf, an nenhaus am Südring ist ein Leuchtturm- chern unter einen Hut zu bekommen, oder in einem Wohngebäude“ reduziere projekt, das für innovatives und zeitge- zeigt das Gesetz im Punkt Kopplung von und damit Konzepte für Quartiere und an- mäßes Wohnen steht“, erklärt Erika Mietvertrag und Stromliefervertrag. Expli- dere sinnvolle und größere Projekte verhin- Müller-Finkenstein, Vorstandsvorsitzende zit wird darauf hingewiesen, dass Mieter dere.“ Nicht zuletzt würden bürokratische der hwg eG. „Und genauso zeitgemäß ist eine freie Stromanbieterwahl haben – sie und steuerrechtliche Hemmnisse sowie ein für uns das Thema Mieterstrom.“ also mit dem Mietvertrag nicht automa- hoher Verwaltungsaufwand insbesondere tisch auch an einem vorhandenen Mieter- Kleinvermieter von der Umsetzung von Bei der Dortmunder DOGEWO21 beobach- stromprojekt teilnehmen müssen. Eine Re- Mieterstromprojekten abhalten. tet man das Thema intensiv. „Wir sichten gerade, welche Quartiere sich dafür anbie- Bisher Ausnahme statt Regel: Photovoltaikanlagen auf ten würden und wie hoch die Akzeptanz bei Mietshäusern. unseren Mieterinnen und Mietern sein wür- de“, sagt Regine Stoerring. „Durch unseren Unternehmensverbund mit der DEW21 bie- tet sich das Thema für uns an.“ Auch beim Spar und Bauverein in Dort- mund schließt man zukünftige Projekte nicht aus: „Perspektivisch betrachtet ist – aufgrund der Vielzahl in Neubau und Mo- dernisierung angedachter Energieeinspar- projekte in unserem Hause – für die kom- menden Jahre zumindest denkbar, dass zukünftig eine Maßnahme ‚Mieterstrom‘ Foto: pixabay realisiert werden könnte“, teilt Pressespre- cherin Nicole Brückner mit. (mik) 13
::: Serie Mieterforum III/2017 Fotos: pixabay Die Smart-Home-Technik vernetzt inzwischen zahlreiche Geräte und Anwendungen im Haushalt. Vernetzter Haushalt Bequem aber gefährlich Der Saugroboter hält die Wohnung allein sauber, der Kühlschrank weiß, wann er den Lieblingskäse bestellen muss und der Kaffee ist bereits frisch aufgebrüht, wenn wir morgens in die Küche kommen. Im Grunde gibt es heute kein Haus- haltsgerät, das nicht in einer „mitdenkenden“ Variante zu bekommen ist. Smart-Home-Geräte, die meist über das In- ternet gesteuert werden, sollen den Alltag ihrer Nutzer erleichtern. Doch diese Bequemlichkeit birgt oft auch ein großes Risiko, denn viele Geräte und Systeme sind nur unzureichend geschützt. Das Internet der Dinge boomt! Jeden Tag der Dinge“ bringt Schlupflöcher für Gau- Herstellerpasswortes sein. Und nutzen werden weltweit ca. 5,5 Mio. internetfä- ner in unseren Alltag, die es ebenso zu si- Sie für jedes Gerät ein anderes Passwort! hige Geräte – vom Fernseher bis zum chern gilt wie Haustür und Kellerfenster. Unveränderte Herstellerpasswörter – in Toaster – in Betrieb genommen. Doch je der Regel einfachste Pins wie 0000 – sind mehr Menschen ihren Wohnraum auf Unzureichender Schutz Angriffspunkte für Hacker, die Ihre Geräte „smarte“ Weise bedienen, umso mehr po- Das große Problem: Der Kunde will ein übernehmen wollen. Im Netz sind gar tenzielle Angriffsfläche besteht für Hacker. möglichst einfach zu bedienendes Gerät, Listen mit den Codes für einzelne Geräte Sicherheitsexperten sind sich einig: Viele der Hersteller will es möglichst