Der Kampf um Berlin Es wird gewählt: Wird Leerstand verboten? - Mieterverein Bochum

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Der Kampf um Berlin Es wird gewählt: Wird Leerstand verboten? - Mieterverein Bochum
13. JG. Nr. 49, III / 2017

  Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.

Es wird gewählt:
Der Kampf um Berlin
Rat vertagt Satzung:
Wird Leerstand verboten?
Hattingen:
Neuer Mietspiegel
Der Kampf um Berlin Es wird gewählt: Wird Leerstand verboten? - Mieterverein Bochum
::: Inhalt                                                                                                                 Mieterforum III / 2017

                                                         Strommessgeräte

                                                         Wieviel Strom verbraucht Ihre Wasch-
                                                         maschine bei 30 Grad? Oder wieviel Ihr
       5                          8
                                                         Fernseher im Standby-Betrieb? Das sagen
                                                         Ihnen unsere Strommessgeräte aufs Watt
                                                         genau.

                                                         Sie können die Geräte bei uns für maxi-
                                                         mal eine Woche kostenfrei ausleihen. Erst
                                                         bei längerer Ausleihe wird ein Entgelt fäl-   selbstverständlich wieder ausgezahlt wird.
       12                       18                       lig. Einzige Bedingung: Es ist eine Kauti-    Details zu den Regeln der Ausleihe erfah-
                                                         on in Höhe von 50 Euro zu hinterlegen,        ren Sie unter der Rufnummer
                                                         die Ihnen bei ordnungsgemäßer Rückgabe        0234 / 96 11 40.
        Mietervereine:
        Neue Mediatorin........................S. 4

        Baumkontrolle:                                   Ortstermine
        Zulässige Nebenkosten? ............S. 5

        NRW:                                             Wohnungsmängel? Feuchtigkeitsschä-
        Bauordnung behindert ..............S. 6
                                                         den? Begleitung bei der Wohnungsüber-
        Mieterschutz in NRW:                             gabe? Wohngifte-Messung? Wohnflä-
        Das große Streichkonzert ..........S. 7          chen-Berechnung?

        Wohnungspolitik:                                 Unser Mann im Außendienst kommt zu
        Der Kampf um Berlin .................S. 8        Ihnen nach Hause. Dipl. Ing. Bernd Eck-
                                                         stein ist Baubiologe und Energiebera-         Kontakt: Fon: 02302 / 58 54 77
        Kündigungsschutz:
        Wie ein Schweizer Käse II ........S. 10          ter mit BAFA-Zulassung. Im Preis von 85 €     Fax: 02302 / 58 54 75
                                                         (Preisänderungen vorbehalten) sind An-        E-Mail: b-eckstein@versanet.de
        Photovoltaik:                                    fahrt, Kurzgutachten und Mehrwertsteuer       Bitte klären Sie die Notwendigkeit einer
        Mieterstron..............................S. 12   enthalten.                                    Ortsbegehung vorab in der Rechtsberatung.

        Smart Home:
                                                         Sie können uns bei Facebook besuchen: ..... facebook.com/Mieterverein.Bochum
        Bequem aber gefährlich...........S. 14
                                                         und auf Twitter folgen: .............................. @MieterBO
        BGH-Urteile:
        Neues aus Karlsruhe ................S. 16        Impressum                                     Fon: 0234 / 96 11 4 - 44
                                                         Herausgeber:                                  Fax: 0234 / 96 11 4 - 74
        Rat bejaht Dringlichkeit:                        DMB – Mieterverein Bochum,                    E-Mail: mensch.mieter@mvbo.de
        Zweckentfremdungs-
                                                         Hattingen und Umgegend e. V.,                 Namentlich gekennzeichnete Beiträge
        satzung für Bochum? ..............S. 18
                                                         Brückstraße 58                                geben nicht unbedingt die Meinung der
        Hattingen:                                       44787 Bochum                                  Redaktion wieder.
        Neuer Mietspiegel ...................S. 20
                                                         Redaktion:                                    Anzeigen: Michael Wenzel
                                                         Michael Wenzel, Tobias Scholz (ts), Rai-      Fon: 0234 / 96 11 4 - 40
                                                         ner Stücker, Martin Grebe (mag), Martin       Fax: 0234 / 96 11 4 - 70
                                                         Krämer,                                       E-Mail: gf@mvbo.de
                                                         v.i.S.d.P.: Aichard Hoffmann (aha)
                                                                                                       Titelbild: pixabay.com
                                                                                                       Druck: Lensing-Druck, Dortmund
                                                                   Mitglied im Deutschen
                                                                   Mieterbund NRW e.V.                 Auflage: 20.000

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Der Kampf um Berlin Es wird gewählt: Wird Leerstand verboten? - Mieterverein Bochum
Mieterforum III / 2017                                                                                                  ::: Internes

Mieterverein

Sozialamt übernimmt
Beiträge
Die Stadt Bochum übernimmt unter bestimmten Voraussetzungen wieder die
Mitgliedsbeiträge für den Mieterverein für Bezieher von Leistungen nach dem
SGB II, dem SGB XII oder dem Asylbewerber-Leistungsgesetz.

Wenn bei der Betreuung einer leistungs-     Wohnungsmängeln, Kündigungen und
berechtigten Person erkennbar wird, dass    Renovierungen.
ihre Vermieterin oder ihr Vermieter aus                                                    Christine Tölle wiedergewählt
dem Mietverhältnis möglicherweise unge-     Betroffene Hilfeempfänger besprechen den
rechtfertigte Ansprüche stellt oder gebo-   eventuellen Beratungsbedarf am besten          Die Mitgliederversammlung des Mieter-
tene Handlungen unterlässt und fachliche    mit ihrem Sachbearbeiter beim Jobcenter        vereins hat Christine Tölle für weitere fünf
Beratung geboten erscheint, können die      oder Sozialamt. Nach einem schriftlichen       Jahre in ihrem Amt bestätigt. Tölle ist seit
pauschalen Beratungskosten für den Mie-     Antrag kann dieser dann eine Kostenüber-       2003 2. Vorsitzende, zuvor war sie zwei
terverein Bochum übernommen werden.         nahme-Bescheinigung ausstellen. Die Mit-       Jahre Beisitzerin. In der Kontrollkommis-
Gemeint sind vor allem Probleme mit Be-     gliedschaft im Mieterverein wird pauschal      sion wurde auch Ralf Finke für fünf Jahre
triebs- und Heizkostenabrechnungen,         vergütet und endet automatisch.                wiedergewählt.

Von Rentnerinnen und Wiedereinsteigerinnen
Die eine geht, die andere kommt wieder: Im Mieterverein gibt es einen weiteren Personalwechsel. Nach fast 30 Jahren im
Betrieb ging unsere Rechtsberaterin Gisela Krieter Ende August in den Ruhestand. Aus der Babypause zurück meldet sich
dagegen Anna Schwehm. Sie übernimmt dabei den Postleitzahlenbereich 44805 und 44809 von Hannelore Felder-
mann (Gerthe, Hiltrop, Kirchharpen, Hofstede, Hamme). Frau Feldermann wiederum tritt Gisela Krieters Nachfolge
in Wattenscheid an (Postleitzahlen 44866, 44867, 44869) und übernimmt auch die Beratung in der Wattenschei-
der Geschäftsstelle in der Nikolaistraße 2.

Kommt wieder: Anna Schwehm                  Geht nach Wattenscheid: Hannelore Feldermann   Geht in Ruhestand: Gisela Krieter

                                                                                                                                          3
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    Neue Frau für
    die Mediation
    Beim Mieterverein gibt es einen weiteren Personal-
    wechsel. Anja Buschmann, die für uns seit vielen
    Jahren das Angebot an Mitglieder realisiert, Streit
    mit anderen Mietern durch eine Mediation zu lösen,
    verlässt uns, da sie sich hauptberuflich weg von
    Bochum orientiert. Ihren Part übernimmt Susanne
    Jacob, studierte Pädagogin (M. A.) und Systemisch-
    Integrative Therapeutin und -Sozialtherapeutin.
    MieterForum stellt die Neue vor.

    Nicht selten haben Mitglieder des Mieter-
    vereins kein Problem mit ihrem Vermieter,
    sondern einem anderen Mieter. Das ist
    dann auch für den Mieterverein ein Pro-
    blem. Denn Mieter gegen andere Mieter
    vertreten darf er nicht. Das verbietet die
    Vereinssatzung. Logisch: Denn Mieter ge-
    gen Mieter könnte allzu leicht bedeuten:
                                                        Susanne Jacob
    Mitglied gegen Mitglied. Ein klassischer
    Interessenkonflikt.
                                                   zwischen den Parteien zu schauen. Salopp       reden sind. „Ist das nicht der Fall, biete
    Um nicht Mitglieder, die extra wegen ei-       gesagt: Was läuft da eigentlich ab zwi-        ich an, den Betroffenen dabei zu helfen,
    nes Nachbarschaftsstreites eingetreten         schen den beiden?“                             Wege zu finden, mit der Situation wei-
    sind, sofort wieder nach Hause schicken                                                       terzuleben“ sagt Susanne Jacob. „Häu-
    zu müssen, haben wir ein Alternativange-       Denn die Erfahrung lehrt, dass der ei-         fig hilft es ja, eine Anlaufstelle zu haben,
    bot: Durch eine Mediation kann versucht        gentliche Streitgegenstand häufig aus-         wo man seinen Frust abladen kann. Die
    werden, den Mieterstreit zu schlichten.        tauschbar ist. Dafür aber machen sich die      Betroffenen fühlen sich oft wie in einer
    Das geht natürlich nur, wenn beide Par-        Streithähne oft nicht klar, worum es ih-       Sackgasse und empfinden Leidensdruck.
    teien dazu bereit sind.                        nen selbst oder den anderen jenseits der       Ich versuche, die Menschen zu einem
                                                   Vordergründigkeit eigentlich geht. Jacob:      anderen Blick auf die Situation anzure-
    Diese Aufgabe hat in diesem Sommer Su-         „Jemand schließt die Tür nicht ab. Das         gen und vielleicht eine andere Strategie
    sanne Jacob von Anja Buschmann über-           stört mich, weil ich ein Sicherheitsbedürf-    zu entwickeln.“
    nommen. Auch sie arbeitet nach der Me-         nis habe. Das sage ich aber nicht, son-
    thode der „gewaltfreien Kommunikation“         dern poche auf die Hausordnung. Der an-
    nach Marshall Rosenberg. Ihr beruflicher       dere hält mich dann vielleicht für einen         Interesse?
    Werdegang ist allerdings anders.               Prinzipienreiter, und die kann er nicht lei-     Wenn Sie das Angebot interessiert,
                                                   den. Ein Sicherheitsbedürfnis dagegen            wenden Sie sich zunächst an Ihre/n
    „Als Systemikerin arbeite ich lösungsori-      würde er wahrscheinlich verstehen. Denn          zuständige/n Rechtsberater/in. Es folgt
    entiert“, erklärt sie. „Es geht nicht darum,   das hat ja eigentlich jeder, nur nicht im-       dann zunächst ein 4-Augen-Gespräch
    zu ergründen, wie ein Streit angefangen        mer auf die gleiche Art.“                        mit Frau Jacob und anschließend –
    hat, wer schuld daran ist und wer nachge-                                                       wenn die andere Seite mitmacht – die
    ben sollte oder wo ein Kompromiss liegen       Mediation setzt natürlich voraus, dass           eigentliche Mediation. Die Beratung ist
    könnte. Es geht darum, auf die Dynamik         beide Parteien offen dafür und bereit zu         für Mitglieder kostenlos.

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Der Kampf um Berlin Es wird gewählt: Wird Leerstand verboten? - Mieterverein Bochum
Mieterforum III / 2017
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Nebenkosten für Baumkontrollen?
Seit der Klimawandel uns in Mitteleuropa immer öfter schwere Unwetter und Stürme beschert, ist es unter Vermietern
Sitte geworde, Bäume auf ihren Grundstücken regelmäßig auf ihre Standfestigkeit zu überprüfen. Denn kracht so ein
Riese zur Unzeit herunter und richtet Sach- oder sogar Personenschaden an, drohen Schadensersatzforderungen. Da
ist Vorsicht besser als Nachsicht. So weit, so gut. Das Problem ist nur: Immer mehr Wohnungsgesellschaften wollen ihre
Mieter dafür zahlen lassen.

17 Arten von Betriebskosten, die von Mie-
tern verlangt werden dürfen, listet die Be-
triebskostenverordnung auf. Leider lautet
der Name der 17. Art „sonstige Beitriebs-
kosten“. Eine solche „offene Restkatego-
rie“ ist natürlich ein Einfallstor für kreati-
ve Vermieter, alle möglichen Kosten, die
entstehen, zu Betriebskosten zu erklären
und auf die Mieter abzuwälzen.

Den Vorreiter hat – wie so oft Vonovia –
gespielt, als sie noch Deutsche Anning-
ton hieß. Und eine der ersten „neuen“
Betriebskostenarten, die plötzlich von Mie-
tern verlangt wurden, lautete „Baumkon-
trolle“. Meistens sind es nur um die 15 €
pro Mietpartei, aber Kleinvieh macht be-
kanntlich auch Mist. Inzwischen ist auch
die halbstädtische VBW, in Bochum die
größte Wohnungsanbieterin, auf den Zug           Mit einer Baumkontrolle begann vor acht Jahren im Malerviertel in Weitmar-Bärendorf der wahr-
aufgesprungen. Der Mieterverein hält die         scheinlich erbittertste Streit zwischen einer Mieterinitiative und einer Wohnungsgesellschaft, der je
                                                 auf Bochumer Boden ausgetragen wurde. Heute herrscht hier Ruhe, aber dafür haben jede Menge
Abwälzung dieser Kosten für nicht zulässig
                                                 Mieter anderer Wohnungsgesellschaften Ärger mit neuen Nebenkosten wegen Baumkontrollen.
und vertritt bereits zahlreiche Mitglieder.

Keine Gartenpflege                               schreiben prophylaktisch ganze Litaneien            Kläger gesucht
„Nach unserer Rechtsauffassung sind              an möglichen Betriebskostenarten in ihre            Leider gibt es zu der Frage noch keine
Baumkontrollen keine Gartenpflegekosten          Mietverträge, auch wenn es sie (noch)               höchstrichterliche Rechtsprechung – und
gemäß § 2 Ziffer 10 der Betriebskosten-          gar nicht gibt.                                     auch keine aus unserem Vereinsgebiet.
verordnung“, erklärt Mietervereins-Anwalt                                                            Der Mieterverein sucht deshalb eine/n
York Redeker. „Denn sie dienen allein der        Doch wenn Baumkontrolle ausschließ-                 beherzte/n Mieter/in mit oder auch ohne
Verkehrssicherung und haben nichts mit           lich in die Verkehrssicherungspflicht des           Rechtschutzversicherung zwecks Durch-
Pflege zu tun. Wenn überhaupt, kann es           Vermieters fällt, dann sind es eigentlich           führung eines Musterprozesses – auf un-
sich nur um sonstige Betriebskosten ge-          überhaupt keine Betriebskosten, die der             ser Risiko natürlich. Freiwillige melden
mäß Ziffer 17 handeln. Und die sind nur          Mieter zahlen müsste. Immer mehr Ge-                sich unter 96 11 40.
umlagefähig, wenn sie im Mietvertrag             richtsurteile bestätigen diese Auffassung:
ausdrücklich vereinbart sind.“                   Die Maßnahme dient ausschließlich der               Übrigens: Auch die „Objektbetreuer“ von
                                                 Gefahrenabwehr im Hinblick auf eine zu              Vonovia führen laut ihrer Stundenzettel
Allerdings ist dies in immer mehr Miet-          vermeidende Haftung des Grundstücksei-              immer mehr Kontrollen von allen mög-
verträgen der Fall. Immer mehr Vermie-           gentümers, meinte beispielsweise das AG             lichen Anlagen durch. Solche Funktions-
ter beugen allen Eventualitäten vor und          Dortmund (419 C 4528/15).                           kontrollen müssen Mieter nicht bezahlen!

                                                                                                                                                         5
Der Kampf um Berlin Es wird gewählt: Wird Leerstand verboten? - Mieterverein Bochum
::: NRW                                                                                                            Mieterforum III / 2017

    Bauordnung behindert
    Die neue schwarz-gelbe Landesregierung war kaum im Amt, als sie mit einer
    ihrer ersten Entscheidungen gleich die Sozalverbände gegen sich aufbrachte.
    Hintergrund ist die Novelle der Landesbauordnung, von Rot-Grün Ende 2016
    beschlossen. Sie sollte eh erst Ende 2017 in Kraft treten, um der Bauwirtschaft
    Zeit zu geben, sich auf neue Vorschriften einzustellen. Nun beschloss Schwarz-
    Gelb ein weiteres Jahr „Moratorium“ und ein Überdenken der neuen Regelun-
    gen. Der Sozialverband Deutschland, der VdK NRW, die LAG Selbsthilfe NRW
    und die Interessenvertretung selbstbestimmt Leben befürchten, dass dabei die
    geplanten Verbesserungen für Behinderte gefährdet sind oder sich zumindest
    erheblich verzögern – und rufen zum Protest auf.