günstig zu finden. Nutzer investieren so wenig Zeit und Ge- produzieren. Also wird in Sachen Sicher- danken in den Schutz ihres Smart Homes, heit gespart. Doch die Bequemlichkeit Warum die Änderung? Stellen Sie sich vor, dass Sie im Grunde ihre Wohnungstür of- der Anwender darf nie zu Lasten der Sie besitzen ein Babyphone, mit dem Sie Ihr fenstehen lassen könnten, wenn sie das Sicherheit gehen. Deshalb sollte Ihr erster Kind auf dem Smartphone per Live-Video Haus verlassen. Das klingt drastisch, ver- Schritt bei Inbetriebnahme eines smarten beobachten können. Lassen Sie das vorein- deutlicht jedoch die Gefahr. Das „Internet Alltagsbegleiters immer die Änderung des gestellte Passwort stehen, können Fremde 14
Mieterforum III/2017 ::: Serie genau wie Sie selbst ungehindert in Ihr Kin- die verbaute Überwachungstechnik in den von Apple (Siri), Amazon (Alexa) oder derzimmer schauen. Auf diese Weise drin- Geräten. Problematisch ist dies bei inte auch Google (Google Home) kennt. Die gen Hacker unbemerkt in Ihre Privatsphäre grierten Mikrofonen oder Kameras, die für Geräte dimmen auf Sprachbefehl das und können überprüfen, ob sie zu Hause den eigentlichen Gebrauch nicht benötigt Licht, bestellen eine Pizza oder spielen sind. Dies öffnet Einbrechern Tür und Tor. werden. Der Verbraucher weiß oft gar das Lieblingslied ab. Außerdem lernen sie nichts von ihnen. Auch sie können von Ein- die Gewohnheiten ihrer Nutzer auswen- Kidnapping dringlingen ins Heimnetzwerk übernom- dig und können irgendwann Wünsche vo- Eine weitere Form der Internet-Kriminalität men und zum Ausspähen genutzt werden. raussehen, bevor diese ausgesprochen ist das Kidnapping von Geräten. Hacker werden. Sie sind in der Regel mit dem übernehmen dabei von außen Ihre Geräte Neben der Änderung aller Passwörter Smartphone gekoppelt und erkennen per und machen sie funktionsunfähig. Das empfehlen Experten: Richten Sie zu Hause GPS des Handys, wann ihr Besitzer die kann Ihr PC sein, aber auch der smarte für die Geräte ein eigenes Netzwerk ein. Arbeitsstätte verlässt, können entspre- Kühlschrank oder die Heizungsanlage. Erst Nutzen Sie nicht das gleiche WLAN, über chend die Heizung zum richtigen Zeit- gegen die Zahlung von Lösegeld werden das Sie auch Ihre E-Mails abrufen und punkt auf Wohlfühltemperatur regeln und die Geräte wieder freigeschaltet. Um sol- Ihre Online-Banking-Geschäfte erledigen. schalten Licht und Radio ein, sobald er che einfach anzugreifenden Netze zu fin- Dringt ein Hacker in Ihr Smart-Home-Sys- die Wohnung betritt. Natürlich können den, können Hacker sogar von der Straße tem ein, hat er nicht sofort automatisch die Geräte auch für den Einbruchsschutz aus die Umgebung scannen. Zugriff auf sensible Daten wie Kontonum- genutzt werden, sie lassen die Wohnung mern, Adressen oder E-Mails. Und: Wenn bewohnt wirken, z.B. in dem sie die Lich- Verbraucher-Schützer und PC-Experten Sie von unterwegs aus, z.B. Ihre Rolläden ter in einzelnen Zimmern ein- oder aus- sind sich einig, dass die Hersteller mehr in steuern wollen, um Ihr Haus im Urlaub schalten oder Staubsaugergeräusche oder die Pflicht genommen werden müssen, bewohnt aussehen zu lassen, tun Sie dies Hundegebell abspielen. Aber auch hier um den Schutz von