    Michaela Kusal kann mehr als ein Lied         abgelöst wird, braucht sie zwischendurch     „Wir werden die im Dezember 2016 no-
    von den Problemen singen, mit denen           Rückzugsmöglichkeiten. Und auch der Be-      vellierte Landesbauordnung durch ein
    Rollstuhlfahrer täglich zu kämpfen haben.     hinderte selbst möchte kaum rund um          Moratorium aussetzen mit dem Ziel, eine
    Sie engagiert sich ehrenamtlich bei der       die Uhr mit seinem Assistenten im glei-      überarbeitete Landesbauordnung, bei
    seit 1980 bestehenden „Arbeitsgemein-         chen Zimmer hocken. Man braucht also         der baukostensteigernde Regulierungen
    schaft Behinderte in Bochum“, arbeitet        eigentlich eine den Bedarfen angemes-        und Vorgaben abgeschafft werden sollen,
    beim Beratungszentrum zur Inklusion Be-       sene Wohnung. Doch selbst, wenn man          schnellstmöglich in Kraft zu setzen.“ So
    hinderter (BZI) des Akademischen Förde-       dafür einen Wohnberechtigungsschein          schrieben es CDU und FDP bereits in ih-
    rungswerks und ist auch selbst eine von       bekommt, ist die Konkurrenz um diese         ren Koalitionsvertrag. Inzwischen haben
    350.000 Menschen in NRW, die auf den          Wohnungen riesig. In Bochum, so hat Mi-      sie Taten folgen lassen.
    Rollstuhl angewiesen sind.                    chaela Kusal beim Sozialamt erfahren,
                                                  beträgt die Wartezeit zwei bis drei Jah-     Wohl nicht zu Unrecht befürchten die So-
    Eines dieser Probleme ist das Wohnen.         re. Und zwischendurch eine andere Woh-       zialverbände, dass die Vorschriften über
    „Mit der typischen Eineinhalb-Zimmer-         nung zu nehmen, ist nicht zu empfehlen.      mehr rollstuhlgerechte Wohnungen am
    50-Quadratmeter-Sozialwohnung kommt           Denn dann rutscht man auf der Wartelis-      Ende zu den „baukostensteigernden Regu-
    man im Rollstuhl nicht klar“, sagt sie. „Es   te wieder ganz nach hinten.                  lierungen“ gehören und komplett gestri-
    reicht auch nicht, wenn die Wohnung                                                        chen werden. Damit wären Verbesserun-
    „barrierefrei“ ist. „Rollstuhlgerecht“ ist    Neubau tut not                               gen für Behinderte in weite Ferne gerückt.
    die umfassendere DIN-Norm. Da darf es         Abhilfe könnte Neubau schaffen. Denn
    nicht nur keine Schwellen und Kanten ge-      vorhandene Wohnungen rollstuhlgerecht          Kontakt:
    ben, da müssen auch die Türen 90 cm           umzubauen, ist oft mit unverhältnismäßi-       Die Arbeitsgemeinschaft Behinderter in
    breit sein, die Lichtschalter und Steckdo-    gen Mehrkosten verbunden oder schlicht-        Bochum ist ein seit Jahrzehnten aktiver
    sen müssen eine Höhe haben, die man im        weg unmöglich. Die abgewählte rotgrüne         Zusammenschluss Bochumer Bürgerin-
    Sitzen erreichen kann, es muss Wendeflä-      Landesregierung hatte das Problem er-          nen und Bürger, der sich zur Aufgabe
    chen geben und so weiter.“                    kannt und eine neue Vorschrift in die Lan-     gemacht hat, Inklusionsprozesse anzu-
                                                  desbauordnung aufgenommen: Wer mehr            regen, zu begleiten, und wo nötig vor-
    Solche Wohnungen sind selten genug.           als 8 Wohnungen baut, muss mindes-             anzutreiben, um das Ziel einer inklusi-
    Aber viele Behinderte sind zudem nicht        tens eine rollstuhlgerechte dabei haben,       ven Stadt Bochum, in der jeder Mensch
    nur auf den Rollstuhl, sondern auch auf       bei mehr als 15 sind zwei Pflicht. Doch        wertgeschätzt wird und barrierefrei teil-
    eine Rund-um-die Uhr-Assistenz angewie-       diese neue Bauordnung ist noch nicht in        haben kann, zu verwirklichen. Sie trifft
    sen. Wenn die Vorraussetzungen erfüllt        Kraft, obwohl sie bereits 2016 beschlos-       sich am ersten Montag in ungeraden
    sind, bezahlt die nötigen Kosten auch der     sen wurde. Und wenn es nach dem Willen         Monaten ab 18 Uhr im barrierefrei zu-
    Sozialhilfeträger. Aber man wohnt dann        der neuen schwarzgelben Regierung geht,        gänglichen Haus der Begegnung, Al-
    quasi zu zweit in der Wohnung. Auch           dann tritt sie auch frühestens 2019 in         senstr. 19a in Bochum.
    wenn die zweite Person nach 24 Stunden        Kraft – und vielleicht auch gar nicht.         parisozial-bochum.de/content/e661/e934/

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Der Kampf um Berlin Es wird gewählt: Wird Leerstand verboten? - Mieterverein Bochum
Mieterforum III / 2017                                                                                                        ::: NRW

Mieterschutz in NRW

Das große Streichkonzert
Laschet ist nicht Rüttgers. So werden sich vielleicht manche getröstet haben, die sich nach dem Ergebnis der Landtagswahl
Sorgen um den Mieterschutz an Rhein und Ruhr gemacht haben. Doch diese Sorgen waren nur allzu begründet, wie sich
spätestens herausstellte, als der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag veröffentlicht wurde. Wie weiland Jürgen Rüttgers zwischen
2005 und 2010 so will auch Armin Laschet den kompletten Mieterschutz, soweit er Landesrecht ist, ersatzlos abschaffen.

Das große Streichkonzert kann dabei rela-
tiv schnell über die Bühne gehen, denn bei
den Mieterschutzbestimmungen handelt
es sich bis auf eine Ausnahme nicht um
Gesetze, die nur der Landtag verändern
kann, sondern um Verordnungen, die die
Regierung erlassen oder eben auch aufhe-
ben kann. Zwar sind diese Verordnungen
auch jetzt schon weit von dem entfernt,

                                                                                                                                             (c) Land NRW, R. Sondermann
was der Mieterbund für richtig hält. Den-
noch droht einges, verloren zu gehen:
–– Die Mietpreisbremsenverordnung be-
     grenzt in 22 von 396 Kommunen
     in NRW die Neuvermietungsmieten
     auf 10 % über der ortsüblichen Ver-
                                              Ministerpräsident Armin Laschet und Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales,
     gleichsmiete.                            Bau und Gleichstellung, bei ihrer Ernennung in Düsseldorf
–– Die Kappungsgrenzenverordnung be-
     grenzt in 59 Kommunen die Mieter-        Damit steht auch das einzige halbwegs          Scharrenbach verteidigte ihre Politik als
     höungen auf 15 % in drei Jahren          greifbare Ergebnis der 2-jährigen Be-          Anlass zur Freude für Mieter: „Die kön-
     (sonst 20 %).                            ratungen in der Enquete-Kommission             nen durch die Förderung schließlich auch
–– Die Kündigungssperrfristverordnung         „Wohnungswirtschaftlicher Wandel“ auf          Eigentum bilden.“ Eine Bauministerin, die
     verlängert des Schutz vor Eigenbe-       der Kippe. Kein Wunder, dass solche Plä-       sich Mieter nur als Menschen vorstellen
     darfskündigungen nach Umwandlung         ne die ehemaligen Regierungsparteien           kann, die möglichst schnell im Eigentum
     in Eigentum von 3 Jahren auf 5 in        SPD und Grüne in Harnisch bringen. Am          wohnen wollen – eine Traumbesetzung
     33 Kommunen und auf 8 Jahren in 4        12. Juli kam es zu einem heftigen Schlag-      im Mieterland NRW!
     Kommunen.                                abtausch im Landtag. Neu-Ministerin Ina                  Mehr zum Koalitionsvertrag auf S. 9
–– Die Umwandlungsverordnung ver-
     bietet die Umwandlung in Eigen-            Im Wortlaut
     tum komplett in Gebieten mit Mile-         Zum Thema Mietrecht heißt es im Koalitionsvertrag:
     uschutzsatzungen – was aber sehr           „Die Mietpreisbremse hat in Nordrhein-Westfalen ihren Zweck nicht erfüllt. Sie hat
     wenige sind.                               nicht die Mieten gebremst, sondern private Investitionen in den Wohnungsbau. Um
–– Und die Zweckentfremdungsverord-             das Angebot auf dem Wohnungsmarkt zu vergrößern und für mehr bezahlbaren
     nung, die Schwarz und Gelb ebenfalls       Wohnraum zu sorgen, wollen wir private Investitionen wieder attraktiver machen.
     streichen wollen (siehe Kasten) gibt       Dazu werden wir die Kappungsgrenzenverordnung und die Mietpreisbegrenzungs-
     es gar nicht. Stattdessen gibt es eine     verordnung aufheben.
     Satzungsermächtigung für Kommu-            Das Bundesrecht enthält bereits einen weitreichenden Mieterschutz. Darüber hin-
     nen in § 10 des Wohnungsaufsichts-         ausgehende landeseigene Regelungen sind daher nicht erforderlich. Die Kündigungs-
     gesetzes, das aber laut Koalitionsver-     sperrfristverordnung, die Zweckentfremdungsverordnung, die Umwandlungsverord-
     trag ebenfalls zur Disposition steht.      nung werden wir aufheben, das Wohnungsaufsichtsgesetz überprüfen.“

                                                                                                                                                                           7
Der Kampf um Berlin Es wird gewählt: Wird Leerstand verboten? - Mieterverein Bochum
::: Wohnungspolitik                                                                                                 Mieterforum III / 2017

                                                                                                                                                 (c) Deutscher Bundestag, Simone M. Neumann
    Der Kampf um Berlin
    Am 25. September ist Bundestagswahl, und es geht wie immer nicht nur um die Zukunft Deutschlands, sondern mindes-
    tens des gesamten Abendlandes, der westlichen Hemisphäre oder noch mehr. Ganz sicher geht es aber um die Zukunft
    der Wohnungspolitik. Der kommt wieder mehr Bedeutung zu als im ersten Jahrzent dieses Jahrhunderts, seit vor allem
    in vielen Großstädten das Wohnungsangebot immer knapper wird und die Mieten explodieren. Deshalb haben wir
    einen etwas genaueren Blick auf die Programme der Parteien geworfen.

    Wenn man die Bedeutung, die die Parteien      sei, setzt die CDU auf dessen Belebung        Soziales
    dem Thema Wohnungspolitik beimessen,          statt auf „überbordende Regulierung“.         Sind schon die Gewichte bei der Frage
    anhand der Menge dessen bewerten woll-        Ansonsten geht es im Wahlprogramm             „Miete oder Eigentum?“ unterschiedlich
    te, wie viel sie dazu schreiben – es gäbe     der CDU nahezu ausschließlich um ver-         verteilt, so fallen die Antworten beim The-
    eine eindeutige Siegerin: Satte 8.300 Wör-    besserte Eigentumsförderung, insbeson-        ma „Sozialer Wohnungsbau“ noch un-
    ter umfassen die Aussagen zum Wohnen          dere für Familien. Die sollen auch bei der    terschiedlicher aus. Die bisherige Große
    im linken Wahlprogramm. Mit 2.100 Wör-        Grunderwerbssteuer geschont werden,           Koalition hatte die Mittel dafür Schritt für
    tern weit abgeschlagen folgen die Grü-        wie es in NRW schon Armin Laschet vor-        Schritt verdreifacht, so dass zuletzt knapp
    nen auf Platz 2. Platz 3 belegt die SPD mit   macht. Doch auch die SPD möchte durch         24.500 Sozialwohnungen neu gebaut
    1.200 Wörtern, die FDP folgt mit 1.100.       ein „Familienbaugeld“ erreichen, das sich     wurden. Doch das hinkt immer noch weit
    Die CDU bringt es auf ganze 560 Wör-          „mehr Menschen den Traum von den ei-          hinter den 80.000 Wohnungen hinterher,
    ter, und der AfD ist das Thema gerade mal     genen vier Wänden erfüllen können“.           die der Deutsche Mieterbund jährlich für
    300 Wörter wert. Das ist nicht mal eine                                                     nötig hält.
    Schreibmaschinenseite.                        Bauen, bauen, bauen
                                                  Was den Wohnungsbau angeht, über-             In der kommenden Legislaturperiode
    Mietrecht verbessern?                         trumpfen sich die bisherigen Koaltionspart-   will die SPD erreichen, dass der Bund
    Doch auch inhaltlich gibt es begreiflicher-   ner mit Zahlen. 1,5 Mio. Wohnungen will       sich hier stärker engagiert, nennt aber
    weise riesige Unterschiede. Die SPD pro-      die CDU in den vier Jahren der nächsten       keine Zahlen. Die CDU schweigt sich
    pagiert vor allem die Verbesserungen im       Legislaturperiode neu errichten. Das wären    dazu komplett aus. Die bisherigen Op-
    Mietrecht, mit denen sie sich in dieser Le-   50 % mehr als heute. Bei der SPD sind es      positionsparteien Die Grünen und Die
    gislaturperiode nicht durchsetzen konnte:     mit 350 bis 400.000 jährlich ähnlich viele.   Linke stürzen sich um so vehementer
    Nachbesserung der Mietpreisbremse, ver-       Die Realität hinkt dem noch weit hinterher:   auf das Thema: 1 Mio. dauerhaft güns-
    bindlichere Mietspiegel, Begrenzung von       2016 wurden noch nicht einmal 280.000         tige Wohnungen wollen die Grünen in
    Mieterhöhungen nach Modernisierung.           Wohnungen neu errichtet. Und im ersten        vier Jahren schaffen. Die Linke fordert
    Bei der CDU fehlt zu diesen Reizthe-          Halbjahr 2017 ging die Zahl der Bauge-        genausoviel: 250.000 neue Sozialwoh-
    men der Großen Koalition jedes Wort. Da       nehmigungen sogar erstmals seit acht Jah-     nungen jährlich, und dafür will sie
    „Wohnungsbau der beste Mieterschutz“          ren wieder zurück.                            5 Mrd. Euro per Anno ausgeben.

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Der Kampf um Berlin Es wird gewählt: Wird Leerstand verboten? - Mieterverein Bochum
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                                              (Eigen)Heimat-Ministerin Ina Scharrenbach

Das besondere an dem Thema: Der Bund          fordert. Hier liegen sie auf ähnlicher Wel-
muss sich eigentlich Ende 2019 komplett       lenlänge mit der SPD. Das gilt aber auch
aus der Wohnraumförderung zurückzie-          für eine Wiedereinführung der Woh-
hen und die Finanzierung ab 2020 al-          nungsgemeinnützigkeit. Beide Oppositi-
lein den Ländern überlassen. Das ist eine     onsparteien hatten schon in der jetzt zu
Spätfolge der Föderalismusreform, die die     Ende gehenden Legislaturperiode Anträge
Kompetenzen zwischen Bund und Län-            dazu im Bundestag eingebracht und sie

                                                                                                                                        (c) MHKBG 2017 / F. Berger
dern 2005 neu geregelt hat. SPD, Grüne        mit Gutachten untermauert – wir berich-
und Linke wollen jedoch den Bund in der       teten. Auch für die Zeit zwischen 2017
Pflicht halten und dafür nötigenfalls so-     und 2021 haben sie das Thema auf der
gar die Verfassung ändern.                    Agenda. Die SPD sagt sehr schwammig,
                                                                                            NRW:
                                              dass sie den gemeinwohlorientierten Sek-
Bauland billiger
Außer der FDP haben alle etablierten Par-
                                              tor „stärken“ wolle, CDU und FDP wollen
                                              davon nichts wissen.
                                                                                            Mehr Eigentum statt
teien zu teures Bauland als Hauptproblem                                                    Sozialwohnungen
ausgemacht. Entsprechend treten sie dafür     Von Außen
ein, dass beim Verkauf öffentlicher Grund-    Derzeit scheinen sechs Parteien gute Aus-     Obwohl der größte Mangel in NRW
stücke nicht der Meistbietende zum Zuge       sichten zu haben, in den nächsten Bun-        bei den preiswerten Mietwohnungs-
kommen soll, sondern die Grundstücke          destag einzuziehen: Die beiden bisheri-       angeboten in den Großstädten
verbilligt abgegeben werden sollen – was      gen Regierungsparteien CDU und SPD,           herrscht, setzt die neue Landesre-
heute nur begrenzt erlaubt ist. Ein neues     die beiden bisherigen Oppositionsparteien     gierung ganz auf die Schaffung von
Bodenrecht, bei dem Verkaufsgewinne aus       Grüne und Linke, sowie zwei Parteien, die     mehr Eigentum.
Bodenpreissteigerungen abgeschöpft und        aktuell gar nicht im Bundestag vertreten
für sozialen, kommunalen und genossen-        sind: FDP und AfD. Aus Mietersicht könn-      Zu diesem Zweck will sie die Wohnungs-
schaftlichen Wohnungsbau ausgegeben           te das auch so bleiben, denn von den bei-     baufördermittel zu Gunsten der Förde-
werden, fordert nur Die Linke.                den letzten haben Mieter nicht viel zu er-    rung des selbstgenutzten Eigentums
                                              warten.                                       umverteilen, was unter dem Strich zu
Mehr Wohngeld                                                                               weniger Sozialwohnungen in den Städ-
Alle Parteien wollen mehr Wohngeld, nur       Die FDP will das Bauen durch verbesserte      ten und zu mehr Eigenheimbau außer-
mit anderen Worten. Die SPD will es „regel-   Abschreibungsbedingungen fördern, das         halb der Ballungsräume führen wird. Um
mäßig anpassen“, die FDP sogar jährlich,      Vermieten für private Hausbesitzer verein-    die Wohnungsbauförderung noch inves-
die CDU will es „reformieren und verbes-      fachen und die Eigentumsbildung durch         torenfreundlicher zu machen, sollen För-
sern“, Die Linke „erhöhen und umbauen“        Freibeträge bei der Grunderwerbssteu-         derbedingungen und Standards überprüft
und Die Grünen schlicht verdoppeln. Grüne     er erleichtern. Investitionshemmnisse wie     werden. Dagegen enthält der Koaliti-
und Linke wollen darüberhinaus die Heiz-      den Mieterschutz (z. B. Mietpreisbremse)      onsvertrag kein Bekenntnis zum Erhalt
kostenkomponente wieder einführen.            will sie dagegen abschaffen.                  des Landeswohnungsbauvermögens und
                                                                                            auch keins zum Einsatz der Bundesmittel
Gemeinnutz                                    Die AfD möchte mehr Bauland bereitstel-       für den Sozialen Wohnungsbau – solange
Den Programmen der Partner in der bis-        len und Bauvorschriften entschlacken, die     es sie noch gibt.
herigen Großen Koalition merkt man an,        Grund- und Grunderwerbssteuer senken
dass sie damit rechnen, vielleicht nach       sowie „planwirtschaftliche Eingriffe“ wie     Einzelprivatisierung
der Wahl wieder in diesem Bündnis zu          die Mietpreisbremse abschaffen.               Außerdem will die neue Regierung die
landen – sie formulieren jedenfalls sehr                                                    Grunderwerbssteuer für die Käufer selbst-
zurückhaltend. Ganz anders die bisherige      Fazit                                         genutzten Eigentums erlassen. Die Durch-
Opposition im Bundestag: Linke und Grü-       Die wohnungspolitischen Pläne von SPD,        setzung dieser Regelung wird als starker
ne nehmen kein Blatt vor den Mund und         Linken und Grünen passen leidlich zu-         Anreiz nicht nur für den Eigenheimbau
stimmen in vielen Forderungen überein.        sammen, ebenso die von CDU und FDP.           auf der grünen Wiese, sondern auch für
                                              Die Fortsetzung der Großen Koalition          die Einzelprivatisierung kleiner Häuser
Das gilt für eine weitere Reform des Miet-    würde hingegen auch zur Fortsetzung der       und die Umwandlung von Miet- in Eigen-
rechts, wie sie der Deutsche Mieterbund       gegenseitigen Blockade führen.                tumswohnungen wirken.