Inbetriebnahme an niemals aus einem offenen WLAN heraus, besteht die Möglichkeit, dass bei unzurei- zu gewährleisten. Auch die Politik müsste sondern nutzen Sie ausschließlich vertrau- chendem Schutz Fremde Ihr Gerät über- handeln und unter anderem ein bisher enswürdige Netze. Daten werden ansons- nehmen und z.B. auf Ihre Kosten Bestel- fehlendes Gütesiegel entwickeln, dass gut ten unverschlüsselt gesendet und können lungen im Internet tätigen, von denen Sie gesicherte Systeme kennzeichnet. ausgelesen werden. Halten Sie außerdem erst einmal nichts mitbekommen. Den fi- die Software aktuell und laden Sie vor- nanziellen Schaden zu regeln, dürfte Bevor Sie sich für ein Smart-Home-System handene Gerätehersteller-Updates herun- schwierig werden, da der Kunde in der entscheiden oder ein intelligentes Gerät ter, um bekannte Sicherheitslücken zu Pflicht steht nachzuweisen, dass er den kaufen, informieren Sie sich, wie diese in schließen. Kauf nicht selbst getätigt hat. Tests unabhängiger Institute abgeschnit- ten haben. Tests, die vom Hersteller selbst Sollten Sie von einem Hackerangriff be- Fazit in Auftrag gegeben wurden, reichen nicht troffen sein, hilft nur eins: Nehmen Sie Das Internet der Dinge kann den Alltag er- aus! Tatsächlich sind mehr als die Hälfte alle Geräte vom Netz und schalten Sie sie leichtern und uns durch intelligente Nut- aller Geräte und Systeme bei Tests von re- aus. Richten Sie Ihr Heimnetzwerk neu zung auch dabei helfen, Strom, Wasser nommierten Zeitschriften und Instituten mit frischen Passwörtern ein. Und melden und Zeit zu sparen. Wer sich jedoch auf in puncto Sicherheit durchgefallen. Sie den Angriff der Polizei! die Geräte einlässt, sollte selbst für ausrei- chende Sicherheit sorgen, um sich vor Keine Kennzeichnungspflicht OK, Google… Übergriffen durch Fremde und bösen Über- Noch ein Problem: Derzeit besteht für Her- Großer Beliebtheit erfreuen sich derzeit raschungen zu schützen. Dann ist gegen steller keine Kennzeichnungspflicht über Sprachsteuerungsassistenten, wie man sie ein Smart Home nichts einzuwenden. 15
::: Mietrecht Mieterforum III/2017 BGH Neues aus Karlsruhe Der BGH hat sich in den letzten Monaten schwerpunktmäßig mit dem Thema Kündigung auseinandergesetzt. Kündigung 1: BGH schränkt der Interessen von Vermieter und Mietern Eigenbedarfskündigung für im konkreten Einzelfall. Hierfür legten Gewerbezwecke ein. die Karlsruher Richter nun grobe Richt- linien fest. Soll die Wohnung gekündigt Kündigung 2: Keine Vermieterpflicht, Der Fall werden, damit der Vermieter dort wohnen eine freiwerdende Wohnung im Haus Ein Berliner Mieter bewohnte eine und arbeiten kann, greift der Nutzungs- anzubieten. 2-Zimmer-Wohnung in einem Mehrfami- wunsch des Vermieters stärker durch. Will lienhaus. Dort betrieb der Ehemann der ein Vermieter in der Mietwohnung seinen Der Fall Vermieterin eine Beraterfirma. Im Jahre persönlichen Lebensmittelpunkt begrün- Eine Familie mit ihrer erwachsenen Tochter 2013 kündigte die Vermieterin das Miet- den, ist dies zulässig, wenn er darlegen bewohnte eine 6-Zimmer-Wohnung in verhältnis wegen Eigenbedarfs für ihren kann, dass ihm ansonsten ein beachtens- Frankfurt. Im selben Haus befand sich eine Ehemann. Begründet wurde die Kündigung werter Nachteil entsteht. 