                                                                                                                                                                     9
Der Kampf um Berlin Es wird gewählt: Wird Leerstand verboten? - Mieterverein Bochum
::: Wohnungspolitik                                                                                                  Mieterforum III / 2017

     Kündigungsschutz – Teil 2

     Wie ein Schweizer Käse
     Der gesetzlich vorgesehene Kündigungsschutz von Mietern ist in den letzten
     15 Jahren durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durchlöchert
     worden wie ein Schweizer Käse. Dagegen richtet sich immer intensivere Kritik.
     Die Wiederherstellung des Kündigungsschutzes ist eine zentrale Forderung des
     Deutschen Mieterbundes an die nächste Bundesregierung – und damit natür-
     lich Wahlkampfthema. In der letzten Ausgabe sprachen wir mit dem Berliner
     Rechtsanwalt Benjamin Raabe über die Kündigung bei vertragswidrigem
     Verhalten des Mieters. In dieser Ausgabe ist Rechtsanwalt Dr. Rainer Tietzsch
     unser Gesprächspartner zum Thema „Kündigung des vertragstreuen Mieters“.

                                                                                                                                                   Foto: Fehling
     Er hat darüber einen Aufsatz in der Fachzeitschrift „Wohnungswirtschaft und
     Mietrecht“ verfasst.

     MF: Dass ein Vermieter einem Mieter, der       schlechtert, aus Mietersicht. Früher war      MF: Und was hat es mit der Hinderung
     Vertragsregeln erheblich verletzt – zum        zum Beispiel der Personenkreis, für den       angemessener wirtschaftlicher Verwer-
     Beispiel die Miete nicht zahlt – als letztes   man Eigenbedarf anmelden konnte, auf          tung auf sich?
     Mittel kündigen darf, kann man irgend-         Verwandte ersten Grades beschränkt,
     wie verstehen. Aber wieso kann einem           also Eltern, Geschwister, Kinder. Das hat     Tietzsch: Das ist einer der Kündigungs-
     Mieter gekündigt werden, der sich gar          der BGH beträchtlich ausgeweitet. Er hat      gründe, die das Gesetz ausdrücklich
     nichts hat zu Schulden kommen lassen?          aber auch der Räumungsklage eines Ver-        nennt. Damit ist zum Beispiel gemeint,
                                                    mieters stattgegeben, der lediglich sechs     das der Vermieter kündigen können soll,
     Tietzsch: Begründet wird das mit dem Ei-       Wochen im Jahr seine Tochter besuchen         wenn er mit der Vermietung andauernde
     gentumsrecht. Der Vermieter soll sein Ei-      wollte. Er hat bejaht, dass Mieter für ein    Verluste macht. Zum Beispiel, weil die Aus-
     gentum, auch wenn er es erst einmal            Au-Pair-Mädchen weichen müssen oder           gaben für die Instandhaltung des Hauses
     vermietet hatte, für sich selber nutzen        für gewerbliche Nutzung der Wohnung.          die Mieteinnahmen dauerhaft übersteigen.
     dürfen. Und er soll natürlich bei der Ver-     Und er hat zugelassen, dass alle Mitglie-     Früher legten die Gerichte das sehr rest-
     mietung keine Verluste hinnehmen müs-          der einer Eigentümergemeinschaft eines        riktiv aus. Erfolgreiche Verwertungskündi-
     sen. Deshalb gibt es im Bürgerlichen           Mehrfamilienhauses Eigenbedarf für je         gungen kamen fast nur in den östlichen
     Gesetzbuch die Kündigungsgründe „Ei-           eine Wohnung anmelden. Auch wer eine          Bundesländern vor, zum Beispiel in halb
     genbedarf“ und „Hinderung angemes-             vermietete Wohnung viel billiger kauft als    verfallenen und dreiviertel-leerstehenden
     sener wirtschaftlicher Verwertung“. Im         eine freie, ist nicht gehindert, sofort Ei-   Häusern. Aber auch hier hat der BGH die
     Grundsatz ist das ja völlig in Ordnung.        genbedarf anzumelden, um selbst einzie-       Grenzen viel tiefer gelegt. Zum Beispiel ist
     Was uns zunehmend Probleme macht,              hen zu können.                                eine Verwertungskündigung jetzt mög-
     ist die immer stärkere Ausweitung dieser                                                     lich, wenn der Vermieter das Haus bereits
     Kündigungsgründe, und auch die Aner-           MF: Das ist alles Eigenbedarf?                in sehr schlechtem Zustand ganz billig ge-
     kennung weiterer, im Gesetz nicht aus-                                                       kauft hat. Oder wenn er den schlechten
     drücklich formulierter „berechtigter Inter-    Tietzsch: Die Sache mit dem Au-Pair-          Zustand durch jahrelange Vernachlässi-
     essen“, die Vermieter an der Beendigung        Mädchen und der gewerblichen Nutzung          gung selbst herbeigeführt hat.
     des Mietverhältnisses haben können.            nicht. Denn Eigenbedarf kann der Ver-
                                                    mieter nur für Verwandte oder Angehöri-       MF: Um den Kündigungsschutz quasi „wie-
     MF: Was sind das für Probleme?                 ge seines Haushaltes anmelden. Aber die       derherzustellen“, haben Sie ganz konkrete
                                                    Aufzählung der Kündigungsgründe in §          Gesetzesänderungen vorgeschlagen.
     Tietzsch: Seit der Bundesgerichtshof letz-     573 BGB ist leider nicht abschließend, so
     te Instanz in Sachen Mietrecht geworden        dass man sich „sonstige berechtigte Inte-     Tietzsch: Es handelt sich um Vorschläge
     ist, hat er die Rechtsprechung zum Kün-        ressen“ des Vermieters ausdenken kann,        der Arbeitsgruppe „Mietrecht“ im „Netz-
     digungsschutz nachhaltig verändert. Ver-       das Mietverhältnis zu beenden.                werk Mieten und Wohnen“. Und der ers-

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Mieterforum III / 2017
                                                                                                                                             ::: Wohnungspolitik

                                                                                     Kündigungsgründe, die schon bei Ab-         gentums zu bestimmen. Das heißt, es
                                                                                     schluss des Mietverhältnisses oder beim     ist die Aufgabe des Gesetzgebers, durch
                                                                                     Kauf des Hauses durch den jetzigen Ei-      Gesetze festzulegen, welche Rechte ein
                                                                                     gentümer vorlagen, außen vor bleiben.       Haus- oder Wohnungseigentümer hat,
                                                                                     Dann könnte niemand mehr eine Woh-          und welche Beschränkungen er im Inte-
                                                                                     nung kaufen und sofort Eigenbedarf an-      resse der davon betroffenen Nichteigen-
                                                                                     melden, oder ein heruntergekommenes         tümer, insbesondere der Mieter, und im
                                                                                     Haus billig erwerben und dann die Mie-      Interesse der Allgemeinheit hinnehmen
                                                                                     ter wegen des Instandsetzungsbedarfs        muss. In der Vergangenheit sind sämt-
                                                                                     kündigen. Das würde sehr viele der be-      liche Versuche, Regelungen im Wohn-
                                                                                     schriebenen Probleme lösen.                 raummietrecht, die das Eigentumsrecht
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                                                                                                                                 beschränken, für verfassungswidrig zu
                                                                                     MF: Aber nicht alle?                        erklären, gescheitert. Nach der Recht-
                                                                                                                                 sprechung des Bundesverfassungsge-
                                                                                     Tietzsch: Nein. Wir finden es auch un-      richts gilt für das Recht der Wohnraum-
                                                                                     befriedigend, dass die Interessen des       miete sogar eine besonders strenge
                                                                                     Mieters, in seiner Wohnung zu bleiben,      Sozialbindung. Also: Wenn der Gesetz-
                                                                                     überhaupt keine Rolle spielen. Außer in     geber will, kann er unsere Vorschläge
                                       te Vorschlag ist, außerordentliche und        den begrenzten Fällen, wo sich der Mie-     durchaus umsetzen.
                                       ordentliche Kündigungen strikt zu tren-       ter auf eine besondere soziale Härte ge-
                                       nen im Gesetz. Wegen Vertragsverlet-          mäß § 574 BGB berufen kann. Es ist ja       MF: Welche Chancen räumen Sie den
                                       zung soll nur gekündigt werden können,        auch abseits von Notlagen in vielen Fäl-    von Ihnen geforderten Gesetzesänderun-
                                       wenn sie sehr schwerwiegend ist, und          len der Mieter mindestens so stark auf      gen denn ein?
                                       dann eben außerordentlich, also fristlos.     die Wohnung angewiesen wie der Eigen-
                                       Oder wenn ein Gericht den Mieter we-          tümer. Wir schlagen deshalb vor, in §       Tietzsch: Das kommt ein Stück weit auf
                                       gen seiner Vertragsverletzung rechtskräf-     573 vorzuschreiben, dass das berechtig-     das Ergebnis der bevorstehenden Bun-
                                       tig verurteilt hat und er diese trotzdem      te Interesse des Vermieters an der Kün-     destagswahl an. FDP und AFD sehen im
                                       fortsetzt. Das hat Ihnen mein Kollege         digung das Interesse des Mieters, in der    Mieterschutz nur ein Investitionshemm-
                                       Benjamin Raabe, der mit mir zusammen          Wohnung zu bleiben, deutlich überwie-       nis (in NRW bauen Union und FDP gera-
                                       in dieser Arbeitsgruppe ist, ja bereits er-   gen muss. Dann wird die Tatsache, dass      de den Mieterschutz ab). In der Großen
                                       läutert.                                      die Mieter meist auf die Wohnung ange-      Koalition gab es zwar zaghafte Ansät-
                                                                                     wiesen sind, von vornherein mitberück-      ze, die Union sorgte aber dafür, dass
                                       MF: Und für Eigenbedarf und die wirt-         sichtigt. Das Widerspruchsrecht in § 574    die Mietpreisbremse nicht funktioniert,
                                       schaftliche Verwertung bliebe dann die        soll in dieser Konstruktion sichern, dass   und hat viel harmlosere Änderungen im
                                       ordentliche, also fristgemäße Kündigung?      auch in dem Fall, in dem die persönli-      Mietrecht letztlich nicht einmal bis in die
                                                                                     chen Interessen des Vermieters überwie-     Kabinettsrunde kommen lassen. Auch
                                       Tietzsch: Genau – und zwar nur für            gen, der Mieter möglichst nicht woh-        in der SPD gibt es starke Kräfte, die die
                                       diese. Wir schlagen vor, das Wörtchen         nungslos wird, indem zumindest der          Probleme entweder immer noch nicht
                                       „insbesondere“ vor der Aufzählung der         unternehmerisch handelnde Vermieter         ernst nehmen, oder einen Konflikt dar-
                                       Kündigungsgründe in § 573 BGB er-             dem Mieter Ersatzwohnraum anbieten          um nicht riskieren wollen. Ob eine Fort-
                                       satzlos zu streichen. Dadurch würde die       muss, wenn er kündigen möchte.              setzung der Großen Koalition irgendeine
                                       Aufzählung abschließend und es wäre                                                       Verbesserung bringt, ist sehr zweifelhaft.
                                       nicht mehr möglich, sich sonstige Grün-       MF: Sehen Sie bei all dem keine verfas-     In einer rot-rot-grünen Regierung hät-
                                       de auszudenken. Wir fordern, dass sich        sungsrechtlichen Probleme?                  te der Mieterschutz sicher einen anderen
                                       der Personenkreis, für den Eigenbedarf                                                    Stellenwert. Wir sollten alle Politiker in
                                       angemeldet werden kann, wieder auf            Tietzsch: Das haben wir geprüft. Es gibt    der Öffentlichkeit mit diesen Problemen
                                       Verwandte ersten Grades beschränkt.           ja im Grundgesetz sowohl die Eigen-         konfrontieren und sie auf ernsthafte An-
                                       Das muss man eben wörtlich so ins Ge-         tumsgarantie als auch die Sozialpflicht     strengungen festnageln.
                                       setz schreiben, damit Gerichte das nicht      des Eigentums. Artikel 14 des Grundge-
                                       mehr anders interpretieren können.            setzes verpflichtet den Gesetzgeber aus-    Rechtsanwalt Dr. Rainer Tietzsch ist Vor-
                                       Und wir fordern, dass alle möglichen          drücklich, Inhalt und Schranken des Ei-     sitzender des Berliner Mietervereins.

                                                                                                                                                                               11
::: Stadt im Wandel                                                                                                   Mieterforum III/2017

                                                                                                                                                  Foto: NATURSTROM-AG
                                                                                                                          In Hattingen versorgt
                                                                                                                       eine Photovoltaikanlage
                                                                                                                            15 Wohnungen mit
                                                                                                                        sauberem Mieterstrom.

     Neue gesetzliche Förderung

     Mieterstrom bleibt Schwachstrom
     Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächern waren bisher fast ausschließlich Eigenheimbesitzern vorenthalten. Mieterin-
     nen und Mieter bzw. Besitzer von Mehrfamilienhäusern konnten von den staatlichen Zuschüssen und Förderungen
     nicht profitieren. Folglich blieben die sogenannten Mieterstromprojekte, bei denen ein Mehrfamilienhaus oder eine
     Siedlung mit lokal produziertem Strom versorgt werden, vielfach Pilotprojekte. Ein neues Gesetz soll den Mieterstrom
     nun stärker fördern.

     Ein Schwerpunkt der Energiewende liegt         Was ist Mieterstrom?                          Know-how für Planung, Abwicklung und
     im Aufbau einer nachhaltigen Versorgung        Als Mieterstrom bezeichnet man vor Ort        Betrieb solcher Anlagen verfügen.
     mittels erneuerbarer Energien, wie etwa        produzierten Solarstrom, etwa auf den
     Strom aus Solar- oder Windkraftanlagen.        Dächern von Mehrfamilienhäusern, der          Nicht der günstigste Strom
     Insbesondere in Städten bietet sich die        von den Bewohnern des Gebäudes direkt         Im Vergleich zu verschiedenen, meist teu-
     dezentrale Produktion von Solarstrom auf       genutzt werden kann. Da er nicht durch        ren Grundversorgungstarifen ist Mieter-
     Hausdächern an. Viele Eigenheimbesitzer        das öffentliche Stromnetz geleitet wird,      strom durch den Wegfall verschiedener
     profitieren seit Jahren von staatlichen För-   entfallen Netzentgelte, Konzessionsabga-      Preiskomponenten günstiger. Preisbe-
     derungen und nutzen die Dachflächen für        ben und Stromsteuer – der Strom wird          wusste Verbraucher, denen Faktoren wie
     Photovoltaikanlagen, mit denen sie ihren       dadurch für den einzelnen Mieter günsti-      Nachhaltigkeit und Transparenz nicht so
     Eigenstrom produzieren. Auf Dächern von        ger. Als Betreiber der Mieterstromanlage      wichtig sind, kommen durch einen jährli-
     Mietshäusern sind solche Anlagen bisher        kann der Vermieter direkt auftreten oder      chen Anbieterwechsel in Kombination mit
     die Ausnahme. Ein Potenzial von                diesen Part an einen externen Dienstleis-     Neukundenprämien aber noch günstiger
     370.000 Wohngebäuden mit rund 3,8              ter, wie etwa die Stadtwerke oder eine        an ihren Strom. Hier wird bereits deutlich,
     Millionen Wohnungen wäre laut einer ak-        Energiegenossenschaft, übertragen. Das        dass das neue Gesetz Luft nach oben hat.
     tuellen Studie des Bundeswirtschaftsmi-        bietet sich insofern an, als dass auch Mie-   Mieterstromprojekte werden sich flächen-
     nisteriums für solche Mieterstromprojekte      terstromprojekte stets ans öffentliche        deckend nur durchsetzen können, wenn
     geeignet. Ob das neue Gesetz dazu bei-         Stromnetz angeschlossen sind, um Versor-      sie sich mit den günstigsten Tarifen der
     tragen wird, dieses Potenzial auszuschöp-      gungssicherheit zu garantieren, und die       örtlichen Energieversorger messen lassen
     fen, bleibt fraglich.                          großen Energiedienstleister über das nötige   können. „Weiche“ Faktoren wie Umwelt-

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Mieterforum III/2017                                                                                       ::: Stadt im Wandel