4-Zimmer-Wohnung, in dem die Tochter mit der notwendigen Erweiterung des der Vermieterin mit deren Ehemann wohn- Betriebs. In der Mietwohnung des Mieters Will ein Vermieter dagegen die Wohnung te. Ende 2014 kündigte die Vermieterin sollte ein weiterer Arbeitsplatz nebst Akten- ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken wegen Eigenbedarfs für die Tochter und regalen und Archiv eingerichtet werden. nutzen, werden die Anforderungen für den den Schwiegersohn. Diese wollten statt in Vermieter hochgeschraubt. Er muss dann ihrer bisherigen Wohnung in der deutlich Die Entscheidung darlegen und beweisen, dass er andern- größeren Wohnung der Mieter wohnen. Die entscheidende Frage für den BGH falls einen erheblichen Nachteil hätte, war, ob die geplante Einrichtung eines beispielsweise seine geschäftliche Tätigkeit Die Entscheidung Arbeitsplatzes samt Archiv ein soge- nicht rentabel durchgeführt werden kann. Die Mieter waren während des Prozesses nanntes „berechtigtes Interesse“ an der Da die Berliner Vermieterin diese Beweise ausgezogen, sodass es nur noch um die Beendigung des Mietverhältnisses für die nicht erbringen konnte, wurde die Räu- Verfahrenskosten ging. Rechtlich war die Vermieterin darstellte. In seiner bisherigen mungsklage abgewiesen. Frage zu klären, ob die Vermieterin den Rechtsprechung hatte der BGH entschie- Mietern die Wohnung der Tochter als den, dass ein Vermieter nicht nur dann Das Fazit Ersatzwohnung hätte anbieten müssen. kündigen kann, wenn er selbst in der Die Karlsruher Entscheidung bringt mehr Dies hatte zuvor das LG Frankfurt bejaht. Wohnung wohnen will, sondern auch, Rechtssicherheit bei Eigenbedarfskün- Die Karlsruher Richter sahen dies nun an- wenn er die Wohnung zu beruflichen digungen. Bislang drohte einem Mieter ders. Sie stellten zunächst fest, dass eine Zwecken nutzen möchte. Begründet hatte auch der Verlust der Wohnung, wenn sie eventuelle Anmietpflicht für eine Ersatz- dies der BGH 2012 mit dem verfassungs- lediglich beruflich durch den Vermieter wohnung mit Ablauf der Kündigungsfrist rechtlich geschützten Recht der Berufs- genutzt werden sollte. Dies ist in Zukunft und der Beendigung des Mietverhältnisses freiheit des Vermieters. Seitdem wurden für den Vermieter nicht mehr so einfach. endet. Auch aufgrund des sogenann- Kündigungsmöglichkeiten wegen Eigenbe- Will er die Wohnung ausschließlich ge- ten Gebots der Rücksichtnahme, ist ein darfs für Vermieter deutlich ausgeweitet. werblich nutzen muss er beweisen, dass Vermieter nicht verpflichtet, die bisher von er erhebliche Nachteile hat, wenn er die ihm selbst bewohnte Wohnung anzu- Nunmehr rudert der BGH zurück. Zwar ist gekündigte Wohnung nicht nutzen kann. bieten. Dies gilt umso mehr, wenn der eine Kündigung einer Mietwohnung für Dieser Beweis dürfte in vielen Fällen nicht Vermieter, bzw. hier die Tochter, erst nach berufliche Zwecke nicht von vornherein zu führen sein. dem Auszug des Mieters in die geräum- ausgeschlossen. Der BGH fordert jetzt BGH, Urteil vom 29.03.2017, te Wohnung einziehen kann. Auf einen allerdings eine umfassende Abwägung VIII ZR 45/16. derartigen „fliegenden Wohnungswechsel“ 16
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