                verträglichkeit, lokale Produktion oder         gelung, die von der Verbraucherzentrale       Kaum Projekte vor Ort
                Transparenz können insbesondere für             NRW begrüßt wird, die aber die Bereit-        Eines der wenigen Mieterstromprojekte im
                einkommensschwache Haushalte häufig             schaft zu solchen Projekten auf Vermieter-    Einzugsgebiet der Mietervereine Dort-
                nicht die entscheidenden Faktoren sein.         seite eher senkt. Zwar bleiben Vermieter      mund und Bochum befindet sich am
                                                                nicht auf ihrem selbstproduzierten Strom      Südring in Hattingen: 15 Wohnungen ei-
                Solidarprinzip                                  sitzen, sondern speisen ihn ins Stromnetz     nes Mehrgenerationenhauses werden
                Egal ob stromproduzierender Mieter oder         ein, falls Mieter nicht am Projekt teilneh-   über eine Photovoltaikanlage auf dem
                Eigenheimbesitzer: Beide sorgen für den         men, doch wer möchte schon viel Auf-          Dach mit Mieterstrom versorgt. Besitzer
                Wegfall von Steuereinnahmen und Kon-            wand in ein Projekt stecken, das eventuell    der 2011 erbauten Immobilie ist die Hat-
                zessionsgebühren. Produzieren 3,8 Millio-       nicht angenommen wird?                        tinger Wohnungsgenossenschaft hwg,
                nen Haushalte Eigenstrom, fallen sie aus                                                      Mieter der Verein WiWoZu (Wir wohnen
                der Strom-Solidargemeinschaft. Die sin-         DMB ist skeptisch                             zusammen). „In unserem Wohnprojekt
                kenden Einnahmen müssen auf die ver-            Der Deutsche Mieterbund als Dachver-          wollten wir von Anfang an nicht nur ge-
                bleibenden Strombezieher verteilt werden,       band u.a. der Mietervereine Dortmund          meinschaftliches Wohnen umsetzen, son-
                deren Kosten dadurch steigen. Die Ver-          und Bochum begrüßte in einer Stellung-        dern auch umwelt- und klimafreundlich
                braucherzentrale NRW empfiehlt daher            nahme das neue Gesetz als ersten wichti-      leben“, erklärt Rolf Novy-Huy, vom Verein
                eine grundlegende Modifizierung des Fi-         gen Schritt, wies aber zeitgleich auf den     WiWoZu. „Mieterstrom passt ganz her-
                nanzierungsmodells der Energiewende,            deutlichen Nachbesserungsbedarf des           vorragend zum Konzept unseres Mehr-
                zum Beispiel durch eine Umstellung auf          Gesetzes hin. Insbesondere die weiterhin      Generationenhauses.“ Dass dieses Kon-
                eine aus Steuern gedeckte Finanzierung.         vorhandene Ungleichbehandlung von             zept außergewöhnlich ist, weiß man auch
                                                                Eigenheimbesitzern und Mieterstrom-           bei der Hattinger Wohnungsgenossen-
                Keine Kopplung                                  Beziehern durch unterschiedliche Vergü-       schaft. „Gemeinschaftliche Wohnprojekte
                Wie schwierig es ist, die Interessen der All-   tungssysteme wurde kritisiert. Darüber        zählen zu den heutigen Wohntrends un-
                gemeinheit (Förderung regenerativer             hinaus wies der DMB darauf hin, dass das      serer Gesellschaft. Das Mehrgeneratio-
                Energien), der Vermieter und der Verbrau-       Gesetz Mieterstrom auf Anlagen „auf, an       nenhaus am Südring ist ein Leuchtturm-
                chern unter einen Hut zu bekommen,              oder in einem Wohngebäude“ reduziere          projekt, das für innovatives und zeitge-
                zeigt das Gesetz im Punkt Kopplung von          und damit Konzepte für Quartiere und an-      mäßes Wohnen steht“, erklärt Erika
                Mietvertrag und Stromliefervertrag. Expli-      dere sinnvolle und größere Projekte verhin-   Müller-Finkenstein, Vorstandsvorsitzende
                zit wird darauf hingewiesen, dass Mieter        dere.“ Nicht zuletzt würden bürokratische     der hwg eG. „Und genauso zeitgemäß ist
                eine freie Stromanbieterwahl haben – sie        und steuerrechtliche Hemmnisse sowie ein      für uns das Thema Mieterstrom.“
                also mit dem Mietvertrag nicht automa-          hoher Verwaltungsaufwand insbesondere
                tisch auch an einem vorhandenen Mieter-         Kleinvermieter von der Umsetzung von          Bei der Dortmunder DOGEWO21 beobach-
                stromprojekt teilnehmen müssen. Eine Re-        Mieterstromprojekten abhalten.                tet man das Thema intensiv. „Wir sichten
                                                                                                              gerade, welche Quartiere sich dafür anbie-
                 Bisher Ausnahme statt Regel:
                 Photovoltaikanlagen auf                                                                      ten würden und wie hoch die Akzeptanz bei
                 Mietshäusern.                                                                                unseren Mieterinnen und Mietern sein wür-
                                                                                                              de“, sagt Regine Stoerring. „Durch unseren
                                                                                                              Unternehmensverbund mit der DEW21 bie-
                                                                                                              tet sich das Thema für uns an.“

                                                                                                              Auch beim Spar und Bauverein in Dort-
                                                                                                              mund schließt man zukünftige Projekte
                                                                                                              nicht aus: „Perspektivisch betrachtet ist –
                                                                                                              aufgrund der Vielzahl in Neubau und Mo-
                                                                                                              dernisierung angedachter Energieeinspar-
                                                                                                              projekte in unserem Hause – für die kom-
                                                                                                              menden Jahre zumindest denkbar, dass
                                                                                                              zukünftig eine Maßnahme ‚Mieterstrom‘
Foto: pixabay

                                                                                                              realisiert werden könnte“, teilt Pressespre-
                                                                                                              cherin Nicole Brückner mit. (mik)

                                                                                                                                                             13
::: Serie                                                                                                             Mieterforum III/2017

                                                                                                                                                  Fotos: pixabay
                                                                                                                   Die Smart-Home-Technik
                                                                                                                        vernetzt inzwischen
                                                                                                                      zahlreiche Geräte und
                                                                                                                 Anwendungen im Haushalt.

     Vernetzter Haushalt

     Bequem aber gefährlich
     Der Saugroboter hält die Wohnung allein sauber, der Kühlschrank weiß, wann er den Lieblingskäse bestellen muss und
     der Kaffee ist bereits frisch aufgebrüht, wenn wir morgens in die Küche kommen. Im Grunde gibt es heute kein Haus-
     haltsgerät, das nicht in einer „mitdenkenden“ Variante zu bekommen ist. Smart-Home-Geräte, die meist über das In-
     ternet gesteuert werden, sollen den Alltag ihrer Nutzer erleichtern. Doch diese Bequemlichkeit birgt oft auch ein großes
     Risiko, denn viele Geräte und Systeme sind nur unzureichend geschützt.

     Das Internet der Dinge boomt! Jeden Tag        der Dinge“ bringt Schlupflöcher für Gau-      Herstellerpasswortes sein. Und nutzen
     werden weltweit ca. 5,5 Mio. internetfä-       ner in unseren Alltag, die es ebenso zu si-   Sie für jedes Gerät ein anderes Passwort!
     hige Geräte – vom Fernseher bis zum            chern gilt wie Haustür und Kellerfenster.     Unveränderte Herstellerpasswörter – in
     Toaster – in Betrieb genommen. Doch je                                                       der Regel einfachste Pins wie 0000 – sind
     mehr Menschen ihren Wohnraum auf               Unzureichender Schutz                         Angriffspunkte für Hacker, die Ihre Geräte
     „smarte“ Weise bedienen, umso mehr po-         Das große Problem: Der Kunde will ein         übernehmen wollen. Im Netz sind gar
     tenzielle Angriffsfläche besteht für Hacker.   möglichst einfach zu bedienendes Gerät,       Listen mit den Codes für einzelne Geräte
     Sicherheitsexperten sind sich einig: Viele     der Hersteller will es möglichst günstig      zu finden.
     Nutzer investieren so wenig Zeit und Ge-       produzieren. Also wird in Sachen Sicher-
     danken in den Schutz ihres Smart Homes,        heit gespart. Doch die Bequemlichkeit         Warum die Änderung? Stellen Sie sich vor,
     dass Sie im Grunde ihre Wohnungstür of-        der Anwender darf nie zu Lasten der           Sie besitzen ein Babyphone, mit dem Sie Ihr
     fenstehen lassen könnten, wenn sie das         Sicherheit gehen. Deshalb sollte Ihr erster   Kind auf dem Smartphone per Live-Video
     Haus verlassen. Das klingt drastisch, ver-     Schritt bei Inbetriebnahme eines smarten      beobachten können. Lassen Sie das vorein-
     deutlicht jedoch die Gefahr. Das „Internet     Alltagsbegleiters immer die Änderung des      gestellte Passwort stehen, können Fremde

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Mieterforum III/2017                                                                                                          ::: Serie

genau wie Sie selbst ungehindert in Ihr Kin-   die verbaute Überwachungstechnik in den      von Apple (Siri), Amazon (Alexa) oder
derzimmer schauen. Auf diese Weise drin-       Geräten. Problematisch ist dies bei inte­    auch Google (Google Home) kennt. Die
gen Hacker unbemerkt in Ihre Privatsphäre      grierten Mikrofonen oder Kameras, die für    Geräte dimmen auf Sprachbefehl das
und können überprüfen, ob sie zu Hause         den eigentlichen Gebrauch nicht benötigt     Licht, bestellen eine Pizza oder spielen
sind. Dies öffnet Einbrechern Tür und Tor.     werden. Der Verbraucher weiß oft gar         das Lieblingslied ab. Außerdem lernen sie
                                               nichts von ihnen. Auch sie können von Ein-   die Gewohnheiten ihrer Nutzer auswen-
Kidnapping                                     dringlingen ins Heimnetzwerk übernom-        dig und können irgendwann Wünsche vo-
Eine weitere Form der Internet-Kriminalität    men und zum Ausspähen genutzt werden.        raussehen, bevor diese ausgesprochen
ist das Kidnapping von Geräten. Hacker                                                      werden. Sie sind in der Regel mit dem
übernehmen dabei von außen Ihre Geräte         Neben der Änderung aller Passwörter          Smartphone gekoppelt und erkennen per
und machen sie funktionsunfähig. Das           empfehlen Experten: Richten Sie zu Hause     GPS des Handys, wann ihr Besitzer die
kann Ihr PC sein, aber auch der smarte         für die Geräte ein eigenes Netzwerk ein.     Arbeitsstätte verlässt, können entspre-
Kühlschrank oder die Heizungsanlage. Erst      Nutzen Sie nicht das gleiche WLAN, über      chend die Heizung zum richtigen Zeit-
gegen die Zahlung von Lösegeld werden          das Sie auch Ihre E-Mails abrufen und        punkt auf Wohlfühltemperatur regeln und
die Geräte wieder freigeschaltet. Um sol-      Ihre Online-Banking-Geschäfte erledigen.     schalten Licht und Radio ein, sobald er
che einfach anzugreifenden Netze zu fin-       Dringt ein Hacker in Ihr Smart-Home-Sys-     die Wohnung betritt. Natürlich können
den, können Hacker sogar von der Straße        tem ein, hat er nicht sofort automatisch     die Geräte auch für den Einbruchsschutz
aus die Umgebung scannen.                      Zugriff auf sensible Daten wie Kontonum-     genutzt werden, sie lassen die Wohnung
                                               mern, Adressen oder E-Mails. Und: Wenn       bewohnt wirken, z.B. in dem sie die Lich-
Verbraucher-Schützer und PC-Experten           Sie von unterwegs aus, z.B. Ihre Rolläden    ter in einzelnen Zimmern ein- oder aus-
sind sich einig, dass die Hersteller mehr in   steuern wollen, um Ihr Haus im Urlaub        schalten oder Staubsaugergeräusche oder
die Pflicht genommen werden müssen,            bewohnt aussehen zu lassen, tun Sie dies     Hundegebell abspielen. Aber auch hier
um den Schutz von Inbetriebnahme an            niemals aus einem offenen WLAN heraus,       besteht die Möglichkeit, dass bei unzurei-
zu gewährleisten. Auch die Politik müsste      sondern nutzen Sie ausschließlich vertrau-   chendem Schutz Fremde Ihr Gerät über-
handeln und unter anderem ein bisher           enswürdige Netze. Daten werden ansons-       nehmen und z.B. auf Ihre Kosten Bestel-
fehlendes Gütesiegel entwickeln, dass gut      ten unverschlüsselt gesendet und können      lungen im Internet tätigen, von denen Sie
gesicherte Systeme kennzeichnet.               ausgelesen werden. Halten Sie außerdem       erst einmal nichts mitbekommen. Den fi-
                                               die Software aktuell und laden Sie vor-      nanziellen Schaden zu regeln, dürfte
Bevor Sie sich für ein Smart-Home-System       handene Gerätehersteller-Updates herun-      schwierig werden, da der Kunde in der
entscheiden oder ein intelligentes Gerät       ter, um bekannte Sicherheitslücken zu        Pflicht steht nachzuweisen, dass er den
kaufen, informieren Sie sich, wie diese in     schließen.                                   Kauf nicht selbst getätigt hat.
Tests unabhängiger Institute abgeschnit-
ten haben. Tests, die vom Hersteller selbst    Sollten Sie von einem Hackerangriff be-      Fazit
in Auftrag gegeben wurden, reichen nicht       troffen sein, hilft nur eins: Nehmen Sie     Das Internet der Dinge kann den Alltag er-
aus! Tatsächlich sind mehr als die Hälfte      alle Geräte vom Netz und schalten Sie sie    leichtern und uns durch intelligente Nut-
aller Geräte und Systeme bei Tests von re-     aus. Richten Sie Ihr Heimnetzwerk neu        zung auch dabei helfen, Strom, Wasser
nommierten Zeitschriften und Instituten        mit frischen Passwörtern ein. Und melden     und Zeit zu sparen. Wer sich jedoch auf
in puncto Sicherheit durchgefallen.            Sie den Angriff der Polizei!                 die Geräte einlässt, sollte selbst für ausrei-
                                                                                            chende Sicherheit sorgen, um sich vor
Keine Kennzeichnungspflicht                    OK, Google…                                  Übergriffen durch Fremde und bösen Über-
Noch ein Problem: Derzeit besteht für Her-     Großer Beliebtheit erfreuen sich derzeit     raschungen zu schützen. Dann ist gegen
steller keine Kennzeichnungspflicht über       Sprachsteuerungsassistenten, wie man sie     ein Smart Home nichts einzuwenden.

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     BGH

     Neues aus Karlsruhe
     Der BGH hat sich in den letzten Monaten schwerpunktmäßig
     mit dem Thema Kündigung auseinandergesetzt.

     Kündigung 1: BGH schränkt                       der Interessen von Vermieter und Mietern
     Eigenbedarfskündigung für                       im konkreten Einzelfall. Hierfür legten
     Gewerbezwecke ein.                              die Karlsruher Richter nun grobe Richt-
                                                     linien fest. Soll die Wohnung gekündigt        Kündigung 2: Keine Vermieterpflicht,
     Der Fall                                        werden, damit der Vermieter dort wohnen        eine freiwerdende Wohnung im Haus
     Ein Berliner Mieter bewohnte eine               und arbeiten kann, greift der Nutzungs-        anzubieten.
     2-Zimmer-Wohnung in einem Mehrfami-             wunsch des Vermieters stärker durch. Will
     lienhaus. Dort betrieb der Ehemann der          ein Vermieter in der Mietwohnung seinen        Der Fall
     Vermieterin eine Beraterfirma. Im Jahre         persönlichen Lebensmittelpunkt begrün-         Eine Familie mit ihrer erwachsenen Tochter
     2013 kündigte die Vermieterin das Miet-         den, ist dies zulässig, wenn er darlegen       bewohnte eine 6-Zimmer-Wohnung in
     verhältnis wegen Eigenbedarfs für ihren         kann, dass ihm ansonsten ein beachtens-        Frankfurt. Im selben Haus befand sich eine
     Ehemann. Begründet wurde die Kündigung          werter Nachteil entsteht.                      4-Zimmer-Wohnung, in dem die Tochter
     mit der notwendigen Erweiterung des                                                            der Vermieterin mit deren Ehemann wohn-
     Betriebs. In der Mietwohnung des Mieters        Will ein Vermieter dagegen die Wohnung         te. Ende 2014 kündigte die Vermieterin
     sollte ein weiterer Arbeitsplatz nebst Akten-   ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken       wegen Eigenbedarfs für die Tochter und
     regalen und Archiv eingerichtet werden.         nutzen, werden die Anforderungen für den       den Schwiegersohn. Diese wollten statt in
                                                     Vermieter hochgeschraubt. Er muss dann         ihrer bisherigen Wohnung in der deutlich
     Die Entscheidung                                darlegen und beweisen, dass er andern-         größeren Wohnung der Mieter wohnen.
     Die entscheidende Frage für den BGH             falls einen erheblichen Nachteil hätte,
     war, ob die geplante Einrichtung eines          beispielsweise seine geschäftliche Tätigkeit   Die Entscheidung
     Arbeitsplatzes samt Archiv ein soge-            nicht rentabel durchgeführt werden kann.       Die Mieter waren während des Prozesses
     nanntes „berechtigtes Interesse“ an der         Da die Berliner Vermieterin diese Beweise      ausgezogen, sodass es nur noch um die
     Beendigung des Mietverhältnisses für die        nicht erbringen konnte, wurde die Räu-         Verfahrenskosten ging. Rechtlich war die
     Vermieterin darstellte. In seiner bisherigen    mungsklage abgewiesen.                         Frage zu klären, ob die Vermieterin den
     Rechtsprechung hatte der BGH entschie-                                                         Mietern die Wohnung der Tochter als
     den, dass ein Vermieter nicht nur dann          Das Fazit                                      Ersatzwohnung hätte anbieten müssen.
     kündigen kann, wenn er selbst in der            Die Karlsruher Entscheidung bringt mehr        Dies hatte zuvor das LG Frankfurt bejaht.
     Wohnung wohnen will, sondern auch,              Rechtssicherheit bei Eigenbedarfskün-          Die Karlsruher Richter sahen dies nun an-
     wenn er die Wohnung zu beruflichen              digungen. Bislang drohte einem Mieter          ders. Sie stellten zunächst fest, dass eine
     Zwecken nutzen möchte. Begründet hatte          auch der Verlust der Wohnung, wenn sie         eventuelle Anmietpflicht für eine Ersatz-
     dies der BGH 2012 mit dem verfassungs-          lediglich beruflich durch den Vermieter        wohnung mit Ablauf der Kündigungsfrist
     rechtlich geschützten Recht der Berufs-         genutzt werden sollte. Dies ist in Zukunft     und der Beendigung des Mietverhältnisses
     freiheit des Vermieters. Seitdem wurden         für den Vermieter nicht mehr so einfach.       endet. Auch aufgrund des sogenann-
     Kündigungsmöglichkeiten wegen Eigenbe-          Will er die Wohnung ausschließlich ge-         ten Gebots der Rücksichtnahme, ist ein
     darfs für Vermieter deutlich ausgeweitet.       werblich nutzen muss er beweisen, dass         Vermieter nicht verpflichtet, die bisher von
                                                     er erhebliche Nachteile hat, wenn er die       ihm selbst bewohnte Wohnung anzu-
     Nunmehr rudert der BGH zurück. Zwar ist         gekündigte Wohnung nicht nutzen kann.          bieten. Dies gilt umso mehr, wenn der
     eine Kündigung einer Mietwohnung für            Dieser Beweis dürfte in vielen Fällen nicht    Vermieter, bzw. hier die Tochter, erst nach
     berufliche Zwecke nicht von vornherein          zu führen sein.                                dem Auszug des Mieters in die geräum-
     ausgeschlossen. Der BGH fordert jetzt           BGH, Urteil vom 29.03.2017,                    te Wohnung einziehen kann. Auf einen
     allerdings eine umfassende Abwägung             VIII ZR 45/16.                                 derartigen „fliegenden Wohnungswechsel